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Die folgenden Tage sah man auf der Landstraße nur Heßling. Immer raste das Auto; keine Behörde in der Stadt, vor der es nicht hielt; und fuhr es weiter, saß eine Uniform mit darin, oder Herren von der Regierung. Nicht jeden Abend kehrte es zurück, – und eines Morgens früh, Doktor Heuteufel und sein Schwager Zillich gingen am »Reichshof« vorüber, trat Heßling aus dem Hotel hervor, frisch ausgeschlafen. Er sprach sie sogar an. Folgenschwere Beratungen hatten ihn gestern Abend zurückgehalten, auch hatte sein Auto eine Panne –
»Und so weiter,« sagte Heuteufel; aber Heßling, mit den Augen blitzend:
»Was heißt das? Wollen Sie meine Motive beanstanden? Anspielungen und Gerüchte kümmern mich nicht. Ich sitze ruhig auf Villa Höhe.«
Heuteufel ergänzte: »Weit draußen, wie ein Fürst, – aber auch mit Leibwache?« Und Heßling, voll einer Erregung, nicht mehr zu meistern:
»Ich gehe meinen Weg, mit passiver Widersetzlichkeit ist gegen mich nicht aufzukommen.«
Ob er die Stimmung seiner Arbeiter meine, fragte Zillich. Sie sei allerdings eine Tatsache. »Mich haben sie, als ich zuletzt bei Klinkorum war, betrachtet, als wäre ich meines Lebens nicht sicher.«
Da sahen die beiden mit Genugtuung, wie das tatkräftige Gesicht des Generaldirektors weiß wurde. Er wisse nichts, stammelte er. »Man weiß nicht, was sie wollen, das ist das Unheimliche.« – Sie gaben ihm heuchlerische Ratschläge: Die Anlage der elektrischen Straßenbahn nach Gausenfeld, er sehe nun wohl, wie falsch es war, sie zu hintertreiben. Gausenfeld, ein wimmelnder Menschenhaufen, sei, abgeschnitten von der Welt und in sich selbst verfressen, nachgerade zur Mördergrube geworden.
Mördergrube! Dies Wort ließ Heßling denn doch nicht gelten. »Meine Arbeiter habe ich in der Hand, das will ich mir ausbitten. Die kennen nicht nur meine Machtmittel und meine unerbittliche Strenge, sie wissen auch, daß sie an mir einen Vater haben. Wie Sie mich sehen, fahre ich in die Fabrik. Wollen die Herren sich entschließen mitzufahren, mir kann es nur recht sein, daß Sie sich überzeugen und in die Lage kommen, böswilligen Gerüchten in Zukunft entgegenzutreten.«
Die Herren entschlossen sich gern, ließen sich dann aber bei Klinkorum absetzen, um ihm ihre Beobachtungen mitzuteilen. Sie befriedigten den Professor durchaus.
»Nicht nur mir also, ihm selbst, dem Anstifter, wächst das Tal des Unrates über den Kopf. Sogar über seiner Villa Höhe schlägt es zusammen und verschlingt ihn mitsamt seiner Brut. Gemeinsam sollen wir untergehn!« – Klinkorum lachte erhaben, wackelnd mit grün drapiertem Spitzbauch, auf allen Seiten umstrahlt von seinen sieben Bartsträhnen, und die langen Zacken sämtlich entblößt.
Heßling seinerseits suchte keineswegs die Fabrik auf, wo das lagernde Geheimnis jetzt täglich zum Ausbruch gelangen konnte. Schon war er wieder unterwegs nach Netzig, und mittags zurückkehrend brachte er den General mit. Die Herren umschritten noch vor dem Frühstück Park und Wald von Villa Höhe. Exzellenz von Popp sagten:
»Ich danke Ihnen, Herr Geheimrat. Meine Dispositionen sind getroffen;« – worauf der Hausherr ihn zum Frühstück führte, durch die schaukelnden Rosengewinde der Terrasse und über die golden bespannte Halle in den weißseidenen Barocksaal.
Während des Frühstücks war v. Popp für Geschäfte nicht zu sprechen, die Unterhaltung blieb mondän. Nachher, beim Kaffee in der golden bespannten Halle, gab er das Zeichen.
»Was ist in Gottesnamen nun los bei Ihnen?«
Alle waren still. Heßling atmete mit Geräusch, er begann kühn:
»Nichts. In Wirklichkeit nichts. Keine Sabotage, kein Angriff auf Werte oder Personen, nichts. Meine Macht steht vollkommen unangetastet da, ich wollte es mir auch ausbitten. Nur,« schloß er beklommen, »es geht etwas um.«
v. Popp erwiderte unwirsch:
»Gegen Gespenster kann ich Ihnen die Truppe nicht schicken,« – indes seine Nichte, geschiedene Frau v. Anklam, ein gespanntes Interesse bezeugte.
Der Generaldirektor bat Exzellenz dringend, ihn nicht mißzuverstehen.
»Der Umsturz nimmt neue Methoden an. Sie reden nicht, sie wispern und haben gewisse Blicke, als wüßten sie etwas, das wir nicht wissen.«
Der Rechtsanwalt Buck vermutete:
»Eine neue Art religiöser Epidemie?«
Sein Sohn Hans blinzelte ihm zu, hinter dem Rücken seines Onkels. Aber Heßling äußerte Bedenken.
»Wer weiß, sie haben eine Art Führer, den ich für einen ausgesprochenen Hypnotiseur halte.«
»Wie verlockend!« sagte Frau v. Anklam, an den Augen das Lorgnon. Horst Heßling, neben ihr, bat sie dringend, sich keine Illusionen zu machen. Der Mann sei kein Gent, – »seine Schwester dagegen, das Mädchen hat Klasse,« sagte er herausfordernd; und jetzt war es an Frau v. Anklam, sich zu ärgern. Der General v. Popp seinerseits verlangte, rot anschwellend:
»Werfen Sie ihn hinaus, zum Teufel!« – worauf der Industrielle ihn ansah, als sei v. Popp im Stande der Unschuld.
»Wenn das so einfach wäre.« Dann bekam er einen Ausdruck, wie wenn er hinter dem General jemand sähe, der nicht da war.
»Was hat er vor?« murmelte er, sichtlich erblaßt. »Ich bin bereit, der Gefahr ins Auge zu blicken, nur wissen muß ich, wo sie ist.«
Dies ward als peinlich empfunden. v. Popp erleichterte alle durch lautes Geschrei.
»Sie sollen nur losgehen,« schrie er, »wir werden sehen, wer die Macht hat!« Assessor Klotzsche, in einem Winkel um Gretchen, die Tochter des Hauses, bemüht, zog hinter ihr die Hand hervor und streckte sie zum Schwur hin. »Sie sollen nur!« keifte er mit angestrengtem Augenrollen – und kehrte, seine Entschlossenheit einmal bewiesen, zu seiner vorigen Beschäftigung zurück.
