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Zu Insterburg in Preussen.
Läuffer.
Mein Vater sagt: ich sey nicht tauglich zum Adjunkt. Ich glaube, der Fehler liegt in seinem Beutel; er will keinen bezahlen. Zum Pfaffen bin ich auch zu jung, zu gut gewachsen, habe zu viel Welt gesehn und bey der Stadtschule hat mich der geheime Rath nicht annehmen wollen. Mag's! er ist ein Pedant und dem ist freylich der Teufel selber nicht gelehrt genug. Im halben Jahr hätt' ich doch wieder eingeholt, was ich von der Schule mitgebracht, und dann wär' ich für einen Klassenpräceptor noch immer viel zu gelehrt gewesen, aber der Herr geheime Rath muß das Ding besser verstehen. Er nennt mich immer nur Monsieur Läuffer, und wenn wir von Leipzig sprechen, fragt er nach Händels Kuchengarten und Richters Kaffehaus, ich weiß nicht: soll das Satyre seyn, oder – Ich hab' ihn doch mit unserm Konrektor bisweilen tiefsinnig genug diskuriren hören; er sieht mich vermuthlich nicht für voll an. – Da kommt er eben mit dem Major; ich weiß nicht, ich scheu ihn ärger als den Teufel. Der Kerl hat etwas in seinem Gesicht, das mir unerträglich ist. (geht dem geheimen Rath und dem Major mit viel freundlichen Scharrfüssen vorbey.)
Geheimer Rath. Major.
Major.
Was willst du denn? Ist das nicht ein ganz artiges Männichen?
Geh. Rath.
Artig genug, nur zu artig. Aber was soll er Deinen Sohn lehren?
Major.
Ich weiß nicht, Berg, Du thust immer solche wunderliche Fragen.
Geh. Rath.
Nein aufrichtig! Du must doch eine Absicht haben, wenn Du einen Hofmeister nimmst und den Beutel mit einemmahl so weit aufthust, daß dreihundert Dukaten herausfallen. Sag mir, was meinst Du mit dem Geld auszurichten; was foderst Du dafür von Deinem Hofmeister?
Major.
Daß er – was ich – daß er meinen Sohn in allen Wissenschaften und Artigkeiten und Weltmanieren – Ich weiß auch nicht, was Du immer mit Deinen Fragen willst; das wird sich schon finden; das werd ich ihm alles schon zu seiner Zeit sagen.
Geh. Rath.
Das heißt: Du willst Hofmeister Deines Hofmeisters seyn; bedenkst Du aber auch, was Du da auf Dich nimmst – Was soll Dein Sohn werden, sag mir einmahl?
Major.
Was er... Soldat soll er werden; ein Kerl, wie ich gewesen bin.
Geh. Rath.
Das letzte laß nur weg, lieber Bruder; unsere Kinder sollen und müssen das nicht werden, was wir waren: die Zeiten ändern sich, Sitten, Umstände, alles, und wenn Du nichts mehr und nichts weniger geworden wärst, als das leibhafte Kontrefey Deines Eltervaters – –
Major.
Potz hundert! wenn er Major wird, und ein braver Kerl wie ich, und dem König so redlich dient als ich!
Geh. Rath.
Ganz gut, aber nach funfzig Jahren haben wir vielleicht einen andern König und eine andre Art ihm zu dienen. Aber ich seh schon, ich kann mich mit Dir in die Sachen nicht einlassen, ich müste zu weit ausholen und würde doch nichts ausrichten. Du siehst immer nur der graden Linie nach, die Deine Frau Dir mit Kreide über den Schnabel zieht.
Major.
Was willst Du damit sagen, Berg? Ich bitt Dich, misch Dich nicht in meine Hausangelegenheiten, so wie ich mich nicht in die Deinigen. – – Aber sieh doch! da läuft ja eben Dein gnädiger Junker mit zwey Hollunken aus der Schule heraus. – Vortrefliche Erziehung, Herr Philosophus! Das wird einmal was rechts geben! Wer sollt' es in aller Welt glauben, daß der Gassenbengel der einzige Sohn Sr. Excellenz des königlichen geheimen Raths – –
Geh. Rath.
