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1
Allergrossmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Darf ich es wagen, Eurer Majestät zu Allerhöchst-Deren Geburtsfeste mit unterthänigstem Glückwunsche und einer geringen Gabe mich zu nahen?
Schwer fiel es mir im vorigen Jahre den Ausdruck meines ewigen Dankgefühles zurückzudrängen: heute will es mich unmöglich dünken. So habe ich mich denn erkühnt, Eurer Majestät in einer schlichten Arbeit die Symbole der hohen Werke zusammenzustellen, welche Eure Königliche Majestät durch die hehrste That sich zu eigen gewonnen. Des Holländer's Schiff, Tannhäuser's Stab, Lohengrin's Schwan, Siegfried's Schwert, Tristan's Schaale – ich habe sie auf den grünen Grund der Hoffnung gestickt, – deren Panier Euere Königliche Hand in trübster Nacht geschwungen, und mit den Blumen umgeben welche den Erlöser Parzival am Charfreitag so wunderbar entgegenblühen. Nach überstandener Sturmesgefahr bringt in Demuth der Seemann sein bescheidenes Ex-voto der göttlichen Jungfrau dar und dankt mit Inbrunnst dem verliehenen Schutze: so lege ich Euerer Majestät meine kleine Arbeit zu Füssen; jeder Stich enthält einen Segensspruch!
Wer um die heilige Kunst im tiefsten Herzen gelitten, wer in dem eignen Vater und Gatten geweihte Kämpfer für dieselbe erkannt, wer mit Angst und Trauer gesehen, wie hoffnungslos von der Welt bejubelt und doch geächtet der grosse Schöpfer der höchsten Kunst heimathlos umherirren musste – nur der allein vermag es zu ahnen welche That Euere Majestät vollbracht!
In einem seiner tiefsinnigsten »Auto's« lässt der spanische Dichter den König die wankende Religion stützen und sich dadurch ewigen Ruhm auf Erden, ewige Seligkeit im Himmel erküren: Euere Majestät haben in dem göttlichen Freunde die Kunst selbst gestützt, ja gerettet, dem Welten-Hohn zugerufen, wie Gott den Meereswogen: nicht weiter darfst Du walten! .. Ewig, wie sie einzig ist, wird sie prangen diese That! Unsere Kunst – ich wage es zu sagen – ist Religion, ihre Träger sind Märtyrer; Wunder wirkt sie, die heilige in dürrster Zeit, unsere Thränen empfängt sie und wandelt sie zu Perlen, den Aufschrei unserer Seele verklärt sie zum Gesang, ihre Wurzeln haften im irdischen Leiden und ihre Blüthen spenden den überirdischen Trost: so kann und wird sie, ich ahne es mit Sicherheit, die Menschheit dereinst neu erlösen. Doch musste sie, die göttliche zuerst unerkannt, dann verkannt und verfolgt unter den Menschen umherirren welche von ihr nicht Erbauung sondern Zerstreuung, nicht Erhebung sondern Ergötzung verlangten. Ernst und mild-erhaben erscheint sie in unsrer Welt gleich der christlichen Tugend in der alten römischen – wie der älteren Schwester droht ihr Verbannung und Gefahr – doch:
»Wach auf, es nahet gen dem Tag,
Ich höre singen im grünen Hag
eine wonnigliche Nachtigal,
ihr Stimm' durchklinget Berg und Thal:
die Nacht neigt sich zum Occident,
der Tag geht auf von Orient
die rothbrünstige Morgenröth
her durch die trüben Wolken geht ...«
Was seit Menschengedenken die Fürsten Grosses für die Kunst gewirkt nie liess es sich vergleichen mit Euerer Majestät erhabener That! Raphael zu begünstigen, Calderon zu ehren, Shakespeare zu bewundern, das waren schöne leichte lächelnde Aufgaben, im Einklänge mit der Welt; Wagner zu retten, dem Heiligenscheine der Kunst die königliche Krone zu vermählen, den Verkannten zu lieben, dem Heimathlosen eine Heimath zu gründen, dem Hoffnungslosen höchste Gewissheit darzureichen, dem müden und verzagenden Gotte leuchtende Schwingen zu verleihen, der trauernden ewig gequälten Seele Frieden und Glauben zu bieten – dies war höchster, heiligster, schwerster Königlicher Beruf! Ein Wunder ist geschehen:
Wie preis' ich dieses Wunder
aus meines Herzen's Tiefe!
Und so rufe ich denn Heil dem »leuchtenden Tag«, Heil dem »Wecker des Lebens«, Heil dem »siegenden Lichte!«
In tiefster Ehrfurcht verharre ich Euerer Königlichen Majestät
treu gehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
[Pesth, 20. August 1865]
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2
Hochverehrte, gnädige Frau!
Aus dem Grunde meines Herzens danke ich Ihnen für Ihren mir so werthen Brief, sowie für das schöne u. sinnige Geschenk, das mir groß Freude bereitet, dessen seien Sie versichert. – Blicke ich auf das Kissen, so stehen die hehren Gestalten aus Wagners wonnigen Werken blitzesschnell vor mir, mich mit Entzücken u. Schmerz erfüllend, sie nahen aus fernen doch innig mir vertrauten Welten. – Hier segelt er vorüber auf schäumenden Wogen der unselige Seemann nach dem Heile sich sehnend. – Hier sehe ich einen Pilgrim reuevoll u. in Zerknirschung flehend; er ward entsühnt; denn ein Engel bat für ihn auf Erden! – Dort naht er von einem Schwan gezogen im Nachen der gottgesandte Held, aus Glanz u. Wonnen kommt er her u. tritt ein in die Welt voll Arg u. Falsch. – Hier sehe ich ihn auf dem Schmerzenslager hingestreckt, den hehren Helden nach der Einzigen sich sehnend; u. dort, wer naht? – Es ist der freie, furchtlose Held, hei! wie er Nothung schwingt, das neidliche Schwert! Aus dem Wald will er fort, in die Welt ziehn! – Zu Brünhild, der heiligen Braut! – O Übermaß der Wonnen! –
Sie schreiben mir, hochverehrte Frau, ich hätte ein Wunder gewirkt, wir wollen viel mehr sagen, wehe, wenn ich die That nicht vollbracht, Verbrechen wäre es gewesen, Wagner nicht zu retten, Verbrechen, Ihn nicht glühend zu lieben! –
»Gepriesen sei die Stunde«
»Gepriesen sei die Macht«
»Die mir so holde Kunde«
»Vom hehren Freund gebracht «
»Zum Streit für Ihn will stets ich stehen «
»Sei's auch auf Tod auf Untergehen!«
Doch nun vor Allem muß Ruhe für Ihn gewonnen werden! – Tiefe, ungetrübte Ruhe, dieß erkenne ich klar! – Wir, seine Freunde, wollen Ihn schirmen mit mächtigem Schutze, kein greller Schein des Tageslichts soll Ihn wecken aus den wonnigen Träumen, in »Seiner« Welt muß er einzig u. ungestört leben u. schaffen, die Erdensorgen müssen Ihm nun entschwinden; barg im Busen sich Ihm die Sonne, leuchten Ihm lachend Sterne der Wonne! – Und während Er der Erde nun gänzlich entrückt ist, muß die Kunstschule gegründet werden, müssen d. Kräfte gewonnen werden, deren Er so nöthig bedarf, und erheben soll er sich der prachtvolle Bau, das Festtheater der Zukunft! – Schon sehe ich die Gläubigen, die von Begeisterung Entflammten sich in der weiten Hallen schaarend, da beginnen die wundervollen Weisen u. entziehen uns der profanen Welt. »Der Ring des Nibelungen« wird selbst die Starrsten beugen und Alle werden jauchzend u. frohlockend die Welt erfüllen, vor Wagner sich in den Staub werfen und den Geist anbeten der solche Wunder gewirkt! –
Von Ihm nur gehen sie aus die göttlichen Wunder, Er ist der unerschöpfliche Bronnen alles Lichtes. –
Was ich irgend zu thun vermag, werde ich thun, dieß schwöre ich Ihnen! – Alles soll erfüllt werden! – Wenn mir auch Rücksichten zu nehmen eine Nothwendigkeit ist, so werde ich doch alle Hindernisse besiegen dessen seien Sie versichert; denn für Ihn kam ich zur Welt, Ihm nur gehöre ich. –
Hochverehrte Frau, wie groß wird Ihre Freude sein, nun einige Zeit mit Ihrem Herrn Vater verleben zu können; ich bitte Sie, grüßen Sie Ihn mir von Herzen, schon in früher Jugend gewann ich Ihn lieb, vielleicht blüht mir einst die Freude, Ihm persönlich bekannt zu werden! – Grüßen Sie auch Ihren verehrten Gemahl freundlichst von mir! – Es würde mich freuen, bald von Ihnen zu hören, denn Ihr Rath würde mir unschätzbar sein, in Allem was unsren großen Freund betrifft. – Ihm wollen wir unser Leben weihen! – Heil dem göttlichen Sieger! – Er überwindet die Finsterniß. –
Nochmals spreche ich Ihnen, gnädige Frau, meinen wärmsten Dank aus für Ihren mir so theuren Brief u. die sinnvolle Gabe, welche ich stets hoch in Ehren halten werde, immer bleibe ich
Ihr
sehr geneigter
Ludwig,
Hohenschwangau den 26. Aug. 1865. –
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3
Allergrossmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Wüsste ich Euerer Majestät zu danken! Könnte ich nur sagen mit welch freudigem Stolze, mich das Allerhöchste Schreiben erfüllt hat!...
Sofort wünschte ich von der huldreichen Erlaubniss Gebrauch zu machen, und Euerer Majestät, Verschiedenes mitzutheilen; doch dünkte mir mein Leben in Ungarn zu bewegt, um die hierzu nöthige Sammlung, gewinnen zu können, und ich versparte auf meine Rückkehr nach München, die freud- und ehrenvolle Aufgabe. Hier fand ich aber Anderes für mich vor: und da ich wohl wusste im Sinne Euerer Majestät, zu handeln, indem ich mich diesem Anderen widmete, schrieb ich zuerst die Blätter des Freundes, mit unendlicher Freude ab. Wie Vieles hat sich während meiner Abwesenheit hier ereignet! Euerer Majestät letzte Allergnädigste Beschlüsse! ... Der Entwurf zum Parzival! ... Es ist mir als ob jede erhabene That, jedes grosse Vorhaben Euerer Majestät, unzertrennlich mit einer dichterischen Schöpfung, und einem göttlichen Gedanken des Freundes, verkettet wären. Als ich erfuhr, was Euere Majestät, in jüngster Zeit beschlossen, traten die Thränen mir in die Augen – nun las ich den Parzival, und musste vor Ergriffenheit das Lesen öfters unterbrechen!
Wie einfach, wie volksthümlich und wie erschütternd geschildert, der Vorgang des Parzival! Das sündhafte Blut des Anfortas welches sich beim Erscheinen des himmlischen Blutes des Erlösers, verzweiflungsvoll schon aus dem Herzen drängt – wie tief, wie erhebend! Die Wiedererweckung der Kundry, das Zwiegespräch zwischen ihr und Klingsohr, wie grauenhaft, dämonisch, geheimnissvoll, ist es nicht als ob die Mysterien der Welt sich leise entschleierten! Dann Parzival's zweite Begegnung mit Kundry – wie rührte mich dieser wunderbar versöhnungsvolle, wehmüthig wonnig erhabener, traulich verklärte Vorgang. Seitdem mich die Anbetung unsres Heilandes durch Maria Magdalena auf ewig erschütterte hat mich nichts so ergriffen. Die Sünde, die Erlösung, die Wiedergeburt, die Liebe, ihr wahres Wesen ist mir wie offenbart in diesem Entwurfe, es ist als ob alle diese Mächte auf des Dichter's allgewaltigen Befehl sich verschlungen erheben und enthüllen!
Dass der Freund dieses gewollt, wie beseligt es das tiefste Innere! Welcher wunderbaren Macht verdanken wir aber dieses Wollen? Wer ist wohl der göttliche Urheber der himmlischen Kraft? Soll ich, darf ich es Euere Majestät, noch sagen? ... Zu Allem haben Euere Majestät den Freund wieder erweckt. In den für Eure Majestät, neulich abgeschriebene Blättern, wie rührte es mich, die feurige Vaterlandsliebe ausgedrückt zu finden, die ich in der Seele des Freundes wohl kenne, jedoch eher als eine schmerzliche nie auszusprechende Empfindung. Nun erscheint sie mit den Flügeln der Hoffnung beschwingt. Zu Allem findet er nach und nach Muth und Lust; die praktischen Fragen ergreift er mit der dem Genie so eigenthümliche, und von der gewöhnlichen Menge so übersehenen Gewandheit; die idealen Gebiete betritt er jetzt wieder mit freudigem Behagen – dies Alles Euerer Werk, Allergnädigster König und Herr, dies einzig und allein, Euerer Majestät Schöpfung! ...
Nun soll der Freund »träumen«; sein Träumen ist Sinnen, sein Sinnen Walten des Wissens! Wie Euere Majestät es mit klarster Schärfe durchschauen, er darf nach Aussen sich nicht zersplittern. Die deutsche Kunstschule wird unter meines Mannes Leitung (wenn Euere Majestät geruhen sie ihm Allergnädigst zu gewähren), nach und nach sich erheben und organisiren. Das ehemalige Conservatorium zu schliessen ist ein bedeutender und wichtiger Schritt, viel bedeutender und wichtiger als es die Unkundigen annehmen können. Ich hege die feste Ueberzeugung dass die Neue Stiftung ohne übermässige Schwierigkeiten von sich gehen wird. Die Hauptsache schien mir bei dieser Angelegenheit in den Verhältnissen klar zu sehen, dieses ist nun geschehen: Lehrer zu berufen, Schüler zu bekommen – Frage der Zeit die sich durch Fleiss und Festigkeit lösen lässt.