Die Söhne Horst und Kraft waren »unbedingt für das Aufschneiden des Geschwürs«; und aus ihren beiden Klubsesseln ragen ihre vier Gamaschenbeine. Ihre Mutter Guste, stolz auf ihren Mut, aber noch stolzer, weil die geschiedene Frau v. Anklam ihnen ermunternd zulächelte, setzte sich derart, daß sie ihren Gatten Diederich absonderte mit dem General und der beginnende Flirt nicht gestört ward. Die Anklam sah jüdisch aus, aber bei der Nichte der Exzellenz war dies sicher nur ein Naturspiel. Sie entschied sich für Horst, anstatt für Kraft, den Liebling der Mutter. Kraft gab es schon auf, ihm lag nichts an Weibern; mir einzig gehört er, fühlte Guste.
Emmi inzwischen, Mutter des jungen Hans Buck, war nur bedacht, ihn zu entfernen. Zu gut wußte sie, wie es um ihn stand und daß er weiter ging als sein Vater in der Auflehnung gegen alles dies, seine Klasse, seinen Vorteil. Was war es mit Buck? Er widersprach schon wieder dem General, und nicht nur der General war rot, auch Heßling. »Mein Bruder Diedel,« sann Emmi, »hat sich hart gemacht. Ich weiß noch Zeiten, als er es nicht war. Jetzt kennen sie ihn nicht anders, darum denkt er, es muß so sein.«
Die Schwester sann weiter. »Ich weiß noch. Sie beide aber können sich nie mehr verstehen. Buck würde wohl wollen, erlaubte Diederich ihm nur, über dies alles hier die Wahrheit zu denken. Das ist die Leidenschaft Wolfgangs,« sann die Gattin, »die Wahrheit zu denken. Dann fügte er sich doch, läßt sich gehen, auch wenn es nicht recht wäre, und bleibt im Nest. Er hat es früher wohl zu schwer gehabt; wie sollte er noch die Kraft finden, zu verhindern, daß die vielen anderen leiden«.
Nun aber Hans!
»Mein Hans,« sann die Mutter gramvoll, »ist sehr gefährdet. Denn er, er will die Wahrheit nicht nur denken; ich fühle es voraus, er will sie ausführen. Wie könnte man das. Soll ich wünschen, er wäre anders, mein Hans?
Da fühlte sie auf sich den mißbilligenden Blick ihrer Schwägerin Guste. Die hatte nie gezweifelt an ihren Söhnen, – die doch schlechter waren als der Vater! »Meiner ist besser, und ich muß zweifeln. Verworrene Welt,« dachte Emmi Buck.
Inzwischen auf der Terrasse unter den Rosengewinden, da Klotzsche gehen mußte, hatte Gretchen Heßling einen Streit mit ihm und mit ihren Brüdern. Gretchen, bleichsüchtig und versteckt, war für die Arbeiter, und die Aussicht auf einen Streik mißfiel ihr nicht. Warum, war nicht herauszubringen. Auf alles antwortete sie ihrem Verlobten Klotzsche: »Ach du mit deinem Bauche!« Ihr Bruder Kraft endlich, der nicht mehr an sich hielt, verriet ihr Geheimstes.
»Du Gans! Nur das Theater ist es. Sie hat im Theater einen Streik gesehen, und der Streikführer war Herr Stolzeneck, verstehst du, Klotzsche? Leon Stolzeneck, erster jugendlicher Liebhaber.«
Horst stieß Kraft in die Rippen, aber der Assessor nahm es, wie es war. »Das gibt sich,« grunzte er gemütlich. »Theater ist etwas anderes, ich habe auch mitgeklatscht.«
Das Auto mit dem General und dem Assessor war fort, da, in der goldbespannten Halle, herrschte Heßling seinen Schwager an.
»Sehr verbunden, daß du mir die Exzellenz flau machst. Schickt er dann keine Soldaten, haben wir im äußersten Fall noch dein Mundwerk.«
Das Wort als Tat unterschätze man immer, erwiderte Buck, – so wie man die sittlichen Faktoren unterschätze.
»Bin ich unsittlich?« herrschte Heßling.
»Deine Machtmittel,« fuhr Buck fort, »sind dieselben, auf die auch der Umsturz pocht; und jene anderen, die er nicht kennt, sind dir so fremd wie ihm. Ihr seid einander wert,« schloß er milde. Heßling brach vollends aus.
»Ich kenne nur mein Recht. Gehen sie los, wird geschossen. Schleichwege sind meinem treuen Gemüt eine Greuel.«
»Deinem treuen Gemüt,« wiederholte Buck.
»Auch deinem, hoffe ich!« Diederich blitzte. »Einen meiner – meiner eigenen Arbeiter Latein lernen lassen, bedeutet eine heimtückische Förderung der subversiven Tendenzen. Dem Professor Klinkorum verzeih' ich es nie. Noch unerbittlicher wäre ich, wenn ich wüßte, wer ihn dafür bezahlt.«
Buck wehrte ab.
»Er tut es ohne Entgelt, aus wissenschaftlichen Motiven.«
»Das sagt er. Das kann jeder sagen. Auch dein Sohn wird sich auf die Wissenschaft ausreden, wenn er dem Balrich seine Bücher leiht und nur mit ihm noch gesehen wird.«
Buck zog sich ein Stück zurück, er sagte vorsichtig und ohne Ironie:
»Hans? Ein Kind, nicht wahr. Das schließt noch Freundschaft ohne Ansehen des Standes.«
Hans, hinter einem Rohrsofa mit getürmten Kissen, hörte, sah – und schlug die Hände vor das Gesicht. Papa verleugnete ihn! Er log. Papa und Hans, beide mußten lügen vor dem Onkel Heßling … Er schlich sich hinaus, unter die Rosenkränze. »Darf ein Mensch uns zwingen, zu lügen? Ich hasse ihn – ewig, ich schwöre es!« – wobei er dennoch ganz wohl wußte, er habe auch sonst schon gelogen und das Leben sei so.
Heßling drinnen schrie noch:
»Was man mir sagt, muß ich glauben. Alle sagen dasselbe, wie falsche Zeugen. Es ist, als wäre man in eine Mördergrube gefallen.«
»Du bist leidend,« sagte Buck milde. Seinem Schwager schnappte die Stimme über.
»Aber wehe, wenn ich euch fasse!«
Und er schwenkte sich auf den Absätzen herum.
Im Garten bei der »Borkenhütte« fand er seine Söhne. Über den Fenstern aus Rinde nagelten Horst und Kraft gebleichte Tierschädel an den rauhen Stamm. Was dies bedeute?
»Es sind die dem Odin heiligen Pferdeschädel,« erklärte Horst, und das Wasser troff ihm unter seinem Monokel hervor. Die kleinen Ralph und Fritzheinz, die zusahen, erklärten ihrerseits:
»Es sind die Kalbsköpfe, die wir zu Mittag gegessen haben.«
Kraft, lang, gebeugt, mit Ringen um die Augen, sagte schleppend und zittrig:
»Hier ist die richtige Stelle, Vater, für die Maschinengewehre.«
Heßling erschrak, er sagte: »So weit halten wir noch nicht.«
»Auf Villa Höhe haben wir die ganze Luft für uns, aber die Kaserne ist zwei Stunden weit.«
Er nahm seinen Ältesten beim Arm.
»Deine Mutter denkt immer, alles muß glatt gehen, weil wir es sind. Mache einmal du ihr begreiflich, daß man einen Frühlingsmonat ganz schön auf Reisen verleben kann.«
»In Monte –?« fragte Horst, erwartungsvoll.
