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1867

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146

Theurer geliebter Herr!

Unvergleichlicher Freund!

Ich schreibe heute einzig um Sie zu beruhigen. Der Freund theilte mir einiges von seinem gestrigen Briefe mit, und es lässt mir keine Ruhe Ihnen zu sagen dass der Freund in seiner grossen Liebe und Sorge um mich, meinen Zustand sich übertreibt. Ich bin durchaus nicht krank, auch nicht gebrochen; wohl hat mich die letzte Erfahrung (M. S.) tief erschüttert, zum erstenmal in meinem Leben tritt ein solcher weiblicher Hass mit der ganzen Wucht der Gemeinheit mir entgegen, allein es ist dieses auch schon überstanden, und Sie wissen es, theurer Gütiger, wenn mir etwas helfen kann so ist es Ihr Vertrauen und Ihre Gnade! Von Ihnen ist mir zuerst Trost und Hoffnung für uns alle gekommen, von Ihnen Einziger, erwarte ich sie stets. Lassen Sie sich nicht bekümmern theures Wesen, mein Wohl und Weh habe ich Ihnen von je einfach und aufrichtig mitgetheilt und so lange Sie es mir gütig gestatten werde ich es thun. Der Freund sah mich an dem einen Morgen bitterlich weinen, dann merkte er meine Ergriffenheit als ich neulich hörte Fr. v. S. habe dem guten Franz in solcher Weise gesprochen dass dieser überaus ehrfurchtsvolle Diener, ihr »die Thüre weisen wollte«, zu letzt auch erkannte der Vielgeprüfte doch stets Theilnehmende, dass Hans' Gesundheit mir grosse Sorge einflösste, daraus ist in seinem Gemüthe eine Angst um mich und mein Wohlsein entstanden die übertrieben ist. Ich bin wohl trotz allem und allem, und Hoffnungsbeseelt. – In Bezug auf den Hauptpunkt Ihres theuren Briefes hat der Freund geantwortet; ich befürchte dass einer seiner Vorschläge namentlich, (die Unterredung) unausführbar bleiben wird. Doch glaube ich mit Ihnen erhabener theurer Freund, dass München möglich ist, ja leichter und ergiebiger sein wird als Nüremberg. Des Freundes Gesundheit ist dem Himmel sei Dank befriedigend, die Meistersinger gehen schön vorwärts – o nein, mein theurer hoher Freund, Sie werden kein zweites solches Jahr erleben, und wir alle mit Ihnen auch nicht. Es war ein schöner Jahresanfang die Fahrt nach Zürich; wie freue ich mich der Freude welche Sie hehrer Theurer, an dem Modell haben werden. Paris mit allen seinen neuen baulichen Herrlichkeiten hat nichts aufzuweisen was dem irgend wie zu vergleichen wäre. Einfach und ernst ruht die Brücke auf ihren edlen Bogen, führt zu den Terrassen welche allmählig zu dem Prachtbau sich erheben, dessen höchster luftiger und reicher Schmuck die k. Loge bildet. Unwillkürlich dachte ich Sie mir, theuerster Herr und Freund, unter dem schönen Bogen hervortretend – welche Stunde wäre diese wo Wir alle in diesem Tempel uns wiederfänden! Das prächtige an Semper's Bau ist die Einheit, die Harmonie, der feierliche ernste Styl. Von der Brücke angefangen bis zu den Seiten-Portalen welche das ganze beschliessen, alles hängt zusammen, das Innere entspricht dem Aeussern, ein Gedanke hat da gewaltet, es ist eine Schöpfung keine mehr oder weniger geschickte Zusammenstellung. Mit diesem Bau schenken Sie theurer geliebter König, den Deutschen ihre Walhalla wieder! Nach der Betrachtung des Modells besuchten wir die eben von Semper beinahe vollendete Aula im Polytechnikum, auch ein architektonisches Juwel – wenn ich das sehe und an Semper's Schicksal denke während die dümmsten Architekten alle Städte mit ihren Einfältigkeiten vollpfropfen, muss ich seufzen, und dann wiederum nicht, denn »Einer kam«. –

Mit wahrem Schauder nehme ich jetzt die Zeitungen in der Hand welche von den Hoffestlichkeiten berichten und den hohen Besuchen! Einzig tröstete mich heute der Bericht dass der theure Ferne Hohe, bei dem Neujahr's Empfang wohl aussah. Doch wenn ich von einem Grossherzog so und so der zum Besuche da ist lese, wird mir angst und bang. »So fern und doch so nah« sind Sie Huldvoller, uns, dass ich all' das mit erleide, und dass ich ganz verzweiflungsvoll heute früh bei der Notiz dass es glänzender als je im Schloss gewesen sei »o Gott!« ausrief, worüber der Freund mich anlächelte. Das »Durcheinander« des Theaters kann ich mir lebhaft vorstellen; typisch ist mir in der Erinnerung geblieben dass bei einer der Holländer Proben als der Freund nach dem Regisseur frug, der gute Siegel wie rasend herumlief und »der Regisseur, der Regisseur« schrie! Doch der Stabreim Pfi und Pfo ist beseitigt, und das ist so viel dass man eigentlich übermüthig werden könnte und noch das Beste erwarten darf. Der »Elende« lässt in allen Zeitungen andeuten: »er ginge wegen geheimnissvollen Gründe« etc. Doch die alten Schlauheiten helfen nichts mehr!

Unter all den Umständen, den herrschenden, war der liebliche Gruss der Prinzess Sophie wirklich herzerfreuend; er hat dem Freunde wohlgethan. Ich entsinne mich die k. Hoheit öfters in den Concerten bemerkt zu haben, und habe noch die grosse Aufmerksamkeit mit welcher Dieselbe zuhörte recht lebhaft in der Erinnerung. Wäre Sie eine verbündete Seele für den theuren Einsamen? Die Kaiserin von Oesterreich war stets auch gegen den Freund huldreich gesinnt. Wie dankbar bin ich der Prinzess Sophie, für den Gruss an den Freund! Das Buch über Lohengrin welches mit Walther (unser kleiner strahlender Hausgott) kam, habe ich ausgelesen. Es ist wirklich recht belehrend und interessant; in späteren Zeiten, wenn nur die Namen und Werke leben werden, wird man rühmlich des Mannes gedenken der so ernst mit der guten Sache sich beschäftigte. Dieser unbedingte Glauben bei übrigens bedeutenden Kenntnissen thut einem wohl, und ich habe viel mehr Freude an dieser Lecture gehabt als an der des Gasperini'schen Buches.

Mögen Sie aus diesen Zeilen ersehen, mein theurer hoher Freund, dass ich nicht so schlimm daran bin als der Freund in seiner übergrossen Sorge es befürchtet! Um mich gebe es um Gottes willen keine Noth; an Uns nur wollen wir denken, an Uns die wir wohl zu trennen doch nicht mehr zu scheiden sind. Was Sie wünschen muss zur That werden, Ihr göttlicher Instinkt sagt es Ihnen und der sagt Ihnen immer wahr – darum bin ich ohne Sorge was auch geschehen möge. Nur will ich nicht mehr hören dass Sie, unser Engel, leiden; da schwankt mir der Boden denn Ihr Glück ist unser Leben!

Gruss und Segen dem Einzigen entsendet in treuer ewiger Liebe

Cosima von Bülow-Liszt

3ten Januar 1867 /.

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147

Telegramm

Von München nach Luzern                               5.1.1867

Frau von Bülow-Liszt. Luzern. Triebschen.

Selig wie im Himmel!

Unsere Zeit beginnt, Alberich's Heer hat seine Herrschaft verloren. Wir ziehen ein in Walhall.

Siegfried.

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148

Theure, innig geliebte Freundin!

Nicht genug kann ich Ihnen sagen, wie sehr mich Ihre letzten beiden Briefe gerührt, erfreut und ergriffen haben. Ja, theure Freundin, dieses Jahr muss ein Jahr des Heiles und des Segens werden. Wie freut mich Ihre Züricher Reise, wie entzückt mich die Beschreibung des Modelles. Sicher bin ich, in der Wahl des Fürsten Hohenlohe keinen Fehlgriff getan zu haben, Pfordten's dummes Geschrei betrachte ich als die letzten Zuckungen des nichtswürdigen, in den Staub getretenen Wurmes. – Unmöglich ist es mir Ihnen die Wonneschauer zu beschreiben, die jetzt meine Seele erfüllen, ich rase vor Entzücken über die Kunde der Ankunft des einzig Theuren, ich weine, ich juble! Er ist der Herr meines Lebens, es ist Sein Eigen, nicht meines. – Jetzt wollen Wir den verblendeten Deutschen, wenn sie nicht durch sich selbst zur Erkennung des Hohen zu bringen sind, gewaltsam die Augen aufreissen, wollen ihnen energisch Unsren »Willen« kund thun. O die unbegreiflich blöden Menschen, sie sehen nur das Gewöhnliche der Dinge, ihren Blick umhüllet noch das irdische Band, Wir haben das Unsterbliche mit Augen geschaut. –

O wie hat mich Ihr letzter Brief beruhigt und erquickt; denn der Gedanke, dass die Freundin so schwer leidend ist, hat mich tief erschüttert. – O wäre doch Herr v. Bülow bald gänzlich genesen, innig und von Herzen wünsche ich dies. – Wahrhaft glücklich macht es mich, dass die Statuette v. »Walther« so gefällt, auch Echter macht grosse Fortschritte, sehr gelungen finde ich die Skizzen zu dem Tristan-Cyclus; bald wird Kaulbach seinen neuesten Carton (Tannhäuser an der Leiche Elisabeth's) vollendet haben, die Brüder Spiess (dieselben welche die Tristan-Sage von Gottfried bildlich darstellen) malen die Sage des Fl. Holländers, Heckel malt in meinem Auftrage die Hauptbegebenheiten aus dem Leben der Hl. Elisabeth. Täglich freue ich mich des nun ganz vollendeten Nibelungen-Ganges. –

Heute war ein kalter, trüber Tag, Nebel umgaben in dichtem Schleier selbst meine so hoch gelegene Wohnung, zwischen Furcht und Hoffnung schwebte meine Seele, da erschien die Botschaft des fernen Freundes, mir war es, als schwebte ich in höheren Sphären, als würde ich entrückt, auch die Natur jauchzte, lazurblau glänzte der Himmel, die Sonne entsandte ihre goldenen Strahlen. Ich fuhr über die Isarhöhen und erschaute wie im seligen Traume im Geiste den vollendeten Prachtbau des Festtheaters der Zukunft. –

Als Wir neulich über Nüremberg Uns schriftlich unterhielten, meinten Sie mein Bruder wäre für mich ein mich verstehender, theilnehmender Freund, o nein, geliebte Freundin, er ist ein ganz gewöhnlicher Mensch, ohne nur den geringsten Sinn für Hohes und Schönes, ist den ganzen Tag oft auf der Jagd, viel in Gesellschaft meiner flachen, geistlosen Vettern und des Abends viel im Aktientheater, wo er besonders für das Ballet schwärmt. – Nächstens werde ich Sophie mittheilen, dass der Freund erfreut war über ihren Gruss, dies wird sie ganz glücklich machen. Ich habe fast nie Gelegenheit sie zu sehen, schreibe aber zuweilen, der treue, anhängliche Graf Holnstein ist Vermittler dieser Briefe. – Sophie ist eine treue, theilnehmende Seele voll Geist, ihr Loos hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem meinigen, wir Beide leben in Mitte einer Umgebung die uns nicht begreift und falsch beurtheilt, wir leben wie auf einer Oase im Sandmeer der Wüste.

O schreiben Sie mir recht bald wieder, bitte, bitte. – Mit meinen beiden neuen Adjutanten bin ich sehr zufrieden, sie sind edel, offen und wahr; von Friedrich höre ich nur, dass er oft im parterre des Aktientheaters sitzen soll und nicht in der besten Gesellschaft. Sonderbarer Mensch, er hatte sich in eine anscheinend tiefgehende Begeisterung für den Freund und Seine Kunst hineingeschwindelt, keine Spur scheint davon übrig geblieben zu sein – Wir brauchen diese Menschen nicht, stets sehe ich dies klarer, Gyps bleibt stets Gyps, kann nie weisser, leuchtender Marmor werden.

O wie hat mich das neulich mir so liebevoll übersandte Gedicht des Freundes erfreut, herzlichen Dank dafür. – Meine wärmsten Grüsse und Wünsche Ihrem Gemahl, Heil und Segen auf der Freundin theures Haupt. –

Voll der sichersten, seligsten Hoffnung, des unerschütterlich festen Glaubens, der innigsten, heiligsten Liebe

Ihr

treuer Freund

Ludwig.

München 5. Jan. 1867.

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149

Theuerste Freundin!

Da dieser Brief schon Morgen früh abgeht, so muss ich mich kurz fassen. – Heute schrieb ich dem Freund und bat Ihn um 10 Tage Seine Abreise zu verschieben (um Gottes Willen nicht später) ich glaube es war auch in des theuren Freundes Sinn gelegen, dass ich diese Bitte Hohenlohe's erfüllte. Nun zur Sache. – Sehr bald nach der ersten mit dem Einzigen gepflogenen Unterredung gedenke ich Herrn v. Bülow mit der Gründung und Leitung der neuen Schule zu beauftragen, wohl sehe ich ein, dass der Bau des neuen Festtheaters keinen Sinn hat, wenn die Schule nicht gegründet ist und doch meine ich, es sei das beste Semper sogleich mit dem Bau zu beauftragen, bis er vollendet ist werden ja doch einige Jahre dahin gehen, unterdessen wird die Schule blühen und gedeihen und die deutsche Nation, deren Geist so tief gesunken, wird das Vertrauen in sich selbst endlich wieder gewinnen und die übrigen Völker der Erde werden dem Unsrigen huldigen, seinem Geiste sich beugen. – Wir wollen das Zeitalter des Perikles neu erstehen heissen und nicht wie die andern Völker die Hände in den Schooss legen und seufzen »Wenn wir doch die Alten wären.« – So hätten Bülow und Semper, die edeln, bedeutenden, von der Welt so vielfach verkannten Männer, eine ehrenvolle, ihrer würdige Aufgabe, der sich unterzogen zu haben, sie wohl niemals gereuen wird. – O wollte der Freund in meinem Namen an Semper schreiben! – Ich bin so selig und siegesmuthig, Grosses muss in diesem Jahre geschehen, die »Meistersinger« werden vollendet und aufgeführt, die Musikschule gegründet, der Grundstein zum grossen Festbau gelegt!? (was meint die Freundin?) Ich bin in Gedanken im traulichen Triebschen mit meinen theuren Freunden vereint, lausche den Worten des treu Geliebten, höre im Geiste die neuen heiligen Töne der Meistersinger, wohl ist es herrlich sich so hineinzudenken, aber wenn ich von diesen goldenen Träumen erwache, o so empfinde ich diese Einsamkeit, dieses Trennungsweh so furchtbar schwer, o mündlicher Verkehr, danach lechzt meine Seele. –

Segen Ihnen, Engel des Himmels, Anbetung dem Gott, dem ich zu eigen. –

Ludwig.

München 6. Jan. 67.

In der Handschrift Richard Wagners hinzugefügt: »Tipiti lässt grüssen! Wie geht's? – War still und stumm den ganzen Tag! Tausend Grösse.

R.«

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150

Telegramm

Von Luzern nach München.                                7.1.1867

An des Königs Ludwig II von Bayern Majestaet München.

Wotan und Waltraute grüßen Siegfried. Sachs segnet Walther. Stolzing begrüßt Walhall. Heil ruft der Gott dem Held. Dank sagt tief gerührt die unterthänige treue Dienerin.

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151

Mein theurer Freund!

Treu geliebter Herr!

Wenn ich Ihre Stimme vernehme, so fühle ich mich alsbald im Lande der Märchen und der Wunder, und es ist mir als ob den trüben Winternebeln und der Schneedecke zum Trotz, die müde Erde auf einmal wieder grünen müsste! Sie machen einem das Entsagen unmöglich theures Wunder, und wenn ich an Sie denke will auf einmal mein ganzer Kram von Lebensweisheit und Erfahrung nicht mehr Stich halten; die uralte jammervolle Weltordnung scheint mir über den Haufen geworfen, meine mühsam erworbene Resignation dünkt mir Unsinn, und es ist mir als ob unser Planet den übrigen Sternen auch entgegenleuchtet und diesen Trost zustrahlt, wie diese es so oft mir gethan. Ich weiss gar nicht wohin ich soll mit meinen griesgrämigen Anschauungen, zerschmettert liegt alle Trübsal darnieder, und wie Frühlingsluft durchzieht die Seele – dies der Gedanke an Sie, mein hoher gnadenreicher Freund! ..

Ich kann Ihnen theurer Herr, gar nicht sagen wie mich die gütig mitgetheilte Ansicht über den Fürsten H. erfreut hat; sein Benehmen in Bezug auf die Unterredung rechtfertigt die hohe Ansicht gänzlich, erstens dass er freimüthig darauf einging, zweitens dass er um eine Verzögerung bat – und zwar eine so kurze. Diese letzte Bitte zeigt dass er es aufrichtig meint und dass er weiss dass hier ernste Empfindungen im Spiel sind, nicht launige vorübergehende Neigungen. So sehr ich weiss dass der Adel gesunken ist, und dass das heutige Geschlecht »entartet und unwerth der Ahnen« ist, so bin ich doch immer der Ansicht geblieben dass sich noch eher ein frei denkender wirklich edel stolzer Mensch unter dem Adel finden wird, als in der bureaukratischen federfüchsigen Bourgeoisie, welche es höchstens zu Parvenus bringt. Gebe es der Himmel Fürst H. sei ein wirklicher Aristokrat, wie die grosse deutsche Geschichte so manchen aufzuweisen hat: ein gerechter vorurtheilsfreier seinen König ehrender und liebender Mann. – Von allen Seiten regnen nun die Zeugnisse über den unglücklichen »Gross-Vezir« Pfo., dieser hat sich wirklich so gut eingerichtet dass er keine Seele für sich hat! – Der Freund nahm sich vor einige Zeilen dem Fürsten zu schreiben; die Verzögerung traf sich auch in so fern sehr günstig als des Freundes Gesundheit wieder etwas erschüttert war. Am Abend vor meiner Abreise hatte er die Güte und theilte mir die ausgearbeitete Skizze des grossen Ensemble-Stückes mit, das hatte ihn leider sehr angegriffen, so dass ich ihn unwohl verliess, doch hat mich ein Telegramm bereits beruhigt. Könnte ich Ihnen theuerster einziger Freund, die Wundertöne doch entsenden! Könnt ich auch nur sagen wie wonnig der »Morgentraum« sich entfaltet, es ist wie ein tönendes sanftes Strahlen; man weiss nicht hört man das Lichtt oder sieht man den Ton, in dieser milden sonnigen Verzückung. Wenn der Vorhang sich schliesst (wie im dritten Akt von Lohengrin), dann bewegt sich unter Glockengeläute das ganze alte Nüremberg, es ist als ob die Häuser selbst feierlich sich im Zuge setzten – ich glaube jedem Deutschen muss dabei vor stolzer Freude und schönem Selbstbewusstsein das Herz in der Brust sich heben und beben. Dabei ist die Feinheit des musikalischen Details so gross und zart, dass ich es nur mit dem wunderbar-zierlichen Arabesken des Sakramentshäuschen in der St. Sebaldskirche vergleichen kann, welches von dem Meister Adam Kraft ruhig sicher getragen wird, wie hier der noch viel grössere musikalisch-poetische Reichthum und Schmuck, vom Meister Sachs.

Ich weile jetzt im Nirgendwo-Basel; am 8ten war meines Mannes Geburtstag und ich ergriff diese Gelegenheit um mich von seinem Gesundheitszustand zu überzeugen. Gott sei Dank, derselbe hat sich eher gebessert, das Fieber hat nachgelassen, und er kann seiner Thätigkeit obliegen. In den nächsten Tagen spielt er in Freiburg im Breisgau, dann in Baden-Baden, auf den Wunsch der Prinzess Wilhelm von Hessen (geb. Prinzess von Preussen) welche sich bitter beklagt haben soll dass sie nie gute Musik dort höre, worauf an Hans geschrieben wurde. Er ist immer zufrieden mit den zwei deutschen Musikern die er hier getroffen hat (Geiger und Violoncellist) und die ihn wacker unterstützen; die Stadt ist ihm gleichgiltig und er wird sie nie verlassen ausser für den Dienst seines Herrn. Er wird sich erlauben in den nächsten Tagen für den ihm gnädig verliehenen Titel seinen Dank unterthänigst auszusprechen, für heute ersucht er mich denselben zu den Füssen des huldvollen königlichen Beschützer's zu legen. Ich bin stets über Sitten und Art hier etwas erschrocken, und um es mir einigermaassen heimisch zu machen besuche ich die Holbeinschen Zeichnungen. Unter den altdeutschen straffen »frohmüthigen« Gesichtern wird mir wohl, seit den Meistersingern ist mir dieses Wesen so bekannt ich möchte fast sagen verwandt geworden. Gott! was verdanke ich alles dem Freunde, wie Eva zu Sachs kann ich ihm sagen: was wäre ich ohne Dich? Es ist mir als ob ich gar nicht zum Leben gekommen wäre ohne ihn, kaum zu einer nichtssagenden Existenz. Alle die Gefühle die mich erhebend trösten verdanke ich ihm, ich weiss keine Noth für die ich nicht aus seinem Geiste Linderung schöpfte; auch kann ich nicht grollen, glücklich preise ich mich glücklich vor allem dass ich ihn gekannt und erkannt. Dieses Glück konnte nur eines trüben, sein eignes Loos; nun aber Sie erschienen sind theurer Schutz und Hort, weiss ich von keinem wirklichen Weh! Wie gern entlass ich ihn zu Ihnen erhabener Freund! Sonst wäre mir der Gedanke dass er Triebschen verliesse grauenvoll, ich mag ihn nicht mehr in der Welt wissen; im Wald, am Webstuhl soll er bleiben; doch wenn er zu Ihnen Einziger, geht, so steigt er empor zu seinem Stern, er tauscht Stolzing mit Monsalvat, und das, denke ich lässt man sich wohl gefallen!

Was Sie mir gütiger Freund, vom Prinzen O. freundlich anvertrauen, stimmt ganz und gar mit dem Eindruck welches seine Physiognomie macht, auch entsinne ich mich dass wie der Freund von Hohenschwangau zurückkehrte er wenig erbauliches er mir hierüber mittheilte. Ich hatte mir eingebildet der Prinz – aus dem einfachen Wunsch dem königlichen Bruder angenehm zu sein, machte am Ende mit, ohne rechten Impuls, ohne rechte Begeisterung, aber mit Treue und gutem Willen. Dies war schon zu viel erwartet, und so muss ich Sie mir durchaus nun einsam denken, theures hohes Wesen! Ich habe noch lebhaft in der Erinnerung das Bild Ihrer Erscheinung in einem Odeonsconcert welches Sie Huldreicher, aus Güte gegen Hans besuchten, und in welchem ich nicht allzu fern es beobachten konnte mit welcher Geduld und Langmuth Sie erhabener Freund, einiges dem Sie begleitenden Vetter (ich glaube Prinz Luitpold) beizubringen sich bemühten. Es schien mir eine Herkules-Arbeit zu sein! – Und Unser einstiger Friedrich! Von den höchsten Höhen bis zum Parterre des Aktientheaters gesunken! Im Herbst setzte er mir weitläufig auseinander wie nothwendig es sei dass der königliche Freund dieses Theater recht oft besuche, was mir nicht so recht in den Sinn wollte. Daraufhin besuchte ich es auch einmal auf das geradewohl mit Hans; wir trafen es gut: eine Operette von Offenbach und ein Ballet, das Ganze schien zur besondren Freude des Grossherzog von Hessen-Darmstadt, des Königs von Griechenland, und des Prinzen Adalbert gegeben zu werden, denn es herrschte grosse Befriedigung in der Hofloge wo die hohen Herrschaften den Kunstgenüssen sich hingaben. Am andren Tag sagte ich Friedrich meine Meinung, er liess sich's gefallen, wie er mich oft durch seine Gutmüthigkeit erstaunt hat. Auf Triebschen sagte er mir einmal: wenn er nach Wunsch handeln könnte so würde er alles verlassen und sich beim Freund in die Lehre geben. Dann sang er »Blick ich umher« mit wirklicher Wärme wenn auch etwas geschmacklos, dann aber auch kamen entsetzliche Rohheiten zum Vorschein; ach! diese unfertigen halbwegs gut angelegten und doch eigentlich niedrige Naturen sind die allerpeinlichsten, weil man es versucht sich mit ihnen abzugeben und es doch zu nichts führt. »Ye fragments«! sagt Shakespeare's Coriolan verächtlich. – Dass die beiden neuen Adjutanten sich gut anlassen freut mich innig; bei jedem »Neuen«, sei er Mayer oder nicht, zittre ich immer, denn die Menschen sind erbärmlich! –

Ich hoffe Kaulbach hat den Tannhäuser Carton zur Zufriedenheit des hohen Theuren vollendet, er könnte sich schon etwas bemühen trotz seiner Kunstfertigkeit! Wie freuen mich auch all die übrigen Bestellungen, namentlich auch den Elisabeth Cyclus! Ich habe meinem Vater davon geschrieben; vielleicht gestattet es der gütige Freund dass wenn die Partitur der Elisabeth erscheint, der Verleger dieselbe mit Photographien nach den eben erwähnten Bildern ausstattet. Mein Vater schreibt mir dass er diesen Sommer nach Deutschland kommt, der Grossherzog von Weimar hat ihn neulich folgenderweise eingeladen: »L'été prochain, si Dieu permet, verra le jubilé de 800 ans d'existence de la Wartburg. J'aimerai marquer cette époque d'une façon qui en soit digne; l'idée d'y faire exécuter votre oratorie de Sa Elisabeth se présente tout naturellement comme répondant à la fois à la signification de moment comme à celle du lieu. Mais il va sans dire, tout aussi naturellement, que cette idée ne trouverait son exécution complète que si vous-même vous vous chargiez de la direction de votre ouvrage« – Der Vater wird dieser Einladung Folge leisten; schon deshalb weil er uns gern wiedersehen will. – In den Zeitungen steht nunmehr von dem allerhöchsten Ortes beschlossenen Baues des Fest-theater's! Nun mögen die Leute die Köpfe schütteln! Was ich dazu sage, theurer Wunderfreund? Gott! ich begann damit, mir scheint auch die Welt unterzugehen, aber die schlechte jämmerliche Welt, und wie dem Prometheus einst auf dürren Felsen der Oelbaum grünte, ist es mir als ob uns der Paradieses-Lebens-Lorbeerbaum auf Ihr Geheiss theurer Erlöser, erblühte! Die Grundsteinlegung, die Stiftung der Schule, die Meistersinger-Aufführung – wie das alles klingt, ist es kein Traum? ...

Bevor ich schliesse will ich mir noch erlauben etwas mitzutheilen womit ich weiss dass dem Freunde eine grosse Freude erwiesen würde. Sein Erardscher Flügel, welcher seit 9 Jahren über all mit ihm herumgewandert ist, ist vollständig ruinirt; neulich sagte er mir er wollte an Bechstein schreiben und dem ein tafelförmiges Klavier bestellen auf welchem er zugleich schreiben könnte, dann sagte er er wollte es lassen, Erard ging am Ende noch. Nun höre ich aber selbst durch die Decke der unerträglichen verstimmten Töne, und da dachte ich vielleicht würde es dem erhabenen Freunde genehm sein wenn ich diese Mittheilung machte, da ich zu Weihnachten nicht mehr dem hohen Wunsche Folge leisten konnte. Ich glaube nichts würde zu seinem Geburtstage den Freunde mehr erfreuen als ein neues Instrument; sollte die königliche Bestellung an Bechstein stattfinden so würde ich diesem wohl erklären wie der Freund sich dieses Schreibtisch-artige Klavier wünscht. –

Die erste Auflage von Oper und Drama ist vergriffen, der Freund will eine zweite im Laufe des Sommers mit einem neuen Vorwort (Brief an C. Frantz welcher ihm gerade über dieses Werk wunderschön geschrieben hat) veranstalten. Auch will er seine sämmtlichen Schriften über das Opernreformwesen zusammen herausgeben, um sein Wirken nach dieser Seite hin darzustellen. Doch er wird alles dieses in Bälde persönlich mittheilen dürfen. Und ich schäme mich, ich habe wiederum meine ganze Seele ausgeschüttet! Sie sagen mir gütig, theurer theurer Freund, ich dürfe bald schreiben; Gott! huldreicher geliebter Herr, ich glaube ich könnte Ihnen den ganzen Tag schreiben, denn wie ich den Meisten gar nichts zu sagen habe, ist es mir wenn ich zu Ihnen theurer Gütiger, spreche, wie wenn ich dem Freunde mich anvertraue; alles wage ich zu sagen denn alles gebe ich ja nur zurück! Mein bestes Denken und reinstes Empfinden habe ich von den Regionen wo Sie und Er die Herrscher sind, und bleibt mein Ausdruck weit weit hinter Denken und Empfinden zurück, so weiss ich doch Sie Gütiger, nehmen ihn gnädig auf.

Schlank und zart steigt der Mond auf, welcher sich selbst in Basel schön ausnimmt; seine Strahlen möchte ich Ihnen theurer holder Stern, wie alles Schöne entsenden! Das Gebet meiner Senta welche sich zur Ruhe begibt, der tiefe hoffnungsbeseelte Frieden meiner Seele sollen Ihnen die milden Strahlen entgegenbringen!

In ewiger dankender Liebe grüsst und segnet den theuersten hehrsten Freund

Cosima von Bülow-Liszt

10ten Januar 1867 /.

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152

Mein gnädiger Freund und theurer Herr!

Es ist mir unmöglich Ihnen nicht meinen innigen Glückwunsch darzubringen. Was ich in der Tiefe der Seele für Sie Gütiger, lange erfleht habe: das Sie verstehende liebende geliebte Weib, Sie haben es gefunden! Dreifach sei dieses Jahr gesegnet! – Mehr habe ich nicht zu sagen; Ihr Glück, mein theurer hoher Herr, wird Ihnen sagen wie tief und wonnig wir hier erfreut sind, insbesondre die in ewiger Treue und Dankbarkeit verharrende Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen 24. Januar 1867

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153

Theuerste, treu geliebte Freundin!

Tief rührten mich Ihre liebevollen Zeilen, die mich Ihrer Theilnahme an meinem Glücke versichern, sicher und fest glaube ich, dass Sie und der Freund dereinst (hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit) erfreut sein werden, meine liebe Braut kennen zu lernen; ich liebe sie treu und innig, doch nie wird der grosse Freund aufhören mir über Alles, Alles theuer zu sein! Wie geht es dem geliebten Einzigen? wie unsern »Meistersingern«? Wie freue ich mich auf die Rückkehr des Sekretärs, der mir Nachricht geben wird von den geliebten Freunden. – Dieses Jahr muss ein Jahr des Heiles werden, es begann so gut, es wird Uns dem grossen Ziele näher führen und bald wird es gekrönt werden das herrliche Werk, das begonnen wurde unter so mancher Qual, so namenlosen Schmerzen. – O schreiben Sie mir bald von Ihrem Leben auf Triebschen, dort birgt sich ja der Tagessonne mein höchstes Gut, mein heiligster Hort. – Wie nahm der Theure die Kunde von meiner Verlobung auf? gerne hörte ich Näheres darüber. – Sophie trägt mir ihre herzlichsten Grüsse an Ihn auf und freut sich innig, Ihn persönlich kennen zu lernen. – Vielleicht hörte die Freundin mittlerweile vom tief gesunkenen, einstigen Friedrich. Er ging neulich des Nachts, wie ich höre, mit einer hässlichen, ganz gemeinen Schauspielerin des Aktientheaters durch, nahm seine Entlassung aus dem Heere, vermählte sich mit jener und stieg wie ich erfuhr, neulich in einem Hotel in Zürich unter dem Namen Rudolphi ab; er soll gesonnen sein, auf der Bühne sein Glück zu versuchen, der Bethörte, Unselige, ein eitler, flüchtiger Wahn hat die schöne Zukunft, die ihm hätte blühen können, zu nichte gemacht. –

Die innigsten Segensgrüsse sendet den ewig Theuren

Ihr

getreuer Freund

Ludwig.

München 26. Jan. 1867

Nächstens sende ich eine Photographie meiner lieben Braut, ausserdem einen Abdruck des Semperischen Modelles und des Tannhäuser Karton's von Kaulbach. –

L.

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154

Mein gütiger hoher Freund!

Theurer gnädiger Herr!

Wie stets trafen gestern Sonnenstrahlen und Ihre 'Zeilen glänzend gepaart in Triebschen's stillem Raum; heute ist es wiederum trübe, der Fön bläst schaurig, und der See sieht aus wie die See im Märchen von dem Fischer und syner Fru, als die Unersättliche verlangt Kaiser zu sein: »ganz swart und dick und füng al so von ünnen up to geeren, dat et so Blasen smeet«; so rufe ich mir denn meine gestrige Sonne aus dem Inneren hervor indem ich dem huldvollen Freund wie Er es gnädig verlangt Einiges aus dem Triebschener Leben mittheile. Dem Freunde geht es wohl trotz der üblen Witterung die uns hier in einen wahren Sumpf versetzt, während in den Zeitungen zu lesen ist, dass überall Schlittschuhgelaufen wird; ausser Herrn Düfflipp über welchen der Freund wohl berichtete dass er ihm sehr gut gefallen, hört und sieht man auf Triebschen Niemanden. Am Nachmittag mit den fürchterlichsten rothen Wasserstiefeln ausgerüstet, ganz seinem Holländer gleichend, unternimmt regelmässig der Freund seinen abenteuerlichen Spaziergang mit dem Riesen Rus, dies der einzige Vorfall des Tages. Dafür schreiten Meistersinger und Biographie schön vorwärts: ich erlaube mir die Abschrift des von Walther auf der Festwiese gesprochenen Traumes beizulegen. Der Freund fand nämlich dass es durchaus unmöglich sei zweimal in demselben Akt dasselbe Gedicht sagen zu lassen; nun musste es gleich sein und doch verschieden, deutlicher und gedrängt; auch würde es wohl Walther wiederstrebt haben den intimen Vorgang in der Kammer von Sachs, geradeso vor Volk und Meistern wiederzugeben. Die schwierige Aufgabe welche den Freund in der letzten Zeit ungemein beschäftigt hat, ist ihm nach meiner Ansicht wunderbar geglückt; das zweite Gedicht ist wie die Deutung des Traumes und ein verschärfteres Bild davon, es ist das Meisterlied über den Traum, das was er der Welt davon sagen kann und mag, wie es sich in ihm auch verarbeitet hat von dem seligen Morgen in der Kammer bis zum festlichen Tag auf der Wiese. Wunderbar hat auch der Freund die Musik hiezu verändert und doch nicht, man weiss nicht ist es dasselbe, ist es verschieden, und träumt nun wonnig mit! Beckmesser's Unsinn habe ich auch beigelegt; dieser hat wirklich ein neues musikalisches Motiv in der Eile sich erfunden, verfällt aber am Schluss in der Aufregung, Wuth, und Angst, in der Weise seines Nachtgesanges, was die humoristischste Wirkung hervorbringt. – Der erhabene Freund wird erstaunt sein die neue Strophe Hans Sachs' auf dem Blatte zu finden; sie ist in der Nacht zwischen 2 und 3 Uhr am 28ten Januar gedichtet worden, nachdem ich einen ganzen Tag beinahe mit dem Freunde über den Schluss des Werkes gesprochen hatte; er meinte nämlich das Drama wäre eigentlich mit Walther's Gedicht geschlossen, und die grosse Rede Sachs' gehöre nicht zur Sache, sei mehr eine Anrede des Dichters an das Publikum, er würde wohl gut daran thun sie auszulassen; ich machte ein so jämmerliches Gesicht dazu, sagte ihm auch dass das: »Will ohne Meister selig sein« durchaus noch so zu Walther's Charakteristik gehörte, dass er nachsann wenn er auch natürlich seiner Ansicht blieb. Es liess ihm die Nacht keine Ruhe, er schrieb die Strophe auf, strich was ich angegeben habe, und setzte auch die Skizze der Musik dazu mit Bleistift auf. Dies die Triebschner Ereignisse mein gütiger Freund, welche nur durch das Eine unterbrochen und verdrängt wurden, ich meine die grosse Kunde!

