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Dr. Josef Rank

(1816 – 1896)

 

Viel bewegter als bei Ad. Stifter und reichhaltiger in seinen Erscheinungen nach außen ist der Lebensgang des zweiten Böhmerwalddichters Josef Rank, dem eine Morgenstunde des 10. Juni 1816 Licht und Leben gab. In der rein deutschen Gegend des nordwestlichen Böhmerwaldes, etwa 2 Meilen von der Stadt Neuern entfernt, steht in dem Dörfchen Friedrichstal sein Geburtshaus, ein Bauernhof, nun von einem Neffen des Dichters bewirtschaftet, nach einem früheren Besitzer aber noch »Paulehof« geheißen.

»So schlicht auch das Ansehen derjenigen sein mag, denen wir Leben und erste Erziehung verdanken«, schreibt Rank im Eingange der Erzählung »Der Landsknecht wider Willen«, »so wird doch die Ehre von ehrlichen Eltern abzustammen, von gleichem Werte sein, ob diese bei unserer Geburt mit Reichtum und Ansehen umgeben sind oder nicht. Zufriedenheit mit seinem Los und ein reges Bestreben dem Glücke durch Arbeit und Bildung mehr und mehr Gunst abzuringen, wird uns leicht vergessen lassen, wie ungleich das Schicksal Gutes und Schlimmes verteilt. Und so darf auch ich gestehen, dass ich von wenig bemittelten Eltern abstamme, denen ein ehrlicher Name mehr galt als Gut und Geld und die es an Sorgfalt für meine Seele nicht weniger fehlen ließen als für meinen Leib; sie waren beizeiten bedacht, dass die Lehren der Religion, der Tugend und Gottseligkeit Wurzeln in mir schlugen und ich habe ihnen später bei den tausendfachen Anfechtungen meines Lebens, auf Reisen und in Widerwärtigkeiten diese Weisheit und Güte oft gedankt.«

Charakterisiert diese Stelle trefflich Ranks bäuerliche Abstammung und elterliche Erziehung, so geschieht dies nicht minder durch folgende bezüglich seiner Eltern.

»Aus dem Nebel des erst unverstandenen Getriebes um mich her trat vor allem ein Stern erster Größe und lieblichen Lichtes: meine Mutter. Bis in die fernsten Tage meiner Kindheit reicht meine Erinnerung an sie, an ihre wohltuende Stimme, an ihre stramme volle Gestalt mittlerer Größe, an ihr gutes frisches Gesicht, vom landesüblichen schwarzen Kopftuch umrahmt – aber am tiefsten ging und blieb die Erinnerung an das große dunkelblaue, seelenvolle Auge der Mutter. Sah dies Auge heiter, so war ich glücklich; sah es vorwurfsvoll, so war ich ganz verzagt; sah es aufmunternd und in unsäglicher Tiefe erglänzend, so waren alle guten Triebe in mir gestärkt und erhöht und ich blieb bei allem, was ich tat, unter des Mutterauges Banne. (In Erinnerung an diese segensvolle Macht entstand die Geschichte »Mutterauge«.) –

Neben der Mutter Magdalena (geb. Widmann) trat eine zweite Erscheinung aus dem Getriebe um mich her in anderer Weise denkwürdig und unvergesslich: die Erscheinung des Vaters. Er war etwas über mittelgroß, nicht sehr kräftig, aber wohlgebaut, dunkelblondes, immer kurzgeschorenes Haar zierte den gut geformten Kopf mit klarer, leicht gewölbter Stirn.

Die Augen waren bläulichgrau und wirkten in Ruhe wie in Aufregung durch einen klaren, eindringlichen Blick. Dass er der Herr und Mittelpunkt des häuslichen und wirtschaftlichen Lebens sei, trat weniger durch geräuschvolles Gebaren als durch mildes, aber doch gemessenes Anordnen hervor. Uns Kinder hatte er lieb, trug die kleineren gern auf den Armen, vermied aber alles, was verzärteln oder verwöhnen konnte. Im richtigen Augenblicke eine Warnung, ein kurzer Tadel, ein Lob, eine Zurechtweisung mit entsprechendem Blick, das war seine Erziehungsmethode; hörte er etwas Gutes von fremden Kindern, so pries er dies mit warmen Worten und munterte uns zur Nachahmung auf.« (Erinnerungen aus meinem Leben.)

Außer »Beberl« (Josef), der das 7. Kind in der Reihe seiner Geschwister war, hatte die allerdings nicht unansehnliche Hofwirtschaft noch 8 Söhne und 5 Töchter zu erhalten. Um nun dies zu erleichtern, hatte Vater Rank, der »weit und breit bekannt, gesucht und geachtet war«, unter Vermittlung von Zwischenhändlern einen Handel mit Bettfedern (näher geschildert in der Erzählung »Das Birkengräflein«) nach den Gauen des deutschen Reiches, der Schweiz, den Niederlanden usw. unternommen, wodurch sich im Elternhause des Dichters ein besonders reges Leben entwickelte, das auf den aufgeweckten Knaben nicht ohne Wirkung bleiben konnte. mehr aber noch beeinflusste sein Gemüt frühzeitig schon das Volksleben der Heimat, Liebe und Begeisterung für dieselbe erweckend, das Leben im Dörflein, welches ja doch nur als ein »erweitertes Familienleben« angesehen werden muss. Denn gemeinsame Sitten und Gebräuche, die alljährlich wiederkehren zu bestimmten Zeiten, bilden allein schon einen dauernden Kitt im Dorfleben, wie wir es aus Ranks Schriften selbst mehrfach ersehen können.

Kaum 5 Jahre alt wurde der Knabe über eigenes Drängen in die Schule der Dorfgemeinde Hirschau geschickt, wo ihm auch von dem Lehrer Anfangsgründe im Klavier- und Violinspiele beigebracht wurden. Während der erstgeborene, beiläufig um 12 Jahre ältere Bruder Andreas bereits studierte und zu einem Militärarzte sich ausbildete, war der Vater über »Beberls« künftige Bestimmung noch im Unklaren, bis er sich für dessen Widmung zum Lehramte entschloss. Trotzdem »die Liebe zur Heimat und zum Volksleben dem Knaben nichts schöner und wünschenswerter erscheinen ließ, als für immer daheim zu bleiben und all das Gute und Schöne selbst zu erleben, was er im Elternhause und im Dorfe sah und lieb gewann«, (Erinnerungen aus meinem Leben) musste Rank nun zum ersten Male das Elternhaus verlassen, um bei einem verwandten Lehrer in Depoltewitz bei Neuern förmlich für das Lehramt vorgebildet zu werden.

Doch bald wussten Lehrer und Geistliche den Vater unter Hinweis auf Josefs geistige Veranlagung zu bewegen, diesen für das Gymnasialstudium vorbereiten zu lassen, welche Vorbereitung im Herbste 1829 durch Pater Steinbach des damaligen Pfarrdorfes Rothenbaum begann. Ein Jahr darauf legte Rank die Prüfung der Reife für das Gymnasium in einem Kapuziner-Kloster zu Taus ab, wobei alle Klassen auf vorzüglich lauteten, und konnte dann, 14-jährig, den »zwei Idealen, die jetzt schon hoch über allem alltäglichen Leben glänzten«: »Studieren und Geistlicher werden«, nachstreben.

Und doch verließ der angehende Student nur mit heißen Tränen in den Augen und tiefem Weh im Herzen das Elternhaus und heimatliche Dorf, denn für beides war seine Seele mit wärmster Liebe erfüllt, beides hatte aber auch bisher seine Neigungen und Wünsche ganz beherrscht, ja ihm die weitere Welt in dunkler, gleichgültiger Ferne gehalten. »Sechs drang- und belanglose Knaben- und Jünglingsjahre« verbrachte nun Rank als »standhaft fleißiger und aufmerksamer Schüler« am Gymnasium der damals noch deutschen Kreisstadt Klattau, welches Benediktiner aus St. Emaus in Prag leiteten. Neben manchen Zerstreuungen sich immer enger in die Schranken seiner Pflichten einschließend und den Lehren wie Ermahnungen seines Vaters wohl entsprechend, erhielt er schon im ersten Zeugnisse durchwegs Vorzugsklassen, wobei es auch durch alle Jahre des Gymnasialstudiums blieb. Selbst erzählt Rank, dass seine schriftlichen Arbeiten hier sogar als Muster vom Katheder herab vorgelesen wurden, während ein wohlgeneigter Professor ihn außerdem zu manchem gelungenen und wohl aufgenommenen Gelegenheitsgedichte aufmunterte. Diesbezüglich schreibt Rank noch weiter: »Dass ich in Versen und Prosa zu einer diesen Aufmunterungen entsprechenden Fertigkeit etwas früher als meine Mitschüler gelangte, fand wohl, abgesehen von einiger besonderen Anlage, in der ungemessenen Liebe zur Lektüre und in dem Umstande seine natürliche Erklärung, dass ich nach verschiedenen Richtungen hin Gelegenheit fand, viele und zumeist gute Lektüre zu erhalten.«

Die Beaufsichtigung und Leitung eines Mitschülers aus wohlhabender Familie verschaffte dem strebsamen Studenten bald auch unentgeltliche Wohnung und Verpflegung in derselben, sowie ihm weitere Nachhilfe und Förderung der Studien bei Mitschülern es ermöglichten, sich sogar seine Kleidung selbst zu beschaffen, wodurch er den guten Eltern große Erleichterung brachte. Denn, da die Zahl seiner Geschwister sich gemehrt hatte, mancherlei Elementarunfälle und Missernten die Verhältnisse im Vaterhause ungünstig beeinflussten, musste den bedrückten Eltern diese Entlastung seitens des Sohnes sehr willkommen und erfreulich sein.

Mit Juli 1836 hatte Rank das Gymnasium absolviert und durfte bei dem feierlichen Schulschlusse eine der Festreden halten, wobei er ein selbst verfasstes Gedicht »Abschied von Klattau« unter dem Beifall und den Tränen der Zuhörer vortrug.

