Johannes Richard zur Megede
Das Prinzessinlächeln
Johannes Richard zur Megede

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Achtes Kapitel

Den nächsten Morgen fuhr er nach Kissingen zurück. Während der ganzen Fahrt dachte er nur an den letzten Anstoß, den Wink von oben, die Brücke vom Gedanken zur That.

An diesem Abend war Reunion im Kurhause. Weiße Plakate starrten im Wandelgang.

Die Kissinger Reunions vereinigen tout Kissingen, das heißt alles mit oder ohne Namen, mit und ohne Manieren giebt sich dort ein harmlos gemütliches Tanzrendezvous. Die Damen Promenadentoilette, die Herren dunkler Anzug.

Der Afrikaner kehrte am Nachmittag in sein Hotel zurück. Dieselbe trübselige Regenstimmung lastete auf der Stadt. Dieser Anblick wirkte auf ihn wie der Strahl einer kalten Dusche. Er kam sich angesichts dieser mürrischen Häuser und gelangweilten Menschen mit seinen düsteren Gedanken albern und schlecht vor, vor allen. Dem ruhelosen Grübeln war darum ein träges Brüten gefolgt. Erst am Abend verließ er das Hotel zu einem Spaziergang. Als er auf die 379 schmale Saalebrücke kam, begann es sanft zu tröpfeln, und er suchte in dem Bogengang des Kurhauses Zuflucht bei einem Glase Bier. Es war kühl hier und er der einzige Gast. Aber in Spitzenshawls vermummte Damen und Herren mit heller Binde und feierlichem Bratenrock kamen in Masse an ihm vorüber. Er hatte die Plakate nicht gelesen, und das Fest, dessen Wogen und Summen durch die weit geöffnete Thür drang, interessierte ihn eigentlich wenig. Aber nach einer langen Einsamkeit locken zuweilen Menschen magisch. Nach kurzer Ueberlegung ging er auch hinein. Der Thürsteher ließ mit höflichem Gruß den Herrn im schwarzen Gesellschaftsanzug passieren. Der gelbkarierte war dem Afrikaner in der Rhön verregnet. Es war alles Zufall, blinder Zufall – auch das Schicksal schreitet zuweilen mit verbundenen Augen.

Die Musik hatte gerade begonnen. Die ersten Paare drehten sich. Ein Accessist mit Handschuhen sang de bœuf und dem ungelenken Anstande eines jungen Juristen, der mit dem Klemmer auf die Welt gekommen zu sein scheint, führte gefühlvoll das junge, blonde Mädchen mit dem kränklichen, scharfen Vogelgesicht, die wohl recht reich sein mußte. Dann ein bayrischer Major in Zivil, der einen steifen Kommißwalzer bierehrlich absolvierte – und eine junge, sehr schlanke Hamburgerin mit wunderhübschen Rehaugen. Der Afrikaner war an der Thür stehen geblieben. Ein Mensch, der genau weiß, daß er seine Klasse verloren hat. Aber war es nun die Musik, eine Ballerinnerung – er trug seine schlanke Reiterfigur sicherer und höher als sonst. Seine Augen suchten die Gräfin Stechelberg, die er jedoch aus dem gleichmäßig dunkeln Gewirr der zuschauenden Damen nicht erkennen konnte.

Sie war eben durch das Seitenzimmer eingetreten 380 und stand abseits im Gespräch mit dem Legationsrat. Der Graf und die Suite ziemlich unentschlossen ringsum. Die in der Nähe Sitzenden schauten neugierig nach der anerkannten beauté der Saison, die wie eine Prinzessin von Geblüt nach allen Seiten lächelte und grüßte, genau so liebenswürdig und genau so exklusiv wie stets inmitten ihrer Anbeter. Sie trug ein hellgraues Empirekleid, der Elfenbeinfächer fächelte. Die summende Menschheit, die prickelnde Musik, – das Leben war doch schön! Sie sah über den großen, hohen Tanzsaal mit dem spiegelnden Parkett, das blonde Haupt nach dem Walzertakte wiegend, froh und selbstvergessen wie ein Kind. Und jeder Männerblick, der diesen strahlenden Blauaugen begegnete, sagte ihr aufleuchtend: »Wie reizend du doch wieder bist!« Selbst der Frauenneid senkte sich beschämt vor dieser lächelnden Vornehmheit.