Als vor ungefähr acht Tagen der Freund gegen alle Gewohnheit am Morgen die Werkstatt verliess und zu mir herunter kam, erschrak ich förmlich, da ich weiss wie wichtig für ihn die Morgenruhe d. h. Sammlung zur Arbeit ist; doch ich beruhigte mich bald als ich den freudig lächelnden Blick bemerkte: »ich bekam eine schöne Botschaft!« sagte er mir. »Von Monsalvat?« frug ich »Ja, aber was?« Darauf las er mir die lieblichen Worte der Depesche. Nun kramten wir freudig unsre Erinnerungen aus, der Freund entsann sich sehr wohl die »hohe Braut« gesehen und bemerkt zu haben, er erzählte mir dass Herzog Max sich für seinen Lohengrin begeistert habe, wenigstens sei ihm von einem Musikdirektor aus Würzburg schon damals in Zürich so erzählt worden, alle möglichen freundlichen Eindrücke schaarten sich um die ihn ersichtlich erfreuende Nachricht, und zuletzt sagte er mir ernst lächelnd: »ich bin gewiss dieser Vereinigung nicht fremd!« Der holde Gruss und die gütige Ankündigung des Bildes erfreuten ihn tief, und nun preist er das Es das ich das S nenne, und in dem Gedanken des Glückes seines Walthers findet Sachs höchste Befriedigung und Beruhigung. – An der Biographie arbeiten wir jeden Abend so emsig wie die Ameisen: »Du schreibst ja als ob der h. Geist diktirte«, sagte er mir neulich, »Nun – meinte ich – es ist wohl so etwas wie ein heiliger Geist im Spiel.« Der Tannhäuser ist beendigt und verschiedene bedeutungsvolle Begegnungen, unter andrem namentlich die Spontini's, sind aufgezeichnet. Doch kann ich immer nicht abschreiben denn die früheren Blätter sind nicht corrigirt; der Tag verschwindet, ohne das man weiss wie; am Morgen der Webstuhl bis zum Mittag, Nachmittags des Holländer Lauf durch Nacht, Nebel, Sumpf und Sturm, bei der Heimkehr die nöthigen Briefe, Abends das Diktat, so ist des Freundes Tag vertheilt. Wenn ich nicht mehr unter seinem Diktat werde schreiben können, will er die Correktur aufnehmen.

Gott der einstige Friedrich! Wir hatten nichts erfahren, und sind ganz starr. Ich muss gestehen dass meine Spiessbürgerlichkeit da nicht mitkann, gleich Name, Stand, Vaterland, Familie, Ehre, hinzuschleudern! Das wird eine schöne künstlerische Laufbahn und ein schönes eheliches Glück abgeben! Wo hat er nur die Scham gelassen? ... Darum hat er wohl so geschwiegen!

Die kleine Photographie macht mir viel Freude und innig danke ich dem erhabenen gütigen Freund der die Gnade hatte sie mir zu schicken, wenn ich auch den »Pudel« und die verschieden so treffend Bezeichneten mit Widerwillen gegen Kaulbach erkannte. Der Freund – trotzdem er wohl alle Schwächen des nicht könnens und vielleicht auch nicht recht-wollens hier einsieht, freut sich doch sehr über die gütig vorgelegte Photographie; vor allem aber auf dem Abdruck des Semperschen Modell's welchen wir unter den beiden theuren Bildern des Erhabenen und Seiner gepriesenen und gesegneten hohen Braut, aufhängen wollen, als »Parnass und Paradies« schön und ewig vereint. Ich wage es nicht der königlichen Braut meine Gefühle zu Füssen zu legen, Ihnen theurer hoher gütiger Freund, darf ich wohl sagen dass die Glückliche Sie Beglückende mir heilig und theuer ist, dass ich Es segne und preise das hohe Wesen Ihrer Wahl, und dass ich in dieser edlen rührenden Vereinigung ein Pfand Unsrer aller Heil und Wohl ersehe!

Von Basel aus schrieb ich am 10ten Januar einen langen Brief an den gnädigen Freund, wenn ich mir erlaube dies hier zu erwähnen so ist es weil darin der Dank meines Mannes für den ihm ertheilten Titel enthalten war, und falls das Schreiben verloren gegangen, ich nicht gern auf mir den Schein ruhen liesse, als ob ich die süsse Pflicht des Dankes verabsäumt hätte.

Ich glaube ich meldete alles von dem stillen Triebschen; dass unser kleiner »Hausgott« jetzt von schönen grünen Pflanzen umgeben ist die ich gar sorgfältig pflege will ich noch melden, in welchen Gedanken und Gefühlen Triebschen selig und thätig ist kann ich nicht sagen, und die Ohnmacht meiner findet ihre Berechtigung darin dass Sie theurer huldvoller Freund ja alles wissen! Des Freundes ewige schöpferische Liebe übermittelt treu die unwandelbar dankend ergebene Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

31ten Januar 1867 /.

Walther's Traum

(vor dem Volk).

Morgenlich leuchtend in rosigem Schein
von Blüthe und Duft
geschwellt die Luft
voll aller Wonnen
nie ersonnen
ein Garten lud mich ein,
dort unter einem Wunderbaum
von Früchten reich behangen
zu schau'n in sel'gem Liebestraum,
was höchstem Lustverlangen
Erfüllung kühn verhiess –
das schönste Weib –
Eva im Paradies! –

Abendlich dämmernd umschloss mich die Nacht
auf steilem Pfad
war ich genaht
wohl einer Quelle
edler Welle,
die lockend mir gelacht;
Dort unter einem Lorbeerbaum,
von Sternen hell durchschienen
ich schaut in wachen Dichtertraum
mit heilig holden Mienen
mich netzend mit dem Nass
das hehrste Weib
die Muse des Parnass!

Huldreichsten Tag
Dem ich aus Dichter's Traum erwacht!
Das ich geträumt, das Paradies,
in himmlisch neu verklärter Pracht
hell vor mir lag
dahin der Quell lachend mich wies:
Die, dort geboren,
mein Herz erkoren,
der Erde lieblichstes Bild,
zur Muse mir geweiht,
so heilig hehr als mild,
ward kühn von mir gefreit,
am lichten Tag der Sonnen
durch Sanges Sieg gewonnen
Parnass und Paradies. (Beckmesser's Paraphrase

des Traumes in Hans Sachs' Werkstatt)

Morgen ich leuchte in rosigem Schein,
voll Blut und Duft
geschwellt ist d' Luft
wohl bald gewonnen
wie zerronnen
im Garten lud ich ein
Mastvieh und Schwein.

Volk.

Sonderbar! hört ihr's? Wen lud er ein?
Verstand man recht? Wie kann das sein?
Mastvieh und Schwein?

Meister (wie im Buch)

Beckmesser

Wohn ich erträglich im selbigen Raum,
hob Geld und Frucht
Bleisaft und Wucht;
mich holt am Pranger
der Verlanger,
auf luft'ger Steige kaum,
häng' ich am Baum. –

Meister (wie im Buch).

Volk

Schöner Werber! Der find't seinen Lohn:
Bald hängt er am Galgen –
man sieht ihn schon!

Beckmesser

Heimlich mir graut,
weil hier es munter will hergeh'n:
an meiner Leiter stand ein Weib,
sich schämt und wollt mich nicht beseh'n.
Bleich wie ein Kraut
umfasst mir Hanf meinen Leib,
die Augen zwinkend,
der Hund blies winkend,
was ich vor langem verzehrt,
wie Frucht so Holz und Pferd
vom Leberbaum. –

Strophe aus Hans Sachs / Schlussrede statt

» Verliebt und sangesvoll« bis » macht wieder dicht was nur noch Hauch«

Habt Acht! Uns drohen üble Streich':
zerfällt erst deutsches Volk und Reich,
in falscher wälscher Majestät
kein Fürst bald mehr sein Volk versteht,
und wälscher Dunst mit wälschem Tand
sie pflanzen uns in's deutsche Land:
was deutsch und ächt wüsst keiner mehr,
lebt's nicht in deutscher Meister Ehr!
Drum sag ich Euch:
Ehrt Eure deutschen Meister
etc etc.

*

155

Mein theurer Herr und gütiger Freund!

Ich denke es wird dem Erhabenen lieb sein zu hören wie der theure Sachs zur Werkstatt heimkehrte, und da dieser selbst noch gar müde ist, so erlaube ich mir den kleinen Bericht zu geben, indem ich nur um Entschuldigung und gütige Nachsicht bitte, da ich sehr schwach noch bin. Ich habe – ohne Wissen des Arztes – den kleinen Streich ausgeführt, dem Freund bis Zürich entgegenzureisen, ich gestehe es, ich war äusserst besorgt; er hat sich so entwöhnt Menschen zu sehn, dass als ich von der Bevölkerung seiner Stuben im Bayerischen Hof hörte, ich ganz ausser mir gerieth und meinte er müsste dort krank fallen. Was ihn gehalten und gehoben, brauch ich es Ihnen mein hoher gnädiger Freund, zu sagen? Ich traf ihn in Zürich nicht wenig überrascht über meinen Streich – da ich eigentlich noch vierzehn Tage Hausarrest habe; nun hatte ich mir vorgenommen gar nicht zu sprechen denn ich fand ihn allerdings angegriffen, doch das ging nicht. Er musste mir doch sagen wie er Sie mein hoher Freund, getroffen, wie Ihr Befinden, wie Ihre Stimmung, die huldreichen Grüsse musste er mir doch überbringen um mich so innig zu erfreuen, anderes Geheime und Schöne wollte er mir auch mittheilen, und so sprachen wir denn viel, bis ich ein gebieterisches Halt gebot, keine Antworten mehr gab, er zu meiner Freude einschlief, und hoffentlich er schön träumend und ich hold sinnend in der Mondschein-Nacht wir Luzern erreichten. Er lachte als er erwachte, fand sich erfrischt und wir erreichten Triebschen wo wir denn wiederum viel viel sprachen – heute war sein erstes Wort: »ich habe an Parcival einen schönen schönen Brief zu schreiben!« Ich bat ihn dieses für heute zu lassen (hoffentlich ist es dem Gütigen genehm), und versprach einige Worte zu schreiben. Jetzt ruht er sich aus, seine Nacht war gut, und sein Herz ist froh; die Aufregung wird er im friedlichen Triebschen bald überwunden haben, und die einzig schöne Erinnerung wird ihm bleiben seinen Parcival wiedergesehen zu haben! Ich habe so viel unerwarteten Kummer noch in letzteren Zeiten empfunden dass ich mit Zagen diesem Münchener Aufenthalt entgegensah – das Mass des Leidens ist nie voll musst ich mir sagen, nun dass alles sich schön gelöst hat quillen die Thränen welche ich in der Zeit der Prüfung nicht vergoss und die nun das tiefe Weh dass ich überstanden zugleich ausdrücken und auslöschen. Ich kann nicht mehr sagen mein gütiger Freund, ich weiss Sie werden mich gnädig verstehen, wie Sie gewiss die Schweigende verstanden haben. Ach! es hat dem Freund wohl gethan den Huldreichen wiederzusehen, wiederholt sagte er mir: »ich habe rechten Muth bekommen« – jede Einzelheit musste er mir berichten und ich sah an seinem freudigen Blick wie gern er die Augenblicke zurückrief die er mit dem theuersten Freunde zugebracht. Auch eine Zusammenkunft von welcher er nicht hatte schreiben wollen theilte er mir in ihren Einzelnheiten mit, wie glücklich bin ich dass sie ermöglicht, dass sie gewagt wurde; sie hat dem Freunde so im tiefsten Herzen wohlgethan diese Begegnung, sie hat ihn mit so schöner Hoffnung erfüllt! »Es war also schön?« frug ich zuletzt, ohne eigentlich zu fragen denn ich wusste; »Ja!« antwortete er fest und warm. – Weiteres habe ich nicht zu berichten, Triebschen strahlt und der Meister ruht und gedenkt! Der Zauber wirkt nach, und das »Hexen« wird er bald vergessen haben. –

In dem ersten Schreiben an dem Freund hatte die hohe Braut die Gnade meiner zu gedenken, darf ich es wohl wagen mein theurer Herr, Ihnen zu sagen dass ich die Hand in inniger Liebe küsse die sie, die Erwählte, dem Freunde so hold gereicht? Lohengrin im Juni, wie herrlich! Ich sagte dem Freund ich würde nächstens rasend werden wenn ich nicht bald eines seiner Werke sähe oder hörte. Nun wird aber alles! Sehr befriedigt von seiner Unterredung mit dem Fürsten H. sieht der Freund in ihm eine wahre Stütze für alle unsere Unternehmungen. Ich kann gar nicht sagen wie beruhigt ich bin und der Freund musste hell lachen als ich ausrief: »Und es ist doch alles schnell vor sich gegangen«, er meinte ich hätte wohl alle Unsere Nöthen und Qualen vergessen, er fast auch, und sein theurer Parcival hoffentlich auch! – Ich habe dem gnadenvollen Freund, noch nichts über die Elisabeth-Blätter gesagt, und die Danksagung die ich H. Düfflipp trotz meiner grossen Schwäche augenblicklich schrieb, ist bis auf vorgestern durch eine Unachtsamkeit des Dieners liegen geblieben; es geht auf Triebschen immer etwas patriarchalisch her. Doch wäre ich betrübt wenn Sie, mein hoher Herr, hätten einen Augenblick nur angenommen ich hätte den schönen hohen Werth dieser Sendung nicht empfunden! Rath Düfflipp schrieb die Bilder seien nicht ganz nach dem allerhöchsten Wunsche ausgefallen – mich haben sie tief erfreut und werden es stets thun, und ich liess durch Hans sofort meinem Vater mittheilen wie sein edles Werk und dessen Aufführung nochmals sich der Theilnahme unseres Beschützers erfreut hätte. Die Blätter werden wir für die Herausgabe – im Herbst denke ich – photographiren lassen.

Die Meistersinger! Sie konnten nicht vorgenommen werden! ...

Sie sind himmlisch und ich hatte mich der Freude des hohen Freundes im voraus so gefreut! Nun es naht bald der Sommer, morgen schon nimmt der Winter Abschied, er war lang doch er hat schöne Früchte getragen, das ist denn auch Zauber! Im Namen dieses ewigen holden Zaubers entsendet die Grüsse der Liebe, der Hoffnung und des Glaubens, die treue Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

Triebschen. 19ten März 1867

*

156

Mein gnädiger Freund und Herr!

Wenn ich es nochmals wage dem königlichen Beschützer brieflich mich zu nähern, so geschieht dies auf Ersuchen des Freundes; es ist nämlich von Herrn von Puttlitz eine Depesche eingetroffen nach welcher anzunehmen ist dass falls es allerhöchsten Ortes seine Anstellung gewünscht würde, er diesem Wunsche würde nachgeben können, er schlägt meinem Manne vor selbst gegen Ostern zu kommen, um sich unterthänigst vorzustellen, sollte der hohe Freund es für nothwendig halten ihn vorerst persönlich kennen zu lernen und zu prüfen. Der Freund wollte heute, mit dem Anfang des Frühlings, seine Partitur-Arbeit beginnen, und bat mich deshalb ihn beim Erhabenen zu vertreten, er fügte seiner Bitte die Worte hinzu: »ich weiss Parcival sieht mich lieber beim Schaffen als beim Wirken.« – Er wünschte auch dass ich Ihnen mein gütiger Freund, meine Meinung über Herrn von Puttlitz sagte; nun habe ich aber wirklich nichts weiter zu sagen als dass er ein rechtschaffener edel gesinnter und durchaus gebildeter Mann ist, dass er mit Leidenschaft sich der Theaterdirektion widmet, und dem Schauspiel namentlich würde seine Ernennung sehr zu statten kommen. Von Musik versteht er, so viel ich weiss gar nichts, doch maasst er sich kein Urtheil an, und einen Menschen der unsre Kunst begünstigt brauchen wir ja nicht, wenn man den lieben Gott für sich hat bedarf es nicht der Heiligen, sagt das alte französische Sprichwort; das unsere Kunst »blühe und wachs«, dafür sorgt ein Anderer und Höherer Schirmherr, es genügt demnach vollkommen dass der Intendant im Allgemeinen Sinn für das Edle und Grosse, und Respekt vor den Künstlern hat. Als Dichter kann ich natürlich Puttlitz nicht übermässig schätzen, doch gehören seine Stücke gewiss nicht zu den wichtigsten welche heut zu Tage hervorgebracht werden, und jedenfalls nicht zu den gemeinen. Ich wage es zu hoffen dass er dem theuren Gütigen einen nicht ungünstigen persönlichen Eindruck machen würde, denn er ist liebenswürdig und feinfühlend. – Der Freund meint dass falls es seinem König genehm ist, es wohl gut wäre wenn nach der vorläufigen jetzt beantworteten Anfrage Bülow's, nun Herr v. Lutz oder Herr Düfflipp mit Herrn v. Puttlitz in Unterhandlungen träte. – Gebe nun Gott unsre kleine Mannschaft hätte sich mit einem tauglichen Menschen vermehrt, so dass wir immer sicherer die Fahrt zum gelobten Land antreten könnten; wie wenige taugen doch, hier kann man wirklich sagen: viele sind berufen doch wenige erwählt! –

Der Freund schrieb gestern, er hat also alles schon gesagt; ich konnte heute nur noch melden dass er die Partitur begonnen und dass der Frühling seinen Segen dazu gab – ein milder warmer, heller Regen fiel befruchtend auf die Erde die nun blüht während die Meistersinger wachsen. Heute Abend soll auch die Biographie wieder aufgenommen werden; es ist die schöne Zeit des sehnsuchtsvollen Keimens und Treibens, es ruft und lockt sich alles – wir wollen in den nächsten Tagen den Grütli besuchen; vor einem Jahre waren wir dort, tranken von der Quelle und schwuren, dort trafen wir »Graf Arnold«, und wussten was das zu bedeuten hatte, dass wir Ihn dort trafen!

Dieser Segensgruss des Frühjahrs entsendet Triebschen Monsalvat, die Werkstatt Sachs' entsendet die tönende Thätigkeit, die Freundin sagt von dankender Liebe!

Cosima von Bülow-Liszt

22ten März 1867 /.

*

157

Treu geliebte Freundin!

Innig hat mich Ihr theurer Brief und die Kunde vom geliebten, über Alles Theuren erfreut; wie danke ich Gott, dass Sie nun wieder vollkommen hergestellt sind; ich hoffe, dass die Uebertretung des ärztlichen Verbotes der lieben Freundin nicht geschadet hat, ich erschrack als ich die darauf bezüglichen Zeilen in Ihrem Briefe las, Gott gebe, dass meine Besorgniss unbegründet sei. – Von Herzen freut es mich zu hören, dass es mir gelang, Ihnen mit der Uebersendung der Bilder, welche Begebenheiten aus dem Leben der Hl. Elisabeth darstellen eine kleine Freude zu bereiten.

O meine theure Freundin! das waren gottvolle, unvergessliche Tage, die ich während der Anwesenheit des Hehren, Angebeteten verlebte. – Ihn wiederzusehen, Ihn hier endlich wieder traut zu sprechen, nach den ausgestandenen, unbeschreiblich fürchterlichen Qualen einer so langen Trennung, das war ein Glück, das nur mit den überirdischen Wonnen der seligen Geister verglichen werden kann. – Obgleich ich nur wenig aus den »Meistersingern« hören konnte, so war doch dieses Wenige Himmelsthau für die wie im Fieberdurst lechzende Seele. O das ist das Jahr des Heils, des Segens, der Erlösung, die widerstrebenden Mächte der tückischen Feinde sind gebannt in ihre Höhlen, die Menschen ahnen, dass es sich hier nicht um Gemeines handelt, dass die gegen Uns und Unser Werk gebrauchten Waffen am Harnische Unsres Willens, Unsrer Kraft zerschellen, dass Gottentstammtes durch Menschen nicht besiegt werden kann. Die Worte welche Posa in der feierlichen Verklärung der Todesweihe zu seiner Königin sprach, als letztes Vermächtniss für seinen Carlos, für den er gelebt und gestorben: »Sagen Sie ihm, dass er für die Träume seiner Jugend soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird, nicht öffnen soll dem tötenden Insekte gerühmter besserer Vernunft das Herz – dass er nicht soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeisterung die Himmelstochter lästert.« – Tief haben mich stets die oben angeführten Worte ergriffen, ich gelobte mir, treu sie zu befolgen. Mit Stolz, mit reinem Gewissen darf ich sagen »treu habe ich meinen Schwur gehalten und will und kann ihn niemals brechen«. – Wie herrlich wird der Mai und der Sommer werden; ein Paradies auf Erden. – Diesen Morgen ward ich durch den Brief des Theuren überrascht, der mich innig beglückt und begeistert, bald gedenke ich Ihm meinen gerührten Dank selbst schriftlich auszusprechen. Meine Sophie sendet mit mir den treu Geliebten die innigsten Segensgrüsse aus tiefstem Herzen. Heil Euch Ihr Lieben, Gottes Engel breite Seine Flügel segnend und schirmend aus über dem trauten Triebschen und seinen Bewohnern, den treu u. wahrhaft geliebten. – In einem glücklichen Jahr ist Evchen geboren! – Liebend bis zum Tod

Ihr

getreuer Freund

Ludwig.

München 23. März 1867

*

158

Mein theurer Herr und gütiger Freund!

Ludwig.

Für Sie, Erhabener, die letzten geschriebenen Worte aus Triebschen! Ihnen gilt der Segen mit welchen ich von diesem Hause scheide wo ich gejauchzt und gejammert! Hoch über das tiefe Leiden dass ich empfinde indem ich dem Freunde den Abschiedsgruss seufze, erhebt sich das Heil dass ich Ihnen, Huldreicher, zurufe. Heil und Preis Ihnen, mein hoher gnadenvoller Freund, Heil Ihnen dass Sie so gross, heil uns dass wir Sie fanden! – –

Die Depesche aus Brunnen kam wohl an? Wir waren in schönster Stimmung an diesem Palmsonntag. Wir fuhren im Wagen Sonnabend mittag von Triebschen fort, und durchwanderten bis Beckenried denselben Weg den wir mit dem hehren Freund am 23ten Mai gemacht, eingedenkend dieser schönen schönen Stunden. In Beckenried verfehlten wir das Dampfschiff und nahmen einen kleinen Kahn bis Brunnen; die Sonne verhüllte sich, das stimmte uns etwas traurig, es war das rechte Abschiedswetter! Von Brunnen fuhren wir noch am selben Abend über die neu gebaute Strasse bis Flüelen, wo wir in vollster Dunkelheit ankamen. Bald aber zeigte sich der Mond, ich trat an das Fenster und schrie auf vor dem zauberischen Anblick. Wie gütige erhabene unerschütterliche Geister standen sie glänzend da die Riesigen, es war mir als ob sie meinen Abschiedsgruss erwartet hätten. Wenn ich Ihnen Gnädiger, sage dass wir nur von Ihnen, gesprochen haben, immer dasselbe und doch immer Neues, werden Sie sich, hehrer Freund, wohl nicht darob wundern; alles übrige wäre uns Profan gewesen. In Flüelen hörten wir einen sehr merkwürdigen Nachtwächter der ein ganz andres Lied sang als das bekannte, und der mir die ganze Nacht durch zu einem wahren Meistersinger-Alp wurde. Am Morgen erzählte der Freund ganz heiter gestimmt er habe von Beethoven geträumt, der alt und schwach nicht mehr komponirte, dem er aus seinen Werken vorgespielt und der ihm grenzenlos gut war. Nun schien die Sonne, es war fast heiss, wir stiegen in einem Wägelchen ein und fuhren nach Bürklen; wie schön war dieser Weg! Die Bäume in der ganzen Blüthenpracht schmückten die frische Wiese, die Berge schauten gutmüthig prächtig in diese kleinere liebliche Welt, wir wurden bald schweigsam und nur an einem Punkt wo der lebendige Bach durch die Matten rollte, die Bäume von Licht zu triefen schienen, dies Gebirg wie durchsichtig wurde, auf der Anhöhe eine kleine Kirche sich zeigte dessen Glocke abwechselnd mit den Kuhglocken ertönte, riefen wir aus: »o wie schön!« »Es ist heute Palmsonntag«, sagte ich dem Freund »im vorigen Jahr machten wir unsere Wanderung am Tag des Leidens, dieses Jahr machen wir sie am Tage des Jubels. Heute werden die grünen Zweige vertheilt, heute jubelte das Volk den Verkannten an!« Wir waren in Bürklen, die Leute sonntäglich geputzt gingen zur Kirche, ich trat mit ein und betete aus ganzer Seele, Ihnen mein gütiger Freund, der Auserkorenen Ihres Herzens, Unserem Freunde, galt mein Gebet. Ich nahm mir in der Kirche die Zeichen des Friedens, die geweihten Zweige, und trat in Gedanken der Liebe heraus! Wir fuhren nach Flüelen zurück, denselben lieblichen Weg, unterwegs trafen wir vier seltsame Gestalten. Italiener waren es, arme elende Pifferaris; die braunen Gesichter, die hageren Glieder in merkwürdig geschnittenen und zusammengefetzten Mänteln gehüllt ergriffen uns sehr; sie bettelten nicht doch als der Freund ihnen winkte und einem der Viere ein paar Franken gab dankten sie sehr gerührt. Wie ein Traum ging die seltsame Erscheinung an uns vorüber; die wunderbare ewig unausgesprochene Resignation dieser von allem entblössten Wesen sie gleicht fast dem melancholisch ruhigen Blick den man an Thieren der entferntesten Regionen bemerkt: »Gott das sind auch Menschen!« sagte der Freund mit Thränen in den Augen; »nicht wahr arme Menschen?« sagte treuherzig unser recht biederer behaglicher Schweizer Kutscher. »Gäbe Gott ihnen auch einen heiteren Palmsonntag!« dachte ich für mich. – Von Flüelen fuhren wir im Kahn nach dem Grütli, es wurde immer schöner prangender, glänzender; der Uri-Rothstock, der Priestenstock, die Mythen und wie sie alle heissen schienen ihr festlichstes Gewand überzogen zu haben; wir kamen vor dem Beet wo die Parcivalblumen blühen, dann zu den drei Quellen woraus wir tranken, den heiligen Schwur erneuernd. Lange lange verblieben wir in Beschauung verloren, »von solchen Augenblicken lebt man und schafft man« sagte endlich der Freund indem wir von der Höhe in das dunkelkblaue Wasser durch einen Blüthenschleier sahen: »gegrüsst sei Parcival!« »Gegrüsst« wiederholte ich nach ihm, von ganzer Seele. Wir verliessen die heilige Welt, der kleine Kahn brachte uns nach Brunnen, in Brunnen schifften wir ein und Abends um fünf waren wir wieder auf Triebschen. Heute bläst der Fön, es ist trübe, mein letzter Tag hier! Doch ich kehre mit hoffnungsvollen Herzen in München ein. Wüssten Sie nur mein König, wie Ihr Anblick zuletzt noch den Freund gestärkt und beglückt hat, wie Sie ihm gross und über alles erhaben erschienen sind! Gewiss mein gnädiger Freund, wir können keine wahren Schwierigkeiten mehr haben, keine wirklichen Feinde mehr. Alle Wiederwärtigkeiten die nothwendig vorkommen müssen werden ruhig bei Seite geschoben wie geringe Dornenzweige auf einem prächtigen Weg. – Gestattet mir der hohe Freund, dass ich von der Lohengrin-Aufführung spreche? Gestern schrieb der Rath Düfflipp nämlich, dass nicht Tichatscheck sondern Nachbauer aus Berlin für die Titelrolle engagirt sei; nun hat der Freund ausdrücklich Tichatscheck gewünscht und demselben ausdrücklich versprochen er würde zu dieser Vorstellung von der Münchener Intendanz engagirt werden. Ausserdem können Herr Nachbauer und Betz aus Berlin (letzterer Telramund) erst gegen mitte Juni eintreffen, was die Aufführung bis Anfangs July verzögern würde. Das will der Freund durchaus nicht, er und wir wollen ein für alle mal dass Ihre uns einzig bestimmenden Wünsche, mein hoher Herr, erfüllt werden. So möchte der Freund dass auf die Berliner Herrn gänzlich verzichtet würde, an der Stelle des H. Betz, ein Herr Hauser aus Karlsruhe genommen würde welcher den Telramund recht ordentlich giebt. Selbst Kindermann wäre ihm recht, lieber als die Verzögerung die der Meistersinger-Arbeit ausserdem sehr schaden würde, da er doch mit die Proben beaufsichtigen will. Heute früh wird uns gemeldet dass trotzdem Frl. Mallinger von dem allerhöchsten Herrn zur Elsa gewählt wurde, trotzdem der Freund sie wünscht und mein Mann sie bezeichnet hatt, der Intendanzrath Schmitt ihr doch die Partie nicht ertheilen kann weil Herr Possart sich bei Erneuerung seines Contraktes ausbedungen hat dass seiner Braut Frl. Deinet keine Rollen entzogen werden!!! Also der König wünscht – aber eine Ungeschicklichkeit des Herrn Intendanzrathes kreuzt diesen allerhöchsten Wunsch! Und die Ungeschicklichkeit soll für uns maassgebend sein! – Ich schreibe dies scherzend weil ich wohl weiss dass ein befehlendes Wort unseres Herrn, hier alles in Ordnung bringen wird, doch sah der Freund in dem kleinen doppelten Fall wie durchaus unfähig der Intendanzrath ist und bleibt. Sich so etwas von dem Schauspieler Possart bieten zu lassen, und die Naivität zu haben zu glauben, dass seine Thorheit einem königlichen Wunsch gegenüber, seinen Werth hat! Gewiss ist hier keine Spur von böser Absicht, doch grenzelose rohe Unfähigkeit. – Soll ich dem gnädigen Freund über die Lohengrin Angelegenheiten forthin referiren, oder ist es dem Erhabenen lieber wenn ich mich stets an Rath Düfflipp wende? ...

Es lautet alles wieder nach Krieg; ich habe längst jede Ansicht bei Seite gelegt und nur stets den Wunsch bei allem Grossen und Kleinen gehegt dass unser Schirmherr, von Wiederwärtigkeiten verschont bleibe. Dies meine ganze Politik, mein ganzer Patriotismus. Wie schön mein theurer Herr, führen Sie Schiller's herrliche Worte an! Die Jugendträume sollen leben, in Ihnen Hehrer, haben die kühnsten Träume schon ihre Erfüllung gefunden. – Ich wage es, der hohen Braut die Hand zu küssen und Ihr der Gütigen, wie Ihnen dem Gnadenvollen ewige Treue von Neuem zu geloben. Der Freund entsendet sein Schönstes und Bestes!

Cosima von Bülow-Liszt

15ten April 1867 /.

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159

Theurer Herr, geliebter König, huldvoller Freund!

Seitdem ich hier bin, drängt es mich Ihnen, Gnädiger, zu sagen, dass ich mich hier in den Mauern Ihrer Stadt wohl fühle, dass alle schmerzlichen Erinnerungen durch den Gedanken weggefegt worden, dass wir hier bei Ihnen, mein gütiger Herr, sind! Nun bin ich seit Mitte April so ungetheilt Martha gewesen, dass von Sammlung gar nicht mehr die Rede war, und Ihnen, mein erhabener Freund, darf ich, will ich und kann ich, nicht flüchtig schreiben. Während ich mit wirklicher Ungeduld des Augenblicks entgegensah in welchem ich mir wieder angehören würde, häuften sich die theuren Beweise Ihrer Gnade: die heilige Elisabeth, das schöne Bild vom fliegenden Holländer, die heutigen Blumen! Sie wissen es, mein erhabener hoher Freund, dass ich Ihnen nicht mehr danken kann, nur meine reinste Freude und mein schönstes Hoffen, lege ich Ihnen mit dem Gefühl der ewigen Treue, zu Füssen.

Ich habe mir schon erlaubt durch Rath Düfflipp dem Gnädigen sagen zu lassen dass alles hier gut geht und verspricht noch besser zu gehen. Ich denke wir werden Schönes Erhabenes erleben, es sieht auch nun etwas friedlicher aus in der Welt der Wölfe. Möchten Sie nur mein königlicher Freund, Freude und Glück haben! wie mir alles übrige sogenannte Wichtige gleichgültig ist kann ich Ihnen gar nicht sagen. Vom Freunde bekam ich gute Nachrichten, er ist äusserst thätig, der zweite Akt ist nun bald instrumentirt. Er schreibt er will es möglich machen zum ioten hier zu sein um die h. Elisabeth zu hören, ich will nun mein Martha Geschäft vollenden und krönen, und ihm seine Stuben bei uns herrichten. Es ist etwas wunderbares mit dem Freunde; wer sich an seinem Umgange gewöhnt hat, wer seinen Geist mit dem seinigen verwoben hat, dem wird alles Uebrige so gleichgiltig; die gescheidtesten Leute erscheinen mir flach wie eine Wiese seitdem ich mit seinem gletscherhohen reinen Wesen mich vertraute. Ich vermag es nicht etwas zu lesen oder zu denken ohne mich zu fragen: was würde er dazu sagen, oder ohne mich dessen zu entsinnen was er mir darüber mitgetheilt. Ihnen sage ich das, mein gütiger Freund! ... Und doch Ihnen allein kann ich es sagen weil ich es Ihnen Wunderbaren, nicht zu sagen brauche.

Gestern Abend las uns Peter Cornelius die Dichtung seiner Gunlöd vor. Man sieht es dem Werke deutlich an dass es ohne den Nibelungenring nicht da wäre; doch das ist nicht zu rügen. Wenn ich ein Fehler darin finden wollte so wäre es dass die Personen mehr Traumgestalten als wie von Fleisch und Blut sind. Doch ist die ganze Anlage edel die einzelnen Gesänge sind schwungvoll, und das Ganze macht einen schönen von der gewöhnlichen Gattung der Operntexte sich durchaus unterscheidenden Eindruck. Ich habe P. Cornelius gerathen eine saubere Abschrift von seiner Dichtung zu machen, und gestattet es mir der gütige Freund, so erlaube ich mir dieselbe in einigen Tagen dem Erhabenen zu übersenden.

Ich habe mich neulich über Frl. Mallinger recht gefreut; sie wird Uns eine schöne Elsa und Elisabeth sein; gebe Gott nun dass die Männer sich erträglich anlassen. Im Ganzen taugen die Frauen doch immer besser (wobei ich an gewisse Frauen nicht gedacht haben will!), sie sind fleissiger und leichter begeistert.

Meine zwei ältesten Kinder kommen so eben von Berlin wo sie einige Zeit bei ihrer Grossmama zugebracht haben, zurück. Das erste was sie bei mir erblickt und erkannt, war »der König von Bayern«, welchen sie nun einmal wie unsren Hausgott betrachten. Bald bringt mir der Freund Isolde, Ev'chen bleibt noch auf Triebschen da die lange Reise ihr schaden könnte. Für Isolde wird unterwegs Hans Richter sorgen!!! In Bälde wird nun das ganze Haus vollständig und in Ordnung sein; mein Münchener Leben ist durch den heutigen Brief an dem huldvollen Freund eingeweiht! Ich weiss es mein theurer Herr, es wird alles werden wie Wir es geahnt, gehofft, erkämpft!

Gesegnet seien Sie, mein König, in alle Ewigkeit, wie Sie es jetzt sind und bis zum Tode von der in Treue und Dank ergebenen Freundin!

Cosima von Bülow-Liszt

2ten May 1867 /.

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160

Theuerste Freundin!