Von einem Professor sodann über die Wahl des Lebensberufes befragt, gab er kurz die gereimte Antwort:

»Ich werde Mediziner | Und zwar ein Wiener«, obgleich der Wunsch der Seinen ihn dem geistlichen Stande bestimmte.

Vor der Berufswahl stehend, ging Rank nun zur Fortsetzung seiner Studien im September 1836 nach Wien. Diese Reise »in die weite Welt« wurde von dem Studenten, der 12 Silbergulden, einen frischen Mut und festes Vertrauen auf sich selbst sein eigen nannte, an der Seite eines Schneidergesellen und einstigen Dorfmitschülers zu Fuße zurückgelegt. Ein Stimmungsbild von dieser Wanderung finden wir in der Novelle »Eine Mutter vom Lande«, die er 10 Jahre später geschrieben hatte, während der Einzug der beiden Wandergenossen in Wien in »Erinnerungen aus meinem Leben« in humorvoller Weise geschildert wird. Hier heißt es auch: »Wunderbare Fügung des Schicksals. Zwölf Jahre später, Mitte August 1848, fuhr derselbe zaghafte Wanderer, der beim Einmarsch die immer rege Laune der Fiaker so lebhaft erregt hatte, in einem ihrer Gefährte über denselben Platz und durch dasselbe Schottentor hinaus – als Abgeordneter des deutschen Parlamentes nach Frankfurt am Main!« »Ich war in Wien«, schreibt Rank dann noch weiter, »mit dem Rest von 6 Silbergulden in der Tasche – das Herz voll Beklemmung – aber auch voll von überschwänglichen Idealen!«

Nun kam ihm allerdings sein ältester Bruder Andreas als Militärschüler des kaiserlichen Josefinums zu Hilfe, doch bedurfte unser Dichter nicht lange desselben, da er schon im Oktober, als Hofmeister dreier Knaben, in das Haus des Hof- und Gerichtsadvokaten Ritter von Planer aufgenommen ward.

Über die Tragweite dieses Umstandes lesen wir in »Erinnerungen aus meinem Leben«: »Meine Aufnahme in das Planer'sche Haus war von einer Bedeutung für mein Leben, die ich erst nach und nach in ihrem vollen Umfange zu erfassen vermochte. Ich war für Jahre hinaus sicher unter Dach gebracht: ich entging den Entbehrungen und Leiden, die in einer großen Stadt so viele der besten, aber armen Studierenden aufreiben und zugrunde richten; ich genoss nicht nur an Speise und Trank, was zur Erhaltung des Lebens unentbehrlich ist, sondern der Familientisch bot die reichlichen Genüsse eines wohlhabenden Wiener Bürgerhauses; der heitergesellige Ton der Familie wirkte wohltuend und kräftigend auf mein Gemüt, ich lernte mich einleben in die feineren Lebensformen einer gebildeten Familie, die erzieherisch auf mich wirkten, während ich bestrebt war, auf die Knaben durch Lehren und Beispiel nützlich einzuwirken. War dies schon unschätzbar, so kam hinzu, dass mir die Pflichten des Hofmeisteramtes die nötige Zeit zu meinen öffentlichen und Privatstudien übrig ließen, denen ich ohne Sorgen und Entbehrungen obliegen konnte; den Privatstudien und Herzensneigungen ganz besonders.«

Trotz einer gewissen Vorliebe für das Studium der Medizin, hatte Rank jetzt vor, nach den nächsten zwei Studienjahren, den sogenannten philosophischen Jahrgängen als Vorschule der Universität, »geistlich zu werden, wie es die Eltern am liebsten gesehen hätten und eine innere Neigung es ihm auch vorschrieb. Während er aber in dieser Zeit sich voller Begeisterung mit den Meisterwerken alter und neuerer Literatur näher vertraut machte, durch häufigen Besuch des Hofburgtheaters und der Oper die Herrlichkeiten der Bühne bewundern durfte, seine »junge Feder« sich in literarischen Versuchen erging, kam er gleichzeitig mehr und mehr von dem Wege zum »heiligen Priesterstande« ab.

Die Aussichtslosigkeit einer geheimen und nicht wenig leidenschaftlichen Liebe zu dem Töchterchen des Hauses, wo er als Erzieher war und damit zusammenhängende gedrückte Gemütsstimmung lenkten zwar seine Gedanken wieder mehr dem geistlichen Stande zu und hielten sogar die Absicht rege, zuerst in ein Kapuzinerkloster, dann aber in das Stift Klosterneuburg als Novize einzutreten; doch war es nun ein ganz eigenartiger Umstand, der Rank dem Priesterstande gänzlich entrückte.

Im Vereine mit einigen strebsamen und talentierten Studiengenossen hatte sich Rank bereits mannigfach im Lyrischen, Epischen und selbst im Drama heimlich versucht, welche Versuche in diesem »literarischen Kreise« kein ungünstiges Urteil gefunden hatten. Dies veranlasste ihn eines Tages eine humoristische Skizze, zu welcher ihn die Betrachtung von Kupferstichen William Hogarths, des berühmten englischen Kupferstechers und satirischen Sittenmalers aus dem 18. Jahrhunderte, angeregt hatte, einem Zeitungsblatte zum Abdrucke einzusenden. Mit nicht geringer Freude sah nun Rank bald darauf dieselbe in der Zeitschrift »Sonntagsblätter«, von dem deutsch-böhmischen Dichter Ludwig August Frankl in Wien herausgegeben, aufgenommen. Als Rank hierauf dem Dr. Frankl dafür persönlich dankte, forderte dieser ihn auf, das Volksleben der Böhmerwaldheimat zum Gegenstande von Schilderungen zu machen. Dies hatte, wie Rank sich selbst ausdrückt, »ungeahnte Folgen« für ihn. Denn die ersten derartigen, unmittelbar darauf fertig gestellten Darstellungen von Volkssitten und Gebräuchen fanden ebenfalls in den »Sonntagsblättern« verdienten Beifall, worauf dann noch andere Zeitschriften, wie Theodor Mundts »Freihafen«, die Wiener Wochenschrift »Der Zuschauer«, das von J. N. Vogl herausgegebene »Österreichische Morgenblatt« kleine Erzählungen und eigenartige Charakteristiken Ranks in die Öffentlichkeit brachten, damit seine literarische Bedeutung anbahnend.

Jetzt wurde der junge Schriftsteller aber mit Männern persönlich bekannt, deren Namen durch geistige Errungenschaften hell leuchteten, was ihn nicht nur mehr bildete, sondern auch zu weiteren Arbeiten aufmunterte.

Da war es wieder insbesondere die Bekanntschaft mit dem Dichter und nachmaligen, verdienstvollen Direktor der Wiener Hofbühnen Franz Dingelstedt, der damals vorübergehend in Wien weilte, wodurch Ranks schriftstellerische Tätigkeit günstig beeinflusst und gefördert wurde. Sein deutsch-böhmischer Landsmann Moritz Hartmann, der Dingelstedt bereits näher stand, führte ihn bei diesem ein. »Sie werden doch Ihre Schilderungen«, sagte da Dingelstedt zu Rank, »fortsetzen und zu einem Ganzen abschließen? Sie verschaffen uns Einblick in das originelle Gebiet eines noch unbekannten Lebens unseres Volkes in einer Zeit, wo man so lebhaft bestrebt ist, dem deutschen Leben uns Schrifttum nachzuforschen. Vollenden Sie Ihr Buch, für Sie wird sich auch ein Verleger finden!« (Erinnerungen aus meinem Leben.)

Und wirklich verschaffte Dingelstedt dem Manuskripte Ranks »Aus dem Böhmerwalde« einen Verleger (Einhorn) in Leipzig, wo es bald auch zur größten Befriedigung des glückseligen Verfassers gedruckt und mit 130 Gulden honoriert war.

Während dieser Druck (1842) von statten ging, hatte Rank, teilweise durch seine bisherigen schriftstellerischen Erfolge hiezu bewogen, teilweise in der Hoffnung, in der Kanzlei seines väterlichen Gönners, des Herrn von Planer, schon während der weiteren Studien eine Verwendung zu finden, ja die Kanzlei einmal selbst übernehmen zu können, und so vielleicht auch die Hand der angebeteten Tochter seines Chefs sich zu erwerben, die Wahl des Priesterstandes als Lebensberuf mit dem Entschlusse aufgegeben, sich fortan den juridischen Studien zu widmen. Letzteres Vorhaben fand denn ohne Schwierigkeiten die Billigung seiner Eltern, als er nach mehrjährigem Aufenthalte in Wien wieder Heimat und Elternhaus zu den Ferien besuchte.

Bei all der reinen Liebe, von der Rank zur christlichen Religion durchdrungen war, war er wohl auch bewusst, »wie doch eigentlich ein rechter Mut dazu gehöre, diesem ehrwürdigen Stande (Priesterstand) sich zu widmen; man werde geradewegs ein Nachfolger der Jünger, rücke ein gut Stück näher an Christi heilige Seite und übernehme es gleichsam, als besonderes gutes Beispiel und Muster anderen Menschen vor Augen zu stehen. Wenn das nun übel ausfalle, wenn einer das Zeug, den Beruf nicht recht dazu habe, Gott, welche Verantwortung!« (Achtspännig)

Zum Schlusse der Ferialzeit kehrte Rank wieder nach Wien und in das Planer'sche Haus zurück und studierte jetzt die Rechte, um sich später der Advokatur oder dem Staatsdienste zuwenden zu können. Neben den akademischen Studien beschäftigte ihn aber auch weiter eingehendes und eifriges Studium hervorragender Werke der Kunst, Literatur und Geschichte, während er sonst noch im Verkehre mit »hochgebildeten Männern mannigfacher Berufsklassen« seine Geistesbildung läuterte und von ihnen vielseitige Anregungen wissenschaftlicher Art empfing.