Und das Theater! ... Wie schön überraschte es mich Semper hier zu treffen und von dem geliebten Plane wiederzuhören. Wir besuchten heute, Wagner, Semper und ich den gewählten Punkt. Es war wie eine Walfahrt. Die Abendsonne umgliss das uns gegenüber liegende München; wie in einem orientalischen Märchen glänzten die mannigfaltigen Thürme, gleich einem flüssig gewordenen Smaragd rollte die Isar dahin, und ob unser Haupt wölbte sich in reinstem Blau der Himmel. Wir schwiegen und träumten; in diesem Traume sah ich, wie zum ewigen Gruss auf der Höhe gegenüber des glitzernden Schlosses gebaut, das wunderbare wunderbringende Werk, und in mir erschallte es:
Vollendet das ewige Werk:
Auf Berges Gipfel
die Götter-Burg,
prachtvoll prahlt
der prangende Bau!
Stark und schön
steht er zur Schau:
hehrer, herrlicher Bau!
Wenn Euere Majestät mir Allergnädigst erlaubten meine Ansicht hierüber auszudrücken, so würde ich unterthänigst sagen, dass mit Semper die beste, ja, die einzige Wahl getroffen ist. Von den Baumeistern von denen ich weiss, scheint er mir der Einzige der eigne schöpferische Gedanken hat, folglich auch der Einzige der auf fremde grosse neue Gedanken mit Genialität eingehen kann. Dass Euere Majestät in grossmüthigster kühnsten Weise die Schwierigkeiten nicht beachtet haben, die gerade um diesen Namen für Jeden sich gestellt hätten, wie kann man das Euerer Majestät danken? Und Semper, welch' hohes Glück für ihn! Der berühmte verehrte Meister ist – sonderbar genug – zum eigentlichen Bauen seit seiner wahren Entwickelung nicht gekommen, er hat bis jetzt nur Andeutungen seines Genie's geben können, nun blüht ihm in den letzten Lebensjahren die herrlichste Aufgabe!
Als ich in Wagner's Tagebuch die Thaten der Allerhöchsten Vorfahren Euerer Majestät, zusammengezogen fand, dachte ich des schönen Capitels welches einst die Aufzeichnung der edlen Thaten krönen wird. Wie vieles ist schon geschehen, wie vieles stehet noch bevor! Gesegnet in alle Ewigkeit, sei der theure Name Euerer Majestät!
Ich habe mir erlaubt mit den gnadereichen Worten Euerer Majestät, meinen Vater zu beglücken. Wenn Euere Majestät es ihm Allergnädigst zu gewähren geruhen, erlaubt er sich seine Heilige Elisabeth in tiefster Ehrfurcht Euerer Majestät, zu widmen. Darf ich hoffen dass Euere Majestät, mir gütigst gestatten einige Aufsätze und das Gedicht zu dem genannten Werke, meinem Schreiben unterthänigst beizulegen?
Dieses Werk ist vielleicht das schönste welches der Vater geschaffen hat; es fesselt und ergreift wie ein musikalisches Drama, und verhält sich zu den Oratorien wie die Wagner'schen Schöpfungen zu den Opern: – es ist eben etwas ganz Verschiedenes. Sollten Euere Majestät, den Wunsch haben einst dieses Werk zu hören, so beauftragt mich der Vater Euerer Majestät unterthänigst zu melden, dass er jeden Augenblick mit seiner Kunst und seiner Person zur Verfügung steht, wenn er auch sein letztes Asyl in Rom gesucht und gefunden hat. Er weiss sie zu würdigen und in tiefster Seele zu preisen, die unvergleichliche wunderbare »That« Euerer Majestät: »und auf jeder Stelle wo er steht, getreulich dienet er, der Fürsten höchster Ehr'«! ... Sein jetziger Aufenthalt in Ungarn ist ein ergreifender Triumph gewesen; die Anerkennung des Vaterlandes hat etwas mild ernstes wie ein Muttersegen. »Nicht ein Publikum sondern ein Volk hat er hier«, sagte mir ein ungarischer Schriftsteller, und es ist richtig. Der Magnat und der Bauer, der Bürger und der Zigeuner, sie kennen, lieben und ehren ihn Alle. Die zwei Aufführungen der h. Elisabeth waren rührende Ereignisse; Kunstwerk, Künstler, Zuhörer wie zusammengeschmolzen bildeten das Ganze einer, im tiefsten Sinne des Wortes, religiöse Feier. Aus der Begeisterung erblühte die Andacht.
Als der Vater zum erstenmale in Pesth jetzt öffentlich sich zeigte, musste ich bei dem Empfange, an Hans Sachs' Erscheinen im dritten Akte der Meistersinger denken! Das ganze Volk fühlt in ihm seine lebendigste, edelste Affirmation. – Es waren schöne und glänzende Tage die wir dort verlebten, doch bin ich glücklich wieder zurückgekehrt zu sein. Hier ist meine Aufgabe; sie ohne Schwanken und Wanken zu erfüllen – mein höchstes beglückendes Ziel. Inmitten der berauschenden und traulichen Erlebnisse, bangte es mich; es ist mir jetzt zur Nothwendigkeit geworden dem Freunde Schritt für Schritt zu folgen, ihm zu helfen wo ich kann. Keine strahlende Freude kann mir die tägliche Sorge um ihn verscheuchen, so bleibe ich denn lieber hier und theile alle seine Empfindungen, und erleichtre ihm nach Kräften die Bürde des Lebens. Euere Majestät werden Allergnädigst vergeben, dass ich so unumwunden spreche; ich bin durch die übergrosse Huld mit welcher Euere Majestät meinen ersten Brief aufgenommen, so beglückt und ermuthigt, dass ich nun aus ganzer Seele schreibe wie ich Euerer Majestät, aus ganzer Seele danke!
Indem ich Euere Majestät um Vergebung bitte wegen der Verzögerung des Wagner-Buches, bin ich so frei unterthänigst zu versprechen dass es baldigst in Euerer Majestät Allerhöchsten Händen gelangen wird.
Mein Mann legt sich, Euerer Majestät, unterthänigst zu Füssen, und ich ersterbe, als
Eurer Majestät
treu gehorsamste Dienerin
Cosima v. Bülow-Liszt
München, den 19ten September 1865
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4
Hochverehrte Frau!
Aus ganzem Herzen danke ich Ihnen für Ihren Brief vom 18ten d.M. sowie für die gütige Übersendung der Dichtung zur Legende: »die Hl. Elisabeth« u. der Ungarischen Zeitschrift. – Wie innig hat mich Ihr theurer Brief erfreut u. gerührt! – Herrlich, in seiner Art einzig, muß das neueste Werk Ihres großen Vaters sein, für dessen Widmung ich ihm aus ganzer Seele dankbar bin; eine sehr große Freude hat er mir damit bereitet. – Tief u. von wahrem, innigem Hauche der Poesie durchweht, ist die Dichtung der Legende, wie hinreissend schön und ergreifend muß erst die Musik sein! – Sehr trefflich geschrieben finde ich die Besprechung der Legende in der ungarischen Zeitschrift; man kann sich das ganze Werke klar u. bestimmt vor Augen führen. – Wie verlangt es mich, dieses herrliche Oratorium ausgeführt zu hören, etwa im nächsten Winter unter der Leitung Ihres hochverehrten Gemahls? denn ich wage nicht Ihren Herrn Vater zu ersuchen, die Direktion zu übernehmen, um ihn nicht zu stören aus dem Asyl, das er in Rom gefunden; auch ihm wird die Ruhe wohl thun! –
Wie freut es mich von dem begeisterten, herzlichen Empfang zu hören, der ihm in seinem Vaterlande zutheil wurde, aus ganzer Seele theile ich Ihre Freude darüber, dessen seien Sie versichert, hochverehrte Frau! Und nun, nachdem die rauschenden Festlichkeiten der glänzenden Tage in Pest ihr Ende erreicht, kehren Sie mit Freuden zurück zu unsrem großen Freunde, sorgen für Ihn, helfen Ihm, die Bürde des Lebens leichter ertragen; wie tief rührt mich das; kann ich Ihnen genug danken für Alles was Sie am innig Geliebten thun?! – Meinen wärmsten Dank dafür, daß Sie sich der Mühe des Abschreibens der Blätter aus Wagner's neuem Tagebuch unterzogen haben. – Mit Begeisterung habe ich sie gelesen u. aufgenommen, ja wir wollen dem deutschen Volke zeigen, was es vermag, wenn es recht geleitet wird, ich will nicht ermüden in meinem Eifer, meiner glühenden Begeisterung, bis es erfüllt sein wird das: »ewige Werk!« –
Und nun, der Plan zum »Parcival«; wie groß, wie unvergleichlich – wie wahr sind die Charaktere! Mit welch erhebender Gewalt ist der Sieg des Guten, des Göttlichen geschildert! – Und Alles will Wagner nun schaffen, zur Ausführung aller Seiner Pläne schreiten, von Begeisterungsfeuer durchglüht sind Seine Briefe, wie macht mich das glücklich! – Mit welchem Jubel erfüllt mich das! – Sicher bin ich daß unter Ihres Gemahles Leitung die neue Schule gedeihen u. die herrlichsten Früchte tragen wird! – So schreitet nun Alles der Erfüllung, der Vollendung entgegen! Ich werde auf zwei Tage nach München kommen, am 2ten Oktober hoffe ich den Freund endlich wieder sprechen zu können, es sehnt sich meine Seele nach einer Unterredung mit Ihm, wie vieles gibt es zu bedenken, zu besprechen! – Wie viele düstre, schwere Gewitterwolken auch den Himmel der heiligen Kunst zu verdunkeln suchen, wie viele flackernde Blitze mit falschem Scheine die Menge zu täuschen sich bestreben, ihr Werk muß zerschellen; zwei Gestirne mit unvergänglichem Lichte werden den Irrenden recht rathen in Ewigkeit; der Name unsres großen Freundes u. der Ihres Vaters, gnädige Frau, sie werden mit hellem Glanze scheinen in Ewigkeit; nach schweren Kämpfen, winkt den unermüdlich Strebenden Sieg! – Sieg! – »Per aspera ad astera«! –
Viele Schwierigkeiten u. Mühen wird die Einführung der neu zu gründenden Preßorgane kosten, ich weiß es; doch seien Sie versichert, hochverehrte Frau, ich werde nicht wanken, fest, das als hoch u. heilig erkannte Ziel im Auge, werde ich vorschreiten, unbeirrt durch das Urtheil der Ungeweihten, der thörichten Menge! – Sie hatten die Güte in Ihrem, mir so werthen Briefe, des »Wagner-Buches« Erwähnung zu thun, nehmen Sie die Versicherung entgegen, daß ich mich ungemein auf dasselbe freue! –
Ich ersuche Sie, Ihrem von mir hochverehrten Herrn Vater mitzutheilen, daß mich die Widmung gerade seines neuesten Werkes, der Legende: »Die heilige Elisabeth« unbeschreiblich freut, Dank, innigen Dank aus tiefster Seele. –
Indem ich Sie ersuche, Ihren verehrten Gemahl freundlichst von mir zu grüßen, bleibe ich stets, gnädige Frau
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
Hohenschwangau 25. Sept. 1865. –
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5
Allerdurchlauchtigster grossmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Hätte ich meinem Gefühle gefolgt, längst hätte ich Euerer Majestät aus tiefster Seele gedankt; doch will es mir als Pflicht erscheinen die grosse Gnade Euerer Majestät, nicht zu mißbrauchen, und in der Stille Wünsche und Segen, Euerer Majestät, darzubringen. Heute empfange ich von meinem Vater einen Brief an Euere Majestät, und indem ich denselben unterthänigst übersende, erlaube ich mir einige Zeilen beizufügen, in der Hoffnung dass Euere Majestät sie mit der gewohnten Huld und Güte aufnehmen wollen.
Das schöne Blatt – Tannhäuser's Schild – empfing ich am 27ten September meinem Namenstage. Unsagbar rührte mich dieses huldvolle Gedenken Euerer Majestät, und grosse Freude habe ich stets an dem sinnig gedachten fein ausgeführten Werke. Wie erhöht wird doch die Bedeutung eines Kunstproduktes wenn sich an ihm das Gefühl knüpfen kann! Ich kann Euerer Majestät ja nicht sagen welche Freude wir Tag täglich an dem Tannhäuser Bild finden, welches Euere Majestät dem Freunde allergnädigst schenkten. An und für sich ist es wirklich schön, dass es aber Tannhäuser's Legende darstellt, vor allem dass es von Euerer Majestät herstammt, erweckt bei jedem Anblick die schönsten erhabensten Gefühle. Solche Freuden sind mir auch durch das Allerhöchst übersandte Blatt geworden, ich trete nicht in meinem Arbeitsstübchen ohne durch das hohe Andenken wunderbar gestimmt zu werden.
