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Pascal sagt, daß Gut und Böse nur eine Frage der geographischen Breite sei. In der Tat, manche Handlung heißt hier Verbrechen, dort gute Taten und umgekehrt. So pflegt man in Europa seine alten Eltern; bei gewissen Indianerstämmen redet man ihnen zu, auf einen Baum zu klettern; dann schüttelt man ihn. Fallen sie herunter, so ist die geheiligte Pflicht jedes guten Sohnes, ganz wie einst bei den Messeniern, sie auf der Stelle mit kräftigem Tomahawk-Hieben zu erschlagen, damit ihnen die Leiden des Alters erspart bleiben. Haben sie soviel Kraft, sich an einem Aste festzuklammern, so sind sie noch gut zu Jagd oder Fischfang, und man schiebt ihre Hinschlachtung alsdann noch auf. Ein anderes Beispiel. Die Nordländer lieben den Wein, in dessen Strahlen die liebe Sonne schläft. Unser Volksglaube sagt sogar, daß guter Wein des Menschen Herz erfreut. Bei unseren südlichen Nachbarn, den Mohammedanern ist Weintrinken streng verpönt. – In Sparta ward der Diebstahl geehrt und getrieben; er war eine Kultureinrichtung, eine unerläßliche Ergänzung zur Erziehung jedes ernsten Lazedämoniers. Daher ohne Zweifel die Falschspieler Ein nicht wiederzugebendes Wortspiel. De là sans doute les Grecs, heißt es im Original. ( Grec bedeutet Falschspieler.). In Lappland rechnet es sich der Vater zur Ehre an, wenn der Reisende, der an seinem Herd Aufnahme findet, seiner Tochter alles Liebe und Gute erweist, in Beßarabien desgleichen. – Im Norden von Persien und bei den Stämmen des Kabultals, die in uralten Gräbern hausen, wird der Fremde gastlich und herzlich aufgenommen. Ist er aber nicht binnen vierundzwanzig Stunden gut Freund mit der ganzen Sippe seines Gastwirts, sei er Geber, Parse oder Wahabite, so ist Hoffnung vorhanden, daß man ihm ganz einfach den Kopf abreißt – eine in diesen Himmelsstrichen landesübliche Todesstrafe. Die Handlungen sind also vom physischen Standpunkt indifferent: das Bewußtsein eines jeden macht sie erst gut oder böse. Das Geheimnisvolle bei diesem ungeheuren Mißverständnis ist der dem Menschen angeborene Zwang, sich Unterscheidungen zu schaffen, Skrupel zu hegen, sich diese Handlung zu verbieten, statt jener anderen, je nachdem der Wind seines Landes ihm diese oder jene zuweht. Kurz, man möchte sagen, die gesamte Menschheit sucht sich irgendein verlorenes und vergessenes Gesetz tastend in Erinnerung zu bringen.
Vor Jahren florierte ein großes, hellerleuchtetes Café, der Stolz unserer Boulevards, fast gegenüber einem unserer Modetheater, dessen Giebel an den eines heidnischen Tempels gemahnt. Dort vereinigte sich täglich die Elite der Jugend, die sich seitdem einen Namen gemacht hat, sei es durch ihre künstlerische Bedeutung, sei es durch ihre Unfähigkeit oder durch ihre Stellung in den Wirren, die wir durchgemacht haben.
Einige unter den letzteren haben sogar die Zügel des Staates in Händen gehalten. Wie man sieht, waren es keine Bierphilister, die man in diesem Café aus Tausend und Eine Nacht antraf. Die Pariser Spießbürger sprachen von diesem Pandämonium nur mit gesenkter Stimme. Nicht selten warf der Stadtpräfekt nachlässig, wie eine Visitenkarte, einen gewählten Strauß, ein unverhofftes Bukett von Schutzleuten hinein, die mit der lächelnden und zerstreuten Miene, die ihnen eigen ist, die mutwilligen und widerspenstigen Köpfe mit ihren Schäferstäben tändelnd abstäubten. Eine Aufmerksamkeit, die, so zart sie war, doch fühlbar wurde. Am nächsten Morgen war nichts mehr zu sehen.
