Fanny Lewald
Diogena
Fanny Lewald

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Mein Leben ging nun seinen ruhigen Gang, wie das Leben aller Neuvermählten. Ich hatte Rosalinde mit mir genommen, da sie durch ihre früheren Liaisons mit Männern der beau monde sich eine gewisse elegante Ausdrucksweise angewöhnt hatte, die sie mir erträglicher machte als andere gewöhnliche Kammerjungfern. Zudem besaß sie aus der Zeit ihrer Seiltänzerkarriere eine große Toilettengeschicklichkeit, war klug und mir mit vollkommener Treue attachiert und hatte wirklich alle Qualitäten einer ausgezeichneten Kammerfrau.

Am Morgen gingen mein Mann und ich an den Brunnen, wo wir unsere Freunde trafen, dann pflegte Bonaventura in das Lesekabinett zu gehen und die Tagespapiere zu durchblättern, auch Lord Ermanby und der Vicomte schlossen sich ihm an. Nur der Fürst besaß den Vorzug eines echten, deutschen Kavalieres, sich nicht im geringsten um die Vorgänge in der Welt zu bekümmern. Die Welt, die Tagesereignisse, Politik und Literatur interessierten ihn nicht; seine Güter verwaltete ein Intendant, seine Revenuen wurden ihm zugeschickt, er fragte nicht um Politik, nicht um Literatur, er lebte ein durchaus müßiges und vornehmes Dasein.

Diese phänomenal aristokratische Natur fing an, mich allmählich zu beschäftigen. Eines Abends kehrten wir um zwölf Uhr von einem Spaziergange in unsere Wohnung zurück. Unsere Freunde hatten uns verlassen, wir waren seit langer Zeit zum ersten Male allein, mein Mann und ich, und ich ließ den Tee in meinem kleinen Boudoir servieren.

Es war ein komfortables, lauschiges Plätzchen. Grüne Weinranken zogen sich zu den geöffneten Fenstern hinein und fielen bis auf den grünen Sammetdiwan, auf dem ich lag. Ich hatte ein weißes Negligé übergeworfen, kleine blaßblaue Atlaspantöffelchen angezogen und lag nun so da, wie eine Nachtviole, die in holder Schönheit bewußtlos blüht, unter dem sanften Strahl des Mondes. Eine Astrallampe mit leichtem Überwurf verbreitete ein mildes Licht, und unter der silberhellen Teevase sprühte die kleine rötliche Flamme, in die ich träumerisch blickte, als Bonaventura hereintrat.

Er sah mich ganz bezaubert an und kniete zu mir nieder. »Wie schön du bist, meine Diogena!« sagte er, »wie schön du bist!« wiederholte er und ergriff meine Hände, die er küßte.

Ich ließ es schweigend geschehen. Bonaventura setzte sich auf den Divan nieder und sprach: »Nimm nur deine Füßchen in acht, daß ich sie dir nicht drücke, denn sie müssen müde sein, meine Diogena! Du bist heute mirakulös umhergewandert, und ich selbst fühle mich fatiguiert.«

Ich legte mich schweigend mehr gegen die Wand zurück, um ihm Platz zum Sitzen zu lassen, da rief er: »Aber Diogena! Warum antwortest du mir nicht, mein Engel! Warum soll ich den süßen Ton deiner Stimme nicht hören?«

»Es gab eine Zeit, in der es dir genügte, mich anzuschauen; eine Zeit, in der du zu erliegen fürchtetest, wenn ich dies Glück noch durch den Zauber meiner Stimme erhöht hätte.«

»Oh, das war damals!« sagte er scherzend, »nun bin ich aber schon an deinen Schönheitszauber gewöhnt, er ist mein eigen geworden, und du kannst mir die süßen Worte deiner Lippen gönnen, ohne Furcht, daß ich vor Seligkeit dir sterbe, so selig du mich machst. Darin besteht ja die Wonne der Gewohnheit, meine Diogena!«

»Ich bitte dich, Bonaventura! Verschone mein Ohr mit solchen Worten, erniedrige mich nicht durch solche Reden. Als ob das Schöne uns nicht ewig neu, nicht ewig entzückend bliebe; als ob Sonne und Mond und Sterne und die Natur uns nicht ewig die gleiche Sensation einhauchten!«

»Sonne, Mond und Sterne wohl, aber vielleicht grade darum, weil sie uns unerreichbar sind, weil sie trotz unserer Sehnsucht, trotz unsers Verlangens nie zu uns herabsteigen. Täten sie dies und würden sie unser eigen wie ein geliebtes Weib, auch der Besitz der himmlischen Gestirne würde uns zu einer süßen, wenn auch unentbehrlichen Gewohnheit werden«, meinte Bonaventura und wollte mich zärtlich in seine Arme ziehen.