»Du willst also nicht tanzen, Mia?«

»Ich glaube nicht. Ich habe wohl den Rakoczykoller. Mir schwindelt etwas. Aber sieh doch, Otto, wie froh und festlich alles ist! So viel wirklich hübsche Mädchen.«

Sie hatte den Ballneid nie gekannt – sie, die überall Vergötterte.

Der Legationsrat sah kaum hin. »Gott, ja! Ich habe in Monte Carlo zum Beispiel etwas elegantere Reunions gesehen. Aber schließlich – Kleid bleibt Kleid, und der Korsettschwindel ist überall der gleiche. Ich für meine Person ziehe einen Spielsaal vor. Nicht etwa wegen passe und manque, zéro und en plein. Das hätten wir glücklich hinter uns. Das letzte Mal hat mich übrigens eine Roulettemegäre beinahe frikassiert, weil ich ihr gefühllos meinen Gewinst in dem Augenblicke abnahm, als sie gerade die Goldstücke für sich einstreichen wollte. Ich sagte in tadellosem Französisch: »Dieb!« Denn es war nicht das 381 erste Mal. Sie steckte das Schimpfwort ein und ich das Geld. Aber es hat doch einen großen Reiz, so recht zu erkennen, wie alles blague ist.

»Otto, du sagst auch mit dem ruhigsten Gesicht Dinge, die andre kaum zu denken wagen.«

»Na, reis' doch selbst hin!«

»O, ich möchte schon! – Arno will nicht.«

»Sehr verständig!«

»Aber denk mal, wenn ich furchtbar viel gewänne dort, – furchtbar viel!«

»Ihr seid doch reich genug! Und die fabelhaften Gewinne, die in die Zeitungen lanciert werden, sind mir immer etwas verdächtig. Ich habe allerdings mal einen gesehen, für den vierzehnmal hintereinander die Serie schlug. Es war thatsächlich unheimlich, und alle Leute gafften. Eine Stunde später war alles wieder hin – und zwanzigtausend Franken dazu.«

»Gewinnen würde ich gewiß! – Ich hab' schon Glück. Ich möcht's auch nicht behalten, das Sündengeld! Aber es müßte doch ganz eigen sein, wenn der Goldhaufen vor einem so märchenhaft wächst und alle einen anstarren . . .«

»Und denken: das ist Glück in höchsteigner Person! – Versuch's! Und wenn du verlierst – zwanzig Mille und etwas mehr halten die Stechelbergschen Revenuen schon aus.«

»Verlieren möcht' ich auf keinen Fall!«

»Siehst du? Wie gut ich euch kenne! Und von dem fabelhaften Gewinn bekämen die Armen die eine Hälfte und die Kirche die andre Hälfte? Es erspart viel Fegefeuer.«

Sie wandte sich etwas gekränkt ab. »Mit dir kann man nicht sprechen!«

»Ich gelte als brillanter Causeur. Junge Frauen, die sich in der Welt orientieren wollen, befehlen mich oft ausdrücklich als Tischherrn.« 382

»Ja, leider! . . . Du, sag mal, geht's da wirklich so toll zu?«

»Noch toller!«

»Da müßte man doch wirklich mal hinreisen! – Es soll ja sonst ein Paradies sein.« Bei diesen Worten hustete sie ohne Absicht kurz aus.

