Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Am Morgen erwachte ich erst, als Halef an die Thüre klopfte. Ich tastete mich längs der Wand hin, um sie zu öffnen. Das helle Tageslicht fiel herein. Ich hatte mich verschlafen; im Hause aber war jedes Geräusch vermieden worden, um mich ja nicht zu stören.
Der Schneider mußte mit uns frühstücken; dann bezahlte ich die Zeche, und wir rüsteten uns zum Aufbruch.
Der Wirth war eine kleine Weile fort gewesen und hielt mir nun eine begeisterte Abschiedsrede. An diese schloß er die Bemerkung:
»Herr, wir scheiden in Freundschaft von einander, obgleich Du mir große Sorgen zugedacht hattest. Es ist Alles gut verlaufen, und so will ich Dir noch eine Warnung geben. Ich war soeben drüben bei dem Fleischer, weil ich als Nachbar mein Beileid sagen mußte. Der Bruder des Todten war nicht zu sehen. Es hieß, er sei fortgeritten. Aber im Hof sah ich das beste Pferd des Fleischers stehen, gesattelt und gezäumt. Das gilt Dir.«
»Vielleicht hat er ein Geschäft.«
»Glaube nur das nicht. Wenn er so verwundet ist, wie mein Zabtie mir sagte, so kann ihn nur die Blutrache aus dem Hause treiben. Sei also auf Deiner Hut!«
»Was für ein Pferd ist es?«
»Ein Brauner mit langer, breiter Blesse. Es ist das beste Pferd der ganzen Umgegend. Wenn der Mann beabsichtigt, Dir zu folgen, so wird er nicht eher wieder umkehren, als bis Du todt bist; denn nach den Gesetzen der Blutrache ist er ehrlos, wenn er Dich entkommen läßt.«
»Nun denn, ich sage Dir Dank für Deine Warnung. Lebe wohl!«
»Lebe wohl! Und erschrick nicht, wenn Du zum Thore hinaus kommst!«
»Was sollte mich erschrecken?«
»Du wirst es sehen und auch hören.«
Nun brachen wir auf. Das Thor wurde erst jetzt geöffnet. Ich ritt voran. Als ich mich unter dem Thorbogen befand und der Kopf meines Hengstes draußen sichtbar wurde, that es einen Knall, als ob der Blitz eingeschlagen habe, und ein entsetzliches Getöse folgte.
Mein Rappe bäumte und schlug mit allen Vieren um sich. Ich hatte Mühe, seine Hufe wieder zur Erde zu bringen.
Und was für ein Heidenlärm war das? Einen Tusch, einen schönen, ehrenden Tusch hatte man uns bringen wollen. Draußen stand die ganze gestrige Armeekapelle. Die Posaune hatte den erschütternden ersten Knall gethan, und jetzt donnerte und rumorte sie in Begleitung der andern Instrumente weiter. Endlich gab der Posaunist mit einer energischen Schwenkung seiner Zurna ein Zeichen – es trat Stille ein.
»Effendi,« rief mich ihr Besitzer an. »Nachdem Du uns gestern so hohe Ehren erwiesen hast, wollen wir heute Gleiches mit Gleichem vergelten und uns an die Spitze Eures Zuges stellen, um Euch bis vor den Ort hinaus das Geleite zu geben. Ich hoffe, daß Du uns diese Bitte nicht abschlägst.«
Und ohne Weiteres setzte sich der Zug unter musikalischem Lärm in Bewegung. Draußen vor dem Ort hielt Halef eine Ansprache des Dankes an die Herren, und dann kehrten sie in ihr Heim zurück. Wir aber wendeten uns nach Warzy zu, woher wir gestern gekommen waren. Dort wich unser heutiger Weg von dem gestrigen ab, da wir von da aus nach Jerßely reiten mußten.
Als wir über der Brücke der Sletowska waren, sagte ich zu Halef:
»Reitet im Schritt weiter, ich habe Etwas vergessen. Ich muß noch einmal zurück, aber ich komme bald nach.«
Sie ritten fort. Mir aber fiel es gar nicht ein, noch einmal in das Dorf zurückzureiten; ich hatte eine ganz andere Absicht, von welcher ich aber den Schneider nichts wissen lassen wollte. Er war mir noch zu fremd, als daß ich ihn hätte in's Vertrauen ziehen mögen.
Der Bruder des Fleischers sann auf Rache; das war gewiß. Er hatte sein Pferd bereitstehen, um uns zu folgen. Beabsichtigte er das wirklich, so brach er jedenfalls bald nach uns auf. Ich brauchte also nur kurze Zeit zu warten, um zu sehen, ob wir ihn zu fürchten hätten. Über diese Brücke mußte er jedenfalls kommen.
Ich trieb mein Pferd zwischen die Büsche, welche am Ufer standen und mich vollständig verdeckten, wenn ich mich ein wenig bückte. Da wartete ich.
Ich hatte mich nicht verrechnet. Kaum fünf Minuten später kam er im Trab herbei und über die Brücke. Er ritt den Braunen mit der Blässe, hatte eine Flinte am Sattel hängen und einen Haiduckenczakan an der Seite. Sein Gesicht war durch ein Pflaster entstellt, welches unter dem Fez hervor über Stirn, Nase und Wange lief.
Er hielt nicht die Richtung nach Warzy ein, sondern folgte dem Fluß bis zu dessen Vereinigung mit der Bregalnitza, dann noch ein Stück weiter und nahm hierauf die Richtung nach den steilen Abhängen zu, welche das Plateau von Jerßely tragen.
Ich war ihm vorsichtig gefolgt, mit meinem guten Fernrohr in der Hand. Der Rappe trug mich so weich und eben fort, daß ich den kleinen Punkt, welchen der Reiter bildete, stets fest im Glase hatte.
Es ging über die Straße, welche von Karaorman nach Warzy führt, und dann folgte ich ihm über eine ebene Wiesenfläche, welche inselartig mit Büschen bestanden war.
Hier konnte ich ihn nicht im Auge behalten, da die Strauch-Eilande sich zwischen uns schoben. Ich mußte seiner Fährte folgen, und die war deutlich genug.
Linker Hand stiegen die Abhänge steil an. Die Spur führte auf dieselben zu. Das Gras hörte auf, und es kam ein klarer Geröllboden zu Tage. Buschwerk aber gab es immerfort. Hier war die Fährte schwer zu erkennen, dennoch verlor ich sie nicht. Ich befand mich hart an dem steinigen Abhang, längs welchem er hingeritten war.
Da – ich riß den Rappen schnell zurück – hörte ich kurz und grad vor mir das Schnauben eines Pferdes. Eben hatte ich um einen Busch biegen wollen. Ich lugte vorsichtig um den Rand desselben und gewahrte den Braunen, der an den nächsten Strauch gebunden war. Der Sattel war leer.
Als ich mein Pferd einen Schritt weiter treten ließ, sah ich den Miriditen, welcher suchend und den Boden genau betrachtend langsam weiter ging und dann hinter dem ersten Strauchwerk verschwand.
Wen oder was suchte er? Das hätte ich so gern gewußt; aber ich konnte ihn nicht belauschen, denn ich durfte ihm nicht zu Pferd folgen, weil er mich unbedingt bemerkt hätte, und zu Fuß ging es ja auch nicht, da ich nicht laufen konnte.
Aber Eins war mir möglich, wenn mir die Zeit dazu blieb: – sein Gewehr für mich schadlos zu machen. Es hing am Sattelknopf. Zwar hatte ich keine Zeit, die Kugel heraus zu ziehen; aber es gab eine andere Art und Weise, es zum Versagen zu bringen. Und überraschte er mich ja dabei, nun, so war ich ihm mehr als gewachsen, falls er nicht etwa hier Gefährten hatte, die er treffen wollte.
Ich schwang mich also aus dem Sattel und nahm den Stutzen in die Hand, theils um ihn als Stütze beim Gehen zu benutzen, theils auch um an ihm eine zuverlässige Waffe zu haben. Die wenigen Schritte zum Braunen hin konnte ich wagen. Als ich bei ihm stand, nahm ich die Flinte vom Sattel, schnappte den Hahn auf und nahm das Zündhütchen ab. Nun zog ich aus der Jacke eine Stecknadel – ich hatte stets einige darin stecken – und stieß sie möglichst tief und fest in das Zündloch. Indem ich sie nach links und rechts bog, brach ich sie ab. Das Löchelchen war vollständig verstopft und die Flinte nun so unbrauchbar, wie eine vernagelte Kanone. Jetzt setzte ich das Zündhütchen wieder auf und ließ den Hahn herab. Nachdem ich die Flinte wieder so an den Sattel gehängt hatte, wie sie vorher hing, hinkte ich zu meinem Rappen zurück und stieg wieder auf.
Jetzt war ich ihm doch zu nahe. Ich kehrte um einen Busch weiter zurück und blieb hinter demselben halten. Nach einiger Zeit vernahm ich Hufschlag und menschliche Stimmen, die sich näherten.
»Die Zeit ist uns lang genug geworden,« hörte ich sagen, und wenn ich mich nicht täuschte, so war es Barud el Amasat. »Wir wollen nicht noch einen ganzen Tag lang vergebens hinter ihnen herschleichen, sondern wir reiten voraus und erwarten sie. Inzwischen können wir ausruhen, bis sie kommen.«
»Die Hunde brachen zu spät auf,« antwortete ein Anderer, dessen Stimme ich nicht kannte und der also sehr wahrscheinlich der Miridit war. »Auch mir ist die Zeit sehr lang geworden. Nun aber werde ich eilen.«
»So sieh Dich vor, daß es nicht abermals mißlingt, wie gestern abend.«
»Das war etwas ganz Anderes; heute entgeht er mir nicht. Ich habe den Lauf sogar mit gehacktem Blei geladen.«
»Nimm Dich in Acht! Er ist kugelfest!«
»Gehacktes Blei ist ja keine Kugel!«
»Wahrlich, da kannst Du Recht haben. Auf diesen Gedanken hätten wir längst kommen sollen!«
»Übrigens glaube ich nicht an dieses Märchen.«
»Oho!« hörte ich Manach el Barscha antworten. »Ich habe gestern abend sorgfältig geladen, mich an den Laden geschlichen und sogar mein Gewehr auf dem Fensterbrett aufgelegt. Dann zielte ich genau nach seinem Kopf, und als ich losdrückte, gab es einen furchtbaren Knall, und mein Gewehr riß mich über den Haufen. Daß ich ihn nicht getroffen habe, hast Du ja selbst gesehen.«
»Ja, ich stand unter der Hausthüre. Es ist freilich wunderbar. Ich konnte Dich gegen die Lampe sehen, welche in der Stube brannte. Ich konnte auch diesen Verdammten der Hölle sehen, nämlich seinen halben Kopf. Ich sah Dich auflegen und zielen, den Lauf ganz genau auf seinen Kopf gerichtet. Dein Schuß krachte und blitzte auf, als ob Du ein ganzes Pfund Pulver geladen hättest. Du stürztest zur Erde, dieser Mensch aber stand drüben – aufrecht und unversehrt – ich kann es heute noch nicht begreifen.«
»Er ist eben kugelfest!«
»Nun, so will ich es einmal mit gehacktem Blei versuchen, und thut auch das ihm nichts, so greife ich zu meinem Haiduckenbeil. In der Führung desselben bin ich Meister, dieser Franke aber wird noch niemals eine solche Waffe in der Hand gehabt haben. Ich werde ihn nicht etwa von hinten tödten, sondern ihn offen und frei überfallen.«
»Pah! Ehe er Zeit hat, sich zu wehren, ist er todt!«
»Aber seine Leute!«
»Die fürchte ich nicht.«
»Sie werden sich sofort auf Dich werfen.«
»Dazu finden sie gar keine Zeit. Bedenkt, daß ich hier den Braunen reite! Übrigens werde ich einen mit Büschen besetzten Platz wählen, wo ich ihnen hinter den Sträuchern rasch aus den Augen bin.«
»Vergissest Du, daß sein Rappe Deinem Braunen jedenfalls unendlich überlegen ist?«
»Was kann mir der Rappe schaden, wenn ich den Reiter getödtet habe?«
»Ein Anderer wird ihn besteigen und Dich einholen, vielleicht der kleine Satan, der gewandt und flink wie ein Affe ist.«
»Das wäre mir nur lieb. Dann könnte ich ihm Eins für gestern geben.«
»Nun, wir wünschen Dir Glück! Du hast Deinen Bruder zu rächen und also eine gerechte Sache, welcher Allah wohl Sieg verleihen wird. Gelingt es Dir dennoch nicht, nun, so kommst Du uns nach. Du weißt, wo wir zu finden sind, und heute Abend wird es beschlossen, wie wir diesen Burschen zu Leibe gehen. Jetzt scheiden wir, da wir nun wissen, daß sie aufgebrochen sind und nach Uskub reiten wollen.«
»Ihr schlagt also wirklich nicht denselben Weg ein, wie sie?«
»Nein, denn wir reiten über Engely, während sie über Jerßely gehen. Wir kommen eher an, als sie.«
»Nun, so kann ich doch noch eine Weile bei Euch bleiben. Wenn ich also heute nicht komme, so ist's geglückt, und Ihr bekommt auch diesen Effendi nie wieder zu sehen, denn er liegt irgendwo verscharrt. Vorwärts!«
Wieder hörte ich Pferdegetrappel, aber es entfernte sich.
Jetzt ließ ich auch meinen Rappen vorsichtig nach vorn. Ich erblickte die beiden Aladschy auf ihren Schecken, den Miriditen auf seinem Braunen, Manach el Barscha, Barud el Amasat und den Alten, den Mübarek, welcher in sehr hinfälliger Haltung im Sattel saß und den Arm in der Schlinge trug.
Hätten sie gewußt, daß ich mich höchstens zehn Ellen weit hinter ihnen befand! Welch eine Scene hätte das gegeben! Mein Pferd brauchte nur einmal zu schnauben, so war ich verrathen. Aber das kluge Thier wußte, was es zu bedeuten habe, wenn ich ihm die Hand für einen Augenblick auf die Nüstern legte. Dann gab es gewiß keinen Laut von sich.