Innigen Dank für Ihren Brief, der mich sehr erfreut. – Wie froh ich bin, Sie wieder hier zu wissen, wie selig es mich macht zu sehen, wie Alles so heiss Ersehnte, so schwer Erkämpfte nun endlich der glänzenden Erfüllung naht, dies kann ich nicht schildern. – Herrliche Stunden wird Uns der kommende Freitag bringen, o welcher Genuss, das wunderbar schöne Werk Ihres Vaters wieder zu hören! wie wird es den geliebten Freund ergreifen. Wie freute es mich, gestern Abend die geliebte Freundin im Theater zu sehen; gewiss waren auch Sie nicht sonderlich erbaut durch die flachen, nichtssagenden Bänkelsängermelodien. – Lieb war es mir zu hören, dass Frl. Mallinger einen günstigen Eindruck auf Sie gemacht hat, gewiss wird sie eine treffliche Elsa geben, gerne hörte ich auch die Elisabeth im Tannhäuser von ihr, da sie mir für diese Rolle geeigneter zu sein scheint als Frl. Stehle; man sagte mir, beide Rollen könnte sie nicht übernehmen, das Studium wäre zu anstrengend für sie, vielleicht geht es doch, o ermöglichen Sie es. – Eine rechte Wohlthat wird es für mich sein, endlich die Stadt verlassen zu können, endlich, endlich mich ausruhen und stärken zu können, in Gottes freier Natur und hinter mir zu lassen den Qualm der Stadt. – Wie freue ich mich darauf, mich in eine andere, schönere Welt träumen zu können; denn die Welt, der Geist der Zeit, der gegenwärtig herrscht, ist fürchterlich, die Menschen sind so verdreht, angefressen durch die Pest-Ideen der Neuzeit, o das kann nicht zum Guten führen.

Und nun noch etwas, doch ganz im Vertrauen; ich hörte jüngst von einer Aeusserung Herrn v. Bülow's, die mich nicht sonderlich erfreute, nämlich es bliebe Bayern nichts anderes übrig, als schliesslich auch Preussen anzugehören; doch dies bleibe ganz unter Uns; fest baue ich darauf, er werde einzig auf Förderung Unsrer künstlerischen Interessen bedacht sein. –

Mit Freude gedenke ich Ihrer in einem Briefe an mich ausgesprochenen Ansichten über das Königthum und seine Bedeutung, o dass diese Ansichten doch jetzt so selten zu finden sind! – Ich bin sonst nicht geneigt, Jemanden etwas nachzutragen, bin nicht unversöhnlichen Geistes, doch ich muss gestehen, schwer fällt es mir, den Münchnern das Benehmen zu vergeben und Alles zu vergessen, was sie sich mir, ihrem König und Herrn gegenüber, besonders im vorigen Sommer zu schulden kommen liessen, die Schuld ist so gross, dass weder Busse noch Reue sie völlig zu tilgen im Stande sind. Doch es sei abgethan, mit Schiller (in der Braut von Messina) rufe ich aus: »der Siege göttlichster ist das Vergeben.« –

Heute erhielt ich wieder einen schönen Carton v. Kaulbach, die Abschiedsscene der Maria Stuart darstellend, nächstens gedenke ich der theuren Freundin einen photographieschen Abdruck nach diesem Bilde zu senden, es freute mich dass der Fl. Holländer nach Spiess Ihnen gefällt. Echter malt fleissig an seinen Tristan-Bildern, Ille an dem Sagenkreise der Edda. – Sicher bin ich, Sie hätten es nicht bereut, wenn Sie dem jüngst stattgehabten Ordensfeste am Tage des Hl. Georg beigewohnt hätten. – Dieses veraltete u. scheinbar sich überlebt habende Fest hat doch einen tiefen Sinn, es ist fähig Begeisterung zu erwecken, es kommt nur darauf an neues Leben ihm zu geben, mit poetischer Weihe es zu adeln. –

Gottes reichsten Segen auf Ihre Kinder; herzlichen Freundesgruss von Ihrem treuen

Ludwig.

am 3. Mai 1867

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Mein gnädiger Freund, mein hoher Herr!

Die gütigen Zeilen die ich heute empfing dünken mir traurig, und dies betrübt mich so sehr, dass ich nicht umhin kann ein Wort der Treue, des unaussprechlichen Dankes, und des seligen Hoffens auszusprechen! Nehmen Sie mir es gnädig auf, mein königlicher Herr, dass ich sagen muss dass Herr von Bülow das mir gnädig mitgetheilte Wort nie ausgesprochen. Wenn ich dem theuren Freunde sage dass Herr von Bülow Anstalten getroffen hat, um aus den preussischen Staatsverbande zu treten und dadurch beinahe in Conflikt mit seiner Familie gekommen ist, so wird mein hoher Herr wohl gnädigst einsehen dass widerum das beliebte Mittel der Verleumdung angewendet worden ist. Ihnen, mein hoher erhabener Freund, habe ich stets die ganze Wahrheit über alles gesagt – dies ist kein Verdienst denn ich kann nicht anders – auch hat der Freund wohl angedeutet zu welchem äussersten Entschluss ich zu einer Zeit bereit war, wenn ich Ihnen nun sage mein gnädiger Herr: das ist nicht gesprochen worden, so wird der Gütige mir Glauben schenken, ich weiss es. Meinem Mann sage ich nichts, denn er würde nicht ruhen bis er den Verleumder herausgefunden und bestraft hätte, und das wäre mislich; die beste Bestrafung bleibt die Nicht-beachtung solcher erbärmlichen Leute. Sei nun diesem verziehen und sei sein arges Wort vergessen: wie gibt es aber Leute die sich erkühnen dem theuren Freunde, so etwas wieder zu bringen? Ist denn alle Ehrfurcht dahin? Kennt der Intrigant denn keine Schranken mehr? Genügt die Lust einem Menschen zu schaden, um dass gleich an das gemeine Werk gegangen werde? Doch nicht weiter hierüber, o der argen Welt! Ihnen aber, mein theurer erhabener Freund, weiss ich nicht genug Dank zu sagen mir dieses so gütig vertrauensvoll mitgetheilt zu haben, und mein Dank spricht sich am Besten darin aus dass ich bei allem was mir heilig, bei dem Freunde, bei meinem Vater, bei meinen Kindern, bei Ihrem eignen theuren Selbst, schwöre: er hat es nicht gesagt!

Ich wusste nicht dass ich dem St. Georgs Feste hätte beiwohnen dürfen, darum enthielt ich mich jeden Wunsches. Jetzt bedaure ich tief nicht dabei gewesen zu sein. Ach! mein theurer Herr, wie begreife ich die Stimmung die heute in dem gütigen Schreiben sich abspiegelt. Mir wird kalt bis an's Herz hinan wenn ich an das vorige Jahr denke, und ich kann nicht ohne furchtbarer Bitterkeit vor dem »Schiff« vorübergehen. Ich weiss dass diese Empfindungen mit dem Vergeben nichts zu thun haben; Gott! die bösesten Menschen sind im Grunde nur zu beklagen und mein Weisheitsspruch ist: Segen den Guten, Mitleid den Bösen! Allein es verfinstert sich über gewisse Erfahrungen der ganze Horizont der Seele – ach! gebe Gott, mein gütiger Freund, sie seien nicht so weit, wie ich es leider bin! Denn Sie, mein König, Sie haben helfen können, Sie haben geholfen, über alles der König, wie das alte spanische Stück heisst. Ich habe nur immer zusehen können; zu welcher Trauer man dabei zuletzt kommt, bei aller Ergebenheit und Versöhnlichkeit, davor beschütze den theuren Herrn, seinen heiligen Engel! – Vor nichts mehr haben die Menschen Ehrfurcht, ja die Gefühle der Ehre, und aller ritterlichen Tugenden sind ihnen so fremd geworden dass sie die Dichter gar nicht mehr begreifen welche diesen Gefühlen den höchsten poetischen Ausdruck leihen. So z.B. haben hier die Leute die Calderon'schen Wunderwerke förmlich perplex gemacht, sie gaffen sie an und würden darüber lächeln wenn nicht die schweren Jahrhunderte darauf lasteten, die nicht erlauben dass man damit Spott treibt; so trösteten sie sich damit indem sie sagen: es passt nicht für unsre Zeit! Allerdings nicht! Bald sind sie so weit mit Falstaff zu fragen: was ist Ehre, kann es ein Bein heilen? Entgötterte Welt! Doch, o mein Freund! dies die Oberfläche, in unsrer Zeit wurde ja der Freund, wurden Sie, Herrlicher, geboren. Ist das nicht ein schöner Trost, was kümmert es uns ob die zwei Sterne über eine trostlose Welt leuchten, leuchten sie doch! – Vom Freunde hatte ich heute einen Brief, er wird kaum zum 10ten hier sein können denn er will seinen zweiten Akt fertig haben bevor er sich unterbricht. Er schreibt »fände man nur einen Sänger für den Sachs der uns verbliebe. Ob man sich nicht noch auf Entdeckungen machen sollte? Ich sehe es ernst auf die Aufführung am 12. Oktober ab: nur bedarf es dazu der höchsten Arbeitsenergie. Bis zum 22. Mai hoffe ich wohl gewiss mit dem zweiten Akte fertig zu werden, wenn ich so wie jetzt fortfahren kann; auch wohl ein paar Tage früher noch könnte ich mit fertigen Akte bei Dir ankommen. Ich arbeite, durch die Angst nicht fertig zu werden, jetzt auch länger des Abends bis in die tiefere Nacht: und das bekommt mir, wie ich heute merke nicht gut; ich fiebre und bin sehr matt. Ohne dieses Arbeitsfieber, glaub', kämen solche Partituren nie zu Stande. Sie wird schön, und der Liebe werth und würdig.«

Mit Frl. Mallinger ist es in so fern schwierig als sie nicht eine Note von Wagner kennt, seltsam genug in der That, doch scheint sie willig zu sein. Herr von Bülow war heute mit den Sängern recht zufrieden (für die h. Elisabeth), er meint die Aufführung würde besser als die letzte. Mein königlicher Herr, hier gelobe ich Ihnen feierlich, was eigentlich schon längst eine Thatsache, dass mein Mann keine andere Interessen kennen wird als die künstlerischen. Was er aus Basel dem allerhöchsten Herrn zu schreiben wagte, ist bei ihm der keine Phrasen je machte, heiliger Ernst. Als er neulich seine durchaus monarchischen Ansichten zu erkennen gab, antworteten ihm hiesige Leute: »und Sie wollten mit diesen Principien in der Schweiz bleiben? ...« Was mich betrifft, mein gnädiger Freund, Sie wissen es, ich bin religiös und die Monarchie ist mir eine Religion, was mein Vater oft zum Aergerniss der Leute gesagt hat: »ich bin ein Fürstendiener«, wiederhole ich hier, und die treue ergebene Freundin zeichnet sich mit Stolz und Freude als des theuersten Herrn

ewig dankbare Dienerin

Cosima von Bülow-Liszt

4ten Mai 1867 /.

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162

Mein theurer Herr, mein König, gnädigster Freund!

Ich wollte heute früh einige Zeilen des Dankes nach Berg senden, als die Schreckensbotschaft vom Freunde kam. Er ist in der grässlichsten Angst mit seiner Arbeit nicht fertig zu werden, und will lieber Alles aufgeben nur um das gegebene Wort zu halten. In meiner Noth liess ich zuerst eine Depesche an den Freund gelangen, dann rief ich den trefflichen Rath zu mir. Dieser hat dem theuren Freund nun alles mitgetheilt. Sie mein hoher Herr, werden entscheiden; Sie einzig und allein können hier das Wort sagen nach welches alles sich zu richten hat. Auf meine Bitte wird der Freund nicht kommen, denn vor allem liegt ihm daran sein Werk am 25ten August seinem Schutzherrn zu Füssen zu legen, und ich sah gleich ein dass ich nicht das Recht habe zu bitten. Nur es sich noch recht zu überlegen ob es doch nicht ginge bat ich den Freund. Ich habe keine Antwort. Wenn Sie mein gütiger theurer Herr, ihn lieber sehen, auf der Gefahr hin dass die Meistersinger um einiges verspätet werden, so wollen Sie wohl gnädigst dem Freunde telegraphiren, dass wir ihn hier noch zu seinem Geburtstage sehen. Ihnen mein hoher Herr, wird er folgen, denn Ihrem ihm über alles heiligen Wunsche, opfert er das Glück des Wiedersehens.

Ich bin so verwirrt dass ich es nicht vermag ein Wort hinzuzufügen. Für ein freudigeres Schreiben verspare ich den abermaligen aufgehäuften Dank. Die holden lieblichen Blume die in meiner Schale und auf dem Fächer wetteifernd blühen sollen mich einen anderen schöneren Tag zu Dankerfülltem Gruss begeistern.

Heute in trauriger Stimmung nur diese verzagten Zeilen die mein theurer Herr mit gewohnter Gnade wohl aufnehmen wird. Es bleibt mir unmöglich in der Stunde des Kummers mich nicht an Ihn den theuren Hohen, der mir so oft schon huldreichen Trost bot, zu wenden!

Das Beste und Reinste was die Seele in Freud und Leid erzeugt, weihe ich dem freundlichsten Herrn, dem herrlichsten Freunde, in Treue und Dank!

Cosima von Bülow-Liszt

München 19ten Mai 1867 /.

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163

Theuerste, treu geliebte Freundin!

Mit Freude und Kummer zugleich erfüllten mich Ihre Zeilen; ich lege einen Brief des theuren Freundes bei, den ich gestern erhielt. Sehr leid wäre es mir, könnte ich Ihn, den Einzigen an Seinem Geburtstage nicht sehen, Ihm nicht persönlich meine heißen Glück- u. Segenswünsche aussprechen; wohl begreife ich, daß Er nicht gerne in Seiner Ruhe sich gestört sieht; Er könnte ja sogleich, wenn Ihm wirklich so viel daran gelegen ist, nach Seinem Geburtstage in die trauliche Abgeschiedenheit des friedlichen Triebschen zurückkehren; ach es wäre zu hart, Ihn am Geburtstage nicht begrüßen zu können, doch in Gottes Namen, wenn es wirklich zu Seinem Heile ist, so will ich verzichten; aber fürchterlich schwer fiele mir die Entsagung; doch noch einmal, Sein Wille geschehe; es beugt sich der Held dem Willen des Gottes. –

Es entsendet der treu und innig geliebten Freundin die wärmsten Herzensgrüße der ewig

getreue Ludwig.

Berg den 20. Mai 1867.

P.S. Mit Freude und Stolz blicke ich auf den 22. Mai des vorigen Jahres zurück; o könnte ich doch endlich Sie wiedersehen! –

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164

Geliebter König! Theurer Herr, gnädiger Freund!

Seit einer kleinen Stunde bin ich in dem Landhäuschen und will es am heutigen Tag dadurch einweihen dass ich Ihnen, Hoher, sage: der Freund ist angekommen! Ich baue hier die Sachen auf, zuerst das Klavier dann die Kleinigkeiten die ich dem Freunde bescheere. Heute früh gehen Senta und Elisabeth nach dem bayerischen Hof; erstere sagt die drei ersten Strophen eines Gedichtes von Walther von der Vogelweide: Maienwonnen, Elisabeth bringt ein Cörbchen Rosen. Ich harre hier des Freundes, und wenn der theure Herr ihn erst gegen ein Uhr zu sich befiehlt, so würde ich ihm den kleinen Aufbau zeigen können und ihm meinen Glückwunsch aussprechen. Ich wage dieses nur darum zu sagen, weil mir Rath Düfflipp mittheilte es sei noch nicht über die Zeit des Besuches auf Berg bestimmt worden.

Mein theurer, über alles gütiger Freund! Sie hatten die Gnade auch meiner an dem heutigen Tage zu gedenken; wie glücklich machte mich dies, wie dankt Ihnen Hehrer, die bis in dem Tode treue Freundin! Warum ich nicht komme sei hier Ihrer theilnahmsvollen wunderbaren Seele, bitter geklagt. Seit den üblen Reden die über mich gefallen, seit den Gehässigkeiten welche die böse Frau über mich gestreut, bin ich scheu geworden und zaghaft. Kein Mensch hat daran geglaubt, ich weiss es, doch meine Unbefangenheit ging dabei verloren, ich wusste es wohl als ich am Morgen auf Triebschen so laut schluchzte. Ihnen vor allem, mein gnädiger Freund, dem Theuren, Unsrer Sache bin ich es schuldig ein Jedes aufzuopfern worüber im Mindesten geredet werden könnte. Wie schwer das Opfer mir heute wird, ich klage es Ihnen, laut, mein theurer theurer Herr! Als gestern Rath Düfflipp mit mir von dem mir gestatteten Besuche sprach fielen mir dicke Thränen von den Augen. Sie entschuldigen mich mitleidvoll, mein gnädig gütig theurer Freund! Vor einem Jahr hatte ich das Glück Sie zu sehen, heute muss ich mich damit begnügen zwischen den beiden Wesen in Gedanken zu sein, denen ich freudig jede Freude opfere! Um ein Uhr fahre ich nach München zurück, wenn Sie Hoher, bis dahin den Freund mir lassen der um 12 ankommt, küsse ich dankend Ihre theuren Hände!

Der Freund sieht angegriffen aus, doch meine ich, soll er, kann und darf er, hier einige Zeit bleiben; die absolute Einsamkeit Triebschens ist ihm doch nicht gut, er vergrämt sich, und ich bin der festen Ueberzeugung dass er hier wird arbeiten können. Nun Sie werden ihn ja sehen, mein theurer Freund, und alles auf das Beste und Schönste bestimmen. Alpenrosen und Maiglöckchen brachte mir Rath Düfflipp von dem hohen Freund, sie blühen noch lieblich in meiner Stube die aus lauter Gaben des Huldvollen besteht. Bei dem Anblick der zart Duftenden musst ich der Wiesen denken bei Triebschen wie sie im vorigen Jahre prangten, sie wussten Parzival nahte! Heute ist es trübe, doch giebt es Tage an welchen man der Sonnenstrahlen nicht bedarf.

Die Proben gehen schön vorwärts, Tichatschek hat sich gestern bewährt, Herr von Bülow war sehr zufrieden, die Mallinger soll gnadenvoll: »mein armer Bruder« gesagt haben. Wir werden am 10ten Juni eine grosse Freude haben, mein theurer Freund!

So haben denn die Sterne die zwei Wesen wieder zusammengeführt die ein Wunder ausmachen, mögen sie gütig freundlich der Abwesenden gedenken die in der Ferne ihnen stets nahe bleibt! Dankend lege ich den traurigen Brief des Freundes bei; ich hoffe er wird hier gesunden!

Die hohe Braut hatte die Güte mich freundlich grüssen zu lassen, Ihnen mein theurer Herr, vertraue ich meine Sache an; Sie werden das Schönste finden der Holden von mir zu sagen, damit sie wisse wie heilig theuer sie mir ist!

So grüsse ich Sie denn mein herrlicher Freund, von der stillen Einsamkeit aus! Nie war mein Herz so schwer und doch so beglückt! Vielleicht fügen es die gütigen Geister dass ich Sie auch wiedersehe dann will ich das Leben preisen dass mir so oft so schwer erscheint. Doch wie dem auch sei über alle Schranken fliegen die Gedanken, und in steter Liebe eilen die Meinigen Ihnen, mein König, zu!

Cosima von Bülow-Liszt

22ten Mai 1867 /.

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165

Mein gnädiger Herr! Mein königlicher Freund!

Der Meister zieht, Sachs kehrt zur Werkstatt zurück, alle guten Götter mögen ihn begleiten, den Theuersten der Theuren!.. Darf ich nun wohl wie aus weitester Ferne die Stimme erheben, darf ich in des hohen Freundes Gnade zu mir, die Berechtigung finden, mich unsichtbar Ihm zu nahen, und gleichsam wie ein Geist zu Ihm, dem Hohen, Huldreichen, reden? Nichts will ich, mein König, nichts erstrebe ich, nichts wünsche ich; mit des Freundes Abreise sind die Loose ja gefallen, und alles was Sie, mein gnädiger Freund beschliessen, ist mir heilig und wird es mir ewig sein. Dessen mir im tiefsten Inneren bewusst wage ich es dem König die Lage zu schildern. Bis jetzt, gnädiger Freund, sind Sie mein Schutz, unser Schirmherr, unser Alles, nicht nur gegen die Feinde sondern auch gegen das Schicksal selbst! Es war unser süsser Stolz dass wir mit dem königlichen Beschützer, so manches ertragen durften, dass wir in Seiner himmlischen Geduld und Nachsicht die Kraft des Aushaltens, die Pflicht der Ausdauer, fanden. Es ist ein schweres Schicksal, mein theurer Herr, ein schweres Schicksal; für den Freund dass er keine Darsteller für seine Werke hat. Vielleicht giebt es in der Kunstgeschichte kein zweites Beispiel eines solchen Abstandes zwischen dem Schöpfer und den Geschöpfen, er immer göttlicher, sie immer – – thierischer. Wie soll er aber sein Loos tragen wenn Wir ihm nicht helfen, Wir die ihn lieben? ... Verlieren Sie, einziger Freund, die Geduld, wie soll er sie noch haben, wie soll er noch hoffen? Gewiss mein gnädiger Herr, Sie haben Recht, Tichatschek ist in seinen Bewegungen hölzern und steif, ich gebe zu, vielleicht selbst abschreckend für denjenigen welcher nicht von der Darstellung abstrahiren will, und rein dem musikalischen Eindruck sich hinzugeben. Ach! mein König, wir haben mit Ihnen gelitten, glauben Sie es der Freundin, alles haben wir uns gesagt was peinlich den hohen Freund berühren würde, und mehr noch vielleicht. Dennoch wurde es gewagt; kein Besserer ist da. Niemann hat mich erschreckt als ich ihn in der Rolle in Berlin sah, Nachbauer singt nichts vom Freund, es blieb also Vogel, nun der geht einem nicht fort, zu dem kann immer gegriffen werden. Es war vielleicht Ihrer holden Güte zu viel zugemuthet, mein gnädiger Freund, mit uns huldvoll die grossen Gebrechen von Tichatschek's Darstellung zu ertragen. Ertragen da wo man geniessen will und soll! Doch, theurer Herr, Ihnen selbst, Ihrer unbeschreiblichen Güte haben Sie es zuzuschreiben, wenn unausgesprochen der Freund und ich wir uns eins mit Ihnen Gnadenvoller, gefühlt haben; es war Ihren Freunden wohl zu verzeihen, mein hoher Herr, dass sie nun von vereintem Freud und Leid wussten! Nun aber ist die Heerde ohne Hirt, der König beglückt die Lohengrin-Aufführung durch seine Gegenwart nicht! Wie traurig, wie öde, wie sinnlos diese Aufführung! Den Münchnern sie zu bereiten war nicht die Absicht! ... Hätte ich nicht erfahren dass wir uns ergeben sollen, ich würde gewagt haben Sie, hoher theurer Freund, zu bitten die erste Aufführung zu besuchen; ich würde Sie darum fusfällig gebeten haben – da es doch leider, leider, so kam dass es ein Opfer für Sie, mein Freund, sein sollte! Für Unsere Sache hätte ich dem Gnädigsten gesagt, bringen Sie das Opfer – ich ginge weiter: für den königlichen Herrn selbst, der Seinen Freund den Vielgeprüften doch hochgeehrten, nicht ob einer Wahl tadeln, bestrafen könnte, ohne dass die unberufene Menge Verständnissbaar, staunend erschrocken, zusähe. Doch behüte mich Gott hier in bester Absicht zu freveln! Der Freund entfernt sich still, mein Mann wird das Werk leiten falls die Intendanz eine Aufführung mit Tichatschek befiehlt, wie es seine Pflicht und Schuldigkeit ist; ich, die Traurigste von Allen werde einsam dem seltsamen Vorgang beiwohnen, und den Sinn dieser Prüfung zu verstehen suchen; dass dieser Sinn Ihnen, mein gnädiger Freund, immer und ewig nur dankend sein kann weiss ich; wie könnte ich die Klänge Lohengrin's vernehmen ohne Ihnen, gütiger Schutzgeist, seien Sie nahe oder fern, zuzujubeln! Das traurigste bleibt für mich dass die neuliche Probe dem theuren Freund einen unangenehmen Eindruck machte. Ich war gerührt und erfreut, die Mimik des Sänger's hatte ich überwunden, seine Stimme that mir wohl, und dann das ganze überwältigte mich derart dass das Einzelne eigentlich dabei verschwand, ich sehe vielleicht zu wenig wenn ich solches höre – und meine ganze Freude gäbe ich dahin dass Sie gnädiger Freund, die Enttäuschung nicht gehabt hätten! Ach! es ist traurig, edler Beschützer, das göttliche Werk wird nun herumgezerrt, dem Meister ist alle Hoffnung wie vernichtet, gleich einer verdorrten Knospe neigt sich diese Lohengrin Aufführung in unser Leben, denn was kümmert es uns ob die Leute entzückt sind – wie ich höre – wenn Sie gelitten haben! ...

Wozu nun dieses Klagen? .. Ach! vergeben Sie es gnädigst dem betrübten Herzen! Es war mir als ich den Brief des Rath Düfflipp's las und die ruhige freundliche Ergebenheit des Freundes gewahrte als ob ich nie mehr eine Freude haben sollte! Als ob zum ersten Male eine Trennung zwischen Unsrem Herrn und uns statt fände, als ob wir hätten etwas wollen können, was Ihm, dem Theuren, nicht genehm sei! ... Die Mühen denen sich der Freund so freudig unterzog in dem Gedanken an seinen einzigen Halt und Hort, dahin geworfen, verloren, vergeudet! Sie sind grausam die Götter, Ihnen mein gütiger Freund, nahmen sie eine lang ersehnte Freude, uns den einzigen Lohn nach lang ausgehaltenen Prüfungen!

Wie soll ich nun, in dieser Stimmung, von dem prangenden Strauss sagen? Die Rosen des Wunders waren mir nicht minder werth als das Wunder der Rosen; als duftendes Liebliches verkündende Botinnen empfing ich die Blühenden, sie sagten mir von der Freude die Unsrer aller harrte. Nun seh ich sie wehmüthig an, sie sind immer dieselben so schön und duftend, sie zeugen immer hold von der Gnade meines Herrn, und doch fällt ein trauriger Blick auf sie – wo Sie mein König uns Rosen streuen da spendet das Schicksal uns Dornen! Und wie ich die Schönen betrachtete gedachte ich der langen Trennungspein, dann der Kämpfe, der Freude ob des vermeinten Sieges, des Glückes dem Herrn das göttliche Werk vorzuführen und der Vernichtung dieses Glücks, und unwillkürlich fielen mir die Worte des griechischen Dichters in den Sinn:

Doch wenn Trug sinnet die Gottheit, wer entkommt sterblich gezeugt da?
Wer entrinnt ihr mit dem raschfliehenden Fuss glückenden Sprunges?

Der gnädige Freund wird die Zeilen gütig aufnehmen, ich weihte Ihm gestern alle Gefühle die das herrliche Werk in mir erweckte, nun entsende ich Ihm, dem Hohen, die Grüsse des traurigen Herzens. Die Treue macht hier Freude und Trauer zu Geschwistern, beide wissen nur von dankender Liebe!

Cosima von Bülow-Liszt

12ten Juni 1867

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166

Mein theurer Herr und gütiger Freund!

Heute, zum erstenmale, frage ich mich: »was sollst Du sagen, wie sollst Du es sagen?« Gewöhnlich wenn ich Ihnen, schrieb, fliesst die Empfindung in einem gleichmässigen Strom der einen Ursprung und ein Ziel hat – heute, wie gestern in der Aufführung, ist meine Seele von den verschiedenartigsten Empfindungen durchkreuzt. Das Werk selbst schien mir gestern schöner, herrlicher, unvergleichlicher als ich mir es jemals sagen konnte, über das Gelingen der Aufführung, über die schöne Leistung meines Mannes, vor allem über Ihre Freude, mein theurer Herr, freute ich mich unsäglich; dann durchzuckte es mich wieder, und schmerzlich, und bitter; der Freund weit, fern, traurig, wenn auch gefasst! Da ist mir all die Freude getrübt und schmerzlich empfinde ich in meiner Seele das stete Wachen des Unheils über das Glück, dass der Freund so wunderbar uns zeigt! Nun kömmt Ihr schöner Brief und traurig wie die Ohnmacht sinne ich nach. Die Sache steht nämlich so, mein gnädiger Freund: als der Freund sich so krank fühlte und Ihnen, seinem Herrn, schrieb, er wünsche auf Triebschen zu verweilen, schrieb ich und telegraphirte ihm das dürfe er nicht; im Widerspruch mit meinem steten Benehmen zu ihm sagte ich er solle sich Gewalt anthun, und zu Ihnen kommen, der Sich nach ihm sehne. Nun kam er, leidend genug, nur von dem Wunsch beseelt Ihnen, gnädiger Freund, durch seine Gegenwart Freude zu bereiten. Die Umstände wollten es so dass er Sie, mein König, kaum das Glück hatte zu sehen; die Wohnung die für ihn genommen worden, war für die Arbeit ganz unmöglich, andere Miether im Hause, die Küche dicht an der Arbeitsstube etc. Die Meistersinger lagen brach und die Freundschaft gewann dabei nicht. Nun die Lohengrin-Aufführung; durch seine Theilnahme an derselben konnte er dem Hohen zeigen wie er Ihn, den Einzigen, liebt. Für keinen Gott hätte der Freund in seinem Gesundheitszustand der Plage sich unterzogen mit den Herrschaften vom Theater zu verkehren, Ihretwegen mein gnädiger Freund, that er es mit Freude und Begeisterung. Die Generalprobe kam – hätte der hohe Herr es für gut befunden den Freund zu sich zu berufen und ihm gütigst mitgetheilt dass Tichatschek einen widerwärtigen Eindruck hervorgerufen hätte, der Freund hätte gewiss sich in die Stimmung seines königlichen Beschützers zu versetzen gewusst; er wäre willig auf alles eingegangen, und keine Kränkung hätte sein wundes Herz erfahren. Wir waren aber kaum von der Probe zurück da kam der Brief des Rathes an, der Freund war unterwegs, ich wollte selbst nach Starnberg um ihm die betrübende Botschaft mitzutheilen dass sein hehrer Freund, lieber die Aufführung Lohengrins aufgäbe als derselben mit Tichatschek beizuwohnen. Ich konnte nicht, schickte aber einen Freund der mir berichtete Wagner sei wohl und ruhig. Am Mittwoch kam der Freund zu uns, meine erste Frage war: »wo ist Parcival?« – »Parcival ist fort und ich gehe«. – Wir baten er möge noch einen Tag bleiben, diesen gab er uns zu. Den Donnerstag brachten wir mit ihm in Starnberg zu, Abschiedsmahl wo die Kinder auch zugegen waren, ich schrieb meinen Brief an Sie, mein theuerster Herr, wir packten die Sachen ein, und nahmen den Freund nach München mit. Abends bekamen wir den Brief vom Rath Düfflipp worin der königliche Befehl ertheilt wurde dass Vogl und Frl. Thoma die Partien übernehmen sollten. Sie wissen mein theurer Freund, was uns ein königlicher Befehl ist; augenblicklich traf mein Mann seine Dispositionen, um in den zwei Tagen noch die Aufführung zu Stande zu bringen. Der Freund war still, ich bat ihn am Freitag nicht abzureisen es sei ein böser Tag; mit der Güte die ich an ihm kenne gab er mir nach. Während mein Mann den ganzen Tag im Theater zubrachte, suchte ich den Freund zu zerstreuen und zu erheitern; allein ich versuchte es nur indem ich ihm sagte er würde auf Triebschen seine Arbeit wieder aufnehmen können. Er war tief betrübt, er frug sich weshalb alle diese Weisungen die als königliche Befehle nun kamen, ihm nicht warm freundlich, gütig persönlich, ertheilt worden. Er fühlte sich überflüssig, ja bis zu einem gewissen Grade unbequem – er wollte gehen, und ich konnte nichts sagen, denn ich verstand ihn. Er war aufrichtig froh über meines Mannes Bereitwilligkeit, und als dieser spät Abends meldete: es würde mit der neuen Besetzung gehen fiel ihm wie mir ein Stein vom Herzen. Am Sonnabend früh bei trübem Wetter ging er, den ich stets mit bangen betrübten Herzen ziehen sehen muss! Nicht eine Falte im Herzen ergab er sich dem Schicksal, er schrieb noch dem Orchester und dem Chorpersonal einige anerkennende Worte, verweigerte die von Tichatschek gewünschte Satisfaction eines Briefes von ihm worin er seine Freude über seine Leistung ausdrücken sollte, und beauftragte mich Rath Düfflipp, welcher in der ganzen zarten Angelegenheit sich diskret und höchst rücksichtsvoll benommen, einige freundliche Worte von ihm zu sagen. Mein Mann beruhigte die beiden unbrauchbaren Sänger, betrieb seine Sache ferner, als ob nichts geschehen; und auch war wirklich nichts geschehen, der königliche Wille ging in Erfüllung wie es sich gehört, der Meister hatte den Proben beigewohnt und sich hernach in seinen Arbeitsasyl zurückgezogen, Tichatschek und die Bertram-Meyer erklärten sich heiser, und somit war alles gut. Nur ich, ich allein war traurig bis in den Tod! Und ich bin es noch! Ich weiss warum Sie so gehandelt haben, mir brauchen Sie nichts zu erklären, wenn in Ihrer grenzenlosen Güte gegen mich, Sie, Theurer, es auch thun wollten; ich will Sie nur bitten einen Augenblick sich in meine, in unsre Lage, gnädig zu versetzen. Plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel königliche Befehle durch den Sekretair ertheilt, während wir nichts wollen als die Erfüllung der Wünsche unsres herrlichen Freundes. Es war hart, mein gnädiger Herr, denn unverdient. Tichatschek hatte uns durch seine prachtvolle Stimme und die eigene Art seines Gesanges grosse Freude gemacht, doch ein Wort von Ihnen an den Freund hätte genügt, und in Freude wäre der Freund geblieben. Dem Schicksal ist er gewichen das ihn verfolgt, ich meine, gütiger Freund, Wir gönnen ihm Ruhe! – Doch will ich alles thun was Ihnen, Gnädiger, genehm ist, soll ich zu dem Glücke kommen Sie wiederzusehen, so erlauben Sie mir dass ich dann den Hohen frage, in welcher Form ich dem Freunde sagen soll dass er zurückkehre. Was die Zusammenkunft mit Ihnen, mein gnädiger Herr und Freund, betrifft, so denke ich dass sie wohl in folgender Weise zu Stande kommen könnte; da ich nicht ganz nach Starnberg ziehen kann (die Tannhäuser Proben erlauben meinem Mann nicht sich zu entfernen) würde ich auf einige Tage dort wohnen. Wenn es möglich wäre dass ich bei dieser Gelegenheit Ihrer hohe Braut vorgestellt werden dürfte, würde ich mich glücklich schätzen. Dass ich nichts verlange mein theurer Freund, und willig alles aufgebe wissen Sie ja. Ich befürchte nur dass eine Zusammenkunft zwischen dem hohen Freund und mir – so einfach natürlich sie mir erscheint – doch übel vermerkt werden könnte; nicht für das höchste Glück der Welt möchte ich Ihnen, mein theuerster Freund, nur einen Schatten von Unanehmlichkeit verursachen. Ich will lieber warten bis die Zeit schlägt, doch versteht es sich von selbst dass wenn Sie, gnädiger Freund, einen Ausweg finden, ich Ihrem gütigen Ruf folgen werde. – Dass die Menschen Zwietracht säen möchten, weiss ich, ach! sehr gut! Sagten doch gewisse Leute ganz frech schon im März, Wagner solle nur kommen er würde doch den König nicht sehen! ... Doch ich halte Unsren Rath Düfflipp für gutmüthig und ehrlich, und ich muss sagen dass er sich in dieser Angelegenheit, uns gegenüber wenigstens, gut benommen hat.