Diesbezüglich schreibt Rank in ›Erinnerungen aus meinem Leben‹: »Meine Studien fortzusetzen, am Kanzleitisch meines Chefs redlich meine feste und gute Existenz zu finden und meinem ruhelos sehnenden Herzen die Erfüllung des heißesten Wunsches zu erringen, war der klare und unumstößliche Vorsatz meiner Jugend; und nebenher in Literatur und Poesie etwas Tüchtiges mit Feuereifer zu erstreben, war der tiefste Trieb meiner Seele.«

In diese Zeit fallen auch seine ersten persönlichen Beziehungen zu dem durch die »Studien« bereits berühmt gewordenen Ad. Stifter. Dem politischen Leben mit seinen lebhafteren Tagesfragen blieb Rank in der Vorzeit des »Völkerfrühlings« ebenfalls nicht ferne und war somit ständiger Teilnehmer an einem jung-österreichischen »Kaffeehaus-Rütli«, das »in seiner harmlosen Verbrüderung nicht sowohl einem gewaltsamen Umsturz der Verhältnisse als der Anbahnung von Reformen zur Verjüngung Österreichs« galt. Auch unter des Metternich'schen Polizeistaates Zensur, der »Geistesmörderin und in Wahrheit Revolutionsstifterin«, wie Rank sie nennt, hatte er in peinlichen Unannehmlichkeiten zu leiden; ja sie zwang ihn sogar im Jahre 1844 auf Ungarns »Boden der Freiheit«, in Pressburg, einige Zeit als »Flüchtling und Märtyrer« zu verweilen, im Jahre 1845 jedoch freiwillig nach Leipzig, dem damaligen »Eldorado junger Österreicher«, auszuwandern. Auf dem Wege dorthin wurde ihm aber in Teplitz von einem Polizei-Kommissär befohlen, nach Prag zurückzukehren, das er kurz vorher glücklich durchwandert hatte, um sich hier einiger Pressvergehen wegen zu verteidigen. Durch 14 Tage in Haft gehalten, erlangte Rank schließlich einen Freispruch, da die ihm zur Last gelegten literarischen Übergriffe verjährt waren. Er kehrte nun wieder nach Wien zurück in sein »Asyl« bei der Familie von Planer, worauf ihn als »Märtyrer« hervorragende Persönlichkeiten vielfach aufsuchten.

»Aber ich war weit entfernt«, schreibt er in ›Erinnerungen aus meinem Leben‹, »in politischen Dingen besondere Verdienste und Ehren erringen zu wollen. Dazu war ich viel zu jung, zu bescheiden und unerfahren; mit leidenschaftlicher Sehnsucht nahm ich dagegen meine Studien und literarischen Arbeiten wieder auf und war weit glücklicher, die neue Bekanntschaft einer literarischen Größe zu machen, als von damals vielgenannten politischen Tageshelden aufgesucht zu werden.«

Dennoch litt es Rank jetzt nicht lange in Wien, weshalb er neuerdings, diesmal wohl als »legitimationsfähiger Reisender«, über Prag und Dresden nach Leipzig zog, wo er in einem Kreise ausgezeichneter Männer, einheimischer und fremder Schriftsteller wie Künstler, darunter auch Bertold Auerbach, mit dem er sich näher befreundete, lebte, bis ihn die welterschütternden Ereignisse des Jahres 1848 wieder in Wien sehen, wo er inmitten der gewaltigen Freiheitsbestrebungen rege tätig ist.

»Ich gestehe«, schreibt da Rank, »dass ich verlegen bin, aus der großen Bewegung jener Zeit meine bescheidene Person hervorzusuchen und über sie Nachricht zu geben … Ich finde mich in der akademischen Legion, als Leutnant einer Kompagnie Studenten, darunter nahe Freunde; ich wohne den Beratungen eines vom öffentlichen Vertrauen berufenen Komitees bei, das ein der Regierung vorzulegendes Pressgesetz entwerfen soll – unter den Mitgliedern befanden sich Münch-Bellinghausen (Friedrich Halm), Ignaz Kuranda, Bauernfeld u. a.; ich bin Mitglied eines Vereines, der die Interessen der Deutschen in Böhmen zu vertreten strebt und zugleich auf die Wahlen für den österreichischen Reichsrat und für die Nationalversammlung in Frankfurt Einfluss nehmen soll; – endlich bin ich Redakteur eines Blattes, das die jungen Buchhändler Hügel und Manz gegründet …« (Erinnerungen aus meinem Leben)

Dieses Blatt war der »Volksfreund«, Zeitschrift für Aufklärung und Erheiterung des Volkes, welches »populär geschrieben, auf die große, gesunde Masse des Volkes in Stadt und Land aufklärend und mäßigend im freisinnigen Geiste einwirken sollte« und mit einer Probenummer am 22. März 1848 zu erscheinen begann. Diesen Zweck erfüllte die volkstümliche Zeitung auf geradem und rechtlichen Wege auch vollkommen, ohne jedoch, wie es andere, plötzlich auftauchende Blätter dieser revolutionären Zeit taten, die vorliegenden Verhältnisse geradezu unwürdig auszubeuten. Denn, so sagt Rank selbst, »in mir persönlich hatten sich trotz Jugend und feurigem Herzen die Grundsätze einer gewissen Mäßigung bereits kräftig festgesetzt; ich sah in der Übertreibung der Forderungen die ganze Errungenschaft der Zeit gefährdet, die republikanische Vordringlichkeit schien mir Vaterland und Dynastie, an denen ich von Jugend auf mit pietätvoller Innigkeit hing, toll zu bekämpfen und die kleinlichen, wenn auch mitunter sehr heiteren Reklamemittel, um einen flüchtigen Erfolg beim Straßenabsatz zu erzielen, widersprachen unserer ganzen Denkart. Wir beschränkten uns bei unserm Journalistischen Bestreben darauf, dass wir, was wir brachten, durch Humor, Eigenartigkeit und, wo es sein musste, durch Ernst, der zu Herzen ging, belebten und vertieften; dieses Bemühen hielt uns wirklich oben in der Gunst unserer Leser und nach einigen Wochen überraschten uns Beweise von Befriedigung und Freude am Gebotenen, wie sie schwerlich sonst öffentlichen Blättern zuteilwerden.« (Erinnerungen aus meinem Leben)

So brachten einst 3 Bauern, als Zeichen ihrer Zufriedenheit mit dem »Volksfreunde«, Brot, Butter, Fleisch und Hühner in die Redaktion, während ein anderes Mal ein livrierter Herrschaftsdiener dem Redakteur Rank die Anerkennung der Herrschaft in Gestalt eines großen Flaschenkorbes mit feinsten Weinen übermittelte. Während dieser ehrsamen und erfolgreichen publizistischen Tätigkeit wurde Rank im August 1848 von seinen deutschen Heimatgenossen als Abgeordneter für das Parlament in Frankfurt am Main entsendet, nachdem er kurz zuvor bei der heimatlichen Wahl für den österreichischen Reichsrat dem tschechischen Gegenkandidaten hatte weichen müssen, der um 4 Stimmen mehr erhielt als er.

Der Abschied von Wien, seiner zweiten Heimat, fiel ihm sehr schwer. In der Fülle der Jugend verließ er es nun als Mitglied des deutschen Reichsparlamentes, um erst im Jahre 1860, also nach 12 Jahren, wieder hierher zurückzukehren. Jetzt ging es unverweilt der Böhmerwaldheimat zu, um sich seinen Wählern persönlich vorzustellen und von da nach Frankfurt a. M., wo sich Rank in der Paulskirche – dort tagte bekanntlich das Parlament – mit der ganzen Herzensbegeisterung für sein Vaterland der freisinnigen und großdeutschen Partei anschloss, die ein Gesamtdeutschland mit Österreich an der Spitze anstrebte. An Jahren der zweitjüngste aller Abgeordneten ergriff er, bescheiden wie er war, nur zweimal öffentlich das Wort, dies jedoch in Angelegenheiten der Heimat. Sein politisches Glaubensbekenntnis, dem er fortan unentwegt nacheiferte und treu blieb, lernen wir, klar ausgedrückt, in der Novelle »Eine Mutter vom Lande« kennen, wo es heißt: »Erst aber müssen alle Lasten fort, die den Untertan auf ungerechte Weise drücken, eine Verfassung der Gemeinden muss ins Leben treten, die vernünftig ist und Rechte sichert, die dem kleinen Staat im Staat gebühren, der Unterricht muss besser, die Lehrer gut besoldet, die schlechte Priesterschaft von Unterlassung der Übertreibung ihrer Pflichten durch weise Gesetze und immer wache Übung derselben abgehalten werden.

Der Beamte muss in seine Schranken mit Ernst zurückgewiesen werden, er ist ein Diener des Staates und der Staat ist eine freie Gemeinschaft aller Staatsbewohner. Dem Volke gehört vernünftige Lektüre, daher muss die Presse frei sein und das Volk durch freies Wort erzogen werden. Allein dazu gehört, dass die Regierung sich selber vernünftiger gestalte: ein unverletzlich Oberhaupt, verantwortliche Minister, gleiche Vertretung der ganzen Nation am Throne, Gleichheit vor Gericht, öffentliches Gerichtsverfahren, Reform im Kriegswesen – und schließlich »Deutschlands Einigung, Deutschlands kräftige und freie Nationalversammlung! Das ist der Gang, die Forderung der Zeit!«

Während der Dauer der Nationalversammlung stand Rank im vertraulichen Verkehre mit dem schwäbischen Altmeister Ludwig Uhland, an dessen Seite er auch weiter verblieb, als das nur mehr aus 120 Mitgliedern bestehende »Rumpfparlament« nach Stuttgart verlegt wurde, bis es hier am 18. Juni 1849 gewaltsam gesprengt ward und, drohender Waffengewalt weichend, gänzlich sich auflöste.

Näheres darüber erfahren wir bei Rank sowohl in der zweiten Erzählung aus »Geschichten der Leute«, unter dem Titel »Die Auswanderer und ihr Kind«, wie in den »Erinnerungen aus meinem Leben«, in welch' letzteren er uns noch von den schweren Tagen, die nach diesem bedauernswerten Ereignisse für ihn angebrochen waren, erzählt.

Nur der Aufenthalt im liebevollen Hause Uhlands, dessen Gast er sowohl im Jahre 1849 wie auch zu Beginne des Jahres 1850 einige Zeit hindurch war, bot ihm vorübergehend das »Behagen eines Elternhauses«. Gleichwie in Tübingen als auch in Stuttgart, wo Rank damals länger weilte, knüpfte er engere Beziehungen mit einigen Vertretern der schwäbischen Dichterschule an, so besonders mit Karl Mayer, dem durch seine sinnigen echt poetischen Naturbilder ausgezeichneten Dichter und Freund Uhlands.

