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Die Klippe ist dem Bache ein Ärgernis; seit ewigen Zeiten versperrt sie ihm den Weg.
Wenn seine Wellen, die weiter oben und unten meistenteils gemütlich plaudernd dahinrieseln, bei ihr anlangen, so bekommen sie jedesmal einen Wutanfall.
Dumpfe Verwünschungen murmeln sie, und wilde Flüche sprudeln sie heraus, sie schäumen vor Zorn und geifern vor Grimm, und wie Zähneknirschen klingt das Knirren und Knarren des Gerölles, das sie mit sich führen.
Aber oben auf der Klippe inmitten des spritzenden Gischtes sitzt Knickschen und singt sein Lied, singt sein Lied trotz Eis und Schnee, singt ein Stück Frühling in den Winter hinein, ein bißchen Frohsinn durch das Wellengegrolle, ein wenig Liebe über dem Haß zwischen Wasser und Fels.
Keck sitzt es da, die blütenweiße Brust der Sonne zugekehrt, und schwatzt und plaudert halblaut sein schnurriges Liedchen vor sich hin, macht einen Knicks, schnellt das Stummelschwänzchen auf und ab und zwitschert weiter, als wenn keine Eiszacken an den Tagwurzeln der Fichten blitzten und die Jungbuchen keine Schneebälle trügen.
Die Vormittagssonne steht hell am blauen Himmel und bescheint die verschneiten Fichten an der Steilwand, vor der die roten und gelben Kreuzschnäbel, die dort jetzt brüten, mit lauten Lockrufen auf und ab fliegen. Ab und zu rasselt ein Samenzapfen, den sie abbissen, durch das Gezweig und reißt den Schnee herunter, der polternd zu Boden fällt. Die Wasseramsel kümmert sich nicht darum. Aber nun beginnt die kleine Meise, die in den Waldrebenranken umherturnt, heiser zu zetern. Blitzschnell dreht Knickschen sich um sich selbst, schnarrt trocken und schwingt sich nach dem anderen Ufer, denn zwischen den Brombeerstauden schnüffelt, nur einen Fuß von ihm entfernt, das Hermelin umher, und dem ist nicht zu trauen.
Fortwährend schnarrend sitzt die Wasseramsel auf einem angetriebenen Aste, der sich in einer Felsspalte verfangen hat, und macht dem weißen Wiesel einen höhnischen Diener nach dem andern, bis dieses, durch das Zetern der Meisen und das Schimpfen des Zaunkönigs verärgert, unter den Wurzeln verschwindet. Da schnurrt Knickschen wieder auf seine Klippe, bleibt dort einen Augenblick sitzen, späht dann unter sich und stürzt sich kopfüber in das tiefe, grüne Stillwasser zwischen den schäumenden Strudeln. Mit drei Flügelschlägen schwimmt es dem Flohkrebschen nach, das es erblickte, faßt es, taucht mit ihm vor einem halbüberspülten Steine am Ufer auf und schluckt es hinab.
Sofort ist es wieder in dem strudelnden Seichtwasser zwischen den abgerollten Steinen, rennt hurtig dahin, fischt hier eine Mückenlarve, da einen Wasserkäfer, dort ein Müschelchen, watet bis an die Brust in das ruhige Wasser, stochert mit dem Schnabel zwischen den rötlichen Flutwurzeln der Ellern umher, wo es allerlei kleines Getier erwischt, Köcherfliegenlarven, Wassermilben, Schnecken, schwimmt, wo das Wasser tiefer wird, darin umher, wie eine Ente gründelnd, taucht dann gänzlich unter, rennt auf dem Grunde hin, stöbert dort ein Weilchen umher, erscheint trocken und sauber, als sei das Wasser nicht naß, und so fröhlich, als sei es auch gar nicht kalt, wieder auf einem Steine und singt los, als wären die Ufer voller Blüten und als sprängen an den Büschen die neuen Blätter aus den Knospen.
Den Eisvogel, der wie ein lebendiger Edelstein dahinfunkelt und mit scharfem Schrei das verworrene Geräusche des Baches durchschneidet, würdigt die Wasseramsel kaum eines Blickes, und auch die beiden gelbbrüstigen Bergbachstelzen aus Nordland, denen der Winter hier mild genug erscheint und die lustig von Stein zu Stein trippeln, regen sie nicht auf; aber nun schnurrt sie mit kurzen Flügelschlägen bachabwärts und fährt auf eine ihrer Art los, die sich in ihr Gebiet gewagt hat. Bis zu der Mühle treibt sie sie hin, und darüber hinweg, und erst da, wo der Bach breit und behäbig zwischen den Pappeln dahinplätschert, läßt sie ab, nimmt auf einem Blocke Platz und glättet ihr Gefieder, das bei der Balgerei ein wenig in Unordnung kam.
Doch der Tag ist kurz, die Kälte zehrt und die Nahrung ist sparsamer als zur sommerlichen Zeit. Sie erhebt wieder ihr Gefieder, durchfliegt, ohne sich zu besinnen, die brausenden Wassermassen, die über das Wehr stürzen, liest von dem nassen, moosigen Gebälke die Schnecken und Larven ab, stürzt sich in den Kolk, rennt auf dessen Grund umher, sitzt plötzlich wieder zwischen den schäumenden Wellen auf einem angespülten Holzblocke, fliegt zu den Pappeln hin, huscht unter den hohlgewachsenen Wurzeln hin und her, bis des Müllers Katze, die dort angeschlichen kommt, sie vertreibt, und so nimmt sie sich wieder auf und kehrt zu ihrem Lieblingsplatze, der Klippe im Bache, zurück, unter der der Strudel all das Gewürm zusammentreibt, das die Wellen auf ihrem Laufe mit sich rissen.
Da treibt sie ihr munteres Wesen den ganzen Tag über, jetzt über die Uferklippen trippelnd, nun in dem niedrigen Wasser watend, auf dem Grunde des Baches einherrennend, oder wie ein Fisch seine Flut durchschwimmend, stumm auf einem Stein sitzend, schieben sich die Wolken vor die Sonne, lustig singend, wird der Himmel wieder heiter. Doch wenn es Abend wird, wenn die Mäuse im Fallaube pfeifen und das Käuzchen in den Weiden ruft, dann fliegt Knickschen nach der Mühle hin, stürzt sich in die tosenden Wassermassen, die über das Wehr hinfallen, und birgt sich dort, sicher vor Wiesel und Iltis, in einem Balkenwinkel. Dort wird sie, wenn die Finken wieder schlagen und die Drosseln pfeifen, und sie sich gepaart hat, auch ihr weiches, warmes, rundes Nest bauen, ihre schneeweißen Eier legen, sie ausbrüten und ihre Brut aufziehen, damit ihr Geschlecht nicht aussterbe, daß sie wintertags, wenn es stille an dem Bache ist, den Menschen mit ihren lustigen Liedern erfreue, unbekümmert darum, daß es rohe Tröpfe darunter gibt, die dem lieben Vogel mit Pulver und Blei nachstellen, weil irgendein törichter Bücherschreiber ihr nachgesagt hat, daß sie ein böser Feind der Forellenbrut sei.
Zwar ist das nicht an dem, und wenn es so wäre, reichlich machte durch fröhliches Singen und lustiges Benehmen die paar Fischchen Knickschen wieder wett, des Bergbaches reizendster Schmuck.