Ich habe noch keine Nachrichten vom Freunde, sobald ich etwas weiss erlaube ich mir es dem gütigen theuren Herrn, zu melden. Eine Depesche kündete mir bloss die Ankunft auf Triebschen an. Seine Arbeit, das Gedenken Ihrer Liebe, wird die Wunden schliessen welche die neue Einkehr in die Welt ihm geschlagen – ich hoffe es und tröste mich in dieser Hoffnung.

In enger unwandelbarer Treue, grüsse ich aus tiefster Seele den Freund der durch seine Gnade, ungeahntes Vertrauen in mir erweckte und dem ich das ganze Herz mit all' seinen Empfindungen offenbaren kann!

Cosima von Bülow-Liszt

17ten Juni 1867 /.

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167

Theure, treu und innig geliebte Freundin!

Es ist schon spät in der Nacht, ich kann mich aber unmöglich zur Ruhe begeben, ohne Ihnen noch heute mein Herz auszuschütten. –

Ich frohlocke, ich jauchze vor Entzücken, vor namenlosen Wonnen, die nicht zu schildern, ich bete aufs neue den Geist an der dieses gottentstammte Werk geschaffen hat. Es geht mir heute wie nach jedesmaligem hehren Geniessen eines Werkes vom grossen Freunde, es fällt mir schwer noch leben zu müssen, ich möchte sterben, denn mir ist es, als hätte ich Gottes Wonnen erschaut. Schon vor mehreren Jahren sagte ich mir, ich wollte noch die Vollendung der Nibelungen erleben und nach der Aufführung selig sterben. O glücklicher Tod, nun seit ich den Freund kenne, ist es anders, jetzt will ich noch leben so lange wie Er und Sein Todestag soll auch der meinige sein, o wie liebe ich Ihn, um so mehr musste mir die letzte, traurige Catastrophe zu Herzen gehen. – O geliebte Freundin, Unsren unvergesslichen Schnorr hörte ich vor etwa 5 Jahren als Lohengrin, sein Gesang, sein hehres, durchgeistigtes Spiel (was doch bei Gott nothwendig zum Musikdrama gehört) übten mächtigen, tiefen Eindruck auf mich, kein Wunder, dass Tichatschek mir entschieden missfiel, sowie die kreischende Stimme und das outrierte Spiel der Bertram-Mayr. Die Strafe, die der Freund durch Sein Scheiden über mich verhängte ist zu hart, ich darf sagen ich habe sie nicht verdient, denn kühn darf ich behaupten, dass meine unerschütterliche Liebe u. Treue zu Ihm, sowie meine Begeisterung für Sein Wirken Ihn – wie Er Selbst zugibt – gerettet haben. –

Nein, theure Freundin, nichts soll und darf Uns je entfremden, o so Vieles wird durch die Diener wie Düfflipp oft in der besten Absicht entstellt. – Nun bitte ich Sie, geliebte Freundin dringend und inständig, suchen Sie den Freund zu bestimmen, sogleich wieder zurückzukehren, o wüsste Er wie ich leide durch Sein Entferntsein, o Gott das ist zu viel, zu hart, um es mit Gleichmuth hinnehmen zu können, unseliger Tichatschek jetzt ist er mir doppelt zuwider, denn er hat mich vom Freunde getrennt. O schreiben Sie mir recht bald, wüssten Sie wie innig mich jeder Ihrer Briefe erfreut! Und nun noch ein Wunsch. Zu meiner Freude vernahm ich Sie wollen das Häuschen am See beziehen; ich habe Sie so ewig lange nicht mehr gesprochen, ich sehne mich darnach, sagen Sie mir, ob Sie nicht auch meinen, dass es ganz gut geht, wenn ich Sie dort einmal (aber bald) besuche, ich halte es für sehr nothwendig, damit derlei unselige Missverständnisse wie die neulichen nie mehr möglich sind. Eine wahre Entfremdung zwischen mir und Ihnen oder dem Freunde kann ja niemals vorkommen, eher ginge die Welt aus Fugen und Angeln, aber so gerne möchten die Menschen Zwietracht säen, nochmals bitte ich, rufen Sie mir den Freund zurück und schreiben Sie mir bald. – Vergeben Sie die Eile und die schlechten Schriftzüge, es ist fast 2 Uhr Nachts. –

O göttliches Werk, stets umklingen mich die heiligen Töne, ich kann nicht beschreiben wie mich das Ende angegriffen hat, die Seligkeit, ein Werk des Freundes hören zu dürfen, kann ich mit keinem Glück der Erde vergleichen, das höchste Glück ist nichts dagegen, mit Faust rufe ich aus: »Name ist Schall und Rauch umnebelnd Himmelsgluth.« – Beschreiben kann man da nicht mehr, Worte können da nur matte Atome sein. – O könnte ich sterben. –

Nun seien Sie mir gegrüsst aus ganzer Seele, theuerste Freundin und erfüllen Sie die oben ausgesprochenen Bitten

Ihres

getreuen Freundes

Ludwig.

Berg, den 17. Juni

Nachts 2 Uhr. –

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168

Mein gnädiger Freund und theurer König!

Ich muss Ihnen danken! So verzeihen Sie denn gnädig, dass ich sobald wieder mich Ihnen, erhabener Freund, nahe. Das gütige hohe Schreiben hat meinen Mann wahrhaft beglückt; gern hätte er persönlich gedankt; wenn er es unterlässt so geschieht es aus Diskretion, nicht wissend ob sein unterthäniges Schreiben genehm sein würde; indem er die königliche, gnädig ihm dargereichte, Hand küsst, lässt er seinem Herrn unterthänigst versichern, dass er stets in der Ausführung königlicher Befehle Allen mit gutem Beispiele vorangehen wird.

Heute bekam ich ein Schreiben des Freundes, er sagt: »Alles bei der Ankunft machte aber auf mich einen ganz besonders seltsamen Eindruck der Stille und Ruhe; ein ganz auffallendes Schweigen liegt jetzt auf diesem närrischen Triebschen. Mein Russ war ganz ungebärdig vor Freude über mich und Koss: die Thiere rasten in wahnsinniger Zärtlichkeit durcheinander. Nun ist das wieder in ruhigem Geleise und ich feierte am Sonntag eine Stille die mich wirklich tief ergriff und mich tief und sanft in mir blicken liess. Nichts hier vorgefallen, gar nichts. Die Pfauin brütet und leidet sehr; sie hat die Eier an einen versteckten Ort im Garten gebracht wo sie im ew'gen Regen jämmerlich nass wird: nur einmal kommt sie und verlangt hastig Speise, dann gleich wieder zum Brüten. Nun habe ich heute, weil es gar so grimmig fortgeregnet, einen alten Tisch über das Thier stellen lassen der ihr als Dach dient. – Mit dem Umbau geht es gut vorwärts; vieles ist schon erkenntlich und jedenfalls wird alles nun etwas Ansehen und Vernunft bekommen. Heute wird nun wieder gearbeitet: das Klopfen stört mich aber noch nicht, auch hört es bald auf. Morgen denk' ich mit Gott wieder an die arme Partitur zu gehen. Seltsam: diese selbe Prügelscene ist mir einmal schon so fürchterlich lang geworden dass sie gar nicht zu enden schien: nun geht's gerade wieder so! Man soll nicht prügeln! – – Meine erste Federthätigkeit gehörte der Gerechtigkeit: gestern schrieb ich einen Brief an Tichatschek« (wir bekamen denselben er drückt darin sein Bedauern aus dass Tichatschek heiser wurde). »Heute an Düfflipp wegen Hansen's Urlaub: ich dring darauf dass er zur guten Zeit zu seiner Cur entlassen wird. Möge Hans meinem Verlangen ja nicht zuwider arbeiten« (Dieses verstehe ich nicht recht, jedenfalls kommt Tannhäuser zu Stande). »Heute früh kam des König's Brief! O ich glaube und hoffe Alles Alles, und wünsche namentlich alles. Auf der regnerischen Reise phantasirte ich und metaphorisirte ich noch viel über den Lohengrin: so entliess ich ihn, er gehört mir nicht mehr. Der Schwan der mich einst zu ernstem Kampf auf Leben und Tod geführt, ist mir durch ein Wunder untergetaucht, er gehört nun Parcival. Vor mir flattert nur noch die Taube! – Wie ging es aber mit dem Lohengrin? Kein Telegramm erhalten; fast besorge ich dass etwas Störendes vorgefallen. Warum erfuhr ich noch nichts? alles so still, so still! seltsam! Wie ist mir? nicht wohl, nicht eigentlich müde; aber seltsam, ich komme mir wie taub vor, es ist mir so still! Ich kann nicht sagen dass ich eigentlich wehmüthig sei, – im Gegentheil mich erwärmt eine gute Zuversicht. Neben vielem Thörigen bin ich mir schliesslich vieles Guten bewusst, auch dass ich in entscheidenden Stunden um jeden Preis recht gehandelt habe. Leb' wohl« – – –

So der Freund, mein gütigster Herr! Mir ist diese Stimmung an ihm sehr lieb. Ich denke Wir überlassen ihn sich selbst, nach der »stillen« kommt ja die Auferstehungs-Zeit, die wollen Wir dann feiern schön und gut, nicht wahr, mein gnädiger Freund?

Gestern Abend war ich im Theater (die glücklichen Bettler), ich konnte kaum glauben dass ich im selben Hause wie Sonntag wäre. Uebermorgen höre ich, ist die Afrikanerin, nun gewiss ich werde unsren tüchtigen Telramund nicht als Geflügel mir wieder ansehen. Wie ich vernehme wird Frl. Mallinger die Venus übernehmen; mit Hacker soll wegen Tannhäuser nochmals Rücksprache genommen werden, ich glaube nicht dass Vogel ihn singen, noch viel weniger ihn spielen kann. Sein Lohengrin erschien mir nicht aufreizend doch sehr nichtssagend. Doch war es immerhin ein Glück dass man ihn bei der Hand hatte. –

Mein Vater ist von Pesth wo seine Krönungsmesse aufgeführt wurde, nach Rom zurückgekehrt; im August findet das Wartburgfest mit der h. Elisabeth statt; der Grossherzog liess meinen Mann bitten die Proben zu leiten, er musste es aber abschlagen da im Herbst wohl die Meistersinger in Angriff genommen werden. Ende des Monats dirigirt er hier den Hans Heiling (mit Betz), was mich sehr freut, da es durchaus nothwendig ist dass er vielerlei einstudiere damit das Orchester und der Chor in guter Disciplin gehalten werden.

Nichts weiteres habe ich dem königlichen Freunde zu melden. Von meiner Liebe und Treue brauche ich wohl nichts, zu sagen, sie sind ewig und können weder durch Freude erhöht noch durch Leid getrübt werden!

Cosima von Bülow-Liszt

München. 19ten Juni 1867

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169

Huldvoller Herr, theurer erhabener Freund!

Heute bekam ich den zweiten Brief vom Freund, und ich halte es für meine Pflicht dem Gnädigen, Nachrichten zu geben. Sie lauten immer wehmüthig, der Freund empfiehlt mir seine Ruhe an nach den neuen inneren Stürmen; so ich kann, will ich sie wahren heilig und treu wie ich ihn liebe. »Meinem Parcival kann ich jetzt nicht schreiben«, sagt er, »denn jedes Wort welches wie ein Vorwurf aussähe, wäre unsinnig empörend, jede Klage müsste aber so aussehen, und ohne Klage ihm zu schreiben – nachdem ich Ihn kaum gesehen und doch so viel Zeit für meine Partitur verloren ging – wäre wiederum unsinnig. Du – Du kannst Ihm alles sagen. Dir habe ich nichts nöthig zu sagen, Du weisst alles und empfandest alles mit. Ach! Liebe, gewiss, es geht nicht mehr. Ermiss mein Leben, und wie statt der Verminderung stets nur die Vermehrung der tiefgreifenden alle Gemüthsruhe störenden Einwirkungen sich herausstellt. Ich bin so kleinmüthig dass ich schon gar nicht mehr verlange als diese armen Meistersinger vollends noch zu Tage fördern zu können. Nichts mehr. O diese letzte traurige Fahrt, die hätt ich mir besser erspart! Nun zähle ich die Tage – 21. Juni – ein voller Monat für mein armes Werk dahin: Und was konnte ich Ihm sein? ... Doch dieses Opfer wird gewiss nicht umsonst gebracht worden sein, gewiss nicht, es wird Schönes Herrliches daraus erblühen, mein Glaube steht noch fest und unerschüttert, doch um meines Lebens willen beschwöre ich Dich: Ruhe! Ruhe! Kein Zucken, kein Aufwallen mehr! Glaub' mir es wäre tödtlich. – Da hast Du die neue Lage der Trümmern die uns rings verschütten. Soll ich daran gehen etwas daraus zu bauen? – Ich befinde mich ja heute besser: gestern wär's mir nicht möglich gewesen. – Ohne gründliche Aenderungen im Theater herbeizuführen kann von Wünschen und Vorschlägen meinerseits für die Meistersinger z.B. gar nicht mehr die Rede sein. Gut wär's wenn Betz den Berliner entrissen werden könnte: sein grosses Gehalt, meine ich, wäre nicht zu beachten: Beck würde für drei Monate mehr als dieser für ein Jahr kosten, und mit Betz bleibt das Ensemble dann stehend. Hieran wäre wohl alles zu setzen und lieber kein Tannhäuser. Könnte Hans im July nach St. Moritz so würde er Anfangs August mich hier besuchen und wir setzten dann Alles noch für die Meistersinger fest. Die grössere Hälfte des 3ten Aktes ist dann bereits zum Copiren fertig; der Rest im September: Partien und Studium sind schon fertig und möglich. Bin ich fertig dann – – oh! wie weit, wie weit, ich schon mit meinem Aufbau fliege! – Nur Geduld es wird schon früh genug einbrechen! Leb' wohl, send einen schönen Gruss dem Erhabenen, Er gedenke mein in Liebe!« – – –

Ich glaube, mein theurer Herr, Ihnen dieses mittheilen zu müssen. Mittlerweile gehen die Vorbereitungen zum Tannhäuser immer vorwärts. Heute war Frau Young (Lucile Gran), bei uns. Vor einem Jahr hatte ich sie schon vorgeschlagen für die erste Tannhäuser-scene, da weigerte sich der Intendanzrath hartnäckig, er wolle nichts mit ihr zu thun haben. Nun sagt mir, die in ihrem Fach ausserordentliche Frau, sie hätte wohl etwas prachtvolles herausgebracht, wenn ihr Zeit gegeben worden wäre, aber in der letzten Stunde, mit den hiesigen Bühnenverhältnissen, eine der schwierigsten Aufgaben lösen! Sie will aber thun was sie kann, und sieht klug in die Aufgabe hinein. Wüssten Sie aber gnädiger Freund, welche Unordnung, Disciplinlosigkeit hier herrscht! Eine ganze Woche geht für den Tannhäuser verloren, weil der Intendanzrath Herrn Betz und Herrn Bausewein Urlaub giebt, so dass die Gesammtprobe nicht statt finden kann. Mein Mann kam heute verzweifelt nach Haus; er setzt alles daran um das schwierige Unternehmen seinem Herrn zur Freude zu Stande zu bringen, bei jedem Schritt wird er verhindert; ist es Böswilligkeit, wie viele behaupten, oder Beschränktheit, gleich viel, es lähmt den ernstesten Eifer. Er schreibt auf das genaueste alles auf, nun lassen sie unter andren eine falsche Partitur kommen; gestern hetzt man ihm den Chor auf den Hals. Und dabei den Intendanzrath überall damit prahlen hören: Der König stände hinter ihm; zur Vermählungsfeier würde er zum Intendanten gemacht, und im Adelsstand erhoben; und als pendant dazu: Wagner sei in Ungnade!!! – Dies alles sag' ich dem herrlichen Freunde, nur damit Er wisse wie es hier steht, und dass wenn Verzögerungen, Verhinderungen vorfallen, sie gewiss nicht von Unsrer Seite kommen. Alles alles setzt mein Mann hintan, doch die Tage gehen vorüber und nicht der mindeste Eifer, nicht das geringste Pflichtgefühl unterstützt ihn, von Seite des Intendanzrathes. Unser guter Rath Düfflipp kann ein Liedchen von der Anarchie singen. – Die Conferenzen betreffs der Musikschule gehen ihren Gang; ich glaube Wir bringen dieses prachtvoll zu Stande. Peter Cornelius war gestern bei uns, er arbeitet an einem Aufsatz über Lohengrin, in drei Theile: I der Meister. II der Meister und sein Werk. III der Meister und seine Schule. – Nachbauer war auch gestern da, er misfiel meinem Mann nicht; gar sehr wünscht er den Lohengrin zu singen, nun er erfahren hat welch' beispiellosen Erfolg das Werk hier gehabt. Hans sagte ihm er sei nicht befugt über die Partien zu disponiren. Hacker übernimmt nun den Tannhäuser; Frl. Mallinger betrachtet die Venus als eine Nebenpartie und will sie nicht singen. Aecht Comödiantenhaft, das Beste wäre freilich gewesen die Mallinger hätte Elisabeth und die Stehle Venus gesungen, allein Frl. Stehle würde einem glaube ich die Augen auskratzen, und ihr Bruder der Buchhalter des Theaters der alle lobenden Rezensionen über die Schwester schreibt, würde augenblicklich ein Stückchen »öffentliche Meinung« zu Stande bringen. Eine schöne Sippschaft, nicht wahr, mein gnädiger theurer Freund? Doch es ist eben das Material zum göttlichen Bau, man darf da nicht viel Tiefe, Reinheit, Adel suchen, und muss froh sein wenn das Talent halbwegs sich einstellt. Woher nehmen und nicht »Stehlen«, sagte mein Mann scherzend als er mir all die erbaulichen Sachen erzählte. – Doch sind wir einen guten Schritt vorwärts, ja mein theurer Herr, mein erhabener edelster Freund, es geht schwierig aber doch bergauf. Ich bin der festesten Ueberzeugung dass z.B. die Messe meines Vaters in Ofen nicht so günstig in den Zeitungen besprochen worden wäre, wenn Unsre Sache nicht ihr Asyl, ihre heilige Stätte gefunden hätte. Der ganze Ton ist anders, und sind hier die paar rohen Intriganten beseitigt, dann athmet Unsre Kunst auf. Ich war förmlich erschrocken als ich heute von eingefleischten Philistern, das Sempersche Theater mit Begeisterung besprechen hörte, ich traute meinen Ohren kaum. So rufe ich Ihnen, Herrlicher, Heil und Segen zu, werden Sie nicht müde für uns, mit uns, zu kämpfen, denn wir haben die Wahrheit!

Meine Senta hatte das Glück neulich bei der Prozession »den König« zu sehen, sie erzählt nun sehr viel davon, und behauptet gleich den Herrn von Triebschen erkannt zu haben. Anbei erlaube ich mir ein Blättchen beizufügen dass der Freund nach seiner Abreise erhalten und dessen Herzlichkeit, (von einem Unbekannten) ihn recht wohlthuend berührt hat. O, er hat viele viele Freunde hier wie aller Orten. Gott segne ihn und Sie, meine theuerster Herr, ich kann Sie beide nicht trennen in meinem Herzen, mir wär's als würde Ihnen gleich ihm die Seele fehlen, sollte ich Sie Beide Einzige, mir vereinzelt denken! Als heute mein Mann die erste Tannhäuser-Scene Frau Young vorspielte, entstand sofort in mir ein Gruss an Sie, mein gütiger Freund! Nehmen Sie Erhabener, ihn freundlich auf, er stammt aus liebevoller dankerfüllter, treuer Seele!

Cosima von Bülow-Liszt

23ten Juni./. 1867

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170

Innig geliebte Freundin!

Diesen Morgen erhielt ich Ihren theuren Brief bald nach dem Erwachen. – Ich hatte gerade von einer Unterredung zwischen mir und Herrn v. Bülow geträumt, er rieth mir an, den Lohengrin in einem Saale aufführen zu lassen, ohne Publikum, da sich dasselbe Tags vorher höchst taktlos benommen habe. Es hatte nämlich dermaassen gezischt und geschrien dass kaum das Vorspiel zu Ende gespielt werden konnte u. eine Dame hatte sich erfrecht Spott- und Schmählieder in Walsermelodien auf mich vor allem Publikum in der Loge zu singen, weil ich ein solches Werk zur Aufführung bringen liess. – Dies mein sonderbarer Traum. – Traurig stimmt mich was Sie über die jetzige Gemüthsverfassung Unsres geliebten Freundes mir mittheilen, ich schrieb Ihm jüngst auf dem Hochkopf, dort wo Er in stiller Abgeschiedenheit einige Tage verlebte und sich den ersten schmerzlichen Eindrücken nach dem Verluste Unsres Tristan überliess. Empört hat mich die Unverschämtheit des Intendanzrathes, ich ersuche Sie (vorausgesetzt, dass Schmidt sich nicht bald bessert) über diese Angelegenheit mit Düfflipp Rücksprache zu nehmen, damit dieser mir einen Vorschlag unterbreitet, worin diesem so grundschädlichen Uebelstande abgeholfen werden kann; dann in Gottes Namen einen Anderen her; je eher, je besser. – Auch ich finde es wäre das Beste Frl. Mallinger sänge die Elisabeth und Stehle die Venus (obwohl sich ihr Aeusseres nicht ganz dafür eignet) der Groll ihres Bruders kann Uns nicht viel schaden, wenn aber auch diese Angelegenheit auf grosse Schwierigkeiten stossen sollte, so wünsche ich jedenfalls Frl. Mallinger wenigstens bei der 2. Aufführung des »Tannhäuser« als Elisabeth zu hören; sie ist so ganz für diese Rolle geschaffen; von ganzem Herzen bin ich Herrn v. Bülow dankbar für seinen unermüdlichen Fleiss und seinen Eifer, meinem sehnlichen Wunsche nachzukommen, unauslöschlich bleibt mein ganzes Leben hindurch die Erinnerung an die Tristan-Aufführungen und die letzte des Lohengrin, ich weiss wie viel ich dabei Herrn v. Bülow verdanke und werde ihm nie vergessen, was er Hehres dabei vollbracht hat, auf immer hat er sich dadurch ein Recht auf meine herzlichste Dankbarkeit erworben; ich ersuche Sie, dies ihm freundlich mittheilen zu wollen. Herzlichen Dank sage ich Ihnen für die Uebersendung beiliegenden Briefchens; mir ist der Schreiber dieser Zeilen wohl bekannt; er ist einer der ersten Photographen Münchens die mich aufnahmen, er war früher Maler und ist ein braver, rechtschaffener, sehr anständiger Mann.

Sehr freut mich die Absicht von Cornelius, über »Lohengrin« schreiben zu wollen, ich glaube er thut besser daran, als wenn er selbst schöpferisch aufträte; denn diese Versuche scheinen doch nur schwache Nachahmungen von Wagner's Werken zu sein. –

Sehr gerne hörte ich einmal Nachbaur als Lohengrin oder Tannhäuser; seine Stimme gefiel mir sehr, als ich sie bei meinem letzten Aufenthalte in Darmstadt im November vernahm, freilich in einer erbärmlichen Rolle (Vasco de Gama), nach meiner Ansicht wäre es das beste Frl. Stehle bliebe bei ihren Paraderollen (Afrikanerin, Grethchen, Lalla Rookh etc.) und hätte mit Unsren Werken nichts zu schaffen – doch dann wäre der Teufel los! Ich freue mich unendlich auf die nächste Aufführung des »Lohengrin«, wo ich gehe und stehe umtönen mich Seine heilig-gottvollen Klänge, zu Fuss, zu Pferd, zu Wasser, zu Land, zu Berg, zu Thal, auf den Gipfeln der Alpen; überall beseligen sie mich und erfüllen mich mit überirdischen Wonnen, die stets auf's neue mich frohlocken lassen, die nie und nimmer versiegen. – Gott gebe, dass der Freund den Gedanken fahren lässt nur mehr die Meistersinger zu vollenden und nicht die Nibelungen, nicht Parcival; es wäre entsetzlich. –

Nun seien Sie mir tausendmal und aus der Tiefe der Seele gegrüsst und gesegnet, treu geliebte, traute Freundin und seien Sie überzeugt, dass ich nie und nimmer den Muth sinken lassen und erlahmen werde, sondern das grosse Ziel unverrückt im Auge behalte und dass Siegfried froh und selig dem Gesänge des Waldvögleins lauscht und seinem Fluge folgt; ohne Scheu vor der sengenden Lohe. – Liebend bis zum Tod

Ihr treuer Freund Ludwig.

Schloss Berg

den 25. Juni 1867

(Gestern Johannis-Tag, viel bedeutend!)

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171

Mein theurer Herr und königlicher Freund!

Ihr böser Traum den Sie so freundlich mir mittheilten, hat mir doch ein schönes heiteres Lächeln abgewonnen! Der Pariser Tannhäuser und manches, vom hiesigen Publikum, erlebte, hat sich in der Phantasie wild durch einander verwoben, und so ist das sonderbare Bild entstanden, dass gewiss recht drückend mag gewesen sein, und doch mich heiter stimmte, denn die Volksweisheit welche annimmt dass wenn man von Hochzeit träumt ein Todesfall eintrifft und umgekehrt, steht gewiss in Verbindung mit der uralten Weisheit der früheren Seher. Und sagt es uns nicht das Leben täglich, dass Lachen Weinen, und Weinen Lachen erzeugt, und ist das in Traum Vorgekommene nicht eben so geschehen als das was im Traum des Lebens uns erreicht? Haben Sie nun theurer Freund, die gräuliche Scene bereits erlitten, so dürfen wir wohl mit Volk und Weisen annehmen Unsere heutige Lohengrin-Aufführung würde eine schöne weihvolle werden! In dieser Hoffnung grüsse ich Sie nun, theurer König! Gestern entsand ich einen Brief den der Freund mir anvertraut, ich selbst bekam dabei einige Worte die mir recht wohl thaten, und die von der Stimmung zeugen die ich die »Himmelsblaue« nenne, und dem Freunde so wünsche und gönne! –

Ich begab mich nun wirklich gestern im Postillon von Longjumeau um Nachbauer zu hören, und empfand es dem Erhabenen recht nach was Ihn angesprochen hatte. Eine hübsche sympathische Stimme und eine ganz erträgliche Erscheinung; aber wiederum keine Schule, keine Gewalt über die eigenen Mittel, daher auch Effekthascherei, und häufiges Detoniren. Es wird ganz interessant sein zu sehen ob er Bildungsfähig ist, und das wird sich nun an dem Lohengrin Studium zeigen. – Es ist nun abgemacht dass Frl. Mallinger mit Frl. Stehle abwechselt, es wird dies dem Werke sehr zu Gute kommen, am Besten wäre Ihr Vorschlag, mein gnädiger Freund, dass Frl. Stehle da bleibt wo sie hingehört, und ich meine auch dass Wir den Bruder nicht übermässig zu befürchten hätten, nun, wir wollen sehen vorläufig, wie die beiden Damen gegen einander abstechen; jedenfalls werden sie sich in ihrer Wuth die erdenklichste Mühe geben. Was den Intendanzrath betrifft so sollte Rath Düfflipp schon längst dem königlichen Freund, den Vorschlag unterbreiten dem Baron Perfall zur Musik- noch die Theater-Intendanz zu übergeben, damit wie in allen derartigen Kunstanstalten eine Autorität sei welche die Verantwortlichkeit der vorkommenden Schulden trüge, und eine Einheit in dem Ganzen käme. Schmitt sollte Intendanzrath bleiben wie früher, nur einen Chef bekommen auch wie früher. Ich glaube Rath Düfflipp hat nur mit Herrn v. Lutz hierüber gesprochen, und dieser scheint Bedenken gegen Perfall's Fähigkeiten gehegt zu haben; nun wir wissen wohl dass Perfall das Pulver nicht erfunden, allein ist denn Schmitt etwa ein »Geist«? Mir schiene diese kleine Operation sehr nützlich und nothwendig, es würde eigentlich nach aussen nichts verändert, kein Fremder berufen, und doch die Möglichkeit gegeben die Sachen vorzubereiten, ein Repertoire zu Stande zu bringen, einen ordentlichen Regisseur herzuschaffen. Wenn man bedenkt dass Schmitt seit Anfangs des Winters weiss dass der König Lohengrin und Tannhäuser sehen will, und nichts vorbereitet hat, nicht in einer einzigen Probe gekommen ist so dass man nie wusste an wen sich wenden wenn es drunter und drüber ging! Nun muss Tannhäuser über Hals und Kragen gegeben werden, weil alles viel zu spät bestellt, eingerichtet ist. Neulich hat mein Mann drei Stunden Textbuch im Intendanzbureau copirt, weil alles falsch gemacht worden war. Derlei würde mit Perfall nicht vorkommen – und der Intendanzrath soll nur bleiben was er ist, und die Geschäfte betreiben. Eine ganze Anzahl grosser und kleinerer Sachen möchte mein Mann auf das hiesige Repertoire setzen das mit Ausnahme dessen was Sie, mein theurer edelster Freund, bestellen, nur das aller abgedroschenste bringt, was man sich denken kann. Der gute Rath weiss das, ich glaube nur dass er etwas zaghaft ist und sich bald von Herrn v. Lutz einschüchtern lässt, darum sage ich Ihnen, mein hoher freundlicher Herr, dieses selbst damit wenn es Ihnen beliebt die Sache zu ändern Sie gnädigst den ganz bestimmten Befehl ertheilen. Verlässt man sich auf der Leute Einsicht oder guten Willen so ist man gar übel daran, man sieht es an den Herrschaften vom Theater, Gott sei Dank, giebt es noch ein königlicher Wille! Ich bin neugierig wie Vater Lachner wenn er dereinst zurückkommt sich benimmt und ob er es den Erdmännchen übel nimmt die in seiner Abwesenheit die von ihm genügend verwahrloste Wirthschaft, etwas geputzt und gesäubert haben. –

Wohl haben Sie recht, geliebter Herr, mit Cornelius, und so gut ich es konnte ohne die Selbstliebe gar zu sehr zu verletzen, habe ich es ihm längst gesagt. Es will halt jeder gar zu gern etwas für sich ganz besonders sein, es genügt ihnen nicht zu wirken, sie wollen schaffen. Ja, Du lieber Gott! Das ist bald gesagt und gewollt! ... Vorgestern bestellte ich P. Cornelius zu mir, und bat ihn mir den Anfang seines Aufsatzes zu lesen; es ist höchst merkwürdig und seltsam, witzig, ausschweifend, sehr in's Weite sich verlierend, auch warm und eigenthümlich. Nach meiner Ansicht begeht er aber einen Grund Irrthum indem er annimmt dass auf Wagner noch eine Entwickelung folgen wird, während ich W. für den Schlussstein der gesammten Deutschen Cultur halte, und spricht er von einem deutschen Drama der Zukunft während er es dicht vor der Nase hat, sieht also den Wald vor lauter Bäumen nicht! Ich war etwas verlegen denn da ist nicht gut verbessern, und da es im ganzen sehr anregend ist habe ich ihn sehr ermuthigt weiter fortzufahren. Er brachte mir auch eine Uebersetzung von dem grössten polnischen Dichter Mickiewitsch's Sonette; vielleicht interessirte es den hohen Freund einen Blick hineinzuwerfen, ich lege das Heftchen bei. Mir taugt, wenn ich des Freundes Lehren und Reden entbehren muss, nur das aller allerhöchste, so habe ich mich denn die letzt vergangene Zeit ganz in Aeschylos' Oresteia vertieft. Das ist eine Welt, mein theurer königlicher Freund, die Einzige die sich neben der die Uns durch den Freund offenbart worden ist, ansehen lässt. Ich bin noch ganz erschüttert von dem überwältigenden Eindruck und weiss nur den Ring des Nibelungen daneben zu nennen. Die Ausgabe mit Anmerkungen und Einleitungen von Droysen ist sehr sinnvoll und anregend, ich verdanke diese Freude wiederum dem Freund der gerade diese Ausgabe mir empfahl. – Ich freute mich ungemein als ich hörte der theure Herr hätte mehrere Calderonsche Stücke befohlen, wenn die Leute hier nur halbwegs die Rollen erträglich geben wollten. Im Leben ein Traum hat Rohde neulich mich empört; den grossen tiefen ergreifenden Monolog redet er mit Faxen und Heulen, ich wollte heim laufen. – Immer lauter werden die Gerüchte dass Sie, mein gnädiger Freund, zur Ausstellung nach Paris reisen; obschon ich nicht weiss ob Sie dieses beschlossen, so würde ich es dennoch sehr gut begreifen und Sie bewundern dass Sie dieses Opfer gewissen Rücksichten bringen. Am Ende lohnt sich das Opfer auch, denn in Paris sieht man am deutlichsten was die Welt ist und was sie will. Ich will nicht sagen dass anderswo die Menschheit besser ist, doch sie tritt nicht mit ihrem Wollen und Können so deutlich und glänzend auf, sie ist schüchterner, dort ist alles offen keck ausgesprochen; sinnliche Lust, Geld, Wohlsein, Zerstreuung das will man, und das weiss man auch unnachahmlich hervorzubringen. Ein bedeutendes Schauspiel für den Weisen, doch keine Atmosphäre für den Idealen! Da ich bei den Gerüchten bin, will ich noch hinzufügen dass ich neulich bei sonst wohl unterrichteten Leuten hörte Semper würde nach Berlin berufen; es sollte mich wundern wenn die dort oben plötzlich wüssten was mit der Kunst zu thun ist, und solch einen kühnen Griff machten, ich glaube es auch nicht, denn das Berliner terrain kenne ich zu Genüge, doch das Gerücht trat mit ziemlichem Gewicht auf. – Herr von Bülow küsst die ihm gnädigst gereichte königliche Hand, er sagte neulich wo wir von der möglichen Veränderung in der Theaterintendanz sprachen: »nicht Musteraufführungen sondern ein Mustertheater wollte ich mit den hiesigen Kräften zu Stande bringen, wenn ich nur einigermaassen unterstützt würde«. Er hat Baron Perfall als brauchbaren Menschen und guten Finanzmann in den Conferenzen über die Musikschule kennen gelernt.

Und nun Sursum Corda, mein theurer Freund, unser treuer bester Schirm, mir ist zuweilen als ob Uns eigentlich kein Leid erreichen könnte, als ob Wir nur tiefes Erbarmen fühlen könnten wenn man Uns beschädigen oder gar trennen will. Doch es genügt dass ich erfahre der Freund sei leidend, damit ich tief empfinde wie schwach es mit meiner Göttlichkeit steht, und ersehe dass ich der »Menschheit ganzer Jammer« noch in mir bergen kann.

Seien Sie mir gegrüsst, theurer geliebter Herr, im Namen alles Schönen und Grossen, seihen Sie gesegnet von allen Mächten hehr und heilig, deren eine Sie, Freund und König, mir sind und bleiben.

Cosima von Bülow-Liszt

München 28ten Juni 1867

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172

Mein gnädiger Freund und theurer Herr!

