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1. Rätselhafte Einladungen

Ein schöner, sonnenwarmer Frühlingsmorgen, das Zimmer voll Licht, das den Schreibtisch lockend überflutet, was braucht der Schriftsteller mehr, um schaffensfreudig zu sein!

Von unten hörte ich ein Klingeln an der Gartenpforte. Das war die Morgenpost.

Glücklicher Mann! dachte ich so nebenbei, während mein Federhalter für eine Minute Ruhe hatte. Die Frau nimmt das alles in Empfang, deine Frau, das Herzle, das zärtlich für dich sorgt. Sie sichtet und ordnet Briefe und Karten und Drucksachen und legt dir, solange dir keine überflüssige Zeit zur Verfügung steht, nur vor, was für dich wirklich von Bedeutung ist.

Herzle ist nämlich ihr Kosename. Er stammt aus dem zweiten Band meiner ›Erzgebirgischen Dorfgeschichten‹ Ges. Werke Bd. 44 ›Der Waldschwarze‹. Da kommt ein ›Musterdörfle‹ und ein ›Musterhäusle‹ vor, worin das Herzle mit seiner Mutter wohnt. Die Gestalt, die dort so gerufen wird, ist mir im Lauf des Schaffens ans Herz gewachsen, und so wird es begreiflich scheinen, daß der zärtliche Name nach und nach auf meine Frau überging.

Sie hat das ganze Erdgeschoß des Hauses inne, während der obere Stock meine Zimmer enthält. Unten waltet sie als unermüdlich fleißiger Hausengel, empfängt die immer zahlreicher werdenden Besuche meiner Leser und beantwortet alle die vielen Briefe, deren eigenhändige Erledigung mir selber unmöglich ist. Vorgelesen aber werden sie mir alle, wobei sie derart zu verfahren pflegt, daß die besonders wichtigen oder besonders eigenartigen einstweilen beiseitegelegt und bis zum Schluß der Vorlesung aufgehoben werden.

So auch heut. Als alles andre erledigt war, blieben zwei Sachen, die uns gleich beim ersten Blick als Besonderheiten erschienen und darum ausgeschieden worden waren – ein Brief aus Amerika und ein anthropologisches Fachblatt aus Österreich. In diesem war die Überschrift eines längern Aufsatzes durch Blaustiftstriche hervorgehoben. Sie lautete: ›Das Aussterben der indianischen Rasse in Amerika und ihre gewaltsame Verdrängung durch die Kaukasier und Chinesen.‹ Ich bat das Herzle, mir den Aufsatz vorzulesen, denn ich hatte gerade Zeit. Sie tat es. Der Verfasser war ein wohlbekannter, hervorragender Universitätsprofessor. Er schrieb mit großer Herzenswärme, und alles, was er über die ›Roten‹ sagte, war nicht nur wohltuend, sondern auch gerecht. Ich hätte ihm dafür die Hand drücken mögen. Aber er beging einen Fehler, der ebenso allgemein wie unbegreiflich ist: er verwechselte die Indianer der Vereinigten Staaten mit der ganzen Rasse, die über Nord- und Südamerika verbreitet ist. Er verwechselte ferner den seelischen Schlaf der Rasse mit ihrem körperlichen Tod.

Auch in der Rasse sind Unterschiede. Süd ist Süd, und Nord ist Nord, und jedes entwickelt seine bedingten Eigenarten. Und darüber hinaus ist eine Rasse nicht tot, deren Glieder zeitweilig zu völklichem Schlaf verurteilt sind. Ruht in ihr die Kraft der Auferstehung, so bedarf es nur des Weckrufs, und sie wird sich wieder melden unter den Völkern der Welt.

Und letzten Endes soll – das ist meine Erkenntnis – jede Rasse danach streben, in sich den vollkommensten, den Edelmenschen zu züchten.

Der Brief aus Amerika war wahrscheinlich im ›Fernen Westen‹ zur Post gegeben worden, aber wo, das war an dem ungeöffneten Umschlag nicht zu ersehn, denn seine beiden Seiten zeigten so viele Stempel und mit der Hand geschriebne Ortsnamen, daß das alles unleserlich geworden war. Nur die Anschrift hatte, wohl infolge ihrer echt indianischen Kürze, ihre ursprüngliche Deutlichkeit behalten. Sie bestand nur aus drei Wörtern und lautete:

May
Radebeul Germany

Wir öffneten den Umschlag und zogen ein Stück Papier heraus, das sichtlich mit einem großen Messer, wahrscheinlich einem Bowiekneif, beschnitten und dann zusammengefaltet worden war. Es enthielt folgende Zeilen in englischer Sprache, die ich hier verdeutsche; sie waren von einer schweren, ungeübten Hand mit Bleistift geschrieben:

»An Old Shatterhand.

Kommst Du zum Mount Winnetou? Ich komme ganz gewiß. Vielleicht sogar auch Avaht-Niah, der Hundertjährige. Siehst Du, daß ich schreiben kann? Und daß ich in der Sprache der Bleichgesichter schreibe?

Wagare-Tey, Häuptling der Schoschonen.«

Als wir das gelesen hatten, schaute ich meine Frau überrascht an und sie mich ebenso. Nicht etwa deshalb, weil wir einen Brief aus dem fernen Westen bekamen, und zwar von einem Indianer. Das geschieht oft. Aber daß dieser Brief von dem Häuptling der Schlangenindianer kam, der mir noch nie geschrieben hatte, das wunderte mich. Sein Name Wagare-Tey bedeutet soviel wie Gelber Hirsch. Ich bitte, über ihn in meinem Band ›Weihnacht‹ nachzulesen. Damals, also vor nun über dreißig Jahren, war er noch jung und ziemlich unerfahren, aber ein guter, ehrlicher Mensch und ein treuer, zuverlässiger Freund meinem Winnetou und mir. Sein Vater Avaht-Niah war über sechzig Jahr alt, ein Ehrenmann durch und durch, und hatte den großen Einfluß, den er besaß, stets nur zu unsern Gunsten angewendet. Wegen seines hohen Alters und weil ich nie wieder von ihm hörte, hatte ich ihn später für tot gehalten. Nun aber ersah ich aus dem Brief, daß er noch lebte und sich in guter körperlicher und geistiger Verfassung befand. Sonst hätte der Schreiber unmöglich sagen können, daß der oberste Kriegsanführer der Schoschonen vielleicht auch mit nach dem Mount Winnetou kommen würde.

Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo dieser Berg lag. Ich wußte nur, daß die Apatschen sich mit den ihnen befreundeten Stämmen dahin einigen wollten, irgendeinem durch seine Lage, seine Eigenschaften und seine Wichtigkeit ausgezeichneten Berg den Namen ihres geliebtesten Häuptlings zu geben. Davon, daß dies geschehn sei, hatte ich nichts gehört, und noch viel weniger war mir mitgeteilt worden, auf welchen Berg die Wahl gefallen war. Doch so viel konnte ich mir denken, daß es einer war, der innerhalb des Bereichs liegt, in dem die Apatschen sich bewegen. Und weil die Schlangenindianer ihre Lager- und Weideplätze viele Tagesritte davon im Norden haben, so war es gewiß ein außerordentlicher Fall, daß ein Mann von hundert Jahren sich zutraute, diese anstrengende Reise machen zu können, nur von seinem jung gebliebnen Herzen dazu getrieben.

Und warum wollte er mit seinem Sohn so weit nach Süden kommen? Das wußte ich nicht. Ich fand auch durch kein noch so scharfes Nachdenken eine einwandfreie Antwort auf diese Frage. So konnte ich nichts tun als warten, ob sich auch noch andre derartige Zuschriften einstellen würden. Den Brief zu beantworten, war unmöglich, weil ich den jetzigen Aufenthaltsort der beiden Häuptlinge nicht kannte. Auf alle Fälle aber war es kein unwichtiger Grund, der sie veranlaßte, das ihnen so fern liegende Gebiet der Apatschen aufzusuchen. Ich nahm an, daß dieser Grund sich nicht auf rein persönliche Verhältnisse bezöge, sondern eine allgemeinere Bedeutung habe, und da meine Wohnung da drüben bekannt ist und ich mit mancherlei, dort lebenden Personen, von denen ich in meinen Büchern erzählt habe, im Briefwechsel stehe, so durfte ich wohl hoffen, bald Weiteres zu erfahren.

Und wie gedacht, so geschehn! Kaum zwei Wochen später kam ein zweiter Brief, aber von einer Seite, von der ich am allerwenigsten ein Lebenszeichen erwartet hätte. Der Umschlag zeigte genau dieselbe Anschrift, und der englisch geschriebene Inhalt lautete ins Deutsche übersetzt:

»Komm an den Mount Winnetou zum großen, letzten Kampf! Und gib mir endlich Deinen Skalp, den Du mir schon zwei Menschenalter schuldig bist! Dieses läßt Dir schreiben

To-kei-chun,
der Häuptling der Raccuroh-Komantschen.«

Und nur eine Woche später erhielt ich folgende Zuschrift:

»Hast Du Mut, so komm herüber an den Mount Winnetou! Meine einzige Kugel, die ich noch habe, sehnt sich nach Dir!

Tangua,
ältester Häuptling der Kiowas.

