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Erster Akt.

Dekoration.

Empfangszimmer im Gasthause »Zum goldenen Engel«. In der Mitte des Hintergrundes eine Doppeltür. Links und rechts je eine Tür in Fremdenzimmer führend, davon die eine mit der Nr. 3, die andere mit der Nr. 4 bezeichnet ist. Vorne rechts ein mit einigen Stühlen besetzter runder Tisch, links ebenso mit vier Stühlen ein kleinerer viereckiger Tisch. An der Hinterwand links von der Mitteltür gleichfalls ein Tisch. Links und rechts immer vom Zuschauerraum aus.

Erste Szene.

(Vorspiel)

Müffel (burschikos gekleidet: weiße lederne Hose, Stulpen rot und weißes Cerevis oder Mütze, ebenso Korpsband; ohne Rock in Hemdsärmeln und mit über die Schulter geschlagenem Plaid. In der rechten Hand den Ziegenhainer, in der linken mit einem Tau zusammengebunden: Stiefelknecht, Kaffeekanne, Tabaksbeutel und kurze Pfeife. Am Stiefelknecht eine Papierrolle, sein consilium abeundi. Durch die Mitte kommend und singend).

Ça ça geschmauset,
Laßt uns nicht rappelköpfig sein.
Wer nicht mit hauset,
Der bleib' daheim!

Edite, bibite, collegiales!
Post multa saecula, pocula nulla!

Der Herr Professor
Liest heut' kein Kollegium.
Drum ist es besser,
Man trinkt eins rum!
Edite, bibite, collegiales!
Post multa saecula, pocula nulla!

Du schönes Burschenlied, wie oft hab' ich dich gesungen! – und nun bist du ja wie lauter Spott und Hohn gegen mich! – Edite – – ja iß mal einer, wenn er nichts mehr zu beißen hat! – Und bibite! – Wo? und was? – – wenn einem die Hauptsache fehlt, das volle Faß! – Und die collegiales! – sind das Kollegen?! Philister sind sie! Haben mich herausgetan, weil ich ihnen zu flott gewesen im Pumpen! – Unerhört! – Grausamissime! – Und nichts mehr übrig aus dem Schiffbruch meiner Gemütlichkeit als dieser halbe Wichs, in dem ich noch stecke! – Sollt'n eigentlich schon ablegen, – aber trag' mal einer was anderes, der kein anderes mehr hat! – Ach und auch dieses noch! (auf das Papier zeigend). mein consilium abeundi für'n ganzes Semester! – – Nachtwächter, Nachtwächter, warum hast du mir das getan! – – (Wirft das Bündel auf den Tisch). Aber was nun? – Bis zum Onkel, wo ich dies verfluchte Semester als teurer Gastfreund zu hospitieren gedenke, sind's noch vier Meilen per pedes apostolorum, – und so, – in meinem halben Wichs kann ich doch dem Alten nicht auf die Bude rücken! – Ja, was nun? – ubi edo? – ubi bibo? – ubi pumpo? – – ubi? – ubi? – Philiströse Fragen! – wo besser als bei Karl, meinem Intimus? Kein Engel kann grausam sein! (mit Pathos.). Du goldner Engel, ich begebe mich unter deine Flügel! Schick mir Karl, deinen serviettenschwingenden Jüngling, daß ich essen, trinken und pumpen kann! – (mit dem Ziegenhainer auf den Tisch schlagend). He, Kellner! Kellner!

Zweite Szene.

Müffel. Bock.

Bock (wie ein Kellner gekleidet, im Schniepel und mit der Serviette überm Arm. Durch die Mitte kommend). Ah, bon jour, Herr Müffel! wat machen Sie? –

Müffel. Sie? – ah, pfui! – Wir duzen uns und du siezest mich? (die Arme ausbreitend.). Karl, altes Haus, in meine Arme!

Bock. Na, wenn du et denn meinst, – bon! oller Junge! (umarmt ihn). aber die Studenten, – – und et kam doch man von's Kegelschieben mit die Philister. – –

Müffel. Rectissime! mit die Philister!

Bock. Als du all die Pudel warfst, und ick da für dich werfen mußte, – ick riß dir schön heraus! – –

Müffel. Dir schön heraus! Ha! Ha! Ha! Ha!

Bock. Ja, wat lachst du? daht ick nicht? – Mußten die Ollen nicht det Faß berappen? – und als sie da noch krakehlen wollten, – Junge, Junge, wat hast du sie aber Moritzen jelehrt! – – Du Müffel, sag' mal, bist du eigentlich 'n Mecklenburger?

Müffel. Mecklenburger? – ego? – wie so?

Bock. Weil du det alles mit die ollen Krakehlers man so uff Plattdeutsch machtest.

