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Niemand, der eine Ehe schließt, soll glauben, daß er dadurch glücklich wird, aber jeder soll wissen, daß er sein Leben auf's Spiel setzt.
Das größte Wagnis, das jemand im Leben unternimmt, ist die Ehe, denn keines hat so nachhaltige Folgen. Der Hochzeitstag ist der Tag, der uns erhöhen oder stürzen kann, und zwar beide, den Mann ebenso wie das Weib. Von ihm geht eine Entwicklung aus, die aus uns zweierlei herausarbeiten kann, das Geistwesen oder die Bestie.
Darum mag man zittern und sich besinnen davor. In jedem Falle aber darf man nur mit ganzer voller Kraft in die Ehe gehen.
Das Weib gibt sich mit Leib und Leben in die Hand des Einzigen, dem es unbedingt vertraut. Es bricht alle Brücken hinter sich ab und stürzt sich in einen Abgrund von Leben, von Liebe, aus dem es kein Zurück gibt.
Daß man Menschen so rückhaltlos vertrauen kann, ist etwas ganz Gewaltiges. Allen Menschen haften mehr oder minder große Schwächen an, aber es gibt Menschen, die sich einander bedingungslos anvertrauen. Das sagt uns immer wieder mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit, daß wir dennoch etwas Heiliges und Herrliches sind.
Wenn Brautleute aneinander glauben, weil sie sich lieb haben, warum sollte Gott nicht an uns glauben? Welchen Grund gibt's wohl, daß solcher Glaube an den Menschen nicht endlich sollte gerechtfertigt werden!
Zunächst freilich birgt die Hingabe des Weibes den Keim zu schwerer Enttäuschung, die in mancherlei Form gewiß nicht ausbleiben wird. Dennoch ist sie da und wird immer wieder da sein, so lange es Menschen gibt, in einem Vertrauen, das alles hinter sich läßt und das Weib mit heiliger Naturgewalt an die Seite des Mannes treibt, dem es sein Leben anvertraut.
Aber der Mann wagt nicht weniger. Für ihn ist eine Eheschließung noch mehr als für das Weib ein Verlassen alter Beziehungen und ein Eingehen in den Lebenskreis eines Weibes und ihrer Familie.
Damit stellt er sein ganzes Geschick in Frage. Wer eine unpassende Frau heiratet, hat damit auch seinen Beruf verfehlt, selbst wenn er von Hause aus noch so tüchtig für ihn wäre. Ein Weib kann den Mann beruflich und gesellschaftlich ganz unmöglich machen, kann die wertvollsten Verbindungen zur Lösung bringen, sein ganzes Leben zerstören und einen Mann so entleeren, daß er nur noch Gegenstand des Mitleidens bleibt. Das ist das Schlimmste, was einem Mann widerfahren kann. Ein Weib wird durch Mitleid gehalten, ein Mann vernichtet.
Darum ist es von so entscheidender Wichtigkeit, daß vor der Verlobung die zwei großen und ernsten Fragen gestellt werden: Passest du in meine Verhältnisse? und: Kann ich's verantworten, dich zur Mutter, zum Vater meiner Kinder zu machen?
Das sind kühle Verstandesfragen, aber sie müssen gestellt werden, wenn überhaupt für die Ehe ein Boden geschaffen werden soll. Wer ohne Verstand geheiratet hat, darf sich nicht wundern, wenn das Leben ihn niemals verstand.
Es ist ja keineswegs ausgeschlossen, daß die Fragen ernsthaft erwogen und dennoch falsch beantwortet wurden. Wenn wir heiraten, sind unsere Augen noch geblendet von jugendlicher Schönmalerei und können gar nicht klar sehen, sollen nicht einmal. Außerdem ist das Leben selbst eine große Unbekannte. Wir kennen allenfalls den Augenblick, in dem wir uns verbinden, wir kennen aber nicht die Zeiten, die diesem Augenblicke folgen werden. Dennoch stellen wir einander einen Wechsel für die ganze Zukunft aus, einen Wechsel, der dem höchsten Werte gleichkommt, den wir überhaupt zu vergeben haben, unserem Leben.
Es folgt eigentlich schon aus dieser Gestaltung der Umstände, daß das Glück in der Ehe nicht gerade die Regel sein wird.
Man sagt zuweilen, es gäbe eine Gewähr des ehelichen Glückes, wenn die Grundanschauungen der jungen Leute die gleichen seien, wenn ein Glaube sie verbinde und dergleichen.
Das ist ein Irrtum. Es gibt überhaupt keine einzige Gewähr für die Zukunft. Was aber die Ansichten und Gedankenbahnen der Menschen anlangt, so sind sie ein Besitz, der ebenso dem Wechsel unterworfen ist, wie ihre Gewänder. Nur tote Menschen behalten die gleichen Anschauungen. Tote können aber nicht glücklich sein. Werdende, lebendige Menschen werden ihr gesamtes Innenleben immer mehr erweitern und vertiefen. Da wird beständig abgebrochen und zugeführt. Die Anschauungen unterliegen beständiger Veränderung.
Die einzige Möglichkeit einer gleichmäßigen Entwicklung beider Eheleute ruht auf dem einzigartigen ehelichen Zusammenleben, das so tiefgreifend ist, daß die beiden Geister einander beeinflussen müssen. Aber niemals können wir der Möglichkeit vorbeugen, daß sie sich in verschiedener Richtung entwickeln. Das geschieht schon, wenn eins stehen bleibt und das andere vorwärts schreitet. Wir dürfen nicht einmal unsere Werdemöglichleiten, wie sie auch sein mögen, unterbinden.
Das Eigenartige der Ehe ist von vornherein, daß nur ein Mann und ein Weib sie führen kann, also grundverschiedene Geister, deren Geisteswege immer andersgeartet sein werden. Es gibt keine Gewähr, daß sie immer gegenseitig beglückende Ergänzung sein werden.
Aber das tiefe Vertrauen glaubt an den andern. Wenn alles dem Wechsel unterworfen ist, bleibt doch der Mensch. Wer der Mensch ist, bleibt undurchdringliches Geheimnis. Aber Eheleute ahnen und fühlen einander durch. Dieses Ahnen des Andern ist ein Abglanz der Seligkeit. Im Unbewußten liegt oft das größere Glück als im Bewußten.
Und nach eins. Das Glück, das auf's Spiel gesetzt wird, ist das Glück zweier Menschenleben. In der Ehe gibt's kein einseitiges Glück. Es können nur beide glücklich oder beide unglücklich werden.
Ich kannte einmal einen sehr guten, aber sehr eitlen Mann, der sich nach langem Wählen endlich für eine Braut entschieden hatte. Da sagte er: "Wenn ich auch nicht glücklich werde, so werde ich doch glücklich machen." Das war ein ganz dürftiger Irrtum. Aber Männer haben, namentlich wenn sie eitel sind, leicht eine rührende Beschränktheit an sich.
Die Ehe ist ein unerbittlicher Spiegel der Wahrheit. In ihr gibt's kein Verstecken, und die beiden Leute werden vor einander so offenbar, wie sie wirklich sind. Vielleicht sprechen sie's einander nicht immer aus, gewiß nicht, wenn sie klug sind, aber erkennen werden sie einander in ungeschminkter Wahrhaftigkeit. So wenig sie gegenseitig in ihr tiefstes Sein eindringen, so offenbar wird vor ihnen ihr vorliegender Wert oder Unwert.
Demnach birgt jede Ehe eine schwere Kette von Enttäuschungen. Ein Auge, das die Wahrheit erschaut, muß sich immer entsetzen, und es ist nur die Frage, ob es sich an ihren Anblick gewöhnen kann oder nicht. Wer heiratet, meint sich auf Rosen zu betten. Er hat auch Recht daran, aber die Rosen haben mehr Dornen als Blüten, und die Blüten währen nur kurz, die Dornen immer.
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Es gibt keine größere Veränderung im Leben, als eine Eheschließung. Wenn die Sonne der Liebe aufgeht, verbleichen die Sterne der Freundschaften. Vieles, was uns früher festgehalten hat, zerfällt vor dem Neuen, Unerhörten, und wo wir uns in freiem Entschlusse hingaben, fühlen wir uns plötzlich von Riesengewalten gebunden. Es scheint, daß wir die gleichen Menschen sind, aber die Welt, in die wir eintraten, ist grundanders und ändert auch unser Wesen.
Nur sehr starke Menschen vermögen es, sich treu zubleiben, auch in der Ehe. Die weitaus meisten ändern sich von Grund aus. Häufig nicht zum Bessern.
Dabei hat sich herausgestellt, daß der stärkere Teil in der Regel das Weib ist. Ich kannte Männer, die waren ganz vernünftig, bis sie heirateten. Dann wurden sie weiches Wachs in den Händen ihrer Frauen. Ein Weib kennt man zuweilen, ehe es verheiratet ist, einen Mann nie. Wer ein Mann ist, weiß man erst, wenn er ein Weib hat.
Das Wagnis einer Eheschließung ist so groß, daß viele es nicht unternehmen würden, wenn sie's vorher wüßten. Darum soll man eine Ehe nur eingehen in den Jahren der höchsten Kraft und einander seine Jugendkraft, womöglich eine ganz reine Jugend, als Morgengabe, mitbringen. Wer den richtigen Augenblick versäumt, findet schwer den rechten Anschluß, auch den rechten Mut.
Das große Wagnis erfordert große Kraft und große Unwissenheit. Unwissend traten wir in's Leben. Unwissend in die Ehe. So will es die Natur. Wären wir Wissende, taugten wir für beides nicht.
Wäre nicht die Allgewalt des heiligen Naturtriebes vorhanden, Mann und Weib fänden den Weg nicht so leicht zu einander. Es ist gewiß wahr: Sie finden schwer miteinander ein wahres Glück. Aber ebenso wahr ist auch das andere: Ohne einander finden sie es noch viel schwerer. Das Weib kann den Mann nur schwer missen, der Mann ist nur in besonderen Ausnahmefällen fähig, ohne Weib zu sein.
Wer das Wagnis der Ehe wagt, setzt sein Leben aufs Spiel, wer es aber aus Mutlosigkeit nicht wagt, verzichtet von vornherein auf die eigentliche Lebensfülle.
Darum soll der Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. Wer sich nicht an ein Weib wagt, wie kann der sich an das Leben selbst wagen!
