Martin Luther
Predigten durch ein Jahr
Martin Luther

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Am dritten Sonntag des Advents

Matthäus 11, 2-10

Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er seiner Jünger zwei, und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr sehet und höret; die Blinden sehen, und die Lahmen gehen; die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören; die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert. Da die hingingen, fing Jesus an zu reden zu dem Volk von Johannes: Was seid ihr hinaus gegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, daß der Wind hin und her webt? Oder was seid ihr hinaus gegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern. Oder was seid ihr hinaus gegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, der auch mehr ist, denn ein Prophet. Denn dieser ist’s, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.

In diesem Evangelium sind zwei Stücke: das erste, wie Johannes seine Jünger aus dem Gefängnis zu Christus sendet, daß sie ihn hören, und seine Wunderwerke sehen, und ihn als den rechten Messias oder Christum annehmen sollen. Und dient uns dazu, daß wir unseres lieben Herrn Christi Wort auch gern hören, und für den höchsten Schatz achten sollen, an dem alle unsere Seligkeit gelegen ist. Das andere Stück ist eine Predigt, damit unser lieber Herr Christus nicht allein den Heiligen Johannes trefflich hoch rühmt und lobt, daß er ein Ausbund sei vor allen anderen Predigern, besonders weil er seines Amtes so fleißig wartet, daß er damals, da er im Kerker und Gefängnis war und selbst nicht predigen konnte, dennoch seine Jünger zu Christus sendet; sondern er schimpft auch die Juden ihres Unglaubens wegen, daß sie solchen Prediger so gering achten und nach seiner Predigt gar nichts fragen. Solches dient uns dazu, daß wir vor solcher Unart uns hüten, Gottes Wort nicht verachten, sondern es gern hören und uns darum bessern sollen.

Das erste nun, daß wir das Wort Christi fleißig hören sollen, ist dabei angezeigt, daß Johannes, da er schon im Gefängnis lag, alsbald er von den Wunderwerken Christi hört, seine Jünger zu ihm sendet, mit einem solchen Befehl, daß sie ihn fragen sollten: Ob er der sei, der da kommen sollte, von welchem Moses und alle anderen Propheten soviel geweissagt hätten und hernach im Neuen Testaments soviel gepredigt sollte werden? Das ist, ob er der verheißene Christus sei, von dem geschrieben stünde, daß er der Juden Reich und Moses Lehre sollte bestehen bis auf seine Zukunft; danach sollte Moses Lehre und Gottesdienst aufhören, und eine neue Lehre und neuer Gottesdienst angerichtet werden, nicht allein unter den Juden, sondern auch unter den Heiden in der ganzen Welt.

Wie denn solches war lauter und klar zuvor geweissagt. Darum, weil es bald, nach dem Johannes im Gefängnis war, angegangen, und der Herr Christus vom ewigen Leben und dem Reich Gottes jetzt predigte und Wunderwerke tat, wollte Johannes seine Jünger zu ihm weisen; schickt sie deswegen hin zu Christus, daß sie mit ihren Augen die Wunderwerke sehen und mit ihren Ohren die Predigt hören sollten, da solange Zeit zuvor die Propheten von geweissagt hatten, daß sie Christus auf Erden bringen und sich also offenbaren würde.

Deswegen ist solches Schicken anderes nichts, denn als sagte Johannes also: Ich weiß es zwar wohl, daß er der rechte Christus ist, aber die Leute glauben’s nicht. Deswegen gehet ihr jetzt zu ihm und hörets von ihm selbst, auf das ihr euch von mir und dem ganzen Judentum wegtut, und hängt euch an diesen Mann, an welchem alles gelegen ist, was euer und der ganzen Welt Seligkeit betrifft. Das ist die eigentliche Meinung dieser Botschaft zu Christus, daß seine Jünger ihn selbst sehen und hören, ihm in Kundschaft kommen, und also an ihn glauben und selig werden sollen.

Nun, was sagte aber Christus zu solcher Botschaft? Er sagt weder Ja noch Nein, da sie ihn fragten, ob ers sei; sondern antwortet bloß mit den Werken und spricht: Ihr sehets, hörets und greifts, daß ich es bin. Denn eben wie Jesaja und andere Propheten geweissagt haben, daß Christus die Lahmen gerade, die Blinden sehend machen werde, so sehet ihr jetzt vor euren Augen, bedürft also weiter keines Unterricht noch Antwort, wenn ihr euch nur wolltet recht auf das Wort schicken.