Ich hatte nicht geahnt, so viel zu erfahren und solchen Erfolg zu haben. Von Geschicklichkeit meinerseits war hier gar keine Rede. In den Prairien und Urwäldern Amerika's wird noch ganz Anderes verlangt. Es war ein ungeheures Glück, welches sich auf meiner Seite befand – wenn es nämlich erlaubt ist, sich einmal des Ausdruckes Glück zu bedienen.
Jetzt konnte ich wieder zu meinen Gefährten stoßen, welche Warzy nun längst hinter sich hatten. Ich lenkte nach rechts hinüber, so daß ich diesen Ort gar nicht berührte.
Ich kannte die Gegend ganz und gar nicht, und es gab auch von Warzy nach Jerßely keinen gut betretenen Weg; das hatte ich von dem Schneider erfahren. Aber ich fand doch die Fährte der Meinigen, ungefähr drei Kilometer westlich von dem ersteren Dorf entfernt, und folgte ihr. Sie führte mich durch ein wildes, mit Steintrümmern besätes, schluchtenähnliches Thal empor zum Wald, in dessen weichem Boden sie sehr deutlich wurde, so daß ich meine Augen nicht mehr anzustrengen brauchte und schneller reiten konnte. Bald hatte ich die Gefährten eingeholt.
»Sihdi, eben wollte ich begehren, daß man auf Dich warte,« sagte Halef. »Was hattest Du vergessen?«
Bevor ich antwortete, warf ich einen forschenden Blick auf den kleinen Schneider. Er schien nicht im Mindesten neugierig auf meine Antwort zu sein.
»Ich wollte nach dem Miriditen, dem Bruder des Fleischers, sehen,« sagte ich. »Du hast doch von dem Wirth gehört, daß diese Brüder Miriditen sind.«
»Was geht uns dieser Miridit an?«
»Sehr viel. Er will mich unterwegs mit gehacktem Blei erschießen oder mit dem Haiduckenczakan tödten.«
»Das weißt Du?«
»Er selbst hat es gesagt – zu unseren guten Freunden, welche uns verschmachten lassen wollten.«
Ich erzählte nun den Vorfall, sagte aber nichts, daß ich das Gewehr des Miriditen vernagelt hatte. Dabei hielt ich den Blick fest auf den Schneider gerichtet. Er machte ein ehrlich erstauntes Gesicht und sagte schließlich:
»Effendi, was sind das für Menschen? Kann es denn wirklich solche gottlose Leute geben?«
»Wie Du hörst.«
»O Allah! Davon habe ich keine Ahnung gehabt. Was habt Ihr ihnen denn gethan?«
»Das wirst Du gelegentlich erfahren, wenn Du länger mit uns reitest, denn wir bleiben nicht in Uskub. Wir reiten nur durch die Stadt und dann schnell weiter nach Kakandelen und Prisrendi.«
»Also nach meiner Heimat? Das freut mich sehr. Was Euch gestern passirt ist, das habe ich heute früh von den Knechten erfahren. Nun seid Ihr auch heute wieder mit dem Tod bedroht. Da möchte einem ja angst und bange werden!«
»Du kannst Dich ja von uns trennen!«
»Das fällt mir gar nicht ein. Vielleicht liegt es nur an mir, daß Ihr glücklich entkommt. Ich werde Euch so führen, daß Euch dieser Miridit gewiß nicht findet. Ich führe Euch über Gebirgswiesen und offene Strecken. Später kommen wir dann hinab in die berühmte, fruchtbare Ebene Mustafa, welche sich von Uskub nach Südost bis über Köprili hinaus erstreckt und in welcher die neue Eisenbahn gebaut wird. Da haben wir ganz offenes Land. Und wenn es Euch recht ist, bleibe ich auch hinter Uskub noch Euer Führer.«
»Das ist uns ungemein lieb. Wie es scheint, bist Du sehr weit herumgekommen ?«
»Nur in dieser Gegend, welche ich aber auch ganz genau kenne.«
»Wir sind fremd und haben zuweilen von einem Mann sprechen hören, welcher der Schut genannt wird. Wer ist denn das?« fragte ich leichthin.
Der Zwerg zog die Brauen hoch empor und antwortete:
»Das ist ein berüchtigter Räuber.« Er blickte sich scheu um und fügte hinzu: »Es ist nicht gut von ihm zu sprechen. Er hat überall seine Leute. Hinter dem nächsten Baum kann Einer stehen.«
»Hat er denn eine so zahlreiche Bande?«
»Der hat seine Verbindungen überall, in jedem Dorf, in jeder Stadt. Der höchste Richter und der frömmste Imam kann ein Mitglied dieser Bande sein.«
»Ist ihm denn nicht beizukommen?«
»Nein. Das Gesetz vermag hier nichts. Ich bin kein Kundiger des Kuran, der Sunna und ihrer Auslegungen, aber ich habe einmal gehört, unsere Gesetze seien so dunkel und vieldeutig, daß sie selbst da, wo ihnen Nachdruck gegeben werden kann, mehr Schaden als Nutzen bringen. Der Richter kann ein solches Gesetz der verschiedenartigsten Deutung unterwerfen.«
»Leider ist das nur allzu wahr.«
»Wie soll es nun erst da sein, wo ihm kein Nachdruck gegeben werden kann, wo Niemand sich um das Gesetz zu kümmern braucht, wie hier bei uns? Nimm einmal die Albanesen an, die Arnauti, Skipetaren, Miriditen und all die Völkerschaften und einzelnen Stämme, von denen jede dieser Sippen ihre eigenen Gesetze, Gebräuche und Rechte hat. Das ist das richtige Feld für einen Mann, wie der Schut. Er lacht des Großherrn und seiner Beamten. Er verhöhnt die Richter, die Behörden, die Polizei und die Soldaten. Keiner von ihnen Allen kann ihm das Geringste anhaben. Hier lebt jedes Dorf in Gegnerschaft mit dem Nachbardorf. Jeder Ort hat mit dem andern irgend einen Diebstahl, Raub oder gar eine Blutrache auszugleichen. Das ist ein ewiger Krieg, und da behält natürlich der gewaltthätigste und größte Übelthäter die Oberhand. Aber Effendi, ich habe nichts, gar nichts gesagt. Ich bin ein armer Mann und will nicht noch unglücklicher werden, als ich schon bin.«
»Meinst Du, daß ich Deine Worte verrathe?«
»Nein, dazu bist Du zu edel. Aber die Bäume haben Ohren, und die Luft hört Alles.«
»Anderswo könnte so etwas freilich gar nicht vorkommen.«
»Gibt es an andern Orten, in andern Ländern nicht auch Räuber?«
»Ja, zuweilen, aber nur für kurze Zeit, fast nur für Tage, denn das Gesetz hat dort die nöthige Macht, um sie schnell unschädlich zu machen.«
»O, List geht oft noch über die Macht!«
»So wird die List mit List bekämpft. Bei uns ist kein Verbrecher so schlau, daß nicht irgend ein Polizist noch viel schlauer wäre. Käme ein solcher hierher, so würde er sehr bald den Schut aufgestöbert haben.«
»Pah! Der Schut würde den Mann wohl noch eher kennen, als dieser ihn. Wie dann?«
Es war, als ob der Schneider in seinen Ton eine gewisse Beziehung legen wolle. Es klang fast wie Hohn, oder hatte ich mich geirrt?
»Nun, dann würde der Geheimpolizist vielleicht verloren sein,« erwiederte ich; »aber Andere träten an seine Stelle.«
»Sie würden ebenso verschwinden wie er. Wie die Dinge hier liegen, ist dem Schut gar nicht beizukommen. Es ist am besten, man spricht gar nicht von ihm, und auch wir wollen dies Gespräch fallen lassen. So arm ich bin, muß ich doch Angst haben, wenn ich an ihn denke. Ich verdiene mir mein Geld nur paraweise und bringe nicht viel zusammen. Aber ich habe mir doch einige wenige Piaster sparen müssen für den Wundermann, der mich heilen soll. Wenn mich diese Räuber überfielen und mir die Frucht meiner Arbeit abnähmen, so könnte ich nicht einmal Medizin erhalten, um gesund zu werden.«
»Ist dieser Wundermann berühmt?«
»Weit und breit.«
»So ist auch wohl Dein Dörfchen weithin bekannt?«
»Gewiß; frage nur einmal danach.«
»Nun, ich habe allerdings bereits von Weicza sprechen hören. Es wurde dabei auch der Name eines berühmten Khan genannt, der sich dort in der Nähe befinden soll.«
»Wie heißt er?«
»Ich kann mich nicht genau besinnen. Ich glaube, es war das Wörtchen Kara dabei.«
Er sah mich scharf an. Es zuckte aus seinen Augen ein rascher, unbewachter Blick, ein versengender Blitz. Doch sofort nahm sein Blick die frühere Sanftmuth an, und der Schneider meinte:
»Kara, kara, hm! Ich kann mich nicht besinnen. Wenn Du das ganze Wort wüßtest, so käme ich vielleicht darauf.«
»Vielleicht fällt es mir noch ein. Kara – kara – Halef, Du hast den Namen auch gehört; fällt er Dir nicht ein?«
»Karanorman?« antwortete der Hadschi, der mich gar wohl verstand.
»Ja, ja, so war es. Karanorman-Khan! Kennst Du ihn, Afrit?«
Es schien, als ob er sich besinnen müsse, bevor er antwortete:
»Ja, jetzt weiß ich, was Du meinst. Es ist aber nicht etwa ein großer Khan, sondern nur eine Art Ruine. Es wohnt da kein Mensch. Erst war es ein großes Karawanenserai, vor Jahrhunderten. Dann wurde ein Karaul daraus, ein Wacht-Thurm für die Grenzsoldaten, und nun liegt es in Trümmern. Was hat man denn von dem Ort gesagt?«
»Daß der Schut dort selbst sein Wesen treiben soll.«
Über sein sanftes Gesicht ging ein Zucken, als ob er eine plötzliche, gewaltige Bewegung niederkämpfen müsse. Dann sah er mir ebenso ruhig und mild wie vorher in das Gesicht und erwiederte:
»Ich glaube, daß man Dir da Etwas weis gemacht hat.«
»Meinst Du?«
»Ja; denn ich kenne den Ort sehr genau. Ich bin zu jeder Stunde des Tages und auch der Nacht dort gewesen und habe nie Etwas gesehen, was darauf schließen ließe, daß diese Sage auf Wahrheit beruhe. Auch in der ganzen Gegend weiß man nichts. Ich behaupte sogar, daß der Schut grad dort viel weniger erwähnt wird, als anderswo.«
»Er wird sich wohl hüten, grad da, wo er wohnt, die Bevölkerung gegen sich aufzubringen.«
»Das könnte sein. Ich sehe, Herr, Du bist ein schlauer Kopf und gehst der Sache leicht auf den Grund. Das aber kann Dein Verderben sein. Weißt Du, daß ich Dich nun in Verdacht habe, daß Du den Schut suchst?«
»Ah! Wie kommst Du auf diesen Gedanken?«
»Deine ganze Art und Weise führt darauf.«
»Höre, ich beginne zu bemerken, daß Dein Scharfsinn auch nicht ungeübt ist. Das kann ebenso leicht Dein Verderben sein.«
»Du scherzest. Ich bin ein armer Schneider; Du aber hast, wie ich höre, schon seit Tagen die Anhänger des Schut verfolgt und verfolgst sie auch weiter. Ich muß Dich für einen Polizisten halten, für einen von der listigen Art, von welcher Du vorhin sprachst.«
»Das bin ich nicht!«
»Es scheint aber so. Vielleicht suchst Du den Schut in Karanorman-Khan. Du wirst aber nicht dahin kommen.«
»Warum nicht?«
»Weil Du vorher ermordet wirst. Der Schut weiß bereits ganz gewiß, was Du vorhast. Du bist dem Tod verfallen.«
»Wollen sehen!«
»Wenn Du es siehst, ist Rettung unmöglich.«
»Nun, ich wiederhole, daß ich kein Beamter und kein Polizist bin. Der Schut und seine Leute mögen mich in Ruhe lassen.«
»Du sie also auch!«
Diese vier Worte wurden in einem befehlenden Tone gesprochen. Seine Stimme bebte und klang wie heiser. Er war innerlich erregt. Dieser Zwerg, der sich Afrit, Riese, nannte, war nicht das, wofür er sich ausgab; jetzt wollte ich darauf schwören. Aber er besaß eine ungeheure Verstellungsgabe. Dieser kleine Sperber verstand es, das Gefieder einer Turteltaube anzulegen. Er war doch vielleicht jener Suef, welcher mich ›liefern‹ sollte.
Aber das war mir wieder deßhalb unwahrscheinlich, weil der Kiaja ihn gekannt hatte und auch seinen Namen dazu. Oder sollte er nur von den Mitgliedern der Verbrüderung ›Suef‹ genannt werden? Reiste er als armer, ehrlicher Schneider herum, um für die Räuber Gelegenheiten auszuspähen?
