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Margaretha von Valois

Margaretha von Valois

Memoiren der Margaretha von Valois

Königin von Frankreich und Navarra

Erstes Buch

An Brantome

Weil Ihr Werk so voll ist von meinem Lobe, so kann ich es nicht so loben, als ich sonst wohl hätte tun müssen; denn jetzt würde man mein Lob als ein bloßes Selbstlob ansehen, und man würde von mir wie vom Themistokles denken, daß ich diejenigen am meisten schätze, die mich am meisten bewundern. Es ist ein ganz gewöhnlicher Fehler der Frauen, daß sie sich im Lobe, auch im unverdienten, zu sehr gefallen. Damit kann ich aber nicht übereinstimmen und möchte am liebsten in diesem Stücke gar nicht zu meinem Geschlechte gezählt werden. Demungeachtet kann ich nicht anders als stolz sein, daß ein so geehrter Mann mein Bildnis mit so reichem Pinsel zu entwerfen würdigte, wenngleich der Schmuck der Malerei bei weitem die Vortrefflichkeit der dargestellten Figur übertrifft. Besaß ich einst auch wirklich einige von den Zügen, so wie Sie sie zeichneten, so sind sie längst durch meine Leiden bis auf die leiseste Erinnerung zerstört, so daß, als ich mich in Ihrer Darstellung spiegeln wollte, es mir wie der alten Frau von Rendan erging, die sich nach ihres Mannes Tode lange nicht im Spiegel besehen hatte; als sie nun nach langer Zeit zufällig in einer Gesellschaft sich im Spiegel erblickte, fragte sie verwundert: »Wer ist denn diese?«

Meine Freunde behaupten mir zwar das Gegenteil, aber ihr Zeugnis ist mir verdächtig; ihre Augen sind von der Zuneigung geblendet. Am Ende würden Sie, glaube ich, ganz meiner Meinung sein und den Vers von Du Ballay sagen, den ich so oft anführe: C'est chercher Rome en Rome, et rien de Rome en Rome ne trouver. So wie man aber gern von der Zerstörung Trojas, von der Größe Athens oder von andern mächtigen Städten in ihrer höchsten Blüte liest, obgleich die Überreste so gering sind, daß man kaum noch den Platz erkennen kann, wo sie ehemals gestanden, ebenso ergötzen Sie sich damit, eine Schönheit zu beschreiben, von der es weder einen Überrest, noch sonst irgendein Zeugnis gibt, als eben Ihre Beschreibung. Natur und Schicksal haben um die Wette ihre ganze Macht um mich aufgeboten; keinen schicklichern Gegenstand hätten Sie wählen können, um den Streit der beiden Mächte zu beschreiben. Von dem, was die Natur getan, waren Sie Augenzeuge und bedürfen darüber keines weitern Unterrichts. Meine Schicksale aber können Sie nur durch fremde Berichte erfahren haben, die doch niemals zuverlässig sind; denn oft werden sie entweder durch übelgesinnte oder auch übelunterrichtete Leute gegeben, und weder Bosheit noch Unwissenheit sind wahrhaft. Darum denke ich, wird es Ihnen nicht unangenehm sein, diese Geschichte von einer Person zu erhalten, die am besten unterrichtet ist und die zugleich das größte Interesse hat an der Wahrheit der Darstellung. Ich ward auch noch durch einige Bemerkungen bestimmt, die ich Gelegenheit hatte bei einigen Irrtümern, die sich in Ihrem Werke finden, zu machen. Nämlich da, wo Sie von Pau sprechen und von meiner Reise nach Frankreich; auch wo vom Marschall von Biron die Rede ist; von Agen, auch von dem Abzug aus dem Ort des Marquis von Canillac.

Ich werde also meine Memoiren aufzeichnen, die um ihrer unverfälschten Wahrheit willen wohl verdienten, daß ich ihnen den Namen Geschichte beilegte; eine solche bedürfte aber einer sorgfältigen Ausarbeitung, zu der ich weder die Fähigkeit noch die gehörige Muße habe.

Die vorhergegangenen Vorfälle, nebst denen der letzten Zeit, zwingen mich, mit der Zeit des Königs Karl anzufangen; auch ist es das erste, dessen ich mich als merkwürdig in meinem Leben entsinnen kann. So wie die Erdbeschreiber, wenn sie bis zur letzten Grenze ihres Wissens zurückgegangen, sagen: jenseits findet sich nichts als Sandwüste, unbewohntes Land und unschiffbares Meer, – so will auch ich sagen: rückwärts ist nichts als die Leere der ersten Kindheit, in der wir von der Natur allein geleitet mehr ein Pflanzenleben, als ein menschliches, von der Vernunft regiertes Leben führen. Diese überflüssigen Untersuchungen will ich gern denen überlassen, die meine Kindheit erzogen und leiteten. Vielleicht findet man auch unter meinen ersten kindlichen Handlungen einige, welche ebenso des Aufschreibens würdig wären, als die des Themistokles oder Alexanders; da der eine sich vor den Pferden eines Wagenführers niederwarf, der sich durch des Knaben Bitten nicht wollte abhalten lassen, durch eine enge Straße zu fahren, in der jener sich ein Spiel errichtet hatte; und der andre, der die Preise der Wettrennen verachtete, wenn er sie nicht über Könige davongetragen. So könnte auch wohl die Antwort zu diesen bemerkenswerten Zügen gehören, die ich dem Könige, meinem Vater, wenige Tage vor jenem entsetzlichen Stoße gab, welcher Frankreich die Ruhe und unserm Hause sein Glück nahm. Ich war damals vier oder fünf Jahre alt, als mein Vater mich auf seinen Knieen haltend und mit mir spielend zu mir sagte: ich sollte wählen, welcher von den beiden, die damals im Zimmer waren und mit mir spielten, mir ergeben sein sollte: der Prinz von Joinville, nachmals der große und unglückliche Herzog von Guise, oder der Marquis von Beaupreau, Sohn des Prinzen La Roche sur Yon, den die Natur mit so außerordentlichem Verstande begabte, daß er den Neid des Schicksals auf sich zog; in seinem vierzehnten Jahre entriß der Tod ihn dem Ruhme und den Kronen, die den Tugenden und dem hohen Edelmute, welche aus seinem Verstande hervorleuchteten, bestimmt waren. Auf meines Vaters Frage sah ich beide an und wählte den Marquis. »Warum diesen?« fragte mein Vater, »er ist nicht so schön als der Prinz von Joinville«; dieser war blond und von heller Farbe, der Marquis aber war braun von Haar und Gesicht. »Weil er klüger ist,« antwortete ich meinem Vater, »und weil der andre immer Meister sein will und keinen Tag ruht, bis er irgend jemand Schaden zugefügt.« Wie richtig ich ihn damals beurteilt, haben wir seitdem gesehen.

So auch der Widerstand, den ich getan, meinen Glauben zu erhalten, da der ganze Hof von Ketzerei angesteckt war; bei dem Kolloquium von Poissy, den gebieterischen Überredungen vieler Herren und Damen bei Hofe, sogar meinem Bruder von Anjou, nachmaligem König von Frankreich, der in der Kindheit dem unglücklichen Hugenottenwesen nicht widerstehen konnte. Dieser drang unaufhörlich in mich, daß ich die Religion verändern sollte, warf meine Gebetbücher ins Feuer und gab mir an deren Stelle die Psalmen und Gebetbücher der Hugenotten. Ich überlieferte diese aber sogleich meiner Hofmeisterin, der Frau von Curton; diese war durch die Gnade Gottes eine Katholikin geblieben. Sie führte mich oft zu dem guten Kardinal von Tournon, der mich mit seinem Rat darin bestärkte, alles zu erdulden, um nur meinen Glauben zu erhalten; auch versah er mich immer wieder mit neuen katholischen Gebetbüchern und Rosenkranz, wenn mein Bruder von Anjou sie verbrannt hatte. Die vertrauten Freunde von diesem, die mich zu verderben unternommen hatten, schalten mich und begegneten mir zornig, wenn sie diese Dinge immer wieder bei mir antrafen; sie nannten es bloße Kinderei und Albernheit, sagten, ich hätte keinen Verstand und würde immer so dumm bleiben wie meine Hofmeisterin. Mein Bruder von Anjou fügte dann noch die Drohung hinzu, daß die Königin, meine Mutter, mir die Rute würde geben lassen. Dieses redete er aber nur so, ganz ohne Grund, denn die Königin Mutter wußte nichts davon, daß er in solche Irrtümer geraten war; im Gegenteil, sie bestrafte, als sie es erfahren, sowohl ihn als seinen Hofmeister, ließ sie aufs neue in der Religion unterrichten und zwang sie, den wahren heiligen alten Glauben unsrer Väter zu bekennen, von dem sie selbst sich nie entfernt hatte.

Ganz in Tränen zerfließend, zu denen man in einem Alter von sieben bis acht Jahren sehr leicht geneigt ist, antwortete ich meinem Bruder auf seine Drohungen: daß er mich peitschen, ja daß er mich könnte umbringen lassen, wenn er es wollte; ich würde alles Ersinnliche eher erdulden, als mich in die Verdammnis zu stürzen.

Manche Antworten, manche Zeichen der Entschlossenheit und der reifen Beurteilung möchten noch aufgefunden werden können; ich überlasse aber diese Untersuchungen ungestört andern und fange meine Memoiren von der Zeit an, da ich in das Gefolge der Königin Mutter kam, um es nicht wieder zu verlassen; denn gleich nach dem Kolloquium von Poissy, als die Kriege begannen, wurden wir Kleinen, mein Bruder von Alençon und ich, nach Amboise gesendet, wohin sich auch alle Damen des Landes mit uns zurückzogen; auch Ihre Tante, Frau von Dampierre, die damals viel Freundschaft für mich hatte, welche sie mir bis an ihren Tod erhielt; und Ihre Cousine, Frau von Rais, die damals die glückliche Nachricht erhielt, das Schicksal habe ihr in der Schlacht bei Dreux die Gunst erzeigt, ihren ersten Mann, Herrn von Annebaut, von ihr zu nehmen, der es in jeder Rücksicht nicht verdiente, eine so göttliche Frau zu besitzen. Mit Ihrer Cousine stand ich damals aber noch nicht in dem genauen Verhältnis, das noch jetzt fortwährt und gewiß ewig dauern wird. Die Freundschaft Ihrer Tante für mich fing aber schon damals an; ihr hohes Alter und meine Kindheit stimmten wohl füreinander. Es ist in der Art der alten Leute, die kleinen Kinder zu lieben; so wie es dem blühenden Alter, in dem Ihre Cousine damals stand, ganz natürlich ist, die lästige Einfalt der Kinder zu hassen und zu verachten.

Dort blieb ich nun bis zur großen Reise; damals nahm die Königin Mutter mich zu sich an ihren Hof, den ich seitdem nicht wieder verließ. Diese Reise aber beschreibe ich auch nicht; ich war zu jung, als daß ich mich besonderer Umstände davon erinnern könnte. Außer der Erinnerung im ganzen ist mir das übrige wie ein Traum verflogen. Sie und andre, die damals im reifern Alter und verständig genug waren, alles zu bemerken, mögen von der Pracht reden, die bei diesen Gelegenheiten erschien. So wie zu Bar le Duc bei der Taufe meines Neffen, des Prinzen von Lothringen; zu Lyon bei der Ankunft des Herzogs und der Herzogin von Savoyen; zu Bayonne bei der Zusammenkunft meiner Schwester der Königin von Spanien, der Königin Mutter und des König Karls, meines Bruders. Gewiß vergessen Sie nicht das kostbare Fest und das Ballett zu beschreiben, das meine Mutter, die Königin, auf der Insel gab, wie auch den Saal, den die Natur eigentlich dazu bestimmt zu haben schien, indem sie mitten auf jener Insel eine große ovalförmige Wiese mit den höchsten Bäumen umgab, in deren Schatten die Königin Mutter ringsumher große Nischen anbringen ließ und in jeder dieser Nischen eine Tafel für zwölf Personen. Am Ende dieses Saals erhob sich die Tafel für die königlichen Personen auf vier Stufen von Rasen. Alle diese Tafeln wurden von Schäfern und Schäferinnen bedient, die in Atlas und Goldstoff, in verschiedenen Truppen und nach den verschiedenen Trachten aller französischen Provinzen gekleidet waren; wie man von Bayonne nach dieser Insel in kostbar verzierten Gondeln und Kähnen fuhr, von Tritonen und Meergöttern umgeben, die auf Hörnern bliesen und schöne Verse sangen. Bei der Landung auf der Insel, während man auf dem dazu gemachten Rasen nach dem Saale ging, tanzten von beiden Seiten des Wegs auf schönen Wiesen jene Schäfer und Schäferinnen, jeder Trupp die eigentümlichen Tänze seiner Provinz; die aus Poitou mit der Schalmei; die Provenzalen ihre Volte mit den Pauken; aus Bourgogne und Champagne mit der kleinen Oboe, der Geige und dem Tambour; die Bretonnen das Passe pied und den fröhlichen Branle-Tanz; und so fort jede Provinz ihre eigentümlichen Tänze und ihre Musik. Wie nach dieser Ergötzlichkeit und nachdem die Tafel aufgehoben, ein großer helleuchtender Felsen von Satyrn hereingetragen wurde; auf diesem Felsen erschienen Nymphen, die mit ihrer Schönheit und ihrem reichen Schmuck glänzender strahlten als die künstlichen Lichter, von denen der Felsen erleuchtet war; wie dann diese Nymphen herabstiegen und ein Ballett tanzten, dessen vollkommne Schönheit das neidische Glück nicht ertrug, und darum einen entsetzlichen Sturm mit Regen und Ungewitter erhob; wie hierauf die Unordnung, als man sich in der Nacht auf den Kähnen zurückbegeben mußte, den folgenden Morgen ebensoviel Stoff zum Lachen gab, als das Fest selber Zufriedenheit verbreitet hatte. So werden Sie auch die Pracht aller Einzüge in allen Hauptstädten des ganzen Königreichs, dessen Provinzen Sie besuchten, gewiß nicht zu beschreiben unterlassen.