Das ist und eine schöne, herrliche und tröstliche Predigt, die alles sehr fein fasset, was man von Christus predigen kann, nämlich was er für ein König sei, und für ein Reich habe, nämlich ein solches Reich, da Blinde, Lahme, Aussätzige, Taube, tote Leute, und besonders die armen Sünder, und alles, was ihnen, dürftig und nichts ist, zugehören, und da Trost und Hilfe finden. Diese Predigt von Christus und seinem Reich sollten wir mit Fleiß merken, und immerdar unter uns klingen lassen, daß Christus ein solches Reich habe, und ein solcher König sei, der den elenden, armen Leuten an Leib und Seele helfen wolle, was sonst unmöglich ist, das alle Welt mit ihren Künsten helfen könnte. Denn es ist nie ein so großer Doktor gekommen, der einen Blinden hätte können sehen, einen Aussätzigen rein machen. Gleichwie auch nie kein Prediger gewesen ist, der den Armen hätte können das Evangelium predigen, das ist, die betrübten, elenden, geängstigsten Gewissen auf sich weisen und trösten, die erschrockenen Herzen, die in Schwermut und Kümmernis ersoffen sind, fröhlich und guter Dinge machen.

Moses ist der höchste Prediger, aber diese Kunst kann er nicht, daß er arme Sünder sollte trösten, ja, das Widerspiel tut er; denn alle seine Predigten lauten also: Du sollst und mußt das Gesetz halten, oder verdammt sein. Da kommt dann ein Jammer: die ihre Sünde fühlen, und von der Sünde gern los wären, leben nach dem Gesetz, können aber nicht zufrieden sein, noch ein fröhliches Herz und Gewissen dadurch erlangen. Wie denn die Heiligen im Alten Testament klagen, so Moses Regiment überdrüssig sind, und ein herzliches sehnen nach dem Reich der Gnade, in Christus verheißen, haben. Als, Psalm 14,7.: «Ach, daß aus Zion die Hilfe über Israel käme, und der Herr sein gefangen Volk erlöste.» Und Psalm 102, 14.: «du wolltest dich auf machen, denn es ist Zeit, daß du ihr gnädig seist.» Wiederum die Heuchler meinen, wenn sie äußerlich das Gesetz halten, so dürfen sie kein Evangelium noch Christum, denken, es haben nicht Not, Gott müsse sie wohl wegen ihres Fastens, Betens, Almosen gebens wegen in den Himmel nehmen. Das sind die sicheren, satten Geister, die unseres Herrn Gottes und seiner Gnade nicht bedürfen.

Nun ist es wohl wahr, Moses Predigt muß man haben, und die Leute zu solcher äußerlichen Zucht und gutem Wandel vermahnen; eben wie man im Weltregiment Henker und Polizei darum haben muß, den wilden rohen Haufen zu strafen, wenn solche äußerliche Zucht nicht hält, sondern hurt, stiehlt, geizt, wuchert. Aber wenn das Stündlein kommt, daß du Sterben sollst, sage mir, was hilft dir Moses Lehre, wenn du dich gleich danach gehalten hast? Ist es nicht wahr, du mußt bekennen, und sagen: Lieber Herr Gott, ob ich gleich kein Ehebrecher, Dieb noch Mörder gewesen bin, so begehre ich doch, du wollest mir gnädig und barmherzig sein, ich muß sonst auch bei allen meinen guten Werken verzweifeln.

Davon kann man in der Geschichte: «Leben der Väter» lesen. Es stand jemand drei Tage an einer Stätte, hob immer auf die Augen zum Himmel, seufzte und klagte. Als ihn aber seine Jünger fragten, was er hätte? Antwortete er: Ich fürchte mich vor dem Tode. Da fingen seine Jünger an, und erzählten, was er doch für ein strenges Leben geführt und sich so fleißig nach Gottes Geboten gehalten hätte, meinten, sie könnten ihn dadurch trösten. Aber er sprach: Ich sage euch, daß ich mich sehr fürchte; ich habe wohl, wie ihr sagt, mich fleißig nach Gottes Wort gehalten, noch kann ich solcher Furcht nicht los sein; denn ich weiß, daß Gottes Gerichte anders sind, denn der Menschen Gerichte. Dieser ist soweit gekommen, daß er gesehen hat, wenn die Züge kommen, die vor Gott und sein Gericht treiben, daß Gottes Gericht so scharf, ernst und schwer ist, daß unsere Heiligkeit und guten Werke den Stich nicht halten, noch wir damit bestehen können.