Laß ihn nur. – Seine lustigen Spielgesellen werden ihn minder verderben als ein galonirter Müßiggänger, unterstützt von einer eiteln Patronin.
Major.
Du nimmst Dir Freyheiten heraus. – Adieu.
Geh. Rath.
Ich bedaure Dich.
Der Majorin Zimmer.
Frau Majorin. (auf einem Kanapee)
Läuffer. (in sehr demüthiger Stellung neben ihr sitzend)
Leopold. (steht)
Majorin.
Ich habe mit Ihrem Herrn Vater gesprochen und von den dreihundert Dukaten stehenden Gehalts sind wir bis auf hundert und funfzig einig worden. Dafür verlang' ich aber auch Herr – Wie heissen Sie? – Herr Läuffer, daß Sie Sich in Kleidern sauber halten, und unserm Hause keine Schande machen. Ich weiß, daß Sie Geschmack haben; ich habe schon von Ihnen gehört, als Sie noch in Leipzig waren. Sie wissen, daß man heut zu Tage auf nichts in der Welt so sehr sieht, als ob ein Mensch sich zu führen wisse.
Läuffer.
Ich hoff', Euer Gnaden werden mit mir zufrieden seyn. Wenigstens hab' ich in Leipzig keinen Ball ausgelassen, und wohl über die funfzehn Tanzmeister in meinem Leben gehabt.
Majorin.
So? lassen Sie doch sehen. (Läuffer steht auf) Nicht furchtsam, Herr . . Läuffer! nicht furchtsam! Mein Sohn ist buschscheu genug; wenn der einen blöden Hofmeister bekommt, so ists aus mit ihm. Versuchen Sie doch einmal, mir ein Kompliment aus der Menuet zu machen; zur Probe nur, damit ich doch sehe. – Nun, nun, das geht schon an! Mein Sohn braucht vor der Hand keinen Tanzmeister! Auch einen Pas, wenn's Ihnen beliebt. – Es wird schon gehen; das wird sich alles geben, wenn Sie einmal einer unsrer Assembleen werden beigewohnt haben. Sind Sie musikalisch?
Läuffer.
Ich spiele die Geige, und das Klavier zur Noth.
Majorin.
Desto besser: wenn wir aufs Land gehn und Fräulein Milchzahn besuchen uns einmal; ich habe bisher ihnen immer was vorsingen müssen, wenn die guten Kinder Lust bekamen zu tanzen: aber besser ist besser.
Läuffer.
Euer Gnaden setzen mich ausser mich: wo wär ein Virtuos auf der Welt, der auf seinem Instrument Euer Gnaden Stimme zu erreichen hoffen dürfte.
Majorin.
Ha ha ha! Sie haben mich ja noch nicht gehört. ... Warten Sie; ist Ihnen die Menuet bekannt? (singt)
Läuffer.
O... o... verzeihen Sie dem Entzücken, dem Enthusiasmus, der mich hinreißt. (küßt ihr die Hand.)
Majorin.
Und ich bin doch enrhumirt dazu; ich muß heut krähen wie ein Rabe. Vous parlez françois, sans doute?
Läuffer.
Un peu, Madame
Majorin.
Avez Vous deja fait Vôtre tour de France?
Läuffer.
Non Madame. ... Oui Madame.
Majorin.
Vous devez donc savoir, qu'en France, on ne baise pas les mains, mon cher. ...
Bedienter. (tritt herein)
Der Graf Wermuth ...
Graf Wermuth. (tritt herein)
Graf. (nach einigen stummen Komplimenten setzt sich zur Majorin aufs Kanapee. Läuffer bleibt verlegen stehen) Haben Euer Gnaden den neuen Tanzmeister schon gesehn, der aus Dresden angekommen? Er ist ein Marchese aus Florenz, und heißt ... Aufrichtig: ich habe nur zwey auf meinen Reisen angetroffen, die ihm vorzuziehen waren.
Majorin.