König Karl, mein Bruder, und die Königin Mutter waren einige Jahre nach der großen Reise zu Paris. Die Hugenotten hatten den Krieg wieder angefangen, als ein Edelmann, den mein Bruder von Anjou, nachmaliger König von Polen, sendete, zu Paris anlangte und dem Könige die Nachricht brachte: ›Mein Bruder von Anjou habe die Armee der Hugenotten dahin gebracht, daß er hoffen dürfe, sie in wenigen Tagen zu einer Schlacht zu zwingen; er ersuche daher um die Ehre, sie vorher noch einmal sehen zu dürfen, damit, wenn das Schicksal, aus Neid über seinen früh erworbenen Ruhm, an jenem von ihm ersehnten Tage, nachdem er seinem Könige, der Religion und dem Staate einen so wichtigen Dienst geleistet, sein Grab mit dem Triumph seines Sieges vereinigen wollte, er die Welt zufriedener verließe, wenn er die Überzeugung erlangt, der König, sein Bruder, und die Königin Mutter seien mit der Ausführung des Auftrags, mit welchem sie ihn beehrt, vollkommen zufrieden, welches ihm alsdann noch ruhmvoller sein würde als die Trophäen seiner beiden ersten Siege.‹ Urteilen Sie, ob diese Worte nicht das Herz einer so gütigen Mutter bewegen mußten, die nur für ihre Kinder lebte und die zu jeder Stunde ihr Leben für das ihrer Kinder und für die Erhaltung ihrer Staaten zu opfern bereit war und die besonders diesen Sohn zärtlich liebte. Sie entschloß sich schnell zu ihm zu reisen; der König begleitete sie, sowie ihre gewöhnlich sie begleitenden Frauen, Frau von Rais, Frau von Sauve und ich. Auf Flügeln der mütterlichen Liebe getragen, legte sie den Weg von Paris nach Tours in drei und einem halben Tag zurück, welches nicht ohne große Beschwerde und viele lächerliche Unfälle geschah, besonders für den armen Kardinal von Bourbon, der sie nie verließ, der aber weder Laune, noch körperliche Beschaffenheit zu dergleichen Hofdienst hatte. Zu Plessis les Tours befand sich mein Bruder von Anjou an der Spitze aller Offiziere seiner Armee; in Gegenwart dieser Blüte der Fürsten und Herren aus ganz Frankreich hielt er dem Könige eine Anrede, worin er ihm über alles, was er ausgeführt hatte, Rechenschaft gab. Diese Rede war mit solcher Kunst und so vieler Beredsamkeit abgefaßt und mit solchem guten Anstande gesprochen, daß er die Bewunderung aller Anwesenden erhielt, um so mehr, da seine große Jugend die Würde und Wichtigkeit seiner Worte hob, die mehr einem alten graubärtigen Heerführer zukamen als der sechzehnjährigen Jugend, in welcher er schon die Lorbeern von zwei gewonnenen Schlachten um seine Stirn gewunden hatte; dazu die Schönheit, die jeder Handlung Anmut verleiht und die mit seinem guten Glück sich um die Wette beeiferte, ihn zu verherrlichen. Was meine Mutter dabei empfand, die ihn so einzig liebte, läßt sich nicht beschreiben, so wenig als die Trauer des Vaters der Iphigenia je dargestellt werden konnte. Bei einer jeden andern als bei ihr, aus deren Seele die Klugheit niemals wich, hätte man den Ausbruch der unmäßigen Freude in jedem Augenblick wahrgenommen; sie aber mäßigte mit Besonnenheit jede ihrer Bewegungen und zeigte, daß ein Verständiger nichts tut, was er nicht tun will. Ohne sich bei Freudenbezeugungen und Lobsprüchen zu verweilen, die ein so vollkommener und geliebter Sohn wohl verdient hätte, ergriff sie sogleich die Punkte seiner Rede, welche die Kriegsvorfälle betrafen, um mit den dabei gegenwärtigen Fürsten und Herren darüber zu Rate zu gehen, damit sie einen ordentlichen Entschluß fassen und die nötigen Vorkehrungen, den Krieg fortzuführen, treffen könnten. Zu dem Ende mußte man sich einige Tage an dem Orte aufhalten. Einen dieser Tage, als die Königin Mutter mit einigen Fürsten im Garten spazieren ging, bat mich mein Bruder von Anjou, daß ich mit ihm in einer andern Allee gehen möchte; dort hielt er mir folgende Rede: »Schwester, unsre gemeinschaftliche Erziehung verbindet uns nicht weniger als unsre Verwandtschaft; auch wirst du es wohl immer erkannt haben, daß ich zu dir immer vorzugsweise vor allen andern Geschwistern die stärkste Zuneigung hatte, so wie ich auch bemerkt, daß du mir gleiche Freundschaft schenktest. Bis hierher wurden wir absichtslos, bloß von natürlicher Zuneigung, zu diesem Verein geleitet, ohne daß unsre Verbindung uns einen andern Nutzen schaffte als das bloße Vergnügen, uns zu unterhalten. Dies ziemte der Kindheit wohl, wir sind aber jetzt nicht mehr Kinder und dürfen nicht länger als solche leben. Du siehst nun die großen und rühmlichen Ämter, zu denen Gott mich ausersehen und zu denen die Königin, unsre vortreffliche Mutter, mich gebildet. Dich liebe ich über alles auf der Welt, und du sollst dich jeder Macht, jeder Größe, die mir zuteil wird, mit mir erfreuen. Du hast, so wie ich dich kenne, Verstand und Beurteilung genug, um mir bei der Königin Mutter zu dienen. Zur Erhaltung meines jetzigen Glücks ist es notwendig, daß sie mir gnädig bleibt, denn sie ist meine vorzüglichste Stütze; darin, befürcht ich nun, möchte meine Abwesenheit mir schädlich sein, und doch hält mein Posten und der Krieg mich in beständiger Entfernung. Der König, unser Bruder, bleibt dagegen beständig bei ihr, schmeichelt ihr und ist ihr überall gefällig; in der Folge kann mir dieses schädlich werden; denn der König, unser Bruder, wächst heran, und sein Mut möchte sich wohl nicht immer mit der Jagd belustigen lassen; wenn er ehrgeizig wird, so könnte er am Ende die Tierhetze mit der Menschenhetze vertauschen wollen und mir die Stelle als Leutnant des Königs, die er mir übertragen, wieder nehmen und seine Armeen selber kommandieren; dieses könnte aber nicht ohne meinen völligen Untergang geschehen, denn ehe ich diesen Fall erduldete, würde ich lieber den grausamsten Tod wählen. Ich habe auf ein Mittel gedacht, mich von dieser Furcht zu befreien, und finde es notwendig für mich, daß eine Person, die mir ganz ergeben und von meiner Partei ist, die Königin Mutter beständig umgebe. Niemand, das weiß ich, ist dazu fähiger als du, denn du bist mein anderes Ich. Du hast alle erforderlichen Verdienste, Verstand, Überlegung und Treue, wenn du die Gefälligkeit für mich haben willst, auch die gänzliche Unterwürfigkeit hinzuzufügen; denn ich muß dich bitten, beständig um die Königin Mutter zu sein; beim Lever, im Kabinett, beim Schlafengehen, kurz den ganzen Tag unausgesetzt. Dadurch wird sie dahin gebracht, sich dir mitzuteilen, da ich mit ihr von deinen Fähigkeiten sprechen und von dem Troste und von der Hilfe, die sie dadurch erlangen mag, und sie ersuchen werde, dir nicht länger als einem Kinde zu begegnen, sondern dich in meiner Abwesenheit wie mich selber zu behandeln. Sie wird es auch sicher tun. Sprich mit ihr mit eben dem Zutrauen und derselben Sicherheit, als ob du zu mir redetest; glaube mir, es wird sie sehr erfreuen, und für dich ist es ein großes Glück, ihr Vertrauen zu besitzen; auf diese Weise kannst du für dich wie für mich viel tun, und ich werde dir nächst Gott die Erhaltung meines Lebens verdanken.«

Welche neue Sprache für mich, die ich bis jetzt ganz ohne Absicht gelebt, an nichts denkend als an Tanzen und Jagen, sogar ohne Begierde zu gefallen oder mich zu schmücken; ich war zu jung dazu, war auch unter solchem Zwang bei der Königin Mutter erzogen worden, daß ich nicht allein mir nie getraute, sie anzureden, sondern wenn sie mich nur anblickte, so bebte ich, aus Furcht, ihr durch irgend etwas mißfallen zu haben. Es fehlte wenig, so hätte ich meinem Bruder dasselbe geantwortet, was Moses dem Herrn bei der Erscheinung des brennenden Dornbusches: wer bin ich? mein Herr, sende, welchen du senden willst!

Ich fand jedoch in mir, was ich vorher nicht geahnt hatte; Kräfte wurden in meinem Innern durch seine Worte erregt, die ich nie gekannt, obgleich ich mit ziemlichem Mut geboren ward. Als ich von dem ersten Erstaunen zu mir selber gekommen war, so gefielen mir die Worte meines Bruders wohl, und in dem Augenblick fühlte ich mich wie verwandelt und als ob ich höher stände als bisher. Ich erhielt Zutrauen zu mir selber und antwortete ihm: »Mein Bruder, verleiht Gott mir ebenso die Fähigkeit und die Kühnheit, mit der Königin Mutter zu sprechen, wie ich den guten Willen habe, dir in dem zu dienen, was du von mir verlangst, so zweifle nicht, daß du nicht allen Nutzen und jede Befriedigung davon ziehst, welche du dir davon versprichst. Ich werde sie so beständig umgeben, daß du es wohl einsehen wirst, wie ich dein Wohl jedem Vergnügen in der Welt vorziehe. Du tust auch sehr wohl daran, Zutrauen zu mir zu haben, denn niemand auf der Welt liebt und ehrt dich so, als ich. Sei gewiß, daß es, wenn ich bei der Königin Mutter bin, ebenso gut ist, als ob du selber bei ihr wärst, und nur für dich werde ich bei ihr sein.«

Ich fühlte diese Worte besser, als ich sie auszusprechen vermochte. Der Erfolg bezeugte es; denn die Königin rief mich, als wir von da abgereist waren, zu sich in ihr Kabinett, wo sie mir folgendes sagte: »Dein Bruder hat mich von eurem Gespräch unterrichtet. Er hält dich nicht mehr für ein Kind; auch ich will dich länger nicht so halten. Es wird mir eine Freude sein, mit dir wie mit deinem Bruder reden zu können. Du mußt immer um mich sein und darfst dich nicht fürchten, ganz frei mit mir zu sprechen, denn es ist mein ausdrücklicher Wille.«

Meine Seele fühlte etwas bei diesen Worten, was sie bis dahin nie gefühlt hatte: eine so unaussprechliche Zufriedenheit, daß mich dünkte, es wäre alles, was ich bis dahin genossen, nur ein Schatten dieses Glücks; die Vergangenheit mit den Freuden der Kindheit, Tanzen, Jagen und die jugendlichen Gespielinnen kamen meinen Augen verächtlich vor, als eitle, törichte Dinge. Ich gehorchte dem mir so werten Befehl der Königin Mutter, und jeden Tag war ich die erste bei ihrem Lever und die letzte, wenn sie zu Bette ging. Sie beehrte mich manchmal zu zwei, drei Stunden lang mit ihrem Gespräch, und durch die Gnade Gottes war sie so sehr mit mir zufrieden, daß sie mich nicht genug gegen ihre Frauen zu rühmen wußte. Ich sprach beständig von meinem Bruder mit ihr, und dieser ward wieder so treulich von allem, was vorging, benachrichtigt, als er es nur immer verlangen konnte.