Deswegen, ob man das Gesetz gleich predigen, und sich in guten Werken ohne Unterlaß üben, und nach dem Wort Gottes sich alle Zeit richten soll; doch wenn es soweit kommt, daß man sterben soll, so muß man sagen, wie dieser Vater: Ach Gott, wer hilft jetzt? Dieser ist der elenden auch einer, da hier von steht, aber er weiß nicht, woran er sich halten soll. Denn dies mangelt ihm, wovon der Herr hier sagt: «Den Armen wird das Evangelium gepredigt.» Er sieht und hat nicht mehr, denn das Gesetz; und läßt ihm ein Böses Gewissen, in Angst und Not stecken, und kann alles nicht trösten.

Das Evangelium aber ist eine solche Predigt von Christus, die zu dem Sünder sagt: Mein Sohn, sei getrost und fröhlich, erschrecke nicht; denn du sollst wissen, daß Christus befohlen hat, den Armen, das ist, den elenden, betrübten Herzen, Gnade anzusagen, daß er seine Reinigkeit, die göttlich und ewig ist, für dich setzen, dich mit Gott zufrieden machen, deine Sünder abwaschen und vergeben wolle. Diese Gnade heißt er dir durch sein Wort anbieten; darum zweifle nicht, wie du hörst und glaubst du es nun, so wird es dir widerfahren.

So heißt nun Evangelium eine gnadenreiche, selige Lehre und tröstliche Botschaft; als wenn ein reicher Mann einen armen Bettler tausend Gulden zusagt, daß wäre ihm ein Evangelium, eine frohe Botschaft, die er gern hören und von Herzen fröhlich darüber würde. Aber was ist Geld und Gut gegen diese tröstliche und gnadenreiche Predigt, daß Christus der Elenden sich annimmt, und ein solcher König ist, der den armen Sündern, die unter dem Gesetz gefangen sind, zum ewigen Leben und Gerechtigkeit helfen will!

Das, sagt Christus hier, ist mein Reich, ein ganz anderes Reich, denn als das Weltreich ist. Da geht es so zu, daß man dem Stärksten hilft und wie das Sprichwort lautet: Der Stärkere steckt den anderen in seinen Sack. Das Weltreich regiert nach der Schärfe mit dem Schwert, schlägt und haut überall um sich, es soll auch keine Laster und Untugenden leiden. Deshalb muß es Henker, Ruten, Schwert, Wasser, Feuer dazu haben, damit es überall strafen kann.

Aber hier im Reich Christi ist es ganz anders, daß hat nichts zu schaffen mit starken, Heiligen Leuten, sondern mit schwachen, armen Sündern, wie Christus spricht: «Die Blinden sehen, die Toten stehen auf.» Nun, Tote auferwecken ist ein großes Wunderwerk; aber dies Wunderwerk ist viel größer und herrlicher, obwohl es das Ansehen nicht hat, nämlich: daß Gott also die Welt liebt, daß er seinen Sohn gibt, den er von Ewigkeit dazu geordnet hat, daß er ein König der Sünder sei, denselben das Evangelium predige. Von solchem König und Evangelium predigt Moses und das Gesetz nicht. Da heißt es also: Wer ein Sünder ist, gehört in des Teufels und des Todes Reich. Das lautet, als sei unser Herr Gott ein König der Heiligen und Frommen, die eine größere Frömmigkeit haben, als es das Weltregiment fordert. Und es ist wahr. Denn Moses Reich ist auch unseres Herrn Gottes Reich, und die Predigt, die er führt, ist Gottes Wort. Eben wie auch das weltliche Regiment Gottes Reich genannt werden mag. Denn er will haben, daß es bleiben und wir uns in denselben gehorsam halten sollen. Es ist aber nur das Reich der linken Hand, da er Vater, Mutter, Kaiser, König, Richter, Henker hin setzt und ihnen das Regiment befiehlt.