Geschrieben von Pida, seinem Sohn, dem jetzigen Häuptling der Kiowas, dessen Seele die Deinige grüßt.«

Diese beiden Briefe waren im höchsten Grad merkwürdig. Fast schien es, als ob sie von To-kei-chun und Tangua an dem gleichen Ort und unter dem gleichen Einfluß verfaßt worden seien. Beide haßten mich noch genau so unversöhnlich wie ehedem. Eigenartig war es, daß der Sohn Tanguas mich trotz dieses Hasses grüßte, doch fiel es mir nicht schwer, das zu verstehn. Aus seinem Gruß sprach das Dankgefühl. Aber viel wichtiger als das alles war, daß auch die Feinde der Apatschen hinauf nach dem Mount Winnetou wollten. Es wurde da von einem ›großen, letzten Kampf‹ gesprochen. Das klang gefährlich. Ich begann, besorgt zu werden. Oder gab es dort drüben jemand, etwa einen alten, frühern Gegner, der sich jetzt, in meinen alten Tagen, den Spaß machen wollte, mich zu foppen und zu einer Einfaltsreise nach Amerika zu bewegen? Aber nach der Hälfte eines Monats traf folgender Brief ein, der in Oklahoma aufgegeben war, ein Schriftstück, dem ich vollen Glauben schenken durfte:

»Mein lieber weißer Bruder,

der große, gute Manitou in meinem Herzen gebietet mir, Dir zu sagen, daß ein Bund der alten Häuptlinge und ein Bund der jungen Häuptlinge nach dem Mount Winnetou berufen ist, um über die Bleichgesichter zu Gericht zu sitzen und über die Zukunft der roten Männer zu entscheiden. Du wirst kommen, und ich werde kommen. Meine Seele freut sich auf die Deinige. Ich zähle die Tage, Stunden und Minuten, bis ich Dich wiedersehn werde!

Dein roter Bruder
Matto Schahko,
Häuptling der Osagen.«

Auch dieser Brief war englisch geschrieben, und zwar von seinem Sohn, dessen Handschrift ich kenne, weil ich im Briefwechsel mit ihm stehe. Zudem hatte Matto Schahko sein ledernes Totem beigelegt, wie er immer tat, wenn es sich um etwas Wichtiges handelte. Ich konnte also die Vermutung einer Fopperei fallen lassen. Die Sache war Wirklichkeit, war Ernst. Der Gedanke, hinüberzugehn, begann mich lebhaft zu beschäftigen. Freilich aber war es, um diesen Gedanken zur Tat zu wandeln, nötig, vorher erst noch Bestimmteres zu erfahren. Und das ließ nicht lange auf sich warten. Die Post brachte einen großbogigen, wie amtlich zusammengelegten Schreibebrief, der eine Einladung sein sollte, aber seines Tons wegen schon richtiger als eine ›Zufertigung‹ zu bezeichnen war. Ich gebe ihn in deutscher Übersetzung wieder:

»Werter Herr,

in den vorjährigen Versammlungen der Häuptlinge wurde einmütig beschlossen, den dafür geeignetsten Berg des Felsengebirges forthin mit dem Namen Winnetous, des berühmtesten Häuptlings aller Stämme, zu bezeichnen. Es wurde hierzu die wahrscheinlich auch Ihnen wenigstens geographisch bekannte Höhe gewählt, auf die sich der geheimnisvolle Medizinmann Tatellah-Satah ( Thousand years) zurückgezogen hat. Am Fuß dieses Berges sollen um die Mitte des heurigen Septembers folgende Versammlungen abgehalten werden:

1. Das Kampmeeting der alten Häuptlinge.

2. Das Kampmeeting der jungen Häuptlinge.

3. Das Kampmeeting der Häuptlingsfrauen.

4. Das Kampmeeting aller außerdem berühmten roten Männer und roten Frauen.

5. Das Schlußmeeting unter der Leitung des hier unterzeichneten Ausschusses.

Es wird in Ihr Belieben gestellt, sich hierzu persönlich einzufinden und sich bei dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter zu melden, wobei Ihnen der Gegenstand all dieser Beratungen bekannt gegeben wird. Zugleich werden Sie darauf aufmerksam gemacht, daß diese Meetings ebenso wie sämtliche Vorbereitungen dazu vor den Angehörigen andrer Rassen vollständig geheim zu halten sind. Wir verpflichten Sie hiermit zur strengsten Verschwiegenheit und fühlen uns berechtigt anzunehmen, daß wir Ihre ehrenwörtliche Versicherung, zu schweigen, bereits bekommen haben. Nummermarken für die Ihnen bei unsern Zusammenkünften anzuweisenden Plätze haben Sie sich bei dem unterzeichneten Schriftführer persönlich abzuholen. Sämtliche Reden zum Beratungsgegenstand sind des bessern Verständnisses wegen in englischer Sprache zu halten.

Hochachtungsvoll
Das Komitee.

Gezeichnet:
Simon Bell (Tscho-lo-let),
Professor der Philosophie, als Vorsitzender.
Edward Summer (Ti-iskama),
Professor der klassischen Philologie,
als Stellvertreter des Vorsitzenden.
William Evening (Pe-widah),
Agent, als Schriftführer.
Antonius Paper (Okih-tschin-tscha),
Bankier, als Kassierer.
Old Surehand,
Partikulier, als Direktor.«

Ganz unten am Rand dieses Schriftstücks stand die von Old Surehand selber geschriebne Bemerkung:

»Ich hoffe, daß Du auf alle Fälle kommst. Betrachte mein Haus als das Deinige, auch wenn wir nicht daheim sind! Ich bin als Direktor jetzt leider stets unterwegs. Es gibt für Dich eine ungeheuer freudige Überraschung. Du wirst entzückt sein über die Leistung unsrer beiden Jungens.

Dein alter, treuer Old Surehand.«

Ich füge zu diesem langen Brief gleich den folgenden, kürzeren, der bei mir eintraf. Er lautete:

»Mein Bruder,

ich weiß, daß Du eingeladen bist. Versäume ja nicht, Dich einzustellen! Ich freue mich unbeschreiblich auf Dich. Die beiden Boys werden Dir noch besonders schreiben.

Dein Apanatschka,
Häuptling der Pohonim-Komantschen.«

Diese ›beiden Boys‹ oder, wie Old Surehand sich ausgedrückt hatte, ›unsre beiden Jungens‹, schrieben mir hierauf folgende Zeilen:

»Hochverehrter Herr,

als Sie uns einst von unserm falschen, niedrigen Kunstweg so streng hinüber nach dem höhern, ja allerhöchsten wiesen, versprachen wir Ihnen, erst dann an die Öffentlichkeit zu treten, wenn wir imstande seien, durch wirkliche Meisterwerke zu beweisen, daß die rote Rasse in keiner Weise irgendeiner andern Rasse nachsteht, auch in der Kunst nicht. Wir erbten unsre Begabung von unsrer Großmutter, die, wie Sie wissen, eine Vollindianerin, ja, in rein äußerer Beziehung sogar ein Vollindianer war. Wir sind bereit, den von Ihnen verlangten Beweis jetzt nun zu führen. Sie versprachen uns, wenn diese Zeit gekommen sei, sich trotz der weiten Entfernung hier bei uns einzustellen, um unsre Werke zu prüfen. Wir sind der Meinung, daß wir diese Prüfung nicht zu fürchten brauchen, und erwarten Sie um die Mitte des Septembers am Mount Winnetou, um Sie willkommen zu heißen. Wir haben erfahren, daß Sie, wie sich von selbst verstand, eingeladen sind, an diesen verschwiegnen und hochwichtigen Beratungen teilzunehmen, und hegen die feste Überzeugung, daß Sie sich durch nichts abhalten lassen werden, zur rechten Zeit am angegebnen Ort zu erscheinen. In größter Hochachtung sind wir Ihre ganz ergebnen

Young Surehand.
Young Apanatschka.«

Diese Zuschrift hatte Hand und Fuß. Sie machte mir Freude, obgleich sie von den beiden ›Jungens‹ nur zu dem Zweck, mir einen tüchtigen Rippenstoß zu versetzen, in dieser Weise verfaßt worden war. Wer meine Reiseerzählung ›Old Surehand‹ gelesen hat, kann sich sehr leicht denken, wer diese beiden Boys sind.

Wie man sich erinnern wird, hatte sich herausgestellt, daß Old Surehand und Apanatschka Brüder waren, die man ihrer Mutter, einer körperlich und geistig hochbegabten Indianerin, unterschlagen hatte. Um diesen Raub aufzuklären, hatte sie, als Indianer verkleidet, unter dem Namen Kolma Puschi viele Jahre lang die Städte des Ostens, die Savannen und die Urwälder durchforscht, ohne dieses Ziel zu erreichen, bis es Winnetou und mir gelang, die von ihr gesuchten Spuren und dann auch die beiden Söhne zu entdecken: den einen als berühmten Westmann und den andern als nicht weniger berühmten Komantschenhäuptling, zwei außerordentlich wertvolle Menschen, deren Freundschaft mir treu geblieben ist, trotz aller Wandlungen, die sowohl ihr als auch mein Leben seit damals durchmachen mußte.