Ich machte mich aber mit einer prächtigen Indignation von ihm los und sagte: »Nun, so will ich wenigstens nicht dazu tun, dir zur süßen Gewohnheit zu werden; ich will dir lieber entbehrlich sein, und ich bin es dir schon, denn wir beide verstehen und verstanden uns nie.«

»Diogena! Um der Liebe willen, welche Anwandlung!« rief Bonaventura, ganz foudroyiert von meinem wundervollen Zorn.

»Nein, nein, Bonaventura!« sagte ich und schüttelte schmerzlich lächelnd mein Haupt, indem ich die rosigen Händchen abwehrend gegen ihn bewegte, »täusche dich nicht, du liebst mich nicht, ich weiß es. Du ermüdest an meiner Seite.« –

»Aber Diogena! Wer kann wie du Strapazen ertragen, die den stärksten Körper vernichten müßten. Du hast heute zwei Stunden am Morgen promeniert mit dem Vicomte, dann bist du in brennender Sonnenhitze nach Karlsruhe gefahren, die Museen in Augenschein zu nehmen, hast das Schloß, die Bibliothek, die indifferentesten Kirchen durchwandert. Heimgekehrt, bist du auf die Iburg zu einem Déjeuner geritten, dann zu Fuß hinabgegangen. Wir haben in dem wüsten Menschengewühle des Hôtel d'Angleterre diniert, haben einen langen Ritt über Lichtental hinaus in die Berge gemacht, zwei Stunden im Salon der Fürstin Orzelska getanzt, und schon, als wir nach Hause fuhren und ich vor Ermüdung zusammenbrach, hat deine üble Laune ihren Anfang genommen. Wohl dir, daß du trotz deiner Irritabilität und Nervosität dergleichen Fatiguen täglich erdulden kannst, ich kann es nicht und will es nicht, und niemand kann das.«

»Der Fürst Callenberg kann es dennoch«, warf ich hin.

»Weil er nur ein Körperleben führt, nicht denkt, nicht fühlt und durch dies wahnsinnig leere Treiben nicht zu Tode gelangweilt wird wie ich.«

»Und was denkst du?« fragte ich.

»Ich denke, daß ich dich davon erlösen, dich einer edlen Weltanschauung entgegenführen muß, weil ich dich liebe, Diogena! Weil ich nicht leben kann ohne dein mildes, sonniges Lächeln; weil ich die Extase deines Kusses nicht entbehren kann! Oh, Diogena! Wende dich nicht von mir. Denke an den ersten Abend unsers Begegnens, denke an –«

»Spare deine Worte, ich glaube dir nicht mehr!« sagte ich kalt. »Du hängst an der Erde, an der Zeit und ihren Interessen – die Liebe aber stammt vom Himmel und ist unendlich. Sie kennt keine Zeit, die Menschheit kümmert sie nicht, und sie hat keinen Zweck als sich selbst. Solch eine Liebe muß ich finden oder untergehen; du hast sie nicht, du kennst sie nicht und kannst sie nicht bieten, darum habe ich nichts mit dir gemein.«

Mein Busen hob sich in konvulsivischem Weinen, meine Augen sprühten in unerhörtem Lustre, ich glich einer zürnenden Gottheit und war irresistible. Mein Mann warf sich vor mir nieder, er küßte meine Füßchen, er versprach, sich von allen vernünftigen Interessen loszusagen, er wollte seine ganze ernste Vergangenheit desavouieren und nur ein Leben der Liebe leben für mich. Seine Worte ließen mich kalt, seine flammenden Küsse machten mich fast schaudern, ich war in Désespoir, mir selbst ein Gegenstand des Horreurs. Meine Kraft drohte zu erliegen, da nahm Bonaventura mich in seine Arme, und leise weinend wie ein müdes Kind, faltete ich trostlos meine Händchen zum Gebete und schlief, von seinen Küssen überdeckt, in seinen Armen ein.