Mein Vater sagt mir dass er sich nur ganz kurz an Euerer Majestät zu schreiben erlaubt hat, es ward ihm unmöglich für die huldvollen auf ihn bezüglichen Zeilen in dem Allerhöchsten Schreiben Euerer Majestät, nicht zu danken. Von Wien aus hat man ihn um die Erlaubniss zur Aufführung der h. Elisabeth gebeten, er hat sie verweigert da ihm daran liegt dass sein Werk nirgends gegeben wird bevor es die Ehre gehabt von Euerer Majestät gehört zu werden. Wie wird sich mein Mann freuen für Euere Majestät die Legende zu dirigiren; es wird dieses zu jenen Lichtpunkten in dem schweren Kunstleben gehören, welche alles übrige als leicht erträglich erscheinen lassen.
Gestützt auf Euerer Majestät allergnädigsten Beschluss nimmt sich mein Mann vor, den Herrn Minister des Cultus um eine Unterredung mit ihm zu ersuchen. Mein Mann getraut sich nämlich nicht die neue Stiftung in das Leben zu rufen wenn das alte Conservatorium besteht, fasst ja doch die Kunstschule die Tendenzen des Conservatoriums in sich. Er beabsichtigt von Herrn Minister zu ermitteln ob eine Verschmelzung der beiden Institute nicht möglich wäre; sollte an dem Namen Conservatorium viel liegen, so wäre Wagner gern bereit denselben aufzunehmen, nur um dem Misstand vorzubeugen der aus dem Nebeneinanderbestehen zweier solcher Anstalten in derselben Stadt, sicherlich sich ergeben würde. Es will uns erscheinen als ob eine eingehende Unterredung mit dem Herrn Staatsminister manche Schwierigkeit lösen könnte. Hoffentlich geruhen Euere Majestät diesen Schritt allergnädigst zu genehmigen.
Jetzt ist Mime erschlagen! Dies war das letzte was ich von dem Freunde ausführen sah; nun führt er den befreiten Siegfried durch den Wald zur Brünhilde; mit welcher Freude sehe ich den Freund an seinem geheimnissvollen wunderreichen »Webstuhle«, wo er die mit Gewalt zu Schlaf gebrachten Welten wieder erweckt. Doch war er die letzten Tage betrübt und leidend; ich weiss aber dass er wieder wohl und frei wird. Nicht einen Augenblick kann ich an der Ausführung aller Gedanken zweifeln, die ja nur er verwirklichen kann; die Wunderthat Euerer Majestät muss erfolgreich sein; der grosse theure Freund gelangt zur schöpferischen Ruhe, die deutsche Kunst findet ihre Stätte, durch sie erlebt das deutsche Volk seine Wiedergeburt. Wir staunen oftmals über die Grösse des Vorhabens, und weil ich diese Grösse stets in's Auge fasse bekümmern mich die Hindernisse, die »düstren schweren Gewitterwolken« kaum, eins weiss ich: dass unser Ziel gross, und aber auch dass unsere erhabene Stütze unwandelbar fest und grösser noch als unser Ziel ist. Ich liesse mit Lächeln der »flackernden Blitze falscher Schein« vorüberziehen, sähe ich nicht des Freundes Stirn sich umwölken, die trostlose Lebensmüdigkeit ihm alle Kräfte rauben; dann verlässt mich, nicht der Glaube, nicht die Geduld, wohl aber der frohe Sinn der wie der thätige Gehilfe der beiden ersteren sich bewährt. Trübgemuth matt schlägt das Herz und einzig und allein der Gedanke an Euerer Majestät kann mich ermuntern dem Freunde lächelnd zuzurufen, Muth, Geduld »Das Leben ist doch schön!« Ach! sein wundes Herz, sein gepeinigter Geist, wie müssen sie sorgsam vor allem geschützt bleiben! Ich erschrecke vor der Veränderung die in dem Freunde, bei jeder trüben Erfahrung vorgeht!
Dass das Wagner-Buch noch nicht in den Allerhöchsten Händen Euerer Majestät gelangt ist, daran ist theils das Unwohlsein eines meiner Kinder Schuld, theils die trübe Stimmung und der leidende Gesundheitszustande in welche ich den Freund vorige Tage sah! Ihm bis in dem Tode getreulich beizustehen habe ich mir gelobt; dass dieses Euerer Majestät wohlgefällig ist, erlaubt mir es Euere Majestät, als unterthänigste Entschuldigung anzuführen.
So eben erfahre ich dass Euere Majestät nicht wohl sind – wie tief betrübt uns diese Kunde! Gäbe der Himmel Euere Majestät seien wieder wohl wenn diese Zeilen in Euerer Majestät allerhöchsten Händen gelangen! Dürft' ich da wohl mir erlauben Euerer Majestät in aller Demuth eine Kleinigkeit zu Füssen zu legen, die ich aus Ungarn mitgebracht habe? Es ist eine Medaille die ich bis jetzt nicht gewagt habe Euerer Majestät zu übersenden. Sie stellt den h. Georg den Drachen erschlagend dar, und soll ihren Träger vor jedem Unfall zu Lande oder zu Wasser beschützen. Als mir der Sinn durch einen befreundeten ungarischen Magnaten gedeutet wurde, trat mir das Bild Euerer Majestät vor die Augen (Haben doch Euere Majestät gleich dem h. Georg den Drachen erschlagen); ich frug mich ob Euere Majestät wohl den kindischen abergläubischen Gedanken verzeihen würden, und brachte den Tand mit; bis jetzt habe ich mich nicht getraut ihn zu senden. Nun erfahre ich dass Euere Majestät sich den Fuss verletzt haben und ich überwinde die wohlbegründete Scheu. Euere Majestät werden mir darüber, ich hoffe es und bitte unterthänigst darum, nicht zürnen; ist es mir als ob wir Frauen uns das Recht des Aberglaubens erbitten dürften, da wir den bangen Angstgefühlen so preisgegeben sind, und wir in allen vernünftigen Gedanken zuweilen selbst in dem Gebete keine Beruhigung finden! Sollten Euere Majestät mir die Freiheit nicht gestatten so bitte ich mit derselben Einfalt mit der ich sie mir genommen, um Vergebung und baue ich auf die unermessliche Güte Euerer Majestät sei es in der allergnädigsten Aufnahme oder in huldvoller Vergebung meiner geringen kindischen Sendung. Die huldvollen Worte Euerer Majestät über meinen Vater, ermuthigen mich dazu, dem Amulet eine Photographie beizufügen, dieses letztere sende ich ohne Zagen da Euere Majestät die grosse Gnade hatten mein und meines Mannes Bildchen gütigst aufnehmen zu wollen.
Indem ich alle meine Wünsche für das Wohlergehen Euerer Majestät, in einem tiefgefühlten Danksagen zusammenfasse, und die ehrfurchtsvollen Huldigungen meines Mannes, Euerer Majestät zu Füssen lege, habe ich die Ehre mich zu zeichnen
Euerer Majestät
treu gehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
München, den 14ten Oktober 1865
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6
Hochverehrte Frau!
Obgleich ich heute, als am letzten Tage vor meiner Abreise sehr in Anspruch genommen bin, so kann ich doch mir die Freude nicht versagen, Ihnen meinen wärmsten u. innigsten Dank wenigstens in einigen Zeilen auszusprechen, für Ihren werthen Brief u. für die gütige Übersendung des Briefes u. Bildes Ihres hochverehrten Vaters, sowie für den Georgenthaler. – Wie freuen mich beide! – Wie fesselnd müssen die Züge Ihres Vaters sein! Wie geistvoll u. tiefbedeutend sein Blick! – Ich habe vor, die Medaille recht viel zu tragen, sie soll mir stets ein theures Symbol sein –
Also Mime ist erschlagen! – Theure Kunde! Nun folgt unser Held der Vöglein Flug, nun erweckt er die schlummernde Braut. Könnte ich doch mit einem Zauberwort plötzlich alle Wolken von des großen Freundes Stirne scheuchen, alle Sorgen bannen auf Nimmerwiederkehr! – »Einst wird kommen der Tag!« – ich sehe es voraus; auch Er möge nicht verzagen! – Innigen Gruß dem ewig Geliebten aus tiefster Seele! – Und jener Tag ist nicht ferne, ich weiß es. –
Vollkommen billige ich Ihres Herrn Gemahles Absicht, mit dem Kultusminister selbst sprechen zu wollen; schwer wird es sein, das alte Conservatorium aufzuheben, ich weiß es; – für die neue, deutsche Kunstschule (wie Wir sie wollen), wird von den Ständen kaum das Nöthige bewilligt werden.– In Betreff der Übernahme der Kosten auf die Civilliste habe ich den nöthigen Befehl ertheilt. –
Bald wird nun Alles geordnet sein; so steuern wir muthig u. siegesbewußt unsrem großen Ziele entgegen! – Das deutsche Volk wird auf der Bahn des Großen, Rechten wandeln, wird seinen Geist neu erkennen lernen! –
Ich ersuche Sie, hochverehrte Frau, Ihrem Herrn Vater einstweilen meinen besten Dank auszudrücken für seinen Brief. – Sehr leid ist es mir, schon jetzt schließen zu müssen, nehmen Sie nochmals meinen wärmsten Dank entgegen! – Gott schütze Ihn, den herrlichen Freund u. segne Sie u. Ihren Gemahl, die Sie Freud' u. Schmerz treu mit Ihm theilen, dieß wünscht aus ganzer Seele, hochverehrte Frau,
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
Hohenschwangau den 16. Okt. 1865/.
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7
Allerdurchlauchtigster grossmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Indem ich mir erlaube Euerer Majestät, das Wagner-Buch allerunterthänigst zu Füssen zu legen, bitte ich Euere Majestät, mir Allergnädigst gestatten zu wollen einige Zeilen des Dankes beizufügen. Die gnädige Aufnahme des Bildes meines Vaters und des Georgenthalers rührte und beruhigte mich tief; kaum hatte ich zu hoffen mir getraut, dass Euere Majestät, die Sendung der Medaille mir gestatten würden. – Was das Bild anbetrifft wage ich es Euerer Majestät zu sagen dass ich wohl wusste, dass diesem »tiefbedeutenden Blicke« ein anderer tiefbedeutender Blick, mir huldreich freundlich entgegenstrahlen könnte!
Euere Majestät werden wohl allergnädigst verzeihen, erstens: dass das Wagner-Buch so spät in Euerer Majestät, Allerhöchsten Händen gelangen konnte, zweitens: dass die Copie fehlerhaft ausfallen musste; die Manuscripte sind so unleserlich, so durcheinander geschrieben, dass ich nur mit Mühe und Noth die noch sehr mangelhafte Ordnung hineinbringen konnte. Es sind ja dies eben nur Skizzen, auf das loseste Blättchen im Drange anderweitiger Beschäftigungen flüchtigst hingeworfen, zur späteren Benützung oder gänzlicher Verwerfung. Keinem ausser Euerer Majestät, möchte ich dieses Buch sehen lassen, denn keiner würde es verstehen. Man muss Wagner vollständig und bis in das tiefste Innere erkannt haben, um diese Entwicklungsstufen nachträglich mit freudevollem Verständnisse zu ersteigen. Was dem Erkennenden, der, zum Ziele führende, sehr durchschlungene oft beschwerliche, doch sichere Gang ist, muss dem Unwissenden als Labyrinth erscheinen! Dieses krampfhafte Aufbauen einer unbekannten trostzulassenden Macht gegenüber der Hoffnung vernichtenden bekannten Mächte muss dem Kurzsichtigen wie ein Umsturzsüchtiges Verlangen abschrecken, dem Hellsichtigen aber ist es die gewaltsame Festhaltung der Hoffnung unter deren Strahlen der Geist einzig seine Frucht zur Reife bringen konnte. In diesem leidenschaftlichen Wühlen in den fernsten Regionen, in diesem zuweilen harten Absprechen, in dieser mit Gewalt neu-construirten Welt, mit Hilfe selbst der kühnsten erstaunlichsten Behauptungen (wie wenn z. B. das Elend zur Tugend erhoben wird) ersehe ich und empfinde ich das tiefe Leiden nach, des Genius der in seiner eigentlichen Entpuppung begriffen, wie mit Schauder ahnungsweise durchblickt in welcher Welt er seine Schwingen entfalten wird, und mit Gewalt sich eine neue schaffen will. Da hilft das Unbekannte das neben-leidende; dem wird zugerufen um die Freiheit zu gewinnen, dieses Geheimniss deren Kundgebung nach der Aussage eines tiefen Denkers, doch nur von oben kommen kann! Inmitten dieser Trümmer und Schulten, über welche der Freund heute selbst lächelt, erhebt sich aber immer deutlicher und fester das Kunstideal, und das ist für mich das Erbauende dieses Ringens; wie Vernichtung sieht es manchmal aus, doch ist es fruchtbar, segensreich!
Hoffentlich sind Euere Majestät mit der Anordnung nicht unzufrieden, ich möchte ich hätte es besser machen können. Mit einiger Wehmuth trenne ich mich nun von der kleinen Arbeit, da ich jetzt für Euere Majestät nichts mehr zu thun habe, hoffentlich sorgt der Freund dafür und ist mir die freudenvolle Ehre bald vergönnt Euerer Majestät, meine Zeit widmen zu dürfen.
Augenblicklich ist der Freund in Wien; die bis jetzt erhaltenen Nachrichten waren gut. Ernst sind die letzten Tagen gewesen die wir zusammenbrachten, ernst, ja feierlich! Als er die Nachricht der Allergnädigsten Bestimmung Euerer Majestät, empfing, war ich zugegen, wir schwiegen lange, still sahen wir einander lange an! Gewiss haben in dieser Zeit wir beide lautlos das Schicksal gefragt, warum es hätte so sein müssen? Mit schwerem Herzen ging ich, und schweren Herzen's bin ich geblieben – unmöglich wäre es mir deutlich zu sagen warum? Vielleicht dass das ganze düstre Leben des Theuren sich bei dieser Schicksalswendung in meiner Seele entrollte, und ich betrauern musste dass es dergestalt war, nur so befreit werden zu können: ich darf es Euerer Majestät wohl eingestehen, ich habe in der Einsamkeit, diese Tage bitter darüber geweint!
Doch was kann Ihnen Allergnädigster König und Herr, gesagt werden, wie könnte man Euere Majestät preisen? In früheren Zeiten hegte das französische Volk den Glauben dass die Berührung seiner Könige die Kranken heile, und nach einer alten Sitte desselben Volkes waren die Gefangenen befreit wenn sie die Majestät erblickt hatten. Durch die erhabene Person Euerer Majestät, leben Glaube und Sitte wieder auf; die kranken Gemüther die gefangenen Geister werden von Leid und Ketten befreit und blühen im Dankgefühle wieder auf. Dankbar sein dürfen, von der gnadereichen Hand empfangen die da weiss zu geben! einziges beseligendes Gefühl! Welcher ist wohl da beneidenswerther, König Ludwig der hohe Geber, Richard Wagner der grosse Dankende? ...
Sehr erfreute ich meinen Mann durch die Nachricht der Allergnädigsten Genehmigung seiner Absicht. Er hat den wesentlichen Inhalt seiner Unterredung mit dem Herrn Cultusminister, Herrn v. Lutz mitgetheilt, und er würde sich glücklich schätzen, wenn Euere Majestät die Gnade gehabt hätten von dieser Mittheilung Kenntniss zu nehmen, falls der Vortrag seitens des Herrn Cultusminister nicht jede weitere Auseinandersetzung überflüssig gemacht hätte. Er kam befriedigt von dieser Unterredung zurück, in welcher er auf weniger Schwierigkeiten gestossen ist als er erwartet hatte; gern möchten wir der Civilliste eine bedeutende Last ersparen, indem ihr nur einen Zuschuss zuertheilt würde; und wenn es Euere Majestät allergnädigst gestatten, so will mein Mann es sich angelegen sein lassen mit den einflussreichsten hervorragendsten Mitglieder des Abgeordnetenhauses, sich in Einvernehmen zu stellen um ihnen die Sachlage zu unterbreiten. Uns wird von verschiedenen Seiten versichert dass die Stände gern das Nöthige bewilligen würden, wenn eine ordentliche Kunstanstalt zu Stande käme. Auch hat der Herr Cultusminister keine eigentlichen Einwendungen gemacht.
Gestern erhielt ich einen Brief von Frau v. Schnorr die mich frägt ob sie sich diesen Winter in Dresden mit Unterrichtgeben behelfen sollte, ich antwortete ihr sofort sie möge gedulden, es würde Alles zu gleicher Zeit und zu seiner Zeit geschehen. Hoffentlich habe ich erwiedert wie es Euerer Majestät genehm ist.
Der Freund wird wohl Euerer Majestät gemeldet haben dass er grosse Hoffnungen auf einen Sänger setzt, seinerseits hat mein Mann eine Stütze für den Clavier-Unterricht gefunden, ein ernster, tüchtiger Mensch, aus Bayern gebürtig, der den besten Willen zu haben scheint, und in der Musikliteratur bedeutend bewandert ist. Wenn ich mir gestatte dieses Euerer Majestät, unterthänigst zu melden, so geschieht es damit Euere Majestät, daraus ersehen dass unaufhörlich das Augenmerk auf das Ziel gerichtet ist. Nicht einen Augenblick überfällt uns Zagen oder Zweifel, alles wird, wir wissen es. Indem ich mit grösster Ergriffenheit die huldreichen Worte las die Euere Majestät mir über meinen Vater allergnädigst schreiben, dachte ich, wie ganz anders sich sein Leben gestaltet hätte, wenn er es der begeisternden Begeisterung Euerer Majestät hätte widmen können! Wie anders stünde es jetzt um unsre Kunst in Deutschland! ... Ihm ward es nur vergönnt den Grundstein zu legen den Bau selbst mit seinem Schlussstein errichten Euere Majestät! – Einer ist es der vermag es Euere Majestät zu preisen, und er wird es in ungeahnter ewiger Pracht – ich vermag nur aus tiefster Seele jeden Schritt Euerer Majestät zu segnen, für jede That unnennbaren Dank zu fühlen.
Euere Majestät gestatten wohl mit der gewohnten Gnade, der tief und still Empfindenden sich zu nennen
Euerer Majestät
treugehorsamste unterthänigste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
München, den 25ten Oktober 1865/.
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8
Hochverehrte Frau!
Es drängt mich, Ihnen meinen wärmsten, innigen Dank auszudrücken für Ihren werthen Brief und die gütige Übersendung des Wagner-Buches. – Nehmen Sie die Versicherung entgegen, daß Sie mir damit eine große Freude bereitet haben. – Wie fesselnd u. tief ergreifend ist doch Alles, was aus der Feder des großen Freundes kömmt! – Wenn in manchen der in dem Buche enthaltenen Aufsätze sich das Ringen u. rastlose Kämpfen des oft noch nicht zur völligen Klarheit gelangten Geistes kundgibt, so dringt doch durch den Schleier der Wolke der Strahl des siegenden Lichtes der Wahrheit. – Hier lassen sich Göthe's Worte anführen: »Es ist der Mensch in seinem dunklen Drange des rechten Weg's sich wohl bewußt.« Heil dem Überwinder, Unsrem geliebten Freunde, der nun mit den blendend reinen Strahlen Seiner Sonne der Menschheit das ewig-Wahre u. Vollkommene offenbart. –
Mit Freuden nahm ich von dem Briefe Ihres Herrn Gemahles an meinen Sekretär Kenntniß; bald wird nun die Angelegenheit bereinigt werden! – O seien Sie überzeugt, hochverehrte Frau, daß es mich schmerzt, bis tief in die Seele mir wehe thut, nicht plötzlich alle Hindernisse entfernen zu können, nicht plötzlich jede Bahn ebnen zu können, die Uns dem großen Ziele entgegen führt, – doch das Werk wird vollbracht; wie begeistert u. erhebt es mich daß kein Augenblick des Zagens u. des Zweifelns Sie befällt, daß das Werk rüstig gefördert wird. – Ich will nächstens den Befehl zur Errichtung des provisorischen Theaters ertheilen, nach Erhaltung des gründlichen Kostenvoranschlages, in einigen Wochen erwarte ich von Semper das plastische Modell des Festbaues zugesandt zu erhalten. –
Gestatten Sie mir, hochverehrte Frau, Ihnen ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit zukommen zu lassen; ich lege es hier bei. – Die blaue Farbe des Saphirs (Farbe des Glaubens) möge Ihnen ein Symbol des festen Glaubens u. unerschütterlichen Vertrauens sein, welche mich beseelen, u. Muth verleihen, Alles was an mir liegt zu thun, um das große, das Ewige Werk erbauen zu helfen. – Möge der Freund sich Schonung gönnen! damit Seine Gesundheit sich völlig kräftige. – Mit den freundlichsten Grüßen an Sie u. Ihren verehrten Gemahl, bleibe ich
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
Hohenschwangau den 5. Nov. 1865. –
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9
Hochverehrte Frau!
Unmöglich ist es mir, diese Wonnen allein zu tragen, ich muß sie einem Herzen gegenüber ausschütten, das mich kennt u. versteht. – Er, der große Freund, der innig, bis in den Tod Geliebte u. Sie, theure, hochverehrte Frau sind die Einzigen auf Erden, die mich verstehen, dieß ist sicher, wahr, so wahr, als ein Gott lebt. – Ich bin im Himmel! – Ach welche schönen, herrlichen Tage![?] – Und Er nannte sich glücklich, o Übermaaß der Seligkeit! – Geloben Wir Uns Beide feierlich Alles, was nur in menschlichen Kräften möglich ist, zu thun um Ihm die gewonnene Ruhe zu erhalten, jede Sorge von Ihm zu scheuchen, jeden Schmerz, wenn möglich lieber auf Uns zu lenken, Ihn zu lieben, zu lieben mit allen Kräften, die Gott der Seele gab. – O ich weiß, Unsre Liebe zu Ihm ist ewig, ewig, u. doch ist mir der Gedanke so lieb u. werth eine Ihm treue Freundesseele, wie die Ihrige, hochverehrte Frau gebeten zu haben, mit mir vereint, Ihm zu sein, was dem Menschen möglich, für einen Angebeteten, Heiligen. –
O Er ist göttlich! Göttlich. – Mein Beruf ist, für Ihn zu leben, zu kämpfen, zu leiden, wenn Er es zu Seiner völligen Erlösung bedarf. – Wie freut es mich, daß der Theure an dem Felsenschlosse u. seinen Umgebungen so viel Gefallen findet. – Hier ja war es, wo ich noch als Knabe jubelnd durch Wald u. Wiesen schritt, stets Sein Bild in Geist u. Herzen tragend. – Auf dem Spiegel d. Alpsee's las ich den Ring des Nibelungen. Und nun den Ersehnten bei mir zu sehen, mit Ihm den Tag verleben zu können, o unverdientes Glück für mich! – Nun muß doch endlich die profane Welt die Augen öffnen, Unser Verhältniß verstehen, trotz allen schändlichen Intriguenspiels. –
Es freut mich zu hören, daß Sie von Ihrem verehrten Gemahl gute Nachrichten erhielten, ich bitte, grüßen Sie ihn von mir, wenn Sie ihm schreiben werden; der Herr segne Ihre Kinder! – Mit den besten, innigsten Wünschen für Ihr Wohl bleibe ich stets
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
am 14. Nov. 1865.
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10
Erhabener, Gottgesandter König!
Theurer, gütiger, gnädiger Herr!
Ueberwältigt von den berauschenden Botschaften, die – eine herrlicher wie die andre – mir der Freund zusendet, wollte ich (denn ich musste!) Euerer Majestät, jubelnd danken; und Euere Majestät kommen mir zuvor, und gedenken meiner, während den wonnevollen Tagen! ... Ach! was kann ich nun sagen, und muss ich nicht mich einzig auf Euerer Majestät, wunderbare Seele berufen, die Alles durchdringt, alles erfasst?
Nach dem ersten Tag, den der Freund bei Euerer Majestät zugebracht, schrieb er mir: »ich bin glücklich!« Aus diesem Munde, diese Worte zu hören! Mir war's als ob die Erde unter mir zu duftigen Wolken wurde und mich über Noth und Qual sanft auf höchsten strahlenden Höhen emporhob. Alle Briefe die ich bisher vom Theuren erhielt, waren von Wehmuth umflort; die Drei Botschaften die ich jetzt bekommen, sie strahlen, jubeln, lächeln, sie können mir nichts sagen, und in diesem Unvermögen liegt eben Alles. Ich kann kaum die Stunden erwarten, wo ich von jedem Augenblick, werde hören, und doch möchte ich dass diese Zeit für den Freund nie vorüberging. Doch wäre es kleinlich das Wunderglück dass uns bescheert, an irgend eine Zeit binden zu wollen: Euere Majestät sind erstanden, sind da; das ist das unfassbare Glück an dessen Strahlen zu jeder Zeit die Seele sich erwärmen darf. »Das Unbeschreibliche hier ist es gethan!« Zitat nach Johann Wolfgang von Goethe, »Faust«, 2. Teil Fast muss ich annehmen dass wir die Noth und Trübsal des Lebens bitterst empfinden sollten, um die göttliche Erscheinung wahrnehmen und preisen zu können. Doch alles was ich da sage sind Worte, und wie gegen den öden starren Felsen, die mächtigen Wogen sich brechen, so bricht die Empfindung gegen die Rede!
Wie freute es mich zu hören dass der Freund seine begonnene Biographie Eurer Majestät, vorlas! Mir ist so vieles schon durch dieses Fragment belebt worden. Ich theilte dem Freunde mit, dass wie ich neulich den Freyschütz hörte, er mich ganz unbeschreiblich rührte; es war mir als ob er mich ganz persönlich anging, als ob ich ihm grossen Dank schuldig wäre, die Thränen füllten das Auge, und während den Pausen war ich in dem Hause wo das Genie im Kinde schlummerte, und welches der »deutsche« Meister beglückte. So ging es mir vor einigen Tagen mit einem Werke von Bach; da kam mir alles was der einzige Freund Euerer Majestät, über diesen Unbegreiflichsten der deutschen Grossen in Sinn, und mit lebendig gewordener Andacht folgte ich der geheimnissvollen Schöpfung. Müsste ich mich nicht jetzt entschuldigen, dass ich Euerer Majestät dergleichen zu mittheilen wage? Nichts will mir rein, hoch und gross genug erscheinen um Euerer Majestät gesagt zu werden, und doch könnt ich, wünscht ich Euerer Majestät, in kindlichster Zuversicht, geringfügiges wie bedeutungsvolles, zu vertrauen!
Den schönen Armreif den Euere Majestät in Gnade mir bestimmt, erfreut mich täglich. Das Bild, der Stein, die Kette wie vieles sagen sie mir! Wenn in manchmal trüben Stunden, der Blick auf der Liebe Huld, des Glauben's Farbe, und der göttlichen Fessel sich senkt, so fallen bläulich goldne Strahlen des Trostes in der geängstigten Seele.