Beide heirateten später ein edles Schwesternpaar aus dem besondern Stamm Winnetous, also der Mescalero-Apatschen, und jedem von ihnen wurde sodann die Freude beschert, einen Sohn zu besitzen, auf den alle Begabungen Kolma Puschis in noch vermehrtem Grad vererbt worden waren. Sie hatten die Mittel, diese Gaben ausbilden zu lassen. Young Surehand und Young Apanatschka wurden nach dem Osten gebracht, um Künstler zu werden, der eine Architekt und Bildhauer, der andre Maler und Bildhauer. Die auf sie gesetzten Hoffnungen erfüllten sich. Sie gingen später auf einige Jahre nach Paris, um dort die berühmtesten Künstlerwerkstätten zu besuchen, dann nach Italien und endlich gar nach Ägypten, wo sie sich die Aufgabe stellten, sich mit den Gesetzen der einstigen Gigantenkunst vertraut zu machen. Auf dem Rückweg kamen sie über Deutschland, um mich aufzusuchen. Ich hatte meine Freude an ihnen, und zwar nicht allein deshalb, weil sie meinen Winnetou fast wie einen Halbgott verehrten. Auch ihr künstlerisches Wollen und Vermögen war hervorragend und schien noch wachsen zu können. Leider aber war es in echt amerikanischer Weise auf den Weg der Geschäftsmäßigkeit hinübergeleitet worden, und so geschah es, daß sie von mir anstatt eines Lobs eine sehr ernste Warnung zu hören bekamen, die sie mir, wie ich aus ihrem Brief ersah, bis heut noch nicht vergeben hatten. Dies war wohl auch der Grund, daß ich weder von ihren Vätern noch von ihnen selber über ihre Zukunftspläne und ihr jetziges künstlerisches Schaffen unterrichtet worden war. Ganz besonders schweigsam gegen mich aber verhielt man sich über die Gründe, die die beiden jungen Leute veranlaßt hatten, grad die Riesendarstellungen der alten Ägypter zu studieren. Das hatte Geheimnis bleiben sollen. Jetzt aber begann ich zu ahnen, daß die ›Meisterwerke‹, zu deren Begutachtung ich eingeladen wurde, hierzu in Beziehung standen.

Ich kann nicht behaupten, daß die Briefe, die in so schneller Folge anlangten, mir reine Freude bereiteten. Warum sagte man mir nicht gleich offen und ehrlich, worum es sich eigentlich handelte? Wozu diese heimliche Kampmeetingspielerei? Große und fruchtbare Gedanken werden in heiliger, unberührter Einsamkeit geboren, nicht aber in langen Reden, die doch nur auf kurze Erfolge berechnet sein können! Warum diese Trennung der alten Häuptlinge von den jungen? Wozu noch eigens die roten Frauen? Wer waren die ›außerdem berühmten roten Männer und roten Frauen‹? Etwa die Herren dieses mir so sonderbar, ja sogar verdächtig vorkommenden Ausschusses? Sie wollten das Schlußmeeting leiten, also die Beschlüsse sämtlicher Versammlungen beeinflussen und verbessernd überprüfen! Die Namen der beiden Professoren, geborner Indianer, kannte ich. Sie hatten einen guten Klang. Aber den Ton, in dem sie an mich schrieben, hätte sich kein Sam Hawkens, kein Dick Hammerdull und kein Pitt Holbers gefallen lassen. Der Schriftführer und der Kassierer waren mir vollständig fremd. Und Old Surehand als Direktor? Was sollte das heißen? Wozu hier einen besondern ›Direktor‹? Etwa um die eigentliche Verantwortung oder gar die geschäftliche Bürgschaft auf ihn zu werfen? Old Surehand war ein Westmann ersten Ranges gewesen; aber ob er auch imstande war, es in geschäftlichen Dingen mit einem durchtriebenen amerikanischen Pfiffikus aufzunehmen, das wußte ich leider nicht. Die Sache kam mir um so bedenklicher vor, je länger und anhaltender sie mich beschäftigte. Auch meiner Frau gefiel sie nicht. Und weil ich sie hierbei mit erwähne, so sei zugleich gesagt, daß auch sie ein Schreiben bekam. Es lautete:

»Meine liebe weiße Schwester,

nun werden meine Augen Dich endlich, endlich sehn; meine Seele sah Dich schon längst. Der Gebieter Deines Hauses und Deiner Gedanken wird nach dem Mount Winnetou kommen, um mit uns über Großes und Schönes zu beraten. Ich weiß, er wird diese Reise nicht tun, ohne daß Du ihn begleitest. Ich bitte Dich, ihm zu sagen, daß ich das beste unsrer Zelte für Dich und ihn bereit halten werde und daß ich Dein Kommen vorausempfinde als einen lieben Strahl der Sonne, an dem man sich besonders innig wärmt und freut, wenn die Tage des Lebens zur Rüste gehn. Komm also, und bring mir Deine Menschenliebe, Deine Herzensgüte und – Deinen Glauben an den großen, gerechten Manitou, den ich gern ebenso deutlich fühlen möchte, wie Du, meine Schwester, ihn fühlst!

Kolma Puschi.«

Ich muß erwähnen, daß meine Frau mit Kolma Puschi in Briefwechsel stand und daß diese Zuschrift nicht ohne Einfluß auf unsre Entschließungen war. Wenn ich wirklich ging, so verstand es sich nun von selbst, daß ich diese Reise nicht allein unternahm. Es liefen noch mehrere Briefe ein. Ich wähle unter ihnen nur noch einen aus, weil er mir als der wichtigste von allen erscheint, die ich über diesen Gegenstand bekam. Er war in einer gradezu musterhaft schönen Schrift auf sehr gutes Papier geschrieben und in das große Totem dessen, der ihn angesagt hatte, gehüllt. Dieses Totem bestand aus papierdünnem Antilopenleder, das durch eine Behandlung, die nur die Indianer kennen, die Weiße des Schnees und die Glätte des Porzellans erhalten hatte. Die einpunktierten Buchstaben waren mit Zinnober und einer andern, mir unbekannten Farbe rot und blau gefärbt. Der Inhalt lautete:

»Mein weißer, älterer Bruder,

ich fragte Gott nach dir. Ich wollte wissen, ob Du noch unter denen weilst, von denen man sagt, daß sie leben. Als Antwort fand ich eine Hoffnung, denn ich hörte, man habe Dich eingeladen, an den September-Beratungen hier in meinen Bergen, deren heilige Stille und Ruhe für immer vernichtet werden soll, teilzunehmen. Sei um aller derer willen, die Du einst hier liebtest und vielleicht noch heute liebst, gebeten, diesem Ruf zu folgen. Eile herbei, wo Du auch seist, und rette Deinen Winnetou! Man will ihn falsch verstehn, und man will auch mich nicht begreifen. Du hast weder mich, noch habe ich Dich jemals gesehn. Wie ich nie einen Laut Deiner Stimme vernahm, so hörtest auch Du niemals den Klang der meinigen. Heut aber schreit meine Angst weit über das Meer hinüber zu Dir, so laut, daß Du es hören wirst und unbedingt kommen mußt.

Niemand weiß, daß ich Dich rufe. Nur der dies schreibt, mußte es erfahren. Er ist meine Hand; er schweigt. Wende Dich, bevor Du hier erscheinst, nach dem Nugget Tsil. Die mittelste der fünf großen Blaufichten dort wird zu Dir sprechen und Dir sagen, was ich diesem Papier nicht anvertrauen kann. Ihre Stimme sei Dir wie die Stimme Manitous, des großen, ewigen und alliebenden Geistes! Ich bitte Dich noch einmal: Komm, o komm und rette Deinen Winnetou! Man will ihn dir für immer vernichten!

Tatellah-Satah,
der Bewahrer der großen Medizin.«

Zunächst ein Wort zu dem in diesem Brief erwähnten Nugget Tsil. Man versteht unter Nuggets die mehr oder weniger großen, gediegnen Goldkörner, die von den Goldsuchern meist einzeln, zuweilen aber auch in ganzen, reichhaltigen Nestern gefunden werden. Tsil bedeutet in der Apatschensprache Berg. Nugget Tsil heißt also soviel wie Goldkörnerberg. Auf diesem Berg sind bekanntlich der Vater und die Schwester meines Winnetou von einem gewissen Santer ermordet worden Siehe Karl May, ›Winnetou‹ I. Später, kurz vor seinem Tod, im Innern des Hancockberges, teilte mir Winnetou mit, daß er sein Testament für mich auf dem Nugget Tsil vergraben habe, und zwar zu Füßen seines dort bestatteten Vaters; ich würde dabei viel Gold zu sehn bekommen. Als ich hierauf nach dem Nugget Tsil ritt, das Testament zu holen, wurde ich dabei von jenem Santer überrascht und von einer Schar von Kiowa-Indianern, bei denen er sich befand, gefangengenommen. Der Anführer dieser Schar war Pida, der junge Krieger, der mich jetzt, nach über dreißig Jahren, in dem Brief seines Vaters, des ältesten Häuptlings Tangua, aus seiner ›Seele‹ grüßte. Santer stahl das Testament und entfloh damit, um das Gold zu holen, dessen Fundstelle in der letztwilligen Verfügung Winnetous beschrieben war. Er ging aber dabei zugrunde und mit ihm das Testament. Auch das Gold versank in der Tiefe des ›Dunklen Wassers‹.

In Beziehung auf Tatellah-Satah, den ›Bewahrer der großen Medizin‹, muß ich gestehn, daß es stets einer meiner Herzenswünsche gewesen war, diesen geheimnisvollsten aller roten Männer einmal zu sehn und zu sprechen; nie aber hatte es eine Gelegenheit gegeben, mir dieses herzliche Verlangen zu erfüllen. Tatellah-Satah ist ein Name, der der Taossprache angehört und wörtlich übersetzt Tausend Sonnen heißt, dem Sinn nach aber Tausend Jahre bedeutet. Sein Träger hatte also ein so ungewöhnliches Alter, daß man es unmöglich nach Zahlen bestimmen konnte. Ebensowenig wußte man, wo er geboren war. Er gehörte keinem einzelnen Stamm an. Er wurde von allen roten Völkern und Stämmen gleich hoch verehrt. Was Hunderte und aber Hunderte von einzelnen Medizinmännern im Lauf der Zeit an Geistesgaben und Kenntnissen besessen hatten, das sprach man nun dem einen Mann, dem Höchstgestiegnen, zu. Um zu begreifen, was das heißt, muß man wissen, daß es grundfalsch ist, sich einen indianischen Medizinmann als einen Kurpfuscher, Regenmacher und Gaukler vorzustellen. Das Wort Medizin hat in dieser Zusammensetzung nicht das geringste mit der Bedeutung zu tun, die es bei uns besitzt. Es ist für die Indianer ein fremder Ausdruck, dessen Sinn sich bei ihnen völlig verändert hat.