Am Morgen erwachte ich in Zorn gegen mich selbst. Ich hatte keinen Glauben in die Versprechungen meines Mannes, und dennoch sah ich gleich an dem Tage, daß er Ernst mache, sie zu erfüllen. Er besuchte das Lesekabinett nicht mehr, er vermied alle Männer von geistiger Distinktion, mit denen er sonst zu konvergieren pflegte, er wich, wie Fürst Callenberg, nicht von meiner Seite.

Servillier, eitel wie alle Franzosen, hielt dies für ein Zeichen von Jalousie, fühlte sich dadurch geschmeichelt und vermehrte seine Attentionen für mich. Mich brachte dieses Benehmen meines Mannes in eine wunderbare Position. Wollte ich nicht das Ridicule über mich nehmen, von der Laune eines eifersüchtigen Gatten tyrannisiert zu werden, so blieb mir keine Wahl, als zu zeigen, daß ich frei sei, die Huldigung der Männer anzunehmen. Ich schwankte, welchen von meinen Adorateuren ich bevorzugen wolle, denn alle drei waren mir unaussprechlich indifferent. Da entschied ein Moment, ein Zufall meine Wahl.

Bonaventura hatte nach wenig Tagen, da ihm seine sogenannten ernsthaften Operationen fehlten und ich unmöglich in der Laune sein konnte, ihn zu seinem Attachement an meine Person zu encouragieren, angefangen, sich furchtbar zu langweilen. Sooft ich nach ihm hinblickte, saß er mißmutig da, und schon mehrmals hatte ich ihn gähnen sehen, das machte ihn mir vollends insupportable. Ich nahm gar keine Rücksicht auf ihn, und es war mir ein Soulagement, als ich bemerkte, daß ein ganz unbedeutendes, schlichtes Fräulein von Elsleben, eine Cousine des Fürsten, die mit ihrem Vater, einem preußischen Gutsbesitzer, eben angekommen war, ihn zu beschäftigen anfing. Sie war eine ganz gewöhnliche, weibliche Erscheinung, ein unschuldiges Kind, das für mich dadurch ein Ridicule bekam, weil der Vater sie immer »meine Mieze« nannte. Eigentlich hieß sie Aurora, nach ihrer verstorbenen Mutter; aber auch diese war von dem Vater »Mieze« genannt worden, und so führte er aus Pietät den Namen auch in der Tochter fort.

Aurora zu Ehren war ein Déjeuner auf dem alten Schlosse veranstaltet worden. Man ritt teils auf Eseln, teils zu Pferde hinauf. Mein Mann machte den Kavalier Auroras und tat ängstlich um sie besorgt, während ihr Vater ihm unablässig zurief. »Geben Sie acht, bester Graf, daß meine Mieze nicht vom Esel fällt; halte dich fest, Miezchen! Du bist noch nie geritten, so ein Esel ist eine eigensinnige Bestie und keine bequeme Familienkutsche, in der man so sicher sitzt wie in Abrahams Schoß; biege dich weiter nach hinten, Miezchen!« und wie dergleichen Ermahnungen denn weiter hießen.

Mich packte ein solcher Degout vor diesen ganz ignobeln Menschen und vor Bonaventura, den dies höchlich zu belustigen schien, daß ich zu Servillier sagte, der gerade in meiner Nähe war: »Um Gottes willen, Vicomte, lassen Sie uns absteigen und einen Fußpfad einschlagen, denn die Anwesenheit dieser Menschen macht mich nervös.«

Servillier bot mir die Hand, ich ließ mich von meinem Pferde herabheben und wanderte mit ihm durch den Baumschatten den Berg in die Höhe; wie immer folgte der Fürst in gewisser Entfernung. Ganz gegen seine Gewohnheit schwieg Servillier eine Weile, dann sagte er: »Wenn ich Sie so ansehe, meine Gräfin, so frage ich mich immer, welch ein splendides Gestirn über dem Grafen geleuchtet hat, daß ihm eine Diogena zuteil ward; ja, welches Gestirn über diesem Jahrhundert leuchtet, daß Sie uns vergönnt sind.«

»Sie sind grandios in Ihren Exagerationen, Vicomte!« warf ich mit der Gleichgültigkeit hin, mit der man solche banale Phrasen beantwortet und selbst verwendet.