Je kleiner die Hochzeit ist, desto besser. Die alten Bauernhochzeiten währten sieben Tage. Auch das hatte sein Recht. Was die jungen Leute bis zur Hochzeit gesehen hatten, war nichts als Mühe und Plage. Er war Vaters Knecht, seit er laufen konnte, und sie der Mutter Magd ebensolange. Daß die jungen Leute da einmal Mittelpunkt eines großen Festes wurden, auf das sie sich lebenslang gefreut hatten, war recht und billig.
Auf diesen Hochzeiten spielte sich das Leben der Sippe ab. Sie waren unvergeßliche Feiertage in dem harten Leben des Alltags.
In der Stadt ist's schon anders. Siebentägige Hochzeiten würden dort Vermögen kosten. In bürgerlichen Kreisen mußte man notgedrungen verkleinern. Auch in bäuerlichen wurde es allmählich kleiner. Wieder mit Recht. Überall hat die Neuzeit Feste erfunden, an denen sich die Jugend beteiligt mit Spiel und Tanz. Da kann man der großen Hochzeiten leicht entraten, ohne die Hauptbeteiligten in ihren Rechten zu schädigen.
Wird aber gar noch die Braut ein Opfer der Saison und einer Ausstattung und soll dann noch, womöglich im Hause, ein Hochzeitsfest gerichtet werden, so geht's über die Kräfte.
Der Grundsatz müßte doch gelten, daß Feste Tage der Ruhe und Freude sind. Wenn Feste quälend werden, und man sich davon erholen muß, ist's höchste Zeit, daß man sie abschafft.
Heute kann eine Hochzeit gar nicht klein genug sein, weil in unserer festefeiernden Zeit jedermann froh fein muß, wenn er seine Nerven schonen kann. Außerdem kann das, was bei einer Hochzeit erspart wird, den jungen Leuten sehr wertvoll sein in dem werdenden Hausstande.
Die meisten Menschen heute tun gut, sich so viel als möglich einzuschränken. Das Leben erfordert ohnehin genug Aufwand. Wenn seine Behaglichkeit aber noch durch besondere Feste ins Schwanken gebracht werden soll, so versagen schließlich die Kräfte. Die Krankheit der Zeit ist an sich die Übertreibung auf allen Gebieten. Darum soll man dort zurückschneiden, wo es am leichtesten geht.
Die jungen Leute haben für ihr Empfinden genug Fest, daß sie einander angehören dürfen; die Alten haben am meisten Freude, wenn der Kreis recht traulich, recht wenig lärmend ist. Also ist die schönste Hochzeit die, die im engsten Familienkreise, ohne unnötigen Aufwand an Geld und Kraft gefeiert wird, bei der aber noch einmal alles, was an Liebe und Familientraulichkeit vorhanden ist, das junge Paar umgibt.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß jemand trauern würde, wenn er ein so seelenloses Diner, wie es heute bei Hochzeitsgelegenheiten in irgendeinem Gasthause gegeben wird, nicht mitzumachen hat. Das mögen Leute geben, die viel Geld und wenig Gemüt haben und sich bei solchen Gelegenheiten einmal zeigen wollen; aber solche Unbehaglichkeiten sind glücklicherweise überlebt.
Es ist geradezu Aufgabe unserer jetzigen Zeit, dem Traulichen, Behaglichen in neuer Form zu seinem alten Rechte zu verhelfen. Bei den Urvätern bekam es sein Recht im sehr Großen und sehr Feierlichen, bei uns, wo zu viel sehr Großes und Feierliches da ist, im sehr Kleinen und Behaglichen.
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Unter vernünftigen Umständen ist auch eine Hochzeitsreise nicht ganz verwerflich.
Man kann eigentlich von dem heutigen Menschen erwarten, daß er nicht mehr den Ehrgeiz hat, alles abzugrasen, was man nach irgendeinem rotgebundenen Reisehandbuch gesehen haben muß. Unsere jetzige Jugend hat vor der Hochzeit schon manches schöne Stückchen Welt gesehen. Die Hochzeitsreise soll also nicht der Welt gelten, sondern dem engen Glück. Also genügt ein Fahrplan, und man kann des Bädekers entraten.
Namentlich Museen sind entbehrlich, denn es sind Bildungs- und Arbeitsstätten. Auf der Hochzeitsreise sollten nur solche sie aufsuchen, die vorher wissen, was sie sehen wollen und fähig sind, es zu würdigen und sich zu beschränken.
Das beste ist, man geht in die große, schöne Natur. Es müssen nicht durchaus Gardasee und Lago Maggiore sein, womöglich in der staubigen Glut des Sommers, wo die Schwindsucht aller Grade keucht, und vorlaute Hoteldiener die Hochzeitsreisenden in widerlicher Vertraulichkeit begaffen, sondern man gehe dahin, wo die Natur noch nicht verscheucht ist, in Waldesstille und Bergesluft, woran unsere deutsche Heimat noch so reich ist. Wo man allein ist und wo's traut ist, mag man zu zweien sein und vertraut werden.
Der Mensch sollte niemals eine Vergnügungsreise machen, ohne sich wirklich zu erholen und frische Kräfte zu sammeln. Am allermeisten gilt das von der Hochzeitsreise. Sie muß Frische und Freude sammeln helfen für sehr ernste Zeiten. Das Ergebnis der Hochzeitsreise muß ein unaufhaltsamer Arbeitsdrang sein. So gekräftigt mögen die jungen Leute ihr schweres Werk beginnen.
Davon hängt auch ihre Dauer ab. Wer in der Zeit und im Gelde beschränkt ist, soll froh sein, denn es ist gut, wenn die Hochzeitsreise kurz ist. Wer unbeschränkt in beidem ist – das sind hoffentlich die wenigsten – muß sehr achten auf die Stimme der Natur, die nach Arbeit verlangt. Ohne Arbeit gibt's kein Leben, am wenigsten ein junges Eheleben, das durchaus der Arbeit gehört.
Die Stimmung, in der man nach Hause kommt, gibt am deutlichsten an, ob die Hochzeitsreise und die ganze Art der Verehelichung ein Fehler war oder nicht. Wer überreizt heimkehrt, hat alles grundfalsch gemacht.
Ich verstehe gut die Abneigung vieler Ärzte gegen die Hochzeitsreise. Sie werden nur zu viele Gründe dagegen wissen. Aber ich glaube andererseits, daß ein gewissenhafter Arzt gegen eine Reise, wie ich sie hier vorschlage, nichts einzuwenden haben wird.
Es wird aber trotzdem gut sein, hier auf die Stimme des Arztes zu hören. Wir haben heute sehr verständige Ärzte. Sollte er ganz abraten, so ist es ein ganz köstlicher Ersatz, wenn man nur das Vorhaben der Reise mit in den jungen Hausstand nimmt und die Reise gelegentlich einmal ausführt. Das Plänemachen ist oft viel erquicklicher als die Reise selbst. Ich erinnere mich lebenslang mit Vergnügen an unsere Hochzeitsreise, die wir unternahmen, als unser Ältester schon laufen lernte.
Hat man aber schließlich irgendwo einen Fehler gemacht, so ist im Leben das das Gute, daß Fehler eigentlich nicht viel schaden. Der Mensch, wie er wirklich ist, ist fehlerhaft, also hat er auch das Recht, Fehler zu machen. Es kommt nicht so sehr darauf an, daß man Fehler vermeidet, als darauf, wie man sich zu den gemachten stellt. Wer sie verleugnet oder sich drüber grämt, macht sie erst schwer, wer aber neues baut, macht sie versinken.
Wer also überreizt nach Hause kommt, bedarf der Stille des Einarbeitens. Es ist etwas Großes, Feierliches um das Beginnen des eigenen Hausstandes, dieses köstliche Alleinsein mit dem geliebten Ehegatten, dieses Arbeiten, in dem man je länger je mehr nur aufeinander angewiesen ist.
Wer eine freudlose Jugend hatte, viele haben das, der kommt nun zum ersten Male richtig nach Hause. Welche Welt von Liebe und Freundlichkeit tut sich da auf! Möchte sie nie versinken! –
Hoffentlich weiß die junge Frau, wie man einen Herd regiert und benutzt. Wie es im Hause sein wird, das hängt ausschließlich von der Frau ab. Ob das Herdfeuer behaglich wärmt oder sengt und anbrennt, es ist in jedem Falle die Ausstrahlung des Geistes der Hausfrau. Sie bestimmt den Ton des Hauses, ohne daß sie es weiß. Ihr Wesen macht es düster und verbissen oder licht und behaglich. Selig das Haus, dessen Hausfrau ein Kind des Friedens ist!
Ein heutiges Mädchen sollte durchaus wissen, wie man ein Haus einrichtet. Es muß sich Rechenschaft geben können über die Grundsätze, die ein Hauswesen freundlich, licht, gesund und wohltuend gestalten können. Je bewußter eine Frau hier arbeiten kann, desto besser. Früher glaubte man ein Mädchen richtig zu lehren, wenn man ihm eine gewisse Übung im Kochen und in häuslichen Verrichtungen beibrachte. Heute muß man sie denken lehren und Grundsätze begreifen. Übung und Anwendung wird sie sich dann allein aneignen nach dem Maße des Bedürfnisses.
Für den jungen Haushalt würde ich vorschlagen, ihn so einfach als möglich zu gestalten. Es ist zu wünschen, daß keine Kapitalien seinen Rückhalt bilden, sondern die frische junge Kraft zweier Menschenseelen allein. Die beiden sind ja so unendlich reich, wie sie gar nicht ahnen. Da können sie um so freudiger das Äußerliche recht einfach gestalten. Wer seinen Reichtum zur Schau zu stellen das Bedürfnis fühlt, hat in der Regel den eigentlichen Reichtum nicht, und eine armselige Ehe kann man durch keine Vergoldung verbessern.
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Nein, nein, soll man eine Wohnung einrichten, so muß man ganz anders anfangen. Zuerst ein lichtes, luftiges Schlafzimmer mit aller Einfachheit, aber alles sehr gut und behaglich. Wo der Mensch seine Ruhe sucht, da muß man auch ausruhen können. Wo man ein Drittel seines Lebens verlebt, da muß gute Luft und Sonne Zutritt haben. Dort soll man nicht sparen.