Als die Roten die Weißen kennenlernten, erfuhren sie gar manches, was gewaltigen Eindruck auf sie machte. Am meisten aber erstaunten sie über die Wirkung unsrer Arzneimittel, unsrer Medizinen. Die Sicherheit und Nachhaltigkeit dieser Wirkung war ihnen schier unbegreiflich. Sie erkannten die unendliche Größe der göttlichen Liebe, die sich in diesem Geschenk des Himmels an das Geschlecht der Menschen offenbarte. Sie hörten das Wort Medizin zum erstenmal, und sie verbanden nun mit ihm den Begriff des Wunders, des Segens, der göttlichen Liebe und des für die Menschen unbegreiflichen Geheimwirkens in heiligster Verborgenheit. Kurz, der Ausdruck ›Medizin‹ wurde für sie gleichbedeutend mit dem Wort Mysterium. Sie nahmen die Benennung ›Medizin‹ in alle ihre Sprachen und Mundarten auf. Alles, was zu ihrer Religion, ihrem Glauben und ihrem Forschen nach ewigen, übersinnlichen Dingen in Beziehung stand, wurde als ›Medizin‹ bezeichnet. Ebenso auch alle diejenigen Tatsachen europäischer Wissenschaft und europäischer Bildung, die sie nicht begreifen konnten, weil sie weder ihre Anfänge noch ihre Entwicklungen kannten. Sie waren aufrichtig genug, unumwunden zuzugeben, daß die Vorzüge der Bleichgesichter zahlreicher und größer seien als die der roten Männer. Sie trachteten, den Weißen nachzueifern. Sie nahmen von ihnen viel Gutes, leider aber auch viel Böses an. Sie waren so kindlich und so einfältig, so manches, was bei den Weißen nur auf der Stufe des Gewöhnlichen oder gar des Niedrigen stand, für ungewöhnlich, für hoch, für heilig zu halten und es sich für immer anzueignen, nur weil es ihnen fremd und den überlegnen Weißen eigen war, ohne vorher den eigentlichen Wert dieser Dinge zu prüfen. So nahmen sie auch das Wort ›Medizin‹ bei sich auf und bezeichneten damit ihr Allerhöchstes und Allerheiligstes, ohne zu wissen, daß sie grade dieses Höchste und Heiligste damit beleidigten und entwürdigten. Denn zu der Zeit, als sie dies taten, hatte der Ausdruck Medizin nicht etwa den guten, ehrenden Klang wie heut. Er besaß den starken Beigeschmack von Hokuspokus, Quacksalberei und Windbeutelei, und als die Indianer in ihrer Unbefangenheit die Träger ihrer allerdings noch in den Anfängen stehenden Theologie und Wissenschaft als Medizinmänner bezeichneten, ahnten sie nicht, daß sie damit den bisherigen guten Ruf dieser Leute für immer vernichteten.

Wie hoch diese Medizinmänner standen, ehe sie Gelegenheit hatten, die ›Bildung‹ der Weißen kennenzulernen, ersehn wir heutigentags erst nach und nach, indem wir unsre Forschung tiefer in die Vergangenheit der amerikanischen Rasse hinuntersteigen lassen. Diese Vergangenheit zeigt uns zahlreiche Punkte, bei denen die Völker Amerikas auf gleicher Stufe mit den Weißen standen. Alles, was bei jenen Völkern und in jenen Reichen Gutes, Großes und Edles geschah, entsprang jenen geistigen Quellen und den Köpfen jener Männer, die von ihren Nachkommen später als Medizinen und Medizinmänner bezeichnet wurden. Hiermit sind Theologen, Politiker, Feldherrn, Astronomen, Tempelbaumeister, Maler, Bildhauer, Quipu-Entzifferer, Professoren, Ärzte, kurz alle diejenigen Personen und Stände zusammengefaßt, durch die die geistigen und sittlichen Kräfte jener Zeiten sich betätigten. Es gab unter diesen später als Medizinmänner bezeichneten Großen genau ebenso berühmte Namen wie in der Entwicklungsgeschichte der asiatischen und europäischen Rassen, und sie sind nicht für immer, sondern nur einstweilen verschollen, weil unsre Kenntnis und unser Verständnis noch nicht so weit vorgeschritten ist, jenes geschichtliche Dunkel zu erleuchten. Wenn die Medizinmänner der Gegenwart nicht mehr die Medizinmänner der Vergangenheit sind, so trägt der Indianer gewiß nicht allein die Schuld daran. Die geistige Auslese der Inkas, der Tolteken und Azteken, also die ›Medizinpflegerschaft‹ der Peruaner und Mexikaner, stand gewiß nicht auf einer niedrigeren Bildungsstufe als die Abenteurer eines Cortez und Pizarro, und wenn diese damalige Höhe sich infolge der spanischen Besetzung zur heutigen Tiefe neigte, so daß man jetzt die Indianer einfach und kurzerhand als Wilde bezeichnet, so brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, daß auch ihre Medizinmänner mit herabgekommen sind. Sie waren gezwungen, diesen Niedergang mitzumachen.

Trotzdem aber sind sie noch lange nicht das, wofür man sie hält. Ich habe noch keinen Weißen kennengelernt, der von irgendeinem Medizinmann in seine Geheimnisse und Anschauungen eingeweiht worden ist oder der wenigstens den Sinn der betreffenden Gebräuche derart begreift, wie er begriffen werden muß, ehe man behaupten kann, über ihn sprechen oder gar schreiben zu dürfen. Ein wirklicher Medizinmann, der es ernst mit seiner Würde nimmt, gibt sich nie zu Schaustellungen her. Die sogenannten Medizinmänner der von Zeit zu Zeit hier bei uns umherstreifenden Völkerwiesenindianer sind alles andre, nur keine wirklichen Medizinmänner, und an ihren Verrenkungen, Sprüngen und sonstigen Possen würde ein ernsthafter Vertreter ihres Standes gewiß ebensowenig teilnehmen, wie zum Beispiel bei uns ein ernstgesinnter Gottes- oder Weltgelehrter auf den Gedanken kommen könnte, auf einem Jahrmarkt oder beim Vogelschießen für Geld öffentlich einen Schuhplattler oder einen Purzelbäumler zu tanzen.

Ich bitte meine Leser, diese Ausführungen nicht für langweilig oder gar für überflüssig zu halten. Ich mußte das sagen, denn es gilt, von nun an gerecht zu sein und von den bisherigen Fehlern, die wir in der Beurteilung der roten Rasse begingen, endlich abzulassen. Da wir in Tatellah-Satah einen jener alten, hochstehenden Medizinmänner der Vergangenheit kennenlernen, die wie Säulen im Bild einer scheidenden Zeit stehn, so war ich als gewissenhafter und wahrheitstreuer Zeichner verpflichtet, den forschenden Blick auf die Betrachtung dieser Dinge vorzubereiten.

Der geheimnisvolle Mann, von dem ich mit so großer Hochachtung spreche, war nicht etwa mein Freund gewesen, o nein! Aber auch nicht mein Feind. Er war überhaupt keines Menschen Feind. Sein Denken und Fühlen war unbedingt gerecht und menschenfreundlich, sein Handeln ebenso. Aber wie er zu mir stand, das war noch schlimmer und niederdrückender, als wenn er mein Feind gewesen wäre. Ich war nämlich für ihn gar nicht vorhanden. Er übersah mich vollständig. Warum? Weil er mich seit dem Tag, an dem der Vater und die Schwester meines Winnetou ermordet worden waren, als ihren eigentlichen Mörder betrachtete. Die schöne Tochter der Mescaleros war aus eignem Wunsch und aus Wunsch ihres Stammes zu meiner Frau bestimmt gewesen, ich aber war dieser Verbindung ausgewichen. Sie hieß Nscho-tschi, und sie trug diesen Namen mit Recht. Nscho-tschi heißt auf deutsch Schöner Tag, und als sie starb, ging eine helltagende, schöne Hoffnung der Apatschen mit ihr aus der Welt, besonders eine liebe, große Hoffnung des greisen Medizinmanns Tatellah-Satah. Sie war für ihn die schönste und beste Tochter sämtlicher Apatschenstämme, und er behauptete, daß sie damals nicht erschossen worden wäre, wenn ich mich nicht abweisend, sondern entgegenkommend verhalten hätte. Ich gab dies zwar unumwunden zu, fühlte mich aber von jedem Selbstvorwurf so vollständig frei, als ob die liebe, aufopferungsvolle Freundin heut noch lebte. Sie hatte nach dem Osten gewollt, um sich eine höhere Bildung anzueignen, und war unterwegs mit Intschu tschuna, ihrem Vater, heimtückisch erschossen und beraubt worden. Nie war es Winnetou, ihrem Bruder, eingefallen, deshalb, weil sie diese Reise meinetwegen unternommen hatte, auch nur den Schatten einer Anklage gegen mich zu richten; Tatellah-Satah aber hatte mich dafür aus seinem Leben und aus allen seinen Berechnungen gestrichen, und zwar für immer, wie es schien. Er wohnte seit Menschengedenken in größter Einsamkeit hoch oben im Gebirge. Nur Häuptlinge durften sich ihm nahen, und auch das nur so selten wie möglich. Es mußte sich um Angelegenheiten von höchster Wichtigkeit handeln, ehe jemand die Erlaubnis bekam, zu ihm emporzusteigen. Nur Winnetou, sein besondrer Liebling, durfte kommen, sooft es ihm beliebte. Ihm wurde jeder Wunsch erfüllt, dessen Erfüllung überhaupt möglich war, nur der eine nicht, den er oft vergebens äußerte, mich einmal mitbringen zu dürfen.