»Meine Gräfin!« rief er aus, »o hören Sie mich an!« – Er führte mich zu einer der Bänke, die sich auf dem Wege fanden, nötigte mich, darauf niederzusitzen, und legte sich mir zu Füßen hin, während er anmutig meine Hände hielt und sie mit spielender Grazie an seine Lippen drückte. Dann erhob er sich etwas und sagte kniend: »Madonna! Du mußt ein Kind des Südens sein! Nur der Süden erzeugt solch glänzend poetische Erscheinungen wie du! Im schönen Griechenland stand die Wiege deiner Ahnen; dort hat der goldene Sonnengott deine goldenen Locken angestrahlt, dorthin, nach dem Süden gehört deine flammende Existenz! – Oh, Madonna! Du hättest im Mittelalter leben müssen bei uns in der schönen Provence, an den Ufern des blauen Meeres, die Königin der Herzen und der Cours d'amour! –

Ich hörte ihm schweigend zu und träumte mich zurück in die Tage, von denen er sprach, in ein Zeitalter, in dem die Liebe ein Kultus war und man die Frauen wie Göttinnen anbetete aus scheuer, blöder Ferne. Ich fragte mich, ob das die Liebe sei, die ich gesucht? – Servillier blickte mit seinen großen, brennenden Augen so fest in die meinen, daß es schien, als wolle er in den profundesten Tiefen meiner Seele lesen. Ich empfand nichts für ihn, mein Herz war kalt und still, aber ich erbebte vor seinem faszinierenden Blick, seine Glut dominierte mich. Ich wollte mich erheben, er ließ es nicht zu. Mit festen Armen umschlang er meine Taille: »Diogena! Madonna!« rief er aus, »nicht diesen kalten, herzlosen Blick, der in das Weite vaguiert; auf mich, Diogena, wende deine Augen! Sieh mich zu deinen Füßen, fühle meine Arme, die dich enlacieren, die dich halten, um dich deinem kalten, berechnenden Gatten zu entreißen, dich dem Norden zu entführen, wo Schnee und Eis sich um dich lagern! – Diogena! Mein Engel! Folge mir in meine schöne Provence, denn du mußt folgen, du mußt mein sein; denn ich lasse dich nicht, auf mein Wort, ich lasse dich nicht! Aber Diogena, du hast kein Herz!«

Er hatte mich an sich gepreßt, mir schwindelte, meine Sinne drohten mich zu verlassen. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust, ich wußte nicht, ob ich träume oder wache, glücklich oder miserabel sei. Ich empfand eigentlich gar nichts, und willenlos duldete ich die stürmischen Küsse und Schwüre des Vicomte.

Als ich mich erholte, fiel mein erster Blick auf den Fürsten Callenberg, der in einiger Entfernung stehen geblieben war. Mit der ihm eigenen Impassibilität und Diskretion hielt er meinen Shawl und meinen grünen Fächer und tat, als ob er sich mit diesem spielend gegen die Sonne schütze, nur um mir durch seine unvermeidliche Gegenwart nicht à charge zu sein.

