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Dieselben, Axel von Auersperg
Axel: Mein Vetter, ich grüße Sie!
Der Kommandant: Guten Abend, Axel! Nun, hast du Glück auf der Jagd gehabt?
Axel (lächelnd): Das habe ich immer.
Der Kommandant: Bei diesem Höllenwetter! Du scheinst mir so etwas wie der schwarze Jäger zu sein? Hörst du? Es ist wirklich, als ob die Allee mit Dämonen erfüllt sei.
Axel (hängt sein schweres Gewehr zwischen zwei ausgestopften Adlern an der Mauer auf): Oh, im April hellt es sich nach dem schlimmsten Unwetter doch stets sehr schnell auf. – Sie bestehen darauf, uns heute abend verlassen zu wollen?
Der Kommandant (nach einem kurzen Blick auf Herrn Zacharias): Ich muß wohl, der König wartet nicht.
Axel (lächelnd): Also: es lebe der König! (Mit höflich graziösem Ton und einladender Gebärde): Nun, wollen wir nicht zu Tische gehen?
Der Kommandant: Das ist ein ausgezeichneter Gedanke; ich bin wirklich sehr hungrig.
(Sie setzen sich zu Tische. Der Regen hat aufgehört, der Sturm scheint sich in den Wald zurückgezogen zu haben.)
Axel, der Kommandant, Ukko, dann Gotthold, Nikolaus und Hartwig
(Ukko tritt durch den Hintergrund ein, Hartwig folgt ihm; letzterer trägt mit seinem einzigen Arme einen schweren Korb voller gefüllter Weinflaschen; Gotthold und Nikolaus sind von der rechten Seite her eingetreten, sie tragen schwere silberne Schüsseln mit Gerichten. Ukko nimmt zwei ganz mit Staub bedeckte Flaschen aus Hartwigs Korb und entkorkt sie.)
Der Kommandant (für sich und nachdenklich): Man könnte glauben, daß er alles vergessen habe – sagte Herr Zacharias nicht so? Ich muß mir vor allen Dingen über diesen Punkt Gewißheit verschaffen.
Ukko (die auf dem Tische stehenden Kristalltrinkgefäße zur Hälfte mit Wein anfüllend): Burgunderwein.
Axel (seine Serviette entfaltend): Dann werden Sie also keine Maitrankbowle mit uns trinken? Das ist wirklich schade. Ich glaube, Sie würden sie so erfrischend, wie den ganzen Frühling hier gefunden haben.
Der Kommandant (ebenso in harmlosem Tone): Was kann man dabei tun? Auf dein Wohl! (Er trinkt und beobachtet dann Gotthold, der einen großen Braten zerlegt.)
Sieh da, das Viertel eines Keilers! Ich hatte es schon an dem köstlichen Dufte erraten. Aber ich fürchte, der Koch wird bei der Zubereitung der Sauce keinen roten Pfeffer und Vanille beigefügt haben. (Er kostet ein Stück.) Doch nicht, es ist ganz vorzüglich.
Axel (zu Nikolaus): Ich bitte um ein Glas Wasser.
Der Kommandant (lachend und in sehr heiterem Tone): Was Wildschweinbraten betrifft, so habe ich ihn in ganz ausgezeichneter Zubereitung bei dem Hofrat Johannes Herner gegessen; es war an dem Tage, an dem S. M. der König mir den Kammerherrenschlüssel verliehen hat. Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, war er jedoch in einer von dieser ganz verschiedenen Art hergestellt. Er war mit französischen Trüffeln, englischem Gewürz und Lorbeer aus Sizilien bereitet und lag, von klarem Quittengelee umgeben, ganz träumerisch auf einem Lager von aromatischen Pflanzen. Axel, ich empfehle deinem Küchenmeister dieses Rezept: ein Edelmann kann gar nicht Wert genug auf seinen Tisch legen.
Axel: Sagen Sie mir doch, mein Vetter, weshalb Sie heute nachmittag so plötzlich kehrt gemacht und in das Schloß zurückgeritten sind? Langweilt die Jagd Sie, oder dachten Sie des vor Ihnen liegenden Weges von zweihundert Meilen wegen Ihre Kräfte zu schonen?
Der Kommandant (essend und trinkend): Ich habe beim Klang deines unermüdlichen Hornes ein gemütliches Mittagsschläfchen halten wollen, das ist alles.
Axel: Und – haben Sie schöne Träume gehabt?
(Ukko gießt schweigend den beiden Festgenossen Wein ein.)
Der Kommandant (nachlässig und mit beinahe unmerkbar anzüglicher Betonung): Goldene Träume! Ich habe von diesem alten Könige von Lydien geträumt, der nur ein Netz in dem Flusse Paktolus auszuwerfen brauchte, um es mit goldenen Fischen gefüllt herauszuziehen. Ein schöner Traum. –
Axel (ihn starr anblickend und nach einer Pause sein gotisches Glas erhebend): Auf seine Verwirklichung!
Der Kommandant (für sich, unsicher): Hm! ... (Sich lächelnd gegen die Lehne seines Sessels zurücklegend.) Axel, ich fühle, daß ich heute abend melancholisch werde, – und es ist nicht allein deshalb, weil ich dich verlassen muß. – Ganz gewiß deine Festtafel ist strahlend schön, das Auge ruht mit Wohlgefallen auf diesem feinen Damastgedeck, diesen köstlichen alten Trinkgefäßen aus böhmischem Kristall! Indessen – wir sitzen allein davor – dort unten aber bei den Hoffesten, bei dem Scheine der Armleuchter, stimmt das Gold so fein zu der zarten weißen Haut der schönen Frauen! – Das Leuchten ihrer Augen, das Schimmern ihrer boshaften kleinen Zähne, ihr berückendes Lächeln machen sich so gut im Glanze der Kerzen. Die roten Blumen, besonders die Rosen, passen so gut zu ihrem schwarzen Haare, und bis zu der schimmernden, duftatmenden Seide der Gewänder, die sie umhüllt, scheint alles von einem unwiderstehlichen Reiz und Zauber erfüllt – ein solches Fest bedeutet wirklich einen unbeschreiblichen Genuß. – Ach, mein lieber Axel, wie wäre es, wenn du endlich dieses Exil verlassen wolltest, um mir in diese Welt der Feste, des Luxus und der Liebe zu folgen? (Sich vorwärts neigend, mit ein wenig gesenkter Stimme in verlockendem Tone): Wie wäre es zum Beispiel, wenn du nur einmal die hübsche Prinzessin von Muthwild sehen wolltest?
Axel (der bei Nennung dieses Namens unmerklich gezittert hat): Nun, und was würde dann geschehen, Kommandant?
Der Kommandant (für sich, unsicher): Hm! (Laut.) Aber du würdest nicht mehr schlafen können. Denke dir nur eine jungfräuliche Witwe, beinahe noch ein Kind, ein geistreiches, entzückendes Wesen, das mit wahrer Engelsgeduld ihren Gatten gepflegt und seinen Tod ertragen hat. Der arme Fürst! Die Legende erzählt, daß sein Vater demselben traurigen Schicksale zum Opfer fiel, das deinen Vater dahingerafft hat; er ist zur Zeit der französischen Invasion von einer Bande Franktireurs überrascht und niedergeschossen worden. Das Geschlecht der Muthwild ist nun erloschen.
(Pause.)
(Axel scheint völlig teilnahmslos zu sein.) Die Prinzessin Karola ist also völlig frei, auch ohne wieder zu heiraten, in ihrem Palaste in Berlin sich das Leben in ihrer Weise zu gestalten und es voll zu genießen. Und das sage ich dir, wenn du nur ein einziges Mal den Vorzug genießen könntest, teil an den herrlichen Festen zu nehmen, die keiner wie sie zu veranstalten vermag, wenn es dir vergönnt wäre, zwischen dem Kristall deines Glases und den leuchtenden Kerzen in ihre wunderbar leuchtenden Augen zu sehen und ihre köstlich roten Lippen zu bewundern ... ganz gewiß, dann wäre es um deine Ruhe geschehen.
Axel (lächelnd): Denken Sie das wirklich?
Der Kommandant (lachend): Er zweifelt daran! ... Oh, verleumde dich nicht selbst, verurteile deine zukünftigen Freunde nicht zum Müßiggange –
Axel: Sind diese Weltdamen wirklich so verführerisch?
Der Kommandant: Die meisten von ihnen. Und dann ... (in vertraulichem Tone) und dann liegt auch ein so besonderer pikanter Reiz darin, sie ihren Ehemännern abspenstig zu machen. Wenn man erst drei derartige Liebesverhältnisse absolviert hat, dann würde einen selbst Proserpina nicht mehr reizen, wenn man nicht gleichzeitig der zornigen Eifersucht des düsteren Pluto gewiß sein könnte. Ich lese in deinen Augen eine gewisse Überraschung, die deinem Alter und deiner Unerfahrenheit sehr wohl ansteht; aber für uns Lebemänner bildet wirklich das Vergnügen, den, der wirkliche Rechte auf die Dame hat, die uns ihre Gunst schenkt, gründlich hinters Licht zu führen, einen Hauptreiz solch interessanter Liebeshändel. Diese Würze, die alle bevorzugen und zu schätzen wissen, erhöht den Genuß der sogenannten Liebe ganz wesentlich.
Axel: Wirklich? Ich glaubte, daß es doch noch ernster veranlagte Frauen gäbe – –
Der Kommandant: Ach was, sie sind alle gleich und alle von großartiger Liebenswürdigkeit – natürlich wissen sie ihre Wahl zu treffen. Das ist, was man in dieser Welt »Tugend« nennt. Was ihre Gefühle betrifft, (er ergreift einen der zwischen den Trinkgläsern aufgestellten Blumensträuße und atmet lange seinen Duft ein), was tut es, ob die Blumen, deren köstlicher Duft uns entzückt, ernster oder frivoler Sinnesart sind?
Axel: Nehmen Sie nicht noch ein wenig von dieser Fasanenpastete?
Der Kommandant: Du finsterer Wölfetöter, laß dir's gesagt sein, daß diese Pastete im allgemeinen ein schweres und unverdauliches Gericht ist. Aber diese hier ist so geistreich zusammengesetzt und so vorzüglich geraten, daß mein Leichtsinn, ihr nochmals zuzusprechen, dadurch vollkommen gerechtfertigt wird. – (Er greift zu.)
(Pause.)
Und du, Axel? Mir scheint, du hast keinen rechten Appetit? Du blickst sorgenvoll drein?
Axel: Ich denke daran, daß der heftige Gewitterregen den Boden aufgeweicht und Löcher in den Wegen verursacht haben wird. Ukko, du wirst zwei der großen Hofhunde loslassen, damit sie vor uns herlaufen und das hohe Gras niedertreten. Du wirst gegen zehn Uhr die Pferde satteln und Laternen an den Sattelknöpfen befestigen lassen. Ich werde »Wunder« reiten.
Der Kommandant (aufhorchend): Was ist das für eine seltsame Uhr, die da schlägt?
Axel (lächelnd): Das ist keine Uhr: der Wind, der sich im Turme verfängt, setzt das Glockenspiel in Bewegung.
Der Kommandant: Haha! Dies ist die Stunde, wo der Kaufmann »mit dem ruhigen Gewissen« schlafen geht. Unsere guten Ahnherren sind nicht mehr da, um Wege und Landstraßen unsicher zu machen. O ja, es ist schon wahr, daß es eine Zeit gegeben, in der ehrliche Ritter, ehrliche Kaufleute, ehrliche Juden, mit einem Worte die Blüte der Menschheit sich kameradschaftlich in ihre Beute teilten ... Und wahrhaftig, ich tadle die raubritterlichen Gelüste unserer Ahnherren nicht allzusehr. Sie kämpften einer gegen tausend, und man gehorchte ihnen. Weshalb? Weil mit dem Mute die Kraft kommt und weil der Mut daher der Prüfstein der Männer edlen Geschlechtes ist. Niemals aber würde ich die Ehre mit der Ehrlichkeit vermischen.
Axel (ohne scheinbar seinen Worten gefolgt zu sein): Ukko und ich werden Ihnen also fürs erste Gesellschaft leisten und bis zu dem am Waldkreuz liegenden Kreuzwege mit Ihnen reiten, denn es ist sehr leicht, sich in dieser Gegend zu verirren oder Wölfen zu begegnen.
Nikolaus: Die Gewehre sind geladen, gnädiger Herr, die Jagdspieße und Messer stehen bereit.
Der Kommandant (für sich, Axel mit kaltem, düsterem Blick musternd): Wirklich! Es ist geradezu unglaublich, aber unser Herr Zacharias hat zweifellos recht, er hat alles vergessen – –Wer weiß? Bei Gelegenheit werde ich mir alle günstigen Umstände zunutze machen. Nächtliche Überfälle sind im Schwarzwalde gar nichts so Ungewöhnliches – ein oder zwei wohlgezielte Schüsse würden die Situation sofort klären. Bin ich nicht der rechtmäßige Erbe – und welcher Erbschaft vielleicht? – –
Axel: Wo steckt eigentlich Walter Schwert?
Gotthold: Gnädiger Herr, er ist in das Dorf gegangen, um dort Vorräte für das Schloß einzukaufen.
Hartwig: Der wird sicher schön durchnäßt sein, außerdem streifen in Nächten wie diese die Luchse umher.
Nikolaus: Oh, Franz hat den Majordomus begleitet, sie sind alle beide bewaffnet und haben außerdem drei unserer besten Hunde mitgenommen, darunter Rasch, der nicht mit sich spaßen läßt.
Axel: Der arme gute Alte! (Zu Nikolaus.) Sorge dafür, daß alter französischer Wein für ihn gewärmt wird. Ach! ... Auf keinen Fall soll er mir aber in Zukunft zu so später Stunde ausgehen.
Der Kommandant (halblaut und die Serviette auf den Tisch legend): Wie du aber deine Leute verwöhnst ...
Axel (der aufgestanden ist und einen Blick durch das Fenster geworfen hat): Sieh da! Der Himmel hat sich aufgeklärt, schon sieht man die Sterne schimmern. – Werden Sie zu uns zurückkehren, mein Vetter?
Der Kommandant (die Augen aufschlagend und ihn ansehend): Bald, das hoffe ich.
Axel (das Glas erhebend): Auf Ihre baldige Wiederkehr! (Sie trinken und stehen dann beide auf.)
Der Kommandant: Axel, du hast ganz entschieden eine glücklich veranlagte Natur, und deshalb habe ich mich dazu entschlossen, vor meiner Abreise eine ganz besondere Frage an dich zu richten. Ich möchte gern ein paar Worte unter vier Augen mit dir sprechen.