Und nun, nach so langer Zeit, auf einmal diese dringende Einladung! Das konnte nur sehr ernste Gründe haben, die keine gewöhnlichen und alltäglichen Ziele verfolgten, sondern sich auf Besseres und Wertvolleres bezogen, als ich jetzt, da ich seinen Brief soeben erst erhalten hatte, schon zu durchschauen vermochte. Aber es stand nun fest, daß ich hinüberging und daß ich zur rechten Zeit auf dem Nugget Tsil eintreffen würde, um die mir bezeichnete Blaufichte zu mir sprechen zu lassen. Und ebenso bestimmt war es, daß meine Frau mich begleitete.

Als sie das hörte, jubelte sie nicht etwa auf, sondern sie zeigte mir im Gegenteil ihr ernsthaftestes Gesicht. Sie dachte an die Anstrengungen einer solchen Reise und an die Gefahren eines solchen Ritts durch den Westen. Denn daß die von nah und fern herbeieilenden vielen Häuptlinge sich der Eisenbahn bedienen würden, stand außer Erwägung; das war überhaupt schon durch die Heimlichkeit, mit der alles geschehn sollte, ausgeschlossen. Aber sie dachte, indem sie von diesen Anstrengungen und Gefahren sprach, nicht an sich, sondern nur an mich. Es gelang mir jedoch leicht, sie zu überzeugen, daß man jetzt zwar noch von einem ›Westen‹, aber schon längst nicht mehr von einem ›wilden Westen‹ sprechen könne, und daß ein solcher Ritt für mich nur eine Erholung sei. Sie selber war dem Abenteuer gewachsen, war gesund, mutig, ausdauernd und bedürfnislos genug, mich begleiten zu können. Sie beherrschte die englische Sprache und hatte sich durch das fleißige Zusammenarbeiten mit mir so nebenbei auch eine Menge indianischer Wörter und Redensarten angeeignet, die ihr zustatten kommen mußten. Und was das Reiten betrifft, so war ihr unser letzter längerer Aufenthalt im Orient eine gute Lehrzeit gewesen. Sie hatte sich dort trefflich benommen und Pferde gut zu behandeln gelernt.

Wie stets und überall, so zeigte sie sich auch hier als klug berechnende, wirtschaftlich vorausschauende Hausfrau. Ich hatte von einigen amerikanischen Verlagsbuchhändlern Angebote erhalten, die sich auf die Herausgabe meiner Werke in englischer Sprache für die Vereinigten Staaten bezogen. Diese Herren sollte ich, so meinte Klara, bei dieser Gelegenheit persönlich aufsuchen. Um Proben für den Bildschmuck der Bände vorzeigen zu können, machte sie sich von allerlei Vorlagen photographische Abzüge im Großformat, die ihr sehr gut gelangen.

Am besten glückte ihr der zum Himmel aufstrebende Winnetou von Sascha Schneider. Von demselben Künstler besitze ich auch zwei prächtige, ergreifende Bilder von Abu Kital, dem Gewaltmenschen, und Marah Durimeh, der Menschheitsseele. Diese drei Bilder findet der Leser in Bd. 49 ›Lichte Höhen‹. Die Herausgeber Auch diese beiden wurden photographiert, um mitgenommen zu werden. Daß wir nicht die Originale selbst in den Koffer packten, wird verständlich sein. Man setzt wertvollen, in seiner Besonderheit einzigartigen Besitz nicht ohne Not der Gefahr aus, abhanden zu kommen; und Möglichkeiten für ein solches Mißgeschick waren durch allerlei unerwartete Ereignisse unsrer Reise in Fülle geboten. Koffer können auf mancherlei Weise verlorengehn, wobei man noch lange nicht mit den schlimmsten Fährnissen wie Schiffbruch und Eisenbahnunglück zu rechnen braucht.

An dieser Stelle sei mir noch ein kurzes Wort gestattet für den kritischen Leser, der hier etwa fragt, warum ich denn ausgerechnet auf die drei genannten Bilder solchen Wert legte. Es soll zugleich dem Wißbegierigen gelten, der Sascha Schneiders Werk, soweit es sich auf meine Reiseerzählungen bezieht, nicht kennt.

Sascha Schneider, der weithin berühmte Maler und Bildhauer, lebt in dem freundlichen Dresdner Villenvorort Loschwitz und zählt zu den engeren Freunden meines Hauses Er starb 1927. Vgl. hierzu den Nachruf im Karl-May-Jahrbuch 1928. Die Herausgeber. Er hat sich wie wenige in die eigentliche Gedankenwelt meiner Werke hineingefühlt und hat dieser Erkenntnis in edlen Schöpfungen seiner Kunst Ausdruck verliehen.

So gestaltete er Winnetou nicht als den kühnen jugendlichen Apatschenhäuptling, den Kämpfer für alles Gute und Rechte, sondern zeigte in seinem Bild die im Tod endgültig geläuterte, zum Himmel aufschwebende Erscheinung dieses Edelmenschen, aus deren geöffnetem Haar das letzte Zeichen irdischer Würde, die Häuptlingsfeder, sich löst. So gestaltete er Abu Kital, der in meinem Bühnenspiel ›Babel und Bibel‹ als Scheik der An'allah, der Gewaltmenschen, auftritt, und ferner Marah Durimeh, die erdenferne, greise Königin von Sitara.

Ich bitte, diese scheinbar abschweifenden Bemerkungen nicht für überflüssig zu halten. Man wird im Verlauf der Erzählung sehn, daß einige dieser Bilder eine besondre Wichtigkeit in der Kette der Ereignisse erhielten. Wer mich kennt, der weiß, daß es für mich keinen Zufall gibt. Ich führe alles, was geschieht, auf einen höhern Willen zurück. Tiefe Fügung waltete auch hier, davon bin ich überzeugt. Die Buchhändlerangebote verliefen und zerrannen später zu nichts; ich fand keine Zeit, diese Herren aufzusuchen. Ihr Zweck war wohl nur, die Anregung zu dem Gedanken zu bilden, von den Proben für den Bildschmuck Abzüge zu machen und diese mitzunehmen.

Noch klarer und deutlicher trat dieses Schicksalswalten bei einem andern Verlagsangebot hervor, das mir aber nicht schriftlich, sondern mündlich gemacht wurde, und zwar auffälligerweise zu derselben Zeit und auch von einem Amerikaner. Besonders beachtenswert sind hierbei die Nebenumstände, durch die der Gedanke, es nur mit einem Zufall zu tun zu haben, ausgeschlossen wurde.

Ich habe in Dresden einen Freund, der ein viel in Anspruch genommener Nervenarzt ist und bedeutende Erfolge errungen hat. Er wird als Fachgröße bezeichnet und von Fremden nicht weniger als von Einheimischen zu Rat gezogen.

Bei einem Besuch, den dieser Freund uns eines Abends machte, kam die Rede auch auf unsern Entschluß, mit dem Norddeutschen Lloyd nach New York zu fahren.

»Etwa um Nuggets zu holen?« fragte er so schnell, als ob er nur auf unsre Mitteilung gewartet hätte.

»Wie kommen Sie grad auf Nuggets?« antwortete ich.

»Weil ich heut eins gesehn habe. Es war so groß wie ein Taubenei und wurde, als Anhängsel gefaßt, an der Uhrkette getragen.«

»Von wem?«

»Von einem Amerikaner, der mir übrigens noch viel merkwürdiger war als sein Klümpchen Gold. Er sagte mir, er sei nur für zwei Tage hier, und erbat sich mein Gutachten in einer Angelegenheit, die für jeden Psychiater ein ›Fall‹ allerersten Ranges ist.«

»Wieso? Darf man Näheres wissen?«

»Warum nicht? Ich nenne ja keinen Namen, könnte es gar nicht, wie Sie gleich sehn werden. Es handelte sich um den in einer Familie sich vererbenden Zwang zum Selbstmord, einen Zwang, der unbedingt sämtliche Glieder der Familie ergreift und bei dem einzelnen ganz leise beginnt, nach und nach an Stärke wächst, bis er unwiderstehlich wird.«

»Ich hörte schon von solchen Fällen und lernte einen derart Belasteten sogar persönlich kennen. Es war ein österreichischer Schiffsarzt, mit dem ich von Sues nach Ceylon fuhr. Wir verbrachten eine ganze, helldunkle Sternennacht auf dem Oberdeck über psychologischen Fragen. Da gewann er Vertrauen zu mir und teilte mir mit, was er sonst keinem sagte. Ein Bruder und eine Schwester hatten sich bereits das Leben genommen, der Vater ebenso. Die Mutter war vor Gram und Angst gestorben. Eine zweite Schwester schickte ihm jetzt während seiner Auslandsreise Briefe nach, daß sie dem unglückseligen Drang unmöglich länger widerstehn könne, und er selber war nur deshalb Arzt geworden, um, falls kein andrer helfen könne, vielleicht seinerseits den Weg der Rettung zu finden.«