Auf der Terrasse, zwischen der Droschkenreihe und den Fensterscheiben, blühte ein Garten holder Weiblichkeit, eine Flora falscher Haare und fabelhafter Toiletten, auf Stühlen hingegossen, und davor die schmiedeeisernen, grün angestrichenen Tischchen, auf denen Getränke standen. Die Augen glichen denen von Falken und anderem Federvieh. Die einen hatten auf ihrem Schoß ein großes Bukett, die anderen einen kleinen Hund, die dritten nichts. Sie sahen aus, als ob sie auf jemanden warteten.
Unter diesen jungen Damen fielen zwei durch ihre Beharrlichkeit auf; die Stammgäste des Lokals nannten sie kurzerhand Olympia und Henriette. Sie erschienen, sobald es dunkelte, setzten sich in eine hellerleuchtete Ecke, verlangten mehr aus Anstand als aus wirklichem Bedürfnis ein Gläschen Sirop oder einen »Mazagran«, und beobachteten dann die Passanten mit scharfen Blicken.
Es waren die Bienfilâtres!
Ihre Eltern, ehrbare Leute, in der Schule des Unglücks erzogen, hatten nicht die Mittel gehabt, ihnen die Freuden der Lehrzeit zu bereiten. Der Beruf dieses tugendhaften Paares bestand vornehmlich darin, alle Augenblicke mit verzweifelten Gebärden an der langen Schnur zu ziehen, die mit einem Haustürschloß in Verbindung steht. Ein harter Beruf! Nie hatten sie in der Lotterie eine Terne gewonnen. Und so fluchte Bienfilâtre des Morgens, wenn er sich sein Gläschen Kaffee zurechtmachte. Olympia und Henriette begriffen als brave Töchter frühzeitig, daß sie eingreifen mußten. Schwestern der Freude seit zartester Kindheit, bestritten sie mit dem Preis ihrer schlaflosen Nächte und ihrer Anstrengungen einen bescheidenen, aber ehrbaren Wohlstand in der Portiersloge. »Gott segnet unsere Arbeit,« sagten sie bisweilen; denn ihnen waren gute Grundsätze beigebracht worden, und die erste Erziehung trägt, wenn sie auf soliden Grundsätzen beruht, früh oder spät ihre Früchte. Wenn man sich besorgte, ihre bisweilen übermäßigen Anstrengungen möchten ihrer Gesundheit Abbruch tun, so antworteten sie ausweichend und mit den sanften und verlegenen Mienen der Bescheidenheit: »Ein jeder Stand hat seine Last.«
Die Bienfilâtres gehörten, wie man sagt, zu denen, welche die Nacht zum Tage machen. Sie vollzogen mit möglichster Würde (in Anbetracht gewisser Vorurteile der Welt) eine undankbare, oft peinliche Aufgabe. Sie gehörten nicht zu den Müßiggängern, welche die geheiligten Schwielen der Arbeit als etwas Entehrendes brandmarken, und erröteten nicht darüber. Man erzählte manche schönen Züge von ihnen. So hatten sie eines Abends miteinander gewetteifert und sich selbst übertroffen, um das Geld für das Grabmal eines alten Onkels aufzubringen, obwohl dieser ihnen nichts vermacht hatte als die Erinnerung an die mannigfachen Katzenköpfe, die er ihnen in ihren Kindertagen verabreicht hatte. Und so waren sie von allen Stammgästen des schätzbaren Lokals gern gesehen, unter denen sich doch Leute befanden, die nicht leicht zufriedenzustellen waren. Ein freundschaftliches Nicken, ein Gruß, mit der Hand zugewinkt, gab ihrem Blick und Lächeln stets Bescheid. Nie hatten sie einen Vorwurf oder eine Klage zu hören bekommen. Jedermann erkannte an, daß sie gesellig und angenehm im Verkehr waren. Kurz, sie waren niemandem etwas schuldig, kamen allen ihren Verpflichtungen nach und konnten somit erhobenen Hauptes schreiten. Exemplarisch, wie sie waren, legten sie für unvorhergesehene Fälle zurück, für »harte Zeiten«, und um sich eines Tages ehrenvoll von den Geschäften zurückziehen zu können. Als solide Leute machten sie des Sonntags zu. Und als kluge Jungfrauen verschlossen sie ihr Ohr den Reden der jungen Schwärmer, die nur geeignet sind, die jungen Mädchen vom starren Weg der Pflicht und der Arbeit abwendig zu machen. Sie waren der Meinung, daß in der Liebe heute nur der Mondschein gratis ist. Ihre Devise lautete: »Geschwindigkeit, Sicherheit, Verschwiegenheit.« Und auf ihren Visitenkarten stand: »Spezialitäten.«
Eines Tages irrte Olympia, die Jüngste, vom rechten Weg ab. Die Unglückliche, bisher Untadelhafte, gab den Versuchungen Gehör, denen sie mehr als andere (die vielleicht zu rasch den Stab darüber brechen werden) durch das Milieu ausgesetzt war, in dem ihr Beruf sie zu leben zwang. Kurz, sie beging einen Fehltritt: – sie liebte.