Müffel. Awer Korl, markst du denn noch nix? (sich präsentierend). Kiek mal her! – rot un witt. – Holsatia sei's Panier! – en echten Holsteener!

Bock. Ick Esel! – Aber, du Müffel, – als wir da nachher noch 'n bischen in die Traube saßen bei die Jänsebrüste und mit all den Scherri, – Junge! Junge!

Müffel. Himmlischer Abend!

Bock. Und als wir da Smollis tranken, – so ordentlich über die Arme (macht es so). und mit det Lied, – wie jeht et man noch? (singt). So lange wir uns kennen,

Müffel (singt). Woll'n wir uns Brüder nennen,

(Beide singend).

Ein Hundsfott, der uns schimpfen soll!

Bock. Und weest du noch? Ick bezahlte alles und pumpte dir ooch noch en Dahler!

Müffel. Scio! scio!

Bock. Et war romantisch! – ick verjesse et nie! –

Müffel. Auch nicht! – (im elegischen Ton). Aber, Karl, wie ändern sich die Zeiten!

Bock. Na, wat denn? wat denn?

Müffel. Bin abgebrannt! (zum Publikum). Bin es ja!

Bock. Wa – wat? – abjebrannt?!

Müffel. Du weißt doch, neulich das Feuer, –

Bock. In die Prinzenstraße –

Müffel. Dieses Pech! – eben eingezogen, – alles Asche! – nichts versichert.

Bock. Ah! Duht mir leid! Duht mir leid!

Müffel (nach dem Bündel zeigend). Da liegt alles, was ich gerettet habe!

Bock. Duht mir leid, oller Junge, – aber wat nun?

Müffel. Nunc? – jetzt? – zum Onkel! – Geld wie Heu! – will alles ersetzen! – Hätt' ich nur 'n Rock! – (sich auf Bocks Schultern lehnend, pathetisch bittend). Bock, pump mir'n Rock! –

Bock. 'n Rock? – 'n Rock? – Duht mir leid! – Ick habe ja man diesen einen! – (auf seinen Schniepel zeigend). Aber weest du wat? ick hol dir eine von meine Jacken!

Müffel. Jacken? – Akzeptiere! – Aber Karl, in dem Rock war auch mein Portemonnaie – auch mit Asche! – (Sich auf Bocks Schultern lehnend, zutraulich.). Du Karl, pump' mir 'n Taler. – –

Bock. 'n Dahler? – Na, weil du et bist! Da (ihm einen Taler gebend.). hast 'n denn!

Müffel. Gratias ago tibi! – Aber, carissime, noch ein's! –

Bock (zurückweichend, ganz erstaunt). Noch eenen?!

Müffel. Wo ist denn der liebe Herrgott von diesem goldnen Engel? Dein princeps, der Wirt?

Bock. Der Herr? – Verreist, mit die Madam zu Kindtaufe – nach – Dingsda – kommt erst morgen wieder.

Müffel (freudig). Mensch, mor – morgen sagst du? (nach der Stube links zeigend.). Ist die Bude frei?

Bock. Oui! ist frei!

Müffel. Nehme sie! – werde hier übernächtigen!

Bock. Du? Ha, Ha, Ha! – det ist jut! – Mit'n jepumpten Dahler? – Na, meinetwegen, weil du et bist. – Alles aus Freundschaft! – (zutraulich). Aber, du, Müffel, – nu sag' mir mal, – du als Jelehrter mußt et ja wissen; – – Wat hatte der Räuberhauptmann Rinaldini für'n Uniform?

Müffel. Quid? was? – Rinal –

Bock (schnell). Dini – dini! – Soll Sonntag zu Polterabend bei'n Kollegen von mich, – und die Braut ist'n Nähmamsell, sie ist immer so romantisch und schwärmt für Räubergeschichten. –

Müffel. Weiberart!

Bock. Ja, weeßt du, und ick ooch! – Ach, et jeht mir nichts über die Romantik! Und da will ick sie denn als Rinaldini überraschen. – Sollt' et wohl jehn mit'n jrünen Rock?

Müffel. Meinst du etwa mit'n roten? Lebte ja in den Wäldern!

Bock. Und mit blanke Ufschläge, so hier (nach dem Ärmel zeigend.). und da? (nach dem Kragen zeigend.).

Müffel. Gerade blank! – Muß blitzen, wie der Blitz! –

Bock. Und mit'n krummen Türkensäbel?

Müffel. Rinaldini war 'n Türke!

Bock. Und 'n Bart trug er doch ooch?

Müffel (zeigend). So lang.

Bock. Und 'n Hut mit 'n Federbusch?

Müffel. Stimmt! mit 'n roten Federbusch!

Bock. Ick hab' 'n weißen, – –

Müffel. Sonntags trug er 'n weißen!

Bock. Det ist jut! – Denn hab' ick schon alles hier! –

Müffel. Alles hier? ubi? wo? –

Bock. Draußen uff die Diele, – in Nummer acht, wo ick schlafe, – will dir 't jleich mal zeigen! (Ab durch die Mitte.).

Müffel. Wenn dieser grüne Rock mir paßte! – Karl gebraucht ihn ja erst Sonntag! – Und meine weißen inexpressibiles in grüner Umhüllung! – – Ha! Ha! Ha! Ha! Na, wir werden sehen!

Bock (durch die Mitte, mit grünem Rock, und Beinkleid, Bart, Säbel und Hut). Siehst du! – hier ist et! Hier, det ist der Rock! (ihn auf einen Stuhl legend). Und det die Hose! (ebenso). Und det der Säbel! (ebenso). Und hier, det ist der Bart! (legt ihn an). Hu! – Und hier der Hut! (setzt ihn auf). Na, wat sagst du nun?

Müffel. Ha! Ha! Ha! Aber! Mensch, wo hast du das her? Das ist ja die Majorsuniform von der grünen Papagojengilde! –

Bock (Bart und Hut abnehmend). Oui! det stimmt! Alles von'n Herrn! – Ist Major in die Jilde, – und alles jratis, – nur den Bart nicht. – (Es wird geklingelt.). Aber et klingelt – ick muß hin! (nimmt alles wieder über'n Arm).

Müffel. Du Bock, der Rock – – du gebrauchst ihn ja erst Sonntag, – pump mir ihn! –

Bock. Aber Müffel, det janze Haus kennt ihn ja! Ne, det jeht nicht!

Müffel. Geht nicht? – Gut, denn laß ich mich bejacken!

(Es wird geklingelt.).

Bock. Ja, ja! jleich! – Et werden wohl Fremde sind! – Ick bringe die Jacke mit! (Ab durch die Mitte.).

Müffel (ihm durch die Tür nachrufend). Dann bringe mir auch gleich'n Butterbrot mit Lachs! – – Ha! Ha! Ha! Ha! – Mein Freund Karl als Papagojenmajor! und der Papagojenmajor als Rinaldini! fehlt nur noch Schinderhannis! So halb bin ich's schon! – und der geschunden wird, ist Bock, mein Intimus. – Unter Umständen doch gar nicht übel, einen Kellner zum Freunde haben! Ließ das Rhinozeros sich schon wieder anpumpen! – –

Bock (durch die Mitte mit der Jacke). Sagtest du wat? – Hier ist all die Jacke!

Müffel. Da mihi! – Her damit (nimmt sie und wirft sie zu den andern Sachen). Aber Karole, mein Butterbrot.

Bock. Jleich! jleich! – Du, Müffel, et sind'n paar Bauern da. –

Müffel. Rustici? – Bring sie 'rein.

Bock. Ja, hier ist ja auch die Jaststube, – aber –

Müffel. Aber? – autem? – was?

Bock. Sprich 'n bischen mit sie, weil et Bauern sind, und der Herr nicht zu Hause ist. – Du kannst et ja so schön, – – so – so uff Plattdeutsch, wie neulich mit die Philister.

Müffel. Conscipio! – verstehe! – Aber Karole, mein Butterbrot!

Bock. Jleich! jleich! (Ab durch die Mitte.).

Müffel. 'N verfluchter Kerl, dieser Karl! – Soll ich ihm auch noch die Gäste unterhalten, weil er kein Plattdeutsch kann! – Na, für was gehört sich was! – Pumpt er mir, pump' ich ihm! – Und in dieser Müffelsinenstimmung bin ich gerade zu allem fähig! – – (wehmütig). Bauern, – sollte auch mal Bauer werden, wär' ich's nur geworden! – Ach ich fühle mich mitunter doch so recht heruntergekommen! – Aber nein, Müffel, alter Junge, verliere nicht auch noch das Letzte, den Humor! – Nein! nein! – Fort mit dir, du moralischer Kater! Da ist mir der physische, dein Bruder, doch tausendmal lieber! (Er nimmt Cerevis oder Mütze und das Band ab, legt es auf den Tisch und deckt das Plaid darüber.). Und da lieg' denn nun, mein lustiger Bruder Studio! – Müffel will nu mal Bur warrn! Juch! Müffel is lustig! – Und hier in'n gollen Engel – is dat fin! (Peter Mumm und Jochen treten ein durch die Mitte.). Und wat för'n Sau! und wat für'n Swien!

Dritte Szene.

Peter Mumm. Jochen. Müffel.

(Peter Mumm: Stulpen, dunkle Kniehose, rote Weste, langer Rock, Hut, Peitsche. Jochen: Stulpen, helle Kniehose, rote Weste, Jacke, Mütze, Stock.).

Peter Mumm. Sau? – Swien? – Meent He uns darmit? – Mi und min Jochen?

Jochen. Meent He uns darmit?

Müffel. Se? – ob ick Se darmit? – Ha! Ha! Ha! Ha!

Peter Mumm. Un denn lacht He noch?

Jochen. Un denn lacht He noch?

Müffel. Lachen? – ja, schull ick denn ween'n? Ha! Ha! Ha! Ha! – Ick meen ja ganz wat anners!

Peter Mumm. Ganz wat anners? – So – dat's wat anners!

Jochen. Dat's wat anners!

Peter Mumm. Na, wat meent He denn?

Müffel. Wat ick meen? – Na, ick meen ja man! –

Peter Mumm. He meen ja man? – Ah so! –

Jochen. Ah so!

Peter Mumm. Meen He denn de Swien? – hett he Swien? –

Müffel. Ha! Ha! Ha! Ha! (zum Publikum). Halten mich für'n Wirt! (zu den Bauern). Ob ick Swien heff? – Ha! Ha! Ha! Ha! Ja wul, ick heff Swien! – hel veel Swien! – Ha! Ha! Ha! Ha! (zum Publikum). Ist ja wahr, hab es ja!

Peter Mumm (zu Jochen). Is mal'n snaakschen Weert, Jochen, – awers he gefallt mi doch, wil he Swien hölt!

Jochen. Wil he Swien hölt!

Peter Mumm (zu Müffel). Wi holt dat ock mit de Swien, – bannig mit de Swien!

Jochen. Bannig mit de Swien!

Peter Mumm (zu Jochen). De möt wie noch mal sehn, Jochen! (zu Müffel). Wo hett He se denn?

Jochen. Wo hett He se denn?

Müffel. De Swien? – wo ick se heff? – – ja, – ja! – sünd all slacht! sünd all slacht! – ja! – (zum Publikum). O sancta simplicitas! – Diese Ochsen!

Peter Mumm. Wat sä He? – Ossen? – hett He ock noch Ossen?

Jochen. Het He ock noch Ossen?

Müffel. Ob ick ock noch Ossen heff? – Ha! Ha! Ha! Ha! – Jawul, ock noch Ossen! (zum Publikum). Kommt mir auf'n bißchen mehr oder weniger Fettvieh schon gar nicht mehr an! Ha! Ha! Ha! Ha! –

Peter Mumm (zu Jochen). Dat's mal'n snaakschen Kröger, Jochen, – awers he gefallt mi doch, wil he ock noch Ossen hett!

Jochen. Wil he ock noch Ossen hett!

Peter Mumm. Wo sünd se denn? – He is dar wul all mal twischen we'n? – He hett den Rock ja noch ut un de groten Krempers an. –

Jochen. De groten Krempers an!

Peter Mumm. Sünd se op de Weid' in't Gras?

Müffel. Op de – – op de Weid in't Gras? Ha! Ha! Ha! Ha! – Jawul, op de Weid in't Gras! –

Peter Mumm (zu Jochen). Strahlax, Jochen, denn hebbt wi se ock all sehn! (zu Müffel). Eben buten de Stadt, op de grote Koppel, – to linker Hand bi'n Wiespahl, – sünd se dat?

Jochen. Sünd se dat?

Müffel. Ja, – – jawul! – Dat sünd se! – To linker Hand bi'n Wiespahl.

Peter Mumm (zu Jochen). Strahlax, Jochen, dar möt wie tonöst noch mal hin!

Jochen. Noch mal hin!

Vierte Szene.

Vorige. Bock.

Bock (durch die Mitte, mit einem Teebrett, auf welchem ein Teller mit Müffels Butterbrot. Er bleibt bei der Tür stehen und horcht auf die Unterhaltung).

Peter Mumm. Denn hett He ock wul noch schön Land bi de Sted'?

Bock (stummes Spiel, stets voll Verwunderung über Müffels Lügen).

Müffel. Ja, jawul, schön Land bi de Sted! Ha! Ha! Ha! Ha!

Peter Mumm. Wa lang hett He se denn all?

Müffel. Wa lang? – Ah, all lang!

Peter Mumm. So?

Jochen. So?

Peter Mumm. Wa old is He denn?

Müffel. Wa old? – Ja raden Se mal!

Peter Mumm. Veeruntwintig?

Jochen. Veeruntwintig.

Müffel. Veeruntwintig? – Ha! Ha! Ha! Ha! – Wit verbi! – wit verbi! – – Veerun – Veerundföffdig!

Peter Mumm. Wat? – Wa is't en Möglichkeit! denn is He ja noch oller, als ick! Ick bün eerst föffdig! – Un min Selige, – wat Jochen sin Moder weer, de is nu all fief Jahr dod!

Müffel. Denn möt Se noch mal wedder heiraden!

Peter Mumm (sich hinterm Ohr krauelnd). Heiraden? – A, ne, wo denkt He hin?!

Jochen. Wo denkt He hin?!

Müffel. Na, wat schall ick denn seggen?! Mi storv nu all de tweete. –

Bock (erstaunt) Nun wird et romantisch.

Müffel. Un ick nehm likers noch de drütte!

Bock (läßt vor Staunen den Teller vom Präsentierbrett gleiten, so daß er zur Erde fällt).

Peter Mumm und

Jochen (erschrocken). Ah!

Müffel (schnell). Asinus Min schön Bodderbrod! –

Peter Mumm. Dar liggt't nu! (bückt sich schnell, nimmt das eine Stück Brot, wischt es an der Hose ab und steckt es in den Mund.).

Jochen. Dar liggt't nu! (macht es ebenso mit dem andern Stück.).

Bock (über die Bauern lachend). Ha! Ha! Ha! Ha! Hole jleich 'n anderes!

Müffel. Ja, gleich 'n anderes, – Oppassen schast du!

Peter Mumm. Ja, oppassen schast du! Und denn lachst du noch?! – Als wi ankeem', paßt du ock nich op! – Ick sä forts to min Jochen, an den Kerl ist nix an, Jochen!

Bock. Wat sagen Sie? – An mir ist nix an? – Un denn duzen Se mir man so? Ick duze mir noch lange nicht mit Ihnen! – (mit einem Seitenblick auf Müffel). Ick duze mir mit janz andre Leute.

Müffel. Halt's Maul, Kameel? – Rut mit di!

Bock. Ha! Ha! Ha! Ha! – Ne, det is aber romantisch! (ab durch die Mitte).

Peter Mumm. 'N frechen Bengel, awers so möt se't hebb'n! – So mak ick dat ock mit min Lüd. – Wenn se mi to veel räsoneert, smiet wi se rut!

Jochen. Smiet wi se rut!

Peter Mumm. Awers wat ick man noch seggn wull, – dat's recht! Sünd dar noch keen kamn? – dar kamt noch welke!

Jochen. Kamt noch welke!

Müffel. So? – ah! – wakeen denn?

Peter Mumm. Ja, hehe! – Ne, dat seggt wie ni! – dat kriggt He fröh genog to weten, wenn't eerst publik ward! – In so'n Saken mutt man en beten an sick holn!

Jochen. En beten an sick holn!

Peter Mumm. Se kamt mit de Isernbahn, – waneer kummt se? –

Müffel. De Isernbahn – waneer se kummt? – ja waneer se? – töf mal! – ah, so um en Stunnstid un so! –

Peter Mumm (zu Jochen). Strahlax, Jochen, denn gaht wie noch eerst mal na de Ossen!

Jochen. Eerst mal na de Ossen!

Peter Mumm. Denn kumm man, Jochen! – (Zu Müffel.). Um en Stunn sünd wi wedder hier! (Im Abgehen zu Jochen.). Is mal'n snaakschen Kröger, Jochen, awers he gefallt mi doch, vunwegn de Ossen un de Swien!

Jochen (im Abgehen). Vunwegen de Ossen und de Swien!

(Beide ab durch die Mitte.).

Müffel. Ha! Ha! Ha Ha! – Gott, du Allgütiger, was für Prachtexemplare! – Nein, da dank ich doch dem Himmel, daß er mich Müffel werden ließ und nicht solch einen Jochen! – Nun besehn sie die Ochsen, – meine Ochsen, – to linker Hand bi'n Wiespahl, Ha! Ha! Ha! Ha! – Aber wen sie wohl erwarten? – Noch mehr von dieser Sorte? – Na, Müffel, wirst wohl heute mal wieder deinen Spaß haben!

Fünfte Szene.

Bock. Müffel.

Bock (durch die Mitte). Ha! Ha! Ha! Ha! – Ick habe mir schief jelacht! – Aber wo hast du sie?

Müffel. Apud boves! – Bei den Ochsen! –

Bock. Bei die Ochsen? – Ha! Ha! Ha! Ha! – Hast du nun auch noch Ochsen?

Müffel. Wenn man Sau und Schwein hat, –

Bock. Und den Jasthof zum joldnen Engel!

Müffel. Warum sollt' ich denn nicht auch noch Ochsen haben?

Bock. Ha! Ha! Ha! Ha! – Da passen sie auch am besten hin! – Na, wenn det der Herr wüßte.

Müffel. Der Herr? – Nunc ego sum dominus. Jetzt bin ich der Herr! (Im befehlenden Ton.). Bock flink! Springen Sie! – Mein Butterbrot!

Bock. Ha! Ha! Ha! Ha! – Ist schon jemacht! – Ick hole et! (Ab durch die Mitte.).

Müffel (ihm durch die Tür nachrufend). Du, Karl, – denn bring' mir auch gleich 'n Kümmel mit! – Aber was nun? – Ich denk', ich zieh' den Frack an und paff mir 'n Blatt in's Gesicht! – (Tut, als wolle er eine Zigarrentasche aus dem Rock nehmen.). Na nu? – wo hab' ich denn das Etui für meine Stinkadoris? – Ah so! – wird wohl im Rock sein, – auch mit Asche! Das ist klassisch! – Nihil, immer nur nihil! Schon der reinste Nihilist! – – (Sich zu der Jacke wendend.). So komm' denn her, du holde Tunika! (Nimmt die Jacke.). Ich resigniere und umhülle mich mit dir! – Und mit dir vereint fordere ich mein Jahrhundert in die Schranken! (Während der letzten Worte erscheint Bock mit Butterbrot und Schnaps auf einem Präsentierbrett durch die Mitte.).

Bock. Wat forderst du?

Müffel. 'N Butterbrot und 'n Kümmel, Schafskopf!

Bock. Hier ist et, Schafskopp! (Es auf den Tisch setzend.). Aber nun spute dir, sonst kriegst du wieder nichts! Et sind schon wieder welche da! – Von die – von die – Rusticis! – Ein Er und zwei Sie's, und die Eine, – – Junge, Junge, – Müffel! – (Man hört klingeln.). Ja, ja doch! – Komme jleich! – (Ab durch die Mitte.).

Müffel. Auch feminae? – bene! – Aber ich glaube, dann geht Müffel erst mal auf seine Bude! (Er trinkt den Schnaps.). Brr! Du goldner Engel, was zapfst du für'n Fusel! (Nimmt das Butterbrot, klappt die zwei Stücke zusammen, beißt ab, und behält es in der Hand.). Ah, das schmeckt! Na, Müffel, dann nimm dein Gepäck! (Er tut es.). Und mach dich fein! Feminae – Weiber! (Mit Pathos.). Den Weibern muß man die Kur schneiden, – und wer Süßholz raspeln will, der muß nobel sein! – (Abbeißend und mit seinen Sachen abgehend durch die Tür links. Indem Müffel abgeht, treten Frau Krützfeldt, Schlüter und Stina durch die Mitte ein, sodaß sie ihn noch abgehen sehen.).

Sechste Szene.

Frau Krützfeldt. Schlüter. Stina. Bock.

(Die drei Ersteren in Bauernkostümen und mit etwas Reisegepäck, jeder ein Stück. Stina eigengemachten Bauernrock, Samttaille, blanke, lackierte Pantoffeln, Bauernmütze. Frau Krützfeldt ein altmodisches Kostüm mit Puffärmel in der Jacke, altmodischer Hut oder Mütze. Schlüter dunkle Kniehose, Schuhe, langer Rock, Weste und etwas schäbiger Hut. Alle kommen gleich nach einander, fast zugleich durch die Mitte und haben Müffel, freilich nur von hinten, gesehen. Frau Krützfeldt trägt eine Schachtel, darin ihre beste Haube. Stina ein Körbchen mit zwei Photographien, Schlüter einen Reisesack.).

Frau Krützfeldt. Ah, wakeen weer dat?

Stina

Schlüter

  (zugleich)   Ah, wakeen weer dat?

(Vorspiel.).

(Frau Krützfeldt, Schlüter und Stina weiter vortretend, fast bis zum Souffleurkasten, wo sie, ein jeder sein Gepäck in der Linken haltend, in gerader Linie stehen bleiben, Frau Krützfeldt rechts, Schlüter links und Stina in der Mitte, während Bock etwas zurück in der Nähe von Frau Krützfeldt stehen bleibt).

(Terzett.).

Schlüter

Frau Krützfeldt.

Stina (singen) (Bock während des Gesangs stummes Spiel.).

Dar sünd vergnögt wi dree all kam, wi dree all kam,
So'n Reis', de hett ehr Mängel,
Denn Stoff und Hitten weern infam, ja weern infam,
Un hier in'n gollen Engel,
Hier wüllt wi uns darvun verhal'n, darvun verhal'n,
Den Weert ock ni to'n Schaden!

(Alle drei klopfen auf die Tasche.).

Wi hebbt dat ja – wi künnt't betal'n! Wi künnt't betal'n!
Den Win und ock den Braden!

Un Peter Mumm, de rike Bur, de rike Bur,
Und ock sin Söhn, de Jochen,
Hebbt ock wul Hunger na so'n Tour, ja, na so'n Tour,

(Auf die Taschen klopfend.).