»Was ist aus ihm und seiner Schwester geworden?«

»Das weiß ich nicht. Er versprach mir, zu schreiben und mir seine Wohnung anzugeben, hat es aber nicht getan. Ich vermute Schlimmes. Steht es mit Ihrem Amerikaner ebenso traurig?«

»Ob mit ihm selber, kann ich nicht sagen. Er nannte mir keinerlei Namen, auch den seinigen nicht, und tat so, als ob er nur von Bekannten spräche, nicht aber von seiner eignen Familie. Aber der Eindruck, den er auf mich machte, war so, daß ich ihn selber für beteiligt halte. Er hatte traurige Augen. Er schien ein guter Mensch zu sein, und es tat mir aufrichtig leid, ihm keine sichere Hilfe in Aussicht stellen zu können.«

»Aber wenigstens Trost?«

»Ja, Rat und Trost. Doch denken Sie sich so eine Fülle von Unheil: Die Mutter hatte Gift genommen. Der Vater war spurlos verschwunden. Von fünf Kindern, lauter Söhnen, leben nur noch zwei. Sie alle sind verheiratet gewesen, aber von ihren Frauen verlassen worden, weil bei ihren Kindern der Drang zum Selbstmord schon im Alter von neun oder zehn Jahren hervorgetreten ist und sich derart schnell entwickelt hat, daß nur ein einziges von ihnen das Alter von sechzehn Jahren erreichte. Nur die erwähnten beiden Brüder leben noch. Aber sie kämpfen mit dem Selbstmordzwang Tag und Nacht, und ich glaube nicht, daß einer von ihnen so stark sein wird, diesen unheilvollen Geist in sich zu besiegen.«

»Schrecklich!«

»Ja, schrecklich! Aber ebenso rätselhaft wie schrecklich! Dieser unglückselige Drang macht sich erst in der zweiten Geschlechtsfolge bemerkbar; vorher war er nicht vorhanden. Leider konnte mir nicht gesagt werden, bei wem er sich zuerst äußerte, ob bei der an Gift gestorbenen Mutter oder bei dem verschollenen Vater. Auch erfuhr ich nicht, ob diese Krankheit etwa erst seit irgendeinem Ereignis aufgetreten ist, das mit großen seelischen Erschütterungen verbunden war. Das würde doch wenigstens einen Anhalt geben. So aber mußte ich mich darauf beschränken, anstrengende Arbeit für Körper und Geist anzuraten, treue Pflichterfüllung, die mit heiterer, aber ja nicht niedriger Zerstreuung abwechseln muß, und vor allen Dingen fortwährende Übung und Weiterstählung der Willenskräfte, auf die es in diesem Fall ja am meisten ankommt.«

»Haben Sie den Stand dieser unglücklichen Familie erfahren?«

»Ja. Das war ja eine der Hauptfragen, die ich vorlegen mußte. Der verschollene Vater war Westmann, Squatter, Trapper, Goldsucher und sonst alles Derartige gewesen und hat von Zeit zu Zeit das, was er dabei erübrigte, heimgebracht. Das sind oft ganz ansehnliche Summen gewesen. Er hat die Sucht gehabt, Millionär werden zu wollen. Das wurde zwar nicht erzielt, aber reich ist die Familie doch geworden. Die fünf Brüder vereinigten sich zu einem Großgeschäft in Pferden, Rindern, Schweinen und Schafen –«

»Sie hatten also wohl viel mit den großen Schlächtereien zu tun?« unterbrach ich ihn.

»Allerdings.«

»Das konnte bei dieser Veranlagung nur schädlich sein!«

»Unbedingt! Massentötung von Schlachtvieh! Warmer Blutdunst! Immerwährender Fleischgeruch! Hieraus folgende Verhärtung des Mitgefühls! Zugleich Auffütterung und Anmästung jenes fürchterlichen Drangs! Ich habe das dem Amerikaner offen gesagt und ihn gewarnt. Da teilte er mir mit, daß er das wohl gefühlt habe und darum für die beiden Brüder der Ratgeber und Helfer gewesen sei, das Geschäft zu verkaufen. Das sei im vorigen Jahr geschehn, doch ohne daß sich hierauf eine Veränderung oder Verringerung des Leidens eingestellt habe. – Aber, da unterhalte ich Sie noch am späten Abend mit Dingen, die Ihnen und mir nur die Nachtruhe verderben können. Ich bitte um Verzeihung und bin klug genug, mich, um nicht von Ihnen fortgewiesen zu werden, jetzt selber hinauszuwerfen. Schlafen Sie wohl!«

Er entfernte sich so schnell, wie es sonst seine Art gar nicht war. Es war, als hätte er uns nur deshalb aufgesucht, um uns auf diesen Amerikaner aufmerksam zu machen. Meine Frau hatte dasselbe Gefühl wie ich.

»Er ist mir heut gar nicht wie ein besuchender Freund, sondern wie ein Bote vorgekommen«, sagte sie. »Sollte es mit diesem Yankee irgendeine Bewandtnis haben, die auch uns angeht?«

Am nächsten Vormittag, zur Besuchszeit, gegen elf Uhr, saß ich bei der Arbeit. Da hörte ich die Hausglocke. Es wurde jemand eingelassen. Ich hatte gesagt, daß ich heut für niemand zu sprechen sei. Dennoch kam nach einiger Zeit meine Frau zu mir herauf und legte eine Besuchskarte vor mich hin.

»Verzeih! Ich kann nicht anders; ich muß dich doch unterbrechen! Es ist gar zu sonderbar – du wirst dich wundern.«

Ich warf einen Blick auf die Karte. ›Hariman F. Enters‹ stand darauf. Ich sah Klara erwartungsvoll an.

»Ja, es ist wirklich erstaunlich«, nickte sie. »Er hat das taubeneigroße Nugget an der Uhrkette.«

»Wirklich?«

»Ja! Und die auffallend traurigen Augen sind auch da!«

»Und was will er?«

»Mit dir reden.«

»Ich habe keine Zeit. Hast du ihm das gesagt? Er mag wiederkommen!«

»Er muß noch heute fort, sonst versäumt er das Schiff. Er sagt, er ginge nicht fort, ohne mit dir gesprochen zu haben. Er bleibe sitzen, bis du kämst. Du sollst ihm sagen, was die Zeit kostet, die du dadurch versäumst; er werde bezahlen.«

»Das ist amerikanischer Unsinn! Hat er dir gesagt, was er ist?«

»Verlagsbuchhändler. Er scheint kein Wort Deutsch sprechen zu können. Er will dir den ›Winnetou‹ abkaufen.«

»Hast du ihm hierauf vielleicht schon Bescheid gegeben?«

»Ich teilte ihm mit, daß wir schon ähnliche Angebote von drüben bekommen haben und nächstens selber hinüberfahren werden, um das zu erledigen.«

»Du, Herzle, das war nicht sehr gescheit von dir!«

»Warum nicht?«

»Wer nach dem ›Westen‹ gehn will, der muß sich vor allen Dingen in der Schweigsamkeit üben, ganz gleich, ob es da drüben noch ›wild‹ zugeht oder nicht.«

»Aber wir sind ja noch gar nicht drüben!«

»Ich habe gesagt: schon wenn man hinüber will; verstanden: will! Übrigens brauchen wir, um schweigsam sein zu müssen, gar nicht erst hinüberzufahren, denn das Drüben ist schon hier bei uns.«

»Wo?«

»Unten der Amerikaner! Dieser Mr. Hariman F. Enters ist der amerikanische Westen.«

»Meinst du?«

»Gewiß! Du wirst bald sehn, daß dies richtig ist. Mag er sein, wer er will, und mag er wollen, was er will, wir spielen jetzt Amerika. Er ist gekommen, sich bei uns anzuschleichen. Drehn wir den Spieß um! Geh jetzt hinab und sag, daß ich kommen werde; aber teile ihm nicht mehr mit!«

Sie ging, und ich folgte ihr nach einiger Zeit.

Mr. Enters war ein wohlgebauter, glattrasierter Mann im Alter von ungefähr vierzig Jahren. Er machte einen wohlwollenerweckenden Eindruck, ohne grad das Benehmen eines hochgebildeten Mannes zu zeigen. Er trat anständig auf, war aber trotzdem ein wenig Protz. Das von den traurigen Augen stimmte. Meine Frau stellte uns einander vor. Wir verbeugten uns und saßen uns dann gegenüber. Ich bat ihn, mir zu sagen, womit ich ihm dienen könne. Er antwortete mit einer Frage.

»Ihr seid Old Shatterhand?«

»Man nannte mich so«, erwiderte ich.

»Ihr geht nächstens wieder hinüber?«

»Ja.«

»Wohin? Bis wie weit?«

»Weiß ich noch nicht.«

»Mit welchem Schiff?«

»Ist noch unbestimmt.«

»Auf wie lange?«

»Das wird sich erst drüben entscheiden.«

»Ihr besucht alte Bekannte?«

»Vielleicht.«

»Werdet Ihr Euch mehr nach dem Norden oder nach dem Süden der Staaten wenden?«

Da stand ich von meinem Sitz auf, verbeugte mich, drehte mich um und ging zur Tür.

»Wohin wollt Ihr, Mr. May?« rief er hastig hinter mir her.

Ich blieb stehn.

»Wieder an meine Arbeit. Ich habe Euch aufgefordert, mir mitzuteilen, was Ihr von mir wünscht. Anstatt dies zu tun, legt Ihr mir eine ganze Reihe von Fragen vor, zu denen Euch gar kein Recht gegeben ist. Hierauf zu antworten, habe ich keine Zeit!«

»Ich habe Mrs. May gesagt, daß ich Euch Eure Zeit bezahle«, warf er ein.