In dieser glücklichen Lage blieb ich einige Zeit bei der Königin Mutter, während welcher die Schlacht bei Montoncourt geliefert ward. Mit der Nachricht dieser Schlacht ließ mein Bruder von Anjou, der nur danach trachtete, selber bei der Königin Mutter zu sein, ihr sagen: er ginge nun St. Jean d'Angely zu belagern, wo die Gegenwart des Königs und der Königin Mutter notwendig sein würde. Sie, die mehr noch als er danach verlangte, ihn zu sehen, beschloß sogleich, hinzureisen; sie nahm niemand mit als ihr gewöhnliches Gefolge, zu welchem auch ich gehörte. Ich ging mit außerordentlich großer Freude und ahnte das Unglück nicht, welches das Schicksal mir bereitete. Meine unerfahrene Jugend genoß arglos den Augenblick der Wohlfahrt, den sie ewig dauernd wähnte. Aber das neidvolle Geschick duldete die Dauer meiner glücklichen Lage nicht; dies feindselige Wesen bereitete mir ebensoviel Verdruß, als ich mir Freuden gedacht hatte, weil ich meinem Bruder mit solcher Treue gedient. Seitdem dieser von mir entfernt war, hatte er den von Guast bei sich und war so von ihm besessen, daß er nur durch seine Augen sah und durch seinen Mund redete. Dieser Mensch, der zum Schlechthandeln geboren war, hatte den Verstand meines Bruders völlig eingenommen und geblendet und ihn mit tausend tyrannischen Grundsätzen angefüllt: daß man niemand lieben, niemand trauen müsse als sich selber; daß man auch niemand, selbst seine Geschwister nicht, an seinem Glücke müsse teilnehmen lassen, und andre schöne machiavellische Vorschriften dieser Art, die er sich in den Kopf setzen ließ und sie sogleich bei unsrer Ankunft in Ausübung brachte. Nach den ersten Begrüßungen fing meine Mutter gleich von meinem Lobe an und erzählte ihm, wie treulich ich ihm bei ihr gedient. Er gab ihr kalt zur Antwort: »Es wäre ihm recht lieb, daß es ihm so wohl gelungen sei, da er mich darum gebeten: aber die Klugheit erlaube nicht, daß man sich zu jeder Zeit derselben Mittel bediene; was in einer Stunde nützlich sei, könne in der nächsten Stunde schädlich werden.« Sie fragte ihn nach dem Grund dieser Äußerung, worauf er denn, da er sah, daß es eben der rechte Augenblick war, die Maschine zu meinem Ruin anzulegen, sagte: ›Daß ich anfinge sehr schön zu werden, daß der Herzog von Guise sich um mich bewerbe und daß seine Oheime danach trachteten, mich mit ihm zu vermählen; sobald ich also Neigung zu ihm bekäme, so wäre sehr zu fürchten, daß ich alles, was sie mir anvertraute, ihm mitteilen würde. Der Ehrgeiz dieses Hauses sei ihr wohl bekannt, und sie wisse, wie sehr es dem unsrigen immer entgegen gewesen. Es würde also ratsam sein, daß sie nicht mehr von Geschäften mit mir rede, und daß sie nach und nach sich von mir zurückzöge und mich entferne.‹ Ich sah noch denselben Abend die Veränderung, die dieser verderbliche Rat bei ihr hervorbrachte. Ich sah, daß sie sich in Gegenwart meines Bruders mit mir zu reden scheute, und obgleich sie, während sie mit ihm sprach, mir drei- oder viermal befahl, mich zu Bette zu legen, wartete ich dennoch, bis er aus dem Zimmer war; dann näherte ich mich ihr und flehte sie an, mir zu sagen, ob ich unwissend das Unglück gehabt hätte, ihr Mißfallen zu erregen? Anfangs wollte sie es mir verbergen, endlich aber sagte sie: »Meine Tochter, dein Bruder ist verständig; was ich dir jetzt sagen werde, beabsichtigt nichts als Gutes, du mußt ihm deswegen nicht übelwollen.« Hierauf erzählte sie mir alles, was er ihr gesagt, und verbot mir, in Gegenwart meines Bruders wieder mit ihr zu sprechen. So wie die ersten Worte ihrer Gnade mich mit Freude erfüllt hatten, so war ein jedes dieser Worte mir wie ein Dolchstich ins Herz. Ich unterließ nichts, um ihr meine Unschuld darzutun: wie ich von dieser ganzen Sache nie ein Wort gehört und wie, wenn der Herzog von Guise diese Absicht haben und mir etwas davon sagen möchte, ich es ihr sogleich mitteilen würde. Es war aber alles umsonst; der Eindruck, den die Worte meines Bruders auf sie gemacht hatten, war so groß, und sie war so ganz davon eingenommen, daß weder Vernunft noch Wahrheit Raum bei ihr fanden. Da sagte ich ihr: ›Mein Gefühl bei dem Verlust meines Glücks sei weniger schmerzhaft, als es bei der Erlangung desselben freudenvoll gewesen wäre. Mein Bruder‹, sagte ich, ›raubt es mir, nachdem er es mir gegeben; und ebenso wie er es mir ohne mein Verdienst erlangen ließ, da er mir ein Lob erteilte, dessen ich nicht wert war, so entzieht er es mir auch wieder ohne meine Schuld und wegen einer leeren Einbildung. Sie möchte versichert sein,‹ setzte ich hinzu, ›daß die Erinnerung von dem, was mein Bruder mir zugefügt, ewig in meinem Gedächtnisse bleiben würde.‹ Darüber ward sie sehr erzürnt und verbot mir, ihn jemals etwas davon merken zu lassen.

Von diesem Tage an verminderte sich ihre Gunst täglich gegen mich, ihrem Sohne zu gefallen, der ihr Abgott war, und dem sie alles, was er verlangte, zugestand.

Der Gram, der mein Herz preßte und alle Kräfte meiner Seele unterdrückte, gab auch meinem Körper eine größere Empfänglichkeit für die Eindrücke der Epidemien, welche damals bei der Armee herrschten. Ich ward nach einigen Tagen sehr krank, an einem damals stark umgehenden hitzigen Scharlachfieber. Chappellain und Castelan, die beiden Ärzte des Königs und der Königin, waren zu gleicher Zeit davon weggerafft worden, als ob das Übel erst die Schäfer entfernen wollte, um die Herde desto leichter zu erlangen. Wenige nur, die von dieser Krankheit befallen waren, kamen davon.

Die Königin Mutter, welcher die Ursache meiner Krankheit zum Teil wohl bekannt war, unterließ nichts, mir Hilfe zu schaffen; ohne die Gefahr der Ansteckung zu scheuen, blieb sie selbst immer bei mir. So sehr sie dadurch mein Übel erleichterte, so sehr ward es durch die Verstellung meines Bruders vermehrt. Nachdem er einen solchen Verrat gegen mich verübt und sich so undankbar bezeigt hatte, kam er weder Nacht noch Tag von meinem Bette fort und wartete mich so dienstfertig, als lebten wir in der größten Freundschaft. Ich konnte ihm seine Heuchelei nur durch meine Seufzer vorrücken, so wie Brutus dem Nero, der ihn hatte vergiften lassen; nur auf diese Weise konnte ich ihm zu verstehen geben, daß meine Krankheit mehr seiner üblen Behandlung als der Bösartigkeit der Luft zuzuschreiben sei.

Gott erbarmte sich meiner und rettete mich aus dieser Gefahr. Nach vierzehn Tagen, als die Armee aufbrach, ward ich in einem Tragsessel fortgebracht; jedesmal beim Nachtlager fand ich den König Karl, der sich nebst allen angesehenen Hofleuten die Mühe gab, mich mit dem Sessel bis an mein Bett zu tragen. So kam ich krank an Körper, kränker aber noch an der Seele, von St. Jean d'Angely nach Angers, wo ich zu meinem Unglück den Herzog von Guise und seine Oheime fand. Mein Bruder von Anjou war ebensosehr über ihre Gegenwart, die seine List beschönigte, erfreut, als ich in Angst war, meine Leiden vergrößert zu sehen. Er fing auch sogleich an, seinen Plan auszuspinnen; täglich kam er zu mir und brachte den Herzog von Guise mit, den er sehr zu lieben vorgab. Oft umarmte er ihn dann und sagte, damit der Herzog diesen Gedanken auffassen sollte: »Wollte Gott, du wärst mein Bruder!« Der Herzog von Guise schien ihn nicht zu verstehen, aber ich verstand diese Bosheit sehr wohl und verlor fast ganz die Geduld darüber, sie ihm nicht vorrücken zu dürfen. Zu eben der Zeit sprach man von einer Vermählung mit mir und dem Könige von Portugal, der durch Gesandte um mich anhalten ließ. Ich schmückte mich auf Befehl der Königin Mutter, um diese Gesandten zu empfangen; mein Bruder hatte ihr aber glauben gemacht, ich wollte diese Vermählung nicht, und sie sprach noch denselben Abend mit mir darüber, in der Absicht, irgendeinen Grund zum Zank in meinen Antworten zu finden. Ich sagte ihr aber: ›Mein Wille hätte immer von dem ihrigen abgehangen, und alles, was ihr gefalle, sei ich bereit zu tun.‹ Darauf sagte sie in einem zornigen Ton, auf den sie sehr wohl vorbereitet war: ich sagte ihr nicht die Wahrheit, sie wüßte es bestimmt, daß der Kardinal von Lothringen mich beredet habe, seinen Neffen zu heiraten. Darauf bat ich sie, die Heirat mit dem Könige von Portugal sogleich zu schließen, damit sie von meinem Gehorsam überzeugt würde.

Jeden Tag sagte man ihr etwas Neues, um sie gegen mich aufzubringen und mich zu quälen, lauter Erfindungen aus von Guast seiner Fabrik, so daß ich nie Ruhe haben durfte. Von einer Seite verhinderte der König von Spanien meine Heirat mit dem Könige von Portugal, von der andern diente der Herzog von Guise zum Vorwand, mich beständig zu verfolgen, obgleich weder er noch seine Anverwandte mit mir redeten, und er schon seit Jahren eine Verbindung mit der Prinzessin von Porcian suchte. Da diese Heirat aber immer wieder aufgeschoben wurde, so beschuldigte man ihn unaufhörlich, daß er nach mir trachte. Endlich fiel mir ein, mich an meine Schwester, die Herzogin von Lothringen, die alles in dem Hause vermochte, zu wenden. Ich schrieb ihr und bat sie, es dahin zu bringen, daß der Herzog von Guise den Hof verlasse und sich eilig mit seiner Geliebten, der Prinzessin von Porcian, vermähle; dabei stellte ich ihr vor, wie man diese Erfindung mit mir zu meinem Verderb und zum Verderb des Herzogs von Guise und seines ganzen Hauses geschmiedet habe. Meine Schwester sah dies auch sehr wohl ein; sie kam sogleich an den Hof, beschleunigte jene Vermählung und befreite mich dadurch von diesen Verleumdungen. Meine Feinde mußten schweigen, und ich fand endlich Ruhe.