Es war ihr erster Fehltritt; aber wer ermißt den Abgrund, in den uns ein erster Fehltritt stürzen kann? Ein junger Student, ohne Falsch, schön, mit einer feurigen Künstlerseele, aber arm wie Hiob, namens Maxime (seinen Familiennamen verschweigen wir) machte ihr Liebeserklärungen und verführte sie.
Er flößte dem armen Mädchen die himmlische Leidenschaft ein, die es angesichts seines Standes nicht mehr zu genießen berechtigt war als Eva die göttliche Frucht des Lebensbaumes, von Stund an vergaß sie alle ihre Pflichten. Alles ging außer Rand und Band, wenn ein Mädchen die Liebe im Kopf hat, dann ist nichts mehr mit ihm anzufangen!
Und ihre Schwester, ach, die edle Henriette, brach, so sagte man, jetzt unter der Last zusammen. Bisweilen drückte sie ihre Hände gegen die Schläfen und verzweifelte an allem, an der Familie, an den Grundsätzen, ja selbst an der Gesellschaft! »Das sind alles nur Worte!« rief sie aus. Eines Tages begegnete ihr Olympia in einem ärmlichen schwarzen Kleide, ohne Hut, mit einem kleinen Blechnapf in der Hand. Ohne es sich anmerken zu lassen, daß sie sie kannte, sagte sie im Vorbeigehen ganz leise zu ihr: »Schwester, dein Benehmen ist unqualifizierbar! Nimm doch wenigstens die Formen wahr!«
Vielleicht erhoffte sie von diesen Worten eine Rückkehr zum Guten.
Es war alles umsonst. Henriette merkte, daß Olympia verloren sei; sie errötete und ging weiter.
In dem ehrbaren Kaffeehause war die Sache ruchbar geworden. Abends, als Henriette allein erschien, fand sie nicht mehr den gleichen Empfang. Es gibt halt Solidaritäten. Gewisse demütigende Nüancen entgingen ihr nicht. Seit der Runde von Olympias Fehltritt zeigte man ihr eine gewisse Kälte. Stolz wie der junge Spartaner, dem ein Fuchs die Brust zerfleischte, lächelte sie, aber ihr empfindsames und redliches Herz fühlte alle die Schläge tief. Wirklich zarte Gemüter verletzt ja ein Nichts oft mehr als eine grobe Beleidigung, und auf diesem Punkte war Henriette von der Empfindsamkeit einer Sensitiven, was mußte sie also ausstehen!
Und nun am Abend, beim Nachtmahl in der Familie! Vater und Mutter aßen gesenkten Hauptes, von der Abwesenden war nicht die Rede. Beim Nachtisch, wenn der Kognak kam, warfen Henriette und ihre Mutter sich einen verstohlenen Blick zu, trockneten eine diesbezügliche Träne und drückten sich stumm die Hand unter dem Tische. Und der alte Portier zog verstimmt an der Schnur, ohne Grund, um eine Zähre zu unterdrücken. Bisweilen wandte er auch plötzlich das Haupt ab und griff nach seinem Knopfloch, als ob er ein unbestimmtes Ordensband abreißen wollte.