Jeder weiteren politischen Tätigkeit entsagend, wandte er sich gleichzeitig der literarischen ganz zu, übersiedelte im Jahre 1851 nach Frankfurt a. M. und vermählte sich dann am 4./9. 1852 mit einer Rheinpfälzerin, der Tochter des königl. Bayerischen Steuerkontroleurs Jako Koplitz, wodurch er mit der Familie des bekannten Verlagsbuchhändlers von Cotta in Stuttgart verschwägert ward.

Sodann ließ er sich nach einem nahezu anderthalbjährigen Aufenthalte in der Böhmerwaldheimat, (im Frühjahre und Sommer 1853 im Elternhause auf dem Lande, hierauf in der nahen Kreisstadt Klattau) bis Ende August 1854 in der Musenstadt Weimar nieder, wo er noch 1851 das »Sonntagsblatt« gründete und sonst auch schriftstellerisch rege wirkte. Im Jahre 1859 finden wir ihn in Nürnberg als Redakteur des »Nürnberger Kurier« tätig, bis er 1860 als Chefredakteur der »Österreichischen Zeitung« nach Wien ging.

Hier angelangt, bot sich ihm bald auch gute Gelegenheit, die Versorgung seiner Familie für die Zukunft durch eine sichere Stellung bei einem kaiserlichen Kunstinstitute zu festigen, welche durch vielseitige geistige Beziehungen nicht nur sein Talent wohltätig begünstigte, sondern ihm auch zusagender und erhabener erschien, als eine Stellung im Staatsdienste, der ihn nicht besonders anzog. 1862 übernahm Rank somit provisorisch das Sekretariat der kaiserl. königl. Hofoper, das er seit 1865 definitiv unter den Direktoren Matteo Salvi, Franz Dingelstedt und Johann Herbeck durch 13 Jahre innehatte, allgemein geschätzt und hochgehalten von den Direktoren und der Genera-Intendanz der kaiserlichen Theater, sowie in Anerkennung seiner unermüdlichen, ersprießlichen Amtsführung vielfach belobt und belohnt. Aus dieser wäre das Direktions-Programm hervorzuheben, das Rank abfasste. Seither weist es jedem Leiter der Hofoper die Wege, wie hier der Kunst Rechnung getragen werden kann und soll.

Mit Arbeit überhäuft, andererseits wieder, nach dem Rücktritte Herbecks von der Direktion, unter manch' unliebsamen Dienstverhältnissen leidend, trat Rank im Sommer 1875 in den Ruhestand. Doch nicht lange konnte er sich diesem, wie einer lebhafteren literarischen Produktion hingeben, denn Heinrich Laube, der im Sommer 1875 zum zweiten Male das Steuer des Wiener Stadttheaters ergriffen hatte, gelang es ein Jahr darauf, Rank als General-Sekretär seinem Theater zu erwerben. In diesem Amte wirkte unser Dichter 4 Jahre lang, bis Laube 1880 der Direktion neuerdings entsagte. Rastlose Tätigkeit hatte bei Rank ein Nervenleiden herbeigeführt, das ihm unbedingte Ruhe zur Erholung und Kräftigung des beeinträchtigten Gesundheitszustandes auferlegte. Diesem Zwange gehorchend, gab er endgültig alle amtlichen Arbeiten auf, um sich nach Görz zurückzuziehen und unter dem Einflusse milderen Klimas sich zu erholen. Zwei Jahre verblieb er hierauf in Görz, wo sich auch sein Befinden bei vollkommener Rast sichtlich verbesserte. Nun kam ihm aber eine Aufforderung zu, in die Redaktion der Wiener belletristischen Zeitschrift »Heimat« einzutreten, deren Mitarbeiter er bereits durch eine Reihe von Jahren war. Diesem Rufe Folge leistend, kehrte er nach Wien zurück. Vom 1. April 1882 an sehen wir Rank sodann im Vereine mit Ludwig Anzengruber an der Spitze der wohlansehnlichen Zeitschrift, nebenbei jedoch auch als steten Mitarbeiter bei verschiedenen Tagesblättern, so der »Neuen freien Presse«, »Deutschen Zeitung«, dem »Neuen Wiener Tagblatt« u. a., bis sein altes Nervenübel, durch anstrengende publizistische Tätigkeit neuerdings verschlimmert, den nahezu Siebzigjährigen veranlasste, sich gänzlich von der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Die letzten 10 Lebensjahre verbrachte der greise Dichter in strengerer oder minderer Abgeschiedenheit in der Nähe von Wien, zuerst in Mödling, dann in Hietzing, mit voller Geistesfrische noch manches literarisch schaffend, so insbesondere seine »Erinnerungen aus meinem Leben«.

Den politischen Ereignissen, hauptsächlich jedoch den schweren Kämpfen der Deutschen um ihre Existenz im österreichischen Staatswesen, widmete selbst der Greis auch lebhaftes Interesse. Schwer traf ihn noch der Verlust seiner vortrefflichen Gattin, wenn auch eine Tochter und zwei Söhne mit ihren Familien sich liebevoll bemühten, dem Vater die nunmehrige Einsamkeit zu gut es ging erträglicher zu gestalten. Zu seinem 70. Geburtstage, der am 12./7. 1885 im Heimatdorfe Friedrichstal in hervorragend feierlicher Weise, unter großer Beteiligung der Heimatgenossen begangen wurde, fand die Enthüllung einer marmornen Gedenktafel am Vaterhause des Dichters statt, welche die goldene Inschrift trägt: »In diesem Hause wurde 1816 am 10. Juni Josef Rank, der begnadete Dichter, geboren.«

Seine große Bescheidenheit wie sein Gesundheitszustand bei dem vorgerückten Alter erlaubten es aber nicht, dass er selbst an der ehrenvollen Feier hätte teilnehmen können; er ließ sich daher durch seinen Sohn Georg dabei würdig vertreten.

Immerhin erfreute er sich in wohltuender Ruhe einer gewissen Rüstigkeit bis zum 80. Lebensjahre, als ihm plötzlich ein Schlaganfall schwere Leiden brachte, von denen ihn am 28. März 1896 um 7 Uhr abends der Tod befreite. Am Sterbebette konnte sich Rank wohl sagen, dass er seiner Lebensaufgabe nach besten Kräften nachgekommen, dass er seiner wahren Bestimmung Genüge geleistet habe.

Sein Leichnam ward am Hietzinger Ortsfriedhofe beigesetzt, wobei ihm Regierungsrat Winternitz als Präsident des Journalisten- und Schriftstellervereines »Konkordia«, dessen Mitglied Rank war, einen warmen Nachruf widmete, anknüpfend an einen Ausspruch des Verblichenen: »Wenn ich einmal sterbe, will ich ohne Lärm aus der Welt gehen und sachte hinter mir die Tür schließen.« Doch auch dem deutschen Böhmerwalde war es ein Herzensbedürfnis, auf dem Boden, dem der dahingegangene Dichter entsprossen, diesen in einer schlichten, aber weihevollen Gedenkfeier zu ehren, die am 18. Juni 1896 in Hirschau, dem Pfarrdorfe der Heimatgemeinde und in Friedrichstal vor dem Geburtshause Ranks, unter zahlreicher Beteiligung aller Bevölkerungskreise, veranstaltet wurde, als ein rührendes Bild erhebendster, stimmungsvollster Huldigung. –

Während wir bei Ad. Stifter sehen, das idyllische Naturstudien aus dem Naturleben unserer Böhmerwaldheimat die Hauptgrundlage in seinen Dichtungen bilden, dass einem gewissen Drange nach Naturanschauung und Darstellung das Volksleben der Heimat mit seiner Eigenart hintanstehen muss, sucht Rank im alltäglichen heimatlichen Leben den tieferen Gehalt auf, fühlt sich in die Gebräuche und Sitten seiner Landsleute hinein und vermittelt uns in seinen Dorfgeschichten, in den Schilderungen aus natürlichem und ländlichem Leben in schmuckloser, einfacher Sprache das Verständnis für das Volk selbst, indem er dessen Geistes-, Sitten- und Seelenzustände, dessen Charaktereigentümlichkeiten vorführt, aus deren sich entgegentretenden Verschiedenheiten er weiter den notwendigen Widerstreit hervorhebt.

Dadurch zieht er, wie er selbst sagt, von einem Volksstamme den Vorhang weg, der vorher kaum genannt und beachtet wurde. (Erinnerungen aus meinem Leben)

Um dies aber zu können, musste der Dichter seine Landsleute genau kennen, in ihrem Innern mitempfinden, mit den rein örtlichen Verhältnissen sehr vertraut sein. Denn nur so vermochte er Wahres zu bilden und diesem auch die nötige Lebendigkeit einzuhauchen. Freilich konnte er dabei die Menschen in ihrer ganzen Ursprünglichkeit, in dem oft hohen Zustande, in welchem sie ihm entgegentraten, in der Darstellung allein nicht gelten lassen, er musste, ohne dass darunter die Natürlichkeit wesentliche Einbuße erlitt, sie mit Hilfe seiner poetischen Kunst entsprechend gestalten, sie förmlich durchgeistigen.

Dies alles finden wir nun bei Rank vorhanden und in Wirksamkeit. Wie der Dichter sich in der Erzählung »Die Mutter vom Lande« ausdrückt, war er doch selbst ein Kind des Volkes, lernte dessen geheimstes Tun und Denken mit stiller Liebe kennen, erfuhr, was es im tiefsten Herzen empfindet, was es ahnet, wünscht, wie es sich freut und wie es weint.