Und ock wat op to pochen!
Un sitt man eerst de jungen Lüd, de jungen Lüd,
Bi 'n anner ünnern Spegel,
Twee Höf ward denn tohopen friet, tohopen friet,
Dat is so Buernregel!

(An Bock gerichtet.).

Nu segg He mal, min leewe Fründ, min leewe Fründ,
He is de Kellner dochen?
Twee Bur'n, de sick hel ähnlich sünd, hel ähnlich sünd,
De Peter und sin Jochen
Drapt hier vundag mit uns tosam', mit uns tosam'
Und wüllt hier mit uns eten, –
Nun segg He mal, sünd se all kam'? sünd se all kam'?
De Kellner mutt't ja weten!

Frau Krützfeldt (zu Bock). Na, warum antwort He uns denn ni?

Bock. Ick? – i wo? wieso? –

Frau Krützfeldt. Wiso i wo? – Hett He't denn ni hört, wat wi sung'n? – Sünd se all hier? (Gibt ihm einen derben Schlag auf die Schultern, Bock macht einen kleinen Sprung in die Höhe und fühlt sich dahin.). He mutt't ja weten!

Bock. Ob sie schon hier sind? – Wat meenen Sie?

Frau Krützfeldt. Wat'n Frag! – Wakeen schull'n wi wul meen 'n?! – de beiden Bur'n ut Stippsdörp! – Peter Mumm und sin Jochen! –

Schlüter. De beiden Stippsdörper!

Block. Ah, so! – Na die! – Der Olle und sein Jochen! – Ha! Ha! Ha! Ha! – Ja! – Ja, die sind schon hier! –

Frau Krützfeldt. Denn weer dat ock Jochen! – Awers, wo is denn sin Vader? (Schlägt Bock wieder auf die Schulter, daß er aufspringt.). He mutt't ja weten.

Bock. Der Olle? – Peter Mumm? – Der ist, – der ist – der ist bei die Ochsen! – Ha! Ha! Ha! Ha!

Frau Krützfeldt. Warum lacht He denn?

Stina. Finnt He dat so lächerlich?

Bock. I, Jott bewahre! Ne! – Aber ick dachte man, – Ha! Ha! Ha! Ha! – ick dachte man an janz wat anderes!

Frau Krützfeldt. An ganz wat anners? – Hebbt se Em wul all wat seggt? – Weet He all Bescheed? –

Bock. Ob ich Bescheid weiß? – Ja! Ja! – Ick weeß Bescheid! (Zum Publikum.). Wat sie wohl meinen?

Frau Krützfeldt. Na, denn is't ja ock keen Geheimnis mehr.

Schlüter. Ne, Fru Nachbarn, warum schüllt wi denn noch heemlich do'n? (Zu Bock auf Stina zeigend.). Hier is de lüttje Brut!

Bock (Zum Publikum). Wat hör' ick? Braut? – (Zu den andern.). Wat für'n kleene hübsche Braut!

Stina. So? – Wakeen seggt dat?

Bock. Ick, – ja! – Ick sag' et!

Stina. Denn hett He ock wat Rechtes seggt! – –

Bock (zum Publikum). Jleich spitz! – Aber hübsch ist sie doch! – (Zu Frau Krützfeldt.). Sie haben 'n kleene hübsche Tochter!

Frau Krützfeldt. Na, – Jochen is ock ni slecht! – So veel als ick em man vun achtern sehn, – en forschen Kerl!

Bock (zum Publikum). Jochen? – Det is jut! – Sie meint Müffel! Ha! Ha! Ha! Ha!

Frau Krützfeldt. Wat sä He? – Lacht He all wedder?

Bock. En forschen Kerl! – Ick mein' et ooch so!

Schlüter. Na, sä ick dat ni glieks, Fru Nachbarn? – Na de Fotegrafi to reken, muß he 'n forschen Kerl we'n!

Frau Krützfeldt. Hett ock 'n forschen Vader! (Zu Stina.). Wo hest de Biller, Stina, giff se mal her.

Stina (nimmt 2 Photographien aus ihrem Korb und gibt sie ihrer Mutter).

Frau Krützfeldt (zeigt Bock die Bilder). Nich wahr? De Ol' kann sick ock noch seh'n laten! – Un de hiere, dat schall Jochen we'n, wat min Stina ehr'n Frier is.

Bock. Ja, det werden sie denn wohl sind, aber wat für schändliche Bilder! –

Frau Krützfeldt. Wa meent He dat?

Schlüter. Wat will He darmit seggn?

Bock. Na, et fehlt doch die Klarheit! (Er spuckt auf das Bild und putzt es mit der Serviette.).

Stina. Heff ick dat ni glieks seggt, Moder?