Ich mußte mich vor ihm außerordentlich in Acht nehmen. Jetzt antwortete ich:
»Ich lasse sie in Ruhe. Ich habe mich nicht eher um die Aladschy und die Andern bekümmert, als bis sie mir Veranlassung dazu gaben.«
»So thue, als hättest Du keine Veranlassung erhalten!«
»Nein, mein Lieber, das thue ich nicht. Wer sich mir in den Weg stellt, den reite ich nieder, und wäre es der Schut selbst. Will er sich an mich wagen, so mag er es versuchen. Es wird sich zeigen, wer den Kürzeren zieht.«
Er reckte den Kopf in die Höhe und streckte den Hals aus, als ob er ein Gelächter anschlagen wollte. Ein höhnisches, ein sehr höhnisches sollte es werden, das sah ich seiner Miene an. Aber er beherrschte sich und sagte in warnendem Ton:
»Keine Behörde des Großsultans vermag Etwas gegen ihn; selbst das Militär ist zu schwach. Und Du, ein Einzelner und Fremder, willst ihm drohen?«
»Er ist ebenso ein Einzelner, wie ich; er ist mir ebenso fremd, wie ich ihm. Wenn ich mit ihm einmal zusammentreffe, so wird zwischen uns nur unsere persönliche Kraft, Gewandtheit und List entscheiden.«
»Ich sehe, daß Du wirklich beabsichtigst, den Schut aufzusuchen.«
»Nun, ich bin zu stolz, es zu leugnen.«
»Ah! Und willst wohl gar mit ihm kämpfen?«
»Je nach den Umständen. Ich bin fremd, ich habe kein Interesse an den hiesigen Personen und Verhältnissen; ob ein Schut hier existirt oder nicht, ob es einen Räuber mehr oder weniger gibt, das ist mir ganz gleichgültig. Aber ich habe ein persönliches Verlangen an ihn zu stellen. Gehorcht er meinem Gebot, so – –«
»Gewährt er Deine Bitte, willst Du wohl sagen, Herr?«
»Nein. Der Ehrliche steht über dem Spitzbuben und hat ihm zu befehlen. Also, gehorcht er meinem Gebot, so scheide ich von ihm, ohne ihm ein Haar zu krümmen. Thut er es aber nicht, so hat es einen Schut gegeben!«
Ich sah, daß seine kleine, schmale Brust schwer Athem holte. Der Mann war leichenblaß geworden. Er befand sich in einer sehr großen Aufregung, aber er beherrschte auch diese und sagte ruhig:
»Effendi, Du thust, als ob Du unverletzlich seiest und tausend Schuts nicht zu fürchten hättest.«
»Das ist auch der Fall,« antwortete ich, indem ich mit der Hand auf das Knie schlug, daß es klatschte. »Wir sind nur vier Männer. Wir haben eine Abrechnung mit dem Schut zu halten. Er und seine Verbündeten müssen uns fürchten, nicht aber wir sie. Ich blase alle diese Kerle mit einem Hauch von meiner Hand herunter in den Staub!«
Dabei blies ich über meine emporgehobene flache Hand. Es fiel mir gar nicht ein, zu bramarbasiren oder den Maulhelden zu spielen. Indem ich mich so ungeheuer in Kraft warf, verfolgte ich eine bestimmte psychologische Absicht. Ich wollte den Kleinen in Wuth bringen, damit er seine Selbstbeherrschung verlöre und sich durchschauen ließe. Aber das Bürschlein zeigte sich mir überlegen. Er blinzelte mich lustig an und meinte:
»So blase immer zu, bis Du selbst fortgeblasen bist. Ich bin Dein Freund. Du hast den armen Schneider freundlich aufgenommen und bewirthet. Dafür bin ich Dir dankbar und möchte Dich vor Üblem bewahren; daher warnte ich Dich. Du aber hörst nicht auf mich und bist also nicht zu retten. Du bist hier fremd; ich aber kenne das Land ganz anders als Du. Ich habe versprochen, Dich nach Kakandelen zu bringen; aber ich bin nun überzeugt, daß Du diese Stadt nie in Deinem Leben sehen wirst, denn Dein Leben ist viel zu kurz zu dieser Reise.«
»In zwei oder höchstens drei Tagen bin ich dort.«
»Nein, sondern Du bist in der Stadt der Todten.«
»Das weißt Du so bestimmt? Fast klingt es, als ob Du mit dem Schut ganz außerordentlich vertraut seiest!«
»Das ist nicht Dein Ernst. Ich sage nur so, weil ich aus ähnlichen Beispielen ersehen habe, daß der Schut nicht mit sich scherzen läßt.«
»O, ich werde mit dem Schwager Deselim's keinen Spaß machen!«
»Herr, wer hat Dir das verrathen?« rief er hastig.
Jetzt hatte ich ihn gefaßt – trotz seiner ungemeinen Schlauheit und großen Verstellungskunst. Er kannte Deselim und wußte, daß dieser der Schwager des Schut war; er hatte sich verrathen. Aber ich ließ mir nichts merken, denn sobald er wußte, daß ich ihn durchschaute, konnte ich keinen Nutzen mehr aus ihm ziehen.
»Er selbst hat es mir gesagt,« antwortete ich.
Es traf mich ein funkelnder Blick, der aber gedankenschnell an mir vorüberglitt. Das war ein Blick des Hasses gewesen. Er wußte, daß Deselim durch mich den Hals gebrochen hatte. Das hatte ich diesem Blick angemerkt. Dieser kleine, höfliche, unterthänige Mensch war mein Todfeind.
»So war das sehr unvorsichtig von ihm,« bemerkte er freundlich. »Aber weiß denn Deselim, was sein Schwager treibt – und daß derselbe der Schut ist?«
Ah, er hatte seinen Fehler erkannt und versuchte nun, denselben gut zu machen, indem er eine kindliche Unbefangenheit heuchelte.
»Natürlich weiß er es, sonst hätte er es mir nicht gesagt,« erwiederte ich.
»Wie hast Du es ihm denn entlockt?«
»Durch List.«
»Bei Allah, Du bist ein höchst gefährlicher Mensch! Wäre ich der Schut, so müßtest Du augenblicklich sterben; da ich aber nur ein armer Schneider und ein ehrlicher Mensch bin, so freue ich mich, daß es auch kluge Leute gibt, welche im Stande sind, die Bösen zu überlisten. Aber wenn Du das weißt, so ist es ein höchst gefährliches Geheimniß für Dich. Der Schut muß Dich ja tödten lassen, um dasselbe für sich zu retten.«
»Pah! Ich habe schon öfters getödtet werden sollen in der letzten Woche. Erst gestern wieder zweimal, vorgestern auch und ehegestern ebenso. Heute will mich der Miridit mit gehacktem Blei erschießen oder mit dem Beil erschlagen!«
»Wie konntest Du nur wagen, ihm nachzureiten?«
»Ich bin noch ganz andern Burschen nachgeritten!«
»Wenn er sich umdrehte, warst Du verloren!«
»Nein, er!«
»Denke das nicht! Er ist ein Miridit, ein Tapferer!«
»Und was ich bin, wirst Du heute sehen. Als ich ihm folgte, hatte ich ihn stets vor mir. Konnte ich ihm da nicht in jedem mir beliebigen Augenblick eine Kugel geben? War er in meiner Gewalt oder ich in der seinigen?«
»Du hattest ihn diesmal in der Hand, wenn Du nämlich ein guter Schütze bist; aber wenn Ihr Euch heute wiederseht, so bist Du in seiner Gewalt.«
»Das glaube ich nicht.«
»O gewiß! Er lauert Dir auf und wird auf Dich schießen, wann und wo und wie es ihm beliebt, ohne daß Du es ahnst. Du wirst ihn gar nicht sehen und eine Leiche sein.«
»Und ich sage Dir: wenn er es wagt, sein Gewehr gegen mich zu erheben, so ist er verloren!«
»Herr, Allah ist mein Zeuge, daß dies doch vermessen ist!« rief er zornig.
»Es ist nicht Vermessenheit. Ich weiß, was ich sage!«
»Und ich sage Dir: selbst wenn seine Kugel Dich aus irgend einem Grunde fehlen sollte, so bist Du doch seinem Czakan verfallen. Er ist Meister im Werfen desselben. Du aber, hast Du einmal ein Haiduckenbeil geworfen?«
»Nein.«
»So bist Du verloren. Und wenn Du ihm auch entgingest, so sind doch die Andern da, denen Du gestern entkommen bist. Sie können hier hinter jedem Busch stecken, um Dich zu überfallen.«
»Das ist unmöglich!«
»Warum?«
»Weil sie nach Engely geritten sind. Und wären sie hier, so gäbe es Spuren von ihnen; mein Pferd würde sie durch Schnauben verrathen, und ich würde sie bereits von Weitem erkennen, denn meine Augen sind seit langen Jahren den Wald gewohnt.«
Er war jedenfalls höchst überzeugt, daß ich in einer Stunde nicht mehr leben würde; darum ärgerte es ihn, daß ich mich so geringschätzig über meine Feinde äußerte.
»Ich wiederhole es,« sagte er, »Dir ist nicht zu helfen. Du glaubst ja selbst der Wahrheit nicht, daß sie wahr ist!«
»Wenn sie erst verlangt, daß ich ihr glauben soll, so ist sie eben nicht wahr! Wollen abbrechen. Du wirst uns noch besser kennen lernen, als bisher. Wenn ich es will, so geht das Gewehr des Miriditen gar nicht los; er mag sich noch so große Mühe geben.«
»So könntest Du wirklich zaubern?«
»Pah! Ich kann auch nicht mehr als andere Menschen; aber ich habe noch anderen Männern gegenüber gestanden, als dieser Bruder des Fleischers ist, und ich weiß, wie ich mich gegen ihn zu wahren habe. Halef, wenn er mich anfällt, so überlaßt Ihr ihn mir allein. Ihr sollt dabei gar nichts zu thun haben.«
»Wie Du willst, Sihdi,« antwortete der Kleine sehr gleichmüthig.
Die Steilungen, welche zu dem Plateau von Jerßely führen, sind mit Wald bestanden; das Plateau selbst aber trägt prächtige Weiden und Ackerfelder. Wir hatten den Baumgürtel hinter uns und ritten nun über einen weiten, ebenen Plan, welcher mit kurzem, dünnhalmigen Gras bestanden war. Zuweilen unterbrach ein Buschwerk die Fernsicht.
Da kamen wir auf eine Pferdespur, welche von links herüberführte und dann ganz genau in unsere Richtung einbog. Ich hielt an und betrachtete sie, indem ich mich vom Sattel niederbeugte.
»Was suchst Du hier?« fragte der Schneider.
»Ich will sehen, wer hier geritten ist,« antwortete ich.
»Wie willst Du das sehen?«
»Nach meiner Art und Weise, die Du freilich nicht kennst. Ich sehe, daß der Miridit es war. Er ist vor ungefähr einer Viertelstunde hier vorübergekommen.«
»Das kannst Du doch unmöglich behaupten!«
»O doch! Die niedergetretenen Gräser verrathen mir ganz genau die Zeit. Reiten wir weiter!«
Jetzt hatte ich Zweierlei zu beobachten, nämlich die Fährte und auch den Schneider. Ich bemerkte, daß sich eine gewisse Unruhe seiner bemächtigt hatte. Sein Blick wurde unstät und doch schärfer dabei. Er sah bald nach rechts und bald nach links, und es schien mir, als ob er ganz besonders nach den Büschen spähte, an denen wir vorüber kamen.
Hatte das einen bestimmten Grund? Jedenfalls! Darum beobachtete ich nun selbst auch die Sträucher schärfer und da bemerkte ich bald, daß der Miridit unserm Führer geheime Weisung ertheilte.
Bald links und bald rechts war ein Zweig geknickt und nach der Richtung gelegt, welche wir einhalten sollten.
Sie hatten sich natürlich darüber verabredet und ganz gewiß geglaubt, einen ungeheuer klugen Gedanken gefaßt zu haben. Ich hätte nun meine Beobachtung mir zu Nutzen machen können, ohne ein Wort darüber zu sprechen; aber dieser Schneider sollte nicht innerlich über uns lachen. Wie er selbst den Überfall voraussah, so wollte auch ich denselben voraussagen.
Darum hielt ich, als wir wieder an eines dieser Zeichen gelangten, an und sagte zu Halef:
»Hadschi, siehst Du diesen umgebrochenen Zweig?«
»Ja, Herr.«
»Wer mag ihn umgebrochen haben?«
»Irgend ein Wild.«
»Das könnte nur ein Hochwild gewesen sein, und dann müßten wir die Fährte desselben sehen.«
»Das Gras hat sich wohl wieder aufgerichtet, so daß sie nicht mehr zu sehen ist.«
»In diesem Falle wären viele Stunden vergangen, seit der Zweig umgebrochen wurde, und dann müßte die Bruchfläche verdorrt sein. Sie ist aber noch so frisch und feucht, daß höchstens eine Viertelstunde vergangen sein kann, seit sie entstanden ist.«
»Wer soll es denn gethan haben, und was geht es uns an? Warum interessirst Du Dich so sehr für diesen Zweig?«
»Weil er mir eine ganze Geschichte erzählt.«
»Eine Geschichte? Sihdi, ich weiß, daß Du die Fährten und Spuren zu lesen verstehst, wie sonst Keiner. Nun, diejenige des Miriditen haben wir deutlich vor uns. Was aber haben wir mit diesem Zweig zu thun?«
Der Schneider hielt abseits und blickte mich mit einem ruhig sein sollenden Ausdruck an. Aber einer seiner Mundwinkel war leise geöffnet und ein wenig seitwärts gezogen, was dem Gesicht den allerdings nur schwer bemerkbaren Ausdruck heimlichen Hohnes gab.
»Wenn Du es nicht weißt, was dieser Zweig mir erzählt, so wird vielleicht unser Führer Afrit scharfsinniger sein, als Du,« sagte ich.
Der Schneider machte sogleich ein sehr erstauntes Gesicht und antwortete:
»Herr, ich weiß nichts und ahne nichts, und auch Du wirst nichts wissen. Was soll ein solcher Zweig erzählen?«
»Sehr viel.«
»Ja, er predigt die Vergänglichkeit alles Irdischen. Noch gestern grünte er und jetzt muß er welken und verdorren.«
»Ja, und dabei soll er mir sagen, daß auch ich dem Tod geweiht bin.«
»Wie so? Ich verstehe Dich nicht.«
»Nun, ich bin überzeugt, daß der Miridit ihn umgebrochen hat.«
»Weßhalb?«
»In einer ganz besonderen Absicht. Hast Du nicht schon auch andere Zweige bemerkt, die umgebrochen waren?«
»Nein, Herr.«
»Dieser hier wird der elfte sein, den ich bemerke.«
»Das ist ein Zufall.«
»Man kann im Gehen oder Reiten einmal ein Ästchen in Gedanken, im Spiel der Finger knicken, aber elf Zweige knicken, und zwar bald rechts und bald links, das kann nur in einer bestimmten Absicht geschehen.«
»So möchte ich diese Absicht wissen.«
»Du brauchst nur aufzupassen. Wir werden wahrscheinlich noch mehrere dieser Zeichen bemerken, und da wirst Du sehen, daß sie alle nach einer Richtung geknickt sind.«
»Natürlich, weil das betreffende Wild nach dieser Richtung gelaufen ist.«
»Von einem Wild ist gar keine Rede. Die Knickungen der Zweige befinden sich nämlich genau so hoch wie die ausgestreckte Hand eines Reiters. So hoch kommt kein Reh und auch nicht das Geweih eines Hirsches. Und überdies führt die Fährte des Miriditen stets genau nach rechts oder links zu dem Busch, wo das Zeichen angebracht worden ist.«
»Aber, Herr, da Du so scharfsinnig bist, so sage uns doch, was er damit beabsichtigt haben soll!«
»Kennst Du vielleicht einen Mann, welcher Suef heißt?«
Dieser kleine Kerl, welcher sich so hartnäckig ein armes Schneiderlein nannte, mußte doch eine ungeheure Selbstbeherrschung besitzen, denn er zuckte mit keiner Miene. Wäre es nicht wie ein Schatten über das Licht der Augen, mit denen er mich anblickte, gegangen, so hätte ich leicht glauben können, daß ich mich irrte.