Kein Touristenohr und Auge, setzt er dann weiter fort, merkt im eiligen Vorüberfluge, was ein Volksherz innerlich erfüllt; es verschließt sich ihm, weil es mit gutem Grunde argwöhnt; nur auf den Spiegel der eingeborenen Poetenseele fällt das reine Bild des Volksgemütes, jede feinste Regung zittert drauf, wie in der Volkskunst selber. Doch auch die Macht der poetischen Verklärung fehlte Rank nicht, die eigene Gefühle walten lässt, die mit Hilfe der Phantasie und mit klarem gesunden Sinne die Wirklichkeit in ein zierliches Gewand einkleidet. So tragen die dichterischen Gebilde Ranks nicht nur den Stempel seines Geistes an sich, sondern beherbergen auch den wirklichen Grund in sich, auf dem ihr Dasein naturgetreu erstand.

Schon in der frühesten Kindheit nahm aber Rank das Wesen seines Volkes in sich auf und gleichzeitig damit entwickelte sich auch das kindliche Phantasieleben in ungewöhnlicher Weise. Wie wir seinen »Erinnerungen aus meinem Leben« entnehmen, genoss er frühzeitig bereits »die bescheidene, aber sehr erquickliche Freiheit, im Hause oder in der nächsten Umgebung desselben seinen Spielen, Träumen, Entdeckungen unbeschränkt nachgehen zu können«. »Halbe Tage lang«, schreibt er weiter, »war ich mir selbst überlassen und ohne all' die Spielzeuge, die man Stadtkindern so überreichlich bietet, wurde ich fort und fort durch Menschen und Dinge, besonders aber durch die Erscheinungen der Natur angezogen, beglückt und zerstreut«. Nicht anders war es ebenfalls, wenn das »Studentlein« und später der Student heimkam, um seine Ferien im Elternhause zu verbringen. Auch jetzt schlenderte er träumerisch in ungebundener Freiheit durch die Felder, durchwanderte die herrlichen Heimatwälder nach allen Richtungen, erfasste dabei nicht nur den wesentlichen Kern seines Volkes, sondern auch den örtlichen Schauplatz von dessen Tätigkeit, so dass beides selbst dann noch in hellen Bildern in des Dichters Erinnerung stand, als er weit weg war von der Heimat und er nun aus der Fülle seines Geistes- und Empfindungslebens das eigenartige Volkstum in Sitten und Gebräuchen, im Arbeiten, Denken und Fühlen vielgestaltig und anziehend schilderte.

Wie wir aus Ranks Werken ersehen können, verfolgte er dabei mehrfach einen guten, ich möchte sagen, höheren menschlichen Zweck.

Denn es ist ihm keineswegs allein darum zu tun, dem Leser in der Welt seine Heimat vorzuführen, dessen Aufmerksamkeit auf das Volksleben derselben hinzulenken und ihn mit bisher unbekannten Umständen deshalb bekannt zu machen, sondern er schreibt auch für seine eigenen Landsleute selbst, sucht diese zur rein sachlichen Betrachtung ihres darstellten Lebens anzuleiten, ihre innersten Beweggründe erforschen, veranlasst sie, sich an ihrem einfachen Landleben zu erfreuen, dem die Natur so frische Farben leiht. Er lässt sie aber auch ihre naiven Schwächen und Leidenschaften schauen, beleuchtet ihre Schattenseiten mit den schlimmen Folgen, so z. B. des Müßigganges, des Aberglaubens, der Trunksucht, des Spieles usw., und sucht dadurch ihre Herzen zu verbessern, ihre Köpfe zu erhellen.

Wahre Dichtung wirkt eben, so wie sie aus dem Leben ersteht, auch auf das Leben zurück.

Doch tritt die Absicht der Belehrung und Volkserziehung in den Schriften Ranks nie derartig hervor, dass sie störend wirkte, denn der Dichter erörtert kleinere Mängel und Fehler mit einer Wärme und Herzlichkeit, legt gröbere Verirrungen und Verwerfliches mit einer Offenheit und Natürlichkeit bloß, so dass sich die Lehre dem Lesenden von selbst ergibt.

Leser, denen stark erregende, mit manchen schwärmerischen Lock- und abenteuerlichen Reizmitteln ausgestattete und gesättigte Lesestoffe ein gewisses Bedürfnis sind, werden von Rank allerdings nicht voll befriedigt werden können, weil sowohl die getreuen Schilderungen des Stilllebens aus dem Böhmerwalde einfach wie der Grund sind, dem sie entwuchsen, andererseits aber auch andere Materien, die Rank verarbeitet, derartigem Zeitgeschmacke nicht huldigen und im Widerspruche zu demselben stehen. Mangel an dichterischer Erfindung, an stofflicher Reichhaltigkeit, sowie an Charakterzeichnung werden jedoch deshalb selbst solche Leser Rank nicht vorwerfen können, oder etwa darum seine poetische Begabung als minderwertig beurteilen dürfen.

Was nun die sogenannte Dorfgeschichte anbelangt, welche Rank in kürzeren und längeren Erzählungen besonders pflegte, so gehören diese Erzeugnisse, worin er knapp und lebendig schildert, jedenfalls zu dem Gelungensten auf diesem Gebiete, während seine Romane mitunter von Weitschweifigkeit nicht frei sind.

Man stellt zwar in der Dorfgeschichtenliteratur mehrfach vor B. Auerbach an die Spitze und spricht von Rank als einem Nachahmer und Jünger des Schwarzwalddichters.

Doch dies mit Unrecht. In »Erinnerungen aus meinem Leben« schildert uns Rank ausführlich das erste Zusammentreffen mit B. Auerbach in Leipzig.

»Auerbach war damals«, so schreibt Rank, »bereits mit der zweiten Folge seiner Dorfgeschichten beschäftigt. – Von meinen ersten Schriften war damals erschienen: ›Aus dem Böhmerwalde‹ (Sitten und Gebräuche); ›Neue Geschichten aus dem Böhmerwalde‹; ›Weißdornblüten‹.

Das Ziel, das wir uns gesetzt hatten: das Volk mit seinem Leben und Treiben, in seiner Bedeutung und Eigenheit in die Literatur und Poesie dauernd einzuführen, nachdem es sporadisch bereits früher oft und bedeutsam durch Hebel und Immermann behandelt worden, war uns also beiden gemeinsam, doch hatte ein jeder, ohne von dem anderen zu wissen, auf einem anderen Punkte des Weges eingesetzt; Auerbach war von seiner speziellen Heimat, dem Schwarzwald ausgegangen, ich von meiner deutschen Heimat, dem Böhmerwald.«

Doch abgesehen davon, dass beide mit ihrer gestaltenden Tätigkeit auf verschiedenen Punkten einsetzten, war auch der Vorgang in derselben ein grundverschiedener.

Wenn es auch Auerbach gelungen ist, in einfachen Erzählungen das Landvolk seiner schwäbischen Heimat und die Verhältnisse dortselbst poetisch zu verwerten und im volkstümlichen Gepräge wiederzugeben, so lässt sich weiter die Tatsache nicht stillschweigend übergehen, dass seine Volksgestalten allmählich immer mehr an rein schwäbischer Eigenart einbüßen, je mehr sich Auerbach als Dichter vervollkommnet, der sie vielfach dann zu seinen eigenen macht, indem er seine idealen Anschauungen bei ihrer Darstellung zu sehr mitwirken lässt, so dass sie schließlich gerade so gut in einen anderen Rahmen hinein passen, wie in den Schwarzwald. Kurz gesagt, Auerbach idealisiert. Bei Rank jedoch sehen wir, dass er, mitten aus den Verhältnissen, die er kennzeichnet, herausgewachsen, diese auch vollkommen objektiv auffasst, sie so schildert, wie sie in Wirklichkeit sind und er sie als solche in sich aufgenommen hat. Naturwahr leben alle seine Gestalten, seien es Haupt- oder Nebenpersonen; alle sind sie nach den örtlichen Beziehungen individualisiert und stellen in ihrem Wesen alle Besonderheiten des Böhmerwaldcharakters anschaulich und eigentümlich dar.

Während somit Auerbach in der Dorfgeschichte als Idealist in schönen, farbenreichen Bildern wohl herrliche Gestalten schafft, bringt Rank in seiner Realität wahrhaftige Originale aus seinem Volke. Aber auch in Ranks größeren Werken, den Romanen, liegen bestimmte, nicht zu verkennende heimatliche Charakterbilder von großer Anschaulichkeit zugrunde und entspricht die poetische Schöpfung vollkommen dem Leben.

Schwebte dies etwa Auerbachs Geiste vor, als er Rank während des oben erwähnten Leipziger Beisammenseins gelegentlich in lebhafter Aufregung zurief: »Ja, du bist ein Bundesgenosse aus gleichem Stoff und für gleiches Streben – wenn mir jemand gefährlich werden kann, so bist du's!«

Daran knüpft nun Rank folgendes: »Diese Schlussbemerkung überraschte mich, ich konnte sie eigentlich nicht begreifen; denn was ich bisher geschaffen hatte, war entstanden, ohne Auerbach und seine Leistungen zu kennen und was in neuen Plänen in mir aufstieg, war grundverschieden von dem, was Auerbach bisher geschaffen hatte; auch war ich weit entfernt, mir einzubilden, dass ich jemals einen Erfolg erreichen könnte, dessen Auerbach sich damals schon erfreute …« (Erinnerungen aus meinem Leben)

Ich will es nun versuchen, die zahlreichen schriftstellerischen Arbeiten Ranks, soweit ich sie bisher kennen lernen konnte, einzeln zu würdigen.

Wie seine literarische Tätigkeit angebahnt wurde, habe ich bereits erwähnt, ebenso, dass im Jahre 1842 in Leipzig »Aus dem Böhmerwalde« erschien, worauf das Jahr 1847 als weitere Folge davon »Neue Geschichten aus dem Böhmerwalde« brachte.