Am Abend dann holten die Söhne den Vater ab, um »die Runde« zu machen. Hierbei sagten sie: »Melde mich gehorsamst zur Stelle,« und machten die Runde in strammer Haltung. Einmal fiel aus dem Dunkeln ein Schuß. Der Generaldirektor prallte zurück, schwankend, als sei er getroffen. »Er ist es,« ächzte er. »Ich sehe ihn.« Horst und Kraft erhoben ihre Revolver; es war aber Hans Buck, er hatte mit dem Mund geknallt.
Der Generaldirektor in seiner Angst verfiel sogar auf die »sittlichen Faktoren« seines Schwagers. Man konnte sie versuchen, vor dem Äußersten; – und so knüpfte er mit Zillich an, wegen des Pfarrers von Beutendorf. Der Konsistorialrat indessen wandte ein, er sei zerfallen mit jenem Freigeist, der sich behaupte nur dank den weltlichen Behörden, ihrer Gleichgültigkeit in Sachen der Religion. Dabei drückte er dem Industriellen den Zeigefinger auf die Brust. Auch hier war etwas versäumt, sah Heßling.
Der Pfarrer Leiditz von Beutendorf, nicht nur im Streit mit der Synode, auch verschuldet wie er war in jedem Hof seiner Gemeinde – diesmal schien der vielgejagte Mann selbst etwas erschnappt zu haben; er sprach am Sonntag zu den Arbeitern von dem brennenden Gegenstand, – worauf er noch heller brannte. Denn Leiditz hatte aus der Schrift zusammengetragen, was sie an subversiven Tendenzen, Gott sei es geklagt, enthält. Ihm zufolge, Heßling persönlich überzeugte sich den Sonntag darauf, hätten ohne weiteres die Sturmglocken läuten sollen.
Vor Schluß der Predigt verschwand der Generaldirektor. Nachher stand sein Auto leer auf der Straße; wo war er? … Und das nächste Mal – nicht nur Frauen und Greise machten jetzt den Weg zur Kirche, alle Männer von Gausenfeld! – was hieß dies? Er machte kehrt, der Pfarrer, er fand nicht mehr die Stellen der Schrift, in denen sonst sein Finger lag, er fand andere. Die gingen wie von selbst auf, vielbenutzt, mit Unmut angehört. »Das kennt man,« murrten die Männer und verliefen sich, noch während des Amtes. Der Pfarrer, mit verfallenen Zügen, verkroch sich hinter sein Buch … Vier Wochen aber, und was er schuldete, war alles bezahlt.
Jetzt kam Napoleon Fischer daran. »Von dem Manne ihrer Wahl,« dachte Heßling, »nehmen sie hoffentlich noch Vernunft an. Der alte ehrliche Umstürzler kennt mich.«
Das Mitglied des Reichstages reiste auch herbei, der Generaldirektor empfing es gleich an der Bahn, bevor irgend jemand es zu sehen bekam, und führte es in ein leeres Wartezimmer. Hier fragte es:
»Was drehn Sie wieder für ein Ding gegen uns, Herr Doktor?«
»Ich brauche Sie, Fischer. Wir haben schon mehr Dreck zusammen verscharrt.«
»Früher einmal, Herr Geheimrat, habe ich daran Sie erinnert, und Sie nahmen es übel, denn damals war ich Ihr Maschinenmeister. Immer standen Sie vor der Pleite, und machten Schiebungen mit Ihrem Proleten. Schöne Jugendzeit!« – Und die gealterten Geschäftsfreunde musterten sich. Napoleon Fischer unter seiner weißen Empörermähne, aus seinem vom Fluchen und Geschrei zerarbeiteten Kopf, den sogar die gegnerische Presse einen alten Feuerkopf nannte, lugte giftig. Diederich Heßling, breitflächig und hart, dünn behaart und über seine Augensäcke hinstarrend, schnaufte.
Dann hielt der Abgeordnete in dem Saal hinter der Kantine eine Versammlung ab. Ein Beamter suchte im Namen der Leitung es zu verhindern, aber gegen die Tatkraft des bewährten Führers drang er nicht durch. Napoleon Fischers brauner Jackettanzug, fast neu, ward von den Genossen mißtrauisch gemustert. Aber die Hosen hatte er nicht bügeln lassen und den Rock falsch zugeknöpft, so ging es ihm hin.
Er redete unter Mitbenutzung seiner langen Arme, seines gefletschten Affengebisses und der weißen Empörermähne. Als er schon längst nur noch heiser keifte, fand er dazwischen plötzlich einen zärtlichen Ton, um seinen »armen Hals« zu bemitleiden. Dann wieder: die Wehrsteuer, eine nicht zu rechtfertigende Herausforderung des Proletariates, aber die Folgen wird das Kapital selbst spüren, – Faustschlag. Russische Methoden verbitten wir uns. Pogrome, Kulturschande, – und wenn es sein mußte, nahm auch er noch die Flinte auf seinen alten Buckel.
Nun aber, worauf es ankam, die persönliche Berührung und Aussprache in der Kantine, einfach von Bank zu Bank, mitten drunter das Mitglied des Reichstages, schweißtriefend und menschlich schlicht.
»Also los, Kinder, was hat er wieder ausgefressen, mein alter Ausbeuter, droben auf seinem Fürstenschloß.«
»Wenn es seines ist!« murrte der alte Gellert, ward aber durch heimliche Stöße zur Ruhe verwiesen.
»Ich hab' es nie nicht gesehen,« schwur Napoleon Fischer. »Mir kümmern die Freudenhäuser der Ausbeuter nicht, ich kenne sie höchstens aus die ›Woche‹,« beteuerte er, obwohl er in den Zeitungen, auch in der ›Woche‹, schon seit langem so richtig deutsch schrieb, wie jeder andere. »Er möchte, daß ich hingehe,« Faustschlag, »aber nach Canossa gehen wir nicht. Er wird den Weg zu mir schon finden, heute braucht er mich, er – mich, das laßt euch gesagt sein, Genossen!«
Da ihm der Erfolg nicht durchschlagend schien, verschwur er sich noch, auf dem Wege nach Villa Höhe solle ihn der Schlag treffen. Die Arbeiter hörten ihm zu; nun ja, nach Villa Höhe ging er wohl nicht. Darum aber war es noch nicht gesagt, daß er sich mit Heßling nicht anderswo traf, zum Beispiel bei dem Regierungspräsidenten.
»Also los, Kinder!« wiederholte Fischer. »Er will verhandeln, dann hab' ich ihn allemal schon in der Hand, das wißt ihr aus Erfahrung. Ohne mich, sagt selbst, Genossen, was hättet ihr erreicht!«
Sie schwiegen, sie ließen ihn weiter im Dunkeln tappen. Herbesdörfer sagte schwer:
»Was haben wir denn erreicht?«
Der Abgeordnete, unversehens, sprang aus der Bank und arbeitete sich zur Tür hin, einem Alten entgegen, der hereinschlich mit seinem Blechgefäß, ob ein Bissen für ihn abfalle.