Der König von Spanien unterdessen, gegen dessen Absicht es ist, wenn die Seinigen eine Verbindung außer seinem Hause suchen, brachte es dahin, daß die Unterhandlungen mit dem König von Portugal abgebrochen wurden, und es ward nicht weiter davon geredet. Nach einigen Tagen sprach man von der Heirat mit mir und dem Prinzen von Navarra, der jetzt unser tapfrer, großer König ist. Die Königin Mutter sprach bei der Tafel zuerst mit Herrn von Meru davon, denn die Montmorencys hatten zuerst davon geredet. Nach der Tafel sagte er mir, die Königin Mutter habe es ihm aufgetragen, mit mir davon zu sprechen. Ich erwiderte darauf: ›es sei ganz überflüssig, mit mir zu reden, ich hätte keinen andern Willen als den ihrigen; doch flehe ich sie an, zu bedenken, daß ich eine gute Katholikin sei, und daß es mich schmerzen würde, einen Gemahl zu haben, der sich zu einem andern Glauben bekenne.‹

Die Königin Mutter ließ mich zu sich in ihr Kabinett kommen. Hier sagte sie mir: ›Die Herren von Montmorency hätten ihr diese Verbindung angetragen, sie wollte nun meine Meinung darüber hören.‹ Darauf gab ich dieselben Worte zur Antwort: ›Ich hätte keinen Willen als den ihrigen, nur möchte sie erwägen, daß ich eine Katholikin sei.‹ Das Gerede davon ward immer stärker; dann kam die Königin von Navarra, seine Mutter, an den Hof, und die Verbindung ward noch vor ihrem Tode beschlossen. Einige Monate nachher kam der Prinz von Navarra, von da an König von Navarra genannt. Er war in Trauer um seine Mutter, und achthundert Edelleute, die ihm folgten, gleichfalls in Trauerkleidern. Er ward vom Könige und dem ganzen Hof sehr ehrenvoll empfangen, und unsere Vermählung ward nach wenigen Tagen mit solchem Pomp und solcher Festlichkeit vollzogen, als vorher noch bei keiner meines Ranges. Der König von Navarra und sein Gefolge hatten die Trauer gegen sehr reiche und kostbare Kleider vertauscht; der ganze Hof war in kostbarem Schmuck, wie Sie wohl wissen und wie Sie es am besten beschreiben können. Ich trug die königliche Krone, den großen blauen Mantel, dessen Schleppe drei Prinzessinnen nachtrugen, und den kleinen Hermelinmantel. Der ganze Kronschmuck umstrahlte mich. Es waren, wie es bei den Vermählungen der Töchter der Könige von Frankreich gebräuchlich ist, Gerüste errichtet und mit Goldstoff behangen, von dem bischöflichen Palaste an bis zur Kirche Notre Dame. Unten erdrückte sich das Volk, um den Zug des Brautpaars und des ganzen Hofs über diese Gerüste zu sehen. An der Kirche empfing uns der Kardinal von Bourbon und sagte die dabei üblichen Worte. Dann gingen wir bis zur Tribüne, welche das Schiff vom Chor absondert. Hier waren zwei Stufen, die eine führte zum Chor, die andere durch das Schiff hinaus, über die der König von Navarra aus der Kirche ging.

Das Schicksal gönnt den Sterblichen kein dauerndes Glück. Diese festlichen Freuden wurden in Leiden und Schrecken verkehrt, durch die Verwundung des Admirals, wodurch die Partei der neuen Religion aufs äußerste beleidigt und ganz zur Verzweiflung gebracht wurde. Der ältere Pardaillan und einige andre Anführer der Hugenotten redeten in einem Tone mit der Königin Mutter, der ihr üble Absichten befürchten ließ. Es ward nach dem Rat des Herzogs von Guise und meines Bruders, des Königs von Polen, nachmaligen Königs von Frankreich, der Beschluß gefaßt, ihnen zuvorzukommen. Diesem pflichtete aber König Karl keineswegs bei; er schätzte die Herren Rochefaucault, Teligny, la Noue und einige andre Häupter der neuen Religion, die er in Flandern zu nutzen dachte. Ich habe ihn selber sagen hören, daß sie Mühe gehabt hätten, seine Einwilligung zu erlangen, und er würde sie nie gegeben haben, wenn man ihm nicht hätte zu verstehen gegeben, daß es die Sorge für den Staat und für sein Leben so erfordere. Da er Maurevels Angriff auf den Admiral erfuhr (wie er nämlich aus dem Fenster nach ihm geschossen, in der Absicht, ihn zu töten; er ward aber nur in der Schulter verwundet), war er überzeugt, Maurevel habe diesen Streich auf Anstiften des Herzogs von Guise ausgeführt, der sich an dem Admiral rächen wollte, weil dieser auf ebendiese Weise den Vater des Herzogs von Guise durch Poltrot hatte ermorden lassen; und er, der König Karl, geriet deshalb in eine solche Wut gegen den Herzog von Guise, daß er darauf schwur, er solle es entgelten. Der König würde ihn gewiß haben in Verhaft bringen lassen, hätte er sich nicht den ganzen Tag über verborgen gehalten. Niemals war es der Königin Mutter so schwer geworden, dem Könige begreiflich zu machen, daß es zum Wohl des Staates geschehen wäre, wegen der schon erwähnten Neigung, die er zum Admiral, zu la Noue und zu Teligny trug; er schätzte ihren Geist und ihre Tapferkeit; er, als ein so mut- und geistvoller Fürst, schätzte nur die Personen, bei denen er dieselben Eigenschaften wahrnahm. Obgleich sie dem Staate sehr schädlich waren, so wußten diese Füchse sich so gut zu verstellen, daß sie ganz das Herz des vortrefflichen Fürsten gewannen, indem sie ihn hoffen ließen, dem Staate zu seiner Vergrößerung nützlich zu werden, indem sie ihm gute, ruhmwürdige Unternehmungen auf Flandern vorschlugen, die fähig waren, diese große, königliche Seele zu reizen. Wie ihm auch die Königin Mutter vorstellen mochte, daß der Mord, den der Admiral an des Herzogs Vater hatte verüben lassen, den Sohn entschuldige, wenn er selbst Rache suche, wo er keine Gerechtigkeit erlangen könnte. Auch daß der Mord des Admirals an Charry, Feldzeugmeister der Leibgarde des Königs, einem so tapfern Manne, der dem König Karl so treulich während seiner Minderjährigkeit gedient, eine solche Strafe wohl verdiene. Diese Worte mußten den König Karl überzeugen, daß die Königin Mutter Charrys Tod nicht vergessen hatte; dennoch war er vom Schmerz wegen des Verlustes der Personen, die ihm einst, wie er glaubte, nützlich sein könnten, so ganz hingerissen und so ganz betäubt, daß er gar nicht daran dachte, seine leidenschaftliche Begierde, ihnen Recht widerfahren zu lassen, zu mäßigen oder zu ändern; unaufhörlich befahl er, den Herzog von Guise aufzusuchen und in Verhaft zu nehmen; er wollte durchaus diese Tat nicht unbestraft lassen.

Da endlich Pardaillan durch seine Drohungen bei der Abendtafel der Königin Mutter die übeln Gesinnungen der Hugenotten verriet, und sie einsah, wie die Dinge durch diese Begebenheit so weit gediehen waren, daß die Hugenotten den König und sie selbst angreifen würden, wenn sie ihnen nicht noch in derselben Nacht zuvorkäme, so entschloß sie sich, dem Könige die Gefahr, in welcher er sich befände, und die wahren Umstände der ganzen Sache bekanntmachen zu lassen, und zwar durch den Marschall von Rais, denn sie wußte, daß der König es von diesem, als seinem Vertrautesten und Begünstigtsten, am besten aufnehmen würde. Der Marschall ging noch denselben Abend um neun oder zehn Uhr zu dem König in sein Kabinett, wo er ihm sagte: ›Er könne als sein treuer Diener ihm die Gefahr nicht verhehlen, wenn er in seinem Vorsatz beharren sollte, den Herzog von Guise zur Rechenschaft zu ziehen; er müsse endlich wissen, daß der Herzog von Guise nicht allein an dem Angriff des Admirals schuld sei, sondern daß auch der König von Polen, der nachmals König von Frankreich ward, und die Königin Mutter mit von der Partie wären. Der große Schmerz der Königin Mutter bei Charrys Ermordung wäre ihm bekannt; mit großem Rechte fühle sie sich gekränkt, weil sie zu derselben Zeit wenige Diener habe, die nur von ihr abhingen; denn wie der König wohl wisse, wäre während seiner Minderjährigkeit ganz Frankreich in Parteien geteilt gewesen, die Katholiken für den Herzog von Guise und die Hugenotten für den Prinzen Condé; beide trachteten danach, ihm die Krone zu rauben, deren Erhaltung er nächst Gott allein der Wachsamkeit und der Klugheit der Königin Mutter verdanke, und in dieser Bedrängnis hätte niemand als Charry ihr treulich beigestanden; damals hätte sie, wie der König wohl wisse, geschworen, seine Ermordung zu rächen. Auch sähe sie ein, daß der Admiral dem Staate äußerst verderblich sei, daß er keinen andern Vorsatz habe, als Frankreich in Verwirrung zu stürzen und das unter dem Schein, dem Könige in Flandern zu dienen. Ihr Vorsatz sei gewesen, den Admiral, diese Pest des Königreichs, allein hinweg zu räumen; zum Unglück habe Maurevel sein Ziel verfehlt, und die Hugenotten wären so in Verzweiflung geraten, daß sie nicht allein sich an dem Herzog von Guise, sondern auch an der Königin Mutter und an seinem Bruder, dem Könige von Polen, rächen wollten; und da sie sogar wähnen, er, der König, habe Anteil daran, haben sie beschlossen, noch in derselben Nacht die Waffen zu ergreifen, so daß Se. Majestät sich in großer Gefahr befänden, sowohl von Seiten der Hugenotten als der Katholiken um des Herzogs von Guise willen.‹

Der König Karl, mein Bruder, der stets sehr vernünftig und der Königin Mutter gehorsam war, der als ein aufrichtig katholischer Fürst wohl einsah, worauf es ankam, faßte den Entschluß, sich mit der Königin Mutter zu vereinigen, sich ihrem Willen zu fügen und seine Person von den Katholiken gegen die Hugenotten beschützen zu lassen, obgleich unter unaufhörlichem Bedauern, Teligny, la Noue und Herrn von la Rochefaucault nicht retten zu können. Er begab sich zur Königin Mutter, ließ den Herzog von Guise und die andern katholischen Fürsten und Anführer kommen und beschloß mit ihnen, noch in derselben Nacht das Blutbad der St. Barthelemy zu veranstalten. Sogleich ward auch Hand an das Werk gelegt, die Straßen gesperrt, Sturm geläutet, und jeder eilte nach der gegebenen Order nach dem ihm angewiesenen Quartier, zum Admiral und zu den andern Hugenotten. Der Herzog von Guise stand bei der Wohnung des Admirals; Besme, ein deutscher Edelmann, ging zu ihm hinauf, erstach ihn und warf den Leichnam seinem Herrn, dem Herzog von Guise, aus dem Fenster zu. Mir hatte man nichts von allem dem gesagt; ich sah alles in großer Bewegung; die Hugenotten in Verzweiflung wegen der Verwundung des Admirals; die Herren von Guise sich ängstlich in die Ohren zischelnd und in Besorgnis, daß man sie zur Rechenschaft fordern würde. Die Hugenotten hielten mich als eine Katholikin für verdächtig und die Katholiken, weil ich einen Hugenotten geheiratet hatte, so daß keiner mir etwas sagte, bis auf den Abend, da ich beim Zubettgehen der Königin Mutter neben meiner Schwester, der Herzogin von Lothringen, saß, die sehr niedergeschlagen war, die Königin Mutter, nachdem sie mit jemand leise gesprochen hatte, mich erblickte und mir befahl, mich zu Bette zu legen. Da ich mich nun verneigte und weggehen wollte, ergriff meine Schwester mich am Arm und rief, indem sie sehr weinte: »Mein Gott, Schwester, geh nicht hin!« worüber ich heftig erschrak. Die Königin Mutter merkte es, rief meine Schwester zu sich und verbot ihr sehr zornig, mir etwas davon zu sagen. Meine Schwester stellte ihr vor: man möchte mich doch nicht so als Opfer hinschicken: sie würden sich, wenn sie etwas entdecken sollten, gewiß an mir rächen. Darauf antwortete ihr die Königin Mutter: »Wenn es Gottes Wille ist, wird ihr nichts Übles geschehen. Wie es aber auch sei, müßte ich doch gehen, um ihnen keinen Verdacht zu geben.«