Dann Herd und Küche. Eine blitzblanke Küche ist die Ehre der Hausfrau. Ihr bloßer Anblick zu jeder Zeit, gleichviel, ob gearbeitet wird oder nicht, muß die Eßlust erregen. Die Küchengeschirre müssen womöglich besser sein als die Speisegeschirre. Wer sich viel Ärger sparen will, vermeide teure Porzellansachen und Kristallglas. Zertrümmert werden sie doch, und mit manchen wird das häusliche Glück mit zertrümmert. Stelle ich aber mein Porzellan und Kristall in den Glasschrank und helfe mir für gewöhnlich mit Steingut, so kann's ebenso gut der Kaufmann aufheben. Er versteht besser, die Sorge dafür zu tragen.
Wer sehr reich ist und besondere Leute dafür anstellen kann, mag ja alle möglichen Herrlichkeiten bei sich lagern und gelegentlich damit prunken. Wer aber nicht reich ist, sollte lieber den Wert auf Behaglichkeit als auf Glanz legen. Zu letzterem ist ein Haben nötig, zu ersterem ein Sein.
Außerdem ist es für einen jungen Haushalt wünschenswert, so wenig wie möglich Dienstboten zu haben. Das junge Glück ist zerbrechlich, und mit ihm zerbrechen Menschenleben. Dienstboten aber dienen nicht zur Erhöhung des häuslichen Glückes. Also richte man sich so einfach wie möglich ein. Überhaupt fehlen sollte in einem jungen Haushalte eine gute Stube oder gar ein Salon, jenes ungemütliche Puh, das die Liebe verscheucht, aber nicht festhält.
Wer große Aufgaben zu lösen hat, muß so wenig wie möglich Gepäck bei sich haben, junge Eheleute aber haben die größte Aufgabe zu lösen, die es gibt, das Leben von Menschen aufzubauen und ein Planetenschicksal zu formen. Es ist ganz gewiß nicht gleichgültig, ob unser Dasein auf diesem Stern verfehlt oder erquicklich ist. Zu beidem liegen die Keime in der jungen Ehe. Darum weg mit allem unnötigen und zerstreuenden Tand!
Es hängt ungeheuer viel daran, ob ein Mann sich daheim wohl fühlt. Er muß sich dauernd wohl fühlen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, die eine Frau zu lösen hat. Wird ein Mann häuslich, so hat er es seiner Frau zu danken. Nichts zerstört so sehr das eheliche Glück, als wenn der Mann seine Ruhe und Freude im Wirtshaus sucht.
Eine der schwersten deutschen Unsitten ist das öde Wirtshaussitzen verheirateter Männer. Daher kommt das ganze Bierphilistertum, diese dürftige politische Kannegießerei, dieses jämmerliche Parteiwesen, um deswillen wir in der ganzen Welt ausgelacht werden. Diese Unart können uns nur die Frauen abgewöhnen. Nicht durch unklugen Widerstand, sondern nur durch die lebendige Behaglichkeit, mit der eine Frau ihre Häuslichkeit erfüllen kann. Eine Frau vermag unendlich zu beglücken. Sie ist viel reicher, als sie glaubt. Ein Mann vermag ihr gar nicht gleichzukommen. Darum ist sie auch berufen, die häusliche Behaglichkeit zu schaffen. Sie setzt ein im Zimmer des Mannes und gestaltet es zum Kleinod des Hauses. Es kann ganz einfach sein. Wo es zu einem Schreibtisch nicht reicht, fängt man mit einem einfachen Tisch an, und im Maße, als sich die Ersparnisse mehren, schafft man ein Stück nach dem andern und bessert unaufhörlich. Beide sollen die Halme zum Neste tragen, die es warm halten können.
Es wird nicht lange währen, so wird auch der Mann das Bedürfnis fühlen, der Frau eine Heimstätte zu schaffen, und sie hat am besten für sich gesorgt, wenn sie ihm ein Heim schuf.
Es hängt sehr viel an der Einrichtung einer Wohnung. In die leblosen Schöpfungen der Handwerker kann hineingegossen werden der Geist des Friedens und kann dem toten Stoff eine vernehmliche Sprache des Wohllauts geschenkt werden. Eine Frau, die das versteht, hat ein schweres Lebensrätsel glücklich gelöst.
Weitaus die meisten Männer haben ihre Berufsarbeit außer dem Hause. Da sollte sie ihr Heim mit Liebesarmen umfangen, wenn sie müde und abgespannt heimkommen und durch sein bloßes Dasein neue Lebenskräfte geben. Wo's aber daheim unbehaglich ist, da zerbröckelt das Leben, und beide Ehegatten leiden darunter. Arme Kinder, die auf solchem Boden erwachsen müssen! Sie können erst heimkommen, wenn sie selbst ein Heim gründen!
Es gibt kleine Dinge, an denen Großes hängt. Ein Steinchen im Stiefel kann einen Menschen aus dem Gleichgewicht bringen. Wer in seinem Hause die Kleinigkeiten vernachlässigt, kann Menschenleben zerstören. Der wertvollste Besitz, den wir haben können, ist nicht Gold und Ehre, sondern ein trautes Heim am eigenen Herde.
Nahe, sehr nahe bei der Hochzeit liegt der erste eheliche Verdruß. Die Verlobungszeit ist ja auch reich daran. Aber Verlobte pflegen sich dann sofort freizugeben, um sich binnen kurzem wieder ewige Liebe zu schwören.
Eheleute können sich nicht freigeben. Hinter ihnen hat sich ein Tor geschlossen, das sich im allgemeinen nicht wieder öffnet. Nicht einmal ausweichen können sie einander. Sie begegnen sich Tag und Nacht, und fortgehen bedeutet für sie, seine Heimat verlassen.
Es ist etwas ganz Wunderbares geworden. Eines ist nur bei dem andern daheim, und Verdrießlichkeiten zwischen ihnen machen beide heimatlos. Was das unglücklich erwachsene Kind ersehnt hat, nach Hause zu kommen, das wurde, kaum gewonnen, in Frage gestellt durch den ersten Verdruß.
Es tritt natürlich schnell eine Versöhnung ein. Die Leidenschaft gebiert sie, die zwischen dem jungen Paare wogt. Aber sobald sie verraucht ist, kommt der zweite Verdruß und die folgenden. Man kennt sich nicht mehr aus. Vorher war alles lieb und gut, jetzt ist alle Tage Bitterkeit, und die leidenschaftlichen Ausbrüche der glimmenden Liebe werden nur noch Unterbrechungen des häuslichen Haders. Zu einer friedlichen Einmütigkeit kommt's fast nie. Nie dauernd.
Was ist das? Ich antworte: Ein Naturgesetz. Also ist's gar nicht so bedauerlich. Es ist notwendig. Es gibt keine Ehe ohne viel Verdruß, und wenn's eine gäbe, so möchte ich sie nicht führen.
Man bedenke, was eine Ehe ist, und man wird ihre Nöte verstehen. Wären Mann und Weib zwei sich ergänzende Körper, so wären die Ehen wie die Tierehen, verhältnismäßige Freude und Glück. Sie sind aber zwei grundverschiedene Geister, die zwar auf einander zustreben, aber sich nie ganz finden können.
Bei Mann und Weib ist alles verschieden. Beide sind gleich berechtigt, gleich wertvoll, aber in jeder Regung anders gerichtet. Das Weib empfindet schon ganz anders als der Mann. Die Männer glauben immer, Frauen hätten die gleichartigen Empfindungen wie sie. Es sind aber so ziemlich die entgegengesetzten. Darum kann ein Mann nie ein Weib ganz verstehen, nicht einmal in seiner Empfindungswelt. Ich glaube, sogar so einfache Dinge wie Hunger und Durst werden von den Geschlechtern verschieden empfunden, wenigstens äußern sie ihre Empfindung verschieden. Wenn Mann und Weib nur zusammen reden, verfügen sie nicht einmal über die gleiche Höhenlage der Töne. Ist's ein Wunder, wenn jedes auch eine andere Sprache redet?
Man kann zwar im Laufe der Jahre durch aufmerksame Beobachtung und Gespräche mancherlei von einander erforschen. Aber ganz einzudringen in die Welt des andern vermag wohl niemand.
Wie merkwürdig! Das Weib lebt neben uns in hunderttausenden von Einzelwesen. Hunderte lernen wir mehr oder weniger nahe kennen. Aber es lebt in einer anderen Welt, deren Rätsel immer größer werden, je mehr wir uns mit ihr beschäftigen. Und auch wir sind für das Weib nicht voll verständliche Größen. Seit Jahrtausenden erforschen sich die Geschlechter, aber der Reiz dieses Forschens ist noch nicht erschöpft, und die Wissenschaft vom Weibe und vom Manne nicht abgeschlossen.
Alle Erkenntnisse, die wir bekommen, können nur erlebt werden. Aber hier fehlt das eigentliche Nacherleben.
Am drolligsten sind die Männer, die das Weib wirklich zu verstehen vorgeben und die Frauen, die die Männerwelt erkundet haben. Wenn ich einmal recht lachen will, suche ich solche Gesellschaft auf und lese ihre Bücher. Denn Bücher schreiben diese Klüglinge alle über ihre Weisheit.
Nun rede ich aber nur von der Empfindungswelt. Unendlich darüber steht die Gedankenwelt. Die Geschlechter denken verschieden, sie fassen alles anders auf. Wenn sich heute ein eifriges Mädchen durch alle Denkwerkzeuge der Männerwelt hindurchgequält hat und schließlich alle akademischen Würden auf seinen Scheitel und seine Visitenkarte gehäuft hat, dann ist sie immer noch ein Weib, das dennoch anders denkt als ihre männlichen Mitarbeiter. Sie ist nicht minderwertig. Ihre Art ist völlig gleichberechtigt. Es ist sogar möglich, daß sie vielen ihrer Arbeitsgenossen überlegen ist. Aber sie ist anders. Grundanders.
Wir sehen, die geschlechtlichen Unterschiede verwischen sich nicht im Geiste, sondern vertiefen sich. Je mehr sich die Geister in ihrer Eigenart entfalten, desto schärfer werden sie.
Dabei ist noch ein undurchdringliches Geheimnis. Es kann unmöglich männliche und weibliche Geister geben. Die Geister müssen wir uns geschlechtslos vorstellen, die nicht freien und sich nicht freien lassen, wie die Engel Gottes. Aber sobald sie in diese Bahn der Geschlechter eingetreten sind, entfalten sie grundsätzliche Verschiedenheiten. Wie unendlich muß die Welt des Geistes sein, wenn wir die der Körper schon nicht ergründen können!