»Vater Dinkl! Alter Klassenkampfgenosse!« rief er und stieß den Bettler vor seinen hohlen Magen. »Wie? Wenn wir jetzt die Alters- und Invalidenversicherung nicht hätten! Wir! Wir haben sie zusammen gemacht,« – und er nahm Dinkl unter seinen Arm und zeigte sich mit ihm.
»Da seht uns alten Freunde! Ich und er, Hose wie Jacke. Ich war auch bloß Maschinenmeister bei Heßling, so gut wie mich könnt ihr den Vater Dinkl wählen. Was weiß so ein hergelaufener Akademiker, der am Tisch der Kapitalisten praßt, von euren Sorgen und Schmerzen. Ich aber, Genossen, wenn der Heßling, grün vor Wut, zu mir kommen muß und verhandeln, das ist der Triumph des Proletariates!«
Dies verfehlte denn doch nicht seine Wirkung, sie riefen: »Bravo!« und »Sehr richtig!«
Daraufhin überließ der Abgeordnete den alten Dinkl sich selbst und begann noch einmal: »Also los! … Macht er Schwierigkeiten mit der Bibliotheksstiftung? … Hat er die versprochenen Waschgelegenheiten nicht eingeführt? … Nun also, dann ist alles in Ordnung. Und in die städtische Arbeitsvermittlung bring' ich noch einen Genossen hinein.«
Wieder erfolgte nichts. Nur Dinkl Sohn sagte:
»Wissen Sie keine Vermittlung, daß ich nicht mehr arbeiten muß?«
Hier fand Napoleon Fischer seine Würde verletzt. »Das sind Witze,« sagte er und erhob sich streng. »Ich beantrage, daß die Versammlung die Äußerung des Genossen Dinkl mißbilligt.«
Niemand mißbilligte sie; jemand rief sogar: »Ihre Weisheit kennen wir!« – genau wie beim Pfarrer Leiditz.
Da sah der Abgeordnete sich um und sah, die schweigenden Gesichter waren düster und höhnisch. Er begann, hastiger als früher, umherzufragen: »Was wollt ihr? Streiken?« – fragte einzeln umher, aber nur bei denen, die am Wege zur Tür saßen … Karl Balrich sagte laut:
»Streiken? Wir werden uns hüten.«
Sie stimmten bei, sie verstanden ihn. In einem Betrieb, der von Rechts wegen uns gehört, streikt man nicht. Der Abgeordnete faßte es anders auf.
»Das ist ein verständiges Wort, Genossen. Streiken kostet die Partei bloß Geld; und das Geld der Partei, was ist das für ein Geld? Euer eigenes Geld, Genossen.«
Unversehens stand er unter der Tür. Wieder ganz auf der Höhe, rief er:
»Hier herrscht ein gesunder Geist, da weiß man, wofür man arbeitet. Und so will ich euch zum Abschied, Genossen, denn verraten, was bei dem Kuhhandel mit der Wehrvorlage für euch herauskommt. Zwei Prozent Lohnerhöhung! Genossen! Dafür stehe ich ein mit meiner vollen Überzeugung! Wir bewilligen die Wehrvorlage, aber ihr kriegt zwei Prozent. Hoch die internationale revolutionäre Sozialdemokratie!«
Er wartete nicht ab, daß sie einstimmten, schon war er draußen. Zu seiner Verwunderung hörte er nichts, und niemand holte ihn zurück. Eine Weile horchte er im Dunkeln, dann ging er hintenherum über die Felder; – am Zaun zwischen dem Arbeiter- und dem Herrschaftswald sagte er zu Diederich Heßling, der drüben schon wartete:
»Es ist nichts. Streiken wollen sie nicht, sie wollen zwei Prozent, – und das sage ich Ihnen, davon bringen Sie, Herr Doktor, mich nicht ab, denn da spricht einzig mein Gewissen. Ich bin klassenbewußt geblieben, trotz meiner paar Kröten, mich fängt der Kapitalismus nicht ein, für die paar Kröten verrate ich meine Genossen noch lange nicht!«
»Schreien Sie nicht so!« verlangte Heßling. »Sie kennen doch Ihre Leute; meinen Sie, hier im Dunkeln lauert keiner?«
Er klomm mühsam über den Zaun, Genosse Fischer half ihm; und gemeinsam tasteten sich der Generaldirektor und das Mitglied des Reichstages durch den nächtlichen Arbeiterwald.
»Ihre zwei Prozent,« sagte der Kapitalist, »sind zum Lachen. Ich will wissen, was der Balrich vorhat.«
»Das ist der Vernünftigste von allen. Er spricht gegen den Streik.«
»Dann ist es noch schlimmer als ich dachte,« murmelte Heßling. Napoleon Fischer verstand nicht.
»Was soll dahinter sein? Hat er Macht? Ich bin Machtpolitiker. Entweder hat er Macht oder er hat keine Macht, der Rest ist Mumpitz.«
Napoleon schrie schon wieder. »Und außerdem regnet es,« bemerkte Heßling. »Kommen Sie mit, und halten Sie den Mund, bis ich Sie wieder loslasse.«
Er ließ ihn erst los, als sie sich in einem Waggon befanden, draußen auf freiem Feld. Zwischen Lumpen hockten sie beisammen, die politischen Gegner, raunend, wie sonst hier die obdachlosen Liebenden. Und wie einst Balrich mit Thilde, wurden sie aufgeschreckt durch Schläge gegen die Wagenwand und krochen hervor, beleuchtet von dem Aufseher, – der Reißaus nahm. Aber auch sie schlugen sich schleunigst in das feuchte Dunkel.
Wie nach seiner Nachtarbeit der Arbeiter Balrich hervorkam, trat ihm der Genosse Fischer entgegen und begann ihn zu loben für seine Vernunft und seinen Fleiß. Wenn er selbst sich dereinst von den Gesch–, das heißt vom politischen Leben zurückziehe, wer weiß, ob nicht die Partei ihr Augenmerk auf einen Genossen richten werde, der es gleich ihm, Fischer, vom einfachen Arbeiter durch eigene Kraft zum höher Gebildeten gebracht habe.
»Das ist gewiß das Ziel, das Sie heimlich vorhaben,« vermutete der Abgeordnete gespannt. Balrich sagte:
»Das möchten Sie wohl wissen.«
»Ich muß gar nichts wissen,« belehrte ihn der Ältere. »Der einzelne weiß nichts und kann nichts. Wenn ich auch auf meinen Schultern noch immer meinen alten Feuerkopf trage. Aber das Große wie das Kleine vollzieht sich doch immer nach den unumstößlichen wissenschaftlichen Gesetzen, auf denen unsere Partei ruht.«
»Ruht,« wiederholte Balrich.
»Alles vollzieht sich historisch,« beteuerte nochmals der erfahrene Genosse. »Tun muß man nichts. Der Kapitalismus wirkt sich auch nur aus.«
»An uns,« sagte Balrich.
»Und hat er sich ausgewirkt, sind wir die Erben.«
Balrich mit Bedeutung:
»Unser Erbrecht müssen wir geltend machen.«
»Wie wollen Sie das machen?«
Balrich sah ihn sich an, seinen Giftblick, sein ratloses Lauern. »Das möchten Sie wissen,« sagte er wieder; worauf Fischer:
»Sie sind doch wohl von meiner Treue überzeugt, Genosse?«
»Nein, Genosse.«
Dem Mitglied des Reichstages ward es bange. »Nur keine Gewalttat« riet es dringend. »Streiks und andere Gewaltmittel treffen zuerst uns,« – und er dachte an seine paar Gausenfelder Aktien.