»Das könnt Ihr nicht. Dazu seid Ihr zu arm, viel zu arm.«

»Oho! Mache ich einen so ärmlichen Eindruck? Ihr irrt Euch.«

»Nicht doch! Selbst ein Millionär ist nicht imstande, sogar dem ärmsten Teufel auch nur eine Stunde der ihm von Gott gegebnen, unersetzlichen Lebenszeit mit Gold aufzuwiegen.«

»Wenn Ihr es so betrachtet, mag es sein. Aber bitte, setzt Euch wieder«, bat er betroffen. »Ich werde mich so kurz wie möglich fassen.«

Er wartete, bis ich seinen Wunsch unter scheinbarem Zögern erfüllt hatte.

»Ich bin Verlagsbuchhändler. Ich kenne Euern ›Winnetou‹ –«

»Sprecht und lest Ihr Deutsch?« unterbrach ich ihn.

»Nein!«

»Wie könnt Ihr da diese Erzählung kennen? Sie ist meines Wissens noch nicht ins Englische übersetzt.«

»Sie wurde in einer mir befreundeten Familie, wo man auch gut deutsch spricht, auf englisch vorgelesen. Was ich hörte, fesselte mich derart, daß ich einen jungen, stellenlosen Deutschamerikaner zu mir nahm, um sie mir in voller Muße nach und nach derart vorlesen zu lassen, daß ich alles verstand und mir die notwendig erscheinenden Aufzeichnungen machen konnte.«

»Ah, Aufzeichnungen! Wozu?«

Ich bemerkte, daß diese Frage ihn in Verlegenheit brachte. Er versuchte, das zu verbergen.

»Natürlich nur rein literarische, als Buchhändler, selbstverständlich! Ich habe dann auf meinen weiten Ritten durch den Westen diese Aufzeichnungen bei mir gehabt und alles, was in Euern drei Bänden steht, nachgeprüft. Darum bin ich imstande, Euch sagen zu können, daß alles stimmt!«

»Danke!« sagte ich kurz, als er mich hierbei ansah, ob dieses Lob einen Eindruck auf mich machen würde.

»Nur zwei Orte«, fuhr er langsam fort, »konnte ich keiner Prüfung unterziehn, weil ich sie noch nicht aufzufinden vermochte.«

»Welche, Sir?«

»Den Nugget Tsil und das Dunkle Wasser, in dem Santer sein Ende fand. Werdet Ihr vielleicht auf Eurer jetzigen Reise an diese Stellen kommen?«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber ich höre, daß Ihr schon wieder so überflüssige Fragen bringt, anstatt mir zu sagen, was Ihr wollt –!«

Ich machte Miene, wieder aufzustehn.

»Bleibt sitzen!« rief er schnell. »Ich bin ja sofort wieder bei der Sache, oder vielmehr, ich habe mich von ihr noch gar nicht entfernt. Ich wollte Euch nur zeigen, daß ich Eure Bücher geprüft und der Übersetzung in die englische Sprache wert gefunden habe.«

»Geprüft? Dazu gehört geraume Zeit!«

»War es auch, war es auch!« nickte er eifrig, ohne zu bemerken, daß jetzt ich der Anschleichende war. »Es hat eine sehr lange Zeit gedauert, bis ich alle die Orte berühren konnte, um die es sich darin handelte.«

»Vertrug sich das mit Euerm Geschäft?«

»Gewiß. Wir hatten damals ein Großgeschäft in Pferden, Rindern, Schweinen und Schafen und trieben uns bei unsern Einkäufen sehr viel im alten Westen umher.«

»Ihr sagt ›wir‹. Also Geschäftsteilhaber?«

»Ja, aber keine Fremden, sondern brüderliche Gemeinschaft. Wir waren fünf Brüder, sind aber jetzt nur noch zwei. Führen auch noch gemeinsames Geschäft, aber in Büchern. Wir wollen Euch Euern ›Winnetou‹ abkaufen –«

»Nur ihn?« fiel ich ihm in die Rede.

»Ja, nur ihn.«

»Warum nicht auch die andern Bücher, die doch gleichfalls Reiseerzählungen sind?«

»Weil wir für sie nicht eingenommen sind.«

»Ich denke, es kommt hierbei mehr darauf an, wofür die Leser eingenommen sind?«

»Mag sein; bei uns aber ist das anders. Wir wollen nur den ›Winnetou‹, weiter nichts.«

»Hm! Wie denkt Ihr Euch dieses Geschäft?«

»Sehr einfach: Ihr verkauft ihn uns mit allen Rechten, ein für allemal, und wir bezahlen ihn Euch ein für allemal.«

»Wann geschieht diese Zahlung?«

»Sofort. Ich bin imstande, Euch eine Anweisung an jede beliebige Bank zu geben. Wieviel verlangt Ihr?«

»Wieviel bietet Ihr?«

»Je nachdem! Wir dürfen drucken, so viel wir wollen?«

»Wenn wir einig werden, ja.«

»Oder auch, so wenig wir wollen?«

»Nein.«

»Wie? Was? Warum nicht?«

»Ich schreibe meine Bücher, damit sie gelesen werden, nicht aber damit sie verschwinden.«

»Verschwinden?« fragte er in sichtlicher Bestürzung. »Wer hat Euch gesagt, daß sie verschwinden sollen?«

»Gesagt wurde es allerdings noch nicht; aber Ihr erwähntet doch, daß auch so wenig gedruckt werden darf, wie Euch beliebt.«

»Ganz natürlich. Wenn wir sähen, daß die Bücher im Englischen keinen Anklang fänden, so würden wir eben darauf verzichten, sie zu drucken. Das bedarf eigentlich keiner Erwähnung.«

»Sagt, hat Eure Reise nach Deutschland und Dresden noch andre Zwecke?«

»Nein. Ich habe keinen Grund, Euch zu verheimlichen, daß ich nur dieser drei Bücher wegen herübergekommen bin.«

»So tut es mir leid, daß Ihr diese Reise vergebens gemacht habt. Ihr bekommt die Bücher nicht.«

Ich war während dieser Worte aufgestanden. Auch er erhob sich von seinem Stuhl. Er war nicht imstande, die unerwartete, große Enttäuschung zu verbergen, die ihn ergriff. Sein Blick wurde ängstlich, und seine Stimme zitterte.

»Versteh ich Euch recht, Sir? Ihr wollt den ›Winnetou‹ nicht verkaufen?«

»Wenigstens nicht an Euch. Ich gebe meine Bücher nicht einzeln zur Übersetzung. Wer meine Werke zu verlegen wünscht, der ist gezwungen, sie alle zu nehmen.«

»Aber wenn ich Euch nun für diese drei Bände so viel zahle, wie Ihr für alle verlangt?«

»Auch dann nicht. Ich brauche den richtigen Verleger für die englische Ausgabe meines Gesamtwerks.«

»Ihr lehnt also auch dieses Angebot ab. Seid Ihr denn gar so reich, Mr. May?«

»Reich? Keineswegs! Ich habe nur grad so mein Auskommen. Aber das genügt mir. Wenn Ihr meine Erzählung ›Winnetou‹ wirklich kennt, müßt Ihr wissen, daß ich überhaupt nicht nach Reichtum trachte, sondern nach andern, wertvolleren Gütern, mit denen ich meine Leser beschenken will. Dazu aber brauche ich den richtigen Verleger, und daß Ihr der nicht sein könnt, davon habt Ihr mich soeben überzeugt.«

Meine Frau sah und hörte es mir an, daß an meinem Entschluß nicht zu rütteln war. Der Yankee tat ihr leid. Er stand in einer Haltung vor uns, als ob ein nicht wieder gutzumachendes Unheil über ihn hereingebrochen sei. Er zögerte, meinen Bescheid als mein letztes Wort zu betrachten. Er machte Einwendungen. Er gab Versprechungen, doch vergeblich. Schließlich, als gar nichts helfen wollte, sagte er:

»Ich gebe die Hoffnung trotz alledem nicht auf, daß ich den ›Winnetou‹ doch noch von Euch bekomme. Ich sehe, daß Mrs. May dieser Sache viel weniger abgeneigt ist als Ihr. Beratet Euch mit ihr und gebt mir Zeit, inzwischen mit meinem Bruder zu reden.«

»Auch das hätte keinen Erfolg!« versicherte ich.

»Könnt Ihr das jetzt schon wissen? Ist es nicht möglich, daß ich Euch nach der Besprechung mit meinem Bruder ein Anerbieten machen kann, das Euern Wünschen besser entspricht als das heutige?«

Ich fühlte, daß er innerlich davor zitterte, auch noch hiermit abgewiesen zu werden. Auch ich hatte Mitleid, aber ich durfte diesem Gefühl nicht die Herrschaft über meine Entschlüsse einräumen. Das Herzle bestürmte mich mit bittenden Blicken, und als das nicht schnell genug wirken wollte, ergriff sie gar meine Hand.