Sein rechtes Reich aber, da er selbst ist und regiert, ist dies, daß den Armen das Evangelium gepredigt wird, in welchem du lernst, wenn es dahin kommt, daß deine Frömmigkeit dir nie helfen kann, damit du sprichst: Herr, ich habe getan, was ich gekonnt habe, meinem Vater, meinem Herrn treu gedient, niemand betrogen, nicht gemurrt, mein Haus, Kinder und Nächte treulich unterrichtet, und, so viel möglich, gut regiert, meinem Nächsten nicht zum Schaden gelebt, nicht gestohlen, nicht die Ehe gebrochen: aber wo nun hin? Denn solches hilft dir vor dem Gericht nicht, auch fördert es nichts zum Reich Gottes. Doch, lieber Herr, ich will darum nicht verzagen noch verzweifeln; denn ich habe einmal in deinem Evangelium gehört, daß Dein Sohn, mein lieber Herr Jesus Christus, sechs verschiedene Wunderzeichen getan hat. Unter denselben wird auch dieses bedacht, daß den Armen das Evangelium gepredigt wird, das ist, daß er von dir, himmlischer Vater, dazu geordnet sei, daß er die erschrockenen Herzen trösten soll. Dieser Predigt will ich mich auch annehmen; denn sie gehört mir, weil ich so Arm und Elend bin, und sonst keine Hilfe weder in mir noch in der ganzen Welt sonst finden kann.

Also weissagt der Prophet Jesaja von Christus im 50. Kapitel, 4 da er, der Herr Christus, selbst spricht: «Der Herr hat mir eine gelehrte Zunge, gegeben,» das ist, Gott hat sein Wort auf meine Zunge gelegt, «daß ich wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden,» das ist, die blöden Gewissen recht trösten. Das legt hier der Evangelist aus, und sagt: Christus predigt den Armen das Evangelium. Denn darum und dazu ist er zum König gesetzt, daß er evangelisieren, das ist, die armen, blöden, betrübten Herzen trösten und stärken soll; darum sein Reich auch heißt und ist ein Trostreich und Hilfereich, in welchem man die Blöden nicht mehr erschrecken, oder in Angst stecken lassen, sondern sie trösten und fröhlich machen soll. Solches aber geschieht nicht durch des Gesetzes Predigt, sondern allein durch das Evangelium. Das ist die fröhliche gute Botschaft, daß durch Christum für unsere Sünden bezahlt und für sein Leiden wir vom ewigen Tode erlöst sind. Diese Predigt gehört für die armen, spricht der Herr, da will ich hin; denn zu den großen Heiligen kann ich nicht kommen, die keine Sünder sein wollen und das Evangelium nicht bedürfen, ja, verfolgen, und schimpfen es als Ketzerei, sagen, man verbiete gute Werke, man predige gegen Mose und das Gesetz.

Darum so spricht der Herr weiter: «selig ist, der sich an mir nicht ärgert.» Denn an diesem König und seiner Predigt, an der sich jedermann freuen sollte, ärgert sich die ganze Welt. Wie wir in der Geschichte des Evangelium sehen, daß die Pharisäer, Schriftgelehrten, Hohenpriester, Priester, Leviten und alles, was nur hoch und groß ist, Christum für einen Verführer und seine Predigt für Ketzerei halten und verdammen. Er kann ihnen nie recht predigen, sie denken immerdar, er kehrt alles um und mache es nicht richtig. Er wolle die Frommen und Gerechten (wie er denn auch tut) in die Hölle stoßen und in seinem Reich nicht leiden; die Sünder aber in den Himmel heben. Eben wie die Katholiken uns heutigen Tages auch tun. Heißt daß, sagen sie, recht predigen, daß man die guten Werke gar nicht gelten lassen will, und den bösen Buben den Himmel aufsperren? Diese Nachrede hat unser lieber Herr Christus unter den Juden auch leiden müssen.