»Jawohl, Mia, famoser klimatischer Kurort! Der Husten stellt sich schon bei dem Gedanken an einen Rivierawinter ein.«

»Unsinn! Ich bin nie krank . . . Und selbst wenn ich sehr krank wäre, wenn ich furchtbar litte – ich würde mich beherrschen, lächeln noch unter den größten Schmerzen. Leiden ist häßlich. Bei andern thut mir das Leiden weh, und ich bin zu kranken oder häßlichen Menschen am freundlichsten – aber bei mir selbst? Nein, wenn ich eine Schwäche habe, so ist's die, daß ich nicht alt und häßlich werden möchte. Lieber jung sterben, ahnungslos . . .«

»Die Vorsehung erfüllt ihren Auserwählten jeden Wunsch.« Er unterbrach sich rasch. »Nein, da sei Gott davor! Du bist noch so jung, so genußfähig, die Zukunft liegt vor dir spiegelglatt wie dieser Tanzsaal. Menschen wie du sollten ewig leben. Du und tot, vielleicht schon morgen – es wäre schrecklich!« Die ganze weiche Zärtlichkeit, die der abgekühlte Mensch für dieses reizende Geschöpf einst empfunden, schien wieder hervorzubrechen bei dem Gedanken an ein frühes Ende.

Auch über Mias warme Jugend kroch's wie ein kalter Hauch bei dem Gedanken, und sie vermochte nur mühsam zu lächeln.

»Es war doch nur ein Scherz, Mia!«

»Ach ja, Otto – nur ein Scherz.«

Er fuhr fast väterlich weich fort: »Nicht wahr, ich hatte doch recht neulich? Die Sonne scheint zwar noch immer nicht, aber du strahlst doch schon wieder.« 383

»Ein bißchen, ja.« Das Lächeln erwärmte sich.

»Nein, ganz – vollkommen! Jeder kann nun einmal nur sein Leben leben – und du bist ein Sonnenkind.«

Sie dankte mit den Augen. »Du kannst so nett sein, Otto, wenn du willst! – Aber auch wenn du scharf und höhnisch bist, wie meistens, ich unterhalte mich doch gern mit dir.«

»Die Gegensätze ziehen sich an, Mia.«

Sie schien seine Worte überhört zu haben. »Ich habe nämlich über unsre Unterhaltung neulich lange nachgedacht, und ob ich wirklich unbefriedigt sein dürfe. Vielleicht bin ich's . . . Aber darf man das zeigen? Wenn ich freundlich bin, lächle, mache ich vielen eine Freude; bin ich grämlich, so quäle ich nur mich selbst.«

Er verfiel wieder in den alten Spötterton. »Kleine, liebe Egoistin! Alles für andre, nichts für dich . . . Das ist eine glückliche Gabe. Wer einen Schmuck kauft, den er sich leidenschaftlich wünscht, und dabei wähnt, nur dem armen Juwelier damit eine Wohlthat zu erweisen . . . Der Januskopf hat nicht umsonst zwei Gesichter, und das Leben sogar weit mehr. Es ist ein ewig bunter Maskenball, und keiner weiß, daß er eine Maske trägt!«

»Du willst eben feinere Regungen nicht verstehen, Otto. Es ist gewiß ein kleiner Kreis, in dem sich meine Gedanken bewegen, aber ich fülle ihn nach besten Kräften aus. Unglücklich bin ich doch wohl nicht, denn selbst wenn ich frei wäre, ganz frei, das Gefühl fände, das ganz große Gefühl . . . ich weiß wirklich nicht.«

»Du würdest mit beiden wenig anzufangen wissen, liebe Mia!«

»Vielleicht bin ich zu schmiegsam, zu weich – ich habe vieles Thörichte gethan, aus reiner Güte, weil ich nicht anders konnte. Auch meine erste, thörichte 384 Liebelei. Der Mensch liebte mich so leidenschaftlich! Und wenn man fühlt, daß unsre Nähe einem andern alles bedeutet, wenn unser Lächeln wirklich erwärmt, ist's dann Pflicht oder Sünde, sich und den andern ein wenig zu belügen? Ich glaube, daß ich's ein wenig gethan habe damals. Aber vergiß nicht, daß ich sehr jung war und einen Moment wähnte, ich liebte wirklich, der Mann sei wirklich der Eine, den schließlich jedes Frauenherz doch sucht! Ich gab ihm gern und viel – vielleicht zu viel. Und als ich bald einsah, daß er dieser eine nicht war, schickte ich ihn doch nicht kaltherzig weg. Er that mir so leid! Und ich gab ihm weiter . . . Später schlief das alles natürlich ein. Das war doch eine barmherzige Lüge?«