In einer Zeit, da man eben mehrfach begonnen hatte, für das »Volk« zu schreiben und allmählich auch aus demselben, dessen Leben und Eigenart für die Literatur verwertend, hatte auch Rank in richtiger Erfassung des dabei einzuschlagenden Weges und des zu erreichenden Zweckes, den bis dahin in seinen Eigentümlichkeiten der Leserwelt fast gänzlich unbekannten Böhmerwald zuerst in Sitten und Gebräuchen geschildert. Dadurch ermöglichte er nicht nur die Kenntnis des Lebens und Treibens im Böhmerwalde außerhalb desselben, sondern gewann auch den Boden, auf welchem mit Hilfe der Erfindung aus Dichtung und Wahrheit Volksgeschichten geschaffen werden konnten. (Erinnerungen aus meinem Leben)

Durch diese Schilderungen von Sitten und Gebräuchen, dann durch kleine Bilder und Erzählungen aus dem Volksleben seiner Waldheimat bot der Dichter schon erhebliches für die Bereicherung der Volkskunde und fand dafür auch manche Anerkennung von berühmten Männern, so von Uhland, Jakob Grimm, Ludolf Wienberg, Jeremias Gotthelf u.a.

Wir lernen darin das Volk in seiner Freude, Liebe und Trauer, bei der Arbeit und beim Vergnügen kennen, in den Volksgebräuchen bei festlichen Anlässen zu verschiedenen Jahreszeiten, bei Verlobungen, Hochzeiten, beim Sterben, Aufbahren, Begraben, im Erinnern an die Abgeschiedenen, in Sagen und im Aberglauben.

Daraus bietet sich uns ein besonderes Gepräge des Böhmerwäldlers nach Leibes-, Geistes- und Gemütsanlagen, der Volksseele frommgläubiger Sinn dar. Vielfache Ergänzungen dazu finden sich natürlich noch in den einzelnen späteren Werken Ranks vor, so besonders in »Erinnerungen aus meinem Leben« und einem vorzüglichen Beitrage Ranks für »Die Österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild« unter dem Titel »Das Volksleben der Deutschen im Böhmerwalde«.

Anheimelnd, urwüchsig und imponierend ist dieses Volksleben in seiner Natürlichkeit und Kraft, doch auf mancher Seite auch rau, hart, ja düster.

»Ich bin weit entfernt«, schreibt da Rank in »Erinnerungen aus meinem Leben«, mit vielen anderen der Überzeugung zu huldigen, dass im Volke ein Übermaß von Weisheit, Rechtssinn und Sitte herrsche, aber ich muss bekennen, dass ich noch viel weiter entfernt bin, die Ansicht derjenigen zu teilen, welche im Volke nur einen Ausbund von Rohheit, Verworfenheit und Gemeinheit sehen.«

Von diesem Standpunkte ausgehend, empfindet der Dichter mit seinem Volke uns stellt es dar in dem idyllischen Frieden und den rauen Konflikten des Lebens. –

Im Jahre 1848 erschien die Novelle »Eine Mutter vom Lande«. Sie handelt von der Bedrängnis eines liebeswarmen Dorf-Mutterherzens, welches eifersüchtig wurde auf das Söhnlein in der Stadt. Dieses aber findet hier in einer »zweiten Mutter«, die sich seiner wie eines eigenen Kindes annimmt, auch eine liebevolle Gattin. Erörterungen mancher Lebensfragen, hauptsächlich auf dem Gebiete der Volkserziehung gestalten diese Novelle zu einer sehr anregenden und wertvollen.

Das Jahr 1848 brachte noch in »Weißdornblüten« drei Erzählungen aus dem Böhmerwäldler Volksleben: »Wartl, das Knechtlein« (1860 neuerdings als: »Barthel, das Knechtlein« erschienen), »O Mütterlein, ich denke dein!« und »Die Wirtschaft im Walde«.

Neben der letzten Erzählung, die mehr oder minder in Sturm und Drang entstanden ist, muss »Barthel, das Knechtlein« als ein besonders hervorragendes Produkt betrachtet werden. Darin bietet sich uns die Herzensgeschichte eines schlichten Gemütes dar, das in seiner ängstlichen Bescheidenheit wehmütig in die Fremde geht, wo es seinen Seelenfrieden sucht. In Wien fügt es das Geschick, dass der brave Barthel mit Lebensgefahr vier zügellos dahin tobende Pferde kühn bemeistert, wodurch er einer Fürstin das Leben rettet. Durch diese Heldentat ist sein Glück gemacht, sein Herzleid hat ein Ende, denn nun kann er mit seinem Röschen, das ihn so innig liebt, wie er sie, und seiner würdig ist, in der Heimat den eigenen Hausstand sich gründen. Humorvolle Beigaben aus dem Wiener Volksleben, vor allem aber die lebendige Schilderung des Praterlebens im Frühjahre erhöhen den Wert dieser Erzählung, deren Anhang »O Mütterlein, ich denke dein!« ein rührender Bericht ist, von dem plötzlichen und frühzeitigen Tode der Mutter Barthels, den er als Knabe vorgeahnt hatte.

Den Reigen einiger Zeitbilder, worin Rank, ohne damit »Parteischriften« zu liefern, Erscheinungen aus dem politischen Leben im poetischen Kleide vorführt, eröffnet die Erzählung »Moorgarden« (1851) aus den letzten Tagen des unseligen Metternichschen Polizeistaates, dessen morschen Bau die hochgehenden Wogen des Völkersturmes endlich stürzten. Vielfach und treffend ist hier in Moorgardens Gemüt und Natur der wundersame Charakter des deutschen Landvolkes dargestellt, in seinem Geschicke jedoch das des Volkes überhaupt verkörpert.

Eine Reihe von 11 anziehenden Skizzen und Erzählungen vereinige »Geschichten armer Leute« in sich. (1853)

In der ersten soll der Uneinigkeit im deutschen Volke ein belehrender Fingerzeig gegeben werden, während uns Rank in der zweiten, im Schicksale einer deutschen Auswanderer-Familie die hoffnungslose Zeit in Deutschland nach Sprengung des Frankfurter Parlamentes und Auflösung des Rumpfparlamentes in Stuttgart schauen lässt.

Hervorheben will ich daraus noch »Ein Blatt aus der Geschichte«, worin dem Leser ein düsteres Bild religiöser Unduldsamkeit geboten wird, mit all dem Entsetzen aus den traurigen Tagen der Salzburger Emigration im Jahre 1731 – weiter »Ein Scherz und seine Folgen« mit dem unglücklichen Ausgange des Scherzes, dem eine wahre Begebenheit aus Hammer im Böhmerwalde entspricht – »Der Steinschläger auf St. Georgen«, wo ein edler Schwärmer und Jünger der Menschenliebe der großen Liebeseinigung der Menschen im kleinen nützen will.

Die Tugend der Wohltätigkeit, voll lauterer Opferfähigkeit und Fürsorge, erhellt als Tochter der menschlichen Liebe das Arbeiterbild »Peter der Raugraf« (dramatisiert von Friedrich Kaiser in »Etwas Kleines«) während »Werde nicht wie diese« als ein guter Beitrag zur Menschenkenntnis gelten muss, der uns Tugenden und Fehler der menschlichen Natur näher rückt, insbesondere eine Seelenschwäche mit der Krankheit des Geizes.

Der Erzählung »Schön Minnele« (1853) liegt zugrunde: »Keine Gewalt ist mächtig über unser Herz, wenn wir selber die Macht über dasselbe nicht schon verloren haben.« Dies bewahrheitet sich an einem schlichten Naturkinde, das unter schwerem Gemütskampfe die Heimat und sein Mütterchen verlässt, um einer Liebesleidenschaft zu einem jungen Manne zu entsagen, dessen Vater von einer Verbindung mit dem »schönen Bettelkinde« nichts wissen will.

Im Sturm und Drang des Hauptstadtlebens, plötzlich in höhere Schichten der »Zivilisation« entrückt, aus der uns der Dichter hier ein lebensvolles, doch wenig erbauliches Sittengemälde entwirft, soll die Unschuld »Schön Minneles« einem äußerst listig und teuflich ausgedachten Plane zum Opfer fallen. Doch dieses Landmädchen, schön und rein wie wenige, lässt sich, obwohl es von einer gewissen, liebenswürdigen Eitelkeit nicht frei ist, nicht vom Wege der Tugend ablenken, verachtet Schätze, über die seine Wünsche frei verfügen könnten, denn die Sehnsucht ihrer Seele zieht nur nach der Heimat, die Liebe ihres unbefangenen Herzens nach dem dort zurückgelassenen einzig Geliebten, dem diese helle Perle der Tugend auch schließlich angehören kann fürs Leben.

In der Erzählung »Florian« (1853) macht uns der Dichter mit dem Leben und Schicksale eines Sonderlings, Florian geheißen, bekannt.

Ohne rechte Heimat, ohne Eltern und Geschwister, wächst Florian unter Zigeunern auf, befreit sich selbst aus den verderblichen Banden der Landstreicher, geht dann, von einem edlen Menschenfreunde angeleitet, reinen Herzens durch manche Prüfungen des Lebens, einen Wunsch nur hegend und nährend: »als redlicher, fleißiger Mensch da zu stehen und sozusagen eine unabhängige geräuschlose Stellung in der Gesellschaft der Menschen zu erringen.«

In der Einsamkeit und Stille seines weiteren Lebens beweist er, dass selbst der kleinste und ärmlichste Raum noch Glück beherbergen kann, bis plötzlich aus dem armen Florian ein »Millionär, das Wunder und Ziel aller Augen« wird. Doch bevor noch Florian sich im wirklichen Besitz des außerordentlichen Reichtums sieht, war er gegen denselben schon so abgestumpft, dass er die Nachricht, seine Millionenerbschaft sei durch Unglücksfälle auf nur 60.000 Gulden zusammengeschmolzen, mit zufriedenem Lächeln hinnimmt. Als Besitzer eines großen Bauernhofes, der Leiden und Freuden aus den Tagen seiner Armut gedenkend, gilt ihm jetzt als erste Lebensweisheit, die ihm sein Retter, der Friedländer ans Herz legte: »auf Erden mit Behagen mitten unter Gütern zu verweilen«. Neben dieser eigentlichen Grundlage finden wir auch in einzelnen Schilderungen manches frische Bild des Volkslebens im Kleinen wiedergegeben. –

Im Romane »Die Freunde« (1854) spiegelt sich der Niedergang der schmachvollen, französisch-napoleonischen Herrschaft in Deutschland wieder, sowie dessen auflodernden, begeisterten Freiheitsbestrebungen.