Der Arbeiter erriet beiläufig. Er sprach nicht mehr zu dem Armseligen neben ihm, zu sich selbst sprach er:
»Wir müssen wollen und müssen glauben, an uns und an alle. Wir haben doch Seelen, wir wissen doch von dem Guten, Menschen sind wir doch. Damit allein sind wir schon stärker als das Geld.«
Der alte Politiker schielte ihn an, höhnisch aus gelben Augenwinkeln. Dann seufzte er, denn dunkle Erinnerungen kamen ihm, an den jugendlichen Luxus der Gefühle. In seiner Jugend, ihm war es, nicht er nur, alle hätten damals so gefühlt und hätten geglaubt – Unsinn wohl, aber man glaubte … Ein ganzes Stück ging er beschämt, in ungewissen Gedanken an die gealterte Partei und an ein nicht genütztes Leben.
Dann klopfte er dem jungen Menschen auf die Schulter und prophezeite ihm trotz allem eine schöne Karriere. Zu seinem Erstaunen stieß aber Balrich seine Hand fort und schrie ihn an. Denn auch Balrich schämte sich, er fühlte: »Ich habe schon zu viel gelesen. Ich laß mir Redensarten vormachen wie ein Bourgeois.«
»Was geht das Sie an,« schrie er, »was man für sich redet. Sie spionieren hier nur. Sollen Sie also wissen, was wir hier denken!«
Von seiner Wut überwältigt:
»Alles herausgeben muß die Bande! bis jeder von ihnen sich selbst mit seinem Rasiermesser –«
Er sah sich um, der Abgeordnete war nicht mehr da … Zur Besinnung gelangt, schlug Balrich den Weg nach der Fabrik ein.
Eine Untersuchung durch die Sanitätspolizei, wußten sie dort, stehe bevor. Viele versprachen sich Unannehmlichkeiten davon für Heßling und sahen ihr gern entgegen. Nach einigen Tagen, schon früh morgens, hieß es »antreten«; der Medizinalrat war da. Die Einrichtungen, dies ward bald klar, konnte er nicht genug loben, mehr als entzückt war er von den Waschgelegenheiten. Dem Oberinspektor Herrn – bitte?
»Wachsmut, Herr Medizinalrat.«
Ihm trug er auf, dem leider verhinderten Herrn Generaldirektor seine lebhafteste Anerkennung auszusprechen. Da sahen die unter den Arbeitern, die sich gefreut hatten, einander an. Ein Licht ging ihnen auf. Der Medizinfatzke war schon vorher abgerichtet auf die Waschgelegenheiten, und auch Napoleon Fischer, der sich stellte, als habe er sie errungen, steckte mit unter der Decke. Die Waschgelegenheiten, ein Vergnügen, solange sie keins für die Herren waren, jetzt wurden sie ein gegen uns gerichtetes Komplott.
Nach den Einrichtungen kamen die Leute daran. Der Herr von der Behörde, massig gebaut, schritt ihre Reihen ab wie die Kolossalstatue eines siegreichen Feldherrn. Mehrmals blieb er stehen, in die Hüfte geworfen und die Hand darauf, und prüfte. Sie mußten die gehabten Krankheiten hersagen, wobei er immer des festen Glaubens schien, daß etwas nicht stimmte. Er konnte wohl auch befriedigt und leutselig sein; so bei Jauner. Herbesdörfer dagegen, gleich neben Balrich, flößte ihm ein erklärtes Mißtrauen ein.
»Den Verband weg!« herrschte er; und als er den Finger sah, herrschte er:
»Wie heißt der Mann?«
Der Oberinspektor sagte es ihm, worauf alles erklärt schien.
»Natürlich haben wir den Finger in Lehm gewickelt. Naturheilverfahren, natürlich. Aber wenn der Brand hinzutritt, wer bezahlt uns die Operation? Der Naturpfuscher? Und bezahlt er auch das Begräbnis des Mannes?«
Zu dem Oberinspektor:
»Herr, Herr –«
»Wachsmut.«
»Wachsmut. Mehr goldene Rücksichtslosigkeit, wenn ich bitten darf. Unser Menschenmaterial ist belastet mit Versicherungen, es darf nicht nach Belieben kaputt gehen.«
Hiernach wollte er weiter, fuhr aber unerwartet herum, wie an einem Seil gedreht.
»Der Mann dort hat einen stieren Blick. Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«
Der Oberinspektor sagte merkwürdig harmlos:
»Der Mann ist ein guter Arbeiter.«
»Sie wissen nichts Besonderes über ihn?«
»Er studiert.«
Da nickte der Medizinalrat grimmig befriedigt.
»Aha! Meinem Scharfblick entgeht nichts, wie Sie sich überzeugen können.«
Und zu dem Arbeiter:
»Sie, wie heißen Sie?«
Balrich sah ihn sich an, dann sagte er, stark betont:
»Ich heiße – Herr – Balrich.«
»So, so. Noch schöner.«
Der hohe Herr, diesmal warf er sich nicht nur in die Hüfte, er schlug im Stehen die Beine übereinander; man sah, er verweilte.
»Wie lange treiben Sie schon Ihre Studia?«
»Ein Jahr.«
»Scheint Ihnen nicht zu bekommen. Leiden Sie an Reizzuständen?«
»Wenn man mich reizt,« sagte Balrich.
»Wird es Ihnen zeitweilig, besonders beim Studieren, aufgeregt zu Mut? Werfen Sie dann die Kleider ab?«
»Nein,« sagte Balrich.
Da ging das Gesicht des Medizinalrates in die Breite, es begann zu strahlen.
»Sie sind aber gesehen worden. Nackt am Fenster, gegen Morgen, als das Haus schon offen und Leute unterwegs waren.«
Balrich, überrumpelt, behielt seine verschlossene Miene; in ihm jagte es. Wann hab' ich denn –? Doch, damals hab' ich. Es ward Tag, ich lag im Fenster und dachte. Das war doch Zufall, ich wußte es selbst nicht mehr, woher soll dieser –. Aha! Er hat es von Heßling, und Heßling? … Er wandte den Kopf. Die Kameraden blickten alle in derselben Richtung, auf einen Mann, der sich zu verstecken suchte. Jauner, wer sonst … Balrich sagte rauh:
»Das kann wahr sein oder nicht. In meinem Zimmer jedenfalls bin ich mein eigener Herr, und Spione kümmern mich nicht.«
Der Herr von der Behörde fragte lauernd:
»Sie halten sich hier wohl überhaupt für gleichberechtigt?«
Balrich antwortete:
»Ich habe einen freien Vertrag geschlossen. Was mich angeht, ich erfülle ihn auch.«
»Aber die Gegenseite?«
»Ich muß nicht ausspioniert werden.« Ihm kam eine Erkenntnis, er faßte den Herrn ins Auge. »Hier muß auch keine Komödie aufgeführt werden meinetwegen.«
Der Medizinalrat zuckte mit den Lidern; dann fragte er schnell und mit einer Art Freundlichkeit:
»Sie haben wohl viele Feinde?«
Da Balrich nicht mehr antwortete, setzte er hinzu:
»Dann ist es auch begreiflich, daß Sie geäußert haben: Alles herausgeben soll die Bande und jeder einzelne soll sich mit dem Rasiermesser selbst die Gurgel abschneiden.«
Balrich stand starr: Es ist klar, dachte er.