»Suef?« antwortete er. »Den Namen habe ich gehört, aber ich kenne Keinen, der so heißt.«
»Ich dachte, da Du in dieser Gegend so bekannt wärest, würdest Du den Mann kennen, den ich meine.«
»Ich kenne ihn nicht. Was soll er sein?«
»Ein Anhänger des Schut. Er soll uns heute dem Miriditen vor das Gewehr führen.«
»Herr, was denkst Du?«
Jetzt verrieth sein Gesicht wenn nicht Schreck, doch eine deutliche Besorgniß; aber er konnte dieselbe ja ebenso gut um meinet- wie um seinetwillen hegen.
»Ich weiß es,« fuhr ich fort. »Es wurde gestern ausgemacht, daß dieser Suef versuchen solle, sich unser Vertrauen zu erwerben und uns dann in die Falle zu führen.«
»Herr, Du scheinst allwissend zu sein!«
»Nur aufmerksam bin ich, weiter nichts.«
»Woher weißt Du das?«
»Darüber will ich nicht sprechen. Ich bin gewohnt, Alles zu beobachten und meine Schlüsse daraus zu ziehen. Das wirst Du auch jetzt an diesen Zweigen erfahren.«
»Ist denn dieser Suef wirklich gekommen?«
»Nein. Er sollte sich uns natürlich als Führer anbieten. Glücklicher Weise aber haben wir Dich vorher getroffen, und dieser Suef hat also eingesehen, daß er nun nicht bei uns anzukommen vermag.«
»Wie aber hängt das mit diesen Zweigen zusammen?«
»Der Miridit will Suef andeuten, wie er zu reiten habe.«
»So würde also der Miridit noch nicht wissen, daß dieser Suef nicht bei uns ist.«
»Freilich nicht. Der Spion und Verräther hat sich jedenfalls erst unterwegs an uns machen wollen. Da hat er aus seinem Versteck Dich gesehen und nun erkannt, daß wir keinen Führer brauchen. Jedenfalls schleicht er nun hinter uns her.«
Das Gesicht des Schneiders erhellte sich. Er hatte wirklich besorgt, durchschaut worden zu sein. Nun aber war er beruhigt, denn ich glaubte ja, diesen Suef hinter mir zu haben. Er ahnte nicht, daß ich ihn kannte, und dabei mußte ich ihn lassen.
»Aber ich denke doch, daß Du Dich irrst,« begann er wieder. »Dein Verdacht ist falsch.«
»Wie so?«
»Wozu brauchte der Miridit die Zweige zu knicken? Der Verräther, dieser Suef, würde doch diese seine Spur deutlich erkennen. Wenn eine Fährte so deutlich ist, bedarf es doch nicht noch gewisser besonderer Zeichen!«
»O doch! Man kennt ja die Gegend noch nicht genau, durch welche man kommt. Der Boden kann hart sein, so daß er keine Spuren aufnimmt; da muß man also andere Zeichen haben.«
»Aber hier ist er weich. Wenn das Umknicken wirklich den Zweck haben soll, wie Du meinst, so hätte es hier unterlassen werden können.«
»Auch nicht; denn die Fährte konnte durch irgend einen Umstand verwischt werden. Andere konnten noch vor uns hierher kommen. Dann war die Spur des Miriditen nicht zu unterscheiden. Also hat er diese Zeichen für unbedingt nothwendig gehalten. Aber das ist für mich noch immer nicht die Hauptsache.«
»Noch mehr denkst Du?«
»Ja, und Du hast mich falsch verstanden. Er will mit diesen Zeichen nicht sagen, wie er geritten ist, sondern wie Suef uns führen soll.«
»Ist das nicht Einerlei?«
»Durchaus nicht. Ich bin vollständig überzeugt, daß es nicht lange dauert, so wird die Richtung dieser Zeichen von seiner Fährte abweichen.«
»Allah! Was hast Du für einen Kopf!« rief er aus.
Das war ein ungeheucheltes Erstaunen. Ich hatte also das Richtige getroffen und antwortete:
»Mein Kopf ist nicht besser als der Deinige. Ich überlege mir die Sache genau. Ich sehe im Geist den Miriditen hier warten, und ich sehe auch uns kommen, geführt von dem Verräther Suef. Wenn der Erstere mich tödten will, so muß er mir doch auflauern. Er wird also zur Seite hinter den Büschen stecken. Folglich muß er vorher von unserer Richtung abgewichen sein. Siehst Du das nicht ein?«
»O ja!«
»Also muß er vorher ein Zeichen geben, daß Suef von dem betreffenden Punkt aus ihm nicht mehr folgen soll. Und dieses Zeichen werden wir bald finden. Reiten wir jetzt weiter!«
Indem wir unsere Pferde wieder in Bewegung setzten, sagte der Schneider:
»Ich bin ganz begierig darauf, zu erfahren, ob Du recht vermuthest.«
»Und ich bin überzeugt davon, daß ich mich nicht irre. Ich weiß ganz genau, daß ich jetzt noch nichts zu fürchten brauche. Erst wenn sich die Richtungen getrennt haben, wird der Überfall erfolgen. Und so wie ich Dir hier bewiesen habe, daß ich sämmtliche Gedanken und Absichten des Miriditen und dieses Suef mir von den Zweigen habe erzählen lassen, so weiß ich auch noch mehr vorher, als Du ahnst und denken kannst. Der Schut ist mir ein sehr ungefährlicher Bursche.«
Wir kamen noch an mehreren umgebrochenen Zweigen vorüber. Ich machte den Schneider auf dieselben aufmerksam und bewies ihm, daß das Pferd des Miriditen stets ganz nahe an dem betreffenden Busch vorübergekommen war.
Dann gelangten wir an diejenige Stelle, welche ich ihm vorhergesagt hatte. Die Pferdespur führte links ab, während geradeaus an zwei einander gegenüberliegenden Büschen die umgebrochenen Zweige nach vorwärts deuteten.
»Siehe, da hast Du den Punkt, welchen ich meine,« sagte ich; »der Miridit ist nach links geritten, um den Hinterhalt zu gewinnen; Suef soll uns aber gradaus führen, zwischen diesen Büschen hindurch. Bist Du nicht auch dieser Ansicht?«
»Herr, ich kann Dir nicht antworten. Deine Gedanken sind mir zu hoch.«
»Ich habe Dir ja Alles deutlich erklärt.«
»Ja, aber dennoch kann ich Deinen Schlüssen nicht folgen. Ich denke, Du wirst Dich wohl irren.«
»Ich irre mich nicht.«
»Was wirst Du thun?«
»Zunächst würde ich diesen Suef, wenn er bei mir wäre, hier an dieser Stelle so peitschen lassen, daß er nicht wieder aufstehen könnte.«
»Ihm würde sein Recht werden! Leider aber ist er nicht da.«
»Jedenfalls ist er hinter uns. Ich hätte große Lust, auf ihn zu warten.«
»Er wird sich hüten, sich sehen zu lassen.«
»Ganz richtig. Aber ich bekomme ihn doch in meine Hand; dann soll er seinen Lohn erhalten.«
»Recht so, Herr!«
»Denkst Du, daß hundert Hiebe genug sein werden?«
»Nein. Wenn Du ihn in Deine Hände bekommst, so mußt Du ihn todtpeitschen lassen, denn der Verräther ist schlimmer als der Thäter.«
»Ganz richtig; aber es genügen fünfzig.«
»Das wäre eine außerordentliche Milde und Gnade, Herr.«
»Merke Dir diese Deine Worte und bitte dann nicht etwa um Gnade für ihn; aber das wird ja später sein. Jetzt haben wir es mit der Gegenwart zu thun.«
»Ja, Sihdi, wir können doch nicht hier halten bleiben!« mahnte Halef. »Vielleicht steckt der Miridit gar nicht weit von hier.«
»Das befürchte ich nicht. Wir reiten weiter, aber nicht genau in der Richtung, welche die Zweige uns andeuten, sondern ein wenig weiter nach rechts. Auf diese Weise bringen wir mehr Raum zwischen ihn und uns. Ich bleibe für einige Augenblicke hier zurück, werde aber schnell wieder bei Euch sein. Und noch Eins, Halef! Nimm Dein Gewehr zur Hand. Man weiß nicht, was geschehen kann. Den Miriditen nehme ich ganz allein auf mich. Solltest Du aber auf irgend eine Weise diesen Suef bemerken, so jagst Du ihm sofort eine Kugel durch den Kopf.«
»Einverstanden!« nickte Halef.
»Und da unser guter Afrit nicht bewaffnet ist, so müssen wir ihn beschützen. Osco und Omar mögen ihn in ihre Mitte nehmen, und Du reitest ganz nahe hinterher und bist sogleich bei der Hand, wenn etwas Verdächtiges geschieht.«
»Keine Sorge, Effendi! Ich werde augenblicklich hinter diesem Suef sein!«
Der Hadschi verstand mich vollständig. Ich war überzeugt, daß er den Schneider sofort erschießen würde, wenn es diesem einfallen sollte, die Flucht zu ergreifen. Dieser selbst aber sah mich mit einem besorgt forschenden Blick an und sagte:
»Effendi, macht Euch doch um meinetwillen keine Sorge!«
»Das ist unsere Pflicht. Du befindest Dich bei uns und bist also der Feind unserer Feinde. Als solcher wirst Du von ihnen behandelt. Wir müssen Dich darum in unsern Schutz nehmen. Entferne Dich aber ja nicht von meinen drei Gefährten, denn dann könnte Dir Etwas geschehen, wofür wir Dir nicht verantwortlich sind. Du bist nur bei ihnen sicher.«
»Und Du reitest nicht mit uns?«
»Ich bleibe für einen Augenblick zurück.«
»Warum?«
»Aus Feigheit. Der Miridit mag erst Euch erschießen, bevor er mich trifft. Vorwärts!«
Halef lachte über meine Antwort und winkte mit dem Auge nach der Fährte des Miriditen. Er errieth, daß ich derselben folgen wollte.
Ich wartete, bis sie zwischen den beiden Büschen hindurch waren, und ritt dann langsam nach links auf der Fährte weiter.
Natürlich galt es nun, die Augen überall zu haben. Ich konnte von dem Miriditen viel eher bemerkt werden, als ich selbst ihn erblickte. Darum wich ich lieber von der Fährte ab, eine Strecke weiter nach links mit derselben parallel reitend.
Die Büsche standen in ziemlich regelmäßigen Entfernungen aus einander, immer zwischen fünfzehn und zwanzig Ellen ungefähr. So oft ich einen Strauch erreichte, hielt ich an, um erst vorsichtig hinter demselben hervor zu spähen.
Da hörte ich einen schrillen Pfiff. Er kam von da her, wo meine Gefährten jetzt sein mußten. Wer hatte ihn ausgestoßen? Halef etwa, um mich zu warnen oder mir ein Zeichen zu geben? Nein, sein Zeichen wäre anders gewesen. Oder der Schneider? Hatte er mit dem Miriditen verabredet, unser Nahen durch einen solchen Pfiff kund zu geben? Dann war es höchst verwegen von ihm, unter den jetzigen Umständen, wo er wußte, daß der ganze Plan mir verrathen sei, dieses Signal dennoch hören zu lassen.
Kaum war der Pfiff verhallt, so hörte ich vor mir, hinter dem Gesträuch, einen Ton, als ob Jemand halblaut das Wort »el hassil – endlich!« ausrufe. Ich vernahm das Stampfen von Hufen, nicht hell, sondern dumpf, wegen des weichen Bodens, und richtete mich hoch im Sattel auf, um über den Busch, hinter welchem ich angehalten hatte, hinweg zu sehen.
Ja, richtig, ich erblickte den Miriditen, welcher neben seinem Pferd im Gras gesessen hatte und sich nun in den Sattel schwang. Auch er stand hoch in den Bügeln und schaute nach uns aus.
Ich muß gestehen, daß er den Platz sehr gut gewählt hatte, denn derselbe paßte ausgezeichnet zu dem beabsichtigten Unternehmen. Der Miridit konnte zwischen den Büschen hervor gedankenschnell über uns kommen und ebenso rasch wieder hinter ihnen verschwinden. Sein plötzliches, unerwartetes Erscheinen mußte uns verblüffen. Ehe wir uns gefaßt hatten, war ich von ihm erschossen oder erschlagen, und er befand sich bereits in Sicherheit, bevor meine erschrockenen Gefährten an eine Verfolgung des Mörders denken konnten.
Das war freilich Alles ganz hübsch ausgedacht, aber die Rechnung hatte nicht meine Genehmigung, und um einen Strich durch dieselbe zu machen, hatte ich bereits während der letzten zwei Minuten meinen Lasso aufgerollt.
Diese Waffe, welche in der Hand eines Geübten dem Gegner so furchtbar werden kann, ist nicht, wie Viele meinen, ausschließlich eine amerikanische. Alle Nomadenvölker, welche Heerdenbesitzer sind, bedienen sich derselben in verschiedenartig abgeänderter Gestalt und in der ihnen eigenen Art und Weise. Der ungarische Czikos bedient sich der Leine oder des Fangriemens ebenso wie der russische Tabuntschik. Die Turkmenen haben ihren langen, geschmeidigen Kajy ebenso, wie die Mongolen, Ostjaken, Tungusen und Kirgisen sich mit der Wurfschlinge die einzelnen Thiere aus den Heerden holen.