Eines Tages versuchte der Portier seine Tochter wiederzuholen. Trübsinnig erklomm er die verschieden Stockwerke zu dem jungen Manne. »Ich will mein armes Kind wieder haben!« schluchzte er. »Mein Herr,« antwortete jener, »ich liebe sie und bitte um ihre Hand!« – »Elender!« rief Bienfilâtre aus, indem er das Weite suchte, voller Entrüstung über diesen Zynismus.
Henriette hatte den Leidenskelch geleert. Sie entschloß sich zu einem letzten Versuche. Sie wollte alles riskieren, selbst auf Skandal hin. Eines Abends hörte sie, daß die bejammernswerte Olympia in das Café kommen wollte, um eine kleine Schuld von früher zu begleichen. Sie sagte es ihren Eltern und ging mit ihnen nach dem hellerleuchteten Kaffeehause.
Henriette betrat den Saal der Gestrengen, wie die von Tiberius entehrte Mallonia vor den römischen Senat trat und ihren Vergewaltiger anklagte, ehe sie sich erdolchte. Die Eltern blieben würdevoll draußen und tranken Kaffee. Beim Anblick Henriettes nahmen die Gesichter einen ernsten Anblick an; als man aber merkte, daß sie sprechen wollte, sanken die großen Zeitungsblätter auf die Marmortische herab und weihevolles Schweigen trat ein: es galt Gericht zu halten.
In einem Winkel erblickte man an einem kleinen, einzelnen Tischchen Olympia, schamrot und sich fast verkriechend in ihrem schwarzen Kleidchen.
Henriette sprach. Man sah die Bienfilâtres durch die Scheiben unruhig hereinblicken, ohne daß sie ihre Rede vernahmen. Zuletzt duldete es den Vater nicht mehr; er machte die Tür ein wenig auf und lauschte vorgeneigt mit gespitztem Ohr, die Hand auf der Türklinke.
Ein paar Satzbrocken drangen bis zu ihm, wenn Henriette die Stimme erhob. »Man hätte doch Pflichten gegen seinesgleichen ... Ein solches Benehmen ... Das hieße ja sich alle ernsten Leute zu Feinden machen ... Ein Straßenjunge, der ihr nicht einmal ein Radieschen gab! ... Ein Nichtsnutz! ... Das allgemeine Gericht, das über ihr schwebte ... Ihre Verantwortung abgewälzt ... Ein Mädchen, das sich über alles hinwegsetzte ... das Maulaffen feil hielte ... und kurz zuvor noch erhobenen Hauptes ging ... Sie hoffte, daß die Stimme der Herrschaften, die gewichtiger wären als die ihre, daß die Ratschläge ihrer alten erprobten Erfahrung ... sie zu gesünderen und praktischeren Gedanken zurückführten ... Man ist nicht zu seinem Vergnügen auf der Welt! ... Sie flehte sie an, zu vermitteln ... Sie hätte an ihre gemeinsame Kindheit appelliert ... an die Stimme des Blutes! Es war alles umsonst ... Sie hatte kein Gefühl mehr in der Brust. Ein verlorenes Mädchen! Und was für eine Verirrung! ... Weh!«
In diesem Moment trat der gebeugte Vater in den ehrenwerten Saal. Beim Anblick dieses unverdienten Unglücks erhob sich alles. Gewisse Schmerzen sucht man nicht zu trösten. Jedermann trat schweigend auf den würdigen Greis und drückte ihm diskret die Hand, zum Zeichen, daß man an seinem Unglück Anteil nahm.
Olympia verschwand, bleich und voller Scham. Einen Augenblick hatte sie sich im Gefühl ihrer Schuld in die Arme der Familie und der Freunde werfen wollen, die der Reue ja allezeit offen stehen. Aber die Leidenschaft hatte die Oberhand gewonnen. Die erste Liebe senkt so tiefe Wurzeln ins Herz, daß sie alle früheren Gefühle bis in den Keim ersticken.
Trotzdem erweckte das Ärgernis in Olympias Körper einen verhängnisvollen Widerhall. Ihr gequältes Gewissen empörte sich. Am nächsten Tage bekam sie das Fieber. Sie mußte sich zu Bette legen. Sie starb buchstäblich vor Schande. Das Geistige tötete das Körperliche: die Klinge zerwetzte die Scheide.
Als sie in ihrem Kämmerlein lag und den Tod nahen fühlte, rief sie. Die guten Seelen aus der Nachbarschaft holten einen Diener des Himmels. Eine von ihnen machte die Bemerkung, Olympia sei schwach und bedürfe der Stärkung. Ein Mädchen für alles brachte ihr einen Teller Suppe.
Der Priester erschien.
Der alte Geistliche bemühte sich, sie durch Worte des Friedens, des Vergessens und Erbarmens zu beruhigen.
»Ich habe einen Liebhaber gehabt! ...« murmelte Olympia, sich ihrer Schande zeihend.
Sie vergaß all die kleinen Verfehlungen, alles Murren und alle Unzufriedenheit mit ihrem Leben. Nur das eine kam ihr in den Sinn, wie ein fixer Gedanke: »Ein Liebhaber! Zum Vergnügen! Ohne Verdienst dabei!« Das war die Sünde.
Sie wollte ihr Verbrechen nicht beschönigen, indem sie von ihrem früheren Leben sprach, das bis dahin so ganz rein und selbstverleugnend gewesen. Sie fühlte wohl, daß sie damals untadelhaft war. Über diese Schmach, der sie unterlegen war, einem jungen Manne die Treue zu halten, der keine Stellung hatte und nach dem so treffenden Rachewort ihrer Schwester ihr nicht ein Radieschen gegeben hatte! Henriette, die nie einen Fehltritt begangen hatte, erschien ihr in einem Glorienschein. Sie hielt sich für verdammt und fürchtete den Blitzstrahl des höchsten Richters, vor den sie jeden Augenblick berufen werden konnte.
Der Geistliche, an alles menschliche Elend gewöhnt, schrieb gewisse Punkte in Olympias Beichte, die ihm unerklärlich, ja selbst verworren dünkten, dem Delirium zu. Vielleicht lag hier eine Verwechslung vor; einige Ausdrücke des armen Mädchens machten den Priester mehrmals nachdenklich. Aber schließlich war die Reue das einzige, was ihn anging; auf die Einzelheiten ihrer Sünde kam es wenig an; der gute Wille der Büßerin, ihr ehrlicher Schmerz waren ihm genug. In dem Augenblick, wo er die Hand erheben wollte, um sie zu absolvieren, ging die Tür plötzlich auf und herein trat Maxime, strahlend, mit seligem Gesicht, in der Hand einige Taler und drei oder vier Goldstücke, die er siegesfroh tanzen und klimpern ließ. Seine Familie hatte zum Lohn für sein Examen dies Opfer gebracht: es war sein Kollegiengeld!
Olympia merkte diesen mildernden Umstand, so bezeichnend er war, zuerst nicht, sie streckte voller Schauder die Arme nach ihm aus.
Maxime war stehengeblieben, starr über diesen Anblick.
»Mut, meine Tochter!« murmelte der Priester, der in Olympias Armbewegung ein letztes Lebewohl an den Gegenstand einer sündigen und unbescheidenen Freude sah.
In der Tat war es nur das »Verbrechen« des Jünglings, das sie zurückwies, – und dies Verbrechen war, daß er nicht »ernst« dachte.
Allein in dem Augenblick, wo die himmlische Vergebung sich auf sie niedersenkte, erleuchtete ein überirdisches Lächeln ihre unschuldsvollen Züge. Der Priester glaubte, daß sie sich gerettet wähnte und daß englische Visionen die Finsternis ihrer letzten Stunde durchbrachen. In der Tat hatte Olympia unbestimmt gesehen, wie die heiligen Geldstücke in Maximes transfigurierten Fingern leuchteten. Jetzt erst fühlte sie die heilsame Wirkung des höchsten Erbarmens! Ein Schleier zerriß. Das Wunder war geschehen! Das offenkundige Zeichen verkündigte ihr, daß sie Vergebung erlangt hatte und erlöst war.
Geblendet, mit beruhigtem Gewissen, schloß sie die Lider, wie, um sich zu sammeln, bevor sie ihre Fittiche aufspannte zu den blauen Unendlichkeiten. Dann öffneten sich ihre Lippen und ihr letzter Seufzer entwich, wie der Duft einer Lilie, indes sie die hoffnungsfrohen Worte murmelte: