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Es gab einmal eine Zeit, da sah die Feldmark so bunt und kraus aus wie eine Federzeichnung von Albrecht Dürer.
Jeder Grabenbord hatte sein Dorngestrüpp, jede Böschung ihr Gestrüpp, alle Teiche und Tümpel waren von Weiden und Erlen eingefaßt, und an Wildbirnbäumen, Kopfweiden und Pappeln war kein Mangel.
Dann kam die Verkoppelung, und aus war es mit der ganzen Herrlichkeit. Die Büsche und Bäume fielen überall unter der Axt, selbst da, wo sie niemand im Wege standen und keinen Schatten auf den Acker oder in die Wiese warfen. Kahl und langweilig wurde das Gelände und arm an Vogelsang und Falterflug, und alle die schönen bunten Blumen, die in dem Gebüsche wuchsen, verschwanden.
Eine einzige Hecke ist in der ganzen weiten, breiten Feldmark noch übriggeblieben. An der Wetterseite des Hohlweges zieht sie sich entlang und schützt ihn vor Erdrutsch und Schneeverwehung. Die Schlehe und der Weißdorn bilden mit Kreuzdorn und Heckenrose ein dichtes Gewirre, dessen Grund von Brombeeren, Himbeeren und Stachelbeeren besäumt wird, und dazwischen verschränken sich Nesseln, Disteln, Kletten und andere Stauden zu einem engen Verhau.
Wie ein mürrisches braunblaues Bollwerk steht jetzt die Hecke im überschneiten Felde. Man sieht es ihr nicht an, wie schön sie im Vorfrühling ist, wenn die Schlehen sich mit weißen Blüten bedecken, oder später, wenn der Weißdorn seine schimmernden, stark duftenden Dolden entfaltet, oder hinterher, brechen an den Rosenbüschen die reizenden Knospen auf. Aber auch wenn die Büsche selber nicht mehr blühen, bleibt es bis in den Herbst hinein noch bunt von blauen Glocken, roten Lichtnelken, weißem Labkraut und gelber Goldrute; wenn diese verwelken, schmücken sich die Zweige mit scharlachrotem und goldgelbem Laube, und fällt das ab, so funkeln, blitzen und leuchten die schwarzen, blauen und roten Beeren am kahlen Gezweige.
Mit dieser Pracht ist es nun auch fast zu Ende. Die Brombeeren sind abgefallen bis auf einige, die nicht mehr zur Reife kamen und nun verdorrt an den Stielen zwischen den eingeschrumpften Blättern hängen. Die Rosen haben zwar noch viele von den Hagebutten, doch sind sie von dem Nachtfroste verschrumpft und leuchten nicht mehr so herrlich, wie im Spätherbste, und auch die Mehlfäßchen an dem Weißdorne verloren ihr prächtiges Aussehen und fangen an, sich zu bräunen. Einzig und allein die Schlehen haben noch die meisten ihrer blaubereiften Früchte bewahrt, doch werden es von Tag zu Tag weniger, da Sturm und Regen sie nach und nach von den Zweigen reißen und zu Boden werfen. Dennoch ist die Hecke immer noch schön. Sie war es eben, wo sie als braunblaues Bollwerk von dem Schnee abstach, und ist es jetzt erst recht, denn die Sonne ist durchgekommen, und das verworrene Gezweige blitzt und schimmert und leuchtet, als bestände es aus Erz.
Auch fehlt es nicht an allerlei Leben. Zwar die Grasmücken und Braunellen, die sommertags hier umherschlüpfen und fleißig singen, sind verzogen, die Falter starben ab oder sitzen in Todesstarre in ihren Winterverstecken, wie auch der Laubfrosch, der in der schönen Zeit hier so oft lustig meckert, in seiner Erdhöhle die bitteren Tage verschläft, und die Eidechse, die im Sommersonnenscheine hin und her huscht, desgleichen tut; aber alle Augenblicke schwirrt oder burrt es heran, denn alles kleine Vogelvolk, das über die Feldmark dahinfliegt, macht hier gern Rast. Feld- und Haussperlinge fallen in ganzen Flügen ein, Buchfinken und Grünlinge, Stieglitze und Hänflinge, desgleichen die Goldammern und die plumpen Grauammern, die mit trockenem Geklapper fortfliegen, wenn ein Mensch den Weg entlangkommt.
Ab und zu stellt sich auch anderer Besuch ein. Da sind die wunderschönen Dompfaffen, die hier immer haltmachen, wenn sie den Wald mit den Obstgärten des Dorfes vertauschen wollen, oder die Krammetsvögel, die von den höchsten Zweigen der Schlehdornbüsche Umschau halten, ehe sie zu Felde fallen. Dann und wann nimmt hier auch der Raubwürger aus Nordland Platz oder eine der Elstern, die in den hohen Pappeln des Gutes ihr Dornennest haben, oder einige Meisen suchen ein Weilchen in dem Gezweige nach Raupeneiern und wandern dann lustig lockend dem Walde oder dem Dorfe zu, und manchmal stöbert auch ein Eichelhäher da herum und tut sich an den Beeren gütlich, oder eine Krähe lauert am Boden auf eine Maus.
Die wohnen auch um diese Zeit in der Hecke, sowohl die braunen Waldmäuse wie die schön schwarzgestreiften Brandmäuse und auch die zierlichen Zwergmäuschen, denn sie finden im Laube allerlei Körner und Samen und dazu noch die abgefallenen dürren Beeren sowie manchen Käfer und allerlei anderes kleine Getier, das in dem trockenen Laube den Winter verschläft. Auch Feld- und Rötelmäuse gibt es dort sowie die dicke Wühlmaus, und deswegen läßt sich das Wiesel und das Hermelin oft da blicken, um auf sie zu jagen.
Die Sonne ist wieder fortgegangen, der Himmel wird grau, ein Wind macht sich auf, und es beginnt zu dämmern. Da kommt es mit lauten Locktönen herangeflattert. Die Goldammern sind es. Sie fallen auf den Zweigen ein, sträuben die gelben Schöpfchen, zucken mit den Schwänzen, zanken und zergen sich ein wenig und schlüpfen dann tief in das Gebüsch hinein, wo sie noch ein Weilchen herumrascheln, um dann einzuschlafen. Unter ihnen her schlüpft das Hermelin und wittert nach ihnen empor, traut sich aber wegen der scharfen Dornen nicht hinauf und huscht deshalb nach der Strohdieme, um dort auf die Mäusejagd zu gehen. Es beginnt verloren zu schneien. Allmählich fallen die Flocken dichter, bedecken die Saat und den Sturzacker und bleiben in den Zweigen der Hecke und auf dem Dürrlaube der Brombeeren hängen, alles verhüllend, was darunter schläft und atmet.
Morgen früh aber, wenn die Sonne kommt, beginnt es da wieder zu leben. Die Ammern erwachen, putzen ihr Gefieder und fliegen zu Felde. Die Spatzen kommen an, und die Finken, die im Walde geschlafen haben, und so vergeht keine Stunde, daß auf der Dornhecke nicht irgendwelches fröhliche Leben ist, während ringsum im Felde alles weiß und tot ist.