Darum war es gar nicht etwa ein lächerlicher Gedanke von mir gewesen, das Lasso mit auf die Reise zu nehmen. Ich war ja vorzugsweise mit Nomaden in Berührung gekommen, und mein geflochtener, dreißig Fuß langer Riemen hatte mir mehrere Male ganz vortreffliche Dienste geleistet.
Jetzt befestigte ich das obere Ende desselben an dem Ring der vorderen Sattellehne. Ich wollte den Miriditen fangen. Er hatte wohl noch nie ein Lasso gesehen und besaß sicherlich keine Ahnung, auf welche Weise man sich desselben erwehren kann. Um ihn nicht vorzeitig auf meine Absicht aufmerksam zu machen, nahm ich die Schlingen nicht in den Arm, sondern hing sie über den Sattelknopf. Dagegen aber nahm ich den Bärentödter zur Hand. Er war die einzige Waffe, mit welcher ich das Beil pariren konnte, übrigens ein Kunststück, welches nur derjenige versuchen darf, welcher sich wohlgeübt hat, einen auf ihn geschleuderten Tomahawk mit dem Lauf des Gewehres von sich abzuhalten, so daß das Beil zur Seite fliegt, ohne eine jener starken und gefährlichen Verletzungen hervorzubringen, welche stets die Folge eines unsicheren Parirens sind. Es gilt nicht nur, dem Beil während des Fluges anzusehen, auf welche Stelle es treffen will, sondern man muß auch trotz der großen Schnelligkeit der in kreisförmigem Wirbel heransausenden Waffe genau zwischen Stiel und Helm unterscheiden, sonst schlägt das Beil um den Gewehrlauf herum und trifft doch das Ziel. Vor allen Dingen muß man das parirende Gewehr mit beiden Händen halten, weil der Anprall ein ganz gewaltiger ist, sonst bekommt man Beil und Gewehr in's Gesicht, und sodann muß das Gewehr eine schiefe Richtung haben, damit das Beil in einem spitzen Winkel aufschlägt und im stumpfen Winkel auswärts abgleitet. Körperkraft, Übung und ein sehr scharfes Auge, das ist's, was dazu gehört.
Die Situation war jetzt folgende: Ich hielt so auf dem Pferd, daß ich die Richtung, in welcher ich die Gefährten wußte, grad vor mir hatte. Links von mir befand sich der Miridit. Ich hielt den Blick nach ihm gerichtet und erkannte, daß er sich anstrengte, die Reiter zu sehen.
Eine hastige, unwillige Bewegung von ihm verrieth mir seinen Ärger darüber, daß Suef nicht die ihm durch die Zweige angewiesene Richtung eingeschlagen hatte. Hätte ich Halef nicht weiter nach rechts gewiesen, so wären sie viel näher an dem Miriditen vorüber gekommen. So aber bewegten sie sich am Rand der freien Ebene dahin, was dem Auflauernden ganz besonders unlieb sein mußte.
Jetzt sah ich sie kommen. Auch er mußte sie erblicken. Die hier und dort stehenden Büsche machten es ihm aber unmöglich, die einzelnen Reiter zu unterscheiden. Er konnte sich also nicht überzeugen, ob ich auch wirklich bei ihnen sei. Da er dies aber mit voller Sicherheit erwarten mußte, so setzte er sich jetzt in Bewegung, erst langsam und dann schneller, bis sein Pferd in raschen Trab überging.
Ich folgte ihm, die Büchse in der Rechten, und sorgte dafür, daß sich stets ein Strauchwerk zwischen ihm und mir befand. Das war wohl überflüssig, denn seine Aufmerksamkeit war so ausschließlich nach vorn gerichtet, daß es ihm gar nicht einfiel, hinter sich zu blicken.
Der weiche Boden dämpfte den Hufschlag meines Rappen, und überdies mußte das Geräusch, welches sein eigenes Pferd verursachte, es ihm unmöglich machen, mich hinter sich zu hören.
Die Entscheidung mußte in wenigen Sekunden erfolgen. Ich hatte nicht die mindeste Angst, höchstens hätte mich seine Axt besorgt machen können.
Jetzt hatte er noch zwei Büsche zu passiren; jetzt jagte er an dem letzten vorüber und hinaus auf die Ebene, indem er einen schrillen Ruf ausstieß, um uns zu erschrecken. Sein Pferd parirend, erhob er das Gewehr zum Schuß, aber er schoß nicht; er zielte nicht einmal, sondern stieß einen zweiten Ruf aus, einen Ruf der Überraschung, des Ärgers – er sah, daß ich nicht dabei war.
Auch die Gefährten hielten. Halef stieß ein lautes Gelächter aus.
»Was willst Du von uns, Mann?« fragte er. »Warum schneidest Du ein Gesicht, als ob Du Deinen eigenen Kopf sammt dem Backenpflaster verschluckt hättest?«
»Ihr Hunde!« knirschte der Mann.
»Du ärgerst Dich? Wohl weil Du den Gesuchten nicht siehst. Schau Dich doch um!«
Der Miridit wandte sich im Sattel um und erblickte mich. Ich hielt etwa fünfzehn Schritte hinter ihm.
»Suchst Du mich?« fragte ich.
Da riß er sein Pferd gegen mich herum, nahm das Gewehr wieder auf und antwortete:
»Ja, Dich will ich haben, Du Scheïtan! Bin ich Dir bekannt?«
Ich machte keine Bewegung und bejahte nur.
»Du hast meinen Bruder ermordet! Du bist der Blut-Rache verfallen. Ich will Dich nicht tückisch von hinten niederschießen, sondern, wie ein Mann, von vorn!«
»Schieß nicht, denn wir Alle sind kugelfest!«
»Das will ich sehen! Fahre in die Dschehenna!«
Er drückte ab. Das Zündhütchen knallte, aber der Schuß ging nicht los.
»Siehst Du?« lachte ich. »Ich habe Dich gewarnt. Nun aber bist Du mein!«
Ich erhob den Bärentödter, wie um zu schießen. Da aber riß er den Haiduckenczakan aus dem Gurt und schrie wüthend:
»Noch nicht! Trifft Dich die Flinte nicht, so trifft Dich das Beil!«
Er wirbelte die Axt um den Kopf und schleuderte sie dann nach meinem theueren Haupt. Aus so geringer Entfernung mußte sie mir den Schädel spalten, wenn ich nur um ein Haar breit falsch parirte.
Einen Augenblick lang, nur einen kleinen, halben Augenblick lang hörte ich ihr Sausen. Es war wie ein dumpfer und doch schriller Pfiff. Mit weitem Auge hatte ich die Armbewegung des Miriditen erfaßt. Ich blieb starr im Sattel halten, das Gewehr in beiden Händen. Dann ein blitzschneller Ruck empor mit dem Gewehr – die Axt traf den Lauf und flog davon. Sie hätte mich genau in die Stirn getroffen.
Der Miridit ließ den Zügel aus der Linken sinken, so betroffen war er. Er hatte nun keine andere Waffe als die Pistolen, und diese brauchte ich nicht zu fürchten.
»Siehst Du, daß ich auch Dein Beil verachte!« rief ich ihm zu. »Nun aber bist Du meiner Rache verfallen. Paß auf!«
Ich legte das Gewehr auf ihn an. Das gab ihm die Bewegung wieder. Er ergriff den Zügel, riß sein Pferd empor und nach hinten und schoß davon, in die Ebene hinein, just so, wie ich es erwartet hatte.
Ich ritt zu Halef hin und gab ihm die Büchse, denn sie war mir nun hinderlich. Er nahm sie, rief aber dringend:
»Schnell, schnell! Er entkommt sonst!«
»Nur Geduld! Wir haben Zeit. Dieser gute, arme Schneider Afrit soll einmal einen Reiter sehen, mit welchem es der Schut sicherlich nicht aufnehmen kann. Kommt mir im Galopp nach!«
Ein kurzer Pfiff, und mein Rih schoß davon.
Ich legte ihm die Zügel auf den Hals und stellte mich in den Bügeln auf, obgleich der kranke Fuß mir daran ziemlich hinderlich war.
Im Reiten legte ich den Lasso in Schlingen um den linken Ellbogen, schlang die äußere Schleife weit und nahm dann die Schlingen vom Ellbogen herab auf den linken Unterarm, so daß sie regelrecht ablaufen konnten. Die Schleife aber hielt ich in der Rechten.
Den Rappen lenkte ich weder mit dem Zügel, noch durch Schenkeldruck. Das kluge Thier wußte, um was es sich handelte.
Der Miridit war erst in schnurgerader Richtung geflohen, eine Dummheit von ihm, denn da mußte ihn ja meine Kugel leicht treffen, da mir auf diese Weise das Zielen sehr erleichtert wurde, wenn ich überhaupt ihn hätte erschießen wollen.
Da aber in dieser Richtung die offene Ebene am breitesten war, so lenkte er jetzt nach links, wo es wieder Büsche gab, die ihm Schutz und wohl auch Rettung gewähren mußten.
Rih schoß ganz ohne mein Zuthun, wie ein guter Jagdhund, sofort auch nach links, um dem Braunen den Weg abzuschneiden. Dennoch erkannte ich, daß ich wohl zu lange bei Halef gezögert hatte. Der Braune war ein vortrefflicher Renner, wenn auch für fünfzig solcher Blessen mir mein Schwarzer nicht feil gewesen wäre.
Dennoch war mir der Miridit gewiß, selbst wenn er die Büsche vor mir erreichte. Aber das brauchte ich ihm gar nicht zu erlauben. Es stand mir ja frei, das Geheimniß meines Rappen in Anwendung zu bringen.
Er that bereits schon das Seinige. Er nahm mit drei eleganten Sprüngen so viel Raum hinter sich, wie der Braune mit vier angestrengten Sätzen. Aber der Vorsprung des Letzteren war zu groß gewesen; ich konnte ihn nur mit Hülfe des Geheimnisses wieder einholen.
Wer noch nicht weiß, welche Bewandtniß es mit diesem Geheimniß hat, der darf erfahren, daß ein jeder Araber, welcher sich im Besitz eines ächten Vollblutes befindet, diesem ein gewisses Zeichen anlehrt, welches der Reiter nur dann in Anwendung bringt, wenn das Pferd seine alleräußersten Kräfte anstrengen soll.
Der ächte arabische Renner spielt selbst in schnellster Carrière nur mit seinen Kräften. Er vermag sich selbst zu übertreffen, wenn dieses Zeichen angewendet wird. Dies geschieht freilich nur ganz ausnahmsweise, in größter Gefahr, wenn nur allein die Schnelligkeit zu retten vermag.
Das sind dann wahre Todesritte. Das Pferd läuft nicht, sondern es fliegt. Man kann kaum die Beine sehen, so groß ist die Schnelligkeit. Jetzt, in diesem Augenblick, wendet der Reiter sein Geheimniß an, und wenige Sekunden später sind Roß und Mann als kleiner Punkt dem Auge des Zuschauers in weiter Ferne entschwunden.
Dieses Zeichen wird Geheimniß genannt, weil der Besitzer es nie verräth. Selbst seinem Weib, seinem Sohn und einzigen Erben, seinem besten Freund verräth er es nicht. Nur dem Käufer des Rosses theilt er es mit, und auf seinem Sterbebett sagt er es demjenigen, in dessen Besitz das Pferd übergehen wird. Sonst aber kann ihm keine Qual und auch nicht der Tod das Geheimniß entreißen. Es stirbt mit ihm.
Als ich Rih geschenkt bekam, wurde mir natürlich auch das heimliche Zeichen desselben mitgetheilt. Es bestand darin, ihm die Hand zwischen die Ohren zu legen und dabei seinen Namen ›Rih‹ auszurufen. Ich war einige Male gezwungen gewesen, das Geheimniß in Anwendung zu bringen, und zwar mit fast unglaublichem Erfolg.
Jetzt befand ich mich nicht in einer so großen Gefahr, daß es gerechtfertigt gewesen wäre, das Geheimniß zu Hülfe zu nehmen; aber Halef sollte den Rappen als Geschenk bekommen. Derselbe gehörte mir also nur noch wenige Tage, und da war es verzeihlich, wenn ich wünschte, noch ein letztes Mal mit ihm ›fliegen‹ zu können.
So legte ich ihm denn die Hand zwischen die kleinen Ohren – ›Rih!‹
Er stutzte mitten im Sprung; dann ließ er einen Laut hören, wie ein kurzes, tiefes Husten, und nun ging es vorwärts – – was helfen Worte! Es kann eben nicht geschildert werden. Ich saß auf keinem Pferd, sondern es war, als ob ich auf einem Pfeile durch die Luft schnellte. Ich erreichte den Punkt an den Gebüschen, auf welchen der Miridit zusprengte, viel, viel eher als er. Es lagen wohl an die vierzig Pferdelängen zwischen mir und ihm. Er riß also sein Pferd herum und jagte wieder in die Ebene hinein.
Ich folgte ihm, aber nicht mehr mit dieser Überanstrengung meines Pferdes. Ich gab demselben durch ein beruhigendes, zärtliches Streicheln des glänzenden Halses zu verstehen, daß ich mit ihm zufrieden sei, und daß es nun von dieser höchsten Eile ablassen könne. Es ließ auch nach, aber nur Sekunden dauerte es, so befand ich mich nur um zwei Längen hinter dem Miriditen.
»Halte an! Ich befehle es!« rief ich.
Er drehte sich nach mir um. Er hatte schon seine Pistolen bereit und schoß nach mir. Ich sah am Zielen, daß er mich nicht treffen würde, und schwang die Schleife des Lasso um den Kopf.
Der Miridit hatte vorher schon sein Pferd mit der Peitsche bearbeitet, um es übermäßig anzutreiben. Jetzt warf er fluchend die Pistolen weg, zog sein Messer und stach es dem Pferd in das Fleisch. Es stöhnte laut und machte einen Versuch, schneller zu laufen; aber vergebens.