»Gut«, sagte ich endlich. »Geben wir uns gegenseitig Zeit zum Überlegen! Meine Frau war noch niemals mit dort drüben. Sie erwartet besonders, den Niagarafall zu sehn. Wir werden also von New York aus mit dem Hudsondampfer nach Albany fahren und von da mit der Bahn nach Buffalo, von wo aus es bis zu den Fällen nur noch eine Stunde ist. In Niagara-Falls wohnen wir auf der kanadischen Seite, und zwar im Clifton-Hotel Das Clifton-House, wo Karl May auf seiner Amerikareise 1908 wohnte, brannte im Jahr 1932 ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Herausgeber, wo ich –«

»Das kenne ich sehr gut!« unterbrach er mich. »Dort ist man vortrefflich aufgehoben. Ein Hotel allerersten Ranges, still, vornehm und –«

» Well!« fiel nun ich ihm in die Rede. »Dort sind wir zu finden.«

»Wann?«

»Das weiß ich jetzt noch nicht. Am besten ist es, Ihr setzt Euch mit der Verwaltung dieses Hauses in Verbindung, daß sie Euch von unsrer Ankunft sofort Nachricht gibt.«

Dabei blieb es. Es gab hüben und drüben noch einige höfliche Abschiedsworte, dann war dieser Besuch, der viel größere Wichtigkeit besaß, als selbst ich jetzt dachte, beendet.

Meine Frau war nicht ganz zufrieden mit mir. Sie meinte, ich sei nicht höflich genug gewesen und zu abweisend mit ihm verfahren.

»Warum tatest du das?« fragte sie.

»Weil er mich belog«, antwortete ich. »Weil er nicht offen und ehrlich war. Weißt du, wer er ist?«

»Einer der beiden übriggebliebnen Söhne jener unglücklichen Familie, deren Glieder alle durch Selbstmord sterben.«

»Ja, das ist er allerdings, aber zugleich auch noch jemand andres. Er heißt nicht Enters.«

»Du glaubst, er führt einen falschen Namen? Hältst ihn also für einen Schwindler, einen Hochstapler?«

»Nein. Grad weil er ein ehrlicher Mann ist, trägt er nicht seinen eigentlichen, richtigen Namen, dessen er sich schämt. Ich vermute sogar, daß er nur infolge meiner drei Bände ›Winnetou‹ auf diesen Namen verzichtete. Er heißt in Wirklichkeit: Santer.«

Da warf sie mir in höchstem Erstaunen atemlos die Frage hin:

»Welchen Santer meinst du? Den Mörder von Winnetous Vater und Schwester?«

»Ja. Der Mann, der bei uns war, ist sein Sohn.«

»Unmöglich! Beweise es!«

»Das ist eigentlich nicht nötig. Du müßtest es ebenso leicht erraten haben wie ich.«

»Wirklich? Bis jetzt erkenne ich nur das eine, nämlich, daß du ihn für einen Lügner hältst, weil er sich Enters anstatt Santer nennt.«

»Wie falsch von dir! Wüchsen meine Folgerungen nur aus diesem einen Punkt heraus, so wäre ich ein schlechter Fährtenleser, ein Greenhorn, und müßte mich meines Scharfsinns schämen. Ich bitte dich aber, daran zu denken, daß er sich eigens einen Vorleser nahm, um sich sofort Aufzeichnungen machen zu können. Wie lange ist es wohl her, daß er das tat?«

»Eine beträchtliche Reihe von Jahren. Das sagte er ja selber.«

»Schön! Und wozu hat er sich diese Aufzeichnungen gemacht?«

»Aus rein literarischen Gründen, zu Buchhändlerzwecken. Auch das sagte er selber.«

»Ganz richtig! Und hier liegt die Lüge, bei der ich ihn ertappt habe. Hier beginnt die Fährte, die zu seinem richtigen Namen führt. Er hat zugegeben, daß er damals noch Großhändler in allerlei Schlachtvieh war, und du weißt genau, wann er aufgehört hat, dies zu sein. Oder nicht?«

»Doch! Dieses Geschäft wurde erst im vorigen Jahr verkauft. Das hat er gestern beim Arzt gesagt.«

»Und dennoch schon vor so langen Jahren bereits rein ›buchhändlerische‹ Aufzeichnungen? Glaubst du das?«

»Nein! Jetzt nicht mehr! Du, jetzt fange auch ich an, klar zu sehn. Vielleicht ist es gar nicht einmal wahr, daß er jetzt Buchhändler ist!«

»Fällt ihm nicht ein! Aber mit diesem Gedanken hast du dich neben mich auf die richtige Fährte gestellt! Überlege folgendes: Kaum hat er bei einem Bekannten von meinem ›Winnetou‹ gehört, so mietet er sich einen besondern Mann zum Übersetzen und Vorlesen dieser Erzählung. Ist etwa anzunehmen, daß er bei diesem Bekannten dem Vorlesen aller drei Bände beigewohnt hat?«

»Gewiß nicht.«

»Das ist auch meine Meinung. Er hat nur weniges gehört. Wenn er sofort hierauf einen besondern Übersetzer anstellte, um das ganze Werk kennenzulernen, so muß dieses Wenige von großer Wichtigkeit für ihn gewesen sein, muß irgendeinen Punkt seines tiefsten Seelenlebens besonders getroffen haben. Er machte während der Vorlesungen Aufzeichnungen. Weshalb? Doch nicht etwa nur, um nichts zu vergessen. Was einen so tief in der Seele packt, das merkt man sich gewiß auch ohne Aufzeichnungen. Er hat zugegeben, daß diese Bemerkungen ihm als ›notwendig‹ erschienen seien und ihm auf seinen Nachforschungen im Westen jahrelang als Führer gedient haben –«

»Etwa nach dem verschollnen Vater?«

Ich nickte ihr zu.

»Du, das war sehr fein! Ja allerdings, nach dem verschollnen Vater! Ich wollte noch einige andre Folgerungen ziehn, um mich dir begreiflich zu machen; da du mir aber gleich mit diesem Hauptergebnis kommst, so ist das nicht mehr nötig. Ich brauche nur noch auf die Dringlichkeit hinzuweisen, mit der er die Lage der beiden Orte zu erfahren versuchte, die er noch nicht aufzufinden vermochte. Ich meine den Nugget Tsil und das Dunkle Wasser.«

»Muß sich diese Dringlichkeit nur auf Santer beziehn?«

»Ja.«

»Nicht auf irgendeine andre Person oder Sache? Etwa auf die Nuggets?«

»Nein. Von Personen käme nur ich noch in Betracht, denn alle andern von damals sind unwichtig oder gar tot, und anzunehmen, daß er grad meinetwegen jahrelang den Westen durchforscht habe, wäre lächerlich. Er hat durch seinen heutigen Besuch bewiesen, daß er wohl weiß, wie leicht ich zu finden bin. Und was die Nuggets betrifft, so hat er ja gelesen, daß sie für immer verloren sind. Also: Für die Ereignisse am Nugget Tsil und am Dunklen Wasser kommen nur zwei Personen in Betracht, nämlich Santer und ich! Ich aber scheide aus; folglich bleibt nur noch Santer. Und nun, paß auf, Herzle, kommt noch ein Hauptgrund, auf den ich mich stütze! Dieser sogenannte Mr. Enters will meinen ›Winnetou‹ kaufen. Wozu? Etwa um ihn übersetzen, drucken und verbreiten zu lassen?«

»Nein, sondern um zu verhindern, daß die Erzählung da drüben in englischer Sprache erscheint. Da hattest du recht. Das hörte man den Worten dieses Mannes an, besonders auch dem Schreck, den er nicht verbergen konnte, als er gegen alle seine Erwartungen hörte, daß er die Bücher nicht bekommt. Man soll da drüben die Vergangenheit und die Taten seines Vaters nicht kennenlernen.«

»Ja. Das ist für mich eine Tatsache, an der ich nicht im geringsten zweifle. Er hat geglaubt, mich mit einer Tasche voll Dollars übertölpeln zu können, obwohl er aus dem ›Winnetou‹ wissen mußte, daß ich auf solchen Köder nicht gehe. Dieser Besuch bei mir und sein Antrag waren eigentlich eine Beleidigung, und ich bin auf das Wiedersehn am Niagara nur eingegangen, weil es sehr triftige Gründe dafür gibt, die beiden Brüder Enters oder Santer von nun an nicht wieder aus dem Auge zu lassen. Du weißt ja, daß es eine Gewohnheit jedes erfahrenen Westmanns ist, sich gefährliche Leute niemals in den Rücken kommen zu lassen.«

»Gefährlich?« fragte sie. »Ich halte diesen Enters, obwohl er ein Santer zu sein scheint, doch für einen guten Menschen.«

»Ich auch. Aber kann nicht selbst die reine Güte einmal widerspenstig werden? Liegt in der Niedergeschlagenheit dieses Mannes nicht eine Gefahr, vor der man sich hüten muß? Und kennen wir seinen Bruder? Du weißt, Geschwister brauchen nicht von gleicher Herzens- und Willensanlage zu sein. Ich bin überzeugt, daß wir ihn in Niagara kennenlernen werden, und dann wird es sich ja finden, wie wir uns zu beiden zu stellen haben, um sie nicht zu zwingen, in die Fußtapfen ihres Vaters zu treten. Der Doktor sprach gestern von einem Verhängnis in ihnen. Dieses haben wir eben erkannt. Es ist der Santersche Drang zur Vernichtung. Du siehst, unsre Reise beginnt sehr spannend zu werden, noch ehe wir die ersten Schritte tun.«

»Ahnst du Gefahr?«

»O nein! Ich weiß nur, daß wir hinüber müssen, um den Mount Winnetou und Tatellah-Satah, den ›Bewahrer der großen Medizin‹, kennenzulernen. Er schreibt mir, daß ich meinen Winnetou ›retten‹ soll. Habe ich das zu tun, so gibt es für mich keine Gefahr. Etwa für dich?«

»Für mich ebensowenig. Ich gehe fröhlich mit!«

»Dann vorwärts also zu glücklicher Fahrt!« –


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