Auf meinem Tisch blühen die Alpenrosen und Vergissmeinnichte die mir heute den schönen still beredten Gruss brachten, in der Ferne höre ich Klänge aus dem Holländer ertönen, um mich herum ist es ruhig, die Kinderchen brachte ich zu Bett, mir ist es als ob ich in der rechten Stimmung wäre dem Erhabenen ein Wort zu sagen, dass Er denn mit gewohnter Gnade aufnehmen möge! – Vom Freunde erhielt ich heute früh einen Brief, es geht ihm gut und er ist furchtbar fleissig, er will durchaus am 25ten August sein Werk vollendet haben und Parcival, Walther und Sachs zu Füssen legen. Er arbeitet trotz Arbeiter und freut sich über das was ich ihm berichte. Er schreibt: »Heute fing ich mit pagina 300 an, welch fleissiger Mensch war doch Richard Wagner, nicht wahr? Also bei: sei Euch vertraut welch Wunder – bin ich angelangt.« – Er ist wieder ganz wohl, speist im Garten, macht seine gewöhnlichen einsamen Spaziergänge, lebt mit seinen Partitur, und freut sich im Gedenken seiner Lieben. Es giebt ihrer wenige; gar Wenige haben ihn erfasst, doch diese – Wir dürfen es stolz sagen – mein hoher Freund, bieten ihm durch ihre Treue Ersatz für die ganze Welt, er weiss es auch. In seinem letzten Brief sagte er mir er würde diesen Winter der Biographie, der Herausgabe seiner Werke, und dem Siegfried widmen; heute spricht er von Parcival. – Wir werden alles noch erleben, mein gütiger edler Freund. Ich schrieb ihm neulich es würde ihm gehen wie Titian der in seinem 90ten Jahre sein schönstes Werk malte! – – –

Ganz besonders muss ich dem theuren Herrn danken, für die Rath D. gütig aufgetragenen Grüsse an den Vater. Die Krönungsmesse soll prachtvoll sein und hat einen grossen Jubel dort erregt. Die Ungarn halten sich immer wacker, heute erzählte mir ein Mitglied des Pesther Orchester's dass der Jubel bei den Lohengrin-Aufführungen nie enden will. Im August kommt der Vater hierher, von da geht er zu der Elisabeth-Aufführung nach der Wartburg (Frau Diez ist auf Empfehlung meines Mannes dort eingeladen), dann geht er nach Pesth wieder zur Wiederholung der Krönungsmesse. Man spricht davon dass man ihn ganz in Pesth zu fesseln suchen wird. In Rom ward neulich sein »Christus« aufgeführt, ich bezweifle aber dass die dortigen Mitteln werden gereicht haben einen richtigen Eindruck von dem Werk zu geben. –

Gestern hatten wir hier Hans Heiling unter meines Mannes Leitung; es ging recht gut, Betz war wieder vortrefflich, und Nachbauer trotz einige grobe musikalische Versehen liess sich erträglich an, die Stimme ist sehr sympathisch. Ich meine es würde gut sein Beide für die Meistersinger zu gewinnen, Nachbauer wenn er fleissig an das Studium gehalten wird, würde gewiss einen guten Walther machen. Es wird in der Stadt erzählt dass um sich glorreich wieder hier zu introduciren Lachner die Armide auf das Repertoire gleich bringen wird, nun ich hoffe es wird dies nicht geduldet werden, die Partie der Armide würde Uns die Mallinger geradeswegs ruiniren, und sie muss jetzt recht geschont werden, damit sie die Eva schön giebt, später die Senta, und den Winter durch Elsa und Elisabeth. – Mein Mann liegt jetzt zu Bett, übermüdet von den Proben, er hat Morgens die Militair-Musik, Nachmittags die Tannhäuser-Probe durchgemacht und ist sehr matt da er sich erkältet hat. Ich hoffe er erholt sich bald. Ich bekam einen kleinen Schreck als der König die dritte Tannhäuser-Vorstellung befahl, mein Mann will sie herstellen, allein ich bin wirklich um seine Gesundheit besorgt. Vielleicht gestattet es mir der gnädige Freund, in einiger Zeit zu sagen wie es steht. Der Arzt quält mich stets mit Fragen ob mein Mann denn noch nicht fort sei, St. Moritz sei fürchterlich kalt, man dürfe dort nicht spät hingehen, und St. Moritz würde mein Mann gebrauchen. Ich glaube nicht dass ein andrer den Tannhäuser wie er sein soll dirigiren kann, mein Mann – ohne unbescheiden zu sein – glaubt es auch nicht darum bleibt er, sollte sein Gesundheitszustand mir aber Besorgnisse einflössen so würde ich mir erlauben unterthänigst um die Verzögerung der 3ten Aufführung bis nach seiner Rückkehr zu bitten. Jetzt macht Döll der Decorationsmaler Noth. Seine Venusgrotte hatte uns zur Verzweiflung gebracht, nun behauptet er nicht fertig werden zu können, will keine Hilfsarbeiter nehmen, die Young lamentirt, kurz die Anarchie wie sie eben gemüthlich dort herrscht. –

Cornelius hatte ich nun voreilig Unrecht gethan, der Schluss seines Aufsatzes ist wirklich schön und ergreifend, und was er von der Euryanthe im Vergleich zu Lohengrin sagt, wirklich schlagend. Mein Mann hofft sehr dass es ihm im Lauf des Winters gegönnt sein wird das einzige Werk seinem Herrn vorführen zu dürfen, in welchem man eine Vorstufe zu den Wagnerschen Schöpfungen erkennen kann.

Weiteres habe ich nicht zu melden; dass ich den theuren Freund mit den heissesten Wünschen für Sein Wohl und Heil stets begleite, weiss Er ja. Neulich hörte ich viel viel schönes von der königlichen Braut sagen; meine frühere Erzieherin ist bei dem Herzog Nemours dessen Töchter sie erzieht, sie wurde der Prinzessin Sophie vorgestellt und konnte mir nicht genug von der Schönheit, Anmuth, Liebenswürdigkeit Ihrer Erwählten, mein theurer Herr, erzählen. Seien Sie Beide gesegnet, Sie vor Alle und Allem mein theurer gnädiger Freund! Es grüsst Sie in treuer dankender Liebe die Mutter der Kinder dessen Bildchen dem hohen Herrn zu senden sich erlaubt, die Freundin!

Cosima von Bülow-Liszt

12 July 1867

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173

Treu geliebte Freundin!

Obwohl ich gegenwärtig durch die Vorbereitungen auf die Reise nach Paris sehr in Anspruch genommen bin, so kann ich doch nicht umhin, vor dem Antreten der fatalen Reise, der theuren Freundin noch einen recht herzlichen Gruss zu senden und Ihr für Ihren lieben Brief, den ich auf der Höhe des trauten Herzogstandes erhielt, meinen wärmsten und innigsten Dank zu sagen. Wie freuten mich die Nachrichten von Unsrem geliebten Freunde, ich schrieb Ihm neulich und harre mit Sehnsucht eines Briefes. Innig rührte mich, was Sie über meine theure Braut so liebevoll sagen; Sophie trägt mir herzliche Grüsse an Sie auf; seien Sie versichert, dass Sie an ihr eine treue, wahre Freundin finden werden.

O wie freue ich mich auf die Aufführungen des »Tannhäuser« und »Lohengrin«, nach glücklich überstandener Reisequal; (dieser Ausdruck wird kaum übertrieben sein.) Wenn Herr v. Bülow so dringend der Cur bedarf, so seien Sie versichert, dass ich mit Freuden von der 3ten Aufführung des Tannhäuser Umgang nehme, hoffentlich wird sie dann in ein paar Monden zu ermöglichen sein; Gott gebe, dass Herr v. Bülow der gewünschten Stärkung theilhaftig werde; grüssen Sie ihn vielmals von mir. – Ich zweifle nicht daran, dass die Weltausstellung viel Interessantes bieten wird, glaube aber, dass man nach etwa 8 Tagen gerne wieder in die Heimath zurückkehrt. – Napoleon's Bekanntschaft wird von Werth sein, auch bin ich begierig auf die Kaiserin, von der ich schon viel gehört habe; kaum glaube ich, dass sie »meinen« Kaiserinnen von Rußland und von Oesterreich an die Seite zu stellen sein wird. –

Sehr gefällt mir »Gunlöd« von Cornelius, welches Gedicht ich mittlerweile las, es ist reine Gluth der Poesie darin, hoffentlich werde ich bald seinen Aufsatz über Lohengrin lesen können, ich freue mich darauf; Porges liess ich den Auftrag ertheilen, nun, nach Beendigung des so interessanten Tristan-Aufsatzes auch über Lohengrin zu schreiben! –

Vielen Dank für die übersandte Photographie Ihrer Kinder. – Gott lasse Seinen heiligen Segen stets auf den Kleinen ruhen. –

Viel werde ich mitten im Getriebe der Weltstadt an Unsren Freund denken, o welch martervolle Tage muss Er dort erlebt haben, doch »nun soll, was Er erlitten, Ihm reich vergolten sein!« –

Gedenken Sie mein, theure Freundin, wann Parcival draussen lebt in der öden, lieblosen, kalten Welt; »an des Taggestirnes Königsmacht muss ich mich übergeben,« wie ertrag ich's nur. –

Nun Gott befohlen! Ewig treu und liebend

Ludwig.

Berg 19. Juli 1867

(Nun sind endlich auch die starren Münchner bekehrt, ich höre stets Rühmliches u. begeisterte Lobsprüche über Herrn v. Bülow, bei Gott, er verdient es, denn viel hat er erdulden müssen.)

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174

Mein gnädiger Freund und theurer Herr!

Gestatten Sie mir gütig, Ihnen einen Abschiedsgruss aus treuestem Herzen zu senden, Ihnen das Beste, Schönste, Glücklichste, aus ganzer Seele zu wünschen! So einfältig das klingen mag, ich danke Ihnen, mein erhabener Freund, dass Sie die Reise unternehmen, ich wusste ohne dass der Hohe es mir sagte, wie Ihm dabei zu Muthe sein würde, und darum so fern von allem Prunk, von jeder Politik, augenscheinlich so weit von Ihnen, gnädiger Freund, danke ich Ihnen, und meine ich, ich wäre berechtigt dazu, weil einzig vielleicht ich das Opfer ermesse das Sie bringen. Ich verberge es nicht, theurer König, seitdem von dieser Reise die Rede ist, bin ich in Sorge, es geht mir nicht mehr aus dem Kopfe; ich musste mir förmlich Gewalt anthun um in meinem letzten Schreiben derselben nicht zu erwähnen; was mich eigentlich nichts angeht, dazu fühlt ich mich doch unwiderbringlich berechtigt innigsten Antheil zu nehmen. Nochmals, mein Herr und König, haben Sie Dank dass Sie es über sich gewonnen. Ach! mir ist all' das Bunte dort auch so grenzenlos gleichgiltig, dass wenn die Leute von den Vergnügen sprachen welche den König dort erwarteten, ich mir nur sagen konnte: »ich weiss es anders«. Allein wie der König sagt, es ist wichtig, ja vielleicht nothwendig; da alle Monarchen der Welt dort erscheinen, wäre das Ausbleiben als Demonstration ausgebeutet worden. So reise denn der theure Freund wohl, Seine Freunde begleiten Ihn mit Segnungen und Wünschen!

Mittlerweile wollen wir hier den Tannhäuser zu Stande bringen; ich wohnte der letzten Probe bei, sie hat mir viele Hoffnungen gemacht. Erstens bewährt sich die Young prachtvoll; Betz wird ein vortrefflicher Wolfram, die Thoma singt die äusserst schwierige Partie sehr correkt und sicher und die Stimme klingt schön. Hacker – nun Hacker giebt sich Mühe und wird nach meiner Ansicht besser als wie Vogel im Lohengrin. Mein Mann hat ihm alles beigebracht, und es kommt vieles recht energisch und deutlich heraus. Die Mallinger noch etwas unsicher, mein Mann hat ihr empfohlen sich von der Young die Pantomime des letzten Aktes einstudiren zu lassen. In Bezug auf die Inscenirung wäre noch manches zu verbessern, ich wollte den Regisseur Sigl zu mir kommen lassen, ich hab aber gefürchtet dies würde mir als Anmassung aufgenommen werden, und ich unterliess es. Zum Beispiel die Erhöhung auf welche Elisabeth das Gebet singt, ist viel zu weit entfernt, es geht dadurch alle Deutlichkeit verloren. Vielleicht könnte Rath Düfflipp, einen höchst merkwürdig eigensinnigen Menschen wie Herrn Döll, dazu bewegen, diesen grossen Schaden noch zu verbessern. – Ich hörte zum ersten Male die neue Venuspartie, sie ist prachtvoll, sie ist jetzt mehr Helena geworden möchte ich sagen, und das was Goethe mag vorgeschwebt haben im zweiten Theil des Fausts (Faust und Helena) ist hier verwirklicht; dadurch dass dieser ersten Scene mehr Breite gegeben worden ist gewinnen auch die folgenden Vorgänge sehr an Bedeutung. Der Strich im Sängerkrieg (Walther fällt weg) bekommt der dramatischen Handlung sehr, sie wird dadurch gedrängter, banger; das Finale des zweiten Aktes hat mich ganz überwältigt.

Ich glaube der Freund will Sie, mein gnädiger Herr, in Paris mit einem Brief überraschen, er sagte so etwas in dem letzten Brief. Heute hatte ich Nachrichten, es ging ihm nicht besonders wegen der schlimmen Witterung die immer auf ihn einen besondren üblen Einfluss hat; doch habe er gearbeitet.

Es ist doch himmlisch dass Wir die Meistersinger im Oktober bekommen! Wegen meinem Mann muss ich den tiefsten Dank aussprechen; gewiss ich hätte nie gebeten wenn mich der Arzt nicht so besorgt gemacht hätte, und wenn ich nicht gefürchtet hätte dass dann später alles darunter würde leiden müssen, wenn er sich nicht erholte. Jetzt ist er in Paris und will das Möglichste thun um seine Landsleute (Preussen) zu besiegen! Ich höre auch dass hier nur eine Stimme über seine Leistungen herrscht. Die Aufführungen die wir hatten (Tell, Trovatore, Egmont, Heiling) waren sehr gelungen, es ist plötzlich ein ganz andrer Geist und ein ganz andrer Eifer in die Leute gekommen. Gewiss, theurer Freund, wird die 3te Aufführung des Tannhäusers später möglich sein, und ich denke dass Wir im Winter öfters sowohl Tannhäuser als Lohengrin, und die Meistersinger und auch den Holländer bekommen. Wenn Betz nun auf vier Monate engagirt wird sind Wir sicher dass diese Bariton Partien alle gut werden und das ist schon viel. – Es freut mich sehr dass der theure Freund Vergnügen an Gunlöd fand; der Anfang des Lohengrin Aufsatzes ist gedruckt, ich möchte aber nur das Ganze zusenden, weil gerade der Anfang mich immer ein wenig stutzig macht. Nichts mehr habe ich zu melden, alles Gute und Schöne dass mir vom hohen Freunde wird, wahre ich in meinem Herzen wo es sich in Segen für den Theueren verwandelt. Die düstren Wolken haben sich zerstreut, der blaue Dom ist wieder da heiter und Seelenberuhigend, ich fühle mich glücklich in dem Gedanken an meine Lieben! Parcival wandert nun durch die Welt, ich weiss die Sehnsucht nach Monsalvat bleibt Ihm im Herzen, möge die Welt wenigstens schön scheinen!. Zuweilen macht das Gefühl dem wüsten Treiben ganz fremd zu sein, es um so eher möglich Vergnügen an der Beschauung zu finden. Es ist eben Comödie, und immerhin die grossartigste und lehrreichste Comödie die der Welt-Mummenschanz aufzubieten hat.

Nochmals und tausendmal glückliche Reise, und glücklichere Wiederkehr, obwohl ich Sie nicht sehe, erwarte ich Sie, mein gütiger Freund. Das Herz hat eben seine eigene Art, um die Sinne kümmert es sich wenig, auch wenig um Raum und Zeit, und doch wiederum bekümmert es vieles was nur aussieht als ob es einzig in den Bereich dieser gehört. Es ist eben ein Geheimniss doch ein seliges; es beschwingt mich, lässt mich hoch oben fliegen und beruhigt mich zu Frieden in der tiefsten Tiefe. Wie könnte man ohne die Sicherheit der Treue all die Trennungen, all die Schranken all die Schwierigkeiten beinahe belächeln! Dieses ungefähr schrieb ich gestern dem Freunde dessen Umgang mir doch so fehlt.

Gegrüsst seien Sie mir, mein theurer hoher Freund, gegrüsst auch Ihre »Weisheit« die Liebliche – ich möchte das Schicksal gönnte es mir Ihr zu beweissen was das Wesen mir ist dass Unser Parcival liebt! Segen und Wünsche entsendet in ewiger Treue

Cosima von Bülow-Liszt

München. 19ten July 1867 /.

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175

Treu geliebte Freundin!

Endlich nahten für mich wieder heitere und schöne Tage des Friedens und ruhiger Sammlung, die ich auf Bergesgipfeln, umweht von balsamisch stärkender Himmelsluft nie vergeblich suche. O welch wohlthuende Ruhe nach den Tagen der Hast, des Weltgeräusches, wie ich sie jüngst im modernen Babylon erlebte; und doch bereue ich nicht die dort zugebrachte Zeit; denn unter manchem Unangenehmen, ja höchst Zuwiderem, habe ich doch viel Interessantes und Schönes gesehen. Ein wahrer Trost war es mir, als ich kurz vor meiner Abreise Ihren und des Freundes letzten Brief erhielt. Unendlich wohl thaten mir diese Liebeszeichen, denn ich entschloss mich sehr ungern dazu, die theure Heimath zu verlassen und in jene fremde, liebeleere Weltstadt zu ziehen, die allerdings viel Interessantes mir bot, nie aber mich dauernd zu fesseln im Stande wäre. Einen wahren Abscheu flösste mir die schlechten, sittenverderbenden und allen Geistes baaren Stücke ein, die ich in den Theatern sah, wo möglich noch mehr denn je ist mir das französische Volk, seine Sprache und vor Allem die Napoleonische Parvenu-Herrschaft zuwider und verhasst. Herrliches bietet die Ausstellung, das ist nicht zu läugnen, es gränzt an das Wunderbare, sehr rathe ich der theuren Freundin, sie nicht zu versäumen; ohne Ermüdung war ich 6-7 Stunden en suite in der Ausstellung, die ich sehr genau mir besah.

Doch welche Wohlthat als ich endlich wieder die deutschen Eichen sah, als heimathliche Lüfte mich umwehten, als das heilige Wasser der Berge wieder mich labte, nachdem ich 8 Tage lang schlechte Luft athmen, laues Wasser geniessen musste und das genuss-süchtige Volk mit seiner greulichen Sprache und unsinnigen Höllenspektakel mir das sonst schöne und interessante Paris gründlich verleidet hatte. Traurig stimmte es mich als ich von Weitem durch die bayrische Musik Lohengrin's gottvolle Klänge vor diesem Volke entweiht hören musste; o wie zog es mich nach Deutschland zurück. Doch mit Freuden gedenke ich eines Ausfluges nach einem Schlosse namens Pierrefonds, das mich ganz an Marke's Königsschloss erinnerte, wie es sich am Ende des I. Aktes von »Tristan und Isolde« zeigt. – O welchen Himmelsgenuss bot die letzte Darstellung des »Tannhäuser«, die in der That im Ganzen eine sehr gelungene zu nennen ist; ich sehne mich nach einer Wiederholung. – Herrlich bewährte sich das Orchester unter Herrn v. Bülow's meisterhafter Direktion, gut waren sämtliche Mitwirkenden bis auf Hacker, den ich mir übrigens schlechter vorgestellt hatte, in dekorativer Hinsicht wäre gar manches anders zu wünschen gewesen; denn die herbstliche Landschaft im 3. Akte war entschieden missglückt. – Sehr befriedigt mich die Leistung von Frau Young. – O wie herrlich wird sich alles Angestrebte, Errungene nun bald enthüllen. – Mit der Musikschule geht es rüstig vorwärts, die »Meistersinger« gelangen noch in diesem Jahre zur Aufführung, bald kann mit dem Bau Unsres Fest-Theaters begonnen werden.

Mich dünkt dies Alles ein wonnevoll-beglückender Traum! O wie anders war es im vorigen Jahr um diese Zeit, da hauste noch Fafner in seiner Höhle, da braute Mime den verderblichen Trank, da musste die Klinge Nothungs noch geschliffen werden, da wurden die treuen Freunde gewaltsam auseinander gezerrt, da schien bis zu Erreichung des Ideales, Unsres kühnen Traumes, ein weiter, weiter Weg zu sein, gebannt auf ewig sei nun Schmerz und Leiden, vernichtet auf immer die Herrschaft feindlicher Gewalten und sollte gefahrdrohend eine giftige Natter tückisch ihr Haupt erheben, dann wird Siegfried nicht säumen seine Pflicht zu thun. –

Wie geht es dem angebeteten Freunde, o erhielte ich endlich wieder Kunde von Ihm, jedes Wunder, das mich innig belebt, jede Freude, die mir blüht stammt aus meiner Begeisterung für Sein Wirken und Schaffen, aus meiner innig-ewigen Liebe zu Ihm. Um Ihm dienen, Ihm allein nützlich sein zu können, ward ich König und will es so lange sein als Er, der Heilige unter Uns wandelt, nach Seinem Scheiden aus diesem Erdenleben wird Anderen die Sendung, das begonnene, fest gegründete Werk fort zu führen in Seinem Sinne, doch nicht mir fällt diese Aufgabe zu, denn meine Tage sind gezählt, wehe mir, wenn ich mich vermessen wollte, ein Dasein fortzuführen, wenn das Seinige beschlossen ist, zu leben in einer Welt allein, verlassen, ohne Inhalt, denn todt ist mir dann Alles, wann einst das Entsetzliche eintritt; sinnlos wird die Welt u. das Streben der Menschen, das alte Chaos tritt ein, das nie mehr ein Strahl des Lichtes je erhellen wird. –

Muthvoll und freudig sollte selbst das traurigste, leidenvollste Leben ertragen werden, wenn darauf die Seligkeit folgt, zugleich mit diesem Gotte einem Leben entsagen zu dürfen, dessen Wert und Inhalt Ihm einzig geweiht war. – O leuchtendes Sterben, strahlender Tod!

Mit Interesse las ich Cornelius Aufsatz über »Lohengrin«; weitaus fesselnder finde ich jedoch die Schreibart von Porges, dessen kommendem Aufsatze ich mit freudiger Spannung entgegen sehe. –

Nun Gott befohlen, seien Sie mir gegrüsst aus den Tiefen der Seele, innig geliebte Freundin, gedenken auch Sie liebevoll

Ihres

ewig getreuen Freundes

Ludwig.

Soiern bei d. Riss 8. August 1867 /.

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Mein treu geliebter Herr und gnädiger Freund!

Der Anblick der so lange nicht gesehenen mir stets Schönes und Gutes verkündenden theuren Handschrift, war mir ein wahres Fest. Ich nahm den lieben Brief mit und es war das Erste dass ich hier dem Freunde überreichte, gleichsam um unser Wiedersehen damit zu weihen. Gott sei gelobt! Unser Schutz ist gesund heimgekehrt – ich war sehr besorgt als ich von den Leuten hörte die dem grossen Leichenzug mit angeschaut hatten: »der König habe leidend ausgesehen« – Es mag eine grosse Anstrengung gewesen sein diese hastige Rückkehr und dann gleich dieses Begängniss – Nun es ist alles vorüber, Sie sind wohl mein theurer Herr! Friede dem Todten, Vergessen den Lebendigen, Gedenken nur des Ewigen! ...

Wie dankbar bin ich dem gütigen Freund, mir einiges über Paris mitzutheilen, so gleichgültig mir dieser Ort ist und dessen Eindruck auf die Menschen die ich sehe, so lebhaft interessirte es mich zu erfahren wie sich unser Parcival darin befand. Die Stadt hat eine so merkwürdige Rolle in des Freundes Leben gespielt dass sie mir immer in Bezug auf ihn also auch auf dem Hohen, von Interesse bleiben wird. Den guten Rath Düfflipp hatte ich auch gleich – ganz gegen meine sonstige Art – mit Fragen überfallen, er konnte mir freilich nicht viel sagen, ich war aber schon beruhigt als ich hörte dass wenigstens die Weltausstellung dem theuren Freund grosses Interesse eingeflösst habe. Pierrefonds entsinne ich mich deutlich, es machte mir in der Kindheit einen grossen selbst schauerlichen Eindruck. Dass die Theater und die damit zusammenhängende bis auf den Thron sich erstreckende Wirthschaft dem edlen idealen Sprossen des Wittelsbacher Hauses nur Ekel einflössen konnte, war mir wohl klar. Und das schlechte Wasser! ... Als ich vor einem Jahre dem Herrn ein Glas Wasser reichen durfte ärgerte ich mich tief im Stillen dass der Tribschner Brunnen so wenig lebend sei, doch was ist er noch rein und frisch im Vergleich zum Wasser der Seine! Dieses Wasser so seicht, so geschmacklos, so lau, ist das rechte Symbol des dortigen Lebens. Wenden Wir Uns ab mein theurer hoher Freund, Wir gehören einer andren Welt. – Unaussprechlichen Dank weiss ich dem gütigen Herrn, mir gestattet zu haben der zweiten Tannhäuser Aufführung beizuwohnen. Dass sie bei weitem schöner war als die erste brauche ich kaum zu erwähnen. Jetzt dünkt es mir ein wahrer Unsinn wenn ein Wagner'sches Werk in Abwesenheit Desjenigen Der diese Werke einzig wahrhaft erfasst, aufgeführt wird; ich komme dann in eine zerstreute Stimmung, das Publikum ärgert mich, die leider zu häufigen Fehler der Darstellung fallen mir doppelt auf, ich sehne mich nach den Proben zurück, wo alles im Werden begriffen, viele Hoffnung zulässt, und wo ich mich ganz dem Werke hingebe. Bei der zweiten Aufführung war ich in der Hauptempfindung befriedigt, der hohe Freund war da – ja mehr noch er war allein da. Kein Geräusch, kein Gerede, keine Unberufenen, nichts störendes – die Mängel der Darstellung kannte ich, und ich hatte die Angst nicht dass durch sie das Werk befremdend einwirken könnte, was beim grossen Publikum immer der Fall ist. Gewiss war diese Aufführung in mancher Beziehung ausserordentlich; Orchester und Chöre besser denn je, die Lösung der Aufgabe seitens Lucile Gran geradeswegs staunenswürdig, die Thoma als Venus merkwürdig correkt und bei weitem besser als wie als Ortrud, die Mallinger sehr rührend. Um so mehr betrübten mich die unglaublichen groben Fehler der Inscenirung. Der Anzug der Pagen z. b., die Kleidung der Sänger (Lorbeerkränze mit Bändern!), der Kamm der Elisabeth, fielen neben einigen so prachtvolle Anzüge wie der des Landgrafen, sehr auf. Der giftgrüne Walther – wohl als Symbol der Vogelweide? – entsetzte mich geradesweges. Und ich frage mich immer wie kommen solche Dinge vor da Wagner haarklein alles angegeben hat, und die Pagen in Dresden z. b. reizende Waffenröcke anhatten. Das Kläglichste aber die Erscheinung der Venus im Dritten Akt, hat mich geradeswegs empört. Mein Mann hat wiederholt auf die kleine Schrift von Wagner die Tannhäuservorstellung betreffend hingewiesen, alles ist darin auf das genaueste gesagt, der Effekt soll in Dresden zauberhaft gewesen sein, hier in München auf der grossen Bühne unter dem hohen Schutz des kunstsinnigsten Fürsten, war es wie in einem Winkeltheater – weil kein Mensch da ist der folgt. Der Intendanzrath wohnt nicht einer einzigen Probe bei, und was der Dichter angiebt – ja was kümmerts die Herrn Döll und Quaglio und wie sie da heissen! Die Venus soll ganz in der Ferne erscheinen, wie eine Fata-Morgana sollen die rosigen Düfte wirken – hier war alles so in der Nähe, dass Tannhäuser gar nicht braucht sich von Wolfram loszureissen – sie sind ja schon drin, beide. Bei dem Namen Elisabeth soll alles plötzlich dunkel werden, die Fackel erscheinen und unsichtbar Venus rufen: Weh, mir verloren. Hier wartete sie gemüthlich auf ihr Stichwort und dann werden die dick mit Nähten versorgten Düfte heraufgerollt!! Dann aber auch ist die Zeit zu kurz und die Träger müssen mit der Leiche eilen um das Tannhäuser sein: »heilige Elisabeth« singen könne! Mein Mann war trostlos, denn die Angaben Wagner's sind kinderleicht zu erfüllen, W. hat sie selbst in Dresden praktisch ausgeführt, ich beruhigte ihn und sagte: »Warte nur, wenn der König dies sieht, ist es auch nicht mehr, und was kümmert uns das Publikum?« Hier habe ich aber wiederum empfindlich gefühlt was den grössten Anstrengungen durch die Quere kommt; wäre nur ein Mensch in dem ganzen Opernpersonal ein Einziger da, wir hätten eine Mustergültige Aufführung des Tannhäusers gehabt, so musste ich den Leuten aus der Fremde gekommen, erklären, dass die Wagnerschen Angaben nicht so lauten – wie natürlich von aller Welt angenommen wird es könne unter den muthigen einzig dastehenden Schutzes König Ludwig II, und bei Bülows Leitung nicht anders sein als dass alles bis auf das geringste Detail nach W.'s Angaben gemacht wird. Und er ist der einzige nach welchen die Unfähigen niemals fragen; sie wissen alles besser, und keine Autorität – nichts! Ich war sehr traurig und frug mich ob diese Leute denn auch über die Meistersinger disponiren würden, die nun zum ersten mal in Scene gesetzt werden. Nach München werden sich die andren Bühnen Deutschlands richten, während sie für den Tannhäuser alle sich nach dem Dresdener vortrefflichen Muster gerichtet haben. Es bekümmert mich dies tief, und Ihnen mein huldvoller Freund, sage ich mein Leid, denn Sie einzig werden es verstehen. München – weil es Ihre Stadt ist, mein König, – gebührt es die Typen festzustellen nach welchen in spätesten Zeiten die Werke des Freundes gegeben werden, wie soll das aber geschehen wenn die Menschen welche die Leitung des Theaters haben sich niemals um den Meister und seine Absichten bekümmern, ja, gänzlich unfähig sind denselben nachzukommen? Sie einzig mein theurer Herr, werden hier alles in Ihrer grossen hohen Weisheit erkennen und in Ihrer Gnade zum besten Höchsten führen. Oftmals habe ich in Bezug auf diese Tannhäuser Mängel mich an Rath Düfflipp gewendet – allein es fiel dies wieder in die Frage des Intendanten, er schwieg, ich bescheidete mich, einzig auf den Tag hoffend wo Sie, mein gnädiger Freund, alles sehen würden; darum belästigte ich den Hohen nicht mit Schreiben, ich weiss ja sicher dass alles wird. – Meinen einzigen Dank muss ich noch bevor ich zu Weiterem übergehe dem gnädigen Freunde zu Füssen legen, für die huldvolle Anerkennung der Verdienste meines Mannes; die schöne Uhr habe ich mitgenommen um sie ihm wenn er von St. Moritz zurückkehrt zu übergeben, die Freude die sie ihm gewähren wird erlaube ich mir im voraus, dem König dankend, zu weihen! – – Ich höre Generalmusikdirektor Lachner käme um seine Pensionirung ein; Gott befohlen – ein Intrigant weniger, sagte einst Rath D. – doch erscheinen mir diese Sachen als gänzlich unwichtig in Anbetracht der Dinge die wir verwirklichen wollen. Gott gebe Frieden dass unsere Musikschule blühe und das Festtheater sich erhebe, ich – glaube an alles, weil ich an Sie glaube, mein theurer, hoher, edler Freund! – Ich musste über eine kleine Notiz in der A. A. Z. lachen, worin ganz leise perfid angegeben wurde dass es vielleicht gut sein würde wenn neben der Musikschule eine Anstalt für Anfänger und diese auf Staatskosten gegründet würde; ich glaubte die Beschämung des Herrn Cultusminister daraus zu lesen, dem der Freund geschrieben hat, bei welchem mein Mann war, mit welchem Rath Düff. öfters gesprochen hat, der aber immer gemeint hat es kommt nichts zu Stande, und nun gern sein kleines Anstaltchen zu Stande brächte trotzdem er Bülow versprach die Musikschule nach einem Jahr der Bewährung zur Staatsanstalt zu errichten! Es sind alles armselige Menschen, sie wissen gar nicht was man vor hat, haben keinen Glauben, keine Liebe zur Kunst, möchten aber gern wenn etwas zu Stande kommt, doch auch dabei sein und genannt werden!

Die letzten Tage meines Aufenthaltes in München habe ich viel mit Dr. Fröbel verkehrt, und mich überzeugt dass er die ganze Theilnahme und Hochachtung des Freundes verdient. Unter vielem sagte er mir eines dass mir eine besondere Freude gewährte, nämlich dass Fürst Hohenlohe stets mit so warmer Liebe und Hingebung von seinem königlichen Herrn spräche – nicht blos was die Pflicht und Schuldigkeit erheischt – sondern mit Innigkeit und Feuer. Das that mir wohl, und dies hat den Fürsten höher in meiner Achtung gestiegen als wenn er Deutschland unter einem Hut gebracht hätte. Ich habe es vermieden mit Dr. Fröbel über die Tendenz der Zeitung zu sprechen – habe selbst sein Programm nicht gelesen – um beängstigende Missverständnisse zu vermeiden, aber ich habe mich über den Stand der Dinge unterrichtet und war hoch erfreut dass dieselben so weit gediehen waren. Ich glaube Unsere Sache kann mit dieser Hand in Hand gehen – Fröbel ist ein rechtschaffener Mensch und ein offener Kopf. Er war in meine Loge bei der ersten Tannhäuser-Aufführung und ich erfreute mich an seiner Hingerissenheit. »Ich begreife jetzt – sagte er – dass diese Werke eines königlichen Beschützers bedürfen!« Damit war viel gesagt; die Höhe der Werke, das Elend der Nation, vor allem die Grösse des Beschützers.

Nun habe ich aber noch kein Wort von Tribschen gesagt. Wie meine Heimath begrüsst ich es wieder – (in Dir erwachten seine Lieder!). Der Freund war mir bis Winterthür entgegen gereist, er sah leider sehr angegriffen aus. Einige Tage hat er wieder mit der Arbeit aussetzen müssen, ich baue nun auf die Beständigkeit des schönen Wetters um ihn ganz herzustellen. Die Wohnung ist nun hier erweitert und verschönert, es ist gar traulich ruhig hier. Sollten jemals die Götter hier wieder erscheinen, sie würden sich – meine ich – ganz erträglich finden!

Der Freund erzählte er habe einen Brief von Paul Taxis bekommen, der seinen Uebergang zur Bühne und seine Heirath mittheilt, und in der festen Zuversicht lebt der Freund würde mit seinem Schritt einverstanden sein. Auch erzählt er vom Geschenk dass er der königlichen Gnade verdankt – o Gott! Der Freund hat sich etwas über die Familie erkundigt in die er eingetreten ist (er sprach nämlich auch von Seinem Schwiegervater) und hat da so schauderhaftes erfahren dass er gar nicht antworten wird. Ich kann dies immer kaum glauben wenn ich an »Friedrich« denke! – – Mein Vater ist jetzt in Weimar sehr froh dass Frau Diez die Elisabeth singt. Im September kommt er nach München und würde glücklich sich fühlen Unsrem Herrn und Beschützer seinen Dank, seine Ergebenheit und Bewunderung zu Füssen legen zu dürfen.

Wie freue ich mich auf die Beständigkeit der Wagnerschen Werke auf dem Repertoire in München. Nachbauer will nun ernstlich Tannhäuser und Lohengrin einstudiren, ich sprach noch mit ihm hierüber. Gut geleitet und besser getrieben würde er, glaube ich etwas leisten. Ich freute mich recht über Porges Besuch dessen dritter Aufsatz über Tristan mich geradeswegs entzückt hat. O gewiss sind die Cornelius'schen nicht zu vergleichen, doch habe ich P. C. ermuthigt auch über den Tannhäuser zu schreiben, erstens kann nie genug geschrieben werden, zweitens lebt er sich immer mehr hinein und werden seine Leistungen dann auch gedrungener und tiefer werden. Mir waren die Aufsätze zu »Schöngeistig« vom hundertesten in's Tausendste herumirrend; jedoch immer anregend. Nur seinen unglückseligen » Koch«, und die zwei Sagen im Tannhäuser kann ich ihm nicht verzeihen. Wie kann einer nur so thöriges Zeug aus sich herausgeben; der Schluss über Weimar aber hatte Wärme und wahre Empfindung.