Da warf ich die Schlinge. In dem Augenblick, in welchem sie wie ein weiter Ring über dem Kopf des Reiters schwebte, hielt ich mein Pferd an und riß es zurück. Ein Ruck, ein Schrei – Rih stand, der Braune rannte weiter, und der Miridit lag am Boden, mit straff zugezogener Schlinge um die Arme und um den Leib. Er war aus dem Sattel gerissen und in weitem Bogen zur Erde geschleudert worden.
Ich sah, daß er sich nicht rührte, und beeilte mich keineswegs, abzusteigen. Er konnte ja gar nicht fort.
Als ich nun die wenigen Schritte zu ihm hin ritt, sah ich, daß er die Augen geschlossen hatte. Er war ohnmächtig. Ich blieb aber im Sattel und liebkoste mein Pferd zum Dank für seine Anstrengung. Der Rappe war für solche Zärtlichkeiten sehr empfänglich. Er bog den Hals zurück und leckte mit der Zunge nach mir, ohne mich jedoch zu erreichen. Als das nicht ging, versuchte er, mich wenigstens mit dem Schwanze treffen zu können. Um ihm diese Freude zu machen, bog ich mich nach hinten und streckte die Hand aus, in welche er mir den prächtigen Schweif wohl zehnmal warf und dabei vor Vergnügen laut aufwieherte.
Nach einiger Zeit kamen auch die Gefährten herbei. Dabei wunderte ich mich, mit welcher Kraft und Leichtigkeit der alte, dürre Klepper des Schneiders galoppirte. Es schien, als ob es der alten Märe nur Vergnügen mache, sich einmal tüchtig auszulaufen.
Und der kleine, hagere Kerl saß im Sattel wie nur Einer! Ich glaube, der Klepper war ein ebenso großer Heuchler, wie sein Herr.
»Ist er todt?« fragte Halef, als sie herangekommen waren.
»Weiß nicht. Sieh' einmal nach!«
Er sprang ab und untersuchte den Gefangenen.
»Herr, der Bursche schläft nur ein wenig. Hier hast Du seinen Czakan.«
Halef reichte mir die herrliche Waffe. Der gewundene Stiel war mit geperlter Fischhaut überzogen; das Beil selbst war von feiner, alter und herrlich ciselirter Arbeit. Auf der einen Seite stand in arabischer Schrift: ›Li ma' ak kelimet – ich habe ein Wort mit Dir zu sprechen,‹ und auf der andern: ›Awafi, chatrak – wohl bekomm's, lebe wohl!‹ Der Künstler, von welchem diese Arbeit stammte, hatte einen etwas stacheligen Charakter gehabt.
»Nun, Halef,« fragte ich, »was sagst Du zu unserem Rih?«
Der Hadschi holte tief Athem und antwortete mit glänzenden Augen und in begeistertem Ton:
»Was soll ich sagen, Sihdi! Du hast ihm das Geheimniß gesagt?«
»Ja.«
»Ich dachte es mir. Er flog erst wie ein Pfeil und dann wie ein Gedanke. Er sah von Weitem aus, als ob er nur aus dem Leib bestehe, denn die Beine waren verschwunden. Noch bevor ich gedacht hatte: da ist er; war er dort bei den Büschen. Und schau ihn an, wie er da steht! Siehst Du einen Tropfen Schweiß an seinem ganzen Körper?«
»Nein.«
»Oder einen Flocken Gischt vor seinem Maul?«
»Auch nicht.«
»Oder siehst Du ihn heftig Athem holen? Siehst Du seine Lungen gehen oder gar seine Flanken schlagen?«
»Keine Spur davon.«
»Ja, er steht so ruhig und vergnügt da, als ob er sich soeben erst vom Schlaf erhoben hätte. Es war ein herrlicher, ein prachtvoller Anblick! Selbst der Prophet hat kein solches Pferd gehabt. Schade, daß es ein Hengst und keine Stute ist! Das ist sein einziger, aber auch sein allereinziger Fehler. Ich werde ihm heute abend zur Belohnung einen großen Maiskuchen geben, mit Raki begossen, denn das ist sein Lieblingsessen; er ist ein Leckermaul.«
Und sich an den Schneider wendend, fragte er:
»Nun, Afrit, Du Riesengeschöpf, hast auch Du Respekt vor diesem Pferd?«
»Es ist unvergleichlich. Ich habe noch nie ein solches gesehen.«
Der Zwerg betrachtete den Hengst mit den Augen eines Kenners. Konnte ein armer Schneider solche Blicke, die Blicke eines Sachverständigen haben? Nein! Es lag eine nicht ganz zu verbergende Gier in diesen Blicken. Er trug Verlangen, den Hengst zu besitzen. Das sah man ihm an, so sehr er sich auch bestrebte, dies zu verheimlichen.
»Schön!« erwiederte Halef, von diesem Lob befriedigt. »Aber was sagst Du zu seinem Herrn?«
»Er ist werth, ein solches Pferd zu besitzen. Er reitet gut.«
»Gut? Mensch, was fällt Dir ein! Auch Du reitest gut, aber Du bist im Vergleich zu ihm ein Frosch, der auf dem Rücken eines Ochsen sitzt. Und wer hat Dich gefragt, wie er reitet? Ich habe es ganz anders gemeint. Hat er nicht glänzend Wort gehalten?«
»Ja, das gebe ich freilich zu.«
»Freilich? Du mußt es zugeben, Du bist gezwungen dazu. Hat er es nicht bewiesen, daß der Miridit ein Knabe gegen ihn ist, ein Junge, welcher sich noch nicht einmal die Jacke zuknöpfen kann? Wie herrlich hat er ihn überlistet! Hast Du geahnt, daß er ihn abermals beschleichen würde?«
»Nein.«
»Ich habe es gleich gewußt. Dein Gehirn ist wie ein Kuchen, welchen die Hitze schwarz und trocken gebrannt hat, so daß er nun nicht zu genießen ist. Wie staunte der Miridit, als er ihn nicht bei uns sah, und wie erschrack er, als er ihn dann hinter sich erblickte! Wie sicher zielte er dann auf ihn! Und weißt Du, warum sein Gewehr nicht losgegangen ist?«
»Weil es versagte.«
»Nein, sondern weil wir kugelfest sind. Verstanden, Du Schneider aller armen Schneider! Und dann der Wurf des Czakan! Hättest Du es vermocht, das Beil zu pariren?«
»Bei meiner armen Seele, nein!«
»Bei Deiner armen Seele wirst Du überhaupt niemals Etwas vermögen, denn Deine Seele ist doch nur ein langes, unbehülfliches Ding wie ein Regenwurm, welches sich vergeblich in Dir windet, um einen klugen Gedanken zu fassen. Und nachher die Jagd! Hast Du schon einmal gesehen, wie man mit einem Riemen einen Reiter von dem Pferd reißt?«
»Niemals.«
»Das glaube ich. Du hast überhaupt noch gar Vieles, noch Tausenderlei nicht gesehen, was wir verstehen und können. Was kann Dein Schut gegen unsern Effendi ausrichten? Unsere List und Tapferkeit wird sein wie eine Schraube, die sich in seinen Leib hineinfrißt!«
»Meinen Schut! Sage das doch nicht!«
»Du vertheidigst ihn ja!«
»Das ist mir nicht eingefallen!«
»Hast Du nicht gesagt, daß er uns überlegen sei, daß er uns verderben werde?«
»Ich sagte das, um Euch liebreich zu warnen.«
»So sage ich Dir ebenso liebreich, daß Du in Zukunft das Maul zu halten hast. Wir bedürfen keiner Warnung. Wir wissen selbst, was wir zu thun und zu lassen haben, denn wir kennen uns und auch unsere Feinde. Sie sind gegen uns wie dürre Grashalme gegen die Palmen, welche ihre Häupter in den Wolken baden. Dieser Schut wird uns zu Füßen liegen, wie der Miridit, der hier am Boden liegt. Und Alle, die ihm dienen, werden wir verzehren, wie man Tabak aus der Dose in die Nase steckt.«
»Hadschi, was habe ich denn gethan, daß Du so streng und zornig zu mir redest?«
»Den Schut hast Du über uns gesetzt! Ist das nicht genug? Du hast noch keinen berühmten Helden gesehen. Hier aber erblickst Du Männer und Helden, welche den Schut wie eine Fliege achten. Man fängt und zerdrückt sie mit der Hand!«
Um den kleinen Hadschi, der nun im Zug war, nicht noch größer werden zu lassen, unterbrach ich ihn:
»Ich hörte, als ich hinter dem Miriditen hielt, einen Pfiff. Wer hat ihn ausgestoßen?«
»Hier der Schneider.«
»Warum?«
»Er sagte, es sei ein Hund durch die Büsche gelaufen.«
»Ja, Herr, ich sah ihn deutlich,« erklärte der Verräther angelegentlich.
»Was ging Dich das Thier an?«
»Es hatte sich doch wohl verlaufen, und wir konnten es bis nach dem nächsten Dorf mitnehmen, wohin es wahrscheinlich gehört.«
»So! Der Miridit schien diesen Pfiff zu kennen.«
»Gewiß nicht.«
»Er sprang sofort vom Boden auf und stieg zu Pferd.«
»Das war Zufall!«
»Natürlich! Aber es scheint, daß er mit dem ›Suef‹ verabredet hatte, daß derselbe seine Annäherung durch einen Pfiff verkünden sollte. Das ist eine große Albernheit von den Beiden, denn dadurch würden sie ja verrathen haben, daß sie im Einverständnisse handeln. Hoffentlich kommt mir der Bursche in die Hände, und da werde ich ihn auf diese Dummheit aufmerksam machen.«
»Willst Du nicht einmal nach dem Miriditen sehen? Er bewegt sich.«
Der Genannte hatte, um in eine andere Lage zu kommen, eine Bewegung mit den Beinen gemacht. Ich sah, daß er die Augen geöffnet hatte und mich grimmig anstarrte.
»Nun,« fragte ich ihn, »wie gefällt Dir der Ausgang Deines Abenteuers?«
»Sei verflucht!« antwortete er.
»Dein Mund trieft nicht von Segensworten, und doch habe ich es gut mit Dir gemeint.«
»Wie gut Du es meinst, das weiß ich!«
»Was weißt Du denn?«
»Daß Du mich tödten wirst.«
»Du irrst. Hätte ich Dich tödten wollen, so wäre es mir heute schon öfter sehr leicht gewesen, es zu thun.«
»So hast Du noch Schlimmeres mit mir vor.«
»Was denkst Du da?«
»O, es gibt verschiedene Arten, einen Blutfeind unschädlich zu machen, ohne ihn gleich zu tödten!«
»Man läßt ihn zum Beispiel verschmachten, wie Ihr es mit uns im Sinne hattet.«
»Der Scheïtan hat Euch heraus geholfen!«
»Nein, wenn dieser uns hätte unterstützen wollen, so wären wir lieber in der Höhle geblieben.«
»Und doch habt Ihr den Teufel, denn Ihr seid alle kugelfest!«
»Meinst Du, daß man dazu der Hülfe des Scheïtan bedarf? Das kann man selbst thun ohne jede fremde Hülfe. Man muß nur klug genug sein und Etwas gelernt haben. Wir fürchten allerdings Deine Kugeln und auch Dein gehacktes Blei nicht, welches Du heute so sorgfältig in den Lauf geladen hattest!«
»Ah, Du hast meine Flinte?«
»Nein; sie hing am Sattel, und Dein Pferd ist mit ihr fort.«
»Wie kannst Du denn wissen, daß ich gehacktes Blei geladen habe?«
»Ich weiß stets Alles, was ich wissen muß. Nun kannst Du nicht heimreiten nach Sbiganzy, sondern Du mußt zu Deinen Verbündeten gehen, wie Du es mit ihnen ausgemacht hast.«
»Ich? Wohin?«
»Das weißt Du genau. Sind sie nicht über Engely Dir voran?«
»Herr, wer hat Dir das gesagt?«
»Mein Traum. Ich sah sie im Traum auf der Höhe jenseits Warzy Deiner warten. Du kamst, stiegst vom Pferd und suchtest sie auf, um ihnen zu sagen, daß wir nun endlich so spät aufgebrochen seien. Dann seid Ihr zusammen fortgeritten. Du aber hast Dich sehr bald von ihnen getrennt, um hierher zu reiten, wohin Suef uns Dir in die Hände liefern sollte.«
»Suef!« rief er erschrocken aus.
Sein Blick suchte den Schneider und fand ihn. Ich that, als ob ich den warnenden Wink nicht sähe, den ihm der Kleine gab.
Dieser Wink schien den Miriditen zu beruhigen, denn er fragte:
»Wer ist Suef?«
»Dein Freund.«
»Ich kenne keinen Suef.«
»Nun, vielleicht erkennst Du ihn, wenn ich ihn, wie ich hoffe, vor Deinen Augen auspeitschen lasse. Du hast mit Deinen Gefährten verabredet, daß ich todt wäre, wenn Du nicht kämest; daß Du aber heute Abend zu ihnen stoßen würdest, wenn Dein Überfall mißglücken sollte. Er ist mißglückt. Willst Du fort?«
Er wußte nicht, was er von mir zu halten habe, doch sagte er in düsterem Ton:
»Woher Du das Alles weißt, das ahne ich nicht; aber ich brauche es auch nicht zu wissen. Mache es kurz und tödte mich!«
»Warum sollte ich Dich tödten?«
»Weil ich Dir nach dem Leben trachtete.«
»Das ist für mich kein Grund, denn ich bin ein Christ und vergelte nicht Böses mit Bösem.«
»So kennst Du das Gesetz der Blutrache nicht?«
»Ich kenne es.«
»So weißt Du, daß ich Zeit meines Lebens trachten muß, Dich zu tödten?«
»Ich weiß es.«
»Und dennoch mordest Du mich jetzt nicht?«
»Nein. Ich habe mich gegen Dich gewehrt, und Du hast gar nichts thun können. Das ist genug. Wir Christen kennen die Blutrache nicht; darum ist bei uns der Mord ein todeswürdiges Verbrechen. Dich aber zwingt das Gesetz der Blutrache zum Mord; darum kann ich Dir nicht zürnen, daß Du dem Gesetz gehorchen willst.«
Er blickte mich an wie im Traum. Er konnte meine Worte nicht begreifen.