Der Medizinalrat seinerseits sagte zu dem Oberinspektor:
»Die Sache ist klar. Der Mann ist verrückt. Das können Sie dem Herrn Geheimrat von mir ausrichten.«
Der Oberinspektor verbeugte sich; der Medizinalrat aber, inmitten der Stille des Entsetzens, die sich um ihn herlegte, redete geläufig weiter, und nicht etwa leiser.
»Der Mann fühlt sich verfolgt, und alles bezieht er auf sich. Zudem fällt noch auf, er überhebt sich und verkennt die örtlichen Verhältnisse. Das genügt für Paranoia, man kann ihn einsperren.«
Da er es murren hörte, wandte er sich erstaunt herum. Die Gesichter, in die er blickte, bewirkten sofort, daß er das übergeschlagene Bein wegnahm, die Hüfte einzog und viel weniger anspruchsvoll dastand. »Nach dem Gesetz,« rief er schnell, »und nach den medizinischen Verordnungen gehört der Mann in die Obhut der Anstalt.«
Das Murren wuchs. »Zunächst zur Klärung,« setzte er hinzu, worauf er, seiner Haltung wegen, vor Balrich hintrat und ihm den Daumen in die Augenhöhle und von unten gegen den Knochen drückte. Der Daumen stank. Balrich, dem es vor Wut schwindelte, hob schon die Hand. Mit aller seiner Kraft zwang er sich nieder – kalt vor Schrecken bei dem Gedanken, was geschehen wäre.
Dem Oberinspektor erläuterte der Medizinalrat:
»Er soll sich sogleich in der Heil- und Pflegeanstalt melden. Auf die Herren dort können wir uns verlassen.«
Eine Stimme rief: »Das ist das Irrenhaus!« – worauf aus dem Murren ein offener Lärm ward. Der Medizinalrat zuckte auf, er machte einige Schritte wie ein Tanzbär; »ich telephoniere gleich hin,« rief er, eilig aufbrechend. Erst jenseits der Schwelle ward er allmählich wieder aussehen wie die Kolossalstatue des siegreichen Feldherrn.
Balrich in dem Lärm bewegte sich umher und beruhigte. »Ich gehe einfach hin, sie können nichts machen, ich komme schon wieder;« – und als alle Hände gedrückt waren, ging er.
Auf der Landstraße, weit ausschreitend, steigerte er noch seinen Mut. Wie sie ihn fürchten mußten, daß sie ihn zu unterdrücken versuchten auf solche ungeheuerliche Art! »Sie sind verloren und wissen es, sonst würden sie dies nicht wagen. Zu viele kennen doch den Tatbestand, es kommt in die Zeitung. Wahnsinnig sind sie selbst!«
In den ersten Straßen der Stadt kam ihm ein Gedanke, der ihm auffiel. »Sonst holte ich mir dort drinnen die Schulbücher. Jetzt gehe ich mit dem was ich gelernt habe, in das Irrenhaus.« Hierbei spannte es sich ihm kalt in der Magengrube, er ging zögernd – dann aber um so schneller, und naß vom Laufen kam er an.
Beim Pförtner vorüber, wollte er in einen Gang eindringen, der aber verschlossen war, und nicht einmal einen Griff hatte die Tür. »Da gehören Sie hoffentlich nicht hinein,« rief der Pförtner und schickte ihn hinüber in die Aufnahmeabteilung. Hier ging man ungehindert durch weiße, lange Gänge, bequemer und reinlicher als die im Haus B. Pflegerinnen in steifen Flügelhauben rollten in jedem Stockwerk Karren mit Essen hindurch. Im höchsten, an einem Tisch ein junger Herr in weißem Mantel schrieb und sprach gleichzeitig. Der Arbeiter wagte nicht Halt zu machen, der Herr selbst rief ihn an.
»Herr Balrich!« rief er.
Da stand nun Balrich, drehte seine Mütze und zog die Brauen zusammen. Der junge Blonde sah ihm aufmerksam in die Augen, aufmerksam, nicht feindlich, und sprach dazu, – schien aber selbst nicht zu hören, was er sprach.
»Sie habe ich gleich erkannt. Sie sind mir gut beschrieben worden. Weiß Gott, auf Sie bin ich hingewiesen.«
»Nun, schön,« schloß er munter. Die Pflegerin, mit der er verhandelt hatte, fragte er nach einem freien Zimmer. »Besonderer Fall,« sagte er zu einem Kollegen, der vorbeikam. Dann nahm er Balrich unter dem Arm, öffnete von den vielen Türen eine, dahinter noch eine, und ließ ihn hinein. Drinnen ein Bett, ein Heizungskörper; das Fenster geöffnet auf Blätterdächer.
»Setzen Sie sich doch,« sagte der Arzt. »Wissen Sie, wo Sie hier sind?«
Balrich, der Vorsicht wegen, antwortete nur:
»In einem Zimmer.«
»Nun ja – immerhin,« sagte der Doktor und lachte. »Aber weshalb sind Sie eigentlich gekommen?«
»Weil ein Medizinalrat,« sagte Balrich sicher, denn hierauf war er vorbereitet, »meine geistige Gesundheit bezweifelt.«
»Was noch nichts beweist,« fügte der junge Arzt hinzu … »Aber Sie haben sich nicht gesetzt. Bewegen Sie sich ganz wie Sie wollen! Wir unterhalten uns hier nur; Sie sehen, ich schreibe mir nicht einmal auf, was Sie sagen.«
Dennoch fühlte Balrich, es komme an, nicht allein auf jedes seiner Worte, auch darauf, wie er die Hand führte, und ob er einen schnelleren Schritt tat oder hoch sprach anstatt tief. Er blieb regungslos stehen.
»Also setzen wir uns?« fragte der Arzt nochmals. Da ging Balrich steif auf den Sessel zu und setzte sich auf die Armlehne.
»Weil es schon gleich ist,« dachte er dabei. Der Arzt schien es nicht zu bemerken, er warf den Kopf in den Nacken und sagte in die Luft:
»Fühlen Sie sich krank? … Nein? Kein Blutandrang oder Schwindel? Nein? Aber Sie haben sich doch nackt in Ihr Fenster gestellt,« sagte er plötzlich mit Nachdruck und prüfend den Kopf gesenkt. Balrich saß starr. Dann war alles eine Falle gewesen? Der da hatte sich zum Schein auf seine Seite gestellt, eine gemeine Falle! Wütend warf er sich nach vorn, die Faust war schon gemacht. Da sah er den andern hinter sich fassen, nach der Klingel – und fühlte sich weiß werden, angesichts der großen Gefahr. Statt der Faust zeigte er eine bittende Handfläche.