(Auf ein Zeichen des Grafen von Auersperg haben Nikolaus und Gotthold den Speisetisch mit den noch darauf brennenden Kerzen unter das durch die Steintreppe gebildete Gewölbe getragen. – Ukko stellt zwei Gläser und einen Krug auf einen kleinen Kredenztisch, den er vor den Kamin rückt; dann setzt er mit Hilfe Hartwigs auch die zwei Armstühle vor das Feuer.
Es ist dadurch im Saale freier Raum entstanden, in dem Axel und der Kommandant plaudernd auf und nieder gehen. Die drei Diener und Ukko verschwinden durch die im Hintergrunde des Saales befindliche Tür.)
Der Kommandant und Axel allein
Der Kommandant (für sich, Axel mit prüfenden Blicken anschauend): Nein, dieser Knabe denkt gar nicht an das königliche Geheimnis, dessen Mysterium er mir endgültig enthüllen könnte. – Wie soll ich es nur anstellen, um ihm einige Einzelheiten zu entlocken, deren Wichtigkeit ihm entgangen ist? Ganz gewiß ist er über gewisse Dinge unterrichtet, selbst wenn er sich dessen auch kaum bewußt sein sollte. Ehe ich also irgendeine Entscheidung treffe, gilt es vor allen Dingen, sein Vertrauen zu gewinnen.
Axel: Kommandant, ich bin ganz Ohr. –
Der Kommandant (immer noch für sich): Es gilt also, einen väterlichen Ton anzuschlagen, den Schützer und Ratgeber zu spielen. Nichts Besseres als diese alten Weisheitsregeln, um harmlose Gemüter für sich zu gewinnen und Einfluß auf sie auszuüben. Im übrigen habe ich meinen Entschluß gefaßt und werde ihn noch in dieser Nacht ausführen.
Axel (lächelnd): Nun?
Der Kommandant (laut): Wohlan denn! – Ich spreche aber dieses Mal in vollem Ernste zu Ihnen. Was zum Teufel, Graf, treiben Sie in diesem alten Gebäude, in dieser gottvergessenen Burg, die fast unerreichbar im Dunkel der Wälder liegt, während gleichviel an welchem königlichen Hof Ihrer eine glänzende Zukunft harrt? Sie haben etwas gelernt, Sie besitzen Mut und Intelligenz, es ist daher direkt strafbar, daß Sie hier in diesen verfallenden vier Mauern hocken und die Hände in den Schoß legen. Vorwärts! Ich fordere Sie hiermit allen Ernstes auf, Ihre Stellung nicht zu vergessen. Sie sind ein Auersperg: die Stunde hat geschlagen, wo Sie dessen eingedenk sein sollen.
Axel (sorglos): Lassen Sie uns von anderen Dingen plaudern.
Der Kommandant: Axel, ich habe Ihren Vater sehr lieb gehabt; in seinem Namen richte ich diese Worte an Sie. – Was bedeutet Ihre blinde Freundschaft für diesen unsichtbaren Genossen, den sogenannten Meister Janus? Es war Ihr Lehrer, nun wohl! – Aber wenn ich dem, was man von ihm erzählt, Glauben schenken soll, so ist dieser Mann keineswegs ein Gefährte, der Ihren Jahren angemessen ist, und dessen Gesellschaft Sie in den langen Winterabenden erheitern könnte. Hat man das Recht, so den Glanz eines vornehmen Geschlechtes hinzuopfern, um ganz, ich weiß nicht welch unheimlichen Studien zu leben?
Axel (ernst und einfach): Ich muß Ihnen mitteilen, daß ich meine ganze kindliche Verehrung und Liebe auf diesen Mann übertragen habe. Er ist ein Kriegskamerad meines Vaters gewesen und hat diesem zweimal das Leben gerettet.
Der Kommandant: Wenn er noch wenigstens ein wirklich fähiger Mann wäre ...
Axel (in naivem Tone): Fähig? Zu was?
Der Kommandant: Auf alle Fälle, mein junger Freund, vergeudest du die schönsten Jahre deines Lebens damit, diese hohlen sogenannten Geheimwissenschaften zu erforschen. Ich habe mir die Titel der unheimlichen Bücher deiner Bibliothek angesehen. Wie ist es nur möglich, daß du dich davon berauschen läßt? Wie ist es möglich, daß du dich den Lehren eines Mannes unterordnest, der offenbar unter dem Banne von Halluzinationen steht? Du bildest dir allen Ernstes ein, daß es noch Geheimwissenschaften gäbe? Das ist ein Glaube, der von einer so rührenden Einfalt ist, daß er ans Lächerliche grenzt. Deine ganze Lebensführung ist so, wie sie im Mittelalter gebräuchlich war – aber dagegen habe ich gar nichts, das paßt in dieses alte Eulennest. Die Sache ist harmlos und ermangelt sogar nicht einer gewissen Größe. Etwas ganz anders aber ist es, diese Travestie so weit zu treiben, den Humbug der Kunst, Gold zu machen, hier aufzuführen, daß du mit Retorten, Schmelztiegeln, Glaskolben und anderem Teufelskram arbeitest, in der Hoffnung, Quecksilber mit Schwefel zu verbinden. Oh, es ist wahrhaftig nicht zu glauben. Weißt du denn, was für Gold im Grunde deiner Schmelztiegel zurückbleibt? ... Deine Jugend! Faß doch einen Entschluß, mach ein Ende mit dem Teufelsspruch und wirf den verbrauchten Plunder von dir, der wahrlich einem Edelmanne nicht wohl ansteht. Tritt hinaus in das Leben! – Eine glänzende Laufbahn liegt vor dir! – Überlaß die Narren ihrer Narrheit.
Axel: Mein Vetter, ich lasse Ihren Worten volle Gerechtigkeit widerfahren. – Noch ein Glas Ungarwein? (Er füllt das Glas des Kommandanten.)
Der Kommandant: Kommen wir also zum Schlusse. Verstehe mich wohl, ich mache die Rechte des wirklichen Lebens geltend. Ist es, indem du deine Einbildungskraft durch das Studium okkulter Wissenschaften überhitzest und dich in dieser alten Burg vergräbst, daß du eine deiner Ahnen würdige Laufbahn zu erfüllen glaubst? Dieses Schloß wird bald genug ganz zerfallen, und man wird seine Ruinen zufällig des Weges ziehenden Wanderern als historische Kuriosa zeigen. Deine Intelligenz bedarf einer frischen Luft. Komm mit mir. Ich werde dich am Hofe einführen, wo selbst die Intelligenz nicht gilt, wenn sie nicht zugleich mit Geist und einem feinen ritterlichen Wesen gepaart ist. Laß alle Schimären hinter dir. Wandle auf der Erde, wie dies eines Mannes würdig ist. Verschaffe dir Respekt. Werde mächtig. Gehe mit List voran, und alles wird dir glücken. Wirf den ganzen Ballast deiner Hirngespinste in die Brennesseln und Wasserfälle dieser Wälder; es ist ganz sicher, daß, wenn du mir in die Welt folgen würdest, ehe drei Wochen vorüber sind, du Tränen über sie lachen würdest. Zum letzten Male beschwöre ich dich, folge mir, ich führe dich einer glänzenden Karriere entgegen. Was kann dich nur hier zurückhalten? Ich denke, daß du keine geheimen Gründe dafür hast? Geldsorgen oder irgendeine Leidenschaft hast du wohl auch nicht? Weshalb also dieses lächerliche Exil?
Axel (ruhig vor dem Kredenztisch Platz nehmend): Mein lieber, so zärtlich um mich besorgter Vetter, ich bin gerührt, in der Tat, ich bin zu Tränen gerührt über das Interesse für mich, das sich in jedem Ihrer Worte kundgibt. Ihre Ratschläge sind die eines ebenso klugen, wie beredten Mannes, ich werde zweifellos, sobald Ort und Zeit mir günstig erscheinen, Nutzen daraus zu ziehen wissen.
Der Kommandant (für sich): Bei allen Teufeln, – es ist ein rätselhafter Knabe! ... Was soll ich glauben? Sollte es möglich sein, daß er alles vergessen hat, oder schweigt er aus instinktivem Mißtrauen gegen mich? Und diese ganze wunderbare Geschichte – beruht sie auf Tatsachen, oder ist es nur eine Legende? Indessen, was riskiere ich, wenn ich ihn sofort und in kategorischer Weise frage? Ob er nun schweigt oder redet, jedenfalls weiß ich dann, woran ich bin. Fühlen wir ihm also auf den Zahn. (Laut:) Wirst du dir denn jede Gelegenheit entgehen lassen, um den Ruhm der Familie aufzufrischen, du, der du ein Sprößling des ältesten Zweiges derer von Auersperg bist? Und das alles nur um des zweifelhaften Vergnügens willen, deinen Geist durch trügerische Studien umnebeln zu lassen? ... Deine Gleichgültigkeit verblüfft mich. Wahrhaftig!
(Pause.)
Ich sehe, daß es mit meinen Anerbieten so geht – wie mit diesen angeblichen Schätzen – – – du weißt wohl, was ich meine, diese unermeßlichen Reichtümer, die zur Zeit der französischen Invasion der Obhut meines alten Freundes, des Grafen von Auersperg, deines Vaters, übergeben wurden, der die Mission übernahm, sie in Sicherheit zu bringen. Es war ein in eisernen Tonnen wohlverpackter Schatz, der einen Teil des Nationalvermögens dreier Staaten der Konföderation bedeutete. Kurz, wenn ich in dieser Angelegenheit recht unterrichtet bin und mich nicht durch eine alte Legende, die jedoch jedenfalls auf einer historischen Tatsache beruht, zum Narren halten lasse, so will es mir wirklich beinahe so scheinen, als ob dieser Schatz keineswegs unwiderruflich verloren sei. Was meinst du dazu? Es ist nicht so unglaubhaft, daß die achtzig Wagen der Frankfurter Nationalbank tatsächlich leer waren, als die feindlichen Brigaden nach jenem mörderischen Scharmützel, in dem auch dein Vater das Leben verlor, Besitz davon ergriffen haben. In diesem Falle müßten die vierhundert mit Goldbarren und geprägten Münzen gefüllten Eisentonnen, gar nicht zu reden von den vielen kostbaren Juwelen und Schmuckgegenständen nicht allzu weit von hier verborgen sein, sie befinden sich vielleicht sogar in der nächsten Umgebung dieser Domäne. Weißt du, Auersperg, mir scheint, daß man wirklich schon nur auf die Vermutung einer solchen Tatsache hier wohl berechtigt wäre, genaue Untersuchungen über die Wahrscheinlichkeit derselben anzustellen. Nun wohl, hast du das getan? Was hast du versucht, welche Forschungen hast du unternommen? Nichts, wie es scheint! – Indessen gestehe ich dir, daß selbst, wenn all dieses nur ein Traum sein sollte, ein Traum dieser Art immerhin einiger Aufmerksamkeit wert wäre, denn wie ich schon bemerkt habe, ist es eine durchaus verbürgte historische Tatsache, auf deren Unterlage er beruht, und mit einer solchen Basis könnten wir ein Unternehmen wagen, das, wenn es richtig geleitet wird, gleichviel, ob sein Ausgang ein ungewisser ist, für uns beide jedenfalls ein höchst vorteilhaftes sein würde. Höre mich an, Axel! Ich bin dein Verwandter, bin älter als du, bin dein Freund, und wir sind durch gemeinschaftliche Interessen verbunden. Du kannst dich mir daher ganz und unumwunden anvertrauen. Meiner Treu, ich selbst habe erst heute ganz durch Zufall etwas von dieser Geschichte erfahren. Um Gottes willen, sammle deine Erinnerungen, ehe ich von hier abreise. – Vor allem also, was ist Wahres an dieser ganzen Sache?
(Während dieser ganzen Rede hat Axel den Kommandanten aufmerksam fixiert; jetzt erhebt er sich und geht auf die im Hintergrund befindliche Tür zu.)
Axel (ruhig): Einen Augenblick Geduld, Kommandant, ich bitte Sie darum. (Durch die Tür rufend:) Herr Zacharias!
(Der Kommandant von Auersperg ist zu dem vor dem Kamin stehenden Kredenztisch getreten. Das Feuer des Kamins lodert plötzlich hell auf und übergießt ihn mit purpurnem Schein. Er schenkt sich ein.
Herr Zacharias, gefolgt von Ukko, erscheinen im Hintergrund des Saales.)
Dieselben, Herr Zacharias und Ukko
Ukko (beiseite, mit einem lächelnden Blick auf Axel): Hallo! Hier wird es gleich einschlagen.
Herr Zacharias: Der gnädige Herr hat mich gerufen?
Axel (halblaut): Komm zu mir.
Herr Zacharias (nähert sich ihm).
Axel (blickt ihn eine Weile schweigend an, dann mit leiser Stimme): Du hast geplaudert.
Herr Zacharias (nach einer Pause): Im Namen Ihres Geschlechtes, gnädiger Herr, dem ich seit achtzig Jahren diene, habe ich es gewagt, zu versuchen, ehe ich sterbe, den ungeheuren Schatz vor der Vergessenheit zu retten.
Axel (mit einem schrecklichen Blick und mit hohler Stimme): Schweige! ... (Zu Ukko sehr leise.) Zwei Degen. Und Gotthold, Nikolaus und Hartwig sollen sich sofort in ihre alten Uniformen werfen und mit Fackeln hier erscheinen, sie sollen auch ihre Degen mitbringen. Schweige!
(Herr Zacharias verläßt schwankend durch die im Hintergrunde befindliche Tür den Saal. Ukko verschwindet nach einem Zeichen des Einverständnisses nach rechts.
Das Ende dieser Szene hat sich an der Schwelle der Tür abgespielt, und ohne daß Kaspar von Auersperg es bemerkt hat. – Nachdem der Sturm vorher plötzlich nachgelassen hat, setzt er plötzlich wieder mit erneuter Heftigkeit ein. Der Regen klatscht gegen die Fensterscheiben, und es blitzt.)
Axel, der Kommandant; später Ukko und die drei alten Soldaten
Der Kommandant (der sich vor das Feuer gesetzt hat und sich wärmt): Vor allem, Graf, seien wir hübsch vernünftig und bleiben wir auf dieser Erde. Ich nehme es auf mich, den Herrschern von Württemberg, Bayern und Sachsen zunächst einen Wink zu geben und sie auf eine eventuelle Zurückerlangung der in so unbegreiflicher Weise verschwundenen Schätze aufmerksam zu machen. Und wenn, wie ich beinahe mit Bestimmtheit glaube, etwas Ernstes an dieser wunderbaren Geschichte ist, dann verbürge ich mich dafür, daß wir alle beide ein mehr als fürstliches Vermögen daraus ziehen werden. Es würde dies wahrlich eine wunderbar glückliche Schicksalswendung und besonders für mich von größter Bedeutung sein, denn wisse, mein Lieber, ich bin ruiniert, und die paar tausend Gulden aus der Erbschaft unseres Vetters Wilferl von Auersperg, auf die du zu meinen Gunsten so großmütig verzichtet hast, bedeuten für mich kaum mehr, als der Dunst einiger Tropfen dieses goldigen Weines, die ich hier auf der glühenden Schaufel verspritze.