»Aber,« fuhr ich fort, »überlege Dir, ob ich die Blutrache verdient habe. Ich war eingeschlossen – ich mußte mich befreien. Ich mußte schießen und wußte nicht, daß Dein Bruder es war, der oben saß. Er selbst trug die Schuld, daß meine Kugel ihn traf. Er wußte, daß wir unsere Waffen bei uns hatten. Es war eine große Thorheit von ihm, sich dort hinauf zu setzen.«
»Herr, Deine Worte enthalten viele Tropfen der Wahrheit!«
»Und warum wollte er mich bis zum Verschmachten einsperren? Was hatte ich gethan? Hatte ich ihn beleidigt, gekränkt, bestohlen oder beraubt? Nein! Ich kam, um mich nach dem Schut zu erkundigen. Es stand ihm frei, mir Auskunft zu geben oder nicht, und dann wäre ich in Frieden weiter gezogen. Warum wurde er mein Feind?«
»Weil seine Freunde Deine Feinde sind, und weil Du den Schut verderben willst.«
»Auch das will ich nicht.«
»Du suchst ihn und hast seinen Schwager Deselim getödtet. Du bist der Blutrache verfallen und wirst ihr erliegen.«
»Ich habe Deselim nicht getödtet. Er stahl mir mein Pferd, stürzte von demselben und brach sich den Hals. Bin ich der Mörder?«
»Hättest Du ihn fliehen lassen! Du aber hast ihn gejagt und verfolgt.«
»Ah, so verfalle ich also der Blutrache, weil ich mir mein Pferd nicht stehlen lassen wollte? Höre, ich habe Achtung für Euch empfunden, denn ich glaubte, Ihr wäret tapfere, offenherzige Männer. Nun aber sehe ich, daß Ihr feige, hinterlistige Schufte seid. Ihr seid Diebe, elende Diebe, und wenn man Euch dann Euern Raub abjagt, so sagt Ihr, wir seien der Blutrache verfallen. Das ist, um Euch anzuspucken. Pfui Scheïtanim! Jetzt ist mir Euer Schut nur ein elender Bube, und Alle, die ihm dienen, sind jämmerliche Halunken, auf die ich gar nicht achten werde. Da, mach' Dich auf und lauf' davon! Ich fürchte Dich nicht. Schieße nach mir, so oft Du willst. Halef, löse ihm das Lasso von seinem Leib!«
»Sihdi!« rief der Kleine erschrocken. »Bist Du toll?«
»Nein. Mache ihn los!«
»Das thue ich nicht!«
»Soll ich es etwa selbst thun? Er hat nicht hinterrücks nach mir geschossen, sondern er hat sich mir offen gegenüber gestellt. Er hat mir auch, bevor er schoß, eine schöne Rede gehalten, während welcher ich ihn tödten konnte, wenn es mir beliebt hätte. Ein Meuchelmörder ist er nicht, und so will ich ihn auch nicht als solchen behandeln. Mach' das Lasso auf!«
Jetzt gehorchte Halef und band den Miriditen los. Dieser stand vom Boden auf. Wenn wir erwartet hatten, daß er nun schleunigst davon eilen würde, so waren wir im Irrthum gewesen. Er streckte und reckte seine dicht an den Leib gezogen gewesenen Arme und trat dann vor mich hin.
»Effendi,« sagte er, »ich weiß nicht, was Dein Verhalten bedeuten soll.«
»Ich habe es ja gesagt!«
»Ich bin frei?«
»Und kannst gehen, wohin Du willst.«
»So verlangst Du nichts, gar nichts von mir?«
»Nein.«
»Auch kein Versprechen, Dich zu schonen?«
»Fällt mir gar nicht ein!«
»Aber ich muß Dich ja tödten!«
»Versuche es immerhin!«
»Du selbst weißt ja, daß ich heute Abend meinen Gefährten folgen soll.«
»Ich weiß es und habe gar nichts dagegen, daß Du es thust.«
»Weißt Du auch, wo sie auf mich warten?«
In seinem Gesicht machten sich die Zeichen eines innern Kampfes bemerklich. Stolz und Milde, Haß und Rührung stritten mit einander. Dann sagte er:
»Wirst Du mich für einen Feigling halten, wenn ich die Freiheit von Dir annehme?«
»Nein. Ich würde es auch thun und halte mich doch für einen muthigen Mann.«
»Gut, so will ich mein Leben von Dir annehmen. Es würde mich kein Mensch mehr anrühren, wenn ich es mir von dem Mörder meines Bruders schenken ließe, um auf meine Rache zu verzichten. Es bleibt die Blutrache zwischen uns, aber sie mag einstweilen schweigen. Ich sehe meinen Czakan hier liegen. Ich hebe ihn auf und gebe ihn Dir, obgleich er eigentlich Deine rechtmäßige Beute ist. Weißt Du, was dies bedeutet?«
»Nein.«
»Das ist das Zeichen, daß die Blutrache einstweilen schweigen soll. Sobald Du mir die Axt zurückgibst, beginnt sie von Neuem.«
»Also solange ich sie behalte, schweigt der Kampf zwischen uns?«
»Ja. Willst Du sie nehmen?«
»Ich nehme sie.«
»Wohin ist mein Pferd gelaufen?«
»Da drüben an den Büschen weidet es.«
»So gehe ich. Effendi, ich würde Dir gern meine Hand zum Abschied reichen, aber an der Deinigen klebt das Blut meines Bruders. Ich darf Dich nur anrühren, um Dich zu tödten. Lebe wohl!«
»Lebe wohl!«
Er schritt von dannen. Aus der Ferne wandte er sich noch einmal um und winkte uns zu, dann ging er zu seinem Pferd und ritt davon.
Den Czakan habe ich heute noch. Die Rache des Blutes schläft noch immer und wird wohl auch niemals aufwachen.
Der kleine Schneider hatte mit gespanntester Aufmerksamkeit diesem Vorgang zugeschaut. Es war ihm anzusehen, daß er trotz meiner früheren Worte mit größter Bestimmtheit geglaubt hatte, ich würde den Miriditen tödten lassen. Ob er aber mit dem Ausgang der Sache zufrieden oder unzufrieden sei, das ließ seine Miene nicht erkennen. Dieselbe drückte jetzt nichts als das größte Erstaunen aus.
Halef war sichtlich unzufrieden. Es wäre ihm ein großes Vergnügen gewesen, wenn ich ihm den Auftrag gegeben hätte, dem Mann fünfzig aufzuzählen und ihn dann laufen zu lassen. Aber abgesehen von der Gemeinheit eines solchen Verfahrens, hätte ich mir durch denselben einen doppelt ergrimmten Todfeind erworben, während ich jetzt von demselben gar nichts mehr zu fürchten hatte.
Da der Hadschi nicht wagte, mir Vorwürfe zu machen, ließ er seinen Unmuth an dem Schneider aus:
»Nun, Du Mann der Nadel und des Zwirns, was stehst Du da und guckst die Luft an, als ob es Kameele regnete? Worüber wunderst Du Dich so sehr?«
»Über den Effendi.«
»Ich auch.«
»Er konnte ihn tödten lassen.«
»Und Dich dazu!«
»Mich! Warum?«
»Das werde ich Dir seiner Zeit sagen, wenn ich es Dir zugleich auch schriftlich geben kann.«
»Dann hättet Ihr Euern Führer verloren.«
»Das wäre freilich Schade!«
»Und wer weiß, was Euch dann noch unterwegs passiren würde!«
»Nun, auch nichts Schlimmeres, als wenn Du dabei bist. Kennst Du die Gesetze der Blutrache, wie sie hier zu Lande geübt werden?«
»Ich kenne sie.«
»Ist es auch wirklich wahr, daß nun dieser Streit beigelegt ist?«
»Das ist gewiß wahr, bis nämlich der Czakan zurückgegeben wird. Dies gilt aber nur von der Blutrache, sonst nicht.«
»Wie meinst Du das?«
»Er kann Euch zum Beispiel überfallen, um Euch auszurauben und dabei zu tödten. So hat er Euch nicht wegen der Blutrache, sondern wegen des Raubes getödtet.«
»Allah ist groß, aber Eure Ehrlichkeit hier ist klein,« entgegnete Halef. »Was hilft es meinem Nachbar, wenn ich ihm verspreche, ihm nicht seine Kürbisse zu stehlen, und in der nächsten Nacht nehme ich ihm die Melonen? Ihr seid doch alle mit einander Schurken!«
Ich unterbrach das Gespräch mit der Frage:
»Wie weit haben wir noch bis Jerßely?«
»Eine kleine Stunde.«
»So können wir dort halten, um uns zu erfrischen. Ist ein Khan dort?«
»Ja, ich kenne den Wirth.«
»Und wo schlägst Du vor, daß wir die Nacht zubringen sollen?«
»In Kilissely; ich kenne dort den Wirth.«
»Wie lange ist bis dorthin zu reiten?«
»Von Jerßely vier starke Stunden.«
»Warum wählst Du grad dieses Dorf?«
»Es ist ein sehr schöner Ort und liegt in der Ebene Mustafa, wo Alles, was das Herz begehrt, sehr billig und reichlich zu haben ist.«
»Wie weit ist es von dort bis Uskub?«
»Acht Stunden.«
»Gut, so bleiben wir in Kilissely.«
Der Schneider ritt als Führer voran und schien sich nicht um uns zu bekümmern. Da Osco und Omar sich hinter ihm befanden, so konnte ich mit Halef von ihm reden, ohne von ihm gehört zu werden.
»Sihdi,« fragte der Hadschi neugierig, »Du denkst doch auch, daß er jener Suef ist?«
Ich nickte nur, und er fragte weiter, indem er mich von der Seite anblinzelte:
»Du hältst doch Wort wegen der Fünfzig?«
»Er soll sie erhalten, aber nicht jetzt.«
»Und verdient hat er sie auch reichlich. Ich habe mich sehr gewundert, daß Du ihm so Vieles mitgetheilt hast, obgleich Du weißt, daß er zu unseren Gegnern hält.«
»Mit Absicht.«
»Ja, Du hast immer Deine heimlichen Absichten. Du schaust weiter hinaus als wir und darum thust Du auch, als ob Du dem Schneider Dein Vertrauen schenktest. Ich aber würde ihn durchpeitschen und dann liegen lassen.«
»Und schlimme Früchte davon ernten. So lange er bei uns ist, werden wir von Allem unterrichtet sein, was seine Verbündeten gegen uns vornehmen wollen. Heute Abend machen sie einen Angriff, den sie für den letzten, weil erfolgreichen halten. Heute Abend sollen wir Alle ermordet werden. Wie das geschehen soll, weiß ich noch nicht.«
»Wir werden es aber doch erfahren.«
»Natürlich! Und zwar durch den Schneider. Wir müssen ihn heimlich beobachten, ohne daß er es bemerkt, denn sonst würde er sich sehr in Acht nehmen. Aus dem, was er thut, werden wir dann wohl sicher auf das schließen können, was geschehen soll.«
»So werde ich ein sehr offenes Auge haben.«
»Ich muß Dich allerdings darum ersuchen, da ich mich nicht selbst um Alles bekümmern kann. Ich werde wegen meines Fußes wohl wieder das Zimmer hüten müssen. Was draußen vorgeht, müßt Ihr drei Andern beobachten. Wir müssen vor allen Dingen erfahren, wo die Aladschy, Barud und die Andern sind, wann und wo sie mit dem Schneider reden wollen, und wann, wo und wie wir ermordet werden sollen.«
»Sihdi, da ist sehr viel zu ergattern! Werden denn die Aladschy auch dort sein? Sie sind ja über Engely geritten!«
»Von Engely bis Kilissely können sie die Istib-Uskuber-Straße benutzen. Sie werden eher dort sein, als wir. Es kommt nun ganz darauf an, ihren Versteck zu erfahren. Allerdings können wir jetzt noch keinen bestimmten Plan entwerfen und müssen zunächst sehen, welche Örtlichkeiten und Verhältnisse wir dort vorfinden. Vor allen Dingen gilt es, den Schneider keinen Augenblick aus dem Blick zu verlieren.«
»Diesen Heimtücker! Er schien eine so treue und ehrliche Haut zu sein! Aus welchem Grund mag er denn in diese Gegend gekommen sein, Sihdi?«
»Ich glaube, daß er ein bevorzugter Vertrauter des Schut ist und einen wichtigen Auftrag ausführen soll.«
»Nun, wir werden es ja erfahren, Sihdi. Für jetzt können wir uns freuen, einen der Feinde, und zwar den grimmigsten, los geworden zu sein.«
»Du meinst den Miriditen?«
»Ja. Der kommt nun jedenfalls heute Abend nicht.«
»Und ich meine, daß er ganz gewiß kommen werde.«
»Um den Aladschy zu helfen?«
»Im Gegentheil, um uns gegen sie beizustehen.«
»Ah, das glaube ich nicht!«
»Ich glaube es. Er ist ein Miridit, und zwar ein braver. Er ist nur deßhalb mein Feind, weil meine Kugel zufälliger Weise seinen Bruder getroffen hat, nicht aber des Schut wegen. Ich meine, er achte uns jetzt und verabscheue das hinterlistige, giftige Verhalten der Andern. Er weiß, daß ich ihm das Leben geschenkt habe. Welcher Mensch liebt sein Leben nicht! Darum fühlt er sich uns zu Dank verpflichtet.«
»Hast Du die Andern nicht auch geschont? Haben sie es Dir gedankt?«
»Nein, aber sie sind auch nur elende Schurken. Hätten sie seinen Charakter, seine Offenheit, so wären wir längst mit ihnen fertig. Ich bin fest überzeugt, daß er kommen wird, und vielleicht ist uns seine Anwesenheit von Nutzen.«
Wie der Schneider gesagt hatte, erreichten wir Jerßely in etwa einer Stunde. Es war ein Höhendorf, von dem nichts Besonderes zu sagen ist. Am Khan blieben wir halten und ließen uns einen Imbiß geben: saure Milch mit Maiskuchen. Die Pferde wurden getränkt.