In der eigentlichen Handlung sehen wir aber zwei Freunde aus schweren Prüfungen rein hervorgehen, indem sie die Pflichten der Freundschaft über alles stellen, selbst über ihre Liebe.

Während der eine von ihnen fremder, willkürlicher Gewalt zum Opfer fallen und für sein liebes Vaterland sterben soll, wagt der andere für dessen Rettung alles, sogar sein Leben.

Ebenso lässt er im Kampfe zwischen Liebe und Freundschaft die letztere zu Gunsten seines Freundes Siegerin sein.

Dabei erbringen die Hauptpersonen in diesem Romane einen glänzenden Beweis, dass gerade oft unter den trübsten Umständen erhabene Seelenverbindungen gleich funkelnden Sternen erstrahlen, dass, wie auch ungünstige Verhältnisse von außen dem widerstreben mögen, Liebe und Freundschaft, unbeirrt davon, sich jederzeit geltend machen können und werden, dem Felsen gleich, der umtost von den heftigsten Stürmen, sein Haupt ungebeugt emporhält.

Eine nicht wenig wunderbare Seelengeschichte von hohem, sittlichen Werte ist »Das Hofer-Käthchen«, neu durchgesehen in einer Miniaturausgabe 1854 erschienen, während sie früher schon in »Neue Geschichten aus dem Böhmerwalde« eingereiht ward.

Schweres Leid sitzt im Herzen zweier Brüder, denn beide lieben das Käthchen. Von diesen Brüdern und ihrem Vater zur Wahl gedrängt, wählt Käthchen »blind« den älteren der beiden Georg zu ihrem Manne, so dass der jüngere Anton fortzieht, um eine neue Heimat sich zu suchen und seine tiefen Seelenwunden von der Zeit heilen zu lassen. Käthchen ist jetzt in Pflicht und Liebe das ergebene, brave Eheweib Georgs, der sich ebenfalls bemüht, den Eid, den er seinem Bruder auf »Seel' und Seligkeit« geschworen, zu halten und Käthchen auf den Händen zu tragen.

Allmählich vernarbt nun das wunde Herz Antons in der Fremde und drängt ihn, fernerhin unter einem Dache mit seinem Bruder und einer Schwester, als welche er jetzt Käthchen betrachtet, zu leben. Der Zufall fügt es aber, dass mit seiner Heimkehr auch das erste Missverständnis zwischen den Eheleuten sich einstellt, welcher Umstand zu einer Reihe von Seelenkämpfen unter den drei Hauptpersonen der Handlung führt, bis Georg sich auf höchst eigentümliche Weise von der makellosen Treue seines Weibes und der Biederkeit seines Bruders überzeugt, worauf nach langem Leide für alle wieder ein freudiges Leben aufblüht.

Reichhaltig sind in diese Haupthandlung auch kräftig wirkende Schilderungen aus dem Volksleben eingeflochten, mit Liedern und Sprüchen aus dem täglichen Leben, vom Tanzboden usw. Erheiternd wirken jedoch besonders die spaßhaften Gestalten des alten Hofer und des lustigen Schneidermeisters Pangerl mit seinen 8 Buben. –

»Von Haus zu Haus« (1856) ist eine Dorfchronik über manche Schwäche und Leidenschaften des menschlichen Herzens. Hervorragend ist darin die Erzählung »Klärchen, die Wirtin von Dreieichen«, welche Friedrich Kaiser in dem beliebten Volks- und Effektstücke »Die Frau Wirtin« dramatisierte.

Die Erzählung »Sein Ideal« (1856) zeigt uns ein nicht gewöhnliches Menschenbild unter dem Einflusse von Gefühlswünschen und Leidenschaften. Hauptperson dieser Erzählung ist ein Mann, der das Ideal der ersten Liebe, das er, über alles herrlich ausgestattet, im jugendlichen Herzen trug, im Wirrsale des Lebens verloren hat, demselben nun vergebens nachforscht, ohne zu wissen, dass er es doch in einem Wesen voll Frohsinn, einem reinen Spiegel gefunden und wohltuenden Lebens, in seiner eigenen Frau besitzt. –

Während des Aufenthaltes in Weimar entstand der bedeutende Volksroman »Achtspännig« (1857), welchem Rank den Grundgedanken dadurch gleichsam hervorhebend, Worte des sterbenden Attinghausen aus Schillers »Wilhelm Tell« voransetzt:

»Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen.«

Indem nun dabei der Mensch manches aus früheren Zeiten Überkommene erhalten soll, dasselbe, so es angeht und zweckmäßig ist, verbessernd, darf er sich den Ansprüchen einer neuen Zeit nicht entziehen oder sie fliehen, sondern muss, mit dieser Schritt haltend, auch ihre Forderungen beachten und sie mit starker Hand erfassend zu seinem eigenen Wohle und Gedeihen wenden und bezwingen.

Denn nutzloser Starrsinn würde nur zur Verwahrlosung seiner selbst und zum Verderben führen. Dies soll uns an einer urechten, kernigen Volksgestalt, dem Großfuhrmanne Wehringer, veranschaulicht werden, der aus ärmlichen Verhältnissen durch eigene Kraft sich zu einem wohlhabenden Manne emporgeschwungen hatte, bis ihm die Zeit zurief: »Du bist entbehrlich, mache größeren Dingen Platz!«

Die Herrlichkeit des Großfuhrmannes soll jetzt vor der Eisenbahn weichen. Das »dämonische Gefährte« treibt ihn daher fort aus der alten Heimat, er verkauft Haus und Hof und flieht, den Pfeil des Hasses gegen alle Neuerungen tief in der Brust, weit weg von diesen mit seiner Familie nach dem Hochgebirge.

Doch auch hieher verfolgt ihn die Gewaltsamkeit der vorschreitenden Zeit und seine große Feindin, die Eisenbahn.

Nach längerem verdrießlichen Irrtume lässt ihn aber das Gefühl, sich bald von allen Seiten überholt und überflügelt zu sehen, wenn er noch weiter in seinem Hasse fest verharre, zur besseren Einsicht gelangen, worauf er ohne falsche Scham seinen Widerstand gegen die Errungenschaften der Zeit aufgibt. So sehen wir zum Schlusse des Romanes in dem alten Wehringer, frisch an Körper und Seele, einen hervorragenden Verfechter des Neuen im Gebirge, sich haltend an den, seinen eigenen Erfahrungen entsprechenden und richtigen Grundsatz. »Vom Alten das Brauchbare und vom Neuen das Beste!«

Von trefflichen Schilderungen der Volkszustände im Gebirge und einem nicht unzweckmäßigen Streiflichte auf Reste altväterlichen Feudalwesens, das uns Rank in dem »Geisterbaron« verkörpert, abgesehen, lenkt er in »Achtspännig« unseren Blick bedeutsam auf das verderbliche Wirrsal abergläubischen Wahnes, der nicht nur durch den Missbrauch der heiligsten Gegenstände des Glaubens zur Versündigung an Gott und der gesunden Vernunft führt, sondern auch durch rücksichtslose Ausnutzung der Leichtgläubigkeit im Volke dessen materiellen Betrug und ernste Schädigung bedingt.

Indem er die verhängnisvollen Folgen äußerer und innerer Geistesbeschränktheit, insbesondere die lächerlichen und trüben Erscheinungen, die den Aberglauben begleiten, kennzeichnet, bestrebt er sich hier auch, das Volk von Verdummung und Aberglauben zu reinigen. –

Eine Anzahl von humorvollen Bildern und dramatisch anschaulichen Erzählungen enthält »Aus Dorf und Stadt« (1859), die uns manche tiefe Lehre aus der Glücksphilosophie des Lebens bieten, wobei hervorgehoben seien: »Das Heidenglück«, »Die Stadt-Frohne«, »Herr Schwenkerle« und »Else, das Dukatenkind«.

Eine der vortrefflichsten Erzählungen Ranks ist: »Ein Dorfbrutus« (1860), welche mit ihrem charakteristischen Stoffe, aus dem heimatlichen Bauernleben entnommen, uns offenbart, zu welchem Verfalle Stolz, Leichtsinn und Verschwendung eine Familie, selbst unter günstigen Existenzbedingungen, führen können, wie aber andererseits durch verständige Arbeit und zähe Genügsamkeit der schwankende Boden unter sich gefestigt werden kann.

Letzteres beweist Gotthard, der jüngste von drei Brüdern und einer Schwester im »Dasselhofe«, dessen Retter er trotz der widerstrebendsten Hindernisse wird, die er alle mit einer anscheinenden Härte besiegt, um sodann den Lichtschein der Wohlhabenheit und des Glückes wieder zurückzuleiten, nachdem dieser durch andauernde Misswirtschaft der Eltern aus der Familie entschwunden war.

»Burgei oder die drei Wünsche« (1865) ist ein Zeitbild aus der Mitte des 18. Jahrhundertes, jener Zeit des mächtigen Aufschwunges im geistigen Leben des deutschen Volkes, da endlich nach schweren Kämpfen das Licht der Vernunft gegenüber abergläubischer Finsternis den Sieg davon trug. In diesem wertvollen Beitrage zur Menschenkenntnis lässt Rank in der Gestalt der »Burgei« ein großes Menschenherz im reinsten Schimmer unbeugsamer Wahrhaftigkeit erglänzen, zu deren »Heldenmund« Burgei wird. Zugleich aber wird offenkundig, »dass weder Ehrgeiz noch Reichtum auf lebenswertem Wege gehen, wenn sie nicht Hand in Hand mit der Wahrheit gehen.«

Dramatisch verwendete Rank diesen Stoff in einem Schauspiele mit 4 Aufzügen, das im Jahre 1881 zu Görz unter dem Titel »Burgei oder das Schwert der Gerechten« erschien.