Aber hier steht es: «Selig ist, der sich an mir nicht ärgert.» Nun, hörst du Christum recht, nähmest sein Wort an, und du kommst in sein Reich, so würdest du erfahren, daß das Evangelium gute Werke nicht verbietet, wie die Katholiken an uns lügen; sondern die Christen lehrt und vermahnt, gute Werke zu tun, daß sie sich mit Ernst darum annehmen, daß sie gegen Gottes Wort und Gewissens sich nichts vornehmen; läßt die weltliche Obrigkeit bleiben, Kaiser, König, läßt den Henker das Schwert, Rute und anderes brauchen, was zur Zucht gehört. Warum ärgerest du dich denn an dem Heiligen Evangelium, und lästerst es, daß man nichts Gutes tun soll? Gute Werke verwirft noch verbietet das Evangelium nicht. Das aber verbietet es, wenn wir jetzt sterben, und in ein anderes Leben kommen sollen, und da keine Rat noch eine Hilfe ist, daß wir dann auf unser Leben und gute Werke nicht bauen noch trauen sollen; sondern uns nach dem Herrn Christus umsehen, mit festem Vertrauen auf sein Werk und Verdienst uns verlassen, daß wir durch ihn Gnade und ewige Seligkeit in jenen Leben finden sollen.

Denn eben darum hat uns Gott einen solchen Leib, mit so manchen guten Gliedern, gegeben, daß wir hier auf Erden nicht müßig sein, sondern mit den Füßen gehen, mit den Händen zugreifen, mit dem Mund reden, mit den Augen sehen sollen. Über das alles hat er auch sein Wort, die Zehn Gebote gegeben, daß wir unsere Werke alle danach richten, wieder seiner Ehre und unseres Nächsten Nutz nicht handeln sollen. Solches läßt das Evangelium nicht allein geschehen, sondern heißt auch, wir sollen es fleißig tun. Wenn aber der Mensch jetzt bloß und allein ist, und aus dieser Welt vor Gottes Gericht kommen soll, da befiehlt das Evangelium nach einen anderem Trost umsehen, da du deine Hoffnung und Herz drauf stellen und gründen kannst.

Darum hast du wohl gelebt: ist recht und gut, danke Gott darum; aber verlasse dich im Sterben nicht darauf, als sollte Gott dir dafür den Himmel geben; sondern halte dich hier zu diesem König, unserem Herrn Christus Jesus, der, wie der Evangelist hier meldet, das Amt haben soll, daß er die Blinden sehend, die Lahmen gehend, die Aussätzigen rein, die Tauben hörend machen, die Toten auferwecken, und den Armen daß Evangelium predigen, das ist, die elenden, betrübten Herzen trösten soll. Denn er ist von seinem Vater nicht dazu gesetzt, daß er uns um unserer Sünde willen hängen oder erwürgen soll, sondern daß er den armen Gewissen raten, sie aufrichten, trösten und ihnen ewig helfen soll.

Die nun ihn dafür nicht ansehen, noch von ihm Gnade erhoffen, sondern sich an ihm und seiner Lehre ärgern und ihn verachten, wie die Juden taten und die Heuchler auch noch heute tun, denen wird er zu seiner Zeit es richten. Und ist eben das der Ärgernisse eins, daß die Welt sich an der Lehre Christi ärgert, daß sie nicht will auf Gottes Gnade, sondern auf ihr eigenes Werk und Verdienst sich verlassen. Schimpft deswegen das heilige Evangelium, es sei eine verführerische Lehre, die gute Werke verbiete, die Leute böse und wild mache.

Zum anderen ärgert sich die Welt auch an dem an Christus, daß er so ganz arm und elend ist; also, daß er das Kreuz trägt und sich daran hängen läßt: also vermahnt er auch seine Christen, ihr Kreuz auf sich zu nehmen, und ihm also durch allerlei Anfechtung Trübsal nachzufolgen. Solchem ist die Welt immer feind, scheuen sich davor, und eben wie man sieht, wenn wir das Evangelium bekennen, und um des Evangeliums willen etwas wagen oder leiden sollen, daß sie mit großen Haufen dahin fallen, wie das wurmstichige Obst im Sommer.

Zum dritten heißt das auch ein Ärgernis, wenn wir uns mehr an unser Herz und Gewissen kehren, wie wir uns fühlen, denn an das Evangelium von Christum; das ist, wenn uns unser Tun und Lassen mehr anficht und bekümmert, denn die Gnade unseres lieben Herrn Jesu Christi, im Evangelium verkündigt, uns tröstet. Solches Ärgernis ist nicht so gemein, als die ersten zwei; denn die rechten Christen allein werden damit angefochten. Aber es tut über die Maßen weh; und wo es ohne des Heiligen Geistes Hilfe und Beistand wäre, würde keiner in solchen Ärgernissen bestehen können.

Also ist der liebe Herr Christus überall in der Welt ein ärgerlicher Prediger; wie er nach diesem Evangelium noch klarer meldet, daß die Leute an diese Predigt sich stoßen, und sie verachten werden und verfolgen. Was aber die Welt für ein Urteil darum muß ausstehen, zeigt die schreckliche Predigt an wider die drei Städte, Kapernaum, Chorazin und Bethsaida; also, die ernste Klage Christi wider die Juden, da er spricht: Johannes ist ein strenger Prediger gewesen, aß nur wilden Honig und Heuschrecken, trank nichts denn Wasser, führte dazu ein sehr hartes Leben, aber was halfs? Ihr gabt ihm die Schuld, er hätte den Teufel. Ich, spricht er, esse und trinke mit jedermann, und halte mich auf das allerfreundlichste zu den Leuten; so muß ich für euch ein Fresser und Weinsäufer sein, der sich zu Zöllnern und Sündern halte. Kann also niemand mit den giftigen Schlangen, den Heuchlern und Werkheiligen auskommen. Lebt einer frei und tut sich freundlich zu den Leuten, so taugt es nicht. Führt ein anderer ein strenges und hartes Leben, so taugt es aber auch nicht. Wie soll mans denn der schändlichen Welt noch machen? Das möchte ihr gefallen, wenn man alles lobt, was sie tut, so sie selbst doch nichts rechtes tut.

Solche Ärgernisse muß man leiden. Denn so es damals, als der Herr Christus selbst gepredigt, und mit Wunderzeichen geregnet und geschneit hat, daß die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Lahmen gerade, die Aussätzigen rein, die Toten wieder lebendig geworden sind, nicht hat helfen wollen; sondern das Wort ist gleichwohl verachtet, und er, der liebe Herr Christus, darüber an das Kreuz geschlagen, und die Apostel aus dem jüdischen Land verjagt worden sind, und nirgend in der ganzen Welt um dieser Predigt willen sicher sein konnten: was wollen wir denn sehr darüber klagen? Und was für ein Wunder ist’s, daß die Welt daß heilige Evangelium und rechtschaffene Prediger zu unserer Zeit so verachtet und mit Füßen tritt. Ist es doch damals Christus, unserem Herrn, selbst und den Aposteln nicht anders gegangen, welche nicht allein das Wort führten, sondern auch noch treffliche große Wunderzeichen taten, die wir nicht tun, sondern allein das bloße, ärgerliche Wort führen.

Deswegen müssen wir uns daran gewöhnen und geschehen lassen. Denn dem Evangelium wird es nie anders gehen. Es ist und bleibt eine Predigt, daran sich nicht allein nur geringe Leute stoßen, sondern die heiligesten, frömmsten, weißesten, gewaltigesten auf Erden, wie die Erfahrung zeigt. Wohl aber denen, die wissen und glauben, daß es Gottes Wort ist; die sind genesen, getröstet und gestärkt wider alle solche Ärgernisse. Die es aber nicht wissen, blasen sich auf ihrer guten Werke willen, fallen von diesem Wort auf ihre eigene Gerechtigkeit, und halten es für eine ärgerliche und aufrührerische Lehre. Das heißt denn angestoßen und sich geärgert. Und solches tun, wie gesagt, die, so vor der Welt die größten Heiligen und klügsten Leute gehalten werden. Deswegen mögen wir mit dem Herrn Christus wohl über die blinde Welt klagen, und sagen: «Wir haben euch gepfiffen, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben euch geklagt, und ihr wolltet nicht weinen.» Predigen wir das Evangelium, so hilft es nicht. Man kann die böse Welt weder recht fröhlich noch recht traurig machen, das ist, sie will sich weder zu Sündern machen, noch sich wider die Sünde trösten lassen; sie will weder blind noch sehend sein, wie das Beispiel mit unseren Widersachern, den Katholiken, vor Augen ist.

Das ist nun das andere Stück, daß wir hier merken sollen: daß das Evangelium eine Lehre und Predigt für die Armen ist, das ist, für die betrübten, geänstigten Gewissen, die ihr Elend und Jammer fühlen, sich vor Gottes Zorn und Gericht entsetzen und erschrecken; nicht für die Reichen, die alle ihr Tun und Gedanken dahin richten, daß sie hier große Ehre und Gut haben mögen und in Freuden und Wohllust leben. Darum ist es ihnen in ihren Ohren eine seltsame wunderliche Predigt, wenn Christus, der Herr, spricht: «Den Armen wird das Evangelium gepredigt,» welches sie nicht begehren zu wissen noch zu lernen, ja, halten es für Narrheit, ärgern sich nicht allein daran, sondern verfolgen es und lästern es als Ketzerei. Wie wir denn sehen am Papst, und seinen geistlosen Kardinälen, Bischöfen, auch am meisten Teil der größten und wichtigsten weltlichen Herrschaften, die dem Papst anhangen. Das also alles, was fromm, heilig, und gewaltig in der Welt ist, sich wider das Evangelium setzt.

Vor solchem Ärgernis, wie gesagt, warnt Christus sein Häuflein und spricht: «Selig ist, der sich an mir nicht ärgert.» Als wollte er sagen: Wenn ihr nun sehet und erfahret, daß die Welt sich an meinem Wort ärgert, euch, die ihr es bekennt, darüber verfolgen wird, so laßt euch nicht beirren noch anfechten, sondern denkt: ist es doch Christus, Gottes Sohn, unserem Herrn, selbst auch so gegangen. Und ob er wohl so gewaltig predigte, und so viel herrliche große Wunderzeichen tat, hat es ihn dennoch nichts geholfen. Und das wir ja andächtig sein sollten, nicht uns der Welt Weisheit, Herrlichkeit, Gewalt und große Menge uns beeindrucken, davor warnt er uns, wir sollen an seinem Wort festhalten, da er spricht: «Selig ist, der sich nicht an mir ärgert».

Weil es denn unseren lieben Herrn Christus Jesus selbst begegnet ist, daß sich sein eigenes Volk, dem er verheißen und gesandt zum Heiland war, an ihm geärgert hat, und ob sie wohl seine herrlichen, großen Wunderzeichen sahen, die er vor ihren Augen tat, sich dadurch trotzdem nicht bewegen lassen, seiner Predigt zu glauben und ihn anzunehmen, ja, haben ihn gekreuzigt und ermordet: so mögen wir wohl schweigen und nicht klagen, wenn wir um des Evangeliums willen auch verachtet, verlacht und verfolgt werden. Solche Lehre vom Ärgernis ist uns nötig, besonders in diesen Zeiten, da jedermann das Evangelium lästert und sich daran ärgert.

Also haben wir aus dem heutigen Evangelium eine treffliche und hohe Lehre, an welcher unsere Seligkeit und das ewige Leben gelegen ist, nämlich, daß wir lernen, wie Christus ein König der Gnaden und alles Trostes sei, der den Armen betrübten Gewissen durch sein Evangelium freundlich zusprechen, und sie in Sünden trösten, und ihnen zum ewigen Leben helfen will. Denn obwohl das strenge weltliche Regiment auch Gottes Reich ist, so ist es doch nur ein linkes Reich, daß einmal aufhören soll. Dies aber ist sein rechtes und ewiges Reich, daß zu uns kommt durch das Wort, wenn wir, so der Sünde und des Todes Last drückt (denn solchen wird es gepredigt), dasselbe annehmen und glauben. Das tröstet und versichert uns denn, daß wir gewiß auf Christus dahin fahren sollen, und mit gewisser Zuversicht sagen: Ich glaube an meinen Herrn Jesus Christum, der die Blinden sehend, die Lahmen gehend, die Aussätzigen rein, die Tauben hörend und die Toten lebendig gemacht. Das Wort habe ich, und bin deswegen gewiß, daß er mich in meinen höchsten Nöten nicht stecken lassen, sondern mich aus dem Tod und des Teufels Reich ins ewige Leben und Himmelreich führen wird. Denn darum ist er Mensch geworden und zu mir auf Erden gekommen, daß er mich armen, elenden Sünder durch sein Evangelium trösten und mir von Sünde und Tod in Ewigkeit helfen will. Alle nun, die solches von Herzen glauben, die fahren dahin aus diesen Jammertal in die ewige Freude und Seligkeit. Das verleihe uns unser lieber Herr Christus, Amen.

 


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