Auffallen mußte es mir, daß der Schneider, als das Dorf in Sicht kam, uns voraus eilte, um für uns eine Erfrischung zu bestellen, wie er vorgab. Halef blickte mich an, zuckte die Achseln und fragte:
»Weißt Du, warum?«
»Er wird dem Wirth sagen, daß dieser ihn nicht Suef, sondern Afrit nennen soll.«
»Das denke ich mir auch. Aber da hätte er doch unsern Wirth in Sbiganzy auch vorher stimmen müssen!«
»Vielleicht ist er dort unter dem Namen Afrit bekannt.«
»Oder der Wirth ist dennoch nicht aufrichtig mit uns gewesen.«
»Auch möglich, doch glaube ich es nicht.«
Nach eingenommenem Imbiß ritten wir weiter und kamen bald von der westlichen Seite des Plateau herunter auf die bereits erwähnte Ebene von Mustafa, welche viele Stunden lang und breit ist. Durch fruchtbare Auen, wo die Ernte bereits eingeheimst war, ging es über die Straße, welche von Engely nach Komanova führt, und nach vier Stunden sahen wir Kilissely vor uns liegen.
Es war keine romantische, aber eine reizende Gegend. Berge fehlten; desto anmuthiger aber fanden wir die an den Seiten des Weges liegenden Laubwälder, unter denen es immergrüne Hölzer gab. Wir kamen durch prächtige Obstpflanzungen, wo die Südfrüchte im Freien reiften. Reiche, jetzt abgeerntete Getreidefelder dehnten sich zur Rechten und Linken, und als wir nahe an das Dorf gelangten, sahen wir einen großen Fischteich, in dessen krystallhellem Wasser sich die Bäume eines großen Gartens spiegelten. Der Garten gehörte zu einem Gebäude, dessen schloßartiges Aussehen in diesem Lande der ärmlichen Bauwerke imponiren mußte.
»Was ist das für ein Gebäude?« fragte ich den Schneider.
»Es ist ein Konak,« antwortete er.
»Wem gehört es?«
»Dem Khandschi, bei welchem wir übernachten werden.«
»Aber dieses Schloß ist doch, wie mir dünckt, kein öffentliches Gasthaus?«
»O nein.«
»Du sprachst jedoch von einem Khan!«
»Ich dachte, es sei ganz gleich, ob ich Khan oder Konak sage. Ich kenne den Besitzer. Er sieht außerordentlich gern Gäste bei sich und wird Euch sehr willkommen heißen.«
»Wer ist er denn?«
»Ein Türke aus Salonik, der sich hier von seinen Geschäften zur Ruhe gesetzt hat. Er heißt Murad Habulam.«
»Wie sieht er aus?«
»Er ist in den mittleren Jahren, lang und etwas hager von Gestalt und bartlos.«
Für einen langen, hageren, bartlosen Türken hatte ich nicht die mindeste Zuneigung. Ich kann mir einen braven, gradsinnigen, ehrlichen Türken nicht als halbes oder ganzes Skelett vorstellen und habe die Erfahrung gemacht, daß man sich im osmanischen Reich vor Jedem, der über mittelmäßig lang und hager und überdies noch bartlos ist, in Acht nehmen muß. Meine Miene mochte keine günstige sein, denn der Schneider fragte mich:
»Ist es Dir nicht recht, daß ich Euch zu ihm führe?«
»Nein; denn ich halte es für eine Unbescheidenheit, fünf Mann hoch sich bei einem völlig Unbekannten zu Gast zu bitten.«
»Aber nicht Ihr bietet Euch an, sondern er läßt Euch bitten.«
»Das ist mir neu!«
»Ich will es Dir dadurch erklären, daß er sehr gern Gäste sieht. Ich komme oft zu ihm, und er hat mir ein für allemal den Befehl ertheilt, Fremde mitzubringen, wenn ich meine, daß er sich ihrer nicht zu schämen braucht. Er liebt die Fremden und ist ein sehr gelehrter und weit in der Welt herum gekommener Mann, wie Du selbst. Ihr werdet großes Wohlgefallen an einander finden. Außerdem ist er so reich, daß es ihn gar nicht anficht, zehn oder auch zwanzig Gäste zu beherbergen.«
Ein sehr gelehrter Mann und weltkundiger Mann! Das zog. Und um mich noch geneigter zu machen, fügte der Schneider hinzu:
»Du wirst eine prächtige Wohnung sehen mit Harem, Park und Allem, was ein reicher Mann nur haben kann.«
»Hat er auch Bücher?«
»Eine ganze, große Sammlung.«
Da war es nun freilich mit allen Bedenken aus, und ich sandte den Schneider voraus, um uns anzumelden.
Während ich mit Halef über den steinreichen und gelehrten Türken plauderte und meine Vermuthung aussprach, daß wir bei demselben gar keiner Anmeldung bedurft hätten, weil er unsere Ankunft schon durch die Aladschy erfahren haben würde, scheute plötzlich des Hadschi Pferd.
Wir ritten nämlich hart am Rand des Teiches hin, über dessen Fläche ein Kahn grad auf uns zu gekommen war. Es saß ein junges Mädchen darin, welches das Fahrzeug mit kräftigen Armen ruderte.
Sie trug das Gewand unverheiratheter Bulgarinen. Unter dem rothen Tuch, welches sie um den Kopf geschlungen hatte, hingen zwei lange, schwere Haarzöpfe hervor.
Sie mochte es sehr eilig haben, denn ohne den Kahn erst anzubinden, sprang sie heraus und wollte schnell an uns vorüber. Ihre rothe Kleidung, ihre Hastigkeit oder sonst Etwas erschreckte Halef's Pferd: es that einen Satz nach vorn, streifte das Mädchen mit dem einen Huf und riß es nieder. Mein Rappe wurde auch ein wenig scheu und bäumte sich. Die Bulgarin wollte sich aufraffen, that es aber nach der verkehrten Seite, kam so unter mein Pferd und schrie laut auf vor Angst.
»Still! Du machst nur die Pferde scheu!« rief ich ihr zu. »Bleib' ruhig liegen!«
Der Rappe tänzelte zwar noch ein wenig, trat sie dabei aber nicht, und so konnte sie sich erheben. Nun wollte sie davonlaufen, ich aber gebot ihr:
»Halt! Warte einen Augenblick! Wie heißt Du?«
Sie blieb stehen und sah zu mir herauf. Es war ein ächt bulgarisch jugendliches Gesicht, weich, rund und voll, mit kleiner Nase und sanften Augen. Der Kleidung nach war sie arm und ging barfuß. Halef's Pferd hatte wahrscheinlich ihr wehe gethan, denn sie zog den einen Fuß empor.
»Anka heiße ich,« antwortete sie.
»Hast Du Eltern?«
»Ja.«
»Geschwister?«
»O, viele!«
»Und einen Schatz?«
Eine tiefe Röthe überzog ihr frisches Antlitz, aber trotzdem antwortete sie schnell:
»Ja, einen prächtigen!«
»Wie heißt er denn?«
»Janik. Er ist Knecht.«
»So seid Ihr beide wohl nicht reich?«
»Wenn wir Vermögen hätten, wäre ich schon längst seine Frau. Wir sparen aber.«
»Wieviel denn?«
»Ich tausend Piaster und er tausend.«
»Was wollt Ihr dann anfangen?«
»Dann ziehen wir in die Nähe von Uskub, wo meine und seine Eltern wohnen, und pachten uns ein Aghadsch dikimi. Sein Vater ist Baghtscheban und der meinige auch.«
»Nun, wie steht es denn mit dem Sparen? Wächst die Summe?«
»Nur sehr langsam, Herr. Mein Lohn ist so gering, und ich möchte doch auch dem Vater zuweilen Etwas geben, der auch nur Pächter ist.«
Das freute mich. Die Bulgarin sah so treuherzig und brav aus. Sie gab ihrem armen Vater von ihrem Lohn, obgleich sie dadurch das ersehnte Glück noch länger verschob.
»Hast Du Dir wehe gethan?« fragte ich.
»Das Pferd hat mich getroffen.«
Das war wohl nicht gar schlimm, denn sie stand jetzt gut aufrecht da; aber ich griff in die Tasche, zog eine Kleinigkeit, vielleicht fünfzig bis siebzig Piaster, hervor und hielt sie ihr hin.
»So mußt Du zum Arzt und zum Apotheker gehen, Anka, damit die Verletzung wieder heil wird. Hier hast Du Etwas, um die Beiden zu bezahlen.«
Sie wollte schnell zugreifen, zog aber die Hand wieder zurück und meinte:
»Das darf ich doch nicht annehmen.«
»Warum nicht?«
»Ich brauche vielleicht gar nicht zum Arzt und zum Apotheker zu gehen; also darf ich auch kein Geld nehmen.«
»So nimm es als ein Geschenk von mir!«
Sie machte ein allerliebst betroffenes Gesicht und fragte verlegen:
»Wofür denn? Ich habe Dir ja noch gar keinen Dienst zu erweisen vermocht.«
»Das hat man bei einem Geschenk auch gar nicht zu verlangen. Lege es zu Deinem Spargeld – oder sende es Deinem Vater, der es wohl brauchen kann.«
»Herr, das Wort, welches Du da sagst, ist ein gutes. Ich werde das Geld meinem Vater schicken. Er wird für Dich zur Mutter Gottes beten, obgleich Du ein Moslem bist.«
»Ich bin kein Moslem, sondern ein Christ.«
»So freut es mich noch mehr. Ich bin eine Kyzyl elma katolika, und mein Bräutigam gehört demselben Glauben an.«
»Nun, ich war in Rom und habe den Baba mukkades gesehen, umgeben von den hohen Kardnalalar.«
»O, wenn Du das mir erzählen könntest!«
Dieser Wunsch war wohl auch ein wenig von der weiblichen Neugierde dictirt, kam aber aus einem guten Herzen. Das sah man ihren offenen, leuchtenden Augen an.
»Ich wollte es wohl gern thun, aber ich werde Dich wahrscheinlich nicht wiedersehen.«
»Du bist hier fremd, wie ich sehe. Wo willst Du bleiben?«
»Bei Murad Habulam.«
»Tanry walideji aziza – heilige Gottesmutter!« rief sie erschrocken aus.
Schnell trat sie näher, ergriff meinen Bügelriemen und fragte mit gedämpfter Stimme:
»Bist Du etwa der Effendi, der mit drei Begleitern hier erwartet wird?«
»Ein Effendi bin ich, und drei Begleiter habe ich. Aber ob ich erwartet werde, das kann ich nicht wissen.«
»Kommst Du heute von Sbiganzy?«
»Ja.«
»So bist Du es.«
Und indem sie sich auf die Zehen erhob, raunte sie mir noch leiser als vorher zu:
»Nimm Dich in Acht!«
»Du darfst laut sprechen, Anka. Diese drei Männer dürfen Alles hören; sie sind Freunde von mir. Vor wem soll ich mich hüten?«
»Vor Murad Habulam, meinem Herrn.«
»Ah, Du dienst bei ihm?«
»Ja, und Janik auch.«
»Hast Du einen Grund zu Deiner Warnung?«
»Man trachtet Euch nach dem Leben.«
»Das weiß ich bereits. Kannst Du mir vielleicht sagen, in welcher Weise man das thut?«
»Noch nicht. Ich habe gelauscht und Janik auch. Wir haben Einiges vernommen, aus dem wir ahnen können, daß etwas Schlimmes mit Euch geschehen soll.«
»Willst Du meine Beschützerin sein?«
»Gern, sehr gern, denn Du bist meines Glaubens und hast den heiligen Vater gesehen. Ich werde Dich beschützen, und sollte mein Herr uns fortjagen!«
»Wenn er das thut, so werde ich für Euch sorgen.«
»Wirst Du es wirklich thun, Effendi?«
»Ich gebe Dir mein Wort.«
»So wirst Du es auch halten, weil Du ein Katoliki bist. Ich kann Dir jetzt nichts mehr sagen, denn ich habe keine Zeit; ich muß in die Küche gehen, weil die Herrin nach Uskub auf Besuch gegangen ist. Sie hat sogleich fort gemußt, als die Kunde von Eurer Ankunft kam. Hütet Euch vor Humun, dem Diener, welcher der Vertraute des Herrn ist und mich haßt, weil Janik mir lieber ist, als er. Ihr werdet in Kulle jaschly anaja wohnen, und ich sorge dafür, daß Ihr Nachrichten erhaltet. Wenn ich nicht selbst kommen kann, so werde ich Janik zu Euch senden, dem Ihr vertrauen könnt.«
Sie hatte das in fliegender Hast gesprochen und rannte dann davon.
»Herr, was haben wir da gehört!« sagte Osco. »Welch' eine Gefahr bedroht uns da! Wollen wir nicht lieber in den Gasthof gehen?«
»Nein. Dort würden wir ebenso bedroht sein, ohne uns wehren zu können. Hier aber haben wir Helfer und Freunde, von denen wir erfahren werden, was wir zu thun haben.«
»Der Sihdi hat Recht,« stimmte Halef mir bei. »Allah hat uns diese Freundin und ihren Nischanly gesandt, um uns zu beschützen. Das Kristianlyk muß doch gut sein, da es sofort die Herzen verbindet. Da ich ein Moslem bin, kann ich kein Christ sein; aber wenn ich kein Moslem wäre, so würde ich ein Anhänger von Isa ben Marryam werden. Seht! Dort winkt der Schneider, der Verräther!«
Wir waren an die Mauerecke des Gartens gekommen und ritten nun längs der einen Seite hin. Dort stand ein Thor offen, und vor demselben hielt der Schneider, um uns zu erwarten.
»Kommt, kommt!« rief er uns entgegen. »Ihr seid hoch willkommen! Der Herr erwartet Euch!«
»Kann er uns nicht selbst entgegen kommen?«
»Nein, denn er hat kranke Beine und kann nicht gehen.«
»So bereiten wir ihm große Störung und Unbequemlichkeiten?«
»Gar nicht. Er freut sich, in seiner Einsamkeit Leute zu haben, mit denen er sich unterhalten kann, denn das Schlimmste bei seiner Krankheit ist die Langeweile.«
»Nun, da ist zu helfen. wir werden ihm Kurzweile und Beschäftigung bringen.«