Zwei solche Geister schmiedet eine Ehe zusammen. Durchaus nicht nur zwei Körper. Zwei entgegengesetzte Irrtümer. Beide freie Geister, gleichwertige Menschen, aber angekettet aneinander. Durch freien Entschluß zwar, aber doch gekettet.
Wehe den Unglückseligen, wo nicht der Mensch den Menschen suchte, wo nicht der freie Geist sich seinem Gesellen herzlich anvertraute in freiem Willen!
Für diese beginnt mit der Eheschließung eine Hölle auf Erden. Sind sie, was ihnen sehr zu wünschen ist, stumpfsinnige Geister, die sich für irgendeinen Wert verschachert haben, dann ist die Hölle noch erträglich zu gestalten. Man hat von vornherein auf den Menschen im andern verzichtet, also wird man auch jetzt irgendeinen Wert finden, mit dem man sich über das eigentliche Lebensglück abfinden läßt.
Das ist der Zustand zahlreicher Ehen auf Erden, und die Welt nennt die Leute glücklich verheiratet, wenn beide Teile so viel Haltung bewahren, daß sie sich ins Unvermeidliche fügen. Die ersparen sich den Kampf ums Dasein. Sie können aber nie in der Welt glücklich werden und müssen angesichts eines gedeckten Tisches hungern.
Sind's aber tiefer angelegte Geister, so mag leicht die Reue über ihre unselige Tat übermächtig werden und Dinge herbeiführen, die, wie sie sich auch immer äußern mögen, in jedem Falle ihr ganzes Leben auf diesem Sterne verderben und vergiften. Arme Menschen!
Aber ich nehme Eheleute an, die ihre Ehe auf vernünftiger Grundlage geschlossen haben und mit freiem Entschlusse sich einander gegeben haben.
Auch diese müssen naturgesetzlich in die schwierigsten Verhältnisse kommen. Schon eines. Der Geist schreit nach Freiheit, die Ehe bindet. Wären sie zu dritt, so könnte man Mehrheitsbeschlüsse herbeiführen. Aber zwei Willen, zwei Empfindungen, zwei Welten stehen einander beständig gegenüber ohne sich vollkommen verstehen zu können.
Da muß es ja einen Kampf geben. Es handelt sich für jeden Geist um Sein oder Nichtsein, um Obsiegen oder kläglich Unterliegen. Wer unterliegt, verfällt den Gewalten einer ihm fremden Welt. In diesem Ringen kehrt sich das Innerste nach außen, in der Ehe gibt's kein Verbergen und Verstecken. Die Ehe ist ein Wahrheitsboden ohnegleichen. Der furchtbare Ernst des Lebens, er offenbart sich nirgends deutlicher, als in der Ehe. Zwei Welten stoßen aneinander im Mann und im Weibe. Das kann ja nicht abgehen ohne tiefste Erschütterungen.
Also wer heiratet, kann gar nicht ein glattes Glück und restloses Aufgehen erheiraten, sondern jede Ehe birgt die denkbar schwersten Erlebnisse, die uns als Enttäuschungen anmuten. Das geschieht nicht, weil die Eheleute schlecht und unverträglich sind, sondern weil die Natur es so eingerichtet hat, weil sie Gottesgeister sind. Deshalb braucht aber auch niemand zu erschrecken. Es sollen immerhin Ehen geschlossen werden. Man ist auch nirgends so in Gottes Hand, als gerade in der Ehe.
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Der Kampf um's Dasein wirkt sich sehr verschieden aus. Sind in der Ehe zwei ungleichwertige Geister zusammengeschmiedet, so gestaltet er sich sehr einfach. Immer, wo Geister zusammentreffen, gewinnt der stärkere. Das Gesetz gilt bei den Geistern ebenso wie bei den Körpern und ist ein verständliches Naturgesetz. Die größere Masse, die größere Kraft, der größere Geist, jedes Größere wirkt bestimmend auf das Kleinere.
In der Ehe gestaltet es sich so, daß der schwächere Teil – in der Regel ist es der Mann – ein paarmal versucht, aufzubegehren, dann ist sein Widerstand für immer gebrochen. Die Welt sagt: Die jungen Leute haben sich gefunden und nennt die Ehe glücklich. Ach, sie sind ja alle so glücklich, wenn man sie danach fragt, und so unglücklich, wenn man sie ansieht. Eure Gesichter sind die Verkläger eurer Worte.
Ich verkehrte einmal viel in zwei verwandten Häusern. Das eine war ein entzückendes Kinderhaus mit viel Nöten äußerlich und viel Wutausbrüchen innerlich, aber doch voll wohligen Glücks. Das andere war kalt und gelassen, aber eine vergiftete Hölle, wo man kaum atmen konnte. Da sagte eines Tages der Höllenmann zu mir: "Denke nur, diese Leute behaupten, ich sei unglücklich verheiratet, und sie selbst, wie schwer sitzen sie im ehelichen Unglück!" Aber ich konnte nur froh fein, wenn ich bei den andern weilte.
Da wird freilich der Kampf um's Dasein beendet, wenn einer der Gatten hoffnungslos unterlegen ist, und schließlich wird ein erträglicher Frieden, allein ein Glück ist damit nicht geschaffen.
Hat das Weib den Mann unter dem Pantoffel, so ist er unter Umständen freilich zufrieden. Denn dem Manne eignet leicht eine so rührende Eitelkeit, daß er im Bewußtsein seines Wertes seine Minderwertigkeit gar nicht bemerkt und sich in fauler Bequemlichkeit widerstandslos unterordnet.
Aber das Weib ist damit noch nicht glücklich. Ihre Natur will sich anlehnen und, was ihr in tiefster Seele zuwider ist, die feige Schwäche, die schleppt sie nun lebenslang als Männerlast mit herum. Ein Weib, das Herr sein muß, weil es den Herrn nicht fand, ist im Grunde nicht befriedigt und daher leicht geneigt, ihr inneres Unbehagen an anderen auszulassen, weil ihr das eigentliche Glück fehlt. Oft weiß sie es gar nicht deutlich, aber immer empfindet sie es.
Es kommt aber auch vor, daß der Mann der stärkere Geist ist, der das Weib unterdrückt. Das Weib lehnt sich gerne an und fühlt sich geborgen bei der Kraft. Aber wenn sie übermächtig wird und vielleicht gewalttätig ihre freien Regungen zertritt und unterbindet, dann hat sie wieder die stärkere Empfindung und fühlt sich zertreten. Jeder Geist ist voll bewußter oder heimlicher Sehnsucht nach Freiheit. Auch das Weib wird nicht zufrieden sein, bis sie ihr eigen ist. Auch sie ist ein freier Gottesgeist. In solchem Falle kann auch der Mann nicht das volle Glück haben neben dem zagen Häufchen Unglück.
In allen solchen Fällen finden die Eheleute in der Regel irgendeinen Ausgleich, eine Lebensmöglichkeit, aber ohne das eigentliche Lebensglück an einander. Denn Mann und Weib sind zwei Elemente, deren Aufeinanderschaltung den Freudefunken erzeugen muß. Ist aber eines zu stark, so wirken ungleiche Kräfte. Diese erzeugen immer eine schiefe Bahn. Das Glück, das sie allenfalls finden können, besteht in der Befriedigung treuer Pflichterfüllung und dergl. Aber in solchen Häusern schwebt auch eine kühle Verdrossenheit, die erkältend auf Bewohner und Besucher wirkt.
Ich habe in so zahllosen Häusern verkehrt und mich in der Jugend immer gefragt: Warum fehlt den meisten Ehen die Wonne des eigentlichen Menschenglücks? Jetzt weiß ich's. Der Kampf ums Dasein der Geister wird mit ungleichen Kräften geführt. Daran hat niemand eine Schuld. Das ist die Schwere des Lebens. Darum wehe dem, der Ehen stiftet!
Am gelungensten werden Ehen, wenn ungefähr gleich starke Geister zusammentreffen. Da gibt's bald den heißesten Kampf um Sein oder Nichtsein. Viele verzagen dran, ihn zu Ende führen zu können und geben's auf und gehen auseinander.
Das ist sehr zu beklagen. Um der Leute selbst willen. Nein, dann gerade nicht auseinander gehen. Das größte Glück ist, daß gleichstehende Geister sich überhaupt begegnen. Laufen sie auseinander und geben sie den Kampf auf, so werden sie kaum etwas Besseres finden. Wer klug ist, hält aus und hält am Glauben an den andern fest. Der Glaube an den Menschen gewinnt's auch hier, selbst wenn der Kampf der Geister jahrelang dauern sollte.
Man soll auch ja nicht glauben, daß es zu irgend einer Zeit in einer Ehe völlig gewonnen ist. Je lebensvoller eine Ehe ist, desto leichter wird sie von mehr oder weniger bedenklichen Übergangszeiten betroffen, die immer neu überwunden werden müssen. Es ist nur ein Zeichen von Gesundheit, wenn gelegentlich auch nach der silbernen Hochzeit Erschütterungen eintreten. Die Ärzte nennen das Heilkrisen. Sie kommen oft in langen Zwischenräumen, aber sie kommen und werden mit der Zeit immer besser überwunden, weil geübte Kraft stetig zunimmt.
Eine solche Zeit ist beispielsweise das Nachlassen oder Versagen der Geschlechtsfreudigkeit eines Teiles. Für viele ist's recht schwer, sich unter diesen Vorgang der Natur demütig zu beugen. Das Erlebnis schärft oft genug die vorhandenen Fehler und Härten und wirkt wehtuend auf den andern Teil, der als Ehegatte natürlich zuerst davon betroffen wird. An diesem Wendepunkte kann leicht viel Liebe erkalten.
Wenn nicht alles täuscht, steht auch allen Ehen unserer vom Weltkrieg heimgekehrten Krieger eine schwere Übergangszeit bevor. Wieviele deutsche Ehen sind das! Der Mann, der nur auf Kameraden angewiesen unter der eisernen Faust des Dienstes und der steten Lebensgefahr und Nervenbelastung lange ohne sein Weib leben mußte, wird naturgemäß zunächst etwas unbändig erscheinen, hat sich auch innerlich manches anders vorgestellt, als er's dann findet. Das Weib und vielleicht auch heranwachsende Kinder haben inzwischen gelernt, sich ohne männliche Kraft und Beratung zu behelfen und oft genug Ungewöhnliches geleistet. Für viele wird dann eine ganz neue Form der Ehe beginnen. Weil aber beide Teile unabhängiger und vollständiger geworden sind, werden ihnen mancherlei schwere Enttäuschungen wohl nicht erspart bleiben. Die Ehe wird sich vielfach ganz neu gestalten müssen.