Ich sah, daß sie miteinander stritten, konnte aber kein Wort verstehen. Darauf befahl sie mir noch einmal sehr hart, zu Bette zu gehen. Meine Schwester, die in Tränen schwamm, wünschte mir gute Nacht, ohne mir weiter etwas sagen zu dürfen, und ich ging vor Furcht bebend, ohne zu wissen, was ich zu fürchten hatte. Sobald ich in meinem Kabinett war, betete ich zu Gott, daß er mich in seinen Schutz zu nehmen würdig halten möchte, und daß er mich beschütze; ich wußte aber weder gegen was, noch gegen wen. Darauf befahl mir der König, mein Gemahl, daß ich mich zu Bette legen sollte. Ich gehorchte, fand aber sein Bett umringt von dreißig bis vierzig Hugenotten, die ich noch nicht kannte, weil ich erst so kurze Zeit vermählt war. Die ganze Nacht durch redeten sie zu mir vom Admiral; sie faßten den Entschluß, mit Anbruch des Tages zum Könige zu gehen, um Genugtuung zu fordern, und im Falle, daß man ihnen solche nicht gebe, sie sich selber zu verschaffen. Mir lagen noch immer die Tränen meiner Schwester am Herzen, und ich konnte vor Furcht nicht einschlafen, ohne doch zu wissen worüber. So verging die Nacht, keiner tat die Augen zu. Mit Tagesanbruch sagte der König, mein Gemahl, er wolle Ball spielen, bis der König Karl aufwache, dann wollte er sogleich zu ihm und Genugtuung fordern. Darauf verließ er mein Gemach, und seine Edelleute folgten ihm. Da ich sah, daß der Tag angebrochen war, meinte ich, die Gefahr, von welcher meine Schwester gesprochen, sei vorüber; der Schlaf überwältigte mich, ich befahl daher meiner Amme, die Türe zu verschließen, damit ich ruhig schlafen könnte. Nach einer Stunde, nachdem ich fest eingeschlafen war, pochte jemand mit Händen und Füßen an die Tür und rief: »Navarra, Navarra!« Meine Amme meinte, es sei der König, mein Gemahl, und lief schnell hinzu, ihm die Türe zu öffnen. Es war ein Edelmann, namens Tejan, der von einem Degenstoß über den Ellbogen und von einer Hellebarde in den Arm verwundet war; er drängte sich mit vier Häschern, die ihn verfolgten, in mein Zimmer und warf sich auf mein Bett, um sich zu retten. Da ich alle diese Menschen sah, die sich über mich herwarfen, flüchtete ich in den Gang hinter meinem Bette, er aber mir nach, indem er sich fest an mich klammerte. Ich kannte den Mann gar nicht und wußte nicht, ob er in der Absicht gekommen war, mir Leides zu tun, oder ob die Häscher ihm oder mir etwas tun wollten. Wir schrien beide und waren einer so erschrocken als der andere. Gott gab es, daß Herr von Nançay, Hauptmann von der Garde, dazukommen mußte; er konnte sich des Lachens nicht erwehren, als er mich in diesem Zustand erblickte, obgleich er mich bedauern mußte; er schimpfte auf die Häscher wegen ihrer Unschicklichkeit, jagte sie hinaus und überließ mir das Leben des armen Menschen, der mich immer noch festhielt. Ich ließ ihn in mein Kabinett bringen und seine Wunden verbinden; hier blieb er bis zu seiner völligen Heilung. Während ich ein anderes Hemd anzog, weil er mich ganz blutig gemacht hatte, erzählte mir Herr von Nançay, was eben vorging, und versicherte mir, der König, mein Gemahl, wäre in dem Zimmer des Königs, wo ihm nichts Leides geschähe. Darauf ließ er mich einen Schlafrock überwerfen und führte mich in das Zimmer meiner Schwester, der Herzogin von Lothringen. Mehr tot als lebend kam ich dorthin; indem ich in den Vorsaal trat, dessen Türen ganz offen standen, ward ein Edelmann, namens Bourse, der sich vor den Häschern retten wollte, nur drei Schritte von mir, von einer Hellebarde durchstoßen. Ich fiel ohnmächtig hin. Herr von Nançay hielt mich in seinen Armen; es war mir, als träfe der Stoß uns beide. Nachdem ich mich ein wenig erholt hatte, ging ich in das kleine Schlafzimmer meiner Schwester. Kaum war ich da, als Miossoms, der erste Edelmann des Königs, meines Gemahls, und Armagnac, sein erster Kammerdiener, mich daselbst aufsuchten, um mich zu bitten, daß ich ihnen das Leben retten möchte. Ich ging sogleich hin und warf mich zu den Füßen des Königs und der Königin Mutter, sie darum zu bitten; sie gestanden es mir auch zu. Nach fünf oder sechs Tagen sahen es die Urheber dieser Tat ein, daß sie ihrer hauptsächlichen Absicht eigentlich zuwider gehandelt, weil sie es nicht so gegen die Hugenotten hatten, als vielmehr gegen die Prinzen von Geblüt; man war also mißvergnügt darüber, daß der König, mein Gemahl, und der Prinz Condé verschont geblieben waren. Da man nun einsah, daß niemand Hand an ihn legen würde, solange ich seine Gemahlin bliebe, so spannen sie einen anderen Faden. Sie beredeten die Königin Mutter, meine Ehe müsse getrennt werden. In dieser Absicht rief sie mich am Morgen eines Festtages zu sich, als wir eben zur Beichte gehen wollten, und beschwor mich, ihr die Wahrheit zu sagen, ob der König, mein Gemahl, nicht unvermögend sei? »Dann,« sagte sie, »wenn er das ist, so wäre es ein Mittel, die Ehe aufheben zu lassen.« Darauf bat ich inständigst, zu glauben, daß ich mich gar nicht auf diese Frage verstände (auch konnte ich in Wahrheit damals wie jene Römerin sagen, die ihrem Manne, als er ihr vorwarf, sie habe es ihm nie gesagt, daß er einen übelriechenden Atem habe, antwortete: sie hätte geglaubt, alle Männer hätten einen solchen Atem, weil sie vorher nie einem andern Manne nahegekommen wäre); wie dem aber auch sein möge, so wollte ich doch in dem Stande bleiben, in den sie selbst mich gesetzt. Ich argwohnte es gleich, daß man mich nur deshalb von ihm scheiden wollte, um ihm einen bösen Streich zu spielen.

Bald darauf begleiteten wir den König von Polen bis nach Beaumont. Ehe er Frankreich verließ, ließ er kein Mittel unversucht, mich seine Undankbarkeit vergessen zu machen und wieder mit mir auf den freundschaftlichen Fuß zu kommen, auf welchem wir sonst gewesen waren; er verlangte sogar, eh er von mir Abschied nahm, ich solle ihm Freundschaft zuschwören.

Seine Entfernung und die Krankheit des König Karls, welche beinahe zu ebender Zeit erfolgte, weckte wieder den Geist der beiden Parteien im Königreiche und die verschiedenen Projekte im Staate. Die Hugenotten hatten nach dem Tode des Admirals den König, meinen Gemahl, und meinen Bruder, den Herzog von Alençon, beredet (den sie vor der St. Barthelemy durch die Hoffnung gewonnen hatten, ihn in Flandern zu etablieren), eine Schrift zu unterschreiben, durch welche sie sich verpflichteten, den Admiral zu rächen und sich, sobald der König und die Königin Mutter wieder nach Frankreich kommen würden, durch die Champagne davonzumachen, wo sie alsdenn Truppen zu ihrem Empfange in Bereitschaft finden sollten. Herr von Mioßans, ein katholischer Edelmann, erfuhr diese Unternehmung, die dem Könige, seinem Herrn, nachteilig war; er teilte sie mir mit, um diese Sache zu hintertreiben, die sowohl ihnen als dem Staate so schädlich hätte werden können. Ich ging sogleich zum Könige und zur Königin Mutter und sagte ihnen, daß ich ihnen etwas sehr Wichtiges mitzuteilen hätte, ich würde es aber nur unter der Bedingung entdecken, daß sie mir das Versprechen gäben, denjenigen, die ich nennen würde, nicht zu schaden, sondern Mittel anwenden müßten, der Sache abzuhelfen, ohne sich weiter etwas merken zu lassen. Ich entdeckte ihnen hierauf, daß mein Gemahl und mein Bruder morgen zu den Hugenotten entfliehen wollten, von denen sie mit Truppen erwartet würden, um der Verbindung willen, welche sie wegen des Admirals eingegangen; ich bat sie, ihren Kindern zu verzeihen, weil sie wegen jener Verbindung sehr zu entschuldigen wären, und ihnen irgendein Hindernis in den Weg zu legen, ohne sich aber weiter etwas merken zu lassen. Die Sache ward so vorsichtig geführt, daß sie durchaus nicht entwischen konnten, und doch wurden sie nicht gewahr, woher ihnen die Verhinderung kam. Wir kamen nach St. Germain, wo wir uns wegen der Krankheit des Königs sehr lange aufhielten. Währenddem suchte mein Bruder, der Herzog von Alençon, sich mir angenehm zu machen, und bemühte sich sehr um meine Freundschaft, so wie ich sie für meinen Bruder, den König Karl, immer hatte; denn bis dahin hatten wir uns nur wenig gesehen, und wir waren gar nicht sehr vertraut, weil er selten bei Hofe und beständig entfernt war gehalten worden. Durch seine Unterwürfigkeit, Anhänglichkeit und zärtliche Zuneigung ward ich auch bewogen, ihn zu lieben, und entschlossen, mich seiner Angelegenheiten anzunehmen. Doch immer nur unter der einzigen Bedingung, daß es nie etwas zuwider meiner Pflicht gegen meinen Bruder, den König Karl, sein dürfte, den ich über alles ehrte. Das Wohlwollen des Herzogs von Alençon gegen mich ward nie unterbrochen und dauerte bis an seinen Tod.

Da nun die Krankheit des König Karls immer zunahm, hörten die Hugenotten nicht auf, etwas Neues hervorzusuchen, um den König, meinen Gemahl, und meinen Bruder, den Herzog von Alençon, vom Hofe zu entfernen; und diesmal erfuhr ich es nicht so wie das erstemal. Gott aber gab es zu, daß die Königin Mutter selber das Feuer entdeckte, als es eben ausbrechen wollte, indem die Truppen der Hugenotten an demselben Tage in St. Germain eintreffen sollten. Wir mußten um zwei Uhr nach Mitternacht aufbrechen und den König Karl in eine Sänfte schaffen, um eiligst nach Paris zu gehen. Die Königin Mutter nahm meinen Bruder und den König, meinen Gemahl, zu sich in ihren Wagen und behandelte sie nicht so sanft als das erstemal, denn sie wurden nach Vincennes gebracht, wo sie nicht fortkonnten. Das Übel ward auch immer ärger dadurch, daß der König unaufhörlich Berichte erhielt, die seinen Argwohn und Unmut vergrößerten; worin ihn, wie ich glaube, auch die List derjenigen, die den Ruin unseres Hauses wünschten, sehr zu bestärken suchte. Dieser Argwohn ging so weit, daß die Marschälle von Montmorençy und von Cosse nach Vincennes ins Gefängnis gebracht wurden; la Mole und der Graf Coconnas aber es mit ihrem Leben bezahlen mußten. Es ging so weit, daß man eine Kommission vom Parlamentshof sandte, um meinen Bruder und den König, meinen Gemahl, zu verhören. Dieser hatte niemand um sich, der ihm hätte raten können; er gab mir also Befehl, schriftlich aufzusetzen, was er zu antworten habe, um weder sich noch andere in Schaden oder in Verlegenheit zu bringen. Mit Gottes Hilfe brachte ich diese Schrift auch so gut zu Stande, daß er völlig damit zufrieden und die Herren von der Kommission sehr verwundert waren, ihn in so guter Fassung zu sehen. Da ich nun sah, daß durch den Tod des la Mole und des Grafen Coconnas die Beschuldigungen gegen sie so gehäuft wurden, daß man für ihr Leben zu fürchten hatte, entschloß ich mich (ungeachtet daß ich mich so gut bei dem Könige stand, und er mich über alles liebte) dennoch mein ganzes Glück aufs Spiel zu setzen, um ihnen das Leben zu retten. Ich bedachte, wie ich immer mit meiner Kutsche ein- und ausführe, ohne daß die Wachen hinein sahen, noch meinen Frauen ihre Masken abnehmen ließen; ich wollte also einem von den beiden Frauenkleider anziehen, und ihn in meinem Wagen mit hinaus nehmen; beide konnten nicht mitgehen, sie wurden zu genau bewacht, auch war es hinlänglich, daß nur einer frei war, um dem andern das Leben zu sichern. Aber sie konnten sich nicht darüber vereinigen, welcher von ihnen zurückbleiben sollte, jeder wollte lieber mit hinausgehen, und darum konnte aus der ganzen Sache nichts werden. Gott wendete ein Mittel an, sie zu befreien, das sehr zu meinem Unglück gereichte; denn er nahm mir den König Karl, die Stütze und die Sicherheit meines Lebens; einen Bruder, von dem ich nie anderes als Gutes genossen, der mich bei den Verfolgungen meines Bruders von Anjou zu Angers immer warnte, mir riet und half. Kurz in ihm verlor ich das Größte, was ich zu verlieren hatte. Nach diesem für Frankreich sowohl als für mich traurigen Fall gingen wir dem Könige von Polen nach Lyon entgegen. Er war immer noch von dem von Guast eingenommen, und so hatten dieselben Ursachen immer noch dieselben Wirkungen. Er hatte diesen verderblichen Geist in Frankreich zurückgelassen, um seine Partei zu erhalten, weil er auf meinen Bruder von Alençon eifersüchtig war, dessen Einigkeit mit dem Könige, meinem Gemahl, ihm Verdacht einflößte; da er nun mich als das Band und das Mittel ansah, das ihre Freundschaft erhielt, so hielt er es für das sicherste Mittel, sie zu veruneinigen, wenn man einerseits suchte, Mißhelligkeit zwischen mich und den König, meinen Gemahl, zu bringen, und hernach es dahin zu bringen, daß Frau von Sauve, der sie beide aufwarteten, sie einen auf den andern eifersüchtig mache. Dieser abscheuliche Anschlag, die Quelle und der Ursprung so vieles Verdrusses, so vieler Widerwärtigkeiten und Übel, welche ich und mein Bruder seitdem erlitten haben, ward mit eben so großem Eifer und so vieler List ausgeführt, als er verderblich ausgedacht war.