»Es ist nur,« bat er, »weil schon der Medizinalrat mich damit hat reizen wollen. Das hält man doch nicht aus, wenn alle mir vorhalten, was die Spitzel sagen. Bei uns sind Spitzel, Sie wissen das nicht.«
Der blonde Herr hatte wieder sein harmloses Gesicht. Er wehrte begütigend ab, weil Balrich die Sätze gar so gewaltsam hervorstieß und nun so rot ward.
»Das kann ich freilich nicht wissen,« bestätigte er. »Darum müssen Sie sich nicht aufregen.«
Er setzte sich bequemer. Balrich tat folgsam das Gleiche.
»Unterrichten Sie mich, bitte,« begann der Arzt. »Wie leben Sie in Gausenfeld?«
Der Arbeiter sagte verbissen:
»Schlecht. Ausgebeutet, geknechtet und wie das Vieh zusammengesperrt.«
Das wollen sie hier gerade hören, fürchtete er, und setzte schnell hinzu: »Das wissen aber alle. Ich bin nicht verrückter als die anderen.«
»Ich möchte es Ihnen glauben,« sagte der Arzt einfach. »Ist es wahr, daß Sie Einfluß haben auf Ihre Genossen?« … Unter dem mißtrauischen Blick Balrichs erklärte er: »Es wäre nur natürlich. Sie haben eben mehr Willenskraft, – was Sie auch durch Ihr Studium beweisen … Es muß doch hart sein?«
Dies klang teilnehmend: der Arbeiter sagte dennoch, rauh klagend:
»Ich soll wohl überarbeitet sein? Sie wollen mich nur hineinlegen.«
Der junge Blonde beugte sich weiter vor.
»Denken Sie das nicht! Ich weiß selbst, was schuften heißt. Sie wollen eben heraus aus dem Elend.«
»Nicht nur ich!« sagte Balrich, und Begeisterung ergriff ihn unversehens. »Auch die anderen sollen da heraus! Einer muß es doch machen, der bin nun ich.«
»Sie fühlen den Beruf?«
Da schlug er sich an die Brust.
»Mir ist es aufgetragen. Es ist meine – meine –«
»Sendung?«
»Ja;« und Balrich fühlte sich tief erleichtert – trotz der zögernden Miene des Arztes. Der Arzt sagte dann aber:
»Sie haben eine Sendung. Warum nicht. Sendungen gibt es.«
Er nahm das Kinn in die Hand und sprach jetzt leiser.
»Weiß man es schon bei den Oberen?«
»Daher die Verfolgung,« sagte Balrich; und der Arzt ganz leise:
»Wer verfolgt Sie?«
»Immer der eine; für ihn geschieht alles Böse. Aber seine Werkzeuge sind viele, die Spitzel, der Pfarrer von Beutendorf, unser Abgeordneter, der ein Verräter ist, und jetzt der Medizinalrat.«
Als Balrich dies hervorgebracht hatte, schien der Blütengeruch aus dem Garten ihm schwüler, eine Vogelstimme klang ängstlich. Der Arzt hielt die Augen gesenkt.
»Warum nicht,« wiederholte er. »Es gibt auch Feinde. Ich habe nicht den Beruf, das Kapital, das Sie hassen, zu verteidigen. Das mögen die Bonzen tun,« sagte er nebenhin; aber dann eindringlich:
»Nur bedenken Sie doch, ob es nicht etwas unwahrscheinlich ist, daß gerade der sozialdemokratische Abgeordnete Ihr Feind und der Freund Ihres Widersachers sein soll.«
Das klinge so, erwiderte kurz Balrich, denn er hatte gesprochen. Der Arzt sagte behutsam:
»Weil Sie vorhin so böse wurden, will ich Sie an das Wort, das Sie ihm gesagt haben, nicht erinnern. Sie wissen, das Wort von den Rasiermessern. Es ist ihm aufgefallen, er hat es herumgesprochen, Sie nennen das gleich Verrat. Und der Medizinalrat? Wir Doktoren sehen überall Symptome; nur menschlich. Ich glaube wohl, Sie sprechen von Dingen, die sind; nur möchte ich sie gemäßigter auffassen.«
»Die Gemeinheiten, die wir nicht selbst erleben, fassen wir immer gemäßigter auf,« bemerkte Balrich; worauf der Arzt:
»Da haben Sie wieder recht.«
Und er stand auf. Balrich tat wie er. »Muß ich hier bleiben?« fragte er dumpf. Der junge Blonde sagte sorglos:
»Die kurze Gastrolle hier darf Sie nicht verdrießen. Wir sind gut ausgekommen. Ich bin kein schlimmer Untersuchungsrichter, wie Sie wohl schon sehen, Sie hätten an schlimmere geraten können. Im Vertrauen« – er hielt die Hand an den Mund – »der Medizinalrat, als er telephonierte, hat meinen Namen verwechselt.«
Jetzt lachte er hell auf; Balrich mußte mitlachen. Er nahm die hingereichte Hand.
»Dies Zimmer gefällt Ihnen doch? Auch die Zimmer, Sie haben wohl davon gehört, sind bei uns nicht alle so angenehm … Eins muß ich noch fragen,« sagte der Arzt schnell, »sehen Sie manchmal etwas und merken nachher, es war nicht da?«
»Sie meinen Visionen? Nein!« sagte Balrich entrüstet. Gleich darauf, sich erinnernd, erschrak er heftig. War es eine gewesen, damals, vor Villa Höhe?
»Wäre es schlimm?« fragte er.
»Weihen Sie mich ruhig ein! Vielleicht hatten Sie nur lange gehungert oder waren übermüdet?«
»Nein,« sagte er starr. »Es kam, weil ich wollte.«
»Wunschbilder kann am Ende jeder haben, der nicht ganz glücklich ist, oder der viel erwartet. Wie war es?«
Da fühlte Balrich: »Ich habe Leni gesehen als reiche schöne Dame auf Villa Höhe. Ein Traum, aber wirklicher als ihr alle, – und im Irrenhaus wollt ihr ihn herausholen aus mir? Pfui, Teufel!« – und ehe er es wußte, stampfte er auf, schlug aus Leibeskraft gegen den Kleiderschrank und schrie ein Schimpfwort. Der Arzt hörte es an, er schüttelte sanft den Kopf.
»Sehen Sie, jetzt ist es doch mit Ihnen durchgegangen,« sagte er mißbilligend; – und da er Balrich vernichtet sah: »Nun, Sie werden nicht wieder nachgeben.«
Er ging zur Tür. Jäh anhaltend: »Wer ruft da Dieb?« fragte er. Balrich sah auf.
»Mir kann niemand es nachrufen. Aber ich kenne Diebe genug,« sagte er mit Verachtung. Darauf nickte der Arzt und ging.
Eine Weile des Lauschens – dann endlich frei ausschreiten, schnell, noch schneller; die Arme heben, den Tisch verrücken, alles war wieder erlaubt. Auch lehnte er sich zum Fenster hinaus. Das Dach der Baumkronen konnte er berühren, nicht aber hindurchsehen, was unten war. Plötzlich fiel ihm ein, daß in solchen Häusern Löcher sein können in Tür und Wänden. Er fand keine; – aber er warf sich vor, er habe dem Aushorcher zu viel schon preisgegeben. Wenn du schweigst, nur schweigst, welche Handhabe bleibt ihnen. Statt dessen gibst du ihnen dein Höchstes preis – aus Furcht, weil sie die Macht haben. Er fühlte: der grauenvollste Mißbrauch der Macht war erst hier verübt worden. Das Ideal, untersucht im Irrenhaus.