Das gesteh' ich, nur zwey! In der That, Sie machen mich neugierig; ich weiß, welchen verzärtelten Geschmack der Graf Wermuth hat.
Läuffer.
Pintinello ... nicht wahr? ich hab' ihn in Leipzig auf dem Theater tanzen sehen; er tanzt nicht sonderlich ...
Graf.
Er tanzt – on ne peut pas mieux. – Wie ich Ihnen sage, gnädige Frau, in Petersburg hab' ich einen Beluzzi gesehn, der ihm vorzuziehen war: aber dieser hat eine Leichtigkeit in seinen Füssen, so etwas freyes, göttlichnachläßiges in seiner Stellung, in seinen Armen, in seinen Wendungen – –
Läuffer.
Auf dem Kochischen Theater ward er ausgepfiffen, als er sich das letztemal sehen ließ.
Majorin.
Merk Er sich, mein Freund! daß Domestiken in Gesellschaften von Standespersonen nicht mitreden. Geh Er auf Sein Zimmer. Wer hat Ihn gefragt? (Läuffer tritt einige Schritte zurück)
Graf.
Vermuthlich der Hofmeister, den Sie dem jungen Herrn bestimmt? ...
Majorin.
Er kommt ganz frisch von der hohen Schule. – Geh' Er nur! Er hört ja, daß man von Ihm spricht; desto weniger schickt es sich, stehen zu bleiben. (Läuffer geht mit einem steifen Kompliment ab) Es ist was unerträgliches, daß man für sein Geld keinen rechtschaffenen Menschen mehr antreffen kann. Mein Mann hat wohl dreymahl an einen dasigen Professor geschrieben und dies soll doch noch der galanteste Mensch auf der ganzen Akademie gewesen seyn. Sie sehens auch wohl an seinem links bordirten Kleide. Stellen Sie sich vor, von Leipzig bis Insterburg zweihundert Dukaten Reisegeld und jährliches Gehalt fünfhundert Dukaten, ist das nicht erschröcklich?
Graf.
Ich glaube, sein Vater ist der Prediger hier aus dem Ort ...
Majorin.
Ich weiß nicht – es kann seyn – ich habe nicht darnach gefragt, ja doch, ich glaub' es fast: er heißt ja auch Läuffer; nun denn ist er freylich noch artig genug. Denn das ist ein rechter Bär, wenigstens hat er mich ein für allemal aus der Kirche gebrüllt.
Graf.
Ists ein Katholik?
Majorin.
Nein doch, Sie wissen ja, daß in Insterburg keine katholische Kirche ist: er ist Lutherisch, oder Protestantisch wollt' ich sagen; er ist protestantisch.
Graf.
Pintinello tanzt ... Es ist wahr, ich habe mir mein Tanzen einige dreißig tausend Gulden kosten lassen, aber noch einmal so viel gäb' ich drum, wenn ...
Läuffers Zimmer.
Läuffer. Leopold. Der Major.
(Erstere sitzen an einem Tisch, ein Buch in der Hand, indem sie der letztere überfällt.)
Major.
So recht; so lieb' ichs; hübsch fleißig – und wenn die Kanaille nicht behalten will, Herr Läuffer, so schlagen Sie ihm das Buch an den Kopf, daß ers Aufstehen vergißt, oder wollt' ich sagen, so dürfen Sie mirs nur klagen. Ich will Dir den Kopf zurecht setzen, Heyduk Du! Seht da zieht er das Maul schon wieder. Bist empfindlich, wenn Dir Dein Vater was sagt? Wer soll Dirs denn sagen? Du sollst mir anders werden, oder ich will Dich peitschen, daß Dir die Eingeweide krachen sollen, Tuckmäuser! Und Sie, Herr, seyn Sie fleißig mit ihm, das bitt' ich mir aus, und kein Feriiren und Pausiren und Rekreiren, das leid ich nicht. Zum Plunder, vom Arbeiten wird kein Mensch das Malum hydropisiacum kriegen. Das sind nur Ausreden von euch Herren Gelehrten. – Wie stehts, kann er seinen Cornelio? Lippel! ich bitt Dich um tausend Gottes willen, den Kopf grad. Den Kopf in die Höhe, Junge! (richtet ihn) Tausend Sakkerment den Kopf aus den Schultern! oder ich zerbrech Dir Dein Rückenbein in tausendmillionen Stücken.