Deshalb denke einmal angestrengt nach. Erinnerst du dich nicht irgendeines Winkes, der uns als Anhaltspunkt dienen könnte, irgendeiner Plauderei mit deinen Förstern, die sich auf die unterirdischen Gewölbe bezog, die in diesem Teile des Schwarzwaldes sich befinden sollen? Was, diese Abteilung von beinahe zweihundert Mann, die mit ihren Munitionswagen durch den Wald zog, sollte völlig unbemerkt von den Bewohnern des Landes geblieben sein? Sollte man nicht trotz aller angewandten Vorsicht dem einen oder anderen dieser Holzhauer und Förster begegnet sein, und sollte nicht eine, wenn auch noch so schwache Erinnerung an dieses Ereignis in dem Gedächtnis des einen oder anderen haften? Hast du wirklich nie davon sprechen gehört, hat keiner eine, wenn auch noch so leichte Anspielung darauf gemacht? Hast du nichts darauf Bezügliches in der Hinterlassenschaft deines Vaters, in den Geheimpapieren deiner Ahnen gefunden? Das wäre ja ganz unerhört! Bedenke doch nur, daß, wenn wir erstens den Glauben an das Vorhandensein des Schatzes erweckt und zweitens einen oder zwei Anhaltspunkte über die ungefähre Lage des geheimnisvollen Gewölbes gefunden hätten – und ich meine, durch die Familienpapiere und durch lokale Traditionen müßten solche zu finden sein, – dann steht es außerhalb jeden Zweifels, daß man innerhalb weniger Tage uns einen Kredit von fünf oder sechs Millionen Taler eröffnen würde. Und ehe zwei, drei, im schlimmsten Falle vier Monate verstrichen wären, würden Tag und Nacht tausend unserer Mineure wie Maulwürfe die Erde aufwühlen und die Arbeit des Nachforschens in der ganzen Umgebung dieser Burg aufnehmen und nicht eher ruhen, bis die verborgene Schatzkammer gefunden wäre. Denke dir das ruhmvolle und einträgliche Resultat eines solchen nie dagewesenen Abenteuers. Es würde wie ein Freudenschrei durch ganz Deutschland gehen. Nun, was sagst du dazu? (Er wendet sich um und sieht den Grafen von Auersperg mit finsterer Miene und verschränkten Armen im Hintergrunde des Saales stehen.) Nun, was bedeutet das? Was gibt es?
(Ukko tritt ein. Der junge Page trägt zwei Degen, die er seinem Herrn schweigend vorzeigt. In diesem Augenblicke erscheinen auch Gotthold und Nikolaus im Hintergrunde des Saales. Sie tragen die weiße Uniform der Kürassiere, haben jeder eine Fackel in der linken und einen Degen in der rechten Hand. Hartwig hält einen Degen in seiner einzigen Hand, die gelblichen Roßschweife ihrer Helme mischen sich mit dem Haar ihrer weißen Bärte.
Ohne ein Wort zu sprechen, nehmen sie, je einer, vor den drei Türen des Saales Aufstellung und bleiben in unbeweglicher Haltung davor stehen.)
Der Kommandant (sieht sie ein wenig überrascht an): Aber – was soll denn das bedeuten? – Handelt es sich hier etwa um eine phantastische Zeremonie? Sollte zufällig dein »Meister Janus« sich dazu herablassen, uns eine Zaubervorstellung vorzuführen? Das wäre ja allerdings eine reizende Aufmerksamkeit.
Axel, der Kommandant, Gotthold, Hartwig, Nikolaus, Ukko; zuletzt Meister Janus
Axel (sich dem Kommandanten nähernd und ihn grüßend): Mein Vetter, Sie haben mir soeben vertrauliche Vorschläge gemacht, durch die ich mich beleidigt fühle. Sie werden mir deshalb Genugtuung geben, und zwar auf der Stelle. Ich betrachte Sie von diesem Augenblicke an nicht mehr als meinen Gast. Der Saal hier ist besonders bei diesem schlechten Wetter ein ausgezeichneter Kampfplatz.
Der Kommandant: Wahnsinniger, du redest im Fieber.
Axel (ruhig fortfahrend): Sie haben sich in Deutschland den Ruf erworben, eine ganz besondere Geschicklichkeit in der Fechtkunst mit dem Degen zu besitzen. Sie werden sich also dieser Waffe bedienen. Wir werden uns ohne Gnade und Waffenstillstand schlagen bis ...
Der Kommandant (ihn unterbrechend): Was! Der Graf von Auersperg scheint wohl plötzlichen Wahnsinnsanfällen unterworfen zu sein?
Axel (ruhig seinen Satz vollendend): Bis zum äußersten, bis zum Tode.
Der Kommandant (kurz und hochmütig): Aus welcher Veranlassung?
Axel: Oh, es geschieht oft genug bei Reiseabenteuern, daß man sich genötigt sieht, den Degen zur Hand zu nehmen, sei es auf der großen Heerstraße oder in irgendeiner Burg, in die der Zufall uns verschlagen hat. Es geschieht dieses oft bei Streitigkeiten, die so geringfügig sind, daß sich ihre Ursache kaum bestimmen läßt. Ich habe es deshalb wohl kaum nötig, mich damit aufzuhalten, Ihnen die Gründe meiner Herausforderung darzulegen, um so mehr, da ich Ihnen ein Duell anbiete, das in durchaus ritterlicher Weise und nach den Regeln der Ehre ausgefochten werden soll.
Der Kommandant: Bah!
Axel: Urteilen Sie selbst. Solange ich hier aufrechtstehe, werden Sie diesen Saal nicht verlassen. Aber da es nur meine Gegenwart ist, die Sie zum Gefangenen macht, wird es genügen, mich ernsthaft zu verwunden, um den Ausgang für Sie freizumachen, und wird Ihnen alsdann von keiner Seite ein Hindernis in den Weg gelegt werden. Da es aber möglich ist, daß Sie bei dieser Gelegenheit selbst verwundet werden, so können Sie versichert sein, daß Sie in solchem Falle unter meinem Dache mit derselben Sorgfalt gepflegt werden, mit der man mich selbst umgeben würde. – Sobald Sie völlig genesen, würde man Sie dann bis an die Grenzen meines Gebietes begleiten, ohne daß einer meiner Leute Ihnen anders als mit der größten Ehrerbietung entgegentreten würde. Was die hier gegenwärtigen Sekundanten betrifft, so können Sie diese unmöglich zurückweisen; diese drei alten Krieger sind Ritter des Eisernen Kreuzes, und was meinen Pagen betrifft, so stehe ich dafür ein, daß er aus ebenso edlem wie tapferen Geschlechte stammt. Diese Zeugen werden auf ihre Ehre und ihren Glauben einen Eid darauf ablegen, daß mein Wort, das ich, ihr Herr und Freund, Ihnen gegeben habe, ihnen heilig sein wird, und daß für den Fall, daß ich falle, sie für Ihre Sicherheit Sorge tragen werden. (Sich umwendend.) Leistet den Eid!
(Das Licht der Fackeln in den zitternden Händen der alten Soldaten funkelt auf ihren Degen und Helmen. Schweigend erheben alle drei feierlich den Degen. Auf einen herrischen Blick Axels erhebt Ukko nach einem Augenblick zornigen Zögerns die Rechte.)
Sie haben geschworen.
Ukko (in kindlichem, aber sehr ernstem Tone): Aber sehr widerwillig.
Der Kommandant: Man hat mich also umstellt? Ha, mein Vetter, es scheint beinahe, als ob Ihre Wohnung eine Mörderhöhle sei! Man sollte wenigstens eine Warnungstafel davor aufstellen, um harmlose Wanderer davon abzuhalten, darin einzukehren. Ganz gewiß bin ich nicht der Mann, der sich je vor einem Duell drücken würde – selbst nicht unter solchen Bedingungen, indessen ist mir doch kaum zuzumuten, daß ich diese veraltete und tragische Szene, die Sie hier vor mir aufführen, ernsthaft nehmen soll! Es scheint mir dahinter ein Einschüchterungssystem verborgen zu sein, dessen sich wirklich tapfere Kavaliere nie bedienen würden. Ich kann mich nicht enthalten, darüber zu lächeln. Ich rate Ihnen daher, so rasch wie möglich ein Ende mit dieser lächerlichen Parade zu machen, die schon verhängnisvoll für Sie geworden wäre, wenn ich eben ein Eisenfresser wäre – der Kindern zuleibe geht.
Axel (gleichmütig): Für den Fall, daß ich eine unglückliche Hand haben sollte, würde man Sie in dem Erbbegräbnis der Familie beisetzen. – Indessen glaube ich Ihnen sagen zu müssen, daß auf dem Akte, in dem man Ihrem Könige Mitteilung von Ihrem unvorhergesehenen Tode machen würde, die Bemerkung enthalten sein wird, daß Sie in einem der vielen Gießbäche dieser Wälder verschwunden seien. (Auf ein rechts von dem Kamine stehendes Schreibpult weisend, worauf eine Feder, Tinte und Pergament bereitliegen.) Wenn Sie also irgendwelche Verfügungen treffen möchten, so bitte ich Sie, diese schnell niederzuschreiben.
Der Kommandant (zuckt mit den Achseln, verschränkt die Arme und sieht ihn an.)
Axel: Nicht? – Um so besser. (Er geht auf Ukko zu; der Page überreicht ihm die beiden Degen. Axel tritt nun dem Kommandanten gegenüber und bietet ihm die Degen an.) Wählen Sie.
Der Kommandant (in hochmütigem, ungeduldigem und gereiztem Tone): Macht mir Platz.
Axel (kalt): Machen Sie sich selbst Platz.
Der Kommandant (auf das Geratewohl hin einen Degen erfassend): Nimm dich in acht!
Axel (ruhig): Achtung!
Der Kommandant: Zum letzten Male fordere ich dich bei unserem gemeinschaftlichen Namen auf, mir zu sagen, welche Beschwerden du gegen mich erheben kannst?
Axel (halblaut): Haltet die Fackeln hoch.
Der Kommandant: Sie schweigen?
Axel (der, mit dem Degen in der Hand, sich einige Schritte entfernt hat, um Stellung einzunehmen, antwortet nur durch ein leichtes bejahendes Zeichen des Kopfes).
Der Kommandant: Feigling!
(Der Schein der durch die Fensterscheiben dringenden Blitze vermischt sich mit dem Lichte der Fackeln. In der Ferne vernimmt man das dumpfe Grollen des Donners. – Einen Augenblick hat Axel zitternd dagestanden, dann nähert er sich dem Kommandanten.)
Axel (mit ruhiger, tiefernster Stimme): Blicke mich an, Auge in Auge. Welch anderer Kontakt wäre jemals zwischen uns möglich gewesen, als der der Degen? Glaubtest du, mich zu berühren, als du meine Hand ergriffst? Glaubtest du mein wahres Gesicht zu sehen, als ich dir zulächelte? Ich habe deine umfassenden Worte über mich ergehen lassen, ich mußte sie eben dulden, weil du als Gast vor meinem Feuer saßest ... aber in mir selbst vernahm ich ganz andere Stimmen als die deine.
Ich habe deine Rede vernommen, wie man im Walde die aus der Ferne zu uns dringenden Tierstimmen vernimmt. – O zittere nicht, treibe kein Spiel mit diesem Degen: derartige Kindereien sind zwischen uns überflüssig.
Der Kommandant (seinen Degen durch die Luft sausen lassend): Unsinniger! Ich ...
Axel (gleichmütig): Nur noch einen Augenblick Geduld. Du hast mich dreimal dazu aufgefordert, dir Rede zu stehen! Du brauchst ja jetzt nicht zuzuhören, wenn du es nicht willst, es ist nicht um deinetwillen allein, wenn ich nun rede, um so mehr, da du mich wahrscheinlich nicht verstehen willst. Aber das laß dir gesagt sein, durch deine unüberlegte Großsprecherei hast du das Recht verwirkt, mich unterbrechen zu dürfen, und wenn du dies dennoch wagen solltest, so könnte es sehr leicht damit endigen, daß meine Großmut dir gegenüber versagte. Also schweige jetzt, und da du selbst es nicht anders gewollt, laß dir unsere Stellung zueinander klar machen ... (Pause, die nur durch das Geräusch des Regens und des Donners unterbrochen wird. Der Kommandant kreuzt die Arme und scheint entschlossen zu sein, gleichmütig zuzuhören.)
Du, der du so gern von dem Wahnsinn anderer Leute sprichst, welche Probe gesunden Menschenverstandes hast du bisher gegeben? Du ermahntest mich dazu, »mein Glück zu machen«, sagtest mir, ich sollte deinem Beispiele folgen, und einen Augenblick später gestandest du mir, daß du vollständig ruiniert seist. Ehe du in so überlegenem Tone sprichst, solltest du deine eigene Weisheit, die dich zu solchen Resultaten geführt hat, etwas näher prüfen.
Aber nein; du hältst dich für erfahren, klarsehend und stark, nicht wahr? Du glaubst, eine ideale höhere Anschauung, zu der du dich nicht aufzuschwingen vermagst – Wissenschaften, die dir verschlossen sind, die Gespräche ernster Leute, denen du nicht folgen kannst, einfach mit einer Art hochmütigen Sarkasmusses abtun zu können.
Indessen welche leeren Gesprächsthemas setzest du an Stelle dieser Dinge? Durch das ernste Examen der Gewürze einer Sauce oder durch den Lobgesang auf die Schmackhaftigkeit einer Pastete! Wahrhaftig, so unbedeutend dir auch von deinem Standpunkte aus meine Lieblingsstudien erscheinen mögen, so muß ich doch zugeben, daß mir die von dir heute abend gebotene Unterhaltung keinen Ersatz dafür gewähren kann.
Fahren wir fort. Während der Geist des Weines dir, ich weiß nicht welche Frauenphantome vorspiegelte, verspottest du meinen Glauben an die reine eheliche Liebe, die einzige, die den Namen wahrer Liebe verdient.