Unter diesen Schwierigkeiten soll ja niemand verzagen, wenn's zuweilen scheint, als wolle es nicht mehr gehen. Vielleicht wird auch von beiden Seiten ein ungewöhnliches Maß von Verzeihen gefordert werden. Das alles sind nur Widerspiegelungen der großen Zeit, die wir zu erleben gewürdigt sind. Große Zeiten sind immer schwere Zeiten, nie leichte Zeiten. Freut euch innerlich am Großen, auch wenn es durch Schweres geht!
In allen solchen Fällen, die unbedingt als eheliche Heilkrisen anzusprechen sind, gibt es nur ein Heilmittel, das aber auch alles zu schaffen vermag. Das ist der unerschütterliche Glaube an den andern, der sich durch nichts irre machen läßt. Der Glaube ist der Sieg über die Welt, wieviel mehr der Sieg in jeder Ehe! Aus solchen Übergangszeiten werden die Ehen nur um so gekräftigter hervorgehen.
Der Lohn der Treue und Liebe, die hier hoffte, wo es oft schien, als sei nichts zu hoffen, ist köstlich. Ist eine Ehe erst richtig ausbalanziert, hat jedes seine klare Stellung gefunden, so finden sich auch die richtigen Angriffspunkte der beiderseitigen köstlichen Menschenkraft. Dann gibt's eine goldige Klarheit, ein herzliches Verstehen und eine innige Hochachtung voreinander.
Das ist die Macht der Wahrheit, die ihren Glanz da ausbreitet, wo man ihr die Ehre gegeben hat und nicht in falscher Weichlichkeit und Bequemlichkeit am endlichen Gelingen verzagte.
Solche Ehen werden unerschütterlich,, eine feste Stätte, an der die Wogen des Lebens anprallen und sich teilen, weil sie sie nicht übermögen. Da wird wirklich Friede und wirklich wahres Glück, wo die Leute mutig diesen Geisterkampf durchgerungen haben. Da kann es kein Unglück mehr geben. Solche Ehen sind auch riesenstark. Was auch immer von außen kommt, wird sie nie umwerfen.
Das sind die Stätten des Glücks auf Erden, wo es allen wohl wird, die sie betreten. Von ihnen leuchtet Leben und Freude weithin. Wer näher zusehen würde, würde sich wundern, daß solches Glück erst aus so viel Unglück, Schwerem und Kämpfen errungen wurde.
Eine Ehe muß ihr Glück immer von neuem gebären. Darum fehlen ihr auch nie die Geburtswehen.
Die sogenannten unglücklichen Ehen tragen in sich den verborgenen Keim wahren Glücks. Die sogenannten glücklichen sind oft genug verdeckte Minderwertigkeit.
Es gibt keine größere Seligkeit auf Erden als eine Ehe mit erkämpftem Glück. Es gibt kein Glück und keine Seligkeit, die nicht dem Leid abgerungen wurden.
Wer also in die Ehe tritt, mache sich auf sehr Schweres gefaßt. Jeder Mensch soll wissen, daß er nicht das leiseste Recht auf Glück hat, weder in seinem Planetenleben überhaupt noch in seiner Ehe. Wer heiraten will, darf vor keinem Unglück erbeben, sondern muß den festen Willen haben, als Mensch dem Leben das Leben abzuringen.
Die Ehe ist zuerst Kampf, nicht Seligkeit, wie ein chemischer Vorgang, der mehr oder weniger stürmisch verläuft. Aber sie vermag ein Glück zu geben, das jede bequeme Ehelosigkeit weit zurückläßt, einen Himmel auf Erden zu schaffen, der die Heimat des wahren Menschen ist, denn sie schafft wahre Menschen.
Überall ist die Natur gleich. Es gibt einen Kampf ums Dasein überall. Der große Darwin hat darauf hingewiesen. Aber er sah nur eine Seite. Die bedeutsamere Seite ist die Hilfe im Dasein, die auch die ganze Natur durchzieht. Das Nein und Ja des Lebens.
Die Hilfe im Dasein ist die stärkere Kraft, die aufbauende. Sie ist's, die die Ehen der Geister ermöglicht.
Von dem Augenblick der Hochzeit an, sind zwei Schicksale so fest aneinander geschmiedet, daß eines ohne das andere weder wahrhaft glücklich, noch unglücklich sein kann. Es gibt kein einseitiges Glück oder Unglück mehr.
Es werden wohl selten Ehen ohne alle Liebe geschlossen. Darum brauchen wir davon gar nicht viel zu reden. Würden sie ohne Liebe eingegangen, so wäre damit das Unglück noch lange nicht besiegelt. Die Liebe, deren Eheleute wirklich bedürfen, wird nicht mitgebracht, sondern erworben.
Aber die mitgebrachte Liebe hilft uns in dem Kampfe ums Dasein. Mit wem würde man wohl einen so hohen Einsatz wagen, wenn nicht mit einem innig geliebten Menschen?
Es wird bald auch minder denkenden Menschen deutlich, daß alles Gute, das sie auf den andern häufen, eine Vermehrung des eigenen Wohlbehagens ist.
Ein Weib ohne Mann ist wie eine rankende Pflanze, die keinen Stützpunkt hat. Sie lebt und wuchert auch, aber zur vollen Geltung kommt sie nicht. Es fehlt etwas. Und ein Mann ohne Weib ist noch schwieriger dran. Abgesehen davon, daß ihm die Hilfe im Dasein fehlt, verroht er leicht. Der erzieherische und veredelnde Teil der Menschheit bleibt das rechte Weib. Ohne Weib können nur Geistesriesen auskommen. Andere, die es versuchen wollen, bekommen – Weiber. So hoch das Weib den Mann hebt, so sehr erniedrigen ihn Weiber.
Wenn also der Kampf ums Dasein uns Selbstbehauptung auferlegt, so veranlaßt uns die Hilfe im Dasein ebenso zur Selbstverleugnung und Stütze des andern.
Das sind nicht ausschließende, sondern ergänzende Gegensätze. Sie werden auch ganz leicht von jedermann verstanden, wenn auch von den meisten mehr unbewußt durchgefühlt, weil sie Naturgesetze sind, die in uns liegen und durch uns zur Auswirkung kommen.
Es wäre aber gut, wenn die Menschen etwas mehr davon wüßten und bewußt handelten. Denn sie sind Geister.
Die Hilfe im Dasein umfaßt naturgemäß die bekannten drei Gebiete, in denen wir uns bewegen, die Körperwelt, die Empfindungswelt und die Gedankenwelt.
Das Weib hat hier wieder den glücklichen Vorzug, das Rechte zuerst zu empfinden, während der Mann das Erkannte klar und kraftvoll durchführen muß. Ganz von selbst empfindet das Weib, daß es die Aufgabe hat, körperlich den Mann zu pflegen, für seine rechte Ruhe und zuträgliche Nahrung zu sorgen und ihn vor äußerlicher Vernachlässigung zu bewahren.
Ein Weib, das hier den rechten Weg findet, und den meisten ist er gar nicht schwer zu gehen, wird bald unentbehrlich sein und eine solche Bedingung für das Dasein des Mannes, daß er auch Schweres mit in Kauf nimmt. Es wäre also das unklügste, was ein Weib tun kann, wenn sie die Herrschaft über Küche und Haus aufgäbe. Das heutige Weib soll aber nicht darin aufgehen, Köchin zu sein – es hat wahrhaftig mehr zu tun – aber Nahrungskünstlerin muß sie werden, wenn sie eine wahre Hilfe sein will.Vergl. darüber Ausführliches in Lhotzky »Leben«, Band IV, S, 88ff.
Es ist eigentlich etwas ganz Unmögliches für unsere Zeit, daß Köchinnen gedankenlos nach Urväter Weise fortkochen, während unsere hellsten Köpfe und fleißigsten Forscher die Wissenschaft vom Aufbau des menschlichen Körpers und der Zusammensetzung der nötigen Nahrungsmittel zu noch nicht dagewesener Höhe gebracht haben. Darin soll sich das rechte Weib von der Köchin unterscheiden, daß sie das Denken und Wissen auch in die Küche verpflanzt und nach dem Grade ihrer geistigen Fähigkeit Nahrungskünstlerin wird.
Wir haben das auch erlebt im großen Weltkrieg, als die Lebensmittel in Deutschland knapp wurden, weil England uns aushungern wollte. Da half die deutsche Frau daheim siegen und wußte zu ernähren, wo die Nahrungsmittel fehlten. Da wurde dieser vielfach als stumpfsinnig gescholtene Dienst befriedigend und beglückend. Heil der deutschen Frau!
Wer seinen Ehegatten liebt und pflegt, der liebt und pflegt sich selbst. Das erlebt die Frau tausendfach.
Schwerer ist's für den Mann, den rechten Weg zu gehen. Ihm fehlt oft das richtige Empfinden für das Weib.
Ein Weib bedarf großer Schonung. Ist der Mann pflegebedürftig, so ist der weibliche Körper schonungsbedürftig. Wer eine Ehe schließt, um sinnliche Befriedigung zu finden, dürfte sich schwer verrechnen. Es gibt Ehemänner und nicht wenige, die größere Enthaltsamkeit üben, als viele ahnen, noch mehr, die sie üben sollten.
Was bei der Frau unter der Anklage von Launen und Eigensinn steht, ist meist weiter nichts als der Schrei nach Schonung. Eine Menschenehe ist wirklich keine Tierehe, deren Gewicht im Sinnlichen liegt, sondern eine Veredelung der lebendigen Schöpfung, deren Ziel nach Freiheit im Geiste strebt. Darüber muß oft das Sinnliche gewaltig ins Hintertreffen kommen.
Die scharfen Züge, die ein vorzeitiges Altern der Frau in der Ehe aufprägt, sind in der Regel eine beredte Anklageschrift gegen einen verständnislosen Mann. Ich glaube nicht, daß ein Weib an sich schneller altert als ein Mann, aber wer sein Weib nicht schont, darf sich nicht wundern, wenn sie allzu schnell verblüht. In der rechten Pflege kann ein an sich gesundes Weib niemals ihre Reize verlieren. Sie wechseln vielleicht mit den Jahren und werden andere, aber größere.
Daß die Männerwelt hier bisher noch nicht das ABC begriffen hat, lehrt ein einziger Blick auf die verheirateten Frauen. Welche schmerzliche Tragik offenbart sich nicht hier! In vielen Ehen scheint es, als ob ein Teil – in der Regel ist's wieder der Mann – sich auf Kosten des anderen nährte und seinen Kräftezuwachs nur der Kräfteentziehung des andern dankte.
Ein blühender Mann ist die Ehre des Weibes, aber ein blühendes Weib die Krone des Mannes.
Wer Ehegatten sind, das sieht der erfahrene Beobachter erst, wenn er beide kennt. Die heute so erschreckend verbreitete Krankheit der Hysterie bei Männern und Frauen hat ihre sehr bestimmte körperliche Grundlage.
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Höher noch und verborgener als die körperliche Welt steht die Empfindungswelt. Es ist schon öfter betont worden, daß das Weib dem Manne an Empfindung weit überlegen ist. Darin liegt auch seine Gefahr.
Es ist gut, zartes, richtiges Empfinden zu haben, aber nichts bringt das Weib so leicht aus Rand und Band, als ein nur geringes Übermaß von Gefühl. Da bedarf es des Mannes, der von Haus aus viel unempfindlicher ist, um im Gleichgewicht zu bleiben. Er wird ihm eine wertvolle Ergänzung sein.
Freilich gibt es Männer genug, die gerade darauf ausgehen, das weibliche Gefühlsleben aufs höchste anzuspannen und dann meinen, diese seelische Überreizung bedeute einen Fortschritt für das Geistesleben des Einzelnen und der Menschheit.
Namentlich unter Menschen, die aufrichtig Höheres, Geistliches suchen, finden sich hier leicht Abwege. Das Göttliche, das keineswegs dasselbe ist wie das Religiöse, ist eigentlich eine Lebenskraft, die uns ebenso geistig wie körperlich hebt und belebt. In seiner Einfachheit hält es auch vor dem kühlsten Denken stand wie vor dem heißesten Empfinden. Aber viele haben nun einmal diese Gotteskraft nicht und suchen sie dann zu ersetzen, indem sie die Gefühle erhitzen und das Empfindungsleben steigern.
Für solches Tun bietet das Weib naturgemäß die weitaus größeren Angriffsflächen. Daher war von jeher die Frauenwelt der Stützpunkt aller religiöser und religionsähnlicher Gebilde, besonders solcher, die nicht verstanden, die nötige Nüchternheit zu bewahren. Gerade sie gingen oft bewußt darauf aus, mit Hilfe einer Weiberherrschaft auch die Männerwelt in ihre Netze zu bekommen. Daß es heute nicht an solchen Abwegen mannigfachster Art fehlt, ist zu bekannt, um besonders angeführt zu werden. Das Altertum, das vorchristliche sowohl als auch das christliche, kannte die gleichen Nöte. Schon Paulus hat seiner Zeit Klage über solche Kniffe geführt, weil hier unklare Gefühle mit wahrem Geiste verwechselt wurden.
In solchen Nöten bedarf das Weib dringend des eigenen Mannes, der ihm in seiner leichteren Entzündbarkeit zu Hilfe kommt. Gerade hier leistet die Ehe oft Großes und wirkt bewahrend. Das Weib ist dem Manne eine unschätzbare Gehilfin, die sein kühleres Denken erwärmt und seinen oft herben Ernst mildert, will aber ihre Empfindung überschäumen, da dämmt der Mann sie ein durch sein ganzes Wesen und hält die edle Weibeskraft zusammen. So findet auch das Weib am Manne seinen Maßstab, der ihm die rechte Zurückhaltung aufnötigt.
Auch auf seelischem Gebiete schafft die rechte Ehe Wunder der Herrlichkeit.
Die seelische Ergänzung von Mann und Weib bringt oft unbeschreiblich Rührendes zuwege. Dieses Zusammenklingen der verschiedenen Töne wirkt beglückend und schafft in den Häusern eine Traulichkeit, wie nur eine Ehe sie leisten kann.
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Bis zu seelischer Einstimmigkeit können es heutige Ehen wohl bringen, soweit sie nicht im Kampfe ums Dasein schon untergehen. Ich habe sie in vielen Häusern des niedersten Volkslebens ebenso gefunden wie in den Palästen der Reichen und Großen.
Aber eine Ehe vermag weit mehr zu leisten. Sie ist ein Zusammenarbeiten zweier Geister, und Geister stehen unendlich hoch über den Gebieten der Empfindungswelt.
Mann und Weib ergänzen sich geistig noch viel schöner als bloß seelisch. Der rechte Mann schafft neue Werte durch sein Denken. Jedes Menschenwerk ist ein verstofflichter Gedanke, und Werke zu tun, ist Mannesdrang und Mannesaufgabe.
Das Weib ohne Mann hat in sich etwas Erhaltendes, Ausbauendes, während der Mann vorwärts drängt. Allein sobald das Weib einer starken Kraft im Geistigen begegnet, ist sie es gerade, die sie zur vollen Entfaltung ermutigt. Sie gibt oft genug den Anstoß, während der Mann langsam, aber weit gründlicher als die Anregung war, die Sache hinausführt.
Wie der Mann körperlich das Weib befruchtet und zum Schaffen ganz neuer Wesenheiten anregt in langen schweren Monaten des Unbehagens und körperlicher und seelischer Arbeitsleistung, so ist's auch häufig das Weib, das den Mann geistig befruchtet und durch hingeworfene Gedanken und Anregungen sein jahrelanges Ringen um neue Werte, sein Anspannen aller Kräfte veranlaßt. Nicht wenige große Männer verdanken den Anstoß zu ihrem besten Schaffen dem Weibe.
Es vermindert den Wert der Leistungen des Mannes nicht, wenn es ihm in seinem Schaffen unmittelbares Bedürfnis ist, irgendein weibliches Wesen als Werkgenossin zu haben, die sein Wirken immer neu anregt. Aber diese Freundin sollte die Ehefrau sein. Nur sie kann es recht sein. Schrecklich, wenn eine unglückliche Ehefrau, die des Lebens Last und Mühe mittrug und trägt, wegen geistiger Unzulänglichkeit zusehen muß, wie eine fremde Frau die eigentliche Gehilfin ihres Mannes wird! Aber andrerseits, welches unbeschreibliche Glück, wenn gerade Eheleute einander gegenseitig geistige Kräfte zuführen. Diese arbeiten miteinander und wachsen über dieser Kraftentfaltung aneinander, und solches Wachstum am inneren Menschen ist die beseligendste Seite der Ehe.
Dieser wahren Gemeinschaft des Geistes streben von Haus aus beide Ehegatten zu. Aber sie wird nur zustande kommen, wo auch der Kampf ums Dasein mutig und furchtlos aufgenommen wird, auch wenn er schwer und stürmisch verlaufen sollte.
Der Lohn für die mutige Selbstbehauptung und rechte Eingliederung beider Ehegatten ist dann eine Daseinshilfe, der nichts an Wert gleichkommt, was die Welt sonst zu bieten hat.
Auch wenn solche Ehen nur Ausnahmezustand sein sollten, würden sie den Beweis liefern, daß Mann und Weib in unendlich zarter und inniger Weise ergänzend aufeinander angelegt sind. Das ist viel tiefer und weiter als ein Eheloser ahnen kann. Diese Ehen sind aber glücklicherweise viel häufiger als die Menschen wissen. Das kommt daher, weil die glücklichen Besitzer kein Wesens davon machen.
Wo man viel von Eheglück spricht und schreibt, fehlt es in der Regel, wo es ist, da findet man gar keine Worte, hat auch kein Bedürfnis für Worte, weil man erlebt. Nur die Armut sinnt und spricht über den Reichtum, der Reichtum hat und schweigt.
Welche Worte vermöchten wohl die Herrlichkeit der Ehe wiederzugeben! Sie kann wie alles Göttliche nur verstanden werden durch Erleben. Ist's zu verwundern, wenn das Größte, was es gibt, nicht ohne weiteres da ist, sondern in jahrtausendelangem Ringen erworben werden muß? Je größer ein Gut ist, desto empfindlicher sein Mißbrauch. Wären alle Ehen der Welt unglücklich, so müßte man immer neue Ehen schließen, um die wahre herauszuarbeiten. Sie ist der Menschheit unentbehrlich, denn sie ist die wahre Hilfe im Dasein!
Die Aufgaben, die eine Ehe stellt, sind so bedeutsame und erfordern so sehr alle Kraft der Beteiligten, daß sie nur gelöst werden können, wenn die jungen Leute sich selbst ganz allein überlassen sind.
Schon deshalb ist es wünschenswert, daß sogar Dienstboten tunlichst ausgeschlossen sind. Das ist natürlich nur möglich, wenn der Haushalt aufs einfachste begonnen wird. Alle Dingwerte reichen ja entfernt nicht heran an die Geisteswerte, die eine Ehe schaffen soll.
Man darf nie vergessen, daß in jeder Ehe Lebenskeime der Menschheit verborgen liegen. Keime aber bedürfen der Verborgenheit und dürfen weder mit Händen, noch Blicken, noch Worten betastet werden, wenn sie gedeihen sollen. Sind sie erwachsen, dann kann man sein Haus weit öffnen und Lebensströme ein- und ausfließen lassen. Zum Werden gehört Stille und Abgeschlossenheit.
Es sind also alle Hausfreunde, Anverwandte und Gäste tunlichst auszuschließen, bis der Kampf ums Dasein einigermaßen zur Klärung gekommen ist. Namentlich Hausfreunden, die an dem jungen Glück mitgenießen wollen, kann nicht dringend genug geraten werden, das Glück lieber selbst zu gründen und zu erproben.
Ich würde jungen Eheleuten sogar dringend raten, sich von dem, was man Geselligkeit nennt, tunlichst zurückzuhalten, ehe sie sich miteinander befriedigend eingelebt haben. Diesen Zeitpunkt können nur sie richtig empfinden. Es sollte daher jede vernünftige Gesellschaft jungen Ehen die weitgehendste Schonzeit zubilligen, ehe sie den menschenmordenden Anspruch erhebt, sie in ihren Strudel hineinzuziehen.
Der Ehegatte ist des Gatten bester Freund, der einzige, der sein Leben für ihn opfert und steht ihm tausendmal näher als alles, was auf diesem Planeten Gesellschaft heißt. Mit der Gesellschaft zu verfallen, das ist erträglich, mit dem Ehegatten, ist's unerträglich. Darum suche man die Gesellschaft erst dann auf, wenn daheim alles klar und richtig läuft. Sonst kommt man in Gefahr, daß die fremde Gesellschaft das traute Heim zerstört oder in seiner ruhigen Entwicklung schädigt.
Ebenso sollten sich die beiderseitigen Verwandten tunlichste Zurückhaltung auferlegen. Junge Leute werden immer mit guten Ratschlägen seitens älterer Anverwandter überschüttet.
Merke: Guter Rat ist immer teuer. Ratschläge, die billig und unentgeltlich angeboten werden, sind offenbar entwertet. Warum sollst du verwerten, was kein Mensch mehr brauchen kann?
Eine Ehe ist das Zusammentreffen zweier ganz eigenartiger Geister. Das ist an sich schwer genug. Aber das Dreinschwätzen dritter Leute ist unerträglich.
Unendlich viele Ehen sind schon durch die wohlmeinende Beratung dritter Menschen zerstört worden, besonders solcher, die selbst keine oder keine vernünftige Ehe geführt haben. Immer fühlen die das größte Bedürfnis, Fragen zu erörtern, die selbst Fragen nicht lösen können.
Woher stammt die Masse der Erziehungsbücher? Von Menschen, die Kinder nicht erziehen können. Wer schreibt über die Frauenfrage? Meistens Leute, die mit Frauen nicht vernünftig umzugehen verstehen. Wer verfaßt die politischen Leitartikel? Vorwiegend Menschen, von deren Rat kein Politiker sich leiten lassen wird.
Also hütet eure junge Ehe vor allen und jeden Ratschlägen. Wenn ihr aber doch nicht weiter wißt, so nehmt nur den Rat an, der teuer ist und schwer zu erlangen. Erfahrene Menschen sind in nichts so zurückhaltend, als in der Einmischung in Ehen.
Namentlich Schwiegereltern sollten der jungen Ehe ihrer Kinder fernbleiben. Sie hatten wahrhaftig Zeit genug, ihren Einfluß geltend zu machen, während die Kinder heranwuchsen. Wurden sie da nicht befriedigend fertig, so sind sie im weiteren Leben Schädlinge, die störend wirken.
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Weit schwieriger und eine Ehe gefährdender als die Einmischung von außen ist es, wenn junge Ehen genötigt sind, dritte Menschen ganz bei sich aufzunehmen und wohnen zu lassen.
Es läßt sich das oft nicht vermeiden. Namentlich Eltern empfinden oft das Bedürfnis, bei ihren Kindern Wohnung zu nehmen. Zuweilen fordern es die Umstände des Lebens gebieterisch. Wo man es aber irgendwie anders einrichten kann, sollte es geschehen, wenigstens in den ersten Jahren der werdenden Häuslichkeit.
Am erträglichsten dabei sind Schwiegerväter, die als Witwer zuweilen bei Kindern Wohnung nehmen müssen. Sie sind in einem Alter, in dem der Mann in der Regel der Ruhe bedarf, auch keine Lust hat zur Einmischung in fremde Angelegenheiten.
Schwerer ist's schon mit der Mutter der Frau. Aber meistens freut sie sich so des erworbenen Sohnes, daß zwischen ihnen leicht ein freundliches Verhältnis erwächst. Ganz unerträglich ist die Mutter des Mannes, auch wenn sie noch so musterhaft ist. Ihr wird's eine junge Frau nie recht machen können, weil sie's anders macht. Ein alter Mensch findet sich nicht mehr in ein ungewohntes Wesen hinein.
Ich wüßte jede Ehe wenigstens zehn Jahre lang am liebsten ohne Schwiegermutter. Welche es auch sein mag, sie stärkt in dem unausbleiblichen Kampfe ums Dasein irgendeine Seite und erschwert es der andern, so daß dieser Kampf in falscher Weise zum Austrag und zuweilen lebenslang nicht zur Ruhe kommt. Es ist so unendlich wichtig, daß die zwei beteiligten Geister die rechte Stellung zueinander finden, daß auch die leiseste Einmischung Dritter störend ins Gewicht fallen muß.
In vielen Ehen stehen die jungen Leute in ihrer Unerfahrenheit den oft schweren und schmerzlichen Erlebnissen ganz rat- und hilflos gegenüber. Sie meinen dann, sie hätten keinen Ausweg, als dritte Menschen, zu denen sie freiwilliges Vertrauen haben, zu Rate zu ziehen.
Diesen möchte ich aber doch sagen: Eure Unerfahrenheit und Ratlosigkeit schadet gar nichts, das ganze Leben wird nur von Unerfahrenen angetreten und erlebt und enthält gerade die Aufgabe, den Weg aus dem Irrsal des Seins selbst zu finden.
Auch für euch ist nichts so wichtig, als daß ihr euch allein zurechtfindet. Ihr könnt's, mag's auch noch so unmöglich scheinen. Auch die erfahrensten und wohlwollendsten Menschen stecken doch nicht in euren Schuhen und, um raten zu können, müssen sie in Innerlichkeiten hineinsehen, die jedem fremden Auge um der Selbsterhaltung der Ehe willen besser entzogen bleiben.
Das soll man bedenken, ehe man so gefährliche Schritte unternimmt. Will man's aber dann doch tun, so mag man's wagen. Aus meiner Erfahrung kann ich mitteilen, daß es mir doch zuweilen möglich geworden ist, Eheleuten den Weg zueinander zu erleichtern.
Ganz drollig habe ich immer gefunden, daß das Gesetz solchen Ehen gegenüber, die verkrachen wollen und schon staatliche Hilfe zur Lösung anrufen, noch einen feierlichen Sühneversuch vor dem Geistlichen verordnet.
Eine Ehe, die zum behördlichen Sühneversuch gelangt, ist schon verloren. Ich zweifle nicht, daß in edelster und aufopferndster Weise den jungen Leuten zugesprochen wird. Aber was vermag eine Stunde, auch wenn es eine Stunde tiefster Rührung ist, gegen das erbarmungslose Beisammensein Tag und Nacht, das die Gegensätze immer wieder aufs schärfste herausstellt!
Weder behördlich angeordnete noch freiwillige Sühneversuche vor dritten Leuten vermögen zerspringende Ehen zusammenzuleimen. Wenn's die Geister der zwei nicht selbst vermögen, kann ihnen niemand helfen.
Zur Steuer der Wahrheit muß ich übrigens sagen, daß es in ganz einfachen Verhältnissen doch zuweilen gelingt, eheliches Unheil zu beschwören. Hatten wir da einen alten Oberschulzen, der in der guten alten Zeit noch mit mancherlei Vorrechten ausgestattet war, die ihm eine neuere entzogen hat. Wenn bei dem Sühnetermin war, pflegte er die jungen Leute schweigend anzusehen. Dann sagte er: Ihr könnt euch also nicht vertragen? »Nein.« Nun dann muß ich versuchen, euch auszusöhnen. Dann saßen die zwei bei Wasser und Brot 24 Stunden lang beisammen. Darauf neues Verhör. »Wollt ihr euch nun vertragen?« Im Verneinungsfalle neues Sitzen bis zu 72 Stunden. Der Wackere berichtete gelegentlich, er könne sich eines Mißerfolges kaum entsinnen. Meistens sähen die Leute schon nach 24 Stunden nicht ein, warum sie eingesperrt sein sollten, statt in der Freiheit herumzulaufen und vertrügen sich. In diesem Falle wurden sie ohne weiteres befreit. Es kam aber bald eine Rechnung, die behördlich eingezogen wurde. Mit ungelenken markigen Schriftzügen stand darauf: »For einen Sienefersuch 5 Rubel.«
Das war gut in der alten Zeit. Die Ehe heute würde diese Weise schwer ertragen. Sie ist zarter geworden, und das ist auch gut.
Jeder Eingreifende verschiebt die Bedingungen im Kampfe ums Dasein. Wenn dieser Vorgang nicht richtig verläuft, verkümmert das Ganze.
Soviel ist ganz gewiß, daß der Ehegatte dem Ehegatten die zuverlässigste Stütze im Leben ist. Vielleicht ist die Liebe nicht so groß, aber die Vorteile beider sind die gleichen. Wer den Ehegatten schädigt, schädigt sich selbst und umgekehrt. Keinem Menschen auf der ganzen Welt ist unsere gegenseitige Verständigung so ein Glück wie uns selbst. Im Vergleiche mit dem Ehegatten ist jeder dritte Mensch ein Fremder, der besser ausgeschaltet wäre, jedenfalls nicht ohne reiflichste Erwägung zuzuziehen ist. Wer also seine Ehe und sein Leben erhalten will, der schließe aufs sorgfältigste alle dritten Leute aus.
Etwas leistet die Ehe nicht, was viele von ihr erwarten, worin viele den eigentlichen Zweck der Ehe sehen. Sie vermag nicht, aus zwei Geistern eine neue in sich geschlossene Einheit zu schaffen.
Immer bleiben es zwei Geister, die sich zusammenfanden. Sie können sich in Vielem ergänzen, aber nie zu Einem verschmelzen. Daran allein sieht man, daß jede Ehe nur auf Zeit geschlossen ist und keine Bedeutung für die Ewigkeit hat.
Wenn man jung ist, hat man im Überwallen der Gefühle den Wunsch und den Eindruck der Möglichkeit, restlos ineinander aufzugehen, aus zweien einer zu werden. Das ist aber unmöglich. Sogar die Bibel verspricht uns bloß, daß die zwei Ein Fleisch sein werden, aber nicht Ein Geist.
Auch wenn wir unser Inneres so weit öffnen als irgend möglich und den andern die weitgehendsten Einblicke tun lassen, im tiefsten Wesen sind wir doch unerschließbar, und unser Eigenes können wir mit niemand teilen.
Es gibt Menschen, die sind so leer und seicht, daß man meint, sie auf einen Blick zu ergründen. Das ist aber nur scheinbar. Bei solchen ist die eigentliche Tiefe noch nicht erschlossen. Ich war einmal im Kaukasus in einer eigenartigen Felsenhöhlung. Darin war ein mächtig großer, schwefelgelber See. Handhoch stand das Wasser über dichten gelben Schwefelmassen. Mir schien das Ganze nicht sehr wunderbar, und ich wandte mich zum Gehen. Da sagte jemand zu mir: Wissen Sie auch, daß der See unermeßlich tief ist? Noch nie ist es gelungen, einen Grund in diesem flachen Wasser zu finden.
So ist der Mensch. Nie wird man seine letzte Grenze finden. Auch bei den Beschränktesten nicht. Das ist gut so. Viele würden ihr Bestes verschenken oder darum betrogen werden, und ihr Sein würde vernichtet.
Das ist alles unmöglich. Was auch immer der Mensch verlieren kann, und wenn es auch sein ganzes Sein auf diesem Stern in Frage stellt, es ist doch nur unbedeutend im Vergleich zu unserem unnahbaren tiefsten Wesen. Kein Mensch kann an irgend einen andern seinen letzten Wert verlieren, selbst nicht, wenn er möchte. Der Mensch ist so unberührbar, daß auch der Liebste nicht an ihn reichen kann.
Die Verschmelzung zweier Geister erscheint unserem Denken als höchste Wonne des Lebens. Aber gerade sie bleibt uns ewig versagt. In jungfräulicher Ferne bleibt Geist vom Geiste, wie die Sterne, die sich nie berühren.
Die Ehe ist ein Doppelgestirn, aber unermeßliche Fernen liegen zwischen den Strahlkörpern.
Daraus folgt, daß keiner des andern Eigentum werden kann. Niemand, auch der Ehegatte nicht, hat Eigentumsrechte über den andern. Wo sie wirklich geltend gemacht werden sollten, treffen sie nur eine unwesentliche Äußerlichkeit.
Ehegatten sind ebenso wie die Kinder, wie alle Menschen völlig freie, gleichwertige, aber verschieden geartete, von einander ganz unabhängige Geister.
Das mag auch ein Trost sein für eifersüchtige Ehefrauen. Ihre Gatten, über deren Eigentumsrecht sie so ängstlich wachen, können niemals andern angehören. Aber freilich ihnen selbst auch nicht. Sie werden aus naturgeschichtlichen Gründen ihr Eigentumsrecht niemals ausüben können. Darum ist's besser, alle eifersüchtigen Regungen lieber gutwillig zu unterdrücken. Wer gegen die Natur angeht, zerreibt sich selbst.
Es soll das auch ein Trost sein für zertretene Menschen. Euer Bestes hat euch niemand zu rauben vermocht, und euer tiefstes Sein ist ein unveräußerliches und unschätzbares Kleinod, ein Lebensborn, der so tief er verschüttet sein mag, dennoch so unerschöpflich ist, daß er allen aufgeschütteten Unrat wegzuschwemmen vermag. In einer schutzlosen Welt ist ein Geisterschutz errichtet, der unüberschreitbar, unzerstörbar ist. »Ihr seid Götter« sagt einmal bedeutsam die Bibel. Diese Wahrheit ist unerschütterlich, aber auch unerschöpflich.
Natürlich hat sie auch ihr Unbequemes. Die Wahrheit ist nie bequem, immer furchtbar ernst. Die Unverschmelzbarkeit der Ehegatten ist Anlaß und dauernde Ursache im Kampfe ums Dasein.
Die meisten wissen ja nicht, um was sie kämpfen, und was sie quält. Nur wenigen geht überhaupt die Wahrheit darüber auf, und denen sie aufgeht, die haben ihre ganze Bitterkeit an ihrem eigenen Sein erprobt. Umsonst ist nichts in der Welt, am wenigsten eine Erkenntnis.
Der Kampf ums Dasein ist weiter nichts als der Kräfteausgleich der Geister, der um so heftiger sein wird, je reicher sie sind. Aber nie, in Ewigkeit nicht können zwei ein neues Gebilde werden. Sie bleiben ewig unvermischt, können nur zeitlich an einander gepaßt werden. Eins sein im Geiste hebt nie die Verschiedenheit auf, sondern vertieft sie.
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Die wahre Ehe ist ein freiwilliger Verzicht aufeinander. Wer den andern für sich zu fesseln trachtet, wird ihn um so gewisser verlieren, wer ihn fortwährend freigibt, wird ihn fürs Leben gewinnen.
Die meistens natürlich unbewußte Dankbarkeit der Geister, die ihre Hoheitsrechte von andern geachtet fühlen, erzeugt mit der Zeit die tiefe eheliche Liebe, mit der die Glut der ersten Berauschung nie verglichen werden kann. Sie ist tiefer, inniger, unvergänglich. Wenn Eheleute sich oft und lange oder überhaupt nicht verstehen können, so brauchen sie nicht zu denken, daß eine andere Verbindung für sie besser wäre. Nirgends werden sie finden, was sie für sich ersehnen, Besitz des andern. Das beste Mittel, zerspringende Ehen zu heilen, sind nicht Auseinandersetzungen oder gar Sühneversuche, sonder die eigenen ernsten Bemühungen, das Wohl des andern zu suchen und seine Hoheit zu achten. Unzuträglichkeiten sind meistens die Folge von Gebietsüberschreitungen.
Die Ehe ist und bleibt unsere ernsteste und schwierigste, aber auch köstlichste Lebensaufgabe. Die drolligsten Menschen sind diejenigen, die nach außen wirken wollen, die Menschen zu bessern und zu bekehren und mit dem eigenen Ehegatten nicht fertig werden.
Die Ehe hebt also die tiefe Einsamkeit der Geister nicht auf. Sie bringt sie zum Bewußtsein und vertieft unsere Erkenntnis der Wahrheit.
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Schon deshalb ist es gut, sich nicht allzusehr aneinander zu klammern, weil ja kein Mensch weiß, ob nicht der Tod die Ehe löst. Manche Menschen kommen dann über den Tod des Ehegatten einfach nicht hinweg. Das ist immer ein Zeichen, daß ihre Stellung zu einander falsch war. Sie verstanden nicht die Einsamkeit in der Gemeinsamkeit.
So schmerzlich vielen es sein mag, sollte doch die Frage uns immer beschäftigen: Was werde ich tun, wenn ich allein bleiben sollte? Und die andere: Was wird mein Gatte tun, wenn er allein bleibt?
Wer so fragt, wird immer seine inneren, aber auch äußeren Angelegenheiten in Ordnung zu halten suchen. Solchen wird's nicht geschehen, daß sie etwa ohne Testament oder irgendwelche äußere Fürsorge sterben und die Familie in innerer und äußerer Ratlosigkeit zurücklassen. Wer das tut, hat eine große Hauptsache nicht verstanden. Solche Versehen können den Tod überaus bitter machen.
Zwei Geister können nie verschmelzen. Daraus folgt auch, daß jemand, der das Unglück hat, durch den Tod seinen Ehegatten zu verlieren, voll berechtigt ist, ohne weiteres an eine neue Ehe zu denken.
Eine Treue über das Grab hinaus kann unter Umständen sehr gefährlich werden. Eine Verpflichtung dazu, von welcher Seite und in welcher Form sie kommen mag, ist geradezu verwerflich. Ich halte es z. B. für schändlich, wenn das Eingehen einer neuen Ehe mit Vermögensnachteilen aus der alten testamentlich geahndet wird. Will jemand aus innerem Müssen heraus, äußerlich ganz ungezwungen, keine neue Ehe eingehen, den soll man ehren und jedenfalls unbehelligt lassen. Ich aber sage solchen, und ich weiß, warum ich's tue: Hütet euch, daß ihr über eurem Toten nicht die Lebendigen verliert. Dem Toten könnt ihr nicht helfen durch eure Haltung, euch selbst aber schwer schaden und euren Nächsten leicht schweres Unrecht tun.
Das Andenken des entschlafenen Ehegatten kann ja nie verwischt werden durch eine neue Eheschließung. Der neue Ehegatte wird nie im gleichen Verhältnis zu uns stehen, wie der entschlafene, sondern in einem grundanderen, weil alle Geister verschieden sind. Er wird so wenig mit uns verschmelzen, wie der erste.
Ich habe daher niemals die tiefe Entrüstung begreifen können, mit der in gewissen Kreisen Verwandter und Bekannter jede folgende Eheschließung begleitet wird und verstehe auch nicht, weshalb jahrelange Pausen verlangt werden für Dinge, die auch ohne Pause gar nicht anders werden können, als die Natur vorschreibt. Alle so tief Entrüsteten verstehen schlechthin den Menschen nicht, die Ehe noch weniger.
Vielleicht dient ihnen zum Nachdenken eine kleine Erfahrung, die ich oft gemacht habe. Wir hatten in Rußland die verständliche gesetzliche Bestimmung, daß einem Witwer nicht unter sechs Wochen, einer Witwe nicht unter neun Monaten ein neues Aufgebot zur Wiederverehelichung zu gestatten sei. Aber viele Witwer baten flehentlich, man möge ihnen doch diese lange Wartezeit von sechs Wochen verkürzen. Es geschah auch. Die bäuerliche Wirtschaft machte es so nötig. Wer einer neuen Eheschließung bedarf, den sollte man nicht hindern.
Es ist ohnehin ein Unglück, an eine neue Ehe herantreten zu müssen, um so mehr sollte man dem Betroffenen in herzlicher Teilnahme die Sache erleichtern und ihm Reife genug zutrauen, daß er nach eigenem Ermessen handeln kann, wie es seine Verhältnisse für ihn erfordern.
Wie ein Verwitweter sich zu einer neuen Eheschließung stellt, das geht keinen Menschen etwas an als ihn allein. Sein Leid hat ihn genug gereift, daß er seine Entschließungen selbst treffen kann.
Wer aber nicht wieder heiraten kann oder will, der bleibe auch unbeschwert. Es kommen da so viel Umstände in Betracht, daß kein Außenstehender ein rechtes Urteil hat, am wenigsten eine geschwätzige Verwandtschaft.
Sobald unter den Menschen einigermaßen die Grundzüge der Naturgeschichte der Geister klar werden, wird man auch die Ehe richtig verstehen lernen. Noch ist uns ja das Wesentliche verborgen, denn wir stehen erst am Anfang in der Entwicklung der Geister. Darum fehlt uns auch noch die wahre Ehe und wird einstweilen sehr dürftig, wenn auch mit vollem Rechte durch die Zwangsehe ersetzt. Aber wenn uns hier einmal die rechte Wahrheit aufgeht, wird auch die Zahl der wahren Ehen in erfreulicher und erquickender Weise zunehmen.
Die Ehe ist ein Lebensquell der Menschheit nicht nur leiblich. Ob sie auch nur für die Zeit geschlossen wird, so eröffnet sie doch den Zutritt zu ewigen Wahrheiten.