Nun habe ich mein Herz wiederum ganz ausgeschüttet, der theure Hohe nimmt alles gnädig auf! Der Freund wandert jetzt zur Stadt halb um Besorgungen zu machen, halb um den zarten Schweizer Arbeitern aus dem Wege zu gehen; das ungeheuer freie Volk besitzt auch eine sehr gründliche Zungenfreiheit. Ich hoffe sie sind bald alle aus dem Hause. –

Ich bin zu Ende mein theurer Herr, und kann mich so schwer trennen! Es ist mir immer als ob mir Gott weiss welche goldene Dinge einfallen sollten, Ihnen, Hoher, zu senden. Höchstens jetzt könnte ich sagen dass die Kinder quälen um erwähnt zu werden, wie sie mich neulich quälten als sie den »König« in der Theatinerkirche erkannt hatten auf offener Strasse stehen zu bleiben, mich mit ihnen unter dem Volk zu mischen, und zu warten. Wir wurden aber so gedrängt dass die Kinder und ich um unsere Freude kamen, dafür bettelte ich bei Rath Düfflipp um eine kleine Photographie des Königs im Georgenorden's Anzug. – In diesen Tagen ist wohl wiederum officielle Plage für Unseren theuren König! Hoffentlich bald überstanden!

Ich werde die Weltausstellung wahrscheinlich nicht sehen; ich ziehe es vor dem Meister hier Gesellschaft zu leisten, und mir ist es als ob ich das Beste davon gehabt, da ich den Eindruck den mein theurer Freund davon bekam – empfing.

Die schönsten holdesten Segensgrüsse senden wir zu jeder Stunde dem Theuren! Sein grosses schönes Herz sage Ihm wie die unsrigen hier schlagen!

Ewig treu und dankend!

Cosima von Bülow-Liszt

Tribschen. 18ten August 1867

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Meine theuerste Freundin!

Es ist meinem Herzen Bedürfniss, Ihnen für zwei so liebevolle Briefe meinen wärmsten Dank auszusprechen; von allen Glückwunschschreiben zu meinem Doppelfeste waren mir Ihre und des Freundes Briefe die theuersten, denn sie stammten aus den beiden einzigen Herzen, die mich wahrhaft verstehen (Niemand ausser Sophie ausgenommen) und aus diesem Verständniss heraus mich innig und treu lieben und die Kraft dieser Liebe ist unüberwindlich und ewig und ihre Grundvesten gottentstammt. Sie werden wohl mittlerweile Kenntniss genommen haben von meinem letzten Briefe an den Freund, werden daraus ersehen haben, wie wenig rosig mir die Tage in Hohenschwangau dahin ziehen, in Hohenschwangau, das mir der theuerste Punkt der Erde ist, an welchen sich für mich die schönsten Erinnerungen meines Lebens knüpfen! Doch ich rechne noch auf einige ruhige, ungestörte Wochen auf diesem Paradiese der Erde, das ich mir mit meinen Idealen bevölkere und dadurch glückselig bin. Im Laufe des kommenden Monates gedenke ich auf etwa 8 od. 10 Tage nach Berg überzusiedeln, um von dort aus die ersehnten Vorstellungen zu besuchen, ich rechne sicher auf 2 Tannhäuser-Vorstellungen und eine des »Lohengrin« mit Nachbaur, aus welcher im Juli nichts wurde. – Hoffentlich werden bis dahin die so äusserst störenden Mängel der letzten Tannhäuser-Aufführung völlig beseitigt sein. Nun sind also die Verhandlungen mit Fröbel und Porges im Gang, ich bestellte Düfflipp auf morgen hieher, um mit ihm eingehende Rücksprache über diese wichtigen Angelegenheiten zu nehmen; der Genuss des Schönen, Edlen ist mit Uns und so sendet Uns Gott Segen und gibt Gedeihen Unserem Werke. – Wie danke ich Ihnen, Cornelius den Rath ertheilt zu haben, auch über Tannhäuser zu schreiben, Porges wird nächstens einen Aufsatz über den I. Akt des »Tristan« liefern, ich glaube, mich nicht zu irren, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass Porges' Arbeit das Beste und Gediegenste ist, was bisher über den grossen Freund geschrieben wurde, welches lautere Gold ist in seinen Aufsätzen zu finden, im Vergleich zu so manchem Gewäsch, zu dem bombastischen Wortschwall so mancher Litteraten der Neuzeit. – Von Herzen wünsche ich, es möge Herrn v. Bülow die Cur in St. Moritz wohl bekommen, ich grüsse ihn vielmals, sowie Ihre Kinder, für welche ich mein photographisches Abbild beilege. –

Es regnet seit einigen Tagen unausgesetzt und dies trägt wahrlich nicht dazu bei den wenig heiteren Eindruck, den ich von meinem bisherigen Aufenthalte dahier empfing, zu verschönern, um 3 Uhr Tafel, dann Kaffeeparthie an irgend einem Punkte der Umgegend, in wenig anregender Gesellschaft, dann gleich wieder Thee u. Souper, o quelle horreur! aber es muss anders werden. – O Meistersinger, wann werde ich Euch endlich hören! – Innige Freundesgrüsse! Alles irdische Glück und des Himmels reichsten Segen. – Treu und liebend, selig durch die Liebe und Freundschaft der Edelsten auf Erden. –

Ludwig.

Hohenschwangau den 29. Aug. 1867.

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Mein theurer hoher Freund! Treu geliebter Herr!

Ich wollte durchaus Rath Düfflipp diese Zeilen mitgeben, allein es fehlte mir die richtige Stimmung, um Ihnen gnädiger Freund, zu schreiben. Zu viel Geschäftliches war besprochen worden, zuviel Gutes und Schlimmes durcheinander erklungen, Ihnen gütig Theurer, will ich mich nur in weihevollster gesammelster Stunde nahen. Sie glauben wohl geliebter Herr, wie innig wir die peinlichen Stunden mitleben! Mich ärgert beinahe jetzt das schöne Wetter dass zu Kaffeeparthien verbraucht wird – eine rechte Geduldsprobe für den hohen Freund! Ich weiss wie schwierig, ja beinahe unüberwindlich peinlich die kleinen halb-Pflichten sind – eben weil man sie im Grunde der Seele nicht als Pflicht anerkennen kann. Der Mensch der mit Begeisterung sein Leben seinem Ideal zum Opfer bringen würde ist gerade Derjenige der den kleinlichen Zwang des alltäglichen Gebrauches welchen andere ganz ruhig ertragen – nicht erdulden kann. Allein der Aufgabe eines jeden Tages zu genügen ist die Pflicht, nach Goethe's Ausdruck und diese Aufgabe erfüllen indem man ihre ganze beinahe unsinnige Widerwärtigkeit einsieht; ist männlich und gross – sei der Kreis noch so klein –. Sie thun es mein theurer edler Freund, möge dieses Bewusstsein Sie einigermaassen über die wohlberechtichte »Horreur« erheben. Ich entsann mich augenblicklich beim Lesen des theuren Briefes der im vorigen Jahre an der Triebschner Tafel so heiter besprochenen, entschwebenden » Engeln« des Tisches bei Hohenschwangau, Wie herzlich lachten Wir der Zustände die Sie jetzt so plagen! – – –

Mir schwindelt oft – ich gestehe es – bei der Betrachtung des heut zu Tage zum königlichen Berufe gehörenden Aussenwesen. Diese Audienzen, Tafeln, Revuen, Zusammenkünfte mit anderen Monarchen, nebst den Ministervorträgen – wenn ich an Sie, theurer Herr, denke dann schaudert mirs geradeswegs. Nur eines will mir bedünken kann Sie hoher Freund dabei erheben, der Gedanke, das Bewusstsein, des Opfers dass Sie bringen. Und warum bringen Sie dieses Opfer – um eine grosse Sache zu befördern. In so geringem Zusammenhang dieses erscheint so ist es doch so, und Ihr grosser freier edler Sinn kann sich daran laben; erfüllt der König die Ihm peinlichsten, nichtig dünkenden Pflichten, um wie viel mehr sind die Menschen gebunden vor Seinem idealem Leben Ehrfurcht zu haben. Ich möchte sagen dass jetzt der Freund in gleicher Weise sich opfert. Indem er sich an dem Fröbelschen Blatt betheiligt und immer mehr betheiligen will steigt er von seinen eigentlichen Höhen herab – natürlich nur immer als Gott – er thut es um die Menschen zu belehren, an sich zu ziehen, damit Wir es leichter haben das Grosse zu vollbringen. So bahnen und ebnen Sie auch die Wege, gütiger Herr, wenn Sie sich opfern. Wir müssen grenzenlos geliebt werden, von der Begeisterung getragen werden um durchzudringen, das verlangt Opfer und zwar nicht nur grosse kühne Thaten, sondern stündliche peinlichste Selbstaufopferung – eine Qual, eine grässliche Qual, doch sind alle Menschen dazu verurtheilt, und Wir vermögen es willig Uns zu sagen: dies und jenes will ich tragen – um des Einen willen. Dies Ihnen, treu geliebter Herr, so aus tiefster Theilnahme zum Trost gesagt. Ein Wort Savonaroles hat sich mir tief eingeprägt: wer nicht willig sein Kreuz mit Christus tragen wird es gezwungen mit Simon dem Cyreneer tragen müssen – und das Kreuz bildet sich aus Nadelspitzen, und begleitet Einen jeden Augenblick, wir fallen unter seiner Last bis wir den Muth haben es an das Herz zu drücken, dann geht es Himmelwärts. Bis zu den Himmeln haben mich nun die Hohenschwangauer »Engeln« gebracht! Ich möchte Sie, theurer Herr, lösen aus der langen Abschweifung die innige Theilnahme meiner Seele.

Rath Düfflipp wird viel berichten; die Zeitungsangelegenheit wurde bald in Ordnung gebracht, schwieriger zu behandeln blieb die Hauptfrage: die Intendanz. Der Freund meint es seinem Beschützer zu erleichtern indem er diese Fragen nur immer mit Rath Duffl. bespricht, und diesem die dringende Nothwendigkeit einer Verbesserung dieses Uebelstandes an das Herz legt. Es wurde viel und beinahe heftig darüber gesprochen, zuletzt schien Rath D. ganz aufgeklärt und einverstanden zu sein. Der Freund bat ihn nichts zu unternehmen sondern in sich noch alle gegebenen Gründe zu erwägen, die genaue dargestellte Sachlage zu betrachten, und dann sein Facit zu ziehen. Wir schieden freundschaftlichst – ich hoffe er wird nur Gutes und Schönes von Tribschen berichten. – Das Fröbelsche Programm erregt grosse Sensation; ich glaube es liegt in der Gründung dieser Zeitung die Möglichkeit zu der Wiedererweckung des deutschen Geistes, begrüsse sie daher mit wahrhaft gehobener Freude indem mein Herz Sie immer wiederum preist hoher Freund!

Mein Mann hat etwas unvorsichtiger Weise seine Cur forciren wollen, so dass er sie gänzlich hat unterbrechen müssen, jetzt ruht er sich blos auf St. Moritz aus. Am 16ten wird er in München eintreffen und natürlich ganz zur Verfügung stehen. Wir werden dort mit dem Vater zusammentreffen der jetzt die Wartburgfeier gut überstanden hat und sich sehr freut den Aufführungen in München beizuwohnen. Er bringt eine kleine Bande Musiker mit. Ich bin recht froh dass die grossen Mängel der Tannhäuser-Aufführung verschwinden – freilich sind nur die Mängel nicht die Schäden aufgehoben, die solche Mängel immer wieder bewirken, es ist aber schon viel. Frau Diez hat als Elisabeth auf der Wartburg den grössten Erfolg gehabt. Nie könnt ich es Ihnen gütiger Freund vergessen, dass Sie zuerst in Deutschland das Werk des Vaters aufführten, keine Verbreitung und keine Anerkennung desselben kann für mich die Bedeutung dieser ersten Aufführung gewinnen. Rath Düfflipp schied sehr bewegt von hinnen, ich glaube er hat gesehen und empfunden wie Sie hier geliebt werden und heilig verehrt. Es mag ihm wohl gethan haben der in seiner Sphäre gewiss genug der Treulosigkeit und des Undankes ansehen kann. Ich bin in fortwährender Angst mein hoher Herr, dass die Grossen Sie nicht lieben und in fortlaufender Verschwörung begriffen sind – das Volk aber das liebt den König, das baut auf Ihn – o verwünscht in alle Ewigkeiten die Menschen die das Band zwischen dem König und seinem Volk locker zu machen suchen, o glauben Sie an Ihr Volk mein theurer hoher Freund, wie Wir an das gesammte Deutsche Volk glauben, und das Wunder wird aus dem Glauben entspriessen.

Meine Kinder habe ich sehr stolz mit den so überaus gütig gesendeten Bildern, gemacht. Die Aelteste erklärte da »nun, da sie den König von Bayern habe würden wohl Onkel Richard und alle andren Menschen nach kommen« – Ich sagte dass Onkel Richard ganz richtig immer dem König von Bayern nach kommt – und alle andren Menschen thun es am Ende auch – meinen Sie nicht hoher Freund dass Ihnen – zuletzt alle Menschen wenn nicht in der Sammlung Senta's, doch in der Begeisterung nachkommen werden? Der Wegweiser that noth; er ist nun da, er lasse sich es ja nicht verdriessen die Menschen auf das Schöne zu weisen, sie kommen aus Furcht dann aus Ehrfurcht zuerst langsam mit der Zeit rascher nach. Sie werden theurer Herr, das Schöne nicht nur selbst genossen haben sondern eine dauernde Spur dieses heiligen Genusses hinterlassen. Dies meine festeste Ueberzeugung.

Jetzt scheide ich; vom Freund theile ich nichts weiteres mit da Rath D. gewiss viel berichten wird. Wenn ich bedenke dass die Vermählung unsres Herrn mit der Vollendung der Meistersinger zusammenfällt, dass die Musikschule und die neue Zeitung auch jetzt entstehen, dass viele Misverständnisse im Volke gelöst sind, ist es mir auf einmal als sähen wir einer prachtvollen Zeit des Wirkens und des Schaffens entgegen. Gewiss viele Opfer werden von allen Seiten da erheischt werden – allein wie schön wie trostreich die blosse Möglichkeit eines solchen Aufblühens! Theurer König wahren Sie sich die Geduld, denn alles alles ruht in Ihren gesegneten Händen. In den weitesten Fernen schwebe ich schon von der zuweilen so öde drückenden Gegenwart befreit – mit Ihnen geliebter Herr, wird einem das nicht schwer, die Wirklichkeit zu vergessen – giebt es ein Wesen dass Ihnen dieselbe auch vergessend ertragen lässt? Ja es giebt ein solches Wesen. In der Liebe zu diesem Wesen mit Ihnen mein König, ewig vereint, entsende ich Ihnen die Segnungen die es gleich mir täglich dem Retter spricht.

Cosima von Bülow-Liszt

Tribschen 7ten September 1867

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Theure Freundin!

Es ist meinem Herzen Bedürfniss, Ihnen für Ihren letzten, liebevollen Brief, den ich in Hohenschwangau erhielt, meinen wärmsten, tief innersten Dank zu sagen und Ihnen mitzutheilen, dass ich heute noch wie in Himmelshöhen mich selig fühle, so mächtig wonnebringend sind die Eindrücke, die durch die gestrige, mir ewig unvergessliche Aufführung des »Tannhäuser« empfing. – Tausend Dank sage ich Herrn von Bülow für seine unübertreffliche Leistung, für all die Liebe mit der er sich der schwierigen Aufgabe hingab, wie innig leid ist es mir, dass die Cur ihm nicht bekam.

Eines lastet wie ein trauriger Schatten auf meiner Freude über die Aufführung des Tannhäuser, der Gedanke nämlich, dass ich diesmal nicht in Uebereinstimmung mit dem grossen Freunde gehandelt habe, der von Anfang an diesem Unternehmen abgeneigt war, es ist mir als dürfte ich nicht mit ganzer Seele dieser ihrem Wesen nach doch erhebenden Freude mich hingeben – doch der Theure wird verzeihen und es begreiflich finden, dass nachdem ich so lange nach diesen ersehnten Aufführungen geseufzt habe, ich es endlich nicht länger mehr ertragen konnte, ich Seinem mir sonst in Allem heiligen Willen nicht entsprechen, ich musste in diesem Falle naturgemäss dem inneren Drange folgen, nenne man es Fehler oder Tugend, sieht es der Freund als ersteren an, so möge Er freundlich gedenken, dass die Uebertretung Seines Willens in meiner Liebe und tiefinneren Begeisterung für Ihn und Sein Werk seinen wahren Grund hat. – Gerne hörte ich die Meistersinger so bald als möglich, wie lange glauben Sie, theure Freundin, wird es hergehen, bis das ersehnte Werk zur Aufführung wird gelangen können, ich glaube nur Ihnen darin, geliebte Freundin, nicht etwa dem Intendanzrathe, der (um mit dem Volke zu reden) ja ohnehin auf dem letzten Loche pfeift; – denn seine Flöte wird bald gänzlich unbrauchbar sein. –

Wo ist Semper gegenwärtig? ist Porges endlich in München? Ich beschwöre Sie, den angebeteten Freund dazu zu vermögen, baldigst an die »Nibelungen« zu gehen, schon seit Jahren befiel mich die Angst dieses Riesenwerk möge Fragment bleiben, dies wäre fürchterlich, geradezu entsetzlich. Und dann »Parcival«! – Sie werden vielleicht nicht ohne Befriedigung von meiner Berufung Lipowsky's gehört haben, denn ich entsinne mich, dass in einem Briefe des vorigen Jahres die theure Freundin sich anerkennend über genannten Herrn geäussert hat; denn Herr v. Bülow kennt ihn persönlich. Wie geht es dem Herrn meines Lebens? Haben Sie erfreuliche Nachrichten von Ihm erhalten. – Düfflipp berichtete mir nur Schönes und Gutes über seinen Aufenthalt auf Triebschen, er war voll der dankbarsten Freude über die gastlich liebevolle Aufnahme, die ihm dort zu Theil wurde, von Seiten jener theuren Seelen, die ewig mir die Theuersten auf Erden bleiben werden; denn sie verstehen mich wie Niemand, keine Seele ausgenommen. Heil Euch und Segen, Ihr Lieben.

Sie schreiben mir von einem Wesen, das mir helfen soll die Welt, die öde, zu vergessen; durch Unsren Freundesbund, durch des Freundes und der Freundin Liebe geniesse ich Paradieses-Glück und durch den Geistesbund gleichgestimmter, für Unser Ideal entflammter Seelen, die Wir persönlich vielleicht gar nicht kennen; unser Reich ist nicht von dieser Welt. Wir sehen auf ihre Gebrechen mitleidsvoll herab und schwingen Uns selig in die Höhen, in denen nur Wir Uns heimisch fühlen können, durch höhere Kraft, die mit dieser Erdenwelt nichts gemein hat. Was ich eben jetzt Ihnen mittheilte, schliesst übrigens nicht aus, dass ich aufrichtige, wahre, innige Zuneigung für jenes Wesen empfinde. – Wie freue ich mich auf den Freitag, der »Lohengrin« Uns bringen wird, das ist stets ein Geistes- und Herzensfest, dem nichts auf Erden gleich kommt. Meiner Ansicht nach brachte Cornelius' Aufsatz über Lohengrin neben vielem Fehlerhaftem auch manches Wahre u. Anregende, gestern las ich den ersten Theil seines Aufsatzes über »Tannhäuser«, dieser wimmelt von den gröbsten Fehlern u. Irrthümern, den unglaublichsten Verstössen, Sie werden sich selbst davon überzeugen. – Von dem einstigen Friedrich erhielt ich jüngst einen Brief aus Aachen, wo er wohl nächstens gastieren wird, der Arme, in der That einer solchen Hirnlosigkeit, eines solchen Leichtsinnes, solcher ihres gleichen suchenden Dummheit, die wirklich an das Unglaubliche gränzt, hätte ich ihn nicht für fähig gehalten; wie kann man eine glänzende Stellung so aufgeben, einen alten Namen von gutem Klang so verunzieren, um einer leichtsinnigen, hässlichen Jüdin nachzulaufen. O sancta simplicitas! –

Es war mir Bedürfniss mich Ihnen mitzutheilen, theure Freundin, ich bin in freudigem Dankgefühle entbrannt für Ihn, der solche Wunder schuf auf der öden, hässlichen Welt, die ihrer kaum werth erscheint und für Sie und Ihren Gatten, die so viel dazu beitrugen, diese erhabenen, reinen Kunstgenüsse zu ermöglichen. – Seien Sie dafür gesegnet von Ihrem treuesten, aufrichtigsten Freunde. –

Ludwig.

Berg den 23. Sept. 1867.

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Am heiligen Michel-(Siegfried) Tag, das Fest der Drachen-Ueberwindung!

Treu geliebter König, gnädiger Freund!

Der letzte gütig gesendete Brief zeugte von so schöner Stimmung, dass ich mich vollständig über manche Sorgen die mir beinahe stets um das Herz wachsen, beruhigt fühlte; ich empfand wieder mit einer unbeschreiblichen Bestimmtheit dass Sie einen eigenen Stern haben, der für Sie waltet, und dem Sie folgen! In allem habe ich Sie, gnädiger freundlicher Herr, verstanden, und verehrt!... Mir war es beim Beginn der Tannhäuserklänge ganz märchenhaft zu Muthe; Sie hoher Theurer, einsam in Ihrer Loge, mein Vater, der diese Werke zuerst erkannte und für sie eintrat, bei mir, mein Mann unten im Orchester, der Freund, wohl abwesend, doch mir nah, durch des Beschützer's Liebe endlich in Frieden und Wohlsein, die himmlischen Töne dazu – – – ich dachte ich träumte, und doch sah und hörte ich alles! Die Vorstellung war schön, trotz der bewussten »Flöte« die beinahe der Schalmei Unsres guten Hirten recht geschadet haben würde. Ich nannte soeben den Vater, er ist seit acht Tagen hier und bleibt nur bis nächsten Mittwoch Abend; ich kann es nicht verhehlen dass sein höchster Wunsch dahin geht, seinem edlen, unserem theuren Beschützer, seine ehrerbietigste Aufwartung machen zu dürfen; ich bat ihn den bei Höfen übliche officielle Weg nicht einzuschlagen, indem ich mir erlauben würde die freundige Ehre für ihn zu vermitteln. Ich weiss der König genehmigt hierin meine Empfindung. Rath Düfflipp hat mich gestern wieder recht ängstlich gemacht, indem er mir erzählte der gütige Freund sei nicht wohl, auch von dem bösen Stein im Auge sprach er; um Gottes Willen, theurer Hoher, lassen Sie sich ehrerbietigst bitten, Sich zu schonen, ich bin noch ganz erschrocken von der Mittheilung. Mein armer Mann, der die königliche Hand in Dankesgefühlen ehrfurchtsvoll küsst, ist sehr leidend, ich habe dem Rath seinen Zustand auseinandergesetzt. Er freut sich aber sehr die Ehre zu haben bei der Vermählungs Vorstellung die Oper dirigiren zu dürfen, er wird eine Auswahl der dazu geeigneten Werke treffen, und dieselbe dem Rath D. zusenden. Die Meistersinger, mein hoher Freund, werden wohl ihre drei Monate erfordern; vorher ist aber nothwendig dass die bereits ausgeschriebenen Partien den vom Freunde bestimmten Sängern zugestellt werden, damit sie im Voraus sich mit der schwierigen Aufgabe vertraut machen. Ich wohnte gestern der Lohengrin Probe mit dem Vater bei, dieser war vom Orchester entzückt und sagte es sei das Beste dass er gehört; Nachbauer besser als Vogel, doch fürchte ich etwas die Unsicherheit seiner Intonation für heute Abend; im zweiten Akt kommt seine Stimme sehr glänzend und wirksam heraus; trotzdem er ein unglaublich einfältiger Bursche ist, ist er doch so gutmüthig dass ich ihm einiges sagte, wie z.B. dass das »Heil dir Elsa« nicht herausgebrüllt werden soll, und dass es bei diesen Werken nicht darauf ankommt zu zeigen ob man das hohe C. oder A, oder X und Z hat. Das Ganze ging gestern prachtvoll, und ich ward wieder so überwältigt, als ob ich nie einen Ton vom Freunde gehört hätte. Nach dem ersten Akte schluchzte ich wie ein Kind, es schauerte mir nach dem zweiten, und am Schluss war ich unfähig ein Wort zu finden. Sie können sich denken theurer hoher Freund, welche Genugthuung es für meinen Vater ist, welche Freude, die Werke die er mit Mühe und Noth, unter Schwierigkeiten oft der erbärmlichsten Art, im Kampfe mit der gesammten Presse, zur Aufführung brachte, jetzt von einem König beschirmt, von seinem Schwiegersohn dirigirt, mit Pracht und unter Jubel an das Licht treten zu sehen; denn was der »Flötenspieler« uns verdirbt, ist zu guter letzt gering in betracht dessen dass wir gewonnen, kann auch überwunden und beseitigt werden. Heil Ihnen theuerster holder Herr! – Vorgestern war mein Namenstag, den der Vater mit seinem kleinen Ungarischen »Cortège« im Atelier Kaulbachs feierte. Da mein Mann nicht sprechen darf, liess der Vater dorthin ein Clavier transportiren und spielte mir Einiges zu meiner grössten Freude vor, liess auch den ungarischen Geiger Reményi manches (in glänzender Weise) vortragen; es nahm sich die Musik in dem hohen von Bildern belebten Raum schön aus, das Publikum bestand aus einigen Künstlern, ich musste denken dass mein gütiger Freund, einiges Vergnügen daran gefunden haben würde – denn, das ist nun einmal so, und geht nicht mehr zu verändern, bei allem Schönen sind Sie mir, Theurer, gegenwärtig, ja bei jeder Freude; denn Sie sind der Quell meiner höchsten Freude, meines schönsten Glückes gewesen, ist es nicht natürlich und Sachgemäss dass Sie mir vorschweben wenn das Leben irgend welche anmuthige Form annimmt? Vom Freunde erwarte ich eigentlich heute einen Brief; was ich regelmässig von ihm höre ist gut und befriedigend. Ja, Tribschen ist schön, mein theurer königlicher Freund, so ruhig, so grossartig, so mannigfaltig, und die Räume sind jetzt sehr hübsch wohnlich, ich habe wiederum ein wenig aufgehängt, aufgestellt, gruppirt; der Freund hatte täglich seine Freude an all den hübschen Sachen. Sie, mein gnädiger wunderbarer Freund, haben ihm durch Ihre Liebe, auch möchte ich sagen, eine Vergangenheit geschenkt, jetzt ist er umgeben von sinnigen Sachen, von denen man annehmen könnte er habe mit ihnen gelebt, so gehören sie zu ihm. Nicht ein Mal, mein Freund, habe ich die Räume durchwandert ohne das Wunder zu preisen, aus meines Herzens Tiefe Gott! wer hat ihn denn geliebt? Gestern meldeten sich unter den vielen Fremden die jetzt hier sind, auch Wesendonks aus Zürich, ich eilte zu der Frau, weil mir alles werthvoll ist was jemals Wagner sich freundlich erwies, aber mein Schreck ist unbeschreiblich den ich da empfand. Diese Kälte, diese innere Theilnahmslosigkeit an allem Schönen – ich dankte dem Himmel als ich ging, dass der Freund von all den Beziehungen befreit ist und nur dem Einen ächten wahren, lebt, seinem Parcival! – Von Semper erfuhr ich lange nichts; doch was mir Rath D. von der bevorstehenden Berufung sagte, freut mich unaussprechlich, das ist ein Gewinn, und eine Ehre für ein Land solchen Mann zu haben. Kein Gebäude des so reich geschmückten Münchens, reicht dem Festtheater das Wasser! – Cornelius!! Ach Gott! Wenn die Leute nur Wagner nicht belehren wollten; ich war ganz empört über seinen Aufsatz, und will ihm sagen dass das nun nicht mehr so weiter geht; er soll für die S.D. Presse arbeiten; da bitten wir uns aber ein wenig mehr »Farbe« aus. Und Friedrich! ... ... Ich begreife nicht dass er den Muth hatte Seinem König, zu schreiben; er muss absolut verrückt gewesen sein, oder wäre die Eitelkeit so gross dass er sich einbildet mit seiner Stimme eine grosse Carrière zu machen? Wie man es auch deutet, es bleibt unerklärlich, und für mich eigentlich grauenhaft. All diese Wesen, die einem förmlich in der Hand zerrinnen. Mit der Musikschule wird es gut; mein Mann ist mit Baron Perfall recht zufrieden, er soll tüchtig und gescheidt gearbeitet haben. – Ich hörte etwas von einer Nürnberger Reise, und wünsche dem Theuren, Hohen, Glück und – – Geduld dazu. Es muss wohl sein; ich finde dass man das gewöhnliche Leben immer mehr wie ein tägliches Abmachen betrachtet; ich wenigstens thue alles was sein soll, zur Zeit wo es sein soll, meine Seele aber wandert ihre eigenen Bahnen dabei ungehindert. So ertrage ich ruhig die antipathischsten Beziehungen, denn mein Herz fühlt sich immer weit weit ab von dem gemeinen Zwang, o möge es Ihnen, Huldreicher, auch so gehen! Froh bin ich dass einige freie Zeit in Hohenschwangau gewonnen wurde, dessen Sie, Gütiger, so bedürftig sind.

Kann es dem Herzen unsres Herrn, wohltätig sein, Sich zu sagen dass in der Ferne treue dankbare lieberfüllte Seelen an Ihm unerschütterlich hängen, o so seien Sie, mein wunderbarer Freund, dessen versichert aus dem Munde der Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

29ten September 1867 /.

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Theurer Herr! Gütiger gnädiger Freund!

Ich hoffe dass ich nicht lästig erscheine, wenn ich heute wiederum meine Handschrift zu zeigen mir erlaube. Mein Mann bekam nämlich einen Brief den ich beizulegen wage; ich wusste nicht ob ich gerade hierüber mit Rath Düfflipp sprechen durfte, dann wussten wir auch nicht recht was wir thun und lassen sollten – das Beste wie immer schien mir zu sein, beim gütig hohen Freunde, anzufragen was Ihm genehm. Der Schreiber des Briefes ist ein Bayer, Sohn eines Offiziers – wenn ich nicht irre – er kam von Geibel besonders empfohlen nach Berlin, wir lernten ihn kennen und suchten ihm behülflich zu sein so gut es ging. Talent hat er (poetische Erzählungen von ihm haben mir ganz gut gefallen), allein nicht das wie es scheint, durchzudringen, auch weiss ich gar nicht wie es jetzt mit seinen Fähigkeiten steht, da wir seitdem wir München verlassen haben, gar nichts von ihm gehört. Mir ist es persönlich sehr unlieb dass er meinen Namen benutzt hat – allein ich kann es nicht verwehren. Will der Gnädige Freund, mir wissen lassen ob wir etwas angeben sollen oder nicht, würde ich tief dankbar Ihm dafür sein. Dass Dr. Heigel sich einbildet mein Mann sei »Freund« des Königs gehört so zu dem Geschwätz der Leute. – – –

Sonntag hatte ich wirklich einen Brief vom Freund; er schrieb namentlich vom Brief den ich ihm mitgetheilt, da ich wohl weiss dass diese Ergiessungen seine Seelenfreuden sind. Parzival's Brief! Er hat gesiegt! Was ist gegen diese liebvolle Glaubensfreudigkeit – aller Witz? Parzival hat mich tief erwärmt; er ist der »deutsche Jüngling«! – Die »Süddeutsche« macht mir grosse Hoffnung. Gott! es ist wirklich etwas zu Stande gebracht wofür ich – und ach! Du – vor zwei Jahren vieles gelitten haben. Nun ist's da. Und die Schule auch da – – wenn auch noch alles problematisch. O Parzival! Doch unser Einziger! Wir werden doch noch etwas erleben. Denk an die Meistersinger – sie werden am Ende doch bald aufgeführt. Es ist eigentlich eine ganz neue Geburt für das Volk.« – – Sie sehen gütiger Theurer, ob er Ihnen »verzeiht«, wie Sie so unaussprechlich schön und erhaben, sagen. Ich las seinen theuren Brief zweimal, und schickte ihn dann sobald als möglich dem Freunde; darum unterliess ich es leider in meinem letzten Schreiben mit Dank die gütige Erwähnung Lipowskys zu besprechen. Hoffentlich ist der Herr und König mit ihm zufrieden, ich befürchte ein wenig in Bezug auf die einfache Bequemlichkeit ein jeder Personenwechsel. Lipowsky gilt für ehrenhaft und tüchtig, und ich entsinne mich wohl ihn damals genannt zu haben. ––– Ich hoffe die letzte Lohengrin Aufführung hat Sie, mein theurer Herr, auch erfreut, mir schien das Orchester und die Chöre schöner denn je. Der Vater war entzückt, und einige Berliner und Wiener die wir sahen sperrten kurios Augen und Mund auf. Sie mögen dort oben ihre Zündnadeln zeigen und ihre gewiss schätzenswerthe Disciplin, Wir können hier auf den »deutschen Geist« weisen, dessen Offenbarungen Wir hier retten. Zumbusch – der jetzt die Büste vom Vater macht – erzählte mir Redwitz sei zu ihm gekommen, und habe vom Lohengrin gesagt: er habe nie im Theater sich so ergriffen gefühlt, es sei das Schönste, Poetischste, Reinste und Erhabenste das er kenne. So kommen sie alle nach und nach, langsam, aber sie kommen. – Wie bin ich dem hohen Freunde dankbar, mir und dem Vater erlaubt zu haben das Sempersche Modell anzusehen, es hat den Vater bezaubert und mich von Neuem ganz hingerissen. Ach! und das schöne künstlerische Leben dass mit dem Beginn dieses Baues eintreten wird, und die Hebung des Gewerbes – was 100 Akademien nicht zu Stande bringen befördert solch ein Unternehmen. Da muss ich doch mir erlauben ein kleines zu erzählen; der Vater besuchte den Grafen P. den er von früher her kennt, dieser stellte ihn seiner Schwiegertochter – wenn ich nicht irre – vor. Der Vater kam eben von der Besichtigung und sprach seine vollste Bewunderung aus; darauf die gute Frau aufgesprungen als ob sie die Tarantel gestochen hätte, zu was dieser Bau, diese Kosten, man weiss ja gar nicht was man darin spielen soll; der Vater lachte und sagte: »gerade in dieser Wuth brach Graf A. in Rom aus als die Rede hiervon war, erlauben Sie mir Ihnen zu wiederholen was ich diesem sagte? Man weiss sehr gut was man darin aufführen soll, aber selbst wenn niemals darin gespielt werden sollte, so ist solch ein Monument von der grössten Wichtigkeit für eine Stadt, es bringt das zehnfache ein das es kostet, und eine Stadt in welcher grosse Kunstwerke stehen, geht nie unter. Zweitens was die Kosten anbetrifft, in Paris geben sie 40 Millionen für ihr Theater aus, und bekommen kein Meisterwerk, Semper verlangt nicht 2 Millionen und bringt einen Bau wie ihn die moderne Welt nicht hat.« Darauf die Gräfin schon etwas verdutzt »Es macht uns aber im Auslande lächerlich« – der Vater »Gräfin, danken Sie Gott dass Sie bereits lange das Glück haben wie Sie sagen »lächerlich« zu sein«, sie schaute ihn verblüfft an, er fuhr fort: »Als König Ludwig I all die schönen Bauten aufführte, hat kein Mensch hier gewusst wozu, im Ausland hat man auch gewitzelt und sie lächerlich gemacht – – bis alles den schönen Impuls den der König von Bayern gegeben, nachmachte! Und München, Sie werden mir das zugeben, kann jetzt die vielbespöttelten und bekämpften Kühnheiten des Königs Ludwig I preisen.« – – Darauf ergab sich die gute Frau.

Ich wollte nur zwei Worte sagen und bin in das »Plaudern« hineingerathen, hoffentlich nimmt es mein theurer Herr, gnädig auf. Es ist mir immer eine Wohlthat all die Träume, all die Wunder, all die Märchen, mit dem Träumeverwirklicher, dem Wunderthätigen, dem freundlichen Zauberer zu besprechen; dann weiss ich: es ist so und nicht anders.