Und was wolltest du an Stelle meiner jugendlich reinen Träume setzen? Ach, die lasterhafteste aller Leidenschaften, die des Ehebruchs! So daß du mich unter diesem durch meine Mutter geheiligten Dache erröten machtest, und daß die schreckliche Art, mit der du den Duft dieser keuschen Waldblumen einatmetest, mir wie eine Blasphemie erschien.
Bei jeder Gelegenheit brüstest du dich damit, ein Edelmann zu sein, und du glaubst, daß das Vorrecht einer edlen Geburt allein schon genüge, um dir eine Ausnahmestellung zu geben. Aber welche Proben wahren Edelmutes hast du jemals abgegeben, wodurch rechtfertigst du diese törichte Selbsteingenommenheit? Du bist erstaunt und spottest darüber, daß ich mich um einen guten und treuen Diener sorge, der in meinem Hause alt geworden ist und noch zu dieser Stunde in meinem Dienste bei solchem Wetter den Gefahren der Nacht Trotz bietet.
Endlich aber hast du für dieses ehrwürdige alte Schloß nur verächtliche und höhnende Worte gefunden, während du doch dem Heroismus unserer Väter, die so lange darin geweilt haben, das wenige verdankst, was du bist. Wenn ich mich recht erinnere, schlugst du mir vor, deinem Beispiele zu folgen, mit an den Hof zu gehen, meine Tage dort mit richtigen lächerlichen Intrigen zu verbringen und an deiner Seite in den fürstlichen Vorzimmern zu gähnen – du nennst das »Karriere machen«. Für dich vielleicht, das ist möglich. Du folgst dem Geschmacke deiner Natur. Sie ist nicht die meine. Aber gehen wir darüber weg! – Mein Weg? Er ist mir seit Jahrhunderten vorgezeichnet. Wie konntest du dir einbilden, mich davon abzulenken, nachdem du mir selbst gestanden, daß das Resultat deiner Lebensweise ein negatives sei und daß du ruiniert bist. Dahin also haben deine Intrigen dich geführt! Du siehst, deine Ratschläge sind hohl wie Nußschalen, die selbst die Affen wegwerfen. Es geziemt dir wahrlich weniger, arrogant aufzutreten und dich bemühen, zu erkennen, daß kein anderer so unsinnig handelt wie du. Wenn es dir nicht gelungen ist, das Ziel deines armseligen Ehrgeizes zu erreichen, so mache nicht den Zufall dafür verantwortlich, er ist unschuldig an deiner süffisanten Unfähigkeit, es sei denn, daß du ihm ein Verbrechen aus deiner Existenz machen wolltest.
Der Kommandant von Auersperg (blickt mit einem verächtlich gleichgültigen Lächeln auf ihn. Die beiden Herren werden von dem Flackern des Feuers und der Fackeln, sowie von dem durch die Fenster dringenden Scheine der Blitze beleuchtet.)
Axel (fortfahrend): Nun ja, ich weiß es wohl, daß in den Augen der Mehrzahl aller Menschen nichts die plötzliche vernichtende Härte meiner Worte rechtfertigen würde. Denn, nicht wahr, Freude an einem festlichen Mahle zu empfinden und mit guter Laune zuzugeben, daß man dies tut, das Glas zu erheben, um seinem Wirte zuzutrinken, mit zärtlichem Erinnern von entfernten schönen Frauen zu sprechen, sich mit einer gewissen sinnlichen Freude des aromatischen Duftes von Waldblumen zu erfreuen, – ein- oder zweimal, wenn der Wein die Zunge gelöst, offen zuzugeben, daß man stolz auf seine edle Geburt sei, – und in höflicher Weise einen Verwandten darauf aufmerksam zu machen, welche Aussichten er verschlägt, wenn er sich ein freiwilliges Exil auferlegt – all dies sind doch keine Verbrechen gegen die Gastfreundschaft? Weshalb also hat dieses so liebenswürdige und anziehende Gespräch zwischen uns beiden plötzlich eine so verhängnisvolle Richtung genommen? Du versichertest mich deiner verwandtschaftlichen Zuneigung, deiner herzlichen Freundschaft und einer Treue, die jede Probe bestehen würde, du warst bereit, mir, an welchem Hofe es immer sei, Zutritt zu verschaffen, du versprachst – ja – was versprachst du mir nicht alles? Die Freuden der Welt, glänzende Liebschaften, herrliche Feste, bei denen die schönen Frauen mir zulächeln würden. Du hast es nicht an Verlockungen und verführerischen Verheißungen fehlen lassen, und du hast deine gleißnerischen Worte in der eleganten Redeweise vorgetragen, die du dir an den Höfen erworben hast.
(Der Sturm draußen wird so heftig, daß der Graf Axel von Auersperg genötigt ist, die Stimme zu erheben, um ihn zu übertönen.)
Aber unter dem Schleier deiner Worte habe ich dennoch sehr wohl deine wirkliche Gesinnung erraten.
Kaspar von Auersperg (dessen Gesicht sehr bleich geworden ist, steht mit gerunzelter Stirn und verschränkten Armen vor Axel und blickt ihn finster an.)
Axel: Indessen, was ging das mich an! War ich denn Richter? Kam es mir zu, dich zu verurteilen oder dir Absolution zu erteilen. – Außerdem hatte bereits die Stunde geschlagen, wo der Kammerherr seine Kette wieder aufnehmen und zu seinen Vergnügungen zurückkehren würde, wo mit einem Worte sein unbedeutender Schatten aufhören würde, meine Einsamkeit zu trüben.
Ich gehorchte also nur der von meinen Vätern übernommenen Pflicht der Gastfreundschaft, wenn ich es zu verbergen strebte, wie sehr ich seinen Abschied ersehnte. Das war auch der Grund, weshalb ich dich bis an die Grenze meines Gebietes zu geleiten gedachte, und dir die besten Wünsche auf die Reise zu geben bereit war. Du warst für mich ein zeitweiliger Gast, dem ich alle Rechte zuerkannte, die ich jedem freudig gewähre, der je meine Gastfreundschaft in Anspruch nimmt. – Man grüßt die Toten!
Da ganz plötzlich entdecke ich, daß du als Spion bei mir eingedrungen bist und deinen Aufenthalt in diesem Schlosse zu deinen besonderen Zwecken benutzt hast! – Daß du eins der wichtigsten Geheimnisse meines Hauses entdeckt hast.
(Bei diesen Worten zittert der Kommandant und sieht den Grafen von Auersperg ganz erschrocken und mit halb offenem Munde an.)
Der Kommandant (für sich, zitternd): Ach! Das also ist es! ... Was, es ist also wahr ...
Axel (mit einer Stimme, die so rauh und dumpf klingt, daß sie an das Grollen eines Löwen erinnert): Wahrlich, du hast da glühende Asche aufgewühlt. Du durftest weder Erkundigungen einziehen, noch dein Ohr unerlaubten Einflüsterungen leihen. Es ist ein Unglück für dich, daß du dieser Versuchung erlegen bist. Du bist als Spion in dieses Haus gedrungen. Da ich aber der Drache bin, der mein schweres Geheimnis behütet, so lege ich Verwahrung dagegen ein, daß du es ausplauderst. Dazu kommt, daß ich nur allzu deutlich in deinen Augen gelesen habe, welchen Plan du gefaßt hast: du wolltest mich, und zwar noch in dieser Nacht, ermorden, um ganz frei und ungehindert das große Unternehmen wagen zu können. Ich lachte innerlich darüber, da ich sicher war, dich vor deiner Abreise zu entlarven. Ja, es ist mir bei Tische zweimal gelungen, deine edlen Absichten hinter deinen gleißnerischen Worten zu erraten, unter der Maske einer zerstreuten gleichgültigen Miene gelang es mir, deine geheimsten Gedanken zu lesen.
Der Kommandant (die Faust über dem Degenknopfe zusammenballend und beinahe für sich): Was! Dieser Prahler hat die Absicht, sich selbst zum Herrn dieser goldenen Berge zu machen? ... Nun wohl, erregen wir zuerst das Mißtrauen seiner Soldaten.
(Er setzt sich, – dann ohne Übergang in trockenem, strengem Tone):
So schwere Beleidigungen können mich natürlich nicht gleichgültig lassen. Ich werde mit dem Degen darauf antworten, und zwar sogleich. Indessen möchte ich doch, wenn es Ihnen recht ist, vorher ein paar ruhige Worte mit Ihnen sprechen, da ich aus allen Ihren Reden ersehe, daß Sie sich außerhalb des Gesetzes gestellt haben. Wie Ihr Vater dies vorher getan, verhehlen Sie ein Depot von Schätzen, das einen beträchtlichen Teil des Nationaleigentums repräsentiert. Dem Staate gegenüber sind Sie schon strafbar, weil Sie diese Schätze so lange immobilisiert haben, und der erste beste Deutsche ist berechtigt, Sie dazu aufzufordern, sie Ihrem Lande zurückzuerstatten, Graf von Auersperg! Solche Werte mit Beschlag zu belegen, heißt einen Raub begehen.
Axel (mit einer Bewegung der Überraschung): Oho! Woher plötzlich ein so strenges Urteil? Bei Tische erst pries er uns mit feurigen Worten den kecken Übermut der Raubritter, vor denen, wie die Legende erzählt, kein des Weges ziehender Kaufmann sicher gewesen sei, er übertrieb ihr zweifelhaftes Treiben und meinte, daß er besonders stolz darauf sei, daß auch unsere Ahnen wohl daran teilgenommen hätten. Jetzt hält er lange Reden wie ein Staatsanwalt und gibt uns Unterricht in der Ehrlichkeit! Was bedeutet dieser plötzliche Wechsel der Stimmung?
Der Kommandant (mit kaltem Lächeln): Ich wollte Sie mit meinen Worten auf die Probe stellen. Sie leugnen also den Raub dieses Depots, das Ihrer Ehre anvertraut wurde?
Axel: Und eben erst hat dieser selbe tugendhafte Ratgeber es mir zum Vorwurf gemacht, daß ich nichts getan habe, um ihn auszuführen? Aber das war wohl auch eine Probe, nicht wahr?
Der Kommandant: Wagen Sie doch, zu beweisen, daß ich Sie verleumde, indem Sie Deutschland – – (Er hält inne.)
Axel (lächelnd): Wage doch selbst deine Worte zu vollenden – –
Der Kommandant (sich auf die Lippen beißend): Oh, Sie sind nur dazu verpflichtet, der Regierung offizielle Mitteilung zu machen.
Axel (die Achseln zuckend): Eben erst war es meine Pflicht, nicht nur das herauszugeben, was ich nicht besitze, sondern auch Schätze, deren Vorhandensein höchst unwahrscheinlich ist! Jetzt – soll ich einfach Enthüllungen geben – und ich werde absolviert.
Der Graf von Auersperg (hat sich den drei Veteranen zugewendet, offenbar in der Absicht, ehe er seinen Gegner durch eine direkte Beleidigung zwingt, sich sofort mit ihm zu schlagen, seinen treuen Dienern noch irgendeinen Befehl zu erteilen. Als sein Blick aber auf die Veteranen fällt, zittert er plötzlich. Ganz gewiß sind diese bei dem so jäh hervorbrechenden Grimme ihres jungen Gebieters ebenfalls von heiligem Zorne ergriffen gewesen, haben vielleicht manchmal sogar seine dröhnende Stimme mit dem Grollen des Donners verwechselt. – Oh, wie sehr sie den schrecklichen Gegner mit seinen kalten Augen, seinen prahlerischen Reden hassen! ... Und dennoch bei den letzten Worten des Kommandanten sind ihre ehrlichen Gesichter plötzlich wie durch einen Schatten verdunkelt worden. Ihr einfaches, ehrliches Gewissen wird von einer gewissen Unruhe, einem Zweifel befallen, den sie sich selbst nicht zu gestehen wagen.
Wenn sie auch den Sinn dessen, was eben gesprochen wurde, nicht völlig zu fassen und zu begreifen vermögen, so scheint ihnen doch eine ernste Wahrheit darunter verborgen zu sein – an die sie in dem festen Glauben an die reine und unverletzte Ehre ihres jungen Herrn bisher niemals auch nur zu denken gewagt haben.)
Der Graf von Auersperg (erkennt mit einem Blick den Zweifel, von dem seine Getreuen erfaßt sind, er versteht die finstere Absicht seines Gegners, den er jetzt mit einer ernsten, schrecklichen Miene mustert.) (Das Gewitter hat sich etwas verzogen, und während einer langen, bangen Minute hört man in dem hohen Saale nichts als den Anprall des Regens, der klatschend gegen die Fensterscheiben schlägt.)
Axel (nach einem heftigen, inneren Kampfe): Nun wohl, es soll so sein.
(Mit dem Degen auf die alten Soldaten zeigend.)
Es ist ihretwegen, nur ihretwegen allein, verstehen Sie mich, daß ich mich herablasse, eine Antwort auf die spitzfindigen Sophismen zu geben, mit denen Sie soeben das Gemüt dieser rechtschaffenen Männer zu verwirren trachteten. Ich selbst fürchte Sie so wenig, wie ich das Flügelschlagen von Fledermäusen fürchten würde.
Soldaten, die ich euch hier als unsere Zeugen berufen habe, steckt eure Fackeln in die eisernen Lampenträger der Mauern – und dann hört meine Worte und urteilt selbst.
(Er geht zu dem rechts von dem Tische stehenden Sessel, setzt sich, stützt den Ellenbogen auf; sein blanker Degen liegt zwischen seinen gekreuzten Beinen, er läßt die rechte Hand auf dem Degenknopfe ruhen.)
Gotthold, Nikolaus und Hartwig (gehorchen seinem Befehle und stehen nun unbeweglich in militärischer Haltung und die rechte Hand auf den Degenknopf gestützt).
Ukko (tritt hinter Axel und stützt sich auf die Rücklehne seines Sessels).
Der Kommandant (er ist gleichgültig und, mit dem Degen in der Hand im Hintergrunde des Saales stehengeblieben): Ich sagte Ihnen, mein Herr, daß, ehe Sie sich mit mir schlagen, es vor allen Dingen ganz einfach Ihre Pflicht sei, den Vertretern des Staates, dessen Schutz Sie genießen, Mitteilung von dieser Angelegenheit zu machen. Sie sind sein Untertan, er schützt Sie, und ihm verdanken Sie, wenn Sie auf diesen Ihren Erbgütern ungestört als Herr schalten und walten dürfen. Sie sind daher verpflichtet, sei es nun den Schatzverwaltern, den Fürsten oder den Vertretern des Volkes, die für das Wohl aller einzutreten haben, sofort Mitteilung von dieser Sache zu machen.
Axel (sehr kühl und die Worte des Kommandanten detaillierend): Oh! Wenn ihresgleichen sich seinerzeit nicht entblödet hätten, meinen Vater ermorden zu lassen, um zu versuchen, sich unter der Hand und um ihres persönlichen Vorteils willen sich den Schatz anzueignen, den sie selbst seinem Degen und seiner Ehre anvertraut hatten, während man trotz dieses verräterischen Streiches sein Gedächtnis und seine militärische Ehre verunglimpfte – so würden diese wertvollen Mitteilungen, von denen Sie reden, längst in legalen Händen sein. Man vergißt ganz, daß ich hier der einzige bin, der das Recht hat, anzuklagen. Wenn also jene Personen als Vertreter des Staates handelten, so ist der Staat solidarisch verantwortlich für ihre Handlung. Seine Rechtlichkeit aber ist hinfällig, eitel, tot. – Es ist daher doch durchaus gerechtfertigt, daß sich die Banden meiner Pflichten einem Staate gegenüber, der diesen schimpflichen Mord begangen, für den er mich niemals entschädigen kann, einigermaßen gelockert haben. Mein Gewissen drängt mich keineswegs dazu, den Mördern irgendwelche Mitteilungen zu machen, durch die ich mir langweilige Untersuchungen zuziehen würde; ich finde es ganz überflüssig, wäre es auch nur einen Augenblick, meine Zeit dafür zu opfern, diesen Genossen eventuell dazu behilflich zu sein, die Ungeschicklichkeit ihres Verbrechens zu reparieren.
Der Kommandant (ruhig): Was! Würde dies nicht im Gegenteile eine schöne Gelegenheit sein, den Staat selbst zu belangen, indem man ihm eine wahrheitsgetreue Schilderung jener Episode machte? Aus welchem Grunde wollen Sie sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen?
Axel (immer in schroffem, kaltem Tone): Der Staat hat hier ein ganz verwirrendes Beispiel gegeben, indem er sich – sehr zu meinem Schaden – erlaubt hat, diese ganze Affäre endgültig aus der Welt zu schaffen, indem er ein entscheidendes Dekret erließ, gegen das kein Appell möglich ist und das mich meiner Rechte, als Ankläger aufzutreten, völlig beraubt. Ich würde ihm daher unter keiner Bedingung Mitteilungen machen, die doch nur auf Vermutungen und höchst zweifelhaften Hypothesen beruhen könnten – da er kaum mehr die Berechtigung hat, ihnen Gewicht beizulegen, denn er hat sich durch sein Dekret selbst das Recht geraubt, meinen Worten Gehör zu geben.
Der Kommandant: Sie haben jedoch eine unerfüllt gebliebene Pflicht gegen Ihr Vaterland übernommen.
Axel: Ihre Spitzfindigkeit führt Sie zu weit. Von dem Soldaten, der für seine Pflicht gestorben ist, hat kein Staat und, wie mir scheint, der meine weniger als jeder andere das Geringste zurückzufordern – gleichviel, ob seine Aufgabe erfüllt worden oder nicht – der Sohn dieses Soldaten hat keineswegs die militärischen Pflichten des Verstorbenen geerbt.
Der Kommandant: Es gibt aber Ausnahmefälle, völlig unvorhergesehene Dinge, bei denen jeder Edelmann gerade durch seine adelige Geburt gezwungen ist, sich direkt an seinen König zu wenden, dessen Urteil allein ein unwiderrufliches ist.
Axel (langsam sprechend und in ernstem, bitterem Ton): Man vergißt, daß er dieses Urteil bereits gesprochen hat. Was bin ich denn nach der Ansicht dieses Königs? »Der Abkömmling des Mannes, durch dessen zweideutige, trübe Unfähigkeit der reiche Sparpfennig Deutschlands rettungslos verloren wurde.« Und ein solcher Urteilsspruch wurde auf den falschen Schein hin und ohne jede nähere Untersuchung gefällt (allerdings lag Grund vor, eine solche zu scheuen). Man vernichtete damit den Glanz eines Namens, dessen Träger seit sieben Jahrhunderten ein makelloses und ruhmvolles Leben geführt haben. Nachdem er diesem Namen, der der meine ist, ein solches Brandmal aufgedrückt, kann ich wohl annehmen, daß die Majestät, die nicht gezögert hat, mir eine solche Schmach anzutun, es unter ihrer Würde halten würde, sich von mir eine Mitteilung machen zu lassen, die ja doch unter allen Umständen nur einen geheimen und vertraulichen Charakter tragen könnte, da sie so viel wie ein Dementi des Urteils bedeuten würde, das man in so leichtsinniger Weise über meinen Vater gefällt hat. Womit anders aber könnte ich dieses Dementi begründen, als mit den anfechtbaren Erzählungen meines sehr alten Hausintendanten, Herrn Zacharias? ... Ach, ich behaupte, daß die übertriebenste Loyalität mich nicht dazu verpflichtet, mich so lächerlich zu machen. Ich kann meine Zeit mit Besserem ausfüllen.
Der Kommandant (langsam): So nehme ich also hiermit Akt von der Tatsache, daß, obgleich Sie Ihren König durch ein einziges ruhiges Wort aufklären könnten – ein Wort, das zugleich auch den Schatten tilgen würde, der das Andenken Ihres Vaters trübt – Sie es dennoch ablehnen, dieses Wort zu sprechen?
Axel: Es sind ganz trügerische Gründe, die Sie da vorbringen, über deren Nichtigkeit ich, wenn ich darüber nachdenke, keinen Augenblick im unklaren bin. Tatsächlich ist es nur folgende Alternative, vor die meine Kindespflicht mich stellt:
Angenommen, daß, wie dies sehr wahrscheinlich ist, nach mühevollen, Zeit und Geld raubenden Untersuchungen, die man auf Grund einer sehr zweifelhaften Legende aufstellen würde, diese problematischen Schätze dennoch nicht gefunden werden sollten, so würde man als Endresultat dieses ganzen Handels den Namen der von Auersperg mit Spott und Hohn überschütten und die gehässigen Verleumdungen, mit denen man das Andenken meines Vaters trübt, würden noch glaubhafter erscheinen.
Angenommen jedoch, daß man den Schatz wirklich entdeckte, so müßte diese Entdeckung zu einem mehr als peinlichen Skandale führen, in dem die offiziellen Repräsentanten des Staates eine sehr üble Rolle spielen würden, und den daher im Keime zu ersticken, für sie von höchster Bedeutung wäre. Man würde also den wahren Verhalt der Tatsachen nicht bekanntgeben und das, was der Nachwelt davon in den Blättern der Geschichte erhalten bliebe, würde ungefähr folgendermaßen lauten:
Man weiß immer noch nicht, zu welchem Zwecke der General von Auersperg wenige Tage, ehe er durch die Hand der Feinde fiel, es unternahm, die ungeheuren, ihm vertrauten Werte, um die es sich hier handelt, in einer seiner entferntesten Domänen unter Anwendung geradezu verwirrender Vorsichtsmaßregeln zu verbergen. Die Geschichte ist sich nicht klar darüber, welche Beweggründe ihn dazu veranlaßt haben, den Sparpfennig Deutschlands in so geheimnisvoller Weise verschwinden zu lassen. Jedenfalls wußte sein Sohn, der Graf Axel von Auersperg, durch seine Handlungsweise vergessen zu machen, was sein Vater durch sein unerklärliches und mehr als seltsames Vorgehen an dem Staate gesündigt, und er hat dadurch den Flecken getilgt, der vorübergehend den Ruhm dieser edlen und vornehmen Familie trübte.
Ja, ganz gewiß so ungefähr würde es heißen, und das Gedächtnis meines heldenhaften Vaters würde dadurch in sehr zweifelhafter Weise aufgefrischt werden. Meine kindliche Pietät jedoch, die weitsichtiger ist als Ihre Ratschläge, sagt mir, daß es unter solchen Umständen nicht einmal in dem Interesse der Familie liege, diese alte Geschichte wieder auszugraben.
Der Kommandant: Und indem Sie derartige Paradoxen aufstellen, geben Sie gleichzeitig das fait accompli eines falschen Verdachtes zu, der sich an den Namen Ihres Vaters gehängt hat. Ich aber sage Ihnen, daß eine ganz einfache Mitteilung an das Ministerium, trotz all Ihrer spitzfindigen Reden, Ihrem Namen, der auch der meine ist, den alten Glanz zurückgeben würde.
Axel: Oh, mein Herr, wir haben unsere Ehre niemals durch Worte zu beweisen für notwendig befunden. Aber unsere Ahnen haben durch Jahrhunderte dem Vaterlande geleistete Dienste, durch ihre militärische Tapferkeit und ihre ruhmvollen Taten den Beweis ihres Wertes geliefert. Ich halte es daher für überflüssig, Ihnen auf Ihre letzten Vorschläge zu antworten. Ich befinde mich hier in dem von meinem Vater ererbten Hause, dem Hause eines Verbannten, in einem Orte der Verbannung. Das Vaterland ist für mich kaum noch mehr wie ein Begriff. Ich brauche mich nicht darüber zu beunruhigen, was möglicherweise im Umkreise dieser Wohnung begraben liegt, da mein Vater mir über diesen Punkt auch nicht den kleinsten Wink hinterlassen hat. Es gibt kein Gesetz, das mir die Pflicht auferlegen könnte, mich mit dem Gedanken daran zu beschäftigen, so wenig wie es eines gibt, das mir das Recht bestreiten könnte, mich aller Sorgen über diese alte Legende völlig zu entschlagen.
Der Kommandant: Ihr Vater hat Ihnen jedoch keineswegs die Pflicht hinterlassen, diesen Schatz mit Beschlag zu belegen und dadurch das Wohlbefinden von mehreren Millionen an all diesem unschuldiger Menschen schwer zu schädigen. Im Namen einer Beschwerde, die Sie gegen einige wenige führen, glauben Sie sich berechtigt, eine Unterlassungssünde zu begehen, durch die Sie in übertriebener und ungerechtfertigter Weise Ihre Rache an der Allgemeinheit ausüben.
Axel (lächelnd): Wahrhaftig, der untergeordnetste Finanzmann des kleinsten aller Staaten des Abendlandes würde sich damit begnügen, Sie in diesem Augenblicke schweigend anzusehen, denn es ist doch wirklich überraschend, wenn ein Höfling den Beweis so tiefer Unwissenheit abgibt. Wenn Ihre Kenntnisse über die Natur des Goldes sich darauf beschränken, es auszugeben, so sind Ihre Begriffe so engherzig, daß es sich nicht verlohnt, näher darauf einzugehen.
Der Kommandant (gleichmütig und ohne den Sinn seiner Worte zu verstehen): Wer für das Interesse aller eintritt, kann niemals eine ernste Niederlage erleiden.
Axel: Das Interesse aller? Ein edles Ziel und – ein gutes Schlagwort, unter dessen Schild die fürstlichen Räuber Jahrhunderte hindurch in allen Landen ihre eigenen Zwecke verfolgten und sich sogar noch den Segen des Volkes erwarben, das sie in ihrem eigenen Interesse ausplünderten. Nein, es ist nicht meines Amtes, diesen »Kämpfern für das Interesse aller« behilflich zu sein, das Volk zu berauben.
Der Kommandant (kalt): Nun wohl, wenn Sie solch unhaltbarer Gründe wegen nicht gewillt sind, die Initiative zu ergreifen, so gestatten Sie wenigstens, daß ein anderer die Verantwortlichkeit eines solchen Schrittes auf sich nimmt, und man wird Sie bald genug von der Sorge um dieses Gold befreien, das, wie es scheint, keinen Wert für Sie hat.
Axel (ruhig und überlegen): Warum sollte ich, da ich mich dem widersetzen kann, es dulden, daß ein- oder zweitausend roher, in Ihrem Solde stehender Menschen hier plötzlich eindringen und durch den Lärm der Arbeit und durch ihre ganze Gegenwart die Stille und den Frieden dieses Waldes verscheuchten und diesen einzigen Ort des Exils entweihten, in dem ich ein meiner würdiges Leben führen kann? Ich weiß, daß es den Leuten des Gesetzes als eine ganz einfache, selbstverständliche Sache erscheinen mag, im Namen des allgemeinen Interesses – das nichts anderes als eine feige Lüge ist – und unter dem Vorwande, einen Schatz zu heben, dessen Vorhandensein durch nichts zu beweisen ist, diesen herrlichen Wald zu vernichten. Ich aber will es nicht dulden, daß der Staat seine Maulwürfe sende, um diesen Boden zu durchwühlen, der den Preis des für das Vaterland vergossenen Blutes des ruhmvollen Geschlechtes bedeutet, dem ich angehöre, und daß diese herrlichen Bäume gefällt werden, unter denen der Fuß meiner Ahnen jahrhundertelang gewandelt ist. Ich erwarte natürlich von Ihnen kein Verständnis für derartige sentimentale Erinnerungen! – Nicht wahr, Sie meinen, man würde mir eine entsprechende Entschädigungssumme zahlen für diese alten Bäume, die mir ebensoviel Freunde sind? Nein, der tiefe Frieden dieses Waldes, dieser Grafschaft, über die ich als Markgraf gesetzt bin, ist nicht käuflich. Er ist mir teurer, als ich dies mit Worten auszusprechen vermag. Dieser Wald ist heiliges Land, von dem ich mich nicht verdrängen lassen will und für das alles Gold eurer Banken mich nicht zu entschädigen vermöchte. Und selbst wenn die erhofften Millionen gefunden werden sollten, so könnte mir dies keinen Trost für den tiefen Schmerz bringen, den ich über die Profanierung meines Eigentums empfinden würde.
Der Kommandant: Wem wollen Sie es glauben machen, daß es sich nicht der Mühe lohne, nach diesem Schatze zu suchen, selbst wenn die von Ihnen so gepriesene Ruhe dieses Waldes dadurch gestört werden sollte?
Axel (verächtlich): Mir selbst und das genügt vollkommen. Ich glaube Ihnen auch längst bewiesen zu haben, daß mir das gar nicht schwer geworden ist. Es ist übrigens ganz begreiflich, daß Sie unter allen Umständen das Gold – und wäre es auch nur ein eingebildeter Schatz – der Ruhe und dem Frieden vorziehen müssen, da für Sie die Einsamkeit ja doch nichts anderes bedeutet als gähnende Langeweile. In der Tat, wenn Sie dieses Wort aussprechen, so hat es kaum noch den Schatten einer Verwandtschaft mit dem Sinne dessen, wie ich es verstehe. Es ist ganz vergebens, daß Sie ihm eine Bedeutung zu geben suchen ... (lächelnd) es ist, als ob ein Papagei etwas nachplappere ...