Viele halten dafür, daß Gott die Großen in besonderen Schutz nehme, und daß er den Seelen, in welchen er irgend eine nicht gewöhnliche Vortrefflichkeit hervorleuchten macht, durch gute Geister insgeheim die guten oder bösen Begebenheiten, welche ihnen zugedacht sind, verkündigen lasse; so wie man bei der Königin Mutter, die wohl hiezu gerechnet werden darf, bei verschiedenen Gelegenheiten bemerken konnte. So hat sie die Nacht vor jenem unglücklichen Turniere geträumt, daß der König, mein Vater, ins Auge verwundet würde, wie auch wirklich geschehen; da sie erwachte, bat sie ihn zu wiederholten Malen, an diesem Tage nicht zu turnieren und sich bloß mit Zusehen zu vergnügen. Aber das unausweichbare Schicksal gönnte dem Reiche nicht so viel Gutes, daß der König diesem Rate gefolgt hätte. Nie verlor sie eins ihrer Kinder, ohne daß sie nicht eine große Flamme erblickte, wobei sie denn immer gleich ausrief: »Gott behüte meine Kinder!« Aber den Augenblick darauf hörte sie dann immer die betrübende Nachricht, die ihr durch die Flamme schon war angezeigt worden. Zu Metz war sie an der Pest schwer krank, welche sie in den Nonnenklöstern aufraffte, deren es eine große Anzahl in dieser Stadt gab welche davon angesteckt waren, und die sie besuchte; sie ward aber auf eine wunderbare Weise für den Staat erhalten, der ihrer noch so sehr bedurfte, durch die Sorge ihres Arztes, des Herrn Castelan, der damals als ein neuer Äskulap einen ausgezeichneten Beweis seiner vortrefflichen Kunst ablegte. Da sie nun im Fieber phantasierte, und der König Karl, mein Bruder, meine Schwester und mein Bruder von Lothringen, viele Herren vom Staatsrat, Prinzessinnen und viele Damen um ihr Bette standen, ihr beistanden, und sie wie ohne Hoffnung nicht einen Augenblick verlassen wollten, rief sie aus ihren Fieberträumen, als ob sie die Schlacht bei Jarnac vor sich sähe: »Seht, sie fliehen, mein Sohn siegt! – O mein Gott! hebt meinen Sohn auf, er liegt auf der Erde! Seht ihr nicht den Prinzen von Condé dort an der Hecke tot liegen?« Alle Anwesenden glaubten, es sei eine Fieberphantasie, da sie nichts im Kopfe hatte, als meinen Bruder, der, wie sie wußte, eben eine Schlacht liefern mußte. Aber in der darauf folgenden Nacht, als Herr von Losses ihr diese Nachricht eiligst als sehr unerwartet brachte, und sich mit seiner Eil ein großes Verdienst erworben zu haben glaubte, sagte sie ihm: »Ihr seid sehr überlästig, mich darum aus dem Schlafe zu wecken; ich wußte es schon. Habe ich es nicht vorgestern gesehen?«

Da erkannte man es denn, daß es kein Fiebertraum gewesen, sondern ein besonderes Zeichen, das Gott den seltenen berühmten Personen sendet. Die Geschichte liefert uns so manches Beispiel davon bei den alten Heiden; so wie das Gespenst das Brutus gesehen und viele andre die ich nicht anführen will, da es meine Absicht nicht ist, diese Memoiren auszuschmücken, sondern wahr zu erzählen und schnell zu endigen, damit Sie sie desto früher erhalten. Solcher göttlichen Eingebung kann ich mich nicht wert achten, um aber nicht undankbar die große Gnade zu verschweigen, die Gott mir erzeigt, welche ich mein Leben lang bekennen will und soll, um ihm dafür zu danken; und damit ein jeder die Wunder seiner Allmacht und Güte, und die Barmherzigkeit welche er mir erzeigt, preise, so will ich gestehen, daß ich niemals mich einer merkwürdigen Begebenheit nähere, sie sei nun traurig oder fröhlich, ohne daß ich nicht vorher im Traume, oder sonst auf irgendeine Weise davon benachrichtigt würde; und ich kann wohl den Vers sagen: »Mein Unglück und mein Glück weissagt mir selbst mein Geist.«

Diese Erfahrung machte ich wieder, bei der Ankunft des Königs von Polen, da die Königin Mutter ihm entgegen gegangen war. Während sie sich umarmten und sich gegenseitig bewillkommten, überfiel mich, obgleich man im Gedränge vor Hitze fast erstickte, ein solcher Schauder, daß der, welcher mich führte, es bemerkte. Ich hatte viel Mühe es zu verbergen, als der König, nachdem er die Königin Mutter verlassen, zu mir kam und mich begrüßte. Diese Vorbedeutung ging mir tief ans Herz. Es vergingen jedoch noch einige Tage, eh der König den Haß und den übeln Willen merken ließ, den der arglistige Guast in ihm gegen mich durch den Bericht erregt hatte, daß ich seit dem Tod des Königs und während seiner Abwesenheit die Partei des Herzogs von Alençon genommen und ihm die Zuneigung des Königs, meines Gemahls, zugewendet habe. Da sie nun immer eine Gelegenheit zu erschleichen suchten, um nach der genommenen Abrede den Herzog von Alençon und den König, meinen Gemahl, zu veruneinigen, indem sie erst mich mit meinem Gemahl entzweiten, und hernach sie wieder unter einander auf Frau von Sauve eifersüchtig zu machen, so paßten sie es einmal ab, da die Königin Mutter einen Nachmittag wegen eines wichtigen Geschäftes in ihrem Kabinet war, und Ihre Cousinen Frau von Nevers, und von Rais, die Fräulein von Bourdeille und von Sürgeres, mich baten, mit ihnen in der Stadt herum zu fahren; worauf Fräulein von Montigny, die Nichte von Fräulein von Uesey, sagte, daß die Abtei St. Peter ein sehr schönes Frauenkloster sei, und wir entschlossen uns hinzufahren; sie bat uns mitfahren zu dürfen, weil sie eine Tante dort habe, die sie besuchen möchte, und man nicht eingelassen würde, wenn man nicht mit einer großen Dame käme. Wir nahmen sie mit, und als wir in den Wagen stiegen, der von uns sechsen, nebst der Frau von Curton, die mich allenthalben begleitete, ganz voll war, kamen Liancourt, der erste Stallmeister des Königs, und Camille und hängten sich an den Schlag von Thorignys Wagen, wo sie sich so gut als es angehen wollte, fest hielten; da sie immer von sehr heiterer Laune waren, scherzten sie, und sie wollten auch die hübschen Nonnen sehen. Die Gegenwart des Fräulein von Montigny, welche uns allen fremd, und der Männer, die Vertraute des Königs waren, betrachtete ich als eine Veranlassung der göttlichen Vorsehung, um mich vor der bösen Verleumdung zu schützen, die man erdachte. Mein Wagen war an der Vergoldung, und an dem gelben, reich mit Silber besetzten Sammt, womit er ausgeschlagen war, sehr kenntlich; da wir ausgestiegen und in das Kloster gegangen waren, erwartete er uns auf dem Platze, auf welchem viele Edelleute wohnten. Während wir uns in dem Kloster aufhielten, kam der König über diesen Platz, um Quelus zu besuchen, der gerade krank war; es war niemand in seinem Gefolge, als der König, mein Gemahl, von O., und der dicke Ruffé. Da der König meinen Wagen auf dem Platz halten sah, wendete er sich zu dem Könige, meinem Gemahl, und sagte: »Sehet, da steht der Wagen Eurer Frau, und hier wohnt Bidé;« (derselbe, der seitdem Ihrer Cousine aufgewartet hat) »er ist krank, ich wette, sie ist bei ihm.« Er schickte den dicken Ruffé hin, der als ein Freund von Guast ein sehr taugliches Instrument zu solcher Bosheit war, um nachzusehen, ob es wahr sei. Da nun Ruffé nichts fand, und er doch der Absicht des Königs durch die Wahrheit nicht entgegen handeln wollte, sagte er laut, so daß der König, mein Gemahl, es hören mußte: »Die Vögel waren drin, sind aber ausgeflogen.« Dies gab nun genug Stoff zur Unterhaltung während ihres Rückwegs. Der König, mein Gemahl, zeigte hierbei die Güte und Einsicht, die ihn nie verläßt; er verwünschte im Herzen diese Bosheit und beurteilte sehr richtig, zu welchem Zwecke man sie anwenden wollte. Der König eilte, um früher als ich zurück zu kommen, damit er der Königin Mutter die Erfindung mitteilen und mir eine Beschimpfung bereiten könnte; er behielt auch Zeit genug es auszuführen, eh ich kam, und die Königin Mutter, halb weil sie es glaubte, halb diesem Sohne zu gefallen, den sie vergötterte, sprach heftig mich tadelnd darüber in Gegenwart ihrer Damen. Da ich nun zurück kam, ging ich mit allen, die mich begleitet hatten, auf mein Zimmer, ohne etwas von allem dem zu ahnen. Sobald der König, mein Gemahl, mich kommen sah, fing er an zu lachen und sagte: »Geht zu der Königin Mutter, ich bin gewiß, Ihr kommt verdrießlich genug zurück.« Ich fragte, warum? und was es gäbe? »Ich werde Euch gewiß nichts davon sagen,« erwiderte er, »es sei Euch genug, daß ich es nicht glaube, es sind lauter Erfindungen uns zu entzweien, um dadurch Euren Bruder von mir zu entfernen.« Da ich nichts mehr von ihm erfahren konnte, ging ich zur Königin Mutter. Im Saal begegnete ich dem Herzog von Guise; er war eben nicht unzufrieden mit dem Zwist, den er in unserm Hause ausbrechen sah; er als ein vorsichtiger Mann, hoffte die Trümmer aus dem Schiffbruche zu sammeln. »Ich erwartete Euch hier,« sagte er, »um Euch zu benachrichtigen, daß die Königin Mutter sehr aufgebracht gegen Euch ist.« Darauf erzählte er mir die ganze Geschichte, die er durch von O. erfahren hatte; dieser, als der Freund Ihrer Cousine, hatte es dem Herzog in der Absicht hinterbracht, damit er uns die Nachricht davon brächte. Drauf ging ich in das Zimmer der Königin Mutter, sie war nicht darin, aber ich fand die Herzogin von Nemours, die andern Prinzessinnen und alle Damen darin, die mir zuriefen: »O Gott, gnädige Frau! die Königin Mutter ist sehr gegen Euch aufgebracht, es ist nicht ratsam daß Ihr jetzt zu ihr hinein geht.« Nein, rief ich, hätte ich getan wessen der König mich bei ihr anklagte, so würde ich ihr ausweichen; ich bin aber ganz unschuldig und muß sie sprechen um sie darüber aufzuklären; drauf ging ich zu ihr in das Kabinett, das bloß mit einer hölzernen Wand abgeteilt war, so daß man draußen alles hören konnte was innen gesprochen ward. So bald sie mich erblickte, warf sie Feuer und Flammen, und alles, was ein ungemäßigter Zorn nur eingeben kann, gegen mich aus. Darauf versuchte ich ihr die Wahrheit vorzustellen, wie wir zehn bis zwölf Personen gewesen, und bat sie, sich darnach zu erkundigen, und nicht etwa meinen Freundinnen zu glauben, und denen, die mir vertraut seien, sondern das Fräulein von Montigny sollte sie fragen, die in gar keiner Verbindung mit mir stehe, und Liancourt und Camille, die Vertrauten des Königs. Sie hatte aber kein Ohr für Recht oder Vernunft, und wollte gar nichts hören, es sei nun, daß sie von dieser Lüge überzeugt war, oder jenem Sohne zu gefallen, den sie aus Neigung, aus Pflicht, von Hoffnung oder von Furcht verleitet, anbetete, und hörte nicht auf zu schreien, zu zanken und zu drohen. Da ich ihr nun sagte, sicher habe der König mir diesen Dienst geleistet; geriet sie noch heftiger in Zorn und bestand darauf, daß einer ihrer Kammerdiener mich im Vorbeigehen dort gesehen hätte. Sie ward nur immer heftiger gereizt, da sie merkte, daß diese grobe schlechte Hülle von mir als solche genommen ward, und daß ich mich vom Könige unendlich beleidigt hielt. Alles das ward von den Personen im äußeren Zimmer deutlich gehört. Da ich nun mit dem Verdruß hinaus und auf mein Zimmer ging, rief der König, mein Gemahl, mir entgegen: »Nun, ist es nicht so, wie ich sagte? Grämt Euch aber nicht darum,« fügte er hinzu, da er meine Betrübnis sah, »Liancourt und Camille werden sich beim Zubettgehen des Königs bei ihm einfinden und ihm das Unrecht, das Euch geschehen, vorstellen; ich bin gewiß, morgen wird die Königin Mutter sehr mit der Aussöhnung beschäftigt sein.« Mein König, erwiderte ich darauf, ich habe durch diese Verleumdung eine zu öffentliche Beschimpfung erlitten, als daß ich dem, der sie verursachte, verzeihen könnte; und doch ist diese Beschimpfung noch ein geringer Schaden gegen den, den sie mir zuzufügen gedachten, indem sie, um mich ganz unglücklich zu machen, mich mit Euch veruneinigen wollten. Darauf sagte er: »Gott sei Dank, es ist ihnen nicht gelungen!« Ja, erwiderte ich, Gott und Eurem guten Gemüte sei es gedankt! Laßt uns aber aus diesem Übel etwas Gutes ziehen; es möge uns beiden zur Warnung dienen, damit wir die Augen offen halten gegen die List welche der König anwenden wird uns zu entzweien; denn wir können überzeugt sein, da er einmal diese Absicht hatte, daß er es nicht dabei bewenden lassen, sondern nicht Ruhe halten wird, bis er die Freundschaft zwischen Euch und meinem Bruder zerstört hat. Mein Bruder kam dazu, und ich ließ sie aufs neue sich unverbrüchliche Treue schwören; welchen Schwur aber kann die Liebe nicht vereiteln? – Tags drauf kam ein italienischer Banquier der meinen Bruder bediente, zu ihm, und bat ihn, den König meinen Gemahl, mich und andere Prinzessinnen und Damen, bei ihm in seinem schönen Garten in der Stadt zu Mittag zu essen. Da ich nun immer die Ehrfurcht gegen die Königin Mutter beobachtet hatte, solange ich bei ihr war, sowohl im verheirateten, als im unverheirateten Stande, nirgend hinzugehen ohne Urlaub von ihr zu nehmen, so ging ich auch dieses Mal in den Saal, als sie von der Messe zurück kam, und bat sie um Erlaubnis zu dem Gastmahl gehen zu dürfen. Sie sagte darauf ganz laut und öffentlich: ich könnte hingehen wo es mir beliebe, es sei nicht ihre Sorge! Ihnen und allen die meinen stolzen Geist kannten, überlasse ich es zu beurteilen, ob ich diese Beschimpfung fühlte! Während wir bei dem Gastmahl waren, ging der König zur Königin Mutter, nachdem er mit Liancourt und Camille und mit Fräulein von Montigny geredet, und den Irrtum eingesehen hatte, worin er durch Ruffés Bosheit geraten war. Er war jetzt eben so bemüht, diesen Irrtum wieder gut zu machen; als er vorher ihn schnell gefaßt, und verbreitet hatte. Er gestand der Königin Mutter die Wahrheit und bat sie, es auf jede Weise wieder gut zu machen, damit ich ihm nicht feind bliebe; denn da er meine Einsicht erkannte, fürchtete er, ich möchte mich zu einer Zeit eben so zu rächen wissen, als er mich zu beleidigen verstand. Als wir zurück von dem Gastmahl kamen, geschah was der König, mein Gemahl, prophezeit hatte. Die Königin Mutter ließ mich zu sich in ihr Kabinet neben dem Kabinet des Königs rufen, hier sagte sie: »Ich weiß jetzt die Wahrheit von allem, und du hast mir freilich nichts anders als die Wahrheit gesagt. Mein Kammerdiener hat gelogen, er ist ein schlechter Mensch, ich werde ihn fortjagen.« Da sie mir nun ansah, daß ich mich davon gar nicht betrügen ließ, war sie auf jede Weise bemüht meine Meinung zu ändern, daß es nämlich der König sei, der mir den übeln Dienst erzeigt. Er war in seinem Kabinet und hörte, wie sie durchaus meine Meinung nicht ändern konnte, und wie sie nichts bei mir ausrichtete, er trat also zu uns herein, machte mir eine Menge Entschuldigungen, wie man ihn mit dieser falschen Beschuldigung betrogen, und gab mir alle Genugtuung, und jede Versicherung der Freundschaft, die ich verlangen konnte.

