Lukian von Samosata
Totengespräche
Lukian von Samosata

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Fünfzehntes Gespräch

Achilles und Antilochos

Antilochos: Achilles, was du neulich zum Ulysses über den Tod sagtest, ist doch wahrlich des Zöglings eines Cheiron und Phönix sehr unwürdig. Ich hörte dich sagen, du wolltest lieber auf der Oberwelt Taglöhner bei einem armen Manne, der sich selbst kümmerlich behelfen müßte, sein, als König über alle Toten. Wenn irgendein unedler feigherziger Phrygier so gesprochen hätte, so wäre nichts darüber zu sagen, aber daß der Sohn des Peleus, daß ein Held, der einst mehr als irgendein anderer in die gefährlichsten Abenteuer verliebt war, so niedrig von sich selbst denken soll, ist große Schande und widerspricht geradezu allem, was du im Leben getan hast. Denn es stand ja nur bei dir, eine lange Reihe von Jahren in unbekannter Ruhe unter deinen Phtioten den König zu spielen, und freiwillig erwähltest du einen frühzeitigen aber ruhmvollen Tod.

Achilles: O Sohn des weisen Nestor, damals, da ich diese armselige Schimäre Ruhm höher als das Leben schätzte, hatte ich noch nicht erfahren, wie es hier steht, wußte noch nicht, welches von beiden das bessere sei. Jetzt aber weiß ich, wie so gar nichts dieser Ruhm uns nützen kann, was auch die Leute da oben davon rhapsodieren. Unter den Toten gilt einer was der andere, lieber Antilochos! Schönheit und Stärke sind dahin! Wir alle liegen unter eben demselben Dunkel, ohne den geringsten Unterschied und Vorzug. Die trojanischen Toten fürchten mich so wenig als die griechischen mich ehren. Hier herrscht die vollkommenste Gleichheit, der bravste und der schlechteste Mann ist einer so tot als der andere. Das ist's, was mich schmerzt und warum ich mich ärgere, daß ich nicht ein Taglöhner bin und lebe.

Antilochos: Aber was ist zu machen, lieber Achilles? Die Natur hat nun einmal für gut befunden, daß wir alle sterben müssen; es bleibt also nichts übrig, als uns dem Gesetz ohne Murren zu unterwerfen. Zudem siehst du ja, wie viele von uns, deine ehemaligen Kameraden, du bereits um dich hast; und auch Ulysses wird in kurzem anlangen. Es ist doch immer ein Trost, Gefährten im Leiden zu haben und zu sehen, daß es andern nicht besser geht als uns. Sind nicht auch Herkules und Meleager und andere große Männer von diesem Schlag hier, von denen gewiß keiner ins Leben zurückkehren möchte, wenn man sie hinaufschicken wollte, um bei armen Schluckern, die selbst nichts zu leben haben, um Taglohn zu arbeiten.

Achilles: Ich erkenne in diesem Zuspruch die gute Meinung eines alten Kameraden, aber, es mag nun damit sein, wie es will, die Erinnerung alles dessen, was ich mit dem Leben verloren habe, quält mich, und ich bin gewiß, es ist keiner unter euch, dem nicht ebenso zumute wäre. Wenn ihr es nicht gesteht, seid ihr nur um so viel schlimmer daran, daß ihr euch in der Stille abhärmt.

Antilochos: Keineswegs, Achilles, sondern um so viel besser! Wir sehen, daß alles Klagen uns nun einmal nichts helfen kann. Wir wollen also lieber schweigen und dulden, als uns durch solche Wünsche wie der deinige lächerlich machen.


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