Jetzt aber ward es ihm bewußt, der Geruch aus dem Garten, es war der Duft von Lindenblüten, derselbe, bei dem er vor einem Jahr fast schon gestorben wäre, erhängt in einer Baumkrone. Duft des Schicksals, fühlte er; wie viel zwischen damals und heute, wie viel! Auf das Sofa gestreckt, bis es dunkel ward, dachte er, ja freute sich des Denkens, an seine Sendung, seinen Kampf, – und dir, dir dies vorbehalten, Auserwählter! Sollst um dich greifen, Heilbringer, von Gausenfeld weithin, in das Land, in die Welt. Hier weißt du es nun, gerade weil du hier bist, wie sehr sie auf dich zu hoffen, dich zu fürchten haben. Dein höchster Augenblick, er ist hier. Sie dachten dich zu vernichten, und stärken dich.
Im Dunkeln, entwöhnt des Schlafes, ward er nur wacher. Er drehte Licht an; da erschien auf breiten Schultern vor ihm ein Kopf mit breiter gebuckelter Stirn, das Gesicht aber darunter schmal wie ein Ei. Er erschrak, denn er kannte ihn nicht. Also wahr? Dies, dein Gesicht? Er kannte es noch viereckig wie ein Klotz. Hast du denn schon so viel gedacht und gesorgt, armer Mensch? Dich gesorgt um Dinge, die fern sind und den heilenden Erfolg dir lange vorenthalten? Wie lange noch?
»Ich überlebe es nicht,« erkannte er, starren Geistes. »Ich weiß besser als sie, wie es steht mit mir. Sie nennen es Größenwahn und Verfolgungswahn. Sie wissen nicht, daß ich schon versucht war, den Fischer anzufallen und den Medizinalrat. Heute ist es mit mir durchgegangen. Das Haus wirkt, ich bin verloren.«
Die Hände um das Gesicht, neigte er es, in betender Haltung. Furchtbar, hier zu sein, und furchtbar, wieder hinauszugehen, allein auf immer mit deiner Kraft, ob sie aushält – deine Kraft gegen die Welt … Da sagte Gott ihm: »Nicht allein! – und keine Sendung, die nicht alle haben. Ihr alle sollt hinaufgelangen in der Vernunft des Menschen, einer gestützt auf den andern, und nicht einer dürfte fehlen. Der Bettler Dinkl ist so würdig wie du.«
Es ward Morgen, Balrich schlief ein.
Er erwachte müde, aber noch unruhig. Das Hin und Her der Gedanken, dann bald wieder Schlaf, den halben Tag, die ganze Nacht, – und kaum ward es hell, verlangte er nach dem Arzt. Es zeigte sich, daß er erwartet wurde, im Garten.
Der Garten war grün, die Wege auch, und auch die Bretter, die ihn hoch einzäunten. Man sah nicht weit, wilde Büsche schoben sich vor, oder eine Baumkrone schwebte groß herab bis in das Gras. Durch das Gras manchmal huschte jemand oder stolzierte. Einer nur ließ sich länger blicken. Am Ende des Gartens lang und hager stand er, das Gesicht erhoben in die grünliche Luft, und auch mit dem ausgereckten Arm, wenngleich er ihn nicht rührte, grüßte er hinauf.
Der junge Blonde kam herbei, er sagte:
»Herr Balrich, ich habe Sie rufen lassen, weil ich schon jetzt entschlossen bin, Sie zu entlassen. Sie werden sich wundern, denn Sie sind sich bewußt, einiges Auffallende getan zu haben, kürzlich. Auch seitdem waren Sie recht erregt, aber dann habe ich Sie schlafen gesehen, es sah gut aus. Wenn Sie einmal wieder zu viel gearbeitet haben, erlaube ich Ihnen, wiederzukommen und sich auszuschlafen.«
»Ist es nur das?« fragte Balrich.
»Noch andere Namen und Titel sind zur Hand für den, der sie anwenden will. Ich will nicht. Sie haben die Irrtümer des Geistesgesunden; dies nehme ich an, weil ich niemandem zu Gefallen das Gegenteil annehmen will, das mir nicht bewiesen ist. Sie irren oft, in Ihren Sinneseindrücken wie in Ihrem Denken. Aber mir ist es nicht bewiesen,« sagte er, abgewendet, in die grünliche Luft hinauf, »daß gerade dieser unterwertig ist und nicht gerade dieser zu viel wert. Wir wären weit öfter Genies, wenn nur das Leben sie immer brauchen könnte.«
»Dann bin ich dennoch verloren?« fragte Balrich, denn so hörte er es.
Sie waren im Garten am Ende; hier der den Himmel Grüßende ließ sich nicht stören und grüßte weiter das Unbekannte. Der Arzt blieb stehen.
»Ich ahne Sie; denn ich bin jung. Wäre ich alt und ein Bonze, würde ich Sie eingesperrt haben. Weil ich jung bin, fühle ich mich noch verbunden mit dem Unbekannten, dem All.«
Er hatte das Gesicht und den Arm erhoben, stand und grüßte nach oben – wie jener dort.
Nun wieder zu Balrich, mit einem ernsten Lächeln.
»Seien wir schlicht. Sie haben Unrecht erlitten, sehen Ihre Mitmenschen fortgesetzt viel Unrecht leiden, und schließen daraus, die Welt sei ungerecht.«
»Was soll ich anderes schließen?« fragte der Arbeiter.
»Ich – weiß es auch nicht;« – mit dem ernsten Lächeln. »Aber vielleicht sollten Sie fünf grade sein lassen, ich muß es auch.«
»Ich kann es nicht,« sagte Balrich.
Schweigen. Sie gingen zurück.
»Lieben Sie jemand?« fragte der Arzt.
»Ja, o ja!«
»Lieben Sie denn! Es ist das Mittel, den Haß zu überdauern.«
Sie gaben sich die Hand. Balrich durchmaß noch einmal die weißen, langen Gänge; Pflegerinnen schoben Karren mit Essen; – und war draußen. Es gibt auch Freunde, dachte er in dem fremden Gedränge der Stadt. Aber auf der Straße nach Gausenfeld ward es ihm härter zu Mut, die Luft trug ihm Kampf entgegen, ihn erwartete Kampf. Er dachte: »Der Doktor soll sich nur nicht den Mund verbrennen. Er ist doch angestellt, daß er mich verrückt macht. Er läßt mich hinaus, was mag dahinter stecken?«
In der Fabrik erfuhr er es sofort. Sie ward von Gendarmen bewacht; schon seit gestern drohte ein Zusammenstoß. Die Arbeiter hatten die Leitung vor die Wahl gestellt, Streik oder Balrich. Aha! Er lachte grimmig und ging an die Arbeit. Daher der Edelmut des Arztes! Alle gleich, alle eine Bande! … Ein Zweifel: war es Zufall? »Er sah mich doch an wie ein Freund … Als könnte es Freunde geben! Sie sind abhängig, einer von dem anderen, und alle von dem Reichsten. Der aber ist nicht mein Freund … Niemandem glauben, nur arbeiten!«