»Liebe Mia, wenn's nun ein ganzer Kerl war damals, ein Mann, der lieber Höllenqualen als lächelndes Frauenmitleid erträgt? Wenn's derselbe ist, von dem neulich dein Mann erzählte, wer weiß, ob er nicht schließlich an dir um die Ecke ging! Es giebt noch immer Schwärmer und sonderbare Heilige.«

»O nein, Otto, mich enttäuschte er, nicht ich ihn! Wer so viel echte Leidenschaft heuchelte – und ein Jahr später wegen verfallener Ehrenscheine abgehen mußte . . . Ich kam mir beinah beschmutzt vor, als ich das hörte! Ich hatte ihm gar nicht so lange vorher noch ein letztes Andenken geschickt, ein goldenes Riechbüchschen von meiner Mutter, das mir sehr wert war – er sollte es immer tragen – und er hat's vielleicht auch getragen – und brachte es doch fertig, mit diesem Amulett am Herzen ehrlos zu werden nach unsern Begriffen. Ich habe ihm allerdings nach seinem Fall noch ein sehr nettes Billet geschrieben, für das er nie gedankt hat, was nicht hübsch war. Ich verlangte es ja nicht etwa, denn innerlich war ich mit ihm seit seinem schlichten Abschied vollkommen fertig. Ein Mann, dem man so viel gegeben hat – und 385 wird ehrlos zum Dank dafür! Wenn sich jemand ein Leids anthut aus unglücklicher Liebe, so muß das für die Frau schrecklich sein – aber ich verstehe ihn. Jedoch solches Ende, wie der nahm . . .«

»Mia, ihr Frauen zieht seltsame Schlüsse! Es sind ja meistens die Leute von Herz, die so unbegreiflich vor die Hunde gehen. Vielleicht begegnet er dir noch mal im Leben. Aber dann heuchle, was du heucheln kannst, denn Menschen, die wirklich geliebt haben und plötzlich dahinter kommen, daß mit ihnen nur gespielt wurde, sind zu allem fähig!«

»Ich glaube, er ist jetzt in Afrika. Es war ja auch gewiß traurig. Aber wer weiß, ob er überhaupt noch lebt oder ob er jetzt nicht viel glücklicher ist? Mir ist sein Bild ganz abhanden gekommen. Ich würde ihn kaum wiedererkennen, selbst wenn er jetzt vor mir stände. Er war nicht nur leichtsinnig, wie mir jetzt klar wird, er war sogar feige. Und feige Männer . . . Aber ich würde mich sehr freuen, wenn es ihm gut ginge, obgleich mir sein Abgang wirklich wehe gethan hat.«

Die Suite, die sich beim Zuschauen allmählich langweilte, schloß sich jetzt um die beiden zu engerem Kreise zusammen.

»Na, wollen wir oder wollen wir nicht? – Tanzen nämlich,« sagte der Graf.

»Man könnte versuchen,« meinte die Gräfin, bei der sich doch die Tanzlust wieder regte.

Der verbissene Leutnant verbeugte sich. »Gnädigste Gräfin, darf ich um den ersten Walzer bitten?«

Der Graf wiegelte mit dem höflichsten Lächeln ab. »Non, mon bon. Den ersten beanspruche ich. Mia tanzt nämlich zum erstenmal wieder in diesem Jahr.«

»Natürlich, wie Sie befehlen, Herr Graf!«

Die Gräfin lächelte dem Leutnant liebenswürdig zu. »Ich hebe Ihnen dafür den Cotillon auf.« 386

Die Suite brach sich langsam durch die unwillig weichenden Zuschauer Bahn. Der Legationsrat folgte als letzter. Er sagte halblaut für sich: »Es giebt eben Menschen, die in der Gefangenschaft geboren werden, in der Gefangenschaft leben, in der Gefangenschaft sterben, ohne jemals den Wunsch nach der wirklichen Freiheit oder dem wirklichen Glück gehabt zu haben, und dennoch sind sie die wahrhaft Glücklichen. Gieb einem gefangenen Adler die Freiheit, und er streicht mit einem einzigen Fittichschlage bis zur Sonne. Setz einen Kanarienvogel auf einen Buchenzweig im Wald, und er sehnt sich ängstlich flatternd nach seinem engen Käfig zurück. Mia hält's mit dem Kanarienvogel – das ist Anlage und Glück.«

Indessen schritt die Gräfin anmutig leicht an dem Arm ihres Gatten dahin.