Den Segensgruss der treuen dankenden Liebe entsendet die Freundin dem hohen Gütigen!

Cosima von Bülow-Liszt

München. 7ten Oktober 1867 /.

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Liebe, theure Freundin!

Ich jubelte förmlich auf in meinem Herzen, als ich Ihre beiden, letzten Briefe las; innig hat es mich beglückt, Sie in so freudigerregter, gehobener Stimmung zu wissen, die auch mich überkam und mich beseligte, obwohl ich auch gerade in der letzten Zeit ernste, sehr ernste Tage erleben musste. – Nun ist es entschieden, was mich quälte und so ist es gut, ich bin wieder ruhig und heiter, der Friede, der aus mir geflohen war, ist wieder eingekehrt in meine Seele und wird, wie ich sicher hoffe und fest glaube, nie wieder mich verlassen. – Da ich weiss, dass die von mir innig und treu geliebte Freundin den wärmsten, aufrichtigsten Antheil an Allem, was mich betrifft, nimmt, an meinem Glücke wie an meinen Leiden, so folge ich auch dieses Mal dem Drange meiner Seele und schütte Ihr mein Herz aus, was stets so liebevoll von Ihnen aufgenommen wurde. – Als ich im vorigjährigen Sommer öfters meiner Cousine Sophie schrieb und ihr über den auch von ihr mit Begeisterung verehrten und geliebten Meister, Unsrem grossen Freunde, Mittheilung machte, Bücher, Briefe etc. sandte, so erfuhr die Mutter derselben von dieser zwischen mir und ihrer Tochter bestehenden Correspondenz und dachte in ihrer plumpen, ungeschickten Art, es wären gewöhnliche Liebesbriefe, dass es sich um rein geistige Beziehungen handelte, konnte sich dieser Drache nicht denken, denn so sind nun einmal diese beschränkten Menschen, an alles Erhabene legen sie ihren eigenen kurzen Maasstab. – Sophie, deren Zuneigung zu mir in der That wirkliche Liebe war, fühlte sich namenlos unglücklich, als sie hörte, dies wäre meinerseits nicht der Fall; aus Rührung und wirklich aufrichtigem Mitleiden für ihre unglückliche Lage liess ich mich zu dem unüberlegten Schritte der Verlobung hinreissen. – Ich kenne sie von Jugend auf, liebte sie stets als theure Verwandte, treu und innig, wie eine Schwester, schenkte ihr mein Vertrauen, meine Freundschaft; aber nicht Liebe. Sie können sich denken wie entsetzlich für mich der Gedanke war, den Vermählungstag nun immer näher und näher heranrücken zu sehen, erkennen zu müssen, dass dieser Bund weder für sie noch für mich glückbringend sein könnte und doch war es schwer, sogleich wieder zurückzugehen, »nach Freiheit nur verlangte ich, nach Freiheit, Freiheit dürstet's mich«, nun habe ich mich losgerissen, warum sollte ich gewaltsam in mein Unglück blindlings hineinrennen, ich, der ich noch so jung bin, noch immer das mir von Gott bestimmte Wesen zu finden Zeit genug vor mir habe? warum mich fesseln, selbst in Bande schmieden, ein Wesen heirathen, das ich als nahe Verwandte stets liebte, aber nicht so, dass ich sie zu Königin und zu meiner Gattin erheben will, schwarz und düster verhüllte sich mir die Zukunft, warum sollte ich mir für immer die Möglichkeit abschneiden, glücklich zu werden? Wenn nun etwa binnen Jahresfrist das Wesen sich gezeigt hätte, von dem ich wusste, dass das die mir von Gott Bestimmte sei, wenn nun zu dieser mich die wahre Liebe gezogen hätte, der ich hätte folgen müssen, wie namenlos elend wäre ich geworden, Alles wäre zu spät gewesen, ich hätte fortfahren müssen, mich der nun einmal angetrauten Sophie aufzuopfern; o es muss ein schreckliches Loos sein, aufgeopfert werden. – Da galt es, das Ungewitter zu zerstreuen, das ich selbst über meinem Haupte heraufbeschworen hatte, ich dachte der erste Verdruss ist besser wie der letzte und setzte Sophie in einem ausführlichen Schreiben Alles auseinander, nun ist ihre Hand frei, sie kann noch glücklich werden und ich.

O wohin wäre es mit all Unsren Plänen gekommen, wenn die unglückbringende Ehe nun geschlossen worden wäre, wenn das innere Leiden, Gram und Trauer mich verzehrt hätten, woher hätte ich den Schwung zur Begeisterung für Unsere Ideale genommen, mein inneres Mark wäre gebrochen gewesen, zerrinnen wie müssige Hirngespinste hätten all die goldnen Träume müssen, keine Kunstschule wäre entstanden, kein Fest-Theater hätte sich je erhoben, für mich hätten die Meistersinger nicht existiert, die Nibelungen, Parcival hätten mich nicht durch ihre Wonnen beseligt, mein Schatten nur hätte auf Erden ein trübes friede- u. freudeloses Dasein geführt und zehnfacher Tod wäre mir erwünschte Lust gewesen; Alles, Alles wird nun, ich bin erwacht aus qualvollfolterndem Traum, fühle die alte, ungebeugte Heldenstärke in mir, die ihrer hohen Sendung nicht untreu werden muss, Heil Wagner, für Dich vergiesse ich froh mein letztes Herzensblut! – Brauche ich Ihnen zu sagen, wie namenlos glücklich mich die letzte Lohengrin-Aufführung machte? aus ihr erwuchs mir die Kraft, die lästigen, einengenden Bande gewaltsam zu sprengen, o immer übt dieses gottentstammte Werk seine Wunderkraft aus! – Anfangs Februar hoffe ich sicher die Meistersinger hören zu können.

Wie sehne ich mich nach Fortsetzung der Biographie, o bitte, bitte! – O nun lebe ich wieder auf! Ja jetzt erkenne ich sie wieder, die schöne Welt, der ich entrückt, der Himmel blickt auf mich hernieder, die Fluren prangen reich geschmückt; der innere Frieden, die frohlockend jauchzende Seelenfreude lässt keine Sorge aufkommen, da blühen Blumen den inneren geistigen Augen, wo in der Wirklichkeit nur kalte Eis- und Schneegefilde (wie jetzt hier) sichtbar sind, von Poesie ist das herrliche Hohenschwangau durchweht, obgleich heute Abend leider meine Mutter und mit ihr die personificierte Prosa ihren Einzug hält. –

Mit Schauder blicke ich das heutige Gekritzel an, Vergebung, aber Papier und Federn waren unter aller Kritik. –

Tausend Grüsse der geliebten Freundin! Treu bis zum Tod!

Ludwig.

Hohenschwangau 8. Okt. 1867.

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Theuerster Herr und Freund!

Was kann nun die Freundin anders als – – – gratuliren? ... Sie wissen, mein gnädiger Freund, wie ich Ihnen eine Gefährtin gewünscht habe die mit Ihnen Freuden und Nöthen des Lebens theile, wie ich glücklich war als Sie meinten dieselbe gefunden zu haben. Wenn Sie, Hoher, mir heute sagen: diese war es nicht, dann kann ich nur Glück wünschen dass der gewiss überaus schwere Schritt gethan. Ich gestehe es – als ich von der » Drachen« Einmischung bei der Verlobung einiges hörte, hatte ich eine unaussprechliche Angst, doch ich weiss was man auf das Gerede der Leute im Allgemeinen geben soll, und der alles überflügelnde Wunsch Sie von einer treuen liebevoll verständnissvollen Seele umgeben zu wissen, liess mich über meine eigene Sorge die Achsel zucken. Jetzt bin ich wiederum (zwar in andrer Weise) besorgt; ich fürchte die »Drachen«; ich fürchte sie sehr. Man wird wüthend über den Entschluss sein, die mächtigen Connexionen können viel Uebles anrichten, die Zeiten sind schlimm, o dürfte ich Sie in Demuth und Liebe bitten, mein Freund und König, der Einsamkeit sich etwas zu entziehen, dass das Volk seinen Herrn besser kenne; der guten Sache wegen bitte ich Sie darum. Ich glaube dass wenn Sie, theurer Herr, dies über sich vermögen, die bedeutende Entscheidung gar keinen Eindruck machen kann, denn die Familie Max – wie das Volk sich ausdrückt – ist nicht beliebt, aber mächtig ist sie und böse, sie wird einen Vortheil aus der Zurückgezogenheit des Königs ziehen wollen – und Oesterreich? ...

Das meine einzige Angst; sonst theurer Freund, hoher Herr, wie sollte ich das Gefühl der Befreiung dass Sie beseelt nicht begreifen und mitempfinden? Ach! die Leute die alles arrangiren und gut machen wollen, die bringen die ärgsten Misverständnisse zu Stande; und da es nun einmal so war, da die »Drachen« hatten Vorsehung spielen wollen, so war es gewiss das Beste dass Sie sich am letzten Momente noch Wahrheitsgemäss erklärten – Prinzessin Sophie thut mir einzig dabei leid; liebt sie aber so wird sie sich schön ergeben, liebt sie nicht – nun dann muss ja auch sie wie befreit sein. Haben Sie Dank mein hoher Freund, dass Sie die Mittheilung mir machten, es mögen schwere schwere Tage gewesen sein! Was der Privatmann leicht kann, wird für den König beinahe unüberwindlich, und abgesehen von der öffentlichen Tragweite dieser Handlung, Ihr schönes edles Herz mag es schwer genug empfunden haben der Prinzess dieses Leid anzuthun. Ich möchte sie liebte Sie mein König, entweder gar nicht, oder grenzenlos; in letzterem Fall würde sie dem »Bruder« Dank wissen wahr und offen gegen sie gewesen zu sein, und würde die augenblickliche peinliche Lage gar nicht bedenken. Nun die »Allenderin« die Zeit, wird wohl auch hier Balsam geben – ich gestehe es ich möchte einige Monate älter sein, ich fürchte das Spinnengewebe der Intrigue, ich fürchte es sehr! O mein König, verzeihen Sie der Sorge der Freundin!

Mein Vater kehrt heute Abend von Triebschen zurück; hoffentlich bringt er mir gute Nachrichten vom Freunde. Ich schickte diesem den Brief meines Herrn – ich weiss, er auch wird in grosser Sorge sein. – Es giebt viel Noth hier immer mit dem Theater; der gute Intendanzrath engagirt, arrangirt nach Belieben ohne ein Wort zu sagen, wir haben aber doch Hans Richter als Chordirektor förmlich »eingeschmuggelt«; er wird unentbehrlich zu den Meistersingern sein. Mein Mann möchte gern noch die Iphigenie von Gluck mit der Wagnerschen Bearbeitung – welche in Wien soeben gegeben worden ist – hier zur Aufführung bringen; ich sagte ich würde diesen Wunsch dem allergnädigsten Herrn ehrfurchtsvoll unterbreiten.

Nebst einigem andren habe ich jetzt die Aufgabe eine Cousine Bülow aus Mecklenburg (!!) zu unterhalten, dieser nun klar zu machen dass die Schweriner Angelegenheiten mir einigermaassen fremd sind, ist sehr schwer; was würden Sie theurer Hoher, zu dieser Prosa sagen? ...

Ich freue mich sehr auf die Aufführung des »Wunderthätigen« Morgen, wenn ich auch befürchten muss dass dieselbe sehr ohne Sinn und Verstand sein wird, und dass die Rheinbergersche Musik dem eigenthümlichsten Spanischen Genie sehr wenig angepasst sein dürfte. – Die Musikschulen-Sitzungen gehen ihren Gang, es fällt mancherlei darin vor dass meinen Mann nicht erbaut, doch er schweigt um nur die Sache im Geleise zu bringen, ist dies einst geschehen, dann wird er schon »Deutsch« reden.

So leben Sie denn »frei« wohl und auf, mein hoher Freund! Möge der Gedanke dass eine treue Freundin Sie in allem versteht und alles mit-empfindet, Ihnen gnädig Gütiger, die Nöthen des Lebens erleichtern.

In ewiger dankender Treue

Cosima von Bülow-Liszt

10ten Oktober 1867 /.

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184

Mein theurer gnädiger Herr! Gütiger Freund!

Rath Düfflipp übermittelte mir die schöne Gabe die Sie Hoher, mir zugedacht haben. Soll sie mir die liebste der Welt sein, so soll sie nur schöne Stunden Ihres Lebens mir zeigen; das edle Sinnbild der Mutter des Heilands welche ihm treu bis zum Kreuze folgte, das höchste Beispiel von Mutterliebe vom grossen Künstler erfasst und wiedergegeben – doppelt gerne trage ich es und betrachte ich es jetzt wo es mir das Symbol Ihrer Güte gegen mich geworden ist, mein theurer hoher Freund! –

Diese ganze lange Woche hatte ich keine Nachricht vom Freunde, dafür erbaute ich mich aber an Deutsche Kunst und Politik die ich ganz unvergleichlich schön finde. Bis jetzt hatte man den Freund in München nicht errathen; nach No. VI aber glaube ich, wird keiner in Zweifel sein. So viel man über König Max geschrieben hat, keiner hat meines Wissens, den Gedanken des Maximilianeums so erfasst wie der Freund, welcher doch anscheinend diesen Dingen so ferne steht. Ich meine der theure Herr wird Freude an den Aufsätzen gehabt haben. –

Bei Zumbusch welcher die Büste meines Vaters macht, traf ich O. von Redwitz der mir bei weitem besser gefiel als ich es erwartet hatte, nachdem mich seine dramatische wie lyrische Gedichte wenig erbaut hatten. Ich sehe mir alle Menschen auf mögliche Intendanten an; denn es ist und bleibt arg hier. – –

Was mich sehr verwundert hat ist die allgemeine Aufnahme der grossen Nachricht, ich hatte einige Theilnahme für die eine Seite erwartet, doch gross war mein Staunen als ich überall nur hörte: »Das ist gut! Nur nicht diese Familie!« Der Volkssinn ist meist immer merkwürdig richtig.

Ich habe meinen Vater noch auf einige – fünf bis sechs – Tage zurückgehalten, morgen lasse ich ihn jetzt nach Rom ziehen, obgleich er nicht im Mindesten beunruhigt ist, und falls er es wäre nur um so rascher dorthin reisen würde. Bald erwarte ich meine Schwiegermama die ich bewogen habe nach München zu kommen, da sie allein und bejahrt ist; die gute Frau theilt nicht eine einzige meiner Ansichten, doch bin ich so übermuthig über den Gang Unsrer Sache, so zuversichtlich über die weitere Entwicklung des hiesigen Kunstlebens, dass ich mir die Lasten der ganzen Welt aufbürden möchte um das eine Glück zu sühnen. Weiss ich Sie froh mein König, den Freund wohl, zufrieden, und schöpferisch gestimmt, sehe ich uns hier – langsam – aber doch vorwärts gehend, dann wüsste ich gar nichts dass mir schwer fiele.

Alle guten Geister mit Ihnen, mein hoher Freund, der Sie Unser Guter Geist sind! Ich sehne mich bald zu hören wie Sie Gütiger die schwere Zeit überstanden haben!

In treuer Hingebung, Dankbarkeit und Liebe, grüsst die Freundin.

Cosima von Bülow-Liszt

20ten Oktober 1867 /.

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185

Mein theurer Herr und gnädiger Freund!

Der Vater ist heute abgereist, ich habe viel geweint, doch bin ich froh! Soll ich es sagen? Es herrscht in der ganzen Stadt Freude über das königliche Auftreten des Herrn dem Reichsrath gegenüber, und dies thut meiner Seele so wohl dass ich glücklich bin – wenn noch so traurig. Dann brachte der treffliche Rath mir schöne Hoffnungen von Hohenschwangau mit, es wird nun alles! Dann habe ich eingehend mit Baron Perfall gesprochen und er hat mir den besten Eindruck gemacht, er wird der Sache dienen. Dann sind die Meistersinger vollendet und der Freund auf dem Weg nach Paris. Dann – das hätte ich zuerst sagen sollen – der hohe Freund ist wohl und bleibt uns gnädig! Die Musikschule geht sehr gut, mein Mann ist ausserordentlich zufrieden, ist das Theater geregelt, dann ist alles geschehen, und im Dezember beginnen die Proben!! Ich kann nicht sagen wie der gute Rath mich gefreut hat wie er von der baldigen Lösung der Frage sprach – ich bleibe dabei dass Perfall sich sehr gut für die Stellung eignen wird.

Gott segne unsren Schirmherr, unsren König, unsren Freund! Das Theater wird ein edler Tempel werden, Ihnen, mein gnädiger Freund, und des theuren Meisters würdig! Nur diesen Gruss wollte heute entsenden die ewig Dankende!

Cosima von Bülow-Liszt

28ten Oktober 1867 /.

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Theuerste Freundin!

Ich kann mir die Freude nicht versagen, heute noch, als am ersten Tage meines Hierseins, einige Zeilen an Sie zu richten. – Tausend Dank für zwei so liebevolle Briefe, den letzten erhielt ich gestern, als ich von Hohenschwangau kommend, in Unterpeissenberg den Wagen bestieg, mit inniger Freude erfüllte er mich und wahrer Erhebung, viel trug er dazu bei mir das Hierherkommen zu erleichtern; denn die geliebte Freundin wird es begreiflich finden, dass es mir stets schwer fällt und einen inneren Kampf kostet, wieder in die Stadt zu kommen, wo ich schon so viel Trauriges erlebt, so Schmerzliches erlitten habe. – Auch heute war ich den ganzen Tag über in der trübsten, melancholischsten Stimmung, sehr freue ich mich bald fort zu kommen, ich werde die Stadt verlassen, sobald das Wichtigste erledigt sein wird. – Gottlob, Unsre eignen Angelegenheiten stehen gut, die Leute nehmen nach und nach Vernunft an und doch fällt es schwer alle Leiden zu vergessen, die meine theuern Freunde und ich durch eben jene Menschen durchzumachen hatten. – Ich ersuche die Freundin dem geliebten Freunde in meinem Namen mitzutheilen, dass ich in allernächster Zeit schon Ihren Vater ersuchen lassen werde, bleibend hier seinen Wohnsitz zu nehmen und dass ich ihm die Leitung der Kirchenmusik anvertrauen will; ebenso dass ich Semper hieher berufen werde; ich ersuche Sie ferner was nur immer in Ihren Kräften steht aufzubieten, um Ihren theuern Vater zu bewegen, meinem sehnlichen Wunsche Folge zu leisten.

Gewiss bin ich, dass die theure Freundin an den Skizzen zu den »Meistersingern« Freude finden wird. So gerne hörte ich im nächsten Winter von Gluck'schen Opern: »Armida, Orpheus und Euridyce und die beiden Iphigenien«, wie schön wäre es, liesse sich dies ermöglichen.

Mit jedem Tage freue ich mich aufs neue, der wiedergewonnenen Freiheit, die Verbindung mit Sophie wäre mein geistiger Tod gewesen; nun erwacht das alte Begeisterungsfeuer mit neuer Gewalt und bei Gott, ich will wachen, dass es nie mehr in Gefahr kommen soll zu erkalten. –

Nun muss ich schliessen, denn es ist schon gleich ½1 Uhr in der Nacht. Viele Grüsse an Herrn v. Bülow. –

Treu und liebend, unerschütterlich glaubend und muthig hoffend bis zum Tod

Ihr

Freund Ludwig.

München 31. Okt. 1867

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187

Mein theurer gütiger Freund, treu geliebter König!

Nach Hohenschwangau, wo Sie gerne weilen, entsende ich mit Freuden den Gruss! Hier wollte ich mich unter der Unzahl von Lasten, Zerstreuungen, Verpflichtungen (und wie all die Dinger heissen!), nicht drängen, dorthin wo Sie sich theurer Hoher, wohl fühlen, sagt die Freundin Ihnen von ganzer Seele Willkommen! Hier begnügte ich mich damit bei der neulichen Aufführung von Don Juan Sie zu erblicken, freudig zu sehen dass Sie wohl sind, und den gnädigen holden Beschützer, von der Ferne zu begrüssen! Hier ist nun alles wieder beglückt und froh; die Leute können sich nun untereinander erzählen dass sie ihren König gesehen, woran ihnen viel liegt was ich ihnen nicht verdenken kann (Verdenke der theure edle Freund mir das nicht verdenken, nicht!). Ich war gestern nicht in den Hugenotten; wenn es gar zu »festlich beleuchtet« hergeht, halte ich mich lieber fern, ich weiss auch wie unsrem Herrn dabei zu Muthe ist, und dass mich jemals ein Mächtiger, Kaiser, Czar, Sultan, oder Dalai-Lama, aus dem Hause locken sollte – mit Ausnahme des einzig Mächtigen der uns gnädig war – bezweifle ich. Heute früh hörte ich bereits viel erzählen, viel Unsinniges dazu; der König habe sich mit Prinzess Sophie wieder vereinigt; ich gab kein Sterbenslaut von mir und liess wie gewohnt die Guten sich ausschwatzen. Ich hatte neulich die Ehre der Frau Grossfürstin Helene mich vorstellen zu dürfen, sie schien sehr glücklich zu sein den König gesehen zu haben, und wenn ich mich nicht sehr täusche, ist sie durchaus fähig dem Geiste und dem Herzen nach, das Grosse dass Sie, Theurer, wollen und verwirklichen, zu empfinden. Sie war äusserst freundlich gegen mich und hat mir den angenehmsten Eindruck gemacht. In ihrer Hofdame Frl. von Rahden lernte ich ein selten begabtes Wesen kennen, ernst und gut; wir schlugen bald das Wagner-Capitel an und verstanden uns. Dass die Frau Grossfürstin nicht damals für den Freund that was anscheinend so leicht und zugleich auch so wichtig war, Gott, da mögen die Umstände Schuld daran tragen, sie selbst war gegen ihn äusserst freundlich und gütig. Das kann man nun Niemandem Uebel nehmen, dass er nicht das that was Sie thaten, mein unvergleichlicher Freund!

Die Berufung meines Vaters rührt mich tief! Ob er derselben augenblicklich nachkommen kann, weiss ich nicht, jedenfalls ist sie eine schöne Perle in der langen goldnen Kette von Gnaden die uns ewig an Sie Hoher, Gnädiger, fesselt. Unabsichtlich bin ich im Bereich des Schmuckes gelangt, und da muss ich wiederum mit Dank halt machen; das Vergissmeinnicht-Kreuz will ich tragen bis ich es Senta um den Hals hänge, und ihr sage dass die schönsten Blüthen der Liebe auf dem Kreuze des Lebens Uns geblüht haben. Der ganze Schmuck ist lieblich und – – trägt Ihre Farbe! Die Meistersinger-Skizzen sind nun wohl nach Luzern abgeschickt worden; sie sind sehr hübsch, einige Bemerkungen hätte ich nur in Bezug auf die Costüme zu machen gehabt. Doch das wird der Freund viel besser thun. Ich hatte heute den ersten Brief seit seiner Rückkehr aus Paris, er fühlt sich wohl auf Tribschen und corrigirt nun an der Biographie. Ich erlaube mir hier das erste Blatt von seinem letzten Brief aus Paris beizulegen, weil er mir so ur-eigenthümlich ihn selbst mir wiedergab, ich hätte ihn gern abgeschrieben doch mir wollte es dünken dass mein hoher Freund lieber diese Ergiessungen in der Schrift des Freundes lesen würde. Für die mitlaufenden Angaben von Besorgungen um die ich ihn gebeten, bitte ich um Entschuldigung. –

Semper's Berufung wird hier mit der grössten Freude begrüsst werden, es ist dies Ihrer mein königlicher Freund und Herr, ganz und gar würdig.

Die Leute werden nun hier allmählig vernünftig, und ich glaube dass die grossen Veränderungen die bevor stehen ohne jeden Anstoss vor sich gehen werden. Ich erlaube mir auch ein Briefchen des guten Richters beizulegen, den wir hier nun auch endlich mühsam in einer kleinen Stelle angebracht haben, der aber vortrefflich später sich zum Musikdirektor eignen wird. Dieser Brief zeugt von der Herzensgüte dieses braven Menschen in welchem der Freund wirklich einen Fund gethan hat. Mein Mann kündigt zum besten eines Fonds für arme Tonkünstler drei Beethoven Soiréen an; es liegt ihm daran endlich die Thorheiten von »klassisch« und nicht »klassisch« zum Schweigen zu bringen. Neulich sagte Porges sehr richtig: »ich kenne keine klassische Musik, es giebt gute und schlechte, und wir machen gute. Wenn man unter »klassisch« die Stileinheit versteht, was das Richtige ist, so ist Tristan und Isolde klassischer als Don Juan«. Das hat mir sehr gefallen. – Mein Mann wird mit grösster Freude die Gluck'schen Werke zur Aufführung bringen, und hofft darin die Zufriedenheit seines Herrn sich zu erringen. Die Musikschule geht sehr gut, Cornelius bewährt sich, die andren Lehrer sind auch brav – weiss der theure Beschützer, dass die Münchner Schule die erste königliche Anstalt dieser Art in Deutschland ist? Ueberall sind es Privat-Anstalten. –

Der Himmel wahre Ihnen, theuerster Herr, Freude und Ruhe – über den Besuch in Possenhofen an welchem sich die erwähnten thörigen Gerüchte knüpften – habe ich mich herzlich gefreut. Gott gebe die Prinzess verstehe Sie nun besser als früher! –

Nun seien Sie Freund und Herr, im Namen alles Schönen und Edlen tausendfach gegrüsst von der ewig treuen Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

7ten November 1867 /.

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Theuerste Freundin!

Mit dem innigsten Danke sende ich Ihnen die mir so liebevoll mitgetheilten Briefe zurück, es war mir wirklich ein Genuss sie zu lesen. Wie treffend und scharf charakteristisch sind doch die Aeusserungen des Freundes über die Pariser Zustände und Personen; ich habe mich wahrhaft daran erbaut. – Sehr froh und glücklich bin ich nun endlich wieder in meinen lieben Bergen weilen und die mir so wohlthuenden u. stärkenden Bewegungen im Freien machen zu können; es ist eine wahre Qual, lange in den Zimmern eingesperrt sein zu müssen; während meines 8tägigen Aufenthaltes in der Residenzstadt kam ich nur wenig zum gehen und zum Genuss frischer Luft; im übrigen bereue ich nicht, dort gewesen zu sein, die bockbeinigen Reichsräthe bekehrten sich doch noch im letzten Augenblicke.

Erst jetzt habe ich die genügende Zeit gefunden, um den so höchst interessanten Aufsatz des theuren Freundes über »Deutsche Kunst und Politik« lesen zu können; er hat mich wahrhaft begeistert, es kann nur von den allersegensreichsten Folgen sein, würde der Freund öfters Seine Ansichten auf diesem Wege der Oeffentlichkeit kund geben; würden doch auch die andern deutschen Fürsten diesem Aufsatze ihre Aufmerksamkeit schenken; o es ist nur allzu wahr, was der Freund über die Entfremdung zwischen den deutschen Fürsten und ihren Völkern sagt, dass diesen so oft mit schwarzem Undanke gelohnt wurde und dass von den Fürsten kräftige, segenbringende Thaten als Sühne zu erwarten sind. –

Es ist wirklich zu albern, was die Leute in München Alles daher schwätzen, wie können diese Menschen doch solchem Zeuge Glauben schenken. Ich bin sehr froh mit Possenhofen und seiner Einwohnerschaft nichts mehr zu schaffen zu haben; ich glaube sicher annehmen zu dürfen, dass auch Sophie nun völlig beruhigt ist, da sie längst weiss, dass ich sie nicht liebe, so hätte sie ja durch mich unmöglich glücklich werden können, wir Beide taugen nie und nimmermehr zusammen; Gottlob, dass ich sie los wurde!

Tief würde ich es beklagen, wenn Ihr von mir hochverehrter Vater meiner Einladung, auf immer nach München zu kommen, nicht Folge leisten würde, in Seinem letzten Briefe sprach der Freund die bestimmte Zuversicht aus, Ihr theurer Vater würde meinem Wunsche entsprechen wollen.

Ungemein freue ich mich auf die Aufführungen der Gluck'schen Meisterwerke; sehnlich wünsche ich auch im Laufe des kommenden Winters einige neu einzustudierende Dramen von Calderon und althellenische Tragödien zur Aufführung gebracht zu sehen, wie die Oresteia und die Oedipus-Trilogie; gewiss stimmt die theure Freundin meiner Meinung bei, dass es endlich Zeit sei, solche Werke dem Publikum vorzuführen, welche ihm die Augen über den Irrthum öffnen, in dem es beständig über das Theater und seine tiefe Bedeutung schwebt; jetzt ist es noch Zeit, bevor es versinkt und gänzlich verdirbt in dem Sumpfe der Gemeinheit, in dem grundlosen Boden des Materialismus; jetzt werde dem Volke die erlösende Hand geboten.

Dass Schmitt's und Lachner's Entfernung vor der Thüre ist, werden Sie gehört haben und so wären dadurch die Haupträdelsführer der feindlichen Bande, die Uns so unheilbringend war, auseinander gesprengt und in nicht mehr ferner Zeit steht es als vollendet da, das herrliche Werk, der glänzendste Sieg und Triumph des Reinen, Erhabenen wird Uns blühen und Wir können dem überwundenen Gezücht der Nattern und Molche zurufen: Tod wo ist dein Stachel?? – Tod wo ist dein Sieg?! – Und Unsre That sie wird von bleibendem, durch nichts zu zerstörendem Heile sein für das deutsche Volk, die ihre Früchte noch in späten Jahrhunderten kommenden Geschlechtern wird reichen und sie anfeuern zu neuer Begeisterung für das ewig Reine, ewig Wahre und Schöne; und in ihr Nichts wird sie zerfallen, die übertünchende französische Civilisation mit ihrem gleissenden Firniss; ihr Reich ist aus, der deutsche Geist wird sie zu schanden machen.

Doch nun muss ich schliessen, es ist ein herrlicher Novembersonntag, nun hinaus in's Freie, auf das muthige Ross mich zu schwingen! – Treu bis zum Tod, liebend bis in jene Welten

Ihr

Freund Ludwig.

Hohenschwangau

am 10. Nov. (Schiller's Geburtstag.) 1867.

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189

Theurer Herr, und gütiger Freund!

Mit doppelter Freude begrüsse ich die liebe Sonne wenn sie jetzt sich zeigt, ich denke dabei an die grossen Freunde in Hohenschwangau und auf Tribschen! Mögen beide Theuren Hohen, sich ihrer erfreuen – hier in der Stadt ist die gute strahlende zu nicht viel Nutz, es bleibt halt die Stadt, mir aber legt sie stets unermessliche Hoffnung im Herzen.

Der theure Herr wird nun wohl auch die Fortsetzung (VII) zu den schönen Aufsätzen Kunst und Politik, gelesen haben, heute kam eine Besprechung der Riehl'schen Novellen, alles ganz herrlich; mir ist es als ob nach und nach wir ein ganz andres Publikum und andre Kunstzustände bekommen müssten. Ich kann kaum den Moment erwarten wo die Theaterangelegenheit geregelt sein wird; es ist gar nicht zu sagen wie es hier hergeht. Freilich wäre es schön und Ihrer hoher Herr, würdig die griechischen Tragödien aufzuführen – allein mit wem? Die paar Leute die mit grossem Fleiss und Studien allenfalls hätten gebraucht werden können, sind hier schmählich entfernt worden. Doch gewiss mit einer neuen Organisation des Theaters werden derartige Aufführungen ermöglicht werden. Ich bin der festesten Ueberzeugung dass Baron Perfall auf jede hohe edle Intention eingehen wird, sein rechtschaffener Charakter wie sein offener Kopf sind mir die sicheren Bürgen dass er für den hohen Willen unseres königlichen theuersten Herrn die schuldige Ehrfurcht haben wird.

Ich werde es nie vergessen wie Intendanzrath Schmitt (a propos von den unsinnigen Summen welche Frl. Janauschek gegeben wurden) sagte: »Der König liebt die klassischen Werke, nun da kann Er auch dafür zahlen!« Ich erschrak über den frechen Cynismus, schwieg und ging. Wenn das Theater in guter anständiger Ordnung ist, dann fürchte ich für nichts mehr, dann weiss ich auch dass die Anstrengungen der Musikschule die schönsten Früchten tragen werden, dann wird ein einheitlicher Geist die Kunstzustände nach und nach erhöhen, bis zum Semperschen Festbau und die Aufführung darin – dann theurer herrlicher Freund, haben Wir das Unsrige gethan, und haben ein Beispiel gegeben! So lange das Theater aber nicht von Ihrem Geist und Wollen durchwebt ist, mein theurer gütiger Herr, so lange ist alles verloren, die goldenen Worte des Freundes, die Versuche der Musikschule, die vereinzelten Musteraufführungen – mit dem Theater ist aber alles gewonnen. So seien Sie denn Einziger, gepriesen und gesegnet wiederum hier das Richtige zu treffen. Vor einem Jahre – Gott wie weit noch von dem Ziele, und jetzt wie nahe! – - – Die thörigen Gerüchte von welchen ich sprach hatten sich nun wirklich zu einer »authentischen« Notiz in den Neuesten Nachrichten verdichtet. Mich hat die Antwort Fröbels darauf durch ihre feste Vornehmheit ungemein erfreut. Dass man das Volk beleidigt wenn man sich derlei erlaubt ist der richtige Standpunkt, und das ganze München, von den Marktweibern bis zu den vornehmen Kreisen hat es empfunden. Schön war aber die »authentische Quelle«: der Redakteur wird citirt, »wo haben Sie die Notiz über die Allerhöchste Vermählung?« »Ja! ein Herr Horn hat sie mir gegeben, der hat sie von bester unterrichteter Seite.« Herr Horn also, ein Winkellitterat, wird citirt: »welche ist Ihre Quelle?« »Graf Pappenheim.« – Der citirte Graf, kennt den Herrn Horn nicht – so die authentischen Nachrichten welche München verschlingt! Und trotzdem und alledem, trotz »bockbeinigen Reichsräthen« und Philister, und niederträchtige Zunftmusiker, trotz aufgeblasenen hohen Adel, trotz schwerfällige engherzige Bourgeoisie, trotz unkundigem Volk, hege ich schöne goldne Hoffnung. Ich glaube an Ihren Zauberstab, mein hoher Herr, die Glyptothek konnte aus den Münchenern keine Griechen machen, vielleicht machen Wir wirkliche ächte Deutsche aus ihnen. – Neulich hatten sie wieder etwas göttliches hier im Theater ausgedacht; ein Jugendwerk Mendelssohns das er ausdrücklich niemals aufgeführt haben wollte, wurde mit grosser Prätension im Residenz-Theater gegeben, Lachner dirigirte, und es war wirklich als ob wir nun die allerneueste klassische Offenbarung zu gewärtigen hätten – – diese Langeweile, dieses kindische Sujet, diese ausgedehnten immer nichts enthaltenden Dialoge, ich traute meinen Augen und Ohren nicht! Das Publikum mit gewohntem gutem Sinn und gesundem Menschenverstand, liess die ganze Sache in's Wasser fallen und so wäre denn von der dortigen Seite noch nicht das eigentliche Heilwerk gefunden! – – In den Wiener Blättern steht dass die Münchener Hofbühne ein Engagement für Gastvorstellungen mit Beck abgeschlossen habe, das wäre gut. Er könnte dann Agamemnon in der Iphigenie und auch am Holländer – zwei unvergleichliche Rollen von ihm – geben. Ich denke dass unter den Calderon'schen Dichtungen die Lustspiele wie Dame Kobold; Das Laute Geheimniss, sich am ersten hier ordentlich darstellen liessen; wenn wir einmal einen Regisseur haben der den Schauspielern beibringt dass sie nicht die Herrn über den Dichter sondern seine sehr gehorsamsten Diener zu sein haben. – Neulich sprach ich mit Herrn Seitz über die Meistersinger-Costume, er hat mir gut gefallen, er sieht intelligent aus; er hat auch bis jetzt nicht die richtigen Aufgaben bekommen, und hat sich der ganzen Art oder vielmehr Unart des Theaters unterordnen müssen. –

Ich hatte gestern einen Brief vom Vater, er ist glücklich in Rom angelangt nachdem er drei Tage noch in Florenz verweilt hat. Er hatte natürlich noch nicht das Schreiben des Rath Düfflipps erhalten, und ich habe ihm bis jetzt noch nichts gesagt, da ich erst abwarten will was er dem Rath auf die ihm gewiss so hocherfreuende und ehrende Anfrage, antworten wird.