Läuffer.
Der Herr Major verzeihen: er kann kaum lateinisch lesen.
Major.
Was? So hat der Rakker vergessen. – Der vorige Hofmeister hat mir doch gesagt, er sey perfekt im Lateinischen, perfekt. ... Hat ers ausgeschwitzt – aber ich will Dir – Ich will es nicht einmal vor Gottes Gericht zu verantworten haben, daß ich Dir keinen Daumen aufs Auge gesetzt habe, und daß ein Galgendieb aus Dir geworden ist, wie der junge Hufeise oder wie Deines Onkels Friedrich, eh Du mir so ein Gassenläufferischer Taugenichts – Ich will dich zu Tode hauen – (giebt ihm eine Ohrfeige) Schon wieder wie ein Fragzeichen? Er läßt sich nicht sagen. – Fort mir aus den Augen. – Fort! Soll ich Dir Beine machen? Fort, sag' ich. (stampft mit dem Fuß. Leopold geht ab. Major setzt sich auf seinen Stuhl. Zu Läuffern.) Bleiben Sie sitzen, Herr Läuffer; ich wollte mit ihnen ein paar Worte allein sprechen, darum schickt' ich den jungen Herrn fort. Sie können immer sitzen bleiben; ganz, ganz. Zum Henker Sie brechen mir ja den Stuhl entzwey, wenn Sie immer so auf einer Ecke ... Dafür steht ja der Stuhl da, daß man drauf sitzen soll. Sind Sie so weit gereist und wissen das noch nicht? – Hören Sie nur: ich seh' Sie für einen hübschen artigen Mann an, der Gott fürchtet und folgsam ist, sonst würd' ich das nimmer thun, was ich für Sie thue. Hundert und vierzig Dukaten jährlich hab' ich Ihnen versprochen: das machen drey – Warte – Dreymal hundert und vierzig: wieviel machen das?
Läuffer.
Vier hundert und zwanzig.
Major.
Ists gewiß? Macht das soviel? Nun damit wir gerade Zahl haben, vierhundert Thaler preußisch Courant hab' ich zu Ihrem Salarii bestimmt. Sehen Sie, das ist mehr als das ganze Land giebt.
Läuffer.
Aber mit Eurer Gnaden gnädigen Erlaubniß, die Frau Majorin haben mir von hundert funfzig Dukaten gesagt; das machte gerade vierhundert funfzig Thaler und auf diese Bedingungen hab' ich mich eingelassen.
Major.
Ey was wissen die Weiber! – Vierhundert Thaler, Monsieur; mehr kann Er mit gutem Gewissen nicht fodern. Der vorige hat zweihundert funfzig gehabt und ist zufrieden gewesen wie ein Gott. Er war doch, mein Seel! ein gelehrter Mann; auch und ein Hofmann zugleich: die ganze Welt gab' ihm das Zeugniß, und Herr, Er muß noch ganz anders werden, eh' Er so wird. Ich thu' es nur aus Freundschaft für Seinen Herrn Vater, was ich an Ihm thue und um Seinetwillen auch, wenn Er hübsch folgsam ist, und werd' auch schon einmal für Sein Glück zu sorgen wissen; das kann Er versichert seyn. – Hör Er doch einmal: ich hab' eine Tochter, das mein Ebenbild ist und die ganze Welt giebt ihr das Zeugniß, daß ihres gleichen an Schönheit im ganzen Preussenlande nichts anzutreffen. Das Mädchen hat ein ganz anders Gemüth als mein Sohn, der Buschklepper. Mit dem muß ganz anders umgegangen werden! Es weiß sein Christenthum aus dem Grunde und in dem Grunde, aber es ist denn nun doch, weil sie bald zum Nachtmahl gehen soll und ich weiß wie die Pfaffen sind, so soll er auch alle Morgen etwas aus dem Christenthum mit ihr nