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Nachwort

Sehr früh in meinem Leben empfand ich Widerwillen gegen die Vorführung dressierter Tiere. Die Ursache war möglicherweise meine unersättliche Neugier, sie verdarb mir diese Art Vergnügen, denn es reizte mich, hinter die Kulissen zu sehen und zu erfahren, wie die Dressurnummer entstanden war. Und was ich hinter der glänzenden Vorführung fand, war nicht schön. Es war ein Abgrund so entsetzlicher Grausamkeit, daß meiner Überzeugung nach kein normaler Mensch je Vergnügen daran finden könnte, einer Vorstellung dressierter Tiere als Zuschauer beizuwohnen, wenn er sich nur einmal hierüber klar geworden ist.

Ich bin durchaus nicht sentimental. Kritiker und empfindsame Menschen betrachten mich sogar als eine Art primitiven Tiers, das seine Freude an bluttriefenden Gewalttaten und Schrecken hat. Ich will dem Rufe, den ich in dieser Beziehung habe und den ich richtig abzuschätzen weiß, nicht widersprechen, möchte aber doch hinzufügen, daß ich wirklich das Leben in einer sehr strengen Schule kennengelernt und mehr als die meisten an Unmenschlichkeit und Grausamkeit gesehen habe, in der Back und im Gefängnis, im Armenviertel und in der Wüste, auf dem Schafott und im Leprahospital, auf dem Schlachtfeld und im Lazarett. Ich habe entsetzliche Todeskatastrophen und Verstümmelungen gesehen. Ich habe Schwachsinnige hängen sehen, weil sie sich als Schwachsinnige keinen Rechtsanwalt leisten konnten. Ich habe gesehen, wie starke Männer zerschmettert und wie andere durch Mißhandlung in unheilbaren heulenden Irrsinn getrieben wurden. Ich habe Alte und Junge, ja, selbst Kinder Hungers sterben sehen. Ich habe gesehen, wie Männer und Frauen mit Peitschen, Keulen und Fäusten traktiert, und wie Nilpferdpeitschen so kräftig um die nackten Körper von Negern geschlagen wurden, daß jeder Schlag die Haut in einem ganzen Kreise abschälte. Und doch sage ich: Nie war ich so entsetzt und erschüttert über die Grausamkeit der Welt, wie inmitten eines frohen, lachenden, klatschenden Publikums, wenn dressierte Tiere in der Arena vorgeführt wurden.

Besitzt man ein ruhiges Temperament und starke Nerven, so erträgt man möglicherweise ein ganz Teil der unbewußten und unüberlegten Grausamkeit und Tortur, die in dieser Welt der Heftigkeit und Dummheit begangen werden. Ich besitze ein ruhiges Temperament und starke Nerven. Was mich aber in Wut bringen kann und mir das Herz im Leibe umdreht, das ist die kalte, bewußte, überlegte Grausamkeit und Qual, die hinter neunundneunzig von hundert Vorstellungen dressierter Tiere offen zutage tritt. Grausamkeit als erhabene Kunst hat ihre prachtvollste Blüte in der Tierdressur getrieben.

Aber trotz meinem ruhigen Temperament und meiner starken Nerven habe ich doch in meinen reiferen Jahren bemerkt, daß ich mich unbewußt gegen diese qualvolle Vorführung dressierter Tiere wehrte, indem ich mich jedesmal erhob und das Lokal verließ, wenn eine solche Vorstellung auf der Bühne begann. Ich sage: unbewußt. Hiermit meine ich, daß mir nie einfiel, mein Auftreten könne möglicherweise den Vorführungen dressierter Tiere den Todesstoß versetzen. Ich entzog mich nur der Qual, einer Sache beizuwohnen, von der ich wußte, daß sie mich verletzen würde. Später bin ich jedoch in meiner Beurteilung der menschlichen Natur zu der Einsicht gelangt, daß kein normaler, gesunder Mensch solche Darbietungen ertragen würde, wüßte er um die furchtbare Grausamkeit, die hinter ihr liegt und sie ermöglicht. Ich habe daher Mut und Lust bekommen, hier an dieser Stelle dreierlei vorzuschlagen.

Erstens, laßt alle Menschen sich selbst von der unvermeidlichen, ewigen Grausamkeit überzeugen, ohne die ein Tier nicht gezwungen werden kann, vor einem zahlenden Publikum aufzutreten.

Zweitens schlage ich vor, daß alle Männer und Frauen, Knaben und Mädchen, die sich derart mit der Triebfeder der »edlen« Kunst der Tierdressur bekannt gemacht haben, Mitglieder der lokalen und nationalen humanen Vereine zum Schutz der Tiere gegen Grausamkeit werden mögen.

Dem dritten Vorschlag muß ich eine Einleitung vorausschicken. Wie hundert und tausend andere habe ich auf manch anderem Gebiete gearbeitet und mich bemüht, Bewegungen ins Leben zu rufen, um Unglück und Elend zu mildern. So schwer das auch zu erreichen ist, so ist es doch noch schwerer, Menschen zu überreden, sich zu einer Bewegung zu organisieren, um die Leiden der Tiere zu mildern. Tatsächlich würden wir alle Blut und salzige Tränen weinen, wenn wir die unvermeidliche Grausamkeit und Brutalität der Tierdressur kennenlernten. Aber nicht ein Zehntel von uns würde sich einer Organisation zur Verhinderung der Grausamkeit gegen Tiere anschließen und durch Worte, Taten und Beiträge daran arbeiten, diesen Grausamkeiten vorzubeugen. Das ist eine in unserer menschlichen Natur begründete Schwäche. Wir müssen das erkennen, wie wir Wärme und Kälte, die Dunkelheit in den undurchsichtigen und ewigen Gesetzen von Fall und Schwere erkennen. Und doch steht uns, den neunundneunzig neun Zehnteln von uns, selbst wenn wir uns nicht die Mühe machen, unsere eigene Schwäche zu überwinden, ein anderer Weg offen: Wir können mit Leichtigkeit dem Wunsche Ausdruck verleihen, die Grausamkeit aus der Welt zu schaffen, die einige von uns, um die übrigen zu unterhalten, an dressierten Tieren ausüben. Tieren, die schließlich nur geringere Tiere als wir auf der Oberfläche des Erdballs sind. Es ist so leicht. Wir brauchen nicht an Vereinsbeiträge oder Kassierer zu denken. Wir brauchen an nichts zu denken, brauchen unsere Gedanken nicht zu belasten, außer wenn eine Vorstellung dressierter Tiere in einem Varieté oder auf einem Vergnügungsplatz stattfindet. In einem solchen Falle können wir ohne langes Gerede unsere Mißbilligung einer solchen Vorführung ausdrücken, indem wir uns von unseren Plätzen erheben und das Lokal verlassen, um ein bißchen frische Luft zu schnappen, um, wenn die Nummer vorbei ist, zurückzukehren und uns an dem weiteren Programm zu erfreuen. Dies und nichts als dies ist es, was wir zu tun haben, um ein für allemal mit Vorführungen dressierter Tiere in allen Vergnügungsstätten verschont zu werden. Zeigt der Direktion, daß derartige Vorführungen unbeliebt sind, und im selben Augenblick wird die Direktion aufhören, sich nach solchen Nummern umzuschauen.

Glen Ellen, Sonoma Country, California

Jack London

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