In der Ferne erblickte ich meinen Mann und Aurora. So wenig liebte er mich, daß er mich ruhig den leidenschaftlichen Bewerbungen des Vicomte überließ, die ihm nicht entgangen sein konnten. Das ganze Gewicht des schmerzlichen Irrtums, der mich mit ihm verbunden hatte, die trostlose Leere meines Herzens an seiner Seite, das passionierte Verlangen nach Liebe und Liebesglück standen in frappierender Deutlichkeit vor meinem inneren Auge. Alles, was Bonaventura mir zu bieten hatte, kannte ich nun à fond, hatte ich ungenügend gefunden: Ich wußte, daß solche ekstatische Momente, wie er sie in den Stunden unsers ersten Begegnens gehabt, eben nur Momente gewesen waren, die seinen modernen Ideen von der Pflicht gegen die Zeit und die Menschheit immer weichen mußten. Ich mußte mir gestehen, daß er in den Augen der Welt ein sehr achtbarer Charakter, das Muster eines jungen Edelmannes sei, aber er war nicht das Ideal eines Mannes, wie ich es mir geträumt hatte, wie ich es zu finden berechtigt war. Ich fühlte, es würde mir nicht die Ruhe lassen, bis ich den Rechten gefunden hätte, und in diesem Augenblicke ward mir, wie durch mysteriöse Revelation, der Sinn meines Wappens klar und zum Lebensgesetze.

Servillier hielt, wie vernichtet durch mein Schweigen, noch immer meine Hände in den seinen; eine tiefe Glut lag über seinem ganzen Wesen ausgebreitet. Eine dämonische Stimme in mir rief. »Versuche, vielleicht ist er es.« – Ich blickte ihn fest an, ich wollte es mit meinem Auge in dem seinen lesen; meine faszinierende Kraft magnetisierte ihn. »Diogena!« rief er mit einer solchen Gewalt und Intensität der Liebe, daß der Ton tief in meinem Innern wiederklang; eine Ahnung möglichen Erfolges durchzuckte mich, und überwältigt von einer namenlosen Sehnsucht nach Glück, lehnte ich mein Haupt an ihn und sagte ganz bewildert: »Oh, wenn du lieben kannst, lehre mich lieben!«

»Und du hast nie geliebt?« fragte er, beseligt von dem Gedanken, der erste Mann zu sein, der all die seligen Emotionen in mir hervorzurufen erwählt war, welche wir Liebe nennen. »Du hast nie geliebt? Oh! Aber das ist ja zuviel Wonne, zuviel! Madonna!«

»Nein, Anatole!« sagte ich, »nicht zu viel für das Gut, das ich von dir erwarte; nicht zu viel, wenn du ein Mann bist, wie ich ein Weib; wenn du die Kraft besitzt, das Perpetuum mobile meines Herzens zu sein, es unablässig in der immergleichen Vibration ekstatischen Vollgefühls zu erhalten.«

»Und was muß ich dazu tun? Madonna!«

»Wie kann ich's wissen, da ich's noch nicht fand?«

»Oh!« rief er, »nun sollst du's kennenlernen! Komm, komm, mein Engel! Laß uns hinauf zu den hellsten Höhen des Berges! Laß uns hinauf ins Freie, und wenn die Erde in ihrer zauberischen Schönheit sich vor dir ausbreitet, wenn die Sonne alles goldig beleuchtet, dann denke, daß ich der Beherrscher der Welt sein möchte, um dir sie zu Füßen zu legen, und daß ich wollte, meine Liebe wäre wie die Sonne, um dein ganzes Wesen zu beleben und zu durchleuchten wie jene die Welt.«

Mit einem Jubelrufe hob er mich in den Sattel, und wir sprengten mit solcher Eile den Berg hinan, daß wir, trotz des Aufenthaltes, oben in den Ruinen vor allen andern angelangt waren. Zum ersten Male fehlte der Fürst an meiner Seite. Er war in einen wunderlichen Konflikt mit sich selbst geraten. Als wir seinen Blicken entschwunden waren, fuhr er sich mit der Hand über die Stirne, wie jemand, der einen wüsten Traum geträumt hat.

»Diable!« sagte er zu sich selbst, »wie ist mir denn? Mir ist so warm, als hätte ich eine Wette gehalten beim Pferderennen und hätte die Partie verloren. Aber was kümmert mich denn die Comtesse mit ihrer Miene à la Sainte N'y touche; mag sie doch lieben wen sie will, das ist des Grafen Sache. Was kümmert's mich! Ich liebe sie nicht, aber dieser Servillier ist mir odios! Wo er nur mit ihr sein mag?«

Verdrießlich schlug er mit der Reitpeitsche gegen die zunächst stehenden Bäume und trabte meditierend und übler Laune den Berg in die Höhe.


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