Weiteres habe ich nicht zu melden, mein theurer gnädiger Herr, dass ich und meine Kinder wir täglich für Sie beten das weiss der hohe Freund, auch dass Ihn zu jeder Stunde des Tages segnet und preiset die ewig dankende Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

15ten November 1867 /.

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190

Mein gütiger theurer Herr!

Erhabener Freund!

Am Montag Abend übergab mir Rath Düfflipp die schönen Bilder nach der Lohengrin-Aufführung, welche mir eine liebe Erinnerung an herrliche Abende bleiben werden, dann überbrachte er die wichtige Nachricht des Intendanten-Wechsels. Ich kann nicht umhin dem hohen Beschützer unsrer Kunst, den wärmsten Dank und die ungemischteste Freude darüber auszusprechen. Baron Perfall mit welchem ich gestern sprach und welchem ich nochmals den ganzen Ernst und die ganze Bedeutung seiner Aufgabe recht zu Herzen legte, will nun einen förmlichen Plan ausarbeiten welchen er der Allerhöchsten Genehmigung zu unterbreiten sich erlauben wird. Wir sprachen nun auch über das Schauspiel, und da mir Rath Düfflipp gesagt hat ich möchte doch meine Ansichten betreffs des artistischen Direktors dem königlichen Herrn, aussprechen, so erlaube ich es mir, indem ich im Voraus um gnädigste Vergebung bitte, wenn ich irgend etwas aussprechen sollte was mit dem Belieben meines hohen gütigen Freundes nicht zusammenstimmte. Ich meine dass es besser ist wenn wir vorläufig keinen artistischen Direktor bekommen, weil für's erste kein Mensch gebraucht wird der sich breit macht, mit einem grossen Ruf und also auch grosse Prätensionen kommt, sondern vorher alle praktischen Fragen geregelt werden müssen, und der schauderhaften Anarchie die hier herrscht, auch eine Autorität welche sich sowohl über die Oper wie über das Schauspiel verbreitet, ein Ende gemacht wird. Ich halte die Wahl des Hermann Schmidt als einfacher Regisseur, d. h. als Mensch den man kaum nennt und den das Publikum als Person nicht beachtet, für praktisch. Er wird sich unterordnen, bringt keinnerlei Ansprüche mit sich, hat eine Praxis durchgemacht, und hat durch seine Aufsätze über das Theater, bewiesen dass er etwas davon versteht, und Ehrfurcht vor den grossen Dichtern hegt. Paul Heyse würde natürlich nur als Artistischer Direktor eintreten wollen; meine Einwendungen gegen ihn sind folgende: 1. die jüdische Abstammung – worin ich den hohen theuren Freund unterthänigst bitte, kein hartes Vorurtheil zu erblicken, sondern eine tief begründete Furcht vor einer Race die den Deutschen viel Unheil gebracht hat, 2. die Unerfahrenheit in Bühnen-Verhältnissen 3. die eigene Produktivität; die Dramen P. Heyse's werden ihm immer vor den Werken Schiller's Goethe's und Schakespeare's gehen. 4. die Unfähigkeit und der innere Unwille sich mit den Kunstanschauungen des Freundes zu vertrauen, da man sich natürlich für einen ganz andren Dichter selbst hält. 5. die Mühe die man haben würde – (sollte der Versuch nicht zur Zufriedenheit ausfallen) P. Heyse zu entfernen. Es würde einen förmlichen Eclat abgeben, die litterarische Coterie, die Zeitungen, das ganze Verkappte und offenbare Israel würden sich für ihn aufstellen wie ein Mann! Ich halte es entschieden für besser wenn die Verhältnisse durch unscheinbare schlichte, tüchtige und bescheidene Menschen geordnet werden; späterhin wenn das Bedürfniss eines bekannten Namens sich fühlen lässt, und der Gros der Arbeit vollbracht ist, ist es ja immer an der Zeit sich den Luxus von Paul Heyse zu gönnen. Ich meine dass die Anstalt aber zuerst ihr ganz bestimmtes Gepräge erhalten haben soll, damit P. H. auch wisse welche Verpflichtungen er eingehe, und welcher Ordnung der Dinge er sich zu fügen habe, wenn er die Kunstanstalt leiten will. Das Gesammtprogramm muss klar und deutlich dem ganzen Publikum da stehen; mit dem sofortigen Eintritt eines Menschen wie P. Heyse welcher aus dem jetzigen anarchischen Zustand entnehmen wird, dass er den Impuls nach seinen Ideen zu geben hat, werden Kreuzungen wenn nicht Reibungen entstehen die nicht zum Besten der Anstalt ausfallen können. H. Schmidt wird als Subaltener, (wie Penkmeyer und andere mehr), engagirt, um ordentlich Hand anzulegen und zu gehorchen. – Dies, mein theurer Herr, meine Ansicht von der Sache, von welcher ich wohl glaube dass sie vom Freunde getheilt wird.

Ich habe mich sehr gefreut zu erfahren dass die Armide bei Seite gelegt worden ist; es wäre diese Vorstellung ein Ruin für die Mallinger gewesen. Die Armide ist eine Partie für abgesungene Sängerinnen und nicht für eine so schwache Persönlichkeit wie die Mallinger, welche gewiss die Eva ganz vortrefflich geben wird.

Der erste der Beethoven-Abende ist sehr gut von Statten gegangen, mein Mann spielte wunderschön, das Programm war bedeutend, und das zahlreiche Publikum aufmerksam und belebt. Ich bewahre die festeste Ueberzeugung dass Wir in München ganz unerwartete künstlerische Thaten vollbringen werden. – Der Schnee fällt dick, das ist auf dem Lande schön, ich weiss wie gern ich ihn auf Tribschen fallen sah! Hier in der Stadt wird er bald zu Schmutz, ein trauriges Symbol wie unter den Menschen das Reine, Schöne, behandelt wird! Der Freund schreibt nur selten – er ist so thätig; neulich schickte er VIII von Kunst und Politik, ein prachtvoller Aufsatz worin die Definition von Realismus und Idealismus meiner Ansicht nach, endgültig gegeben ist. – Dr. Fröbel war gestern bei mir, so viel ich aus seinen Aeusserungen entnahm, macht ihm das Ministerium viel Chicanen, er ist aber sehr ruhig darüber, und im Ganzen sehr zufrieden da das Blatt sich einen grossen und guten Ruf verschafft hat.

Der theure Freund, wird es der Freundin gnädig mit gewohnter Huld vergeben, dass sie sich es erlaubte ihre Meinung auszusprechen; weiss der Hohe doch dass Seine Wünsche ihr stets über Ansichten und Meinungen heilig sind. Es grüsst der innige Dank und die ewige Treue!

Cosima von Bülow-Liszt

21. November 1867 /.

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191

Theuerste Freundin!

Aus Ihrem letzten Briefe, für den ich noch herzlich danke, ersah ich zu meiner Freude, dass die Photographien nach den Pixischen Zeichnungen Ihnen Vergnügen bereitet haben.

Nun können wir endlich nach langer Zeit wieder frei aufathmen, denn der wichtige, so dringend nothwendige Schritt ist geschehen, die Reform auf dem Gebiete des Theaters kann angebahnt werden, der Weg ist geebnet. –

Was Sie über P. Heyse sagen, billige ich vollkommen und bin gerne bereit, es mit Hermann Schmitt getrost zu versuchen; ich muss aber gestehen, dass ein so gebildeter und sachverständiger Mann, wie H. Schmitt zweifelsohne ist, sein Heil, wenn auch auf kurze Zeit, in der Leitung des verworfenen Aktientheaters suchen konnte, ist mir ein Räthsel. Ich hätte mich an seiner Stelle mit Abscheu und Entrüstung von einer solchen Zumuthung abgewendet, die mir entehrend geschienen hätte; doch »tempora mutantur et nos mutamur in illis«, lautet ein alter lateinischer Spruch, hoffentlich wird Schmitt das in ihn gesetzte Vertrauen bewähren, von seinen litterarischen Arbeiten, hauptsächlich von seinen Novellen habe ich nur Gutes gehört. –

Vom Freunde erhielt ich vor einiger Zeit eine Photographie, die Er in Paris aufnehmen liess und die mich innig freut; jüngst schrieb ich Ihm. – In den letzten Tagen erhielt ich das Manuscript, des in meinem Auftrage von Franz Müller verfassten Werkes über die »Meistersinger«; es enthält manches Treffende und Lehrreiche, ich will dafür Sorge tragen, dass das Buch noch vor der Aufführung des von mir glühend ersehnten Werkes im Buchhandel erscheine, da ich glaube, dass es dazu beitragen wird, manches Vorurtheil zu verscheuchen, manches störrische, böswillige Gemüth auf die rechte Bahn zu lenken; das walte Gott! – Herzlich habe ich mich gefreut über die Erfolge, welche Herr v. Bülow in seinen letzten Beethoven-Soiréen sich errungen hat, wollen Sie die Güte haben ihm meine aufrichtigen Glückwünsche dafür auszudrücken. – Gewiss wohnte die Freundin der Aufführung von »König Richard II« bei, es muss ein genussbietender Abend gewesen sein. –

Seit etwa 10 Tagen herrscht hier vollkommener Winter, doch heute strahlt die Sonne wieder im vollsten Glanze, so dass ich mich der Hoffnung hingebe, es möge der Schnee gänzlich wieder schwinden, damit ich endlich wieder reiten kann; als Ersatz dafür mache ich jetzt gewöhnlich kleine Schlittenfahrten in das nahe Tyrol; ich bin überzeugt, die Freundin würde von der hiesigen Gegend entzückt sein; es ist ein Paradies der Erde und so wohlthuend hier noch frei aufathmen zu können, bevor ich auf mehrere Monate in der Stadt wieder lebendig begraben werde. – Ich hoffe, Seitz wird des Freundes Intentionen richtig erfassen und seinen Anordnungen genau sich fügen; etwas muss ich der theuren Freundin doch noch mittheilen, was ich dem Freunde auf Triebschen stets verschweigen muss, da ihn die Erinnerung daran immer aufs neue mit Schmerz erfüllt und die kaum geheilten Wunden wieder aufreisst: ich habe nämlich eine verzehrende Sehnsucht, endlich wieder »Tristan und Isoldens« Töne erklingen zu hören, o wüsste die Freundin Rath in dieser Sache, die mir so sehr am Herzen liegt! – Längst versprach mir Porges, endlich auch über den I. Akt von »Tristan« eingehend zu schreiben; doch unbegreiflicher Weise zeigt er sich sehr säumig in der Vollziehung des ihm von mir gewordenen Auftrages. Ich bin heiter und glücklich wie lange nicht mehr, gestern als am 29. Nov. feierte ich mein Auferstehungsfest im Herzen, da das Entsetzliche nicht eingetreten ist, die Vermählung mit einem ungeliebten Wesen; niemals hätte ich es dahin kommen lassen, wäre der Rückgang der Verlobung auf gute Art nicht zu ermöglichen gewesen, so war ich fest entschlossen, mittels Blausäure meinem Leben ein Ende zu machen, wie selig bin ich nun, dass es nicht nöthig war, dass ich die Erfüllung u. Krönung Unsres Werkes erleben, die Himmelswonnen mir blühen werden, dass alle Jugendträume sich erfüllen werden, das höchste Ziel des Daseins erreichen, die Erschauung des im Busen getragenen Ideals, welches aus goldenen Himmelssphären herabsteigt in die Erdenwelt, um seine segenbringenden Früchte allen zukommen zu lassen, die freudig an diesen Messias glauben, treulich ausharren in durch nichts zu erschütternder Hoffnung, Alles überwindender, glühender Liebe. – Vielmals grüsse ich Herrn von Bülow, und Ihre Kinder, die Gott segnen u. in Seinen heiligen Schutz nehmen wolle. – In inniger u. aufrichtiger Liebe bleibe ich

Ihr

getreuer Freund

Ludwig.

Hohenschwangau den 30. Nov. 1867.

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192

Mein theurer Herr, und gnädiger Freund!

Wenn ich so lange geschwiegen habe, so geschah es weil ich eigentlich nie recht wusste wie es denn stünde, und ich dem Hohen Herrn keine unrichtigen Berichte geben wollte. Meiner Ansicht nach ist der neuerdings vorgefallene Zeitungssturm sehr unwichtig, und rangirt eigentlich mehr im Gebiete des Klatsches, aus welchem die Feinde gar gerne etwas herausgeschmiedet hätten. Ich glaube wir haben sie durch äusserste Ruhe etwas überrascht, und die Sachen wie die »Coulisse« und die N. Nachrichten sie brachten, sind wohl überstanden, und im Grunde ohne jedwede Bedeutung gewesen. Bedenklicher scheint Fröbel's Auftreten gegen den Freund, allein es scheint blos so, ich halte es für ein Glück dass der Freund nicht mehr in politische Verhältnisse verwickelt wird, wo er zu guter Letzt nur Treulosigkeit und Feigheit antreffen kann. Der allerhöchste Befehl der Sistirung der Aufsätze hat mich, ich gestehe es, einen Augenblick erschrocken, aber auch nur einen Augenblick; wenn ich auch gewünscht hätte das »Deutsche Kunst und deutsche Politik«, ruhig zum Schluss gelangt sei, so verstand ich den Allergnädigsten Willen sofort, und verehrte ihn wie es sich gebührt, und wie ich nicht anders kann. Es war hässlich von Fröbel diesen Befehl so aufzufassen als könne er jetzt Wagner öffentlich beschimpfen, allein er weiss nicht was er thut, er hat Wagner nicht verstanden und wird von allen Seiten gehetzt. Verzeiht ihm die Macht der Dinge wie ich ihm verzeihe, dann ist er ruhig, doch ich glaube es nicht. Gott sei Lob dieses geht mich jetzt nichts mehr an, Fröbel mag sich mit geheimer und öffentlichen Meinung stellen wie er Lust hat. Das Einzige was mir jetzt am Herzen liegt ist die Stimmung unseres theuren Herrn! Gewiss hat man die Lage der Dinge, und die öffentliche Gährung fürchterlich übertrieben; kein Mensch kehrt sich eigentlich nach diesen Dingen. Am Morgen wo in den N. Nachrichten die Thorheiten gestanden hatten, dirigirt mein Mann in Ruhe und Frieden die Jüdin, und im Publikum redeten die Leute so: »es ist hübsch dass Bülow wieder einmal dirigirt.« Es ist also nicht der mindeste Grund zu einer Befürchtung oder zu einer üblen Stimmung vorhanden. Der Bruch mit Fröbel hätte als eine Unannehmlichkeit betrachtet werden können, doch ich halte ihn für gut. Somit mein theurer, edler, hoher Freund, lassen Sie ja nicht die unbedeutenden unwichtigen Dingen, die Sache der Kleinstädterei sind, die Freude an Unsrem Werk verleiden! Sollte sie der Hohe nur einen Augenblick beachtet haben, möge Er sie vergessen, möge Er nimmer nur auch Kenntniss davon nehmen, denn ich sehe es klar wie die Sonne, es sind nichtssagende Thorheiten, welche die Bosheit gern zu etwas gestalten möchte. An der Ruhe und Gelassenheit prallt aber die Bosheit ab. Ich weiss dass man darauf rechnet dass der König einmal dieses ewige Gerede müde werde; sehen die niedrigen Leute sich aber durch die unerschütterliche gnadenreiche Ruhe des Königs enttäuscht, so wird es auch mit dem unaufhörlichen Hetzen ein Ende haben. So rufe ich dem ewig Theuren: Geduld, Geduld, zu; sie ist beinahe schwieriger als der Muth, hier ist sie aber unentbehrlich. Ich schrieb einmal scherzhaft dem Freunde dass Ulysses sich habe Wachs und Baumwolle in die Ohren gethan um den Sirenengesang nicht zu hören, dass wir dagegen derselben Mittel bedürften um Gekrächzt, Geheul, Geschrei nicht zu vernehmen. Ich hoffe immer dass die königliche Majestät verschont bleibt, nun sehe ich aber dass gewisse Leute es für ihre Absichten gut finden den Allerhöchsten Herrn zu belästigen, um einen Ausbruch des gerechtfertigsten Unwillens zu ihren Gunsten auszubeuten. O, theurer Herr! Ertragen Sie in Geduld die winzigen ekelerregenden Sachen, die den Fliegen im Sommer gleichen, denn mit Unsrer Sache steht es doch gut, und zwar sehr gut. Lassen Sie uns hoch oben schweben, hoch oben, weit von all dem erbärmlichen Tummeln und Treiben der armseligen Menschen, und dass die Staubwolken, die kraftlos Widerwärtigen, die sie hervorbringen, Uns nimmermehr das grosse ewige Ziel verdunkle! –

Herr von Bülow dankt unterthänigst für die allergnädigste Theilnahme; die Beethoven-Abende waren wunderschön. Auch die Musikschule ist in bestem Gange, und mit dem Theater wird es ja wohl gehen. Richard II. war leider keine gute Vorstellung, denn der Regisseur hatte allerlei hinein ge-Jenkt! Diesem Unfug wird aber sicherlich ein Ende gemacht werden. – Mein Mann hatte das Glück in einem hiesigen Laden mit Ihrer Majestät der Königin zusammen zu treffen; die Königin war äusserst gnädig und freundlich, redete ihn an, frug nach den Concerten und mehrerem. Mir that es sehr wohl, unsres Beschützer's wegen! Gebe Gott man gäbe Ihm dem Hohen, unsertwegen Frieden. –

Das Wetter ist übel, man erzählt sich die Sterne seien so nahe am Monde gekommen, sie hätten »den Schaden angericht« – ich meine es hängt die Unsauberkeit ein wenig mit der Unlauterkeit der Menschen zusammen.

Willkommen rufe ich nun dem hohen theuren Freunde hier zu! Möge Er es nicht überdrüssig werden einen schweren Gott – gleich dem heiligen Christoph – durch die Menschenfluthen zu tragen! Der blühende Baum der heiligen deutschen Kunst wird Ihm darob blühen. Ewig treu und dankend grüsst in Liebe die Freundin

Cosima von Bülow-Liszt

20ten Dezember 1867 /.

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Mein theurer Herr und gnädiger Freund!

Ich hätte gleich am heiligen Weihnachtsabend geschrieben wenn ich nicht gefürchtet hätte dem hohen Herrn mit meinen Danksagungen ungelegen zu kommen. Ich weiss wie der König bei Seiner Ankunft in München in Anspruch genommen wird, und wollte warten bis der erste Hoftruble überstanden sei. Nun aber sandte der hohe Freund mir liebevolle Worte in stiller Nacht, ich denke die Freundin stört und verdriesst nicht wenn sie sagt dass dieselben ihr tief wohl gethan! Die schönen Gaben – das Armband mit dem Stein der Hoffnung, die Märchen und Sagenbilder und der Teppich – wurden mir auf meinem Tisch aufgebaut und sagten mir von der Gnade meines Herrn. Den Siegfried habe ich mit den Bildern dem Freund in seiner Stube bescheert dessen Schmuck sie nun geworden sind. Wie gütig von dem theuersten Freund dies Bild des Meisters aus meiner Hand gnädig anzunehmen! Was die Originalpartitur betrifft so trug ihr Schöpfer das grösste Bedenken dieselbe Seinem Beschützer zu Füssen zu legen, er fand sie so entsetzlich durch Zeit und Wandern vergilbt, wollte sie durchaus verjüngt sehen, aber die Chemie konnte nichts als Zeit rauben, so dass sich das Werk schlicht und schmucklos wie ein Aschenbrödel dem Wunderkönig vorstellen musste. Ich gestattete diese Bedenken dem Freunde gar nicht, und nahm es auf mich das Manuskript so zu schicken wie es nicht zu ändern war. Ich wusste der Hohe würde Sich an dem äusserlichen Schein nicht stossen; und dass Keiner den Werth eines solchen Bandes kennt wie Er, weiss ich auch. – Gott gebe dass des theuren Herrn Stimmung sich erhelle, und dass die Abneigung gegen München sich mindre. Ich habe die Stadt lieb gewonnen, weil sie Ihre Stadt, mein hoher Freund, ist, und habe es endlich dazu gebracht dass ich von dem unwesentlichen Aergerlichen, nie mehr etwas erfahre. Zu regeln bleibt noch die Stellung Porges an der S. d. Presse; es ist unmöglich dass er als Fröbels Untergebner jetzt dort bleibt, ich hielte es für gut wenn er vom Könige aus als Musikalischer Referent beibehalten würde, d. h. wenn Rath Düfflipp ihn Fröbel als solchen aufoktroyirte. (Fröbel wird nichts dagegen haben). Es wäre nicht gut wenn plötzlich in der S.d.Presse die Musikangelegenheiten nicht mehr in Unsrem Sinne besprochen würden, und nehme sich auch übel aus wenn wir quasi da heraus getrieben wären. So ist die Sache ganz einfach, Wagner zieht sich zurück, das ist ein Vorhaben ganz für sich, Porges aber bleibt, jedoch einzig von Unsrem Herrn abhängig, d.h. dass sein Gehalt ihm nicht durch Fröbel sondern durch Rath Düfflipp übermittelt wird. Es wäre mir lieb wenn Unser guter Rath Lorenz, diese kleine Angelegenheit ordnete. Sie scheint mir einfach. Porges wird bis Anfangs Januar mit dem ersten Akt fertig (Tristan). Er war krank, deshalb bat er mich ihn allerunterthänigst zu entschuldigen. Ein guter ernster Mensch, welcher Wagner's Ideen wirklich in sich aufgenommen hat. – Ich habe neulich ein paar Zeilen an Rath Düfflipp geschrieben; Semper hatte nämlich noch gar nichts offizielles, ja nur Schriftliches in Bezug auf seine Berufung erhalten. Das hat mich erschroken, ich fürchtete ein Brief sei verloren gegangen. Ich sagte nämlich dem guten mit Arbeit überhäuften Rath, er möge den Vater lieber liegen lassen, und Semper vor allem betreiben. Nun kam Semper zu Wagner auf Tribschen, und wusste von Nichts, ausser was sein Sohn ihm mitgetheilt hatte.

Der Freund ist nun zum Weihnachtsfest gekommen; er hatte es meinen Kindern denen er allerlei Spielsachen in Paris eingekauft hatte, versprochen, und wollte Wort halten. Ich hatte mich bereits darauf gefasst gemacht ihn später zu sehen; nun ist er da, alle guten Geister mögen ihn beschirmen, ich will ihn in mein Haus hüten und pflegen so gut ich kann. Er hat auch Eile mit den Meistersingern; nur was soll man thun, nichts, gar nichts ist vom Intendanzrath vorbereitet worden, im Gegentheil er hat Allen Urlaub für die Zeit des Studiums gegeben – ein schlechter nichtswürdiger Mensch. Ich will aber Baron Perfall treiben so viel ich nur kann; mit Wien wird es nichts, es bleibt einzig und allein Hannover wo ein Schüler meines Vaters, ein Freund meines Mannes, ein Herr von Bronsart künstlerisch begeistert die Intendanz führt. Mein Mann ist nach Prag und Dresden gereist weil er von Talenten dort gehört hat, um sie zu hören und wo möglich zu aquiriren. Hoffentlich ist März der letzte Termin.

Ich war gestern im Theater, lediglich, ich gestehe es, um mich zu versichern dass der theure Herr wirklich da sei, und gesund und wohl aussehe. Das Uebrige war mir ziemlich gleichgiltig. Ich habe jetzt meine Schwiegermutter hier, der ich, weil sie sehr einsam ist, viel Gesellschaft leiste; dazu die Kinderchen, der Freund, das musikalische Wirken, ich habe vollauf genug, um Gott sei Lob, mit der Welt nichts mehr zu schaffen zu haben. Ich lese jetzt Schiller's Biographie (Palleske), mit der unaussprechlichen Wehmuth die einen immer erfasst wenn man dem Leben eines Göttlichen unter den Menschen folgt.

Hoffentlich kommt dereinst der Tag wo der hohe geliebte Freund mir meldet, dass Er sich auch hier in der Stadt wohlbefindet, im Gefühle des Gethanen und Erreichten. Der Gedanke dass hier die »Fremde« für den Theuersten ist, drückt die Freundin und stimmt sie muthlos.

Der Segen der Liebe und des Dankes dem hohen Treuen!

Cosima von Bülow-Liszt

Freitag 27ten Dezember 1867 /.

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194

Theuerste Freundin!

Durch den beständigen Trubel der Weihnachtstage kam ich nicht zum schreiben, o Gott Sie wissen ja wie es mir geht, sobald und solange ich hier bin, weder Ruhe noch Rast, Sorgen und Plage, selten ein vergnügter Augenblick. – Grosse Freude und Beruhigung gewährte mir Ihr theures, liebevolles Schreiben, tausend Dank dafür! Ich erhielt es in Unterpeissenberg wo ich den Wagon bestieg, der mich wieder hieher brachte auf der grausam schnellen Bahn, hieher an den unseligen Ort, der mir fremd ist und bleiben wird. – Gottlob, die Gemüther beginnen sich zu beruhigen über die fatale Pressangelegenheit der jüngst verwichenen Zeit, auf's neue habe ich mich davon überzeugt wie wenig reif man hier im Ganzen noch ist, in den Ihnen wohlbekannten Punkten, von denen letzthin in der Süddeutschen Presse die Rede war. – Doch mit den Hauptfragen steht es so gut, dass Wir nicht verzagen dürfen. Ganz glückselig machen mich die theuren Geschenke: das Bildniss des Freundes und die Partitur der Meistersinger, bitte danken Sie Ihm, dem treu Geliebten, in meinem Namen aus tiefstem Grund der Seele für die hehren Gaben. Sie sagten neulich, man versuche es mir das Befassen mit Unsren Idealen, Unsren Kunstplänen zu verleiden, o Himmel wie verächtlich sind mir jene Menschen, die glauben können, Solches könnten sie bei mir durchsetzen, die ihren Wankelmuth, ihre eigne Treulosigkeit Anderen andichten, von Idealen keine Ahnung haben, die Kraft der heiligen Liebe und die Treue bis zum Tod nicht kennen, nicht begreifen und es nicht müde werden, selbst Könige nach ihrem eigenen beschränkten Maassstabe zu messen. – O München, München, convertere ad dominum Deum tuum und dieser Gott ist Wagner, den sie immer noch nicht kennen und wenn sie Ihn in ihrer wahrhaft unverbesserlichen Blödigkeit auch niemals erfassen können, so sollten sie doch vor der Grösse Seines Geistes sich beugen im Gefühl ihres eignen Nichts und sich Ihm unterwerfen. – Segen Ihm, den ich liebe heilig und treu wie noch Niemand auf Erden geliebt ward, dem ich mein Leben mit allen Kräften geweiht. –

Wann glauben Sie, theuerste Freundin, dass endlich die Meistersinger zur Aufführung gelangen können, aus dem Februar wird März, hoffentlich zieht es sich aber nicht noch länger hinaus. Der Gedanke, der stets begeisternde an Sie und den grossen Freund, gibt Muth und erhellt sonnengleich das hier mir so öde, trostlose Dasein, denn zur Heimath wird die Fremde nie.

Ihr

treuer Freund

Ludwig.

den 27. Dez. 1867

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195

Mein gnädiger Freund und Herr!

Nicht besser weiss ich das gütige heutige Schreiben zu beantworten als durch die Zusendung der beiden Aufsätze die unser Herr nicht gelesen hat. Ich lege auch die nichtswürdige Anzeige bei, mit welcher Fröbel in der Annahme der Freund sei in Ungnade die Herausgabe unterbrach; es wäre ganz einfach gewesen die Aufsätze zu sistiren, er meinte sich aber ganz besonders nach allen Seiten hin wohlgefällig zu machen, und insultirt den Freund, dem er bis dahin geschmeichelt, öffentlich. Mir wäre es sehr lieb wenn die Umstände es erlaubten dass Fürst H. im Namen des Königs die Fortsetzung der Aufsätze verlangte; Fröbel würde sich natürlich weigern – denn er hat sich öffentlich zu sehr affichirt – und damit hätte man einen plausibeln Grund einen Menschen dessen Elendigkeit mich versteinert, zu entfernen. Er hat nicht geglaubt dass ich ungefähr sechs Wochen lang, an ihm in Bezug auf den Freund, die schnödesten Erfahrungen machen würde, ohne ein Wort zu sagen. Ich habe geschwiegen um unsren Herrn nicht eine Widerwärtigkeit mehr beizubringen; jetzt aber wo der hohe Freund von Sich aus auf den Gedanken kam den Unheilsanstifter zu entfernen, gestehe ich dass wenn dies durch den Druck der Aufsätze zu ermöglichen ist, ich darin eine gerechte und wohlthuende Strafe erblicken werde. Der gnädige Freund wird die Aufsätze lesen, ich halte dieselben für versöhnlich und trostreich wie sie schön und wahr sind, doch was ich sage, was ich wünsche, spreche ich kindlich unbefangen aus, immer mit dem Vorbehalt dass des König's Willen stets mein Wille wird. Dass Fröbel, wie ich beinahe mit Sicherheit vermuthe, mich verklagt hat, sei ihm gern und leicht verziehen, das was er dem Freund angethan hat ist so, dass alle übrigen Elendigkeiten dagegen verschwinden.

Ich erlaube mir einen Brief Semper's beizulegen welchen ich heute bekam; ich habe Düfflipp gebeten heute Abend zu mir zu kommen um diese Angelegenheit nochmals zu besprechen, so wie auch die Stellung des guten Porges bei der S.d.P. –

Es war schön als gestern Abend Rath Düfflipp den Freund holte! Der Tag war ein so schwerer, düstrer, gewesen. Gegen meine Gewohnheit hatte ich die Fassung verloren, und am Morgen mich trostlos darüber geäussert dass man mit solchen Menschen zusammenkommt wie Fröbel. Ich war leidend (und bin heute noch sehr unwohl), der Freund war selbst unwohl, und wollte mich ermuthigen, vermochte es nicht, er ging aus, und da er sich in München vorläufig nicht zeigen wollte, nahm er öde Strassen durch, er kam traurig heim, wozu er nur lebe hatte er sich beim einsamen Wandern gefragt, Rath Düfflipp kam und nahm ihn mit zu besseren Welten, ich blieb, noch immer traurig, die Erzieherin meiner Kinder die ich in's Theater geschickt hatte, kehrte zurück und erzählte Frau v. Schnorr habe auf ihrem gewohnten Platz ersten Rang, gesessen. »Dies auch noch, gut«, dachte ich und verfiel in trübsinnigen Nachdenken über die schwere Länge eines solchen Tages der immer noch eine bittere Empfindung zu reichen hat; immer, immer, bis der erlösende Schlaf kommt, und Schlafen – Träumen! Da kam der Freund zurück wie verwandelt, und bei seinen Mittheilungen schwanden jede Nachtgedanken, und ich ward wieder froh. Es war schön mein gnädiger Freund, dass Sie ihn, er Sie wiedersah! Was mich betrifft theurer Herr, so habe ich gelitten, zum ersten Mal seit langer Zeit, persönlich tief gelitten; es genügte mir aber den warmen erfreuten Blick des Freundes gestern Abend zu sehen, um nicht mehr zu wissen wie das Leiden hiess dass ich empfand. Des Einen möge in Güte der Hohe gedenken, dass ich jeden Augenblick willig einer jeden Lebensfreude entsage, und dass ich lieber nimmermehr von meinem huldreichen Freund eine Sylbe vernehme als dass ich die Veranlassung zu peinlichen Vorstellungen Ihm sein sollte; tausendfach lieber bleibe ich schweigend dem Herrn und Freund treu, tausendfach lieber verkehr ich mit Ihm dem ewig Theuren, durch Gebet und Segen, durch die Weisen und Sänge des Freundes, als dass ich mein einfaches Wort und Seine gütige Rede zu mir, den Elenden preisgegeben sehe.

Der Freund erzählte mir es sei wunderschön geworden in den königlichen Gemächern und Seitz habe sich gut bewährt. Mein theurer Herr, ich komme oder empfange den Hohen, wie Er es will; ich meine es sollten sich wohl Mittel und Wege finden dass der Wunsch des gnadevollen Freund, ohne Schwierigkeiten in Erfüllung gehe.

Ich weiss nicht warum ich mir einbilde dass ich heute meinen Brief mit allerlei Gutem füllen müsste, so lege ich denn zuerst ein hübsches Gedicht welches Cornelius neulich improvisirte, als sich der Freund bei ihm anmeldete, dann mehrere Photographien des Freundes wovon die Eine namentlich mir ganz ausserordentlich lieb ist. Uebrigens auch die zwei andren mit dem leidenden Zug, stellen mir ihn auch so dar, wie ich ihn ach! so oft gesehen.

Nun nur noch meine innigsten Glückwünsche zum neuen Jahr, mein huldreicher Freund, vielleicht ist es gut dass mit einem Läuten dieses begraben wird, es stimmt fromm und mild, und die Thräne von 67 verwandelt sich zu 68 in eine Perle.

Ewig segnend und dankend küsst die königliche Hand die treue Freundin!

Cosima von Bülow-Liszt

29ten Dezember 1867 /.

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196

Theuerste Freundin!

Nach langer langer Zeit zogen wieder Wonnen ein in meine Seele, denn ich verlebte diesen Abend eine hehre, wonnevolle Stunde mit dem treu geliebten Freund, ach nur zu rasch floh sie dahin. Um Eines beschwöre ich Sie, geliebte Freundin, vergessen Sie die letzte Unterredung mit Düfflipp, betrachten Sie, bitte, das von ihm Mitgetheilte als nicht gesprochen, ich nehme Alles gerne zurück, es war ein vorüberziehender Nebelstreif, der Uns die Sonne nicht trüben darf. Immer, wenn der Theure von mir geht, ist es mir als ob ein Gott bei mir gewesen und mit Seiner Gegenwart und Wunderkraft mich beseligt hätte, o Gott wie furchtbar ist der Contrast mit andern Menschen, deren ich nun täglich viele sehe, Sie glauben gar nicht, wie aufreibend das ist, erst heute hatte ich eine Tafel von 24 Gedecken gegeben, lauter langweilige Menschen. –

Wie fatal ist der Umstand, dass der elende Schmitt gerade jetzt Frl. Mallinger Urlaub gab, jetzt wo sie die Parthie der Eva einstudieren sollte. Unendlich freue ich mich darauf, Sie endlich wieder zu sehen, wie in jenen mir ewig unvergesslichen Tagen zu Triebschen; ich besprach es heute mit dem Freund, entweder in Ihrer Wohnung oder bei mir in meiner heimlichen, luftigen Wohnung, die dem Theuren zu gefallen schien; könnten Sie einmal des Abends mit Ihm hieher kommen, so wäre es herrlich; nicht wahr, es ist zu ermöglichen?? –

Noch tausend Dank für das theure Bild, das mir sehr grosse Freude macht. – Dringend nöthig finde ich es, dass Fröbel auf immer von hinnen zieht, nun, da ich seine schwarze Seele zur Genüge kenne. Seien Sie gesegnet, geliebte Freundin, möge das kommende Jahr Glück Ihnen bringen, das kein Kummer je trübe und glückbringend und wonneverleihend wird es sein, ich glaube es bestimmt. – Versichern Sie den Freund, ich bitte Sie darum, wie selig mich die traute Stunde machte, die Er bei mir geweilt. Liebend ohne Ende, glaubend und hoffend, frohlockend in Eurer Liebe Ihr Theuersten auf Erden, bin ich bis zum Tod

Ihr

getreuer Ludwig.

den 29. Dez. 1867.


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