»Du, Arno, ich habe einen Wunsch.«

»Bitte!«

»Aber er ist sehr groß.«

»Bitte!«

»Und du mußt ihn mir auch erfüllen.«

»Bitte!«

»Arno, wir wollen den Winter nach der Riviera gehen.«

»Nee, lieber Schatz, lieber nicht! Unser Berliner Hofwinter ist doch Abwechslung genug. Da unten kriegt man nur zahme Tauben vor die Flinte, und das reizt mich wirklich nicht. Ich möchte die großen Treibjagden in der Mark nicht gerne missen.«

»Du kannst mir eben nie einen Wunsch erfüllen, Arno.«

»Ich dächte, Mia, ich erfüllte dir bis jetzt jeden.«

»Wahrscheinlich!«

»Jedenfalls wollen wir erst einmal 'rumtanzen.«

Sie hatten gerade die freie Saalmitte erreicht, wo sich zahlreiche Paare mit und ohne Anmut drehten. 387

»Aber ich werde wirklich schwindlig, Arno.«

»Na, einmal 'rum, Mia.«

Sie tanzten – ein distinguiertes, schönes Paar, dem alle Augen folgten.

Plötzlich hielt die Gräfin ein. »Ich kann nicht mehr.«

Sie ließen sich los.

»Was ist dir? Nimm meinen Arm, Mia!«

»Ich will nicht – ich bin, glaub' ich, wirklich krank. Ich will gleich morgen zu dem Professor nach Würzburg fahren – aber allein. Du hast ja auch morgen vormittag dein Bad in der Saline.« Sie sprach hastig, nervös! Das Prinzessinlächeln auf ihren rosigen Lippen war öde geworden.

»Mia . . .«

»Laß mich! Du denkst nur an dich.« Sie war wirklich schwindlig, und der Saal schien ihr zu schwanken. »Ich bin krank, ernstlich krank.« Und bei dem Gedanken an ein wirkliches Leiden glitten die strahlend schönen Blauaugen jetzt angstvoll, fast flehend über den Saal. Frauen, die nur das Lächeln gelernt haben, scheinen todunglücklich, wenn dieses Lächeln erblaßt. Endlich nahm sie den Arm ihres Gatten doch und kehrte in anmutiger Hilflosigkeit zu ihrer Suite zurück. Dabei streifte ihr Kleid einen Herrn. Es war der Afrikaner, den die fast suggestive Macht, die diese Frau auf ihn übte, von seinem Wandplatz langsam, ihm fast unbewußt, in ihre Kreise gezogen. Er hatte die ganze kurze Unterhaltung gehört, das Leiden geschaut – er wußte genug. Er ging und schaute nicht einmal mehr zurück. Aber während er zwischen den Tanzenden hindurchschritt, sicher, hochaufgerichtet, schien seine Haltung wenigstens wieder die Klasse gefunden zu haben, die er verloren. Die Suite sah ihn und war etwas verwundert. 388

»Nun, war er Offizier oder nicht?« fragte der Legationsrat.

»Vielleicht!« Die Leutnants zuckten die Achseln.

»Vielleicht war er sogar elfter Kürassier . . .« Der Legationsrat blieb den ganzen übrigen Abend schweigsam – die Gräfin erholte sich rasch wieder und schien mit einem reizenden Lächeln um Verzeihung bitten zu wollen, er aber suchte nur nach dem Afrikaner, der längst gegangen war. Die Scene in Klaushof war ihm wieder eingefallen und die flüchtige Aehnlichkeit an irgend einen alten Bekannten, die Mia doch vielleicht nicht getäuscht hatte. Es war lächerlich, aber er wurde die Vermutung nicht los, daß sich zwischen dem schweigend einsamen Manne und dem lustigen Stechelberg-Kreis ein dunkler Schicksalsfaden zog.



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