Bock. Da ist jar keen Ausdruck in die Visasche! – Et ist ja alles wie überjeflort! (Ebenso wie vorhin.). – Und der, wat Jochen sein soll, hat ja jarkeene Ogen nicht! – Wer hat denn det jemacht?

Frau Krützfeldt. De Scholmeister in Stippsdörp!

Schlüter. He drifft dat so bito.

Frau Krützfeldt. Un Jochen sin Vader de schreev uns doch, dat de Stippsdörper dat all so ähnlich sunn. – Seht se sick denn nich ähnlich? – (Sie schlägt Bock wieder auf die Schulter, daß dieser aufspringt). He mutt't ja weten! – He hett se ja all sehn!

Bock. Na, det haben se doch ooch wohl schon?

Frau Krützfeldt. Ne, nich anners, als na de Fotegrafie!

Schlüter. Darför is ja de Fotegrafie! – Ick sä ock all glieks to Fru Nachbarn! De gefallt mi, – den mag ick liden!

Bock. Mag die kleene Braut ihn denn ooch?

Stina. Ick heff forts seggt, ick will em eerst mal sehn. Un wenn ick em ni mag, – denn nehm ick em ock ni!

Frau Krützfeldt. Ach wat! – Snicksnackerie! – Wat schullst em wul ni mögen!

Bock. Jott in 'n Himmel! – noch jarnich mal jeseh'n und schon Braut und Bräutigam! – Wie ist et denn jekommen?

Frau Krützfeldt. Darför is ja de Friwarwer, – de mutt dat Reisen do'n.

Schlüter. Darför kriggt he ja sin Geld.

Frau Krützfeldt. Dat heet: wenn dar wat na kummt! – Ward dat nix – kriggt he nix!

Bock (zum Publikum). Ick wollte man, et würde nichts!

Frau Krützfeldt. Wat seggt He?

Bock. Ick meente man, wat 'n kleene niedliche Braut!

Stina. Dat hett He ja all eenmal seggt!

Bock (beiseite). Wieder spitz – aber hübsch ist sie doch!

Schlüter. Ja, ja! Stina is hübsch! – Is 'n lüttje smucke Deern! Slecht ganz na ehr Moder! – ganz na ehr Moder! – dei't se ni? ganz Fru Nachbarn op und dal!

Frau Krützfeldt. Ach, Nawer, lat He doch dat Tün'n! – He süht ümmer mit annere Ogen als anner Lüd! – dat hett ock sin guden Grund! –

Stina. He wischt Moder jümmers Honnig um'n Bart.

Bock. Honig um'n Bart! – det is jut!

Frau Krützfeldt. Nawer is narrsch! – Awers, Kinners, wi sünd ja noch ganz bestaben, un möt uns dochen eerst noch 'n beten reineseern, ehr Jochen uns süht, un ehr sin Vader vun de Ossen kummt! (Zu Bock, auf die Tür rechts zeigend.). Is dar'n Stuv mit'n Spegel? Künnt wie dar man ringahn? –

Bock. Ja, det is 'n Stube für die Fremden!

Frau Krützfeldt. Na, denn lat uns man!

Schlüter. Fru Nachbarn, schüllt wi nich eerst noch en beten eten?

Frau Krützfeldt. Ick dach, wi wulln töben, bit de annern kamt! –

Schlüter. Ock gut! – Ock gut! – Awers na Disch, Fru Nachbarn, mutt ick noch eerst en beten nicken, – de Reis' hett mi rein möd makt!

Frau Krützfeldt. So'n beten Druseln do' ick ock wul noch, – man is dar eenmal so an wennt un wöhnt. – Awers vör Disch is dar garni mal Tid mehr to! – – (Zu Stina und Schlüter.). Na, Stina, denn kumm man! – – Kumm Nawer, eerst en beten afstuben. (Alle langsam ab in die Stube rechts. Frau Krützfeldt, die Letzte, wendet sich im Abgehen an Bock, ihn wieder auf die Schulter schlagend, daß er aufspringt.). Un wenn se kamt, denn seggt He uns Bescheed!

(Alle drei ab.).

Bock. Herr Jottes! wat so'n Bauern doch für Menschen sind! – Det is doch jrade als mit die andern! Und wat die Olle für 'ne feste Hand schlägt! – Ick jlaube, ick bin jrün und jelb davon! – det kleene Mächen ist hübsch! – Schade, dat sie nicht mehr jelernt hat, – sie ist mich doch zu unjebildet! – – – Wat mich aber am meisten Spaß macht, det is, dat sie Müffel für Jochen halten! – Ha! Ha! Ha! Ha! Und die andern meinen, dat er der Wirt is, det wird romantisch! – – – Na, (mit Pathos). Müffel, du hast dich wat Schönes injebrockt! – Ick möchte die Suppe nicht mit dir essen!

(Der Vorhang fällt.).


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