Hugo Marti
Der Kelch
Hugo Marti

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11 Tudoritza die Zigeunerin

I.
       

Liebe will, eh sie mich bricht,
Daß ich ihre Wunder trage,
Süß wie dieser Frühlingstage
Grenzenlos verströmtes Licht.

Daß ich tief verloren stehe,
Wenn die Nacht mich überfällt,
Und, den keine Hand mehr hält,
Leise von dem Feste gehe.

 
12 II.
Tudoritza singt
       

Dieses Ringlein will ich tragen
Blank an meiner braunen Hand.
Wird mein Mann mich mürrisch fragen:
Trügst du mich um solchen Tand?
Will ich lachend Lügen sagen:
Fand ich es, was kümmerts dich?
Und er wird mich wieder schlagen –.
Liebster, komm und küsse mich –
Und dein Ringlein will ich tragen!

 
13 III.
Tudoritza tanzt
       

Deine Hände –: Silbermöwen kreisen
Gleitend über feierlichen Wogen
Und ein Wind hat ihre Schwingen leisen
Hauches schimmernd in das Licht gebogen.

Deine Füße wandeln über Wellen,
Die voll Farben wie ein Teppich liegen,
Die dich tragen, die dich aufwärts schnellen,
Lachend dich auf breiten Armen wiegen.

Hell von deiner flutenttauchten Hüfte
Rieseln klingelnd Silbertropfen nieder,
Jauchzend streuen in die blauen Lüfte
Deine Hände die befreiten Lieder.

 
14 IV.
Tudoritza geht
       

Warum sollt ich um ein Bild dich bitten
Für die Tage, für die langen Jahre,
Wenn wir ferne voneinander schreiten
Auf den dunkeln Wegen unsres Lebens?

Schau die Hände, meine armen Hände:
Reich wie eines unsichtbaren Wunders
Stille Glut, so tragen sie durch alle
Tausendfachen Dinge, die sie streifen,
Deines Leibes liebe Last, die süße
Schwere deiner hingeflossnen Glieder,
Die sie kannten in verschwiegenen Stunden.

Aber wenn die Hände mir verdorren,
Wenn das Leben mir sie neidisch fordert?
Lausche, wie in meinem Ohr so leise
Widerrauscht der Wohlklang deiner Hüften
Und der Aufschrei deines stolzen Nackens, –
Denn ein Lied von sieben hellen Saiten
Hebt sich tanzend aus dem trunkenen Schwunge,
Dem entfesselten, von Stirn zu Sohle.

Aber wenn mein Ohr verschlossen würde
Und die Stille jäh mich überfiele? 15
Meine Augen schauen doch die Schätze,
Die du aus der Fülle mir gespendet,
Schauen doch die schimmermatte Schulter,
Doch den Mantel deiner dunkeln Haare,
Der mich hüllte, band und wieder freigab.

Aber wenn die Augen mir erblinden,
Mir entflutet Licht und alles Leben?
Laß es fluten, laß mein Blut entrauschen!
Letzte Flut noch ist von dir gerötet,
Trägt im letzten Flackern deine Flamme,
Jubelt dich empor zum weiten Himmel,
Gibt dich wieder heim dem Silbersterne,
Der dich sandte, heim dem stillen Lichte.


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