Der Kommandant (gleichmütig): Wenn sich aber nun durch irgendwelchen Zufall eine bisher verlorene Schrift Ihres Vaters wiederfinden sollte, in der er Ihnen ganz genaue Mitteilung über den Ort machte, wo er seinerzeit den Schatz geborgen, was würden Sie in solchem Falle für Ihre Pflicht halten?
Axel (ruhig): Ich würde, wenn dies möglich wäre, dieses Gold im Interesse der Armen noch tiefer in die Erde zu versenken suchen.
Der Kommandant: Das würde ein Eulenspiegelstreich von kurzer Dauer sein. Sie würden bald genug zu einer besseren Erkenntnis kommen.
Axel (ernst): Ich fürchte sehr, daß die Stunde einer besseren Erkenntnis für Sie niemals schlagen wird.
Der Kommandant: Gut. Es scheint, daß Sie sich für berechtigt halten, der Handlung Ihres Vaters einen ganz gewiß nicht von ihm gemeinten Sinn zu unterschieben. Denn mir wenigstens erscheint es ganz gewiß zu sein, daß der General von Auersperg den Nationalschatz seinerzeit nur deshalb verschwinden ließ, um ihn fürs erste in Sicherheit zu bringen, daß er aber die feste Absicht hatte, ihn, sobald die richtige Stunde dazu gekommen sein würde, Deutschland zurückzugeben.
Axel: Und ehe dies geschehen konnte, hatten die Vertreter der deutschen Mächte die letzte Stunde über meinen Vater verhängt. Wo daher immer diese Schätze verborgen sein mögen, hier oder anderswo, was geht es mich an? Mögen sie in der Erde ruhen. Wo? ich weiß dies ebensowenig wie alle anderen. Dank der mörderischen Doppelsinnigkeit eurer Staatsvertreter weiß man es nicht, was aus diesem Golde geworden ist. Deutschland selbst hat mir das Recht geraubt, zu versuchen, Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Die Zeit ist über diese alte Geschichte hingegangen und hat sie schon beinahe ganz in Vergessenheit gebracht – lassen wir sie ruhen.
Der Kommandant (kaltblütig): Für mich gibt es nach all diesem keinen Zweifel mehr darüber, daß diese Schätze wirklich innerhalb der Grenzen Ihrer Domäne verborgen und daß Sie ganz genau wissen, wo sie zu finden sind. Indem Sie keinen Gebrauch von dem nur Ihnen bekannten Geheimnisse machen, verfügen Sie selbstmächtig über das Eigentum der Nation, und ich frage Sie, mit welchem Rechte dies geschieht?
Axel: Es geschieht, um die ganze Sache der Vergessenheit anheimfallen zu lassen.
Der Kommandant: Aber mit welchem Rechte?
Axel (sich ruhig und finster erhebend): Kraft des Rechtes des dafür vergossenen Blutes. (Nach einer ziemlich langen Pause.) Ich möchte indessen noch etwas hinzufügen, um das Sie mich allerdings nicht gefragt haben. Es gibt in Deutschland so viele Unglückliche – Euer Werk ist es, daß sie zu arm sind, ihren Hunger stillen zu können, und deshalb verabscheue ich Euch. Falls also das Gold, von dem wir sprachen, zufällig und ohne daß man es gesucht, gefunden werden sollte, würde es allerdings verächtlich sein, wenn man sich des Rechtes berauben wollte, damit die Not so vieler Hilfsbedürftiger zu lindern.
Schon ist eine lange Zeit darüber hingegangen, daß dieser Schatz verschwunden ist. Seine rechtmäßigen Besitzer haben längst darauf Verzicht geleistet, es können hundert Jahre und mehr dahingehen, ehe – vielleicht – der Zufall ihn freilegt. Was bleibt davon? Eine Legende. Wenn er aber dennoch vorhanden sein sollte, und man weiß nicht, wo er unter diesem Walde in einem unterirdischen Gewölbe verborgen ruht, dann wird eine höhere Macht den Sterblichen wählen, der dazu bestimmt ist, ihn zu heben und seine Wunder zu enthüllen. Ja, der erste beste Reisende, unter dessen Fuß der Boden plötzlich zurückweicht und der dann schwankend in den Abgrund sinkt, aus dem ihm dieser Schatz entgegenstrahlt, wird sein Erbe sein. Warum? Weil der Zufall, der allein jetzt über dieses Geld verfügt, ihm das Eigentumsrecht verleiht.
Nun wohl! Mir ist durch keine Schrift aus dem Vermächtnis meines Vaters Kunde von der Stelle geworden, wo tief in der Erde Schoß der kaiserliche Schatz ruht. Mein Vater ist mir auch nicht erschienen, um mir dieses Geheimnis anzuvertrauen. Wenn er sich mir aber von selbst, ohne daß ich auch nur einen Versuch gewagt hätte, es zu enthüllen, plötzlich offenbaren sollte, warum sollte ich mich dann einiger falscher Skrupel wegen nicht entschließen, dieses Geld den Vertretern des Staates, der es längst verschmerzt, zu entziehen? Sie würden doch nur einen törichten Gebrauch davon machen, während ich es in edelster Weise verwenden und viele Tränen damit trocknen würde.
Ich wiederhole Ihnen noch einmal, daß, obgleich ich nicht das geringste dazu getan und versucht habe oder je tun und versuchen würde, den versunkenen Schatz zu heben, dennoch, wenn der Zufall mir Gelegenheit dazu bieten sollte, ich mich durch eine höhere Macht dazu ausersehen glauben würde, daß ich aber auch keinen Augenblick zögern würde, nach meinem Gutdünken über das Gold zu verfügen. So ungeheuer und beinahe erschreckend solche Reichtümer vielleicht anderen erscheinen würden, so glaube ich dennoch, daß er für mich kaum mehr bedeuten würde, als wie eine verlorene Geldbörse, über die der Fuß des Pilgers stolpert, während seine Augen auf die Sterne gerichtet sind.
Der Kommandant: Ich denke ganz einfach, daß alles, was unter der Erde ist, dem Staate gehört. Wenn dieser also Wind von diesem gewichtigen Geheimnisse bekäme und ein paar Kompagnien Erdarbeiter und Pioniere hierhin schickte, würden Sie wohl ganz einfach dazu gezwungen sein, dem Staate zu gestatten, zu versuchen, das zurückzuerlangen, was ihm gehört, denn seine Mannschaften würden kaum Verständnis für Ihre hochtrabenden Redensarten haben.
Nikolaus, Hartwig und Gotthold (mit kurzem sonoren Lachen): Hoho!
Ukko (leicht die Achseln zuckend): Das ist wirklich zum Lachen!
Axel (zu dem Kommandanten): Sie irren sich. Bei dem ersten Stiche der Hacke würde auch nicht einer dieser Unglücklichen lebendig aus dem Gelände dieser Burg hervorgehen. Und ... es ist nur, um die fatale Eventualität eines nutzlosen Blutvergießens zu vermeiden, daß ich es vorziehe, Sie allein zu töten.
Der Kommandant: Was ist das? Höre ich recht? Sie sollten wirklich nicht davor zurückschrecken, sich gegen das Gesetz, den Staat, den König zu empören?
Axel (mit düsterer Verachtung): Mir ganz allein sind die vielen Gefahren, die Fallstricke und Hinterhalte bekannt, die dieser einer ungeheuren Festung gleichende Wald verbirgt, über den mein Geschlecht seit drei Jahrhunderten herrscht. Vier- oder fünfhundert Soldaten, die man uns entgegenschickt, würden nicht bis zwanzig Meilen in die Nähe dieser Burg kommen, ohne daß durch eine einfache zufällige Katastrophe der Boden unter ihren Füßen sich plötzlich öffnen würde, um sie zu verschlingen – wie einst das Gold, das zu suchen sie gekommen wären. Das unfehlbare Resultat eines derartigen Zufalles, der gleich beim Anfang einer an sich schon so zweifelhaften Unternehmung stattfände, würde aber sein, daß man es wohl überlegte, ehe man noch mehr Menschenleben um vielleicht nicht vorhandener Reichtümer willen riskierte. Man wird Erkundigungen einzuziehen trachten, durch falsche Berichte irregeführt werden, die Zeit vergeht mit vergeblichem Forschen, ehe eine Entscheidung getroffen, allmählich sinkt die ganze Angelegenheit ins Vergessen und alles bleibt, wie es ist. Denn so befiehlt es mein geheimnisvoller Wille.
Der Kommandant: Angenommen, daß Sie wirklich nicht wissen sollten, was überall einige hundert oder sagen wir tausend militärisch disziplinierte Ingenieure unter guter Führung leisten können – würden Sie wirklich kalten Blutes ein so ungeheures und dabei törichtes Verbrechen begehen?
Axel (lächelnd): Darüber bin ich Ihnen nun wirklich keine Rechenschaft schuldig und kann Sie nicht als Richter anerkennen. Ihr Lob wie Ihr Tadel sind mir vollkommen gleichgültig. Über das, was mir mein Gewissen erlaubt und verbietet, steht nur mir allein die Entscheidung zu, damit ist alles gesagt.
Der Kommandant: Diese schamlosen Behauptungen sind übermenschlich, mein Herr, und das ist sehr wenig.
Axel (aufstehend): Es steht Ihnen ja vollkommen frei, es nicht zu glauben. Aber, nachdem ich die Nichtigkeit Ihrer Gründe dargelegt, sind die Verhandlungen abgeschlossen, und wir stehen uns hier, den Degen in der Hand, nicht gegenüber, um uns noch länger zu unterhalten.
(Der Kommandant von Auersperg lächelt spöttisch bei diesen Worten; Axel bemerkt es, er fährt in zornigem Tone fort.)
Ach, ich sehe sehr wohl, daß du dich blind auf deine so viel gerühmte Fechtkunst verläßt. Wenn ich dir die Ehre erweise, durch ein kommentmäßiges Duell mein Recht auf Verschwiegenheit und Vergessen zu besiegeln, so sollte dir dies ein Beweis dafür sein, daß du in mir einen mehr als ebenbürtigen Gegner finden wirst, um so mehr, da es mir ein so leichtes sein würde, dich hier zu vernichten, ohne daß mir die geringste Gefahr daraus erwüchse. – Nun wohl, ich sage dir dein Schicksal voraus: du wirst meinem Degen nicht entgehen. Er wird dich treffen wie ein Blitz. Ohne jede Erregung und ohne Zorn werde ich dich vernichten, wie man einen im Wege liegenden Stein fortschiebt, und ohne daß der dir unbekannte Gang meiner Gedanken einen Augenblick dadurch unterbrochen würde. Du bist ein Nichts, und ich verleugne dich, ohne die geringste Gewissensqual deshalb zu fürchten. Ich zürne dir deshalb nicht. Du existierst für mich nicht mehr. Mir erscheinst du wie ein seelenloses Wesen, du bist dem Nachtfalter gleich, der aus eigenem Antrieb kam, um an dem ewigen Feuer zu verbrennen. Genug, du weißt, was dir bevorsteht. Ich habe gesprochen.
Der Kommandant (für sich): Oh! Ich will noch mehr von ihm erfahren, ehe ich ihn töte! (Kalt und hochmütig:) Du hast mich gut unterhalten und dich selbst ermüdet; das ist das Wesentlichste deiner Rede. Fassen wir ihren Inhalt noch einmal kurz zusammen. Es ist deine Absicht, Summen von unermeßlichem Werte zu unterschlagen, die das rechtmäßige Eigentum verschiedener deutscher Staaten sind; und dabei bin ich dir im Wege ... Gut. Aber unter solchen Umständen, Graf ... (er senkt verächtlich den Degen) ... werde ich mich nicht mit Ihnen schlagen. Ich habe wirklich keine Lust, einem Diebe diese Ehre zu erzeigen, selbst wenn dieser Dieb meiner Familie angehört.
Axel (ruhig und ernst, mit lauter Stimme): Wenn mein allzu gütiger Vater Ihnen nicht einst die Ehre erwiesen hätte, Ihnen die Hand zu reichen und ich deshalb Nachsicht geübt hätte, so würde ich Ihren großmäuligen Prahlereien und Ihren Unverschämtheiten längst ein Ende gemacht haben; nun aber ist es wirklich genug.
(Mit großer Ruhe und als ob er eine ganz einfache Sache feststellen wolle.)
Meine Burg war der militärische Schlüssel zu einer Mark Deutschlands. Ein kaiserlicher Erlaß hat dem jeweiligen Gebieter dieses Platzes das Amt des höchsten Gerichtsherrn und damit nicht nur im Kriege, sondern auch im Frieden das Recht über Leben und Tod verliehen. (Zu Ukko, auf ein Gewehr deutend.) Im Namen also dieses ererbten Mandates befehle ich dir, dieses Gewehr zu ergreifen, auf das Herz dieses Mannes zu zielen, und wenn er nicht sofort den Degen gegen mich zieht, so – erschieße ihn.
(Ukko stürzt an die Wand, ergreift die ihm bezeichnete Waffe, untersucht, ob sie richtig geladen, und stellt sich dann drei Schritte vor den Kommandanten hin und zielt auf seine Brust.)
Der Kommandant (überrascht und jäh erbleichend): Man weiß in Preußen, daß ich hier bin. Sie werden über Ihre Worte und Handlungen Rechenschaft abzugeben haben. Um einen feigen Mord zu beschönigen, wagen Sie es, sich auf ein veraltetes, längst abgeschafftes Recht zu berufen. Sie tun, als ob Sie nicht wüßten, in welchem Jahrhundert wir leben.
Axel (gleichgültig): Oh, meinetwegen zählen Sie sich einer künftigen Zeit zu. Mir ist es recht.
Der Kommandant (vor Zorn zitternd): Lassen Sie das. Sie sind es, der immer nur von gestern spricht und sich nicht klar über das Morgen wird. Ich, mein Herr, begnüge mich als ein Mann mit gesundem Menschenverstand, nur mit der Zeit zu rechnen, in der ich lebe – das heißt, ich will nur ein Mann von heute sein.
Axel: Nun genug, nehmen Sie sich in acht: es ist spät.
Der Kommandant (sich immer noch bezwingend, aber zitternd, und fast zu sich selbst redend): Daß ich mich dazu gezwungen sehe, mit eigener Hand diesen exaltierten Schwärmer auf die Bahre zu legen, während eine Handvoll tüchtiger Polizisten genügen würde, ihn hier in seiner Behausung zu überwältigen und geknebelt und gefesselt auf die Festung zu bringen.
Ukko (halblaut): Nur ein Zeichen, gnädiger Herr, und ich gebe Feuer.
Der Kommandant (mutig die Arme kreuzend): Nun wohl, so ermordet mich. Ich fordere Sie jedoch auf, mir vorher mit klaren Worten auf meine letzte Frage zu antworten: Wo bin ich, und wer sind Sie? – Ich bitte Sie, nur dies eine Mal genau klar und wahr zu antworten. In der Welt werden die Phrasenhelden sehr wenig geachtet.
Axel (mit einer ungeduldigen Bewegung): Oh, du wagst es, mir so weit zu trotzen, um mich aufzufordern, dir mehr als mein Wort zu halten, um deine Neugierde zu befriedigen? Nun wohl, es soll geschehen. Möge er also erfahren, wo er ist und wer ich bin: ich schwöre, daß er nicht die Zeit haben wird, es zu vergessen.
(Er erfaßt seinen Degen in der Mitte, nähert sich dem Kommandanten, der mit gekreuzten Armen dasteht, sieht ihn an und berührt seine Schulter mit dem Griffe des Degens.)
Sie befinden sich in diesem ungeheuren Walde, der seinesgleichen nicht hat und der einen Flächeninhalt von mehr als hundert Meilen bedeckt. Er ist mit zwanzigtausend Förstern und Holzhauern bevölkert, die alle mit guten, sicher treffenden Gewehren bewaffnet sind, alte Soldaten aus dem Blute einer Bevölkerung, die von alters her meinem Geschlechte untertan und treu ergeben ist. Ich selbst hause in dieser ehrwürdigen und sehr alten massiven Burg, die aus Feldsteinen errichtet, und die völlig uneinnehmbar ist, auch schon drei Belagerungen standgehalten hat.
Von den Ufern des meine Burg umgebenden Ringgrabens bis in die an den entferntesten Grenzen des Waldes gelegenen Weiler und Dörfer ist mir alles untertan. Weniger als fünf Tage würden dazu genügen, um einen von mir ausgegangenen Befehl oder eine Benachrichtigung jedem einzelnen ihrer Bewohner zu übermitteln, und die Herzen dieser einfachen Menschen sind mir so treu ergeben, daß es selbst Ihnen nicht gelingen würde, einen Verräter darin aufzuspüren. Sobald sich ein oder mehrere Fremde dem Reviere nahen, wird mir sofort Mitteilung davon gemacht; je nach der Zahl der Eindringlinge ist man auf seiner Hut und beobachtet ihre Annäherung sorgfältig. Wenn erst ein Wanderer in den von so viel Irrwegen durchschnittenen Wald eingedrungen ist, wie sollte er leben, sich orientieren, für die Nacht ein Obdach finden können, ohne von meinen Getreuen bemerkt zu werden? Würde es Ihnen jemals gelungen sein, bis zu mir zu dringen, wenn ich nicht selbst Ihnen dazu behilflich gewesen wäre? Ganz gewiß nicht. Schon ein paar Tage, ehe Sie hier eintrafen, hatte man mich davon benachrichtigt, daß zwei Reiter ... (plötzlich innehaltend und ihn mit seinen hellen Augen forschend ansehend) und daß sogar – eine Frau ... (Kurze Pause, dann für sich, und als ob die gleichgültige Aufmerksamkeit des Kommandanten ihn über jeden Zweifel beruhigt habe.) Nein, Sie kennen sich nicht. (Ruhig und kalt in dem unterbrochenen Satze fortfahrend.) ... sich meiner Wohnung näherten. Meine Späher folgten ihnen auf jedem ihrer Schritte. – Ich selbst bin es dann gewesen, der Ihnen Führer entgegengeschickt hat, die Sie in weniger als sechs Tagereisen bis an die Schwelle meiner Burg geführt haben. Sie haben mir damit gedroht, ein Detachement von Polizisten gegen diese Burg zu senden, um sich meiner Person zu bemächtigen? Was aber würde in dieser Wildnis aus ihnen werden, wenn ich nicht selbst für ihr sicheres Geleit Sorge tragen wollte? Selbstredend würde ich dann, sobald sie im Namen des Königs Einlaß begehrten, die Zugbrücke vor ihnen herabsenken und sie eintreten lassen. Man würde sie in den Hof dieses Schlosses führen, sie würden zweifellos glauben, nun als Herren und in befehlendem Tone auftreten zu können. Dann aber ... dann ... ohne daß ich nur einen meiner Diener deshalb in Anspruch nähme ...
(Er geht an eines der Fenster, öffnet es, zieht ein Jagdpfeifchen aus der Tasche und stößt einen grellen Pfiff darauf aus. Sofort ertönt von unten ein furchtbares Hundegebell und das Klirren von Ketten; man vernimmt ganz deutlich, wie die mächtigen Hunde gegen eine massive Tür stürzen.)
... Ja, verstehen Sie mich wohl, ich habe da auf den Mann dressierte Tiere, von jener wilden Rasse, die man Bluthunde nennt. Diese wilde Meute gehorcht nur meiner Stimme, und ich benutze sie bei meinen nächtlichen Jagden im Walde; sie begleitet mich dann und schweift unablässig um mich herum. Sie würden sich in wenig Augenblicken über Eure Leute geworfen und sie zerrissen haben, so daß nichts anderes als ein Haufen blutiger Knochen davon übrigbliebe. Ganz gewiß würde ich an hohem Orte dreißig Ulmer Doggen, ungewöhnlich starke und große, dieses Ereignis tief beklagen, ein Ereignis, das so unvorhergesehen und plötzlich eingetreten, daß ich es nicht einmal so lange verhindern konnte, um den Zweck der Deputation zu erfahren. Ich würde sogar offiziell und vor dem ganzen Personal dieses Schlosses meine Hunde deshalb züchtigen, denn ich will keineswegs für einen Rebellen gelten! ... Nur denke ich, daß nach zwei oder drei solch unerwarteter Begebnisse man aufhören würde, mir Gäste dieser Art zu schicken. – Lassen Sie also diese kindischen Drohungen, die diese alten Soldaten und meinen Pagen zum Lachen reizen.
Bei dem kleinsten Anzeichen, dem leisesten Verdachte, daß man Mörder gegen mich ausgesandt habe – die zweifellos schon auf der ersten Tagereise durch den Wald in irgendeiner Schlucht dem Tod verfallen wären, – würde ich die Offensive ergreifen. Ich könnte Fürsten, die einer solchen Handlungsweise gegen mich fähig wären, nur für Gegner halten, die den feigen Mord einem ehrlichen Duell vorziehen. Aber ich würde die von solchen Königen beliebte Kampfesweise nicht zurückweisen. Sind sie nicht außerdem die Söhne der jetzigen Oberhäupter aller Dynastien, die in längst vergangener Zeit sich gegen ihre Souveräne empörten und sie verdrängten, um ihren Platz einzunehmen. Ich würde nicht zögern, ihnen die Parität meiner Natur mit der ihrer Ahnen zu beweisen, indem ich mich der Ehre, die sie mir wissentlich oder unwissentlich erwiesen, würdig zeigte.
In der Tat verfüge ich über sehr ansehnliche Streitkräfte. Alle im Walde lebenden Bergleute sind mir treu ergeben. Es sind tapfere und starke Leute, die sich aus ihrer Jugendzeit her, wo sie als Soldaten in Euren Armeen dienten, sehr wohl der Mißhandlungen erinnern, die sie dort erlitten und deren Schultern noch die Narben der dort geduldeten Schmach tragen. Niemand außer mir kann sich auch nur im entferntesten einen Begriff davon machen, wie tief der Haß gegen Eure liebenswürdigen Fürsten in den Herzen dieser ehrlichen Menschen wurzelt, sie haben Zeit, daran zu denken und ihn zu vertiefen, wenn sie mit der Axt in der Hand in den unterirdischen Gängen meiner Bergwerke ihrem Gewerbe nachgehen. Jeder von ihnen würde sofort gehorchen, wenn ich ihn als Rächer in irgendeine Hauptstadt senden wollte, um dort die Gelegenheit zu erspähen, einen gutgezielten Schuß auf einen König abzugeben. Es würde eine Lust ohnegleichen für sie bedeuten, wenn sie endlich ihren Rachedurst stillen dürften, selbst wenn sie die Gewißheit hätten, nachher den Händen Eurer Henker zu verfallen. Sie werden übrigens zugeben müssen, daß mir immer noch Geld genug zur Verfügung steht, um ein solches Unternehmen vorher auf das sorgfältigste vorzubereiten, und daß, wenn ich einen Königsmord, wie man bei Euch sagt, in Szene setzen würde, jedenfalls vorher alles so fein ausgeklügelt wäre, daß selbst die Rückkehr des Schuldigen nicht unwahrscheinlich sein würde. Ich habe daher allen Grund, anzunehmen, daß nach zwei oder drei derartigen Ereignissen die Nachfolger meiner kronentragenden Gegner kaum mehr Lust empfinden würden, meine Einsamkeit zu stören, um so mehr, da ich eine unermüdliche Ausdauer besitze und nicht zuerst nachgeben würde.
Nehmen wir nun einmal an – und man muß doch alles vorhersehen, nicht wahr –, daß auf die Einflüsterungen solcher Ratgeber – wie z. B. Sie es sind – das Oberhaupt eines der vielen Länder Deutschlands, durch die Erfolglosigkeit solch kostspieliger Unternehmen gereizt, die Geduld völlig verlöre und eine große Macht, sagen wir acht- bis zehntausend Mann, gegen mich aussendete mit dem Befehle, den ganzen Schwarzwald militärisch zu besetzen, meine Burg der Erde gleichzumachen und mich tot oder lebend herbeizubringen, und zwar einfach deshalb, weil »der im Rechte ist, der die Macht hat«.
Ich aber erkläre im Namen des menschlichen Rechtes, daß, wer einen einsamen Verbannten mit Krieg überziehen wollte, einen Mann, dessen einziges Verbrechen darin besteht, daß er in legitimer Weise seine Ruhe und Freiheit verteidigt, und der lieber sich mit seiner Burg in die Luft sprengen würde, ehe er sich ergäbe, ich wiederhole, wer einen solchen Mann mit Krieg überziehen wollte, der würde damit einen Akt begehen, der einzig dastehen und dem man in der Geschichte den Stempel der Verachtung und der Lächerlichkeit aufdrücken würde.
Gleichviel! ... Dank meiner mir so treu ergebenen Leute und jener ausdauernden Geduld, wovon ich Ihnen auch in diesem Augenblicke ein Beispiel gebe, ist meine Burg in einer Weise befestigt, daß sie jedem Angriffe Trotz zu bieten vermag. Da ich aus einem militärischen Geschlechte stamme, weiß ich genau, was ein Korps von zehntausend, in verschiedene Angriffskolonnen geteilten Soldaten hier auszurichten vermöchte, und ich habe daher meine Dispositionen getroffen.
Der Graf Axel von Auersperg (setzt sich, er nimmt seine vorige Stellung ein und stützt den Ellenbogen auf den Tisch. Der Sturm draußen scheint mit erneuter Gewalt losgebrochen und umtost die alten Mauern der Burg): Erfahren Sie also zunächst, daß ich mich hier inmitten eines so gebirgigen und waldigen Landes befinde, daß dadurch ein Angriff durch Artillerie von vornherein fast zur Unmöglichkeit wird. Diese Burg ist von allen Seiten weit hinaus von Myriaden steiler Felsen gedeckt und von Bergen umgeben, zwischen denen sich tiefe Täler und Abgründe befinden, in die sich wilde Gießbäche und reißende Waldströme ergießen. Das ganze Terrain ist mit uralten mächtigen Bäumen besetzt, deren Wurzeln untereinander fest verwachsen sind und die einer den anderen stützen. Wollte man sie niederzuhauen versuchen, so würden sie das Eindringen einer ganzen Armee verhindern. Wer in diese Gegend mit Kanonen einzudringen versuchen wollte, der müßte unendliche Zeit und Geldopfer bringen, ohne eines Erfolges sicher zu sein. Kavallerie würde in diesen Regionen überhaupt nicht vorzurücken vermögen. Nur wer im Besitze der militärischen Karten ist, vermöchte sich durch die verschlungenen Wege und Irrpfade dieses Waldes zurechtzufinden. Diese Karten aber sind in meinem alleinigen Besitz, und ich habe Sorge dafür getragen, daß jede durch den Lauf der Zeit hervorgerufene Veränderung darin auf das sorgsamste vermerkt wurde. Ich füge hinzu, daß man mich von jeder feindlichen Annäherung sofort benachrichtigen würde, eine Überraschung daher völlig ausgeschlossen ist. Es wäre also eventuell nur einer großen Truppe Infanterie möglich, wenn auch langsam und in Unordnung, bis zu meiner Burg zu gelangen, wo sofort ein scharfes, unausgesetztes Feuer gegen den Feind eröffnet würde.
Denn hinter den Schießscharten dieses stark befestigten Schlosses stehen achtundvierzig schwere Geschütze, die stets in bestem Zustande und gebrauchsfertig gehalten werden. Sie werden von einer Garnison alter tapferer Krieger bedient, und ein Wink von mir genügt, um ein vernichtendes Feuer zu eröffnen. Diese Burg ist stets auf das ausreichendste mit Brot, Wasser und Lebensmitteln aller Art, sowie mit Munition versorgt; außerdem sind durch unter den Wällen befindliche unterirdische Gänge und durch die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln Vorkehrungen getroffen, die es selbst im Falle einer langen Belagerung ermöglichen, sich stets mit neuem Proviant und Munition zu versorgen. Außerdem würden die in den Gewölben unter meinen Kasematten aufgespeicherten Vorräte für eine sehr lange Zeit ausreichen. Daher meine scheinbare Armut, auf die ich stolz bin.
Deshalb würde ich mich bei einer feindlichen Annäherung durch nichts dazu hinreißen lassen, meine wirkliche Macht zu enthüllen und mich dadurch zum Rebellen zu erklären. – Nichts derartiges. Wer immer es versuchen wollte, in die unergründlichen Tiefen des Schwarzwaldes mit seinen Abgründen, Schluchten und wilden Felsen zu dringen, der würde erstaunt sein beim Eintritt in seine Regionen, zunächst nur friedliche kleine Dörfer zu finden, aus denen kein anderes Geräusch dringt, wie das Rad der Seiler, die Axt der Holzhauer, das friedliche Hämmern der Holzschuhmacher, das Murmeln der Quellen, der Gesang der ihre Kinder einwiegenden Mütter. Nichts würde ihm den hinter diesen friedlichen Bildern verborgenen Widerstand, die drohende Gefahr verraten. Ich selbst würde nicht daran denken, irgendeine Vorsichtsmaßregel zu treffen, solange etwa eindringende Infanterietruppen noch acht bis zehn Meilen weit von meinen Gräben entfernt wären. Wirklich, warum sollte ich diese braven Leute, die ich mein Volk zu nennen wohl berechtigt bin, alarmieren, ehe der entscheidende Augenblick gekommen ist, in dem der Wald der düstere Schauplatz eines vernichtenden Kampfes sein würde? Bei dem ersten Angriffe des Feindes auf eine der zerstreut liegenden kleinen Burgen würden sofort alle Einwohner des Waldes bis zur entferntesten Grenze hin mir zur Hilfe eilen. Wir verfügen über eine völlig neue Methode der Verteidigung, die Euren Soldaten unbekannt ist, der sie aber nicht zu widerstehen vermöchten und die, davon bin ich überzeugt, sie vollständig vernichten würde. Wenn sich z. B. während einer dunklen Nacht der Schlaf auf die Augen Eurer von dem mühevollen Marsch durch die unwegbare Wildnis tief ermüdeten Soldaten senkte, dann würden sich die Lichtungen des Waldes plötzlich in glühende Öfen verwandeln, und während der Qualm und Rauch des brennenden Holzes die Luft erfüllte, würde der Lärm plötzlich explodierender Minen sich mit dem Geknatter von Tausenden von unsichtbarer Hand abgefeuerter Gewehre mischen, und der Schein der aufgehenden Sonne würde auf ein entsetzliches Blutbad fallen. Im Winter würde die Katastrophe noch kürzer, noch schrecklicher sein, denn es befinden sich unter den Geländen dieser Wälder tiefe unterirdische Gewölbe und Gänge, deren Geheimnis nur mir bekannt ist, ein Wink von mir, und der Boden würde die feindlichen Kolonnen verschlingen; ich weiß, wie man sie aushungert und auf das äußerste schwächt, ganz abgesehen davon, daß die Tüchtigkeit Eurer Leute sich in keiner Weise vergleichen läßt mit der der tapferen Leute, die ich befehlige. Es gibt zwei Fußpfade, auf denen die angreifenden Kolonnen, wenn es mir belieben sollte, sie so weit gelangen zu lassen, bis zu der Höhe des grünen, von Felsblöcken flankierten Plateaus, auf dem meine Burg liegt, ja bis direkt vor den sie umgebenden Ringgraben kommen können. Ein einziger Druck meiner Hand aber würde genügen, die ungeheuren Felsen auf sie herabzuschleudern und den Feind zu erschlagen, während, dank ihrer geheimnisvollen Konstruktion, die emporführenden Pfade sich plötzlich steil in die darunter befindlichen Keller senken würden und so ein Ersteigen derselben unmöglich machten. Gleichzeitig aber würden die Schießscharten dieser alten Burg ein vernichtendes Feuer ausspeien und dem anstürmenden Feinde den Rest geben. Wohl könnte es einigen wenigen dieser Unglücklichen gelingen, zu entfliehen, sie würden obdachlos, ohne Lebensmittel, bis auf den Tod von meinen Leuten verfolgt, die Grenze zu erreichen suchen, um in ihrem Lande die Kunde dieses beunruhigenden Unglücks zu verbreiten. Diesem Unglück würde nur allzubald der Fall einer der zunächst gelegenen Festungen folgen. Die Unzufriedenheit im Volke würde wachsen, und es würde zweifellos in Deutschland zu einem Bürgerkriege kommen. Im Laufe zweier Schlachten, deren Plan bereits gereift und auf das sorgsamste ausgearbeitet ist, weiß ich genau, welche Schuldigen ich verschwinden lassen werde. – Mein Recht würde intakt bleiben; – denn, nicht wahr, ich würde nicht derjenige sein, der sich außerhalb des Gesetzes gestellt hätte?
Das also ist der Ort, an dem Sie sich befinden, mein Herr. Was nun »mich« betrifft, so bin ich ganz einfach ein etwas unbequemer Träumer, den völlig in Ruhe zu lassen sehr weise gehandelt von Euren Königen wäre. Um endlich dem langen Reden zwischen uns ein Ende zu machen – Sie haben doch ganz gewiß von einem jungen Manne reden hören, der in alten Zeiten in seinem Schlosse Alamont hauste, ein Schloß, welches auf einem in Syrien gelegenen Felsplateau lag, das man »das Dach der Welt« nannte? Dieser junge Mann wußte es fertigzubringen, sich die entferntesten Könige tributpflichtig zu machen – man nannte ihn, glaube ich, den Alten vom Berge? – Nun wohl ...
(Auf ein Zeichen haben Gotthold und Nikolaus ihre Fackeln wieder ergriffen.)
Axel (erhebt sich, blickt seinen Gegner ruhig an und sagt mit fester Stimme): Nun wohl, ich bin der Alte vom Walde ...
Der Kommandant (der sehr ernst geworden und wie um Haltung zu gewinnen, Axel von Kopf bis zu Füßen mustert): Rebell! Sie wagen es – sich solche Rechte zu nehmen?
Axel (mit flammenden Augen): Niemand hat jemals andere Rechte gehabt, als die er sich genommen und zu bewahren gewußt hat. – Und daß Sie es wissen, ich gedenke mir alle diese Rechte zu nehmen, sobald Ihr feindlich gegen mich vorgehen solltet.
Der Kommandant (ihn beobachtend, mit leiser Stimme): Wenn man König werden könnte, warum nicht die Gelegenheit ergreifen?
Axel (mit seinem Degen auf den auf dem Boden liegenden Degen des Kommandanten deutend): Ich habe jetzt andere Sorgen ...
(Tiefes Schweigen.)
Der Kommandant (mit einem kalten Lächeln und als ob er den Entschluß gefaßt habe): Sie machen entschieden alles mit mir, was Sie wollen! Also vorwärts! Schneiden wir einander die Kehle durch, mir auch recht. (Er bückt sich, ergreift seinen Degen und sagt dann in seltsamem Tone): Ich finde, daß es kommentmäßiger wäre, wenn wir die Oberkleider ablegen würden ...
Axel (ohne den niedrigen, zweideutigen Sinn dieser Worte zu verstehen): Einverstanden.
(Alle beide stecken die Degen in den Fußboden, entkleiden sich bis zum Gürtel und werfen ihre Kleider auf die Sessel. Die Figur Axels erscheint stark, elastisch, graziös, wie die eines jungen Athleten, die des Kommandanten sehr kräftig, behende und widerstandsfähig. Sie ergreifen ihre Waffen und treten in einer Entfernung von fünf bis sechs Schritt voneinander in die Mitte des Saales.)
Der Kommandant (mit fester Stimme): Soldaten, die ihr Besitzer des eisernen Kreuzes seid, ich, Hermann Kaspar von Auersperg, Baron Seiner Majestät unseres Königs, nehme euch hierdurch zum Zeugen, daß ich vergebens gegen das Betragen meines Vetters, des Grafen Axel von Auersperg, protestiert habe, und daß er mich durch seine Drohungen, Prahlereien und Beleidigungen in die Notwendigkeit versetzt hat ... ihm das Leben zu nehmen. (Er prüft mit einem raschen Blick den Saal.)
Axel (mit halber Stimme und lächelnd): Das sind stolze Worte: wann werden Sie endlich handeln?
Der Kommandant (mit geschwungenem Degen): Dieses Mal bin ich es, der Sie erwartet, mein Herr.
Axel (ruhig, Stellung nehmend): Hier bin ich.
(Die beiden Gegner gehen nun rasch aufeinander zu und begegnen sich zuerst nur mit der Spitze ihrer Klingen. Die Angriffe des Kommandanten folgen einander in rascher Reihenfolge und mit einer Sicherheit, die einen ganz hervorragenden Fechter verraten. Axel hat mit hochmütiger Miene den Angriffen standgehalten und sie zurückgeschlagen. So vergehen einige Augenblicke.
Es ist, als ob die beiden Kämpfenden zuerst nur ihre gegenseitige Geschicklichkeit erproben wollten. Ihre Degen begegnen sich jetzt nicht mehr. Sie suchen einer den anderen durch allerlei Finten irrezuführen, aber sie erraten einander und weichen sich aus. Sie werden von dem zitternden Schein der Fackeln beleuchtet und kämpfen beinahe lautlos. Plötzlich führt der Kommandant einen kecken, tödlich erscheinenden Stoß aus, der jedoch durch die Kaltblütigkeit und die ernste Vorsicht des jungen Grafen pariert wird. Axel hat seit den wenigen Minuten, in denen die Klingen sich kreuzen, noch nicht einmal den Arm ausgestreckt. – Von draußen tönt immer noch das dumpfe Geräusch des Sturmes.)
Der Kommandant (für sich, einen Schritt zurückweichend und wie von einer jähen, düsteren Ahnung erfaßt): Ach! aber ... ich fühle es – daß ich verloren bin.
(Die bis dahin sorgenvoll blickenden Augen Gottholds, der mit größter Aufmerksamkeit den Fortgang des Duells verfolgt, leuchten freudig auf als er sieht, wie Axel plötzlich lebhaft vortritt und mit ganzer Kraft gegen seinen Gegner vorgeht. Ukko steht mit verschränkten Armen und sehr blassem Gesicht neben Nikolaus, in dessen Hand die Fackel schwankt. Im Hintergrunde des Saales Hartwig; seine Hand umfaßt krampfhaft den Degenknopf, und aus seinen gesenkten Augenlidern tropft eine Träne auf seinen Bart herab.
Der Kampf wird lebhafter, Axels Degen durchsaust die Luft wie ein Blitzstrahl, und plötzlich springt ein Blutstrahl aus der Brust des Kommandanten. Kaspar von Auersperg stößt einen rauhen Schrei aus, der in einem dumpfen Röcheln erstickt. Er dreht sich um sich selbst, die Waffe entfällt seiner Hand, er schlägt mit den Armen wild um sich, schwankt dann, und seine Knie brechen unter ihm zusammen, er fällt mit ausgestreckten Armen vornüber auf das Gesicht, noch einmal durchzieht ein krampfhaftes Zucken seine Glieder, dann bleibt er unbeweglich liegen. Blutstropfen drängen sich unter ihm hervor und bilden links von ihm eine große rote Lache.)
Ukko (hat sich auf den Kommandanten gestürzt, ihn aufgehoben, auf den Rücken gelegt und seine Wunde untersucht): Sein Herz ist durchbohrt. Er ist tot.
(Pause.)
Axel (für sich, nachdenklich und seinen unbeweglich daliegenden Gegner betrachtend): Vorübergehender – du bist vorübergegangen. Da liegst du – in das Nichts versunken. In deiner engherzigen Selbstgenügsamkeit bist du stets nur deinen tierischen Instinkten gefolgt und hast dem, was göttlich im Menschen ist, kein Gehör geschenkt. Niemals hast du an das gedacht, was jenseits dieser Welt ist! Nun hat sich dein Schicksal erfüllt. Du versinkst in der Tiefe des Todes, wie ein Stein in das Leere, ohne Anziehungskraft, ohne Ziel. Die Schnelligkeit eines solchen Falles ist eine derartige, daß dieser Stein – in Wirklichkeit aufgehört hat zu sein. – Verschwinde also! Aus meinen Augen!
(Laut und sich zu den drei alten Soldaten wendend): Tretet näher!
(Gotthold und Nikolaus treten näher, sie betrachten beim Schein ihrer gesenkten Fackeln den auf dem Fußboden liegenden Leichnam. – Auch Hartwig ist aus dem Hintergrunde des Saales hervorgetreten und blickt auf den Toten. Ihre langen, blanken Degen schimmern im Fackelscheine.)
Ich danke euch, meine lieben, alten Freunde, für die Angst, die ihr um eurer Liebe für mich erduldet habt! – Man beruhige Herrn Zacharias.
(Auf die Leiche des Kommandanten von Auersperg deutend.)
Man trage ihn in das Grabgewölbe – noch in dieser Nacht.
Gotthold (Axel in das Ohr flüsternd, während erneute heftige Donnerschläge von draußen ertönen): Gnädiger Herr, es ist dort ein Grab bereit: es ist das für Sie bestimmte – es ist auf Ihren direkten Befehl vor einiger Zeit gegraben worden.
Axel (gleichgültig): Gut denn: Asche für Asche. (Er läßt seinen mit Blut befleckten Degen fallen. Die zu der Steintreppe hin öffnende Bogentür hat sich geräuschlos geöffnet und ein Unbekannter ist eingetreten.
Der Eingetretene ist von hohem und schlankem Wuchs, und das Ebenmaß seiner Glieder ist bewunderungswürdig. Sein Antlitz, dessen Züge regelmäßig und schön gebildet sind, scheint nicht das eines Mannes unseres Zeitalters und unseres Landes zu sein. Es erinnert in seltsamer Weise an die Herrschaftsporträts, die man als Relief auf sehr alten Medaillen der Meder sieht. Er scheint im fünfzigsten Jahre zu sein, obgleich sein Auge in jugendlichem Feuer leuchtet und seine ganze Erscheinung von unverwelklicher Frische und Kraft zeugt. Die ernste Schönheit seiner Person, die leuchtende Blässe seines Gesichtes, der herrliche Ausdruck seines Blickes prägen sich unvergeßlich dem Gedächtnis selbst derer ein, die ihn nur ein einziges Mal gesehen haben.
In seinem braunen, gewellten Haar wird nur hier und dort ein silberner Schimmer sichtbar – er trägt es nur wenig länger, als wie es in der Armee üblich ist, und es ist über seiner hohen Stirn gescheitelt, deren geheimnisvoller, gütiger Ausdruck etwas Imponierendes hat. Sein brauner Bart erinnert an den der Gestalten, die man auf den Bronzen von Ninive eingegraben findet.
Sein Kostüm gleicht der schwarzen Uniform, wie die ungarischen Militärärzte sie zu tragen pflegen. Indessen trägt er keinen Degen, auch erkennt man sehr bald an gewissen einfachen Details, daß es vielmehr die Kleidung eines Kavaliers ist, der im Begriff steht, eine große Reise anzutreten, ein breitrandiger Filzhut und ein Mantel würden genügen, sie zu vervollständigen.
In dem Augenblicke, wo er in den Saal herabsteigt, haben Gotthold und Nikolaus mit Ukkos Hilfe den leblosen Körper des Kommandanten von Auersperg aufgehoben und gehen nun unter Vorantritt Hartwigs, der ihnen mit der Fackel leuchtet, langsam der Mitteltür zu. Graf Axel von Auersperg hat seine Kleider wieder angelegt, in dem Augenblicke, wo er den Gürtel über sein Lederwams befestigt, fällt sein Auge auf den Unbekannten, der jetzt auf der letzten Treppenstufe steht.)
Axel (für sich): Meister Janus!
(Pause.)
(Dann nach einem tiefen Seufzer.) Ach! In Gegenwart dieses Mannes fühle ich mich wieder zum Menschen werden.