Nachdem wir einige Zeit zu Lyon zugebracht, reisten wir nach Avignon. Da Guast dergleichen Verleumdungen nicht mehr ersinnen durfte, und ich mich hütete durch irgend eine meiner Handlungen eine Blöße zu geben, so daß er mich durch Eifersucht mit meinem Gemahl hätte veruneinigen oder die Freundschaft zwischen ihm und meinem Bruder hätte wankend machen können, schlug er einen andern Weg ein; nämlich er gewann Frau von Sauve, so daß sie sich völlig von ihm regieren ließ; sie folgte in allem seinen Lehren, die nicht weniger schädlich sind, als die man in der Celestina findet. Sie brachte die Liebe meines Bruders und des Königs, meines Gemahls, (die erst gemäßigt war und sanft, wie gewöhnlich bei so jungen Personen,) zu einer solchen Heftigkeit, daß sie Ehrgeiz, Pflicht und jede andre Absicht vergaßen und ihnen nichts so wichtig ward als diese Frau zu gewinnen; und endlich wurden sie so eifersüchtig auf einander, daß, obgleich Frau von Sauve, auch vom Herzog von Guise, von Guast, von Souvray und von vielen andern noch gesucht ward, die alle mehr als jene von ihr geliebt wurden, sie sich doch gar nicht um alle diese bekümmerten, sondern einer fürchtete immer nur den andern. Um ihr Spiel noch besser zu führen, beredete diese Frau den König, meinen Gemahl, daß ich eifersüchtig sei und deshalb meinen Bruder bei ihr zu unterstützen suchte. Wie leicht glaubt man nicht alles, was geliebte Personen sagen! Der König, mein Gemahl, glaubt ihr, entfernt sich von mir und verbirgt sich mehr vor mir als vor jedem andern, welches er bis dahin nie getan; denn er hatte mir immer von seiner Fantasie für sie aufrichtig, wie zu einer Schwester gesprochen, weil er wohl wußte, daß ich auf keine Weise eifersüchtig auf ihn war, und daß ich nichts wünschte als seine Zufriedenheit. Da ich nun sehen mußte, daß, was ich am meisten gefürchtet, nun doch eingetroffen war, daß ich nämlich sein Wohlwollen verloren, indem er nicht mehr freimütig mit mir redete wie bisher, (Mißtrauen aber und Mangel an Freimütigkeit ist der Ursprung alles Hasses zwischen Verwandten wie zwischen Freunden) und da ich nur wußte, daß, wenn ich die Neigung meines Bruders zur Frau von Sauve abwenden könnte, würde ich den Grund von Guast seiner Intrigue untergraben, wandte ich alles an, meinen Bruder von ihr abzuziehen. Bei jedem andern, dessen Seele nicht so verblendet von Leidenschaft und nicht so in den Netzen der List verstrickt gewesen wäre, hätte ich etwas ausrichten können; mein Bruder, der zu niemand so viel Zutrauen hatte als zu mir, konnte dies doch nie über sich gewinnen, zu meinem Heil wie zu seinem, so mächtig waren die Reize dieser Circe und der teuflische Geist des Guast, der sie unterstützte; anstatt meinen Rat zu benutzen und meinen Bitten zu folgen, brachte mein Bruder jedes meiner Worte der Frau von Sauve wieder zu. Was kann man wohl dem geliebten Gegenstand verhehlen? Aus Wut gegen mich, diente sie dem Guast in seinen Absichten nur um desto eifriger, und um sich an mir zu rächen, nahm sie den König, meinen Gemahl, immer mehr gegen mich ein, so daß er sich immer mehr von mir entfremdete und gar nicht mehr mit mir sprach. Er kam immer sehr spät von ihr nach Hause, und des Morgens ganz früh mußte er sich auf ihren Befehl, um zu verhindern, daß er mit mir spreche, beim Lever der Königin Mutter einfinden, wo sie zugegen sein mußte; den ganzen übrigen Tag blieb er bei ihr. Eben so eifrig war mein Bruder um sie bemüht, und jedem bildete sie ein, er wäre allein und besonders von ihr geliebt; so ward der Zwist durch die Eifersucht bis zu unserm Verderben befördert.

Nach einem langen Aufenthalt zu Avignon und einer Reise durch die Champagne und Bourgogne, begaben wir uns nach Rheims zur Vermählung des Königs, und von da nach Paris während dem es immer bei dem alten blieb. In Paris kam mein Bruder näher mit Bussy zusammen und achtete ihn so hoch als seine Tapferkeit es wert war. Mein Bruder und ich waren immer zusammen, und er hatte allen den Seinigen befohlen, mich nicht weniger als ihn zu ehren und mir zu gehorchen; sie gehorchten mit Freuden und waren mir eben so als ihm zugetan; da nun Bussy viel um meinen Bruder war, so war er auch natürlich viel bei mir. Ihre Tante sagte mir darüber, die schöne Einigkeit zwischen meinem Bruder und mir erinnerte sie an die Zeit des Herzogs von Orleans, meines Oheims, und der Herzogin von Savoyen, meiner Tante; Guast der Pilz, gab ihr aber eine sehr verkehrte Auslegung und benutzte es als ein schönes Mittel zu seinem Zweck. Durch Frau von Sauve hatte er sich in der Gunst des Königs, meines Gemahls, eingeschlichen und suchte ihn nun zu bereden, daß Bussy mein Liebhaber sei; da er nichts damit ausrichtete, denn die Leute des Königs, meines Gemahls, die mich stets umgaben, waren Zeugen meines Betragens, das auf keine Weise Anlaß zu einem Argwohn der Art gab, so wandte er sich an den König, der leichter zu überreden war, teils weil er meinem Bruder und mir nicht wohl wollte, unsre Einigkeit war ihm verdächtig und verhaßt; teils weil er Bussy haßte, der zuerst ihm zugehörte und ihn verlassen hatte, um meinem Bruder zu dienen. Diese Eroberung Bussys vergrößerte sowohl den Ruhm meines Bruders, als den Neid unsrer Feinde; denn Bussy war der Erste seiner Zeit an Ruhm, an Tapferkeit, an Verstand und Anmut; darum auch viele meinten, wenn man wie eine Sekte der Philosophen an die Seelenwanderung glauben wollte, so könnte man gewiß annehmen, daß Bussy von der Seele Ihres tapfern Bruders, von Hardelay, belebt würde.

Der König ließ sich von Guast seiner Verräterei einnehmen, und bat die Königin Mutter, mit dem Könige, meinem Gemahl, darüber zu sprechen und suchte sie, wie zu Lyon, gegen mich aufzubringen. Aber sie wies ihn zurück und sagte: »Ich weiß nicht, wer die Anhetzer sein mögen, die Euch dergleichen in den Kopf setzen. Meine Tochter ist sehr unglücklich, in dieser schlechten Zeit geboren zu sein. Zu meiner Zeit sprach man frei mit jedermann, und alle rechtlichen Leute im Gefolge des Königs, Eures Vaters, der Dauphin und der Herzog von Orleans, Eure Oheime, waren gewöhnlich bei Eurer Tante, der Prinzessin Margaretha, oder bei mir im Zimmer, ohne daß je ein Mensch daran zu tadeln fand. Bussy sieht meine Tochter in Eurer, in ihres Gemahls Gegenwart, in ihrem Zimmer und in Gegenwart aller Leute ihres Gemahls und vor der ganzen Welt; es geschieht weder im geheim noch bei verschloßnen Türen; Bussy ist von Stande und der Erste bei Eurem Bruder, was ist dabei weiter zu denken oder zu reden? Wißt Ihr irgend sonst noch etwas darüber außer durch Klatscherei? Ihr waret schuld, daß ich ihr zu Lyon einen Schimpf antat, den sie, fürcht ich, nie vergessen wird.« Der König war ganz erschrocken und sagte: »Gnädige Frau, ich sage nichts, als was die anderen sagen!« – »Wer sind diese andern?« erwiderte sie, »mein Sohn, das sind Leute, die Euch mit den Eurigen veruneinigen wollen.« Der König entfernte sich; darauf erzählte sie mir alles und fügte hinzu: »Du bist in einer erbärmlichen Zeit geboren!« Sie rief darauf Ihre Tante, Frau von Dampierre, zu sich und unterhielt sich mit ihr von der anständigen Freiheit und den Ergötzlichkeiten ihrer Zeit, in welcher sie nicht wie wir, den Verleumdungen so ausgesetzt waren. Da Guast sah, daß die Mine aufgedeckt war und nicht gezündet hatte, wandte er sich an einige Edelleute, die damals im Gefolge des Königs, meines Gemahls, waren, bis dahin Gefährten von Bussy und seine Freunde, nun aber seine Feinde aus Neid wegen seines Ruhms und seiner Beförderung. Diesem neidischen Haß fügten sie noch den unbedachtsamen Eifer für ihren Herrn zu, oder besser, sie verdeckten ihren Neid unter diesem Vorwand, und eines Abends als er spät von seinem Herrn kam und nach Hause gehen wollte, lauerten sie ihm auf, um ihn zu ermorden; da die rechtlichen Leute aus meines Bruders Gefolge ihn gewöhnlich begleiteten, wußten jene es also, daß sie ihn nicht ohne Begleitung von fünfzehn oder zwanzig ehrlichen Leuten antreffen würden; und obgleich er wegen der Wunde an seinem rechten Arm, die er einige Tage zuvor in dem Gefecht mit St. Phal erhielt, keinen Degen trug, seine Gegenwart allein schon hinreichend wäre, den Mut seiner Begleiter zu verdoppeln; sie beschlossen also ihn mit zwei- bis dreihundert Mann anzugreifen und hofften, die Nacht würde diesen Meuchelmord mit ihrem Schleier verdecken. Guast, der das Leibregiment kommandierte, gab ihnen Soldaten; sie stellten sich, in fünf oder sechs Haufen eingeteilt, in der nächsten Straße, die zu seiner Wohnung führte, und überfielen ihn, als er durchgehen wollte; zugleich löschten sie alle Lichter und Fackeln aus. Nach einer Salve aus ihren Büchsen und Pistolen, die hinreichend hätte sein können ein ganzes Regiment anzugreifen, kamen sie mit einander ins Handgemenge. Sie suchten nur immer ihn in der Finsternis nicht zu verfehlen, denn er war an einer colombinefarbnen Schärpe kenntlich, in welcher er seinen verwundeten Arm trug, (sehr zu ihrem Glück, da sie sonst seine Schwere wohl hätten empfinden sollen). Der kleine Haufen, der ihn umgab, hielt sich gut; trotz des unerwarteten Anfalls und des Schreckens der Nacht verloren sie weder den Kopf noch den Mut; sie gaben ebenso große Beweise der Tapferkeit als der Treue für ihren Freund, den sie, indem sie sich glücklich durchschlugen, nach seiner Wohnung brachten, ohne einen Mann zu verlieren, außer einen Edelmann, der mit ihm erzogen war und der auch wegen einer Wunde seinen Arm in einer colombinefarbnen Schärpe trug, nur war diese nicht so reich gestickt als jene. War es nun die Dunkelheit oder die blinde Wut der Meuchelmörder, die den Befehl hatten auf die colombinefarbne Schärpe zu fallen, genug der ganze Haufen warf sich auf den armen Edelmann, den sie für Bussy hielten, und er blieb tot auf der Straße liegen. Ein italienischer Edelmann meines Bruders, der dabei war, lief gleich nach dem ersten Angriff zurück ins Louvre, kam ganz blutig in das Schlafzimmer meines Bruders, der schon zu Bette war, und schrie: »Man ermordet Bussy!« Mein Bruder wollte sogleich hin; zum Glück hatte ich mich noch nicht zu Bette gelegt, und da ich ganz nahe bei meinem Bruder wohnte, hatte ich schon den Menschen gehört, wie er noch auf der Treppe diese entsetzliche Nachricht ausrief. Ich lief sogleich zu meinem Bruder, um ihn am Ausgehen zu verhindern, und da ich sah, daß sein gerechter Schmerz ihn so außer sich selbst brachte, daß er, ohne sich zu bedenken, in die größten Gefahren stürzen könnte, um sich zu rächen, schickte ich zur Königin Mutter, damit sie kommen und ihn zurückhalten möchte. Wir konnten ihn nur mit vieler Mühe halten. Die Königin Mutter stellte ihm vor, er dürfe unmöglich allein, unbegleitet in der Nacht ausgehen; Guast sei vielleicht boshaft genug, es eigentlich so zu veranstalten, daß er herausgehe, um ihn dann in irgend ein Unglück zu stürzen. In seiner Verzweiflung hatten alle diese Reden keine Kraft; aber sie brauchte ihr Ansehen, hielt ihn fest, befahl der Wache an der Türe, ihn nicht hinaus zu lassen, und blieb bei ihm, bis die wahre Nachricht ankam. Bussy, welchen Gott auf wunderbare Weise aus dieser Gefahr errettete, war gar nicht bestürzt wegen dieser Begebenheit, seine Seele war keiner Furcht fähig, er war dazu geboren, der Schrecken seiner Feinde, der Ruhm seines Herrn, und die Hoffnung seiner Freunde zu sein. Sobald er glücklich in seiner Wohnung angelangt war, dachte er daran, was sein Herr leiden würde, wenn diese Nachricht so unzuverlässig zu ihm käme; er fürchtete, es möchte ihn so weit bringen, daß er sich selbst in die Netze seiner Feinde stürzte, so wie es ohne Zweifel auch würde geschehen sein, wenn die Königin Mutter ihn nicht daran verhindert hätte. Er sendete daher gleich einen der Seinigen, der die umständliche und wahrhafte Nachricht an meinen Bruder bringen mußte. Sobald es Tag ward, kam er selber ohne Furcht vor seinen Feinden, so mutig und fröhlich auf das Louvre, als käme er von einem Tournier. Mein Bruder, eben so voll Freude ihn wieder zu sehen als voll Ärger und Begierde sich zu rächen, zeigte es genugsam, wie sehr er die Beleidigung fühlte, da man ihn des tapfersten und würdigsten Dieners berauben wollte, den je ein Fürst gekannt, und daß Guast den Bussy angefallen, bloß weil er nicht an ihn selber reichen konnte. Die Königin Mutter, die einsichtsvollste und verständigste aller Frauen, sah die Wichtigkeit dieser Begebenheit sogleich ein und sah voraus, daß ihre beiden Söhne sich endlich darüber entzweien könnten; sie riet also meinem Bruder, um allen Vorwand aus dem Wege zu räumen, daß er Bussy auf einige Zeit vom Hofe entfernen sollte. Auf meine Bitten willigte mein Bruder auch sogleich ein, denn wäre er geblieben, so hätte Guast ihn immer ins Spiel gemischt und ihn zu seinen verderblichen Absichten als Decke gebraucht. Bussy, der keinen Willen hatte als den seines Herrn, reiste ab, begleitet von den bravsten Edelleuten an meines Bruders Hofe.

Der König, mein Gemahl, hatte zu derselben Zeit, in einer Nacht eine sehr heftige Ohnmacht, die wohl über eine Stunde lang dauerte; (sie war, glaube ich, in Folge von Ausschweifungen mit Frauen, denn ich hatte bis dahin nie dergleichen an ihm bemerkt,) ich kam ihm während dieses Zufalls zu Hilfe, wie meine Pflicht es erforderte; darüber war er so zufrieden mit mir, daß er es gegen jedermann rühmte, wobei er sagte, daß, wenn ich es nicht zuerst gemerkt hätte und ihm zur Hilfe gekommen wäre, so würde er haben sterben müssen. Da Guast nun merkte, daß er mir darum besser begegnete, und auch daß seine Freundschaft mit meinem Bruder wieder lebhafter ward, von der er mich immer als die Ursach ansah, und meinte, ich sei ihnen (was man bei allen Dingen in der Welt, am deutlichsten aber bei den entzwei geschnittenen Schlangen wahrnimmt) ein gewisser natürlicher Balsam, der die getrennten Teile wieder zusammenfügt und vereinigt, verfolgte er immer seine verderbliche Absicht und suchte neue Erfindungen zu schmieden. Er setzte dem Könige in den Kopf, der seit einigen Tagen, gleichfalls auf die Veranstaltung des Guast, eine der Fräuleins der Königin, seiner gesalbten, tugendhaften guten Fürstin, fortgeschickt hatte, die sie sehr liebte, die mit ihr auferzogen war, – sie hieß Changi –, er sollte es dahin bringen, daß der König, mein Gemahl, dasselbe an mir täte, und die, welche ich am meisten liebte, sie hieß Thorigny, fortschicken möchte, ohne andre Ursache, als daß man den jungen Prinzessinnen keine Fräuleins lassen müßte, auf welche sie so großes Vertrauen setzen. Der König ließ sich von diesem schlechten Menschen bereden, und sprach mehreremal mit meinem Gemahl darüber; dieser antwortete ihm: er würde mir damit einen grausamen Verdruß zufügen; ich liebte die Thorigny nicht ohne Grund, denn außer daß sie mit der Königin von Spanien, meiner Schwester, und mit mir von Kindheit auf zusammen erzogen wäre, hätte sie viel Verstand, und ihm selber hätte sie während seiner Gefangenschaft zu Vincennes sehr gedient; er würde undankbar sein, wenn er es ihr je vergessen könnte, er habe ja selbst gesehen, daß Sr. Majestät vormals viel von ihr gehalten haben. Auf diese Weise lehnte er es also immer ab; aber Guast ließ nicht ab, in den König zu dringen; es ging so weit, daß dieser dem Könige, meinem Gemahl, sagen mußte, er würde ihm nie gewogen sein, wenn er nicht den andern Tag die Thorigny fortschickte. Er war also gegen seinen Willen und mit Verdruß dazu gezwungen, wie er seitdem mir gestanden, mich zu bitten und es mir zu befehlen. Das war mir so bitter und schmerzte mich so tief, daß ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte; ich stellte ihm vor, daß nicht die Entfernung dieser werten Person, die mir von Kindheit an treu gedient, mich allein schmerze; da man es aber wisse, wie sehr ich sie liebe, würde ihre plötzliche übereilte Entfernung meinem guten Rufe sehr schaden. Da meine Entschuldigungen nichts galten, wegen des Versprechens, welches er dem Könige gegeben mir diesen Verdruß zu machen, so mußte sie noch denselben Tag fort; sie begab sich zu einem ihrer Anverwandten, Herrn von Chastelas.

Ich war so beleidigt von dieser unwürdigen Behandlung, der so viele der Art vorausgegangen waren, daß ich meinem gerechten Schmerz nicht widerstehen konnte; aller Klugheit beraubt und ganz meinen Gefühlen hingegeben, hatte ich nicht mehr so viel Gewalt über mich, die Freundschaft des Königs, meines Gemahls, zu suchen, und da Guast und Frau von Sauve ihn von einer Seite von mir entfernten, und ich von der andern nichts tat ihm näher zu kommen, so redeten und schliefen wir nicht mehr mit einander.


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