Theurer, Gnadenvoller, Glückspendender, Erlösender König, die Mutter, die Frau, die Freundin, ruft auf Euerer Majestät erhabenes Haupt, den schönsten vollsten Segen des Himmels herab, und durch Leid und Freud' preist ewig den Einzig Grossen, Liebenden, Glaubenden!
Ich verbleibe in unwandelbarem Dankgefühl
Euerer Majestät
unterthänige treugehorsamste Dienerin
Cosima v. Bülow-Liszt
München, den 15ten November 1865./
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11
Theurer erhabener König, gnadenreicher Herr!
Beschützer, Gebieter, Schirm und Hort!
Der Freund ist mir zurückgekehrt, wie strahlend, wie muthig, wie hoffnungs- nein gewissheitsvoll, und heute schreibe ich an Euerer Majestät in der Angst des Herzens! Die böswilligen Gerüchte tauchen wieder auf, es wird von einer Seite her verbreitet, die Euere Majestät gewiss kennen und ich nicht bezeichnen darf, Wagner hielte Euere Majestät von den Regierungsgeschäften ab, Wagner wäre an diesem und jenem Schuld, Wagner erbitterte Euere Majestät gegen die Minister, Wagner entfremdete Euere Majestät dem Volke. Dies ist nicht Volksstimme, dies ist mit boshafter Mühe die wiederaufgenommene Conspiration. Alles was ich erfahre verschweige ich dem Freund, überlass ihn den goldnen Erinnerungen, und dem geheimnissvollen wunderreichen Webstuhl, Euerer Majestät aber bin ich verpflichtet die Wahrheit zu sagen. Immer dreister, tückischer, gefahrbringender werden Mime und Fafner, keine Lüge ist so gewaltig dass sie sie nicht hervorbringen, keine Schlechtigkeit so schwarz dass sie sie nicht begehen. Ich weiss nicht ob es da eine Abhilfe giebt, ich frage mich daher ob ich recht thue Euere Majestät anzurufen. Allein so öde ist es in mir, ich finde nicht Rath nicht Hilfe, ich sehe die schrecklichsten Misverständnisse von böswilligster und wie die Leute meinen »glaubwürdigster« Seite absichtlich verbreitet, dann die Folgen dieser Verbreitung Euerer Majestät vorgelegt, ich zittre um den Freund, ich bebe dass Euerer Majestät trübe Erfahrungen zu machen haben, und habe nicht eine Seele der ich meine Noth zuschreien könnte. Nicht den König ruf ich an der wird nach Gutdünken in höchster göttlichen Weisheit handeln, dem gnadevollen Erlöser sag ich mein Leid, vertraue ich meine Angst – theurer gütiger Herr, ich sehe die bösesten Dinge ihren schwarzen Anlauf nehmen! Der königliche Beschützer wird es dem Frauenherzen nicht verwehren ohne Ziel und Absicht, den Angstschrei, von der erhabensten mildesten tiefsten Seele ausgestossen zu haben. Ich sehe das herrlichste Bild den hehrsten König; den göttlichsten Genius zusammen auf ewig vereint, und sehe dann auch schwarz wie der Abgrund die Bosheit sich um die Prangenden lagern. Die Bosheit kann wohl die Sonne nicht verfinstern sie vermag es aber wolkenartig ihr fruchtbringendes Licht der Erde zu entziehen, sie kann die That hemmen.
So eben war Dr. Grandauer bei mir; er sprach von der Unmöglichkeit die Zeitung bis zum Monat Januar herauszugeben. Ich vervollständigte die Liste der Mitarbeiter die er mir brachte, und will nun an einige derselben schreiben, und was in meinen Kräften steht thun, um den Freund mit vielerlei zu verschonen damit die Hauptsache – Siegfried – zur Vollendung komme! Ich habe bemerkt dass der vortreffliche Dr. auch eingeschüchtert worden ist (so gut wie der Ministerialrath Riedel), doch ich will es nicht bemerkt haben da er ein ordentlicher tüchtiger Mensch ist, und in jeder Beziehung der Sache gute Dienste leisten wird. Er kam auf einen Gedanken der mir nicht schlecht dünkt, das Blatt auch der dramatischen Kunst zu widmen – doch möchte ich erst mit dem Freunde darüber reden bevor ich Euere Majestät belästige. Vorläufig kommt es darauf an Mitarbeiter und Manuscripte herbei zu schaffen, falls Euere Majestät allergnädigst damit einverstanden sind dass die Zeitung später erscheint. – Vorgestern besuchte der submarine Ingenieur W. Bauer, den Freund und theilte vieles merkwürdige und interessante sowohl über seine Entdeckung als über seine Erfahrungen mit. Einzig und allein ist ihm Schutz von Euerer Majestät gekommen. Beglückt und frohen Muthes erzählte er es uns und machte uns einen guten Eindruck. In seiner schlichten lebhaften Mittheilung, fanden wir das ewig sich wiederholende Geschick der Entdecker; mag ihre Sache noch so beweisbar sein, die Interessen der Stupidität, der Selbstsucht, der Eitelkeit, müssen sie bekämpfen fast immer besiegen. Glücklich derjenige dem eine Sonne entgegenstrahlt!
Ich erlaube mir Euerer Majestät einen kleinen Auszug aus einem hiesigen Blatt mitzutheilen, weil es den Freund unterhielt und er mir sagte »das würde unsren König auch unterhalten«. Das Volk empfindet richtig, nur wie wird es gehandhabt, wie wird es aufgestachelt um dann gebraucht zu werden!
Noch bleibt mir Euere Majestät meinen tiefsten Dank auszusprechen. Das schöne Altarbild habe ich unter Euerer Majestät's theures Bild gestellt und davor die rührend beredsamen Blumen von Hohenschwangau. Vor diesem Altar schrieb ich nun, und indem ich mit Wehmuth und Angst begonnen, hat sich leise allmählig Trost in die Seele verbreitet. Wie in einem Mährchen dünke ich mich spricht der Freund von der vergangenen Woche, und erzählt so viel so viel, und nie genug, und endigt nie!
Ach! Theurer, erhabener, Heldenkönig, wie ist doch alles so schön, so lieblich bedeutungsvoll, so tief und so hoch was Sie sagen und thun! Wo ist eine Hoffnung ausser in unsrem König, wo sollen wir mit Glauben und Liebe hin wenn wir sie nicht Euerer Majestät darbringen? Unsre hohe Kunst wie sehen wir sie verdarben denken wir einen Augenblick nur dass Euere Majestät nicht da sein könnten. Alles ruht in Euerer Majestät's Händen und darum sind wir ruhig, und darum sicher, und darum trotz der Stürme fühlen wir uns im Hafen.
Soll ich diese Zeilen schicken? Sie sind überflüssig, denn Euere Majestät wissen, können und wollen alles – Eines mögen Euere Majestät daraus nur erlesen der beseligende Glauben, das heiligste Vertrauen, den ewig fliessenden Dank!
Euere Majestät gestatten mir gnädigst zu unterzeichnen
Euerer Majestät
treugehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
München, den 25ten November 1865
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12
Theure, hochverehrte Frau!
Aus dem Grunde meines Herzens danke ich Ihnen für zwei so liebe u. werthe Briefe. – Wie entzückt es mich zu hören, daß der Freund sich der hier verlebten Tage mit Freude erinnert. Von neuem Muthe fühle ich mich belebt, kampfesfroh u. siegesgewiß will ich Mime u. Fafner entgegentreten; sie dürfen Unser Werk nicht hemmen. – Daß jene böswilligen Gerüchte von neuem auftauchen erfüllt mich mit Wehmuth; ich habe dem Polizeidirektor den Befehl ertheilt, soviel als möglich entgegen zu arbeiten; jedoch mündlich; ich verspreche mir viel davon. Seien Sie überzeugt, hochverehrte Frau, auch diese letzten Zuckungen der Ohnmacht werden bald vergehen, Unser Werk wird gedeihen, die Fahne der heiligen Kunst wird wehen, es wird Uns gelingen den im deutschen Volke schlummernden Keim zu erwecken, zur Reife zu bringen; mein Glaube ist gränzenlos! – Wenn Grandauer für Unsre Zwecke nicht zu brauchen ist, da er in der That völlig eingeschüchtert zu sein scheint, so könnten Wir es mit Porges oder Pohl versuchen; ich finde es wirklich sehr verdächtig u. sonderbar, daß jener Dr., sowie Riedl so wenig Muth zeigen, ich will nähere Erkundigungen über jenen Rudhart einziehen, von welchem der Freund mir schrieb; ich ruhe nicht eher, als bis der neue Sekretär kommt; dann wird Alles herrlich von statten gehen.
Ich danke Ihnen, theure, hochverehrte Frau, vom Herzen dafür, daß Sie an einige der Mitarbeiter an Unsrer künftigen Zeitschrift zu schreiben gedenken, o es ist so nothwendig für den Freund, daß alles Traurige u. Widerwärtige Ihm fern gehalten werde; Sein Geist versenkt sich nun ganz in die idealen Welten, dort, im wonnigen Walde bei Siegfried, dem fröhlichen Helden, vergesse Er die rauhe Außenwelt; wie Posa von seinem Carlos, so können auch wir von dem großen Freunde ausrufen: Warum dem Ruhenden die Wetterwolke zeigen, die über Seinem Scheitel drohend hängt, genug, daß Wir sie still an Ihm vorüberführen, u. wenn Er aufwacht, heller Himmel ist. – Ja, nach Vollendung Seines Werkes, seien alle Hemmnisse auf immer gebannt, dann winke ewiger Sieg! –
Vom Herzen freut es mich zu hören, daß das Altarbildchen Ihnen gefällt, in der Mitte ist die Auferstehung des Herrn abgebildet; doppelt freudebringend wird, wie ich sicher glaube, das kommende Osterfest sein; denn außer der himmlischen Kunde von dem großen Werke der Erlösung (das gerade in jener Zeit des Jahres das christliche Gemüth zu erneueter Dankbarkeit u. Anbetung des Höchsten auffordert,) wird die Freudenbotschaft: »Siegfried ist vollendet« Unsre Herzen entzünden u. mit Jubel erfüllen! –
Sehr unterhalten hat mich jener Zeitungsartikel, den Sie bei zulegen die Güte hatten. – Wohl haben Sie recht zu sagen, daß das Volk richtig denkt u. fühlt; wehe denen, die es zu verderben trachten! Doch damit ist es jetzt noch nicht so gefährlich; jene sinnlosen, böswilligen Schreier werden sicher verstummen. In Bälde werden, wie ich hoffe, alle Schwierigkeiten beseitigt sein, die Schule wird gegründet; ich trug dem Cultusminister auf, noch einmal mit Ihrem verehrten Gemahl, auf den ich volles Vertrauen setze, Rücksprache zu nehmen. – Ich grüße Sie von Herzen, hochverehrte, theure Frau, und bleibe stets
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
Hohenschwangau
am 27. Nov. 1865. –
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13
Theurer, erhabener, König!
Gnadenvoller, gütiger Gebieter, Herr und Beschützer!
Indem ich Euerer Majestät den Ausdruck meines tiefsten wärmsten Dank zu Füssen lege, erlaube ich mir im Namen des Freundes den Aufsatz Kunst und Klima Euerer Majestät, zu übersenden. Bald hoffen wir Euerer Majestät einen Heft aus der Biographie übergeben zu können, denn wir arbeiten regelmässig daran, trotz bangster Stimmung und schwersten Gedanken. Der Freund setzt seinen Stolz daran für seinen König ununterbrochen zu arbeiten, und schreibt er jetzt den fröhlichen Orchestersatz in dessen Begleitung der Vogel Siegfried neckt und leitet! (Doch wie sieht es dabei um uns herum aus! Im ganze Lande werden massenweise die Verläumdungen ausgestreut, und dies von ein und derselben Macht die ich nicht nenne, der ich aber den freundlich-heiteren Spitznamen den Euere Majestät mir gestattet haben, anbetracht des furchtbaren Ernstes der Lage, nicht mehr zu geben das Herz habe. Wie freuen wir uns immer über den grossen königlichen Freimuth Euerer Majestät, der das Verächtliche auch in der That verachtet und stolz, kühn, erhaben über das Niedrige schwebt. Als der Freund Euerer Majestät' letzten Brief erhalten hatte war er von neuem Muth beseelt, und indem er sich gelobte nichts mehr erfahren zu wollen, im vollsten Vertrauen auf Euerer Majestät scharfsichtige Weisheit sich um den ganzen Sturm nicht zu kümmern, versenkte er sich in seiner Arbeit, und ich gelobte nichts von alle dem was ich hören würde ihm zur Kenntniss zu bringen. Schweigend sah ich zu wie der Freund als Beute dem Volke hingeworfen wird, von Leuten die sich jetzt dem Volke gegenüber unsicher fühlen; die elenden kleinen Zeitungen werden jetzt gehandelt um den Pöbel aufzureizen, und mit schlauer Kenntniss dessen was der Pöbel gleich glaubt und aufnimmt, mit lächerlichsten Verleumdungen gefüllt. Im vorigen Jahre hoffte man auf Euerer Majestät wirken zu können, da nahm man die grossen Zeitungen zu Hilfe. An der Seelengrösse Euerer Majestät scheiterte der Plan. Nun ist man klüger geworden; auf den Helden ist nicht zu wirken versuchen wir es mit dem Volke, gegen welches wir uns nicht zu vertheidigen vermögen dem wir aber eine Diversion geben können und ein Opfer zuwerfen. Die Zeitungen die jetzt aufgehetzt werden, werden auch künstlich im Volke von Land und Stadt verbreitet; es handelt sich hier nicht um zufällige Gemeinheiten die unbeachtet blieben, es ist ein wohlorganisirter Plan der in der Wuth gefasst worden ist einerseits auf Euerer Majestät Heldenherz nichts zu vermögen andrerseits um sich selbst gegen den grossen Unwillen der im Volke herrscht zu schützen und zu retten. Schon lange durchschaue ich das finstre ernste Spiel, jedoch ich schwieg und rieth einzig und allein dem Freunde sich um nichts zu kümmern, Euerer Majestät alles zu vertrauen, und ruhig zu arbeiten. So weit waren wir dass wir um Euerer Majestät nicht neue Schwierigkeiten zu bereiten, eine jede Thätigkeit nach aussen aufgeben wollten – denn bei jedem Schritt werden wir gehemmt – und einzig und allein vorläufig nur an die Vollendung des Siegfrieds zu denken. Nun erfahren wir aber von einer unerhörten frechen Verleumdung die über die heilige Person des König's im Volke verbreitet wird, die der Freund mir nicht bezeichnen durfte, von der er aber den Quell weiss – jetzt vermag ich es nicht mehr den Freund zu beruhigen, er weiss nicht was er thun soll er weiss nur das er thun muss; schluchzend verliess ich ihn gestern, weinend traf ich ihn heute wieder; was er erfahren, ihn nicht betrifft, einzig und allein Euere theure Majestät, er darf es mir nicht sagen. Noch einmal schreibe ich: dem König sage ich nichts, der weiss alles von höherer Eingebung, was vermöchte ich der Majestät zu enthüllen, dem freundlichen huldreichen Beschützer rufe ich zu: die Bosheit spielt ihr äusserstes Spiel, nichts ist ihr heilig; theurer, erhabener Herr, gütiger hehrer Schirm, es ist Gefahr da. So lange es sich nur um den Freund handelte konnte ich ihn leicht beruhigen, manchmal überflog selbst ein Scherz unsere Betrachtungen über das Gebahren dass wir durchsehen, und dass wenn es unge[ahnte] Folgen haben kann, doch auf dem Einen namenlosen ewigen Glücke nicht einen Schatten zu werfen vermag! Jetzt begreif ich nichts mehr, sehe den Freund ausser Fassung, vernehme dunkle Worte – »vor dem Gericht wollte er den Elenden schleppen doch könnte er es nicht aussprechen, und Alle sagen ja dass es gewissen Leuten nicht auf falsche Eide ankömmt« – ich sehe eine solche Häufung von Verleumdungen gedruckt dass mir von den verschiedensten Seiten gesagt wird der Freund müsste klagen; er antwortet mir seine Sache bekümmre ihn nicht er hielt es für das schönste für den göttlichen Freund sich opfern zu dürfen, aber wie helfen, wie beistehen, der Engel ist zu rein, der Held zu hehr, der König zu königlich! – Theurer Herr, gnädiger Gebieter, was kann ich zu alle dem sagen? Meine einzige Hilfe ist alles wie ich es vernehme dem Einzigen zu sagen auf den ich mit höchster heiligster Freude und Hoffnung aufblicke – freilich ist es unklar was ich sage, doch soll' es ja nichts anderes sein als der treue Bericht über die Stimmung des Freundes die sich diesmal scheint es, aus einer allgemeinen Stimmung herausgebildet hat. Ich weiss dass ich das thue was Euere Majestät von mir erwarten. Wie soll ich nun über die Erfahrungen berichten die uns in andren Zeiten so gefreut hätten? Ich will es versuchen denn so gequält und gefoltert ich durch meine Gedanken bin, die Freude Eurer Majestät in Einfalt und Demuth alles sagen zu dürfen giebt Trost und Muth. – Von Bremen kam ein freundlicher Brief: es hat sich dort ein Comité gebildet, das sich die Aufgabe stellt mustergiltige Aufführungen von den Wagner'schen Werken zu Stande zu bringen, und welches den Freund bat ihnen beizustehen. Dieser erwiederte freundlich dass er seine Kräfte dem Einzigen gänzlich widmete der zuerst mächtig, kühn und gross, von keinem unterstützt, diese grosse schwierige Aufgabe unternommen. – Dann besuchte den Freund ein Professor Dieterich von der hiesigen Universität, der berichten wollte dass er früher gegen den Freund selbst geschrieben hätte, durch Tristan und Isolde vollkommen bekehrt worden sei, und dass in Hanover bei der Naturforscher-Versammlung der Tannhäuser, den der König der Versammlung zu ehren hatte geben lassen, mit einem wahren und einstimmigen Jubel aufgenommen worden ist. Semper meldete sich auch kürzlich mit einem langen Brief und kündigte Zeichnungen an, er ist tief in der Arbeit und scheint durch die grosse einzige Aufgabe neu belebt. Mein Mann bleibt noch eine Woche ungefähr aus – wenn er zurück sein wird, wird er wahrscheinlich hier drei Claviersoiréen veranstalten. Wie haben wir uns gefreut über die milde königliche Weise in der Euere Majestät mir über Dr. Grandauer allergnädigst schreiben. Meine Ansicht ist es von jeher gewesen dass man froh sein muss wenn die Menschen sich enthüllen bevor man sie gebraucht, und das der Verlust eines untauglichen Menschen ein Gewinn ist. Darf ich wohl dem ernsten trüben Brief zum Schluss eine scherzhafte Notiz beifügen? Diesen Sommer hatte der gute aber eben nicht heldenmüthige Dr. den Beinamen Tamino von uns erhalten, weil er, wie jene Figur aus der Zauberflöte, sich beim plötzlichen gewahr werden einer uns dünkenden mässig gefährlichen Schlange, sich derart fürchtete und verkroch dass er schwieriger zu finden war als die kleine Viper zu vermeiden! Wie er uns mit dem eigenthümlichen Cynismus der Aengstlichkeit seine Bedenken ausdrückte, kam uns Tamino wieder im Sinn und lächelnd entliessen wir ihn, ohne eigentliche Erwiederung.
Mögen Euere Majestät, Ernst wie Scherz gnädig aufnehmen! Habe ich zuviel, habe ich nicht genügend gesagt? – ich weiss es nicht. Denke ich dass ich dem Könige schreibe, dem Gottgesandten der über alles steht und dem der Schutz Gottes von Ewigkeit her bestimmt ist, da möchte ich das ganze zerreissen und schweigend vertrauen und danken, gedenke ich des freundlichen gnadevollen tief innerlichst durchschauenden Beschützer's da will es mir dünken als ob ich nur so und nicht anders könnte!
Möge der erhabene König und der freundliche Beschützer, mir auch fernerhin allergnädigst gestatten mich zu zeichnen
Eurer Majestät
treu gehorsamste Dienerin
Cosima v. Bülow-Liszt
München, 1ten Dezember 1865.
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14
Theure, hochverehrte Frau!
Endlich, nachdem die ersten, anstrengendsten Tage nach meiner Ankunft vorüber sind, komme ich wieder zum schreiben. – Brauche ich Ihnen zu sagen, was ich in der letzten Zeit ausgestanden habe, daß ich mit blutender Seele zu jenem Schritt mich entschloß?! – Und doch, glauben Sie mir, ich mußte so handeln, ich weiß es, der Freund sieht es ein. – In 2 bis 3 Monaten wird Er, wie ich zuversichtlich hoffe Sein Häuschen wieder beziehen können; dann werden schön're Zeiten kommen.
Haben Sie über das Gedeihen des »Siegfried« näheres gehört? – Daß jener Kelch nicht an mir vorübergehen konnte, daß ich den Einzigen wenn auch für kurze Zeit ersuchen mußte, Uns zu verlassen! O es war hart u. doch – in der That nothwendig! – Daß meine Liebe, meine Treue nie wanken können, wissen Sie, hochverehrte Frau; aber um der Ruhe des Geliebten willen, mußte ich so handeln. – Verkennen Sie mich nicht! –
Heute Morgens erhielt ich einen theuren Brief von Unsrem Freunde, Er sagte mir, Er wolle keinen bleibenden Aufenthaltsort aufsuchen was ich Ihm auch dringend anrieth. O böser Tag mit deinem Schein! – Ich lasse mich nie beirren durch seine Tücke, wie wehe that es mir den Schein einer Untreue an dem einzigen Freunde auf mich laden zu müssen, einer Untreue, deren ich nie u. nimmer fähig bin. – Ich ersuche Sie, theure, hochverehrte Frau, theilen Sie mir recht oft von den Nachrichten mit, welche Sie von dem geliebtesten Einzigen erhalten. – Was nur irgend möglich ist, um die Zeit Seiner Entfernung von hier abzukürzen, werde ich thun, dessen seien Sie versichert. – Grüßen Sie Ihren verehrten Herrn Gemahl recht vielmals von mir. – O herrliches Jahr, das Uns den »Tristan« brachte; wird »Siegfried« im kommenden vollendet werden?! mir ahnt es wird ein schönes Jahr Uns blühen! – Glück u. reichsten Segen vom Himmel wünsche ich Ihnen u. Ihrer Familie aus ganzer Seele zu demselben. –
Mit herzlichen Grüßen bleibe ich immer
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
München – am 23. Dec. 1865
*
15
Theurer erhabner König!
Gnadenvoller gütiger Herr!
Als es vollbracht war, als ich am kalten Morgen den Freund zur Bahn begleitet und dort ihm zum Abschied die Hand gedrückt hatte, habe ich nicht viel mehr gewusst von Welt und Leben; nur einen Wunsch fühlte ich in mir, Euere Majestät zu sehen, Euere Majestät zu sprechen; einzig und allein habe ich im tiefen Weh auf Euere Majestät geblickt! Als das Leben mich wiederum in seinem unerbittlichen Räderwerk gefasst hatte, überlegte ich mir meinen Wunsch, und sagte mir dass er zu schweigen hätte, dass er entstanden war, sagt Euerer Majestät deutlich dass ich in der schweren Stunde nicht gezweifelt habe. Was ich litt das wusste ich, litt der theure Herr auch, dass Er so handeln musste habe ich sogleich empfunden, jetzt verstehe ich es. Mit einigem Stolze gebe ich mir das Zeugniss unwandelbarsten Glaubens in den Tagen wo mein Herz gefoltert war, und die Welt mir zu stürzen schien.
Unser Schirm verlässt uns nicht; die königliche Seele die den Freund erkannte, fand und rief, Ihr ist es beschieden ihn zu schützen ihn zu befreien, die Pläne dieser Heldenunternehmung wer könnte sie voraussehen, wer ausser die Liebenden könnten sie selbst im ersten Augenblick begreifen? Ich weiss es dass wir an der Klippe vorübergesegelt sind, und dass wir dem Hafen näher gelangt sind, wo auch die Stürme ihn den Augen so verdeckt haben dass die Thoren uns im vollsten Schiffbruche wähnen. Ich weiss es und küsse in Gedanken die königliche Hand die uns anscheinend verstiess um uns zu schirmen! Wie Hans Sachs sein schönes Werk vollbringt werden Euere Majestät das viel grössere Werk vollenden. Es ist wahr, es ist kein Spiel, die Herzen bluten, die Geister ermüden, die Stimmen seufzen und von der wonnigen Stimmung der Meistersinger können wir uns nichts aneignen; allein dass wir leiden ist eben unsre Grösse! Ueberstehen wir die Prüfungszeit in Glauben und Liebe, fassen wir nachher das thätige Leben mit ungeschwächter unerbitterter Kraft, so hoffe ich es, sind Euere Majestät mit uns zufrieden und schreiten selbst mit hehrem sicheren Gefühle an der Vollendung des so wunderbar angelegten Baues.
Viel ist ach! der Freund schon umhergeirrt, zuerst im Hotel dann in einer Pension bei Vevey endlich in Genf, heute meldet er telegraphisch er hätte eine Campagne gemiethet in der Nähe der Hauptstadt. Gott gebe es sei der letzte Zufluchtsort vor seiner Rückkehr. Da ich weiss wie tief innerlichst dieses Umherirren ihn stört habe ich ihn in meiner Verzweifelung darüber sogar gescholten. Er weiss was dieses Schelten bedeutet, so gut wie ich es weiss dass er nicht ohne Grund von einem Orte zum andern wandert. Ich habe ihn gebeten mir täglich Nachrichten zu geben da mein Leben jetzt aus Angst und Sorge gewoben ist; er hat die Güte so viel als möglich diese Bitte zu erfüllen, darf ich Euerer Majestät vielleicht ein Mal wöchentlich Bericht abstatten, oder haben Euere Majestät nicht Zeit und Musse so häufig Briefe zu empfangen? Ich harre darob der gnädigen Befehle Euerer Majestät.
Herr von Bülow legt seine Huldigung Euerer Majestät unterthänigst zu Füssen, er hat sich über den ehrenvollen Auftrag den Euere Majestät so gnädig waren ihm durch Herrn Lutz zu ertheilen hoch gefreut, und hat sich erlaubt durch Herrn Lutz unterthänigst anfragen zu lassen in welcher Weise Euere Majestät diese Concerte wünschen. Der Freund, dem ich über den ausgesprochenen gnadenvollen Wunsch Euerer Majestät schrieb, freute sich sehr darüber und telegraphirte sofort wegen der Orchesterstimmen. Wie zur Hoffnung gestaltet sich alles: Weihnachten Weihnachten, unter Thränen des trostreichsten Leidens feiere ich es diesesmal, geboren wird der Heiland uns, ach! zu unsäglichen Qualen, bald bald ist er auferstanden, das Altarbild ganz strahlend noch von der Sonne Hohenschwangau's sagt mir es ja!
Ich wage den »Feen« eine kleine bescheidene Gabe beizufügen. Es ist eine Mosaik-Arbeit die ich aus Rom erhielt und die als ein schönes Muster dieser Gattung der Kunst gilt; ich bin so frei sie in aller Demuth auf den Weihnachtstisch Euerer Majestät zu legen weil sie einen Schmetterling – das Symbol der Unsterblichkeit – darstellt. In dieser Prüfungszeit weiss ich Euerer Majestät nichts anders zu sagen als dass unsterblich wie die grosse That Euerer Majestät, die dankbaren Gefühle sind
Euerer Majestät,
treu gehorsamster Dienerin
Cosima v. Bülow-Liszt
Sonnabend den 23ten December 1865.
*
16
Theure, hochverehrte Frau!
Es drängt mich, Ihnen meinen wärmsten Dank auszusprechen für die theuren Weihnachtsgaben, sie machen mir große Freude. Ein innig werthes Kleinod ist mir die Partitur der »Feen« kann ich Ihnen genug für dieselbe danken! Wie schön u. sinnig das Geschenk des Beschwerer mit d. Schmetterling!
Ich sende Ihnen hier eine Broche mit einem Vergißmeinnicht; mögen Sie wie bisher freundschaftlich meiner gedenken, wenn das Schicksal wieder so fürchterliche Stunden über mich verhängen sollte. –
Dank, tausend Dank, daß Sie mir Ihren festen Glauben erhielten, o ich wußte es wohl, Sie würden mich nie verkennen. – Glücklich macht mich die Aussicht, öfters Nachrichten von Ihnen, hochverehrte Frau, über den Freund zu erhalten. – Ich muß schließen. – Mit den besten Grüßen
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
24. Dec. 1865.
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17
Erhabener König!
Theurer gütiger Herr! Gnadenvoller Gebieter!
Einige Tage wollte ich vorüberziehen lassen bevor ich Euerer Majestät, für die huldvolle gnädige Annahme meiner Sendung, und für das reizende Symbol, die schöne königliche Weihnachtsbescheerung dankte die ich den übrigen theuren Gaben unsres hohen Beschützers gesellte, und die mich stets an die hehrste Hoffnung des Lebens erinnern wird. Ich befürchte mein Schreiben muss heute trübgemuth ausfallen – die Feiertage stimmen den Leidenden doppelt traurig; wo alles flittert und flimmert erscheinen ihm seine Thränen in doppeltem Glanze. Doch einen tiefen Trost erhielt ich dadurch dass ich erfuhr Euere Majestät, wären in der Kirche, in der ich mich heute begab – der Basilica ausnahmsweise untreu, Palestrina wegen. Es war mir der hochwillkommne Beweis dass Euere Majestät, wiederhergestellt sind, wofür ich Gott aus tiefster Seele danke. Ich sollte wohl durch diese Beruhigung schon, dann durch die Wirkung der schwebenden Ruhe in der erhabenen Messe Palestrina's, dann auch durch zwei heiter gestimmte, von schönster Fassung zeugende Briefe des Freundes, mich gehoben fühlen; nicht ganz gelingt es den freundlichen Eindrücken, ich glaube dass die hohe Gnade die mir zu Theil ist, Euerer Majestät, vieles mittheilen zu dürfen, das gute begonnene Barmherzigkeitswerk vollenden wird!
Nun ist der Freund definitiv niedergelassen; das heisst er wandert nicht mehr von einem Hotel zum andren. Ein ruhiges Haus mit einem Garten, sehr einsam und abgelegen hat er gefunden, einen Flügel hat er gemiethet, nun will er wieder an die Arbeit. Gestern schrieb er meinem Mann von den Meistersingern und deren Aufführung im Jahre 1867 in Nürnberg unter meines Mannes Leitung wenn es Euerer Majestät genehm ist. Von der Kunstschule oder irgend welcher Unternehmung (ausser den Allergnädigst gewünschten Concerten) räth er ab; nichts dürfte mit irgend welche Aussicht auf Gelingen, in den jetzigen Umständen unternommen werden können. So tief mich das schmerzt, kann ich ihm nicht Unrecht geben. Von allen Seiten kommen Zeichen und Ansagen, dass der wüthende Kampf nicht zu Ende ist. Jetzt befürchtet man noch eins: die Rückkehr. Um diese unmöglich zu machen wird ebenso viel aufgeboten werden, als um seine Entfernung nothwendig erscheinen zu lassen. Schon lange sehe ich auch, dass in jeder Weise gesucht wird meinen Mann zu reizen, damit dieser durch irgend eine seinem offenen kühnen Naturell zusagende Handlung, einen Vorwand der Verfolgung bietet, und der beängstigende Freund des Verfolgten endlich auch beseitigt werden müsste. Dieses wird nun nicht geschehen, doch, ist es vorsichtig in solchen Zeiten etwas grosses bedeutendes gründen zu wollen, wenn alles gegen dieses Grosse sich hebt? Der Minister Euerer Majestät hat meinem Mann auf sein Schreiben auch gar nicht erwiedert. In Güte und Sanftmuth scheint dieses Werk des Friedens denn nicht von sich gehen zu dürfen – vielleicht ist uns die Zeit ein guter Gehülfe, vielleicht befallen andre Sorgen die Verfolger, vielleicht – und dies wird der Wendepunkt sein – lernen die Bösen Euere Majestät, kennen und begreifen, und fürchten, wie wir sie verehren und lieben und preisen, den ernsten hohen Sinn, den wankellosen Willen, die tiefe hehre Begeisterung für die wahre Kunst. Dann ist unser goldnes Zeitalter eingetreten, dann können wir wirken und handeln, jetzt ist nur ein versuchen und misslingen möglich! Dieses die Ansicht die wir uns Dreien nach langer ruhiger Ueberlegung angeeignet haben, sollten Euere Majestät sie nicht genehmigen, so versteht es sich von selbst dass mein Mann mit Leib und Seele zu Befehle steht, und der besseren Einsicht gehorchen wird. Die Concerte die Euere Majestät gewünscht haben erfreuten den Freund sehr, so wie ihre Aussicht uns wahrhaft erfrischte; bezüglich der Schwierigkeiten die der Aufführung des Rheingoldes entgegenstehen, hat mein Mann Herrn Lutz umständlich Auskunft gegeben. Wenn wir von einem Tenor erführen der den Lohengrin vollständig singen thät, wäre der Plan Euerer Majestät, wunderbar schön! Fast möchte ich mir die Freiheit nehmen zu dürfen, erbitten, Euere Majestät, wenn es Zeit und Umstände gestatten, um eine allergnädigste Audienz für meinen Mann anzugehen. Ich glaube dass er in einigen Worten Euerer Majestät alles darlegen könnte was jetzt musikalisch möglich oder nicht möglich ist, während ich immer die Besorgniss habe dass so manches nicht klar und genau überbracht werden kann! Da mein Mann von dieser meiner Bitte nichts weiss und mich gewiss tadeln würde sie gewagt zu haben, habe ich noch den einen Wunsch den ich unterthänigst ausspreche: dass Euere Majestät falls meine Bitte nicht statthaft erscheinen sollte, sie gnädigst, gütigst, gar nicht zu beachten geruhten!
Herr Lutz äusserte vorgestern dass da die Kunstschule in weitester Ferne wäre das Engagement von Frau v. Schnorr Schwierigkeiten böte. Gewiss ist dieses ein delicater Punkt – wenn vorläufig hier nichts zu Stande kommt scheint es überflüssig eine neue Berufung vorzunehmen; andrerseits aber ist es peinlich eine bedeutende Künstlerin abzuweisen. So viel ich erfahren habe würde Frau von Schnorr sich hier leicht eine Existenz durch Gesangsunterricht schaffen können – sollten Euere Majestät geneigt sein ihr einen bescheidenen Gehalt als königliche Kammersängerin bestimmen zu wollen, wäre vielleicht die Lösung dieser etwas schwierigen Angelegenheit gefunden. Doch, theurer gnädigster Herr, was ich hier gesprochen habe ist nur der Ausdruck meiner Folgsamkeit – ich kann sie ja nicht ermessen die Schwierigkeiten, nicht erwägen die Hindernisse die sich auch diesem Vorschlag entgegenstellen dürften. Von der einen Seite sehe ich unsren König und Herrn, unsren theuren erhabenen Beschützer, der nur das Grosse und Schöne will und fördert, unter ihm ein gutes tüchtiges Volk dass Ihn den hehren wie wir liebt, dazwischen eine Schaar böswilligen Mächtigen mit denen zu kämpfen gar keine Möglichkeit ist, denn man kann ihre Waffen nicht gebrauchen. Da bleibt denn nur in der moralischen Welt von der Erfindung des Ingenieur's Bauer gebrauch zu machen, oder die Fische nachzuahmen die während des Sturmes untertauchen und sich nach oben erst dann zeigen wenn alles beruhigt ist. Um Euerer Majestät, einen leisen Begriff zu geben der Art wie die gewöhnlichen Menschen hier jetzt triumphiren, erlaube ich mir eines kleinen Details zu gedenken: schon längst haben wir die Plätze aufgegeben die Euere Majestät die Gnade hatten dem Freunde und uns zu bestimmen, die uns aber stets unwillig gegeben wurden; wir bestellten unsre Plätze im Theater beim Intendanzrath; nun werden sie uns auch verweigert wenn wir sie wie jeder Münchener Bürger und zwar lange im voraus bestellen. Es ist kein Unglück nicht in's Theater zu gehen, äusserst selten verfallen wir auf den Gedanken; dieses sonderbare und für uns allerdings neue Benehmen zeigt aber wie sich armselige Wesen fühlen, wie sie wähnen ihre Zeit sei gekommen und zwar so dass sie die Gelegenheit zu beleidigen mit den Haaren herbeiziehen! Da mein Mann sich gegen die Münchener Hofcapelle gefällig gezeigt hatte, bat er einige Mitglieder Herrn Porges dem Freunde Wagner's Billet zu den Odeon's Concerten zustellen zu lassen, es wurde verweigert, und zwar ist es nicht die Capelle die verweigert. Da meinem Manne diese Erfahrungen neu sind hatte ich grosse Mühe ihn zu besänftigen, ich bat ihn zu erwägen dass dies alles Absicht wäre und ein Ziel hätte, das wir nicht erreichen lassen müssten: er gab es mir zu und lachte zuletzt mit mir ob der albernen Verfehmung, und der Dreistigkeit der Feigen. Vorsicht, Vorsicht, rufen wir uns einander zu, wir handeln ja nicht für uns!
Eine Zeile aus dem letzten Allergnädigsten Schreiben Euerer Majestät, zeigt mir dass Euere Majestät, trübes ahnen! O! theurer zum höchsten berufener Herr! Glauben Sie dem Wort Euerer Dienerin, wir werden nie zweifeln, niemals, niemals; wir werden unerbittert unsre Zeit abwarten, unwandelbar glauben, hoffen und lieben! Das Herz stockte mir heute als ich im Evangelium die Worte las: »ich sende zu euch Propheten, und Weise, und Schriftgelehrte; und derselben werdet ihr etliche tödten und kreuzigen, und etliche werdet ihr geisseln in eure Schulen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zur andern! .Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen bis ihr sprechet: Gelobet sey der da kommt im Namen des Herrn!« Wie könnt' ich Euerer Majestät, die Gedanken sagen die wie Gespenster den Geist bestürmten? Nur langsam nach und nach und schwächlich könnt ich mit dem ersten der Märtyrer den wir heute feiern, sprechen: Herr behalte ihnen diese Sünde nicht! Diejenigen die nicht lieben sie ahnen nicht wie das liebende Herz in Angst und Kummer gefoltert werden kann – dies ihre Entschuldigung! Doch ich sage dieses Euerer Majestät! ...
Der Freund schreibt es wäre Platz für uns in seinem Hause; wenn ich es möglich machen kann, werde ich mich künftigen Monat mit meinen Kindern zu ihm auf einige Zeit begeben. Keine Seele hat er dort, ich muss Gott danken dass seine treuen Diener bei ihm sind, doch wie schwer wird ihm gewiss der Tag, und wem soll er denn sagen was ich allein verstehen kann? Gegen Jeden muss er sich und die Dinge mühsam erklären, mir hat er nur leise anzudeuten und ich verstehe alles. Jedenfalls aber will ich hier zu den Orchesteraufführungen und zu den Claviersoireen sein. Der Freund schreibt freundlich fast froh, er sagt selbst er hätte seinen Humor wieder. Freilich weiss ich was dieser bedeutet »es ist der Ernst der sich hinter dem Scherz versteckt« wie ein Philosoph gesagt hat. Doch bin ich glücklich dass er diesen Muth hat und zeigt. Sein alter Hund Pohl, den er durchaus mitnehmen wollte, gibt ihm viel Noth, er ist halbschwindsüchtig muss mit Decken herumlaufen was zu den drolligsten Aufsehen in den Strassen Genfs Anlass gab. Der Freund theilt es mir mit unbeschreiblicher Lebhaftigkeit mit; mich rührte es noch mehr als es mich unterhielt, ich erkannte sein edles, gutes, ach! so geschmähtes Herz in diesem Zug, sich mit diesem alten Thiere herumzuschleppen!
Was habe ich alles hier aufgezeichnet? Schönes und trauriges. Alles verschmilzt sich aber in einer Empfindung: in dem Dank mit welchem ich ewig verbleibe
Euerer Majestät,
treu gehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
26ten December 1865.
*
18
Theure, hochverehrte Frau!
Große Freude hat mir Ihr letzter Brief bereitet; nehmen Sie meinen herzlichen Dank für denselben entgegen. – Theure Kunde! daß der geliebte Freund nun vorläufig Seine definitive Niederlassung gefunden; wäre dieser Winter doch nur schon vorüber; nahte doch der Wonnemond! – Wie entzückt es mich zu hören, daß der Theure der Aufführung der »Meistersinger« gedenkt; hoffentlich wird die Ausführung dieses Werkes Seine nächste Arbeit sogleich nach Beendigung der Nibelungen sein!
Die armseligen, niedrigen Menschenseelen ihr Triumph ist der Vorbote ihres Falles. – Das Benehmen des Intendanzrathes hat mich, sowie das der Mitglieder der Capelle, empört. – Ich ertheilte heute ersterem den Befehl, Ihnen die früheren Theaterplätze zu reserviren. Die Angelegenheit wegen Frau v. Schnorr gedenke ich bald zu erledigen; Alles soll geschehen, um diese bedeutende Künstlerin an München zu fesseln. – Niemann will ich als »Lohengrin« vor der Hand fahren lassen; ach fänden Wir einen Tenor, welcher dieser schwierigen Rolle gewachsen ist. – Ich sehne mich nach der Vorführung dieses Werkes; wäre sie doch zu ermöglichen u. zwar in nicht zu langer Zeit.
Ich hoffe fest, daß die Schwierigkeiten, welche sich der Vorführung einzelner Stücke aus dem »Rheingolde« jetzt entgegenstellen, nicht unüberwindlich sein werden; der Freund versprach mir in jenen wonnevollen Tagen zu Hohenschwangau mit Bestimmtheit die Vorführung derselben auf diesen Winter. In diesem Zeitpunkte von der Errichtung der Kunstschule nach des Freundes Plan abzustehen, halte ich für geraten; doch gedenke ich in einigen Monaten den provisorischen Bau errichten zu lassen, u. in nicht zu langer Zeit darauf werde der Grundstein zu dem monumentalen Fest-Theater gelegt. – Die Reorganisation des Conservatoriums wird bald begonnen werden, dieß ist das einzige, was jetzt geschehen kann; soviel als irgend thunlich wird dabei auf die Pläne des Freundes Rücksicht genommen werden. – Die Schwierigkeiten sind sehr groß; doch mein Muth, mein Vertrauen wanken nie! –
Wie wird sich der Theure freuen, Sie, hochverehrte Frau, bei sich zu sehen, o könnte auch ich dann zu Ihm fliegen! – Furchtbare Qual des Wartens, die mir jetzt auferlegt ist! –
Der Freund schrieb, wie Sie wissen Anleitungen zur Aufführung des Fl. Holländers u. zu Tannhäuser; hätten Sie vielleicht die Güte, Ihn, wenn Sie wieder mit Ihm sein werden, zu ersuchen auch zu Aufführungen Seiner übrigen Werke das nämliche zu thun; denn für alle Zukunft werden diese genauen Anleitungen von hohem Werthe sein! – Schrieb der geliebte Freund in der letzten Zeit an Seiner Biographie?
O wie brennt meine Seele vor Verlangen und Sehnsucht bald wieder Nachricht von dem theuersten Freunde zu empfangen! – Wie mag es Unsrem Helden nun ergehen! O Siegfried! Siegfried! – Das Werk der Bosheit u. Finsterniß wird zu nichte, wird vom Winde verweht durch die Macht meiner Liebe zu dem Einzigen, dem mein Leben geweiht ist, Er wird leuchten als strahlende Sonne in unvergänglicher Glorie!
Tausend Grüße an Herrn von Bülow! – Stets bin ich, theure, hochverehrte Frau
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
am 28. Dec. 1865. –
*
19
Erhabener König!
Theurer Herr! Gnädiger gütiger Gebieter!
Schutz und Schirm!
Womit soll ich nun beginnen? Zuerst will ich dem gnadenvollen Herrn danken, aus tiefster inniger Seele, dann will ich dem königlichen Beschützer Nachrichten vom Freunde geben, dann Euerer Majestät, den über verschiedenes gnädigst von mir verlangte Berichte erstatten. Dank, theurer gnädiger Herr, hehren hoffnungsstrahlenden Dank, für den schönen Blick in die Zukunft den Euere Majestät uns ermöglichen, Dank für den Schutz den wir in den Worten Euerer Majestät, finden, Dank, ewigen Dank, für das grosse königliche Vertrauen, Dank vor allem für die Liebe zu unsrer Kunst! Die letzten Nachrichten die ich vom Freunde bekam, sind vom 27ten datirt; heute hatte ich keinen Brief was mich so beunruhigte dass ich telegraphirte, bis jetzt hab ich keine Antwort, so dass ich in Sorge bin. Sein letzter Brief war traurig, er hatte keinen Nachtschlaf mehr, die Wohnung die er bezieht ergiebt sich als unheizbar, fremd blickt ihn alles an, o Gott! Wäre mein Kind nicht krank ich reiste heute Nacht fort. In dem vorgestrigen Brief sprach er von dem schönen Bilde das er empfangen, er wollte in den nächsten Tagen an Euere Majestät, schreiben. Vor meinen Crucifix liege ich nun die halben Tage und flehe dass wir ihn wiedersehen! – Dass der Mensch so viel ertragen kann, ist es nicht seine Schwäche? Euere Majestät vergeben gütig, ich habe manches schon gelitten!...
Ich erlaube mir diesem Schreiben einen Brief beizufügen welchen der Freund für Euere Majestät geschickt hat, weil er sich darüber sehr gefreut hat; er ist auch wunderschön, ernst bescheiden theilnahmsvoll, gewiss empfinden viele jetzt in Deutschland so! –
Herr Lutz war heute im Auftrage Euerer Majestät bei mir, und meldete mir was Euere Majestät beschlossen haben; ich werde es noch heute Frau v. Schnorr melden. Mit wahrer Freude schrieb ich dem Freunde dass Euere Majestät auf Niemann's Engagement zu verzichten geruht haben. Er ist roh und unmusikalisch, sein Lohengrin hat mir in das Herz hineingeschnitten, doch verstand ich vollkommen dass Euere Majestät um nur überhaupt die Werke zu hören mit dem Mangelhaften vorlieb genommen hätten, und Sich über das Verletzende durch die wunderbare Intuition die Euerer Majestät zu eigen ist, hinweg gesetzt hätten. Doch danke ich für dies Opfer, das ich wohl ermessen kann. Euere Majestät gestatten mir gnädigst dass, da der Fluss der unterthänigen Mittheilung mich wiederum zum Danksagen führte, ich des gnädigen gütigen Beschlusses betreffs der Theaterbillets gedenke. Wie huldreich von Euerer Majestät, auf dieses Detail einzugehen, und wie legt diese augenscheinlich geringe Angelegenheit, für einen Beweis des schönen Gerechtigkeitsgefühl Euerer Majestät ab! Gerechtigkeit, Milde diese zwei Säulen der königlichen wie göttlichen Macht, sie heben die Krone Euerer Majestät, sie die ich so deutlich erkenne geben mir immer den Muth der Hoffnung und des Vertrauens!
Die Conservatoriumsangelegenheit! Sie ist schwierig genug; heute noch erklärte ich Herrn Lutz warum zwei solche Anstalten uns in einer Stadt wie München undenkbar wären. Nun kommt vieles auf die Unterredung zwischen Herrn v. Bülow und dem Herrn Staatsminister an; ist dieser nicht gar zu arg in der Zwischenzeit bearbeitet worden, so ist nach der ersten Unterredung anzunehmen dass eine Verständigung möglich ist. So viel ich das Treiben beurtheilen kann wünscht man dem Baron Perfall die Leitung des Conservatoriums übergeben zu sehen. Herr von Bülow ist zu allen Concessionen gewillt, wenn er weiss dass er damit Euerer Majestät Schwierigkeiten ersparen kann, und die Sache fördern helfen, ich brauche es wohl Euerer Majestät, nicht zu sagen. Bis wie weit diese gehen dürfen werden Euere Majestät, am allersichersten, allerschönsten, bezeichnen. Es ist viel wenn das Conservatorium so reorganisirt wird dass es mit der Zeit sich zur Kunstschule entfaltet, sehr viel, und darf man angesicht der Schwierigkeiten wohl klug sein und auf Manches warten können.
Baron Perfall theilte vorgestern Herrn von Bülow den Allerhöchsten Befehl welchen Euere Majestät ihm am 4ten December hatten zukommen lassen, mit. Wie freute er uns! Wie stolz haben wir die h. Elisabeth mehreren Städten verweigert dass sie nun zuerst unsrem König und Herrn zu Gehör gebracht werde! Binnen drei bis vier Wochen (irrthümlich sagte Herr Lutz 14 Tage) können die Vorbereitungen getroffen sein; wie freue ich mich, wie sicher weiss ich dass, das Euerer Majestät angehörende Werk, Euerer Majestät lieb und werth sein wird. Wie ich aus Ungarn erfahre hat der Kaiser von Oesterreich meinem Vater die Messe und den Marsch zur Krönung bestellt.
Da Herr von Bülow weiss wie gern Euere Majestät von Allem Kenntniss nehmen, ersucht er mich eben Euerer Majestät, ein heute erschienenes Zeitungsblatt unterthänigst zu übermitteln in welchem er in unerhörterweise geschmäht wird, und ich selbst und ein Factum erwähnt werden das nur dieselben verrathen haben können die der Freund immer bezeichnete. Ich schlug es meinem Manne ab, es wiederstrebte mir meinen Brief mit dergleichen Schändlichkeiten, seien sie noch so »sicherster Quelle«, »mächtigen Ursprungs« und noch so gefährlich, zu beflecken.
Mit einem Neujahrswunsch schliesse ich, denn ich werde vor 66 nun Euere Majestät nicht belästigen. Der schönste Segen des Himmels ruhe auf Euerer Majestät theures Haupt! Die Feinde des Lichtes und Euerer Majestät göttlichen Sendung seien zerstoben. Die Gerechtigkeit strahle in Milde durch Euerer Majestät's Antlitz, das durch Gott geweihte Leben Euerer Majestät, siegend schreite es von That zu That! Mir erwünsche ich nur mich in dem kommenden Jahre noch nennen zu dürfen
Euerer Majestät
treu gehorsamste Dienerin
Cosima von Bülow-Liszt
30ten December 1865. /
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20
Theure, hochverehrte Frau!
Es drängt mich Ihnen noch heute einige Zeilen zu schreiben; meine Zeit ist sehr in Anspruch genommen, so daß ich mich kurz fassen muß. – Vor Allem drücke ich Ihnen meine wärmsten u. tiefgefühlten Glückwünsche aus, die ich für das kommende Jahr für Sie u. Ihre ganze Familie im Herzen trage. – Ach wie ist meine Seele betrübt, wie wehe thut es mir denken zu müssen, daß der Freund, der über Alles Geliebte in trüber Stimmung ist, sich leidend fühlt, nicht einmal eine angemessene Wohnung finden kann. – Gott gebe, daß Er nicht erkrankt! – Was kann ich thun, wie helfen, ich beschwöre Sie raten Sie mir! – Gibt es kein Mittel, um Ihm eine Wohnung zu verschaffen, die Ihm die ersehnte Ruhe gewähren kann; eine Wohnung, in welcher Seine theure Gesundheit nicht Gefahren ausgesetzt ist. – Daß unter den gegebenen Umständen Seine Rückkehr vorläufig eine Sache der Unmöglichkeit ist, werden Sie einsehen; ein paar bange Monde muß ich noch vorüberziehen lassen, o wie schleicht die Zeit dahin! –
Bald kehrt der Minister Koch von seiner Erholungstour zurück, ich ersuche Herrn v. Bülow bald mit ihm über die bewußte Angelegenheit conferiren zu wollen. – Ich gebe den Muth nicht auf u. die Hoffnung, daß in die Reorganisation des Conservatoriums der Keim zu dem Gedeihen der allgemeinen Kunstschule werde gelegt werden können. –
Wie freue ich mich auf d. Aufführung der Legende: »die Hl. Elisabeth«, der geeignetste Zeitpunkt hiefür wird sein die Rückkehr Herrn v. Bülow's von seiner Conzertreise. – Mit innigem Dank schicke ich jenen Brief zurück. – Die in dem Schreiben ausgedrückte Theilnahme that mir unendlich wohl. – Gott gebe daß Ihr Kind bald wieder hergestellt werde! ach was haben Wir zu dulden; es ist hart, sehr hart, doch Gott wird Unsre Trauer in Freude verwandeln, er sendet Trost als lindernden Balsam! – Er gibt den Ringenden Kraft, Er führt zum Siege! – Dank, Dank für Ihre guten Wünsche für mein Wohl. – Ich erwidere sie v. Herzen. – Mit herzlichen Grüßen bleibe ich stets,
Ihr
sehr geneigter
Ludwig.
31. Dec. 1865. –
Ich ersuche Sie, senden Sie mir jenen Zeitungsartikel, ich will thun, was möglich, um die aus demselben tönende Stimme der Unwahrheit zum schweigen zu bringen; die Stimme der Verläumdung muß verstummen. –
Ludwig.