In der Erzählung »Johannes Volkh« (1867) sehen wir einen Forstwirt des Hochlandes gezeichnet, von Natur aus edelmütig, doch trotzig und stolz, von einem Pflichtgefühle in Ausübung seines harten Dienstes beseelt, das ihm nur ein Ziel stets vor Augen hält, »der Schrecken der Wilderer zu sein, ihr häufiger Besieger, ihr stets kampfgerüsteter und unerschrockener Gegner.«

Wir schauen hier aber auch rohgewaltige Waldbewohner, deren unbändiger, ungezügelter Sinn sie im Wildern auf gefahrvolle Abwege führt, in der Raserei ihrer unmenschlichen Rache, die dann in der Brust Volkhs einen finsteren Geist der Wiedervergeltung heraufbeschwört, wodurch bestätigt wird, dass »die Gnade des Himmels größer sei als die Gnade des Menschen.«

Vereint mit dieser Erzählung erschienen noch zwei andere: »Hausmittel der Liebe«, ein Kapitel aus der Heilkunst jener Krankheit, die mit »Eifer sucht, was Leiden schafft«, und »Ein guter Mensch«, worin menschliches Mitleid stark zur Wirkung kommt.

Neben dem Volksromane »Achtspännig«, welcher in zeitgeschichtlicher Beziehung als eine besonders hervorragende Leistung dichterischer Gestaltungskraft angesehen werden muss, gelangt diese in dem Zeitromene »Im Klosterhof« (1875) ebenfalls zur vollen Erscheinung.

Eine wirklich schöne und anziehende Idee ist es, welche der Dichter dem Romane zugrunde legt, an die er sodann in der weiteren Entwicklung derselben eine ganze Kette anderer, in einander verschlungener Motive anreiht, wobei er die verschiedensten Lebensverhältnisse streift. So lässt er eine Anzahl Universitätsfreunde, von Jugendenthusiasmus beseelt, feierlich geloben, sich im männlichen Alter, nach 25 Jahren, im Klosterhofe zum Wiedersehen einzufinden, um hier in einer Generalbeichte »Rechenschaft abzulegen über die werktätige Befolgung jener Grundsätze, welche als höchstes Ziel der Mannestätigkeit und Würde aufgestellt wurden.«

Der Gelöbnistag erscheint und mit ihm finden sich die Jugendfreunde als Männer von »Rang, Titeln und Mitteln« zusammen; doch auch verdorbene, gescheiterte Existenzen fehlen nicht, an denen uns des Lebens Mächte und Gewalten in den schlimmsten Folgen veranschaulicht werden. Von dieser Grundidee der Handlung geleitet, greift nun Rank nach unterschiedlichen Gesellschaftskreisen und fasst die mannigfaltigsten Lebenslagen in anschaulicher Objektivität zu einem Kulturgemälde zusammen, in dem sich die wesentlichen geistigen Strömungen vor ca. 30 Jahren und eine Fülle realen Lebens widerspiegeln. Die aus dem Zusammenhange der erörterten Zeitideen und der dargestellten Handlungen hervorgegangenen Charaktere zeichnen Wahrheit und Individualität aus, was den Kunstwert dieses Romanes natürlich noch hebt, der nicht bloß als eine hohe Verstandes-, sondern auch warme Herzensarbeit des Dichters betrachtet werden muss. Als obersten Lebensgrundsatz aber stellt Rank hier auf: »Der Mensch ermüde nicht, sein Herz zu veredeln, seinen Geist zu bilden und in jeder Lage würdig zu handeln. Denn höher als zu einem trefflichen Menschen bringt es keiner! Kaiser, Könige, Kirchen- und Staatslenker, so blendend ihre äußere Macht und Stellung sei, unterstehen keinem anderen Urteil als der einfache Bürger und Tagwerker; zur Würde eines trefflichen Menschen zu gelangen, sind nur die äußeren Mittel verschieden. Die einen setzen weltgestaltende Kräfte in Bewegung, die andern sind auf ihre Einsicht und ihrer Hände Kraft beschränkt!« –

In einer Fortsetzung »Höhenzauber« soll Rank diesen Roman weitergeführt haben; doch weiß ich nicht, ob dieselbe bereits in Buchform erschienen ist, da ich sie bisher im Buchhandel nicht vorfand.

In einem weiteren Romane »Der Seelenfänger« (1876) feiert das öffentliche Gerichtsverfahren mit den Geschworenengerichten, bei denen neben dem gesetzeskundigen Richter, an der Hand einer vernünftigen Gesetzgebung das Gewissen, die Stimme des Volkes zur Geltung kommen, einen schönen Triumph über die alten Gerichte der Willkür.

Das dunkle Geheimnis einer schweren Schuld wird dadurch gelichtet, ein Unschuldiger gerettet, worauf sich zwei Herzen voller Treue wiederfinden.

Diesem Romane waren beim Erscheinen noch 2 Erzählungen beigegeben, »Mutterauge« und »Liebeserbin«. Aus der ersteren lernen wir, dass das langsam und schwer errungene Glück auch das echte und rechte ist, während in der zweiten unter Streiflichtern auf manche Lebensumstände, eine jüngere Schwester die »Liebeserbin« der älteren wird. –

Ein ergreifendes Lebensbild aus dem Böhmerwalde ist »Muckerl der Taubennarr« (1878), den der Verlust eines Lieblingstaubenpaares in den Tod treibt. Die Erzählung fußt auf einem wirklichen Ereignisse, dessen Rank auch in »Erinnerungen aus meinem Leben« gedenkt. Nicht minder erfüllt uns auch mit Rührung »Das Birkengräflein« (1878), worin dem Starrsinne eines Vaters das Glück seines liebsten Kindes zum Opfer fällt und gleichzeitig auch erhärtet wird, dass Reichtum allein das Glück des Menschen nicht bedingt.

Besonders lehrreich sind auch einige Streitfälle, die Rank unter »Volksprozesse« zusammenfasst. In der Einleitung dazu schreibt er: »Für das Studium des Menschen, seiner Eigenheiten und Leidenschaften, liefern die Prozesse, insonderheit die Volksprozesse ein weites und fruchtbares Feld. Es ist hiebei weniger von jenen Prozessen die Rede, welche anhängig werden, um ein einfaches Recht einfach zu verteidigen, einen klaren Anspruch auf Hab und Gut ruhig zur Geltung zu bringen oder eine Ehrensache vor den Schranken des Gerichtes maßvoll zu führen; die Prozesse, die wir meinen, haben oft ein zweifelhaftes Recht zur Unterlage, einen für die grellen Folgen oft unscheinbaren, ja lächerlichen Beweggrund zum Anlass.«

So ist es auch in den einzelnen Fällen, die uns da erzählt werden. Hervorheben will ich davon »Der Prozessgaul«, dessen Streitfrage auch neben dem »Eselsprozess« im Romane »Im Klosterhof« Verwendung findet, den herzerschütternden Prozess »Um ein wenig Sand«, sowie »Der Landsknecht wider Willen«, worin uns aus der Mitte des 18. Jahrhundertes das denkwürdige Schicksal eines Menschen dargestellt wird, der, infolge eines Rechtsstreites um eine Fensteröffnung in der Mauer eines Magazines, in das tiefe und lange Elend eines Wander- und Kriegslebens gestoßen wurde.

Außer diesen Prozessen, die aus beklagenswerten Verirrungen menschlicher Leidenschaften hervorgehen, stellt Rank noch eine Reihe von »Salomonischen Richtersprüchen« zusammen, um uns die Wichtigkeit der richterlichen Weisheit in ernsten und scherzhaften Streitigkeiten recht überzeugend vor Augen zu führen.

In den letzten Lebensjahren arbeitete Rank noch bei voller Geistesklarheit an einem Lieblingswerke: »Erinnerungen aus meinem Leben«, um zu zeigen, »unter welchen engeren und weiteren Lebenserscheinungen er geboren und herangewachsen ist.«

Dadurch, dass er darin auch das Leben im Elternhause im Dorfe anschaulich und eingehend beschreibt, das Heimatleben überhaupt öfters berührt, bildet dieses Buch vielfach eine willkommenen Ergänzung zu seinen sonstigen Schilderungen des Volkslebens im Böhmerwalde.

Interessante Aufschlüsse erhalten wir dadurch weiter über seine Beziehungen in literarischen Kreisen, sowie über seine politische Tätigkeit. Überall jedoch blickt uns aus diesen »Erinnerungen«, die ein vortreffliches Charakterbild Ranks darstellen, seine bekannte große Bescheidenheit entgegen. Leider reichen sie nur bis zum Ende des Jahres 1849.

Ein geplantes Schlusskapitel über die Rückkehr nach Österreich und das 13-jährige Wirken an der k. k. Hofoper ließ der unerbittliche Tod die greise Dichterhand nicht mehr zu Papier bringen. – Außer den hier besprochenen Arbeiten Ranks gibt es noch manche gute Leistungen seiner gewandten Feder, wovon ich jedoch nur einiges dem Namen nach anführen kann, da dessen Inhalt mir bisher nicht zugänglich war. So: »Vier Brüder aus dem Volk« (1848), »Waldmeister« (1846), »Auf Um- und Irrwegen«, »Lebensbilder« (1880) usw.

Auch auf dem Gebiete des Dramas hatte sich Rank versucht, wie z.B. in den historischen Schauspielen »Der Herzog von Athen«, »Ein Befreier«, »Unter fremder Fahne«, »Der Mann von Hersfeld«, welche Dramen, ihres wahren, frischen Lebens wegen, bei Aufführungen des verdienten Beifalles nicht entbehrten.

Eigens betont soll schließlich noch werden, dass Rank den Schauplatz der meisten seiner Dichtungen in den Böhmerwald verlegt, mit einer erhebenden Treue an der Heimat festhaltend, mit der sein Gemüt stets eng verwachsen war.

Je lebhafter wir uns nun selbst in die Darstellung dieser hineindenken, umso entschiedener und eindringlicher wird die Wirkung sein, welche Rank in uns hervorzurufen imstande ist, der, begnadet mit wahrer Dichtkunst und ausgestattet mit einer reichen Weltanschauung, in seinem echt deutschen Denken und Fühlen ein unermüdlicher Vorkämpfer für manche große Idee war, wahrhaft Gutes wirkend und Schönes bildend.

Aus seine Werken aber, voll unmittelbaren Volkshumors, wird uns auch der Odem reiner Volkstümlichkeit in hohem Maße beleben und wir werden in ihnen eine wichtige, bewegende Kraft für die Entwicklung unseres nationalen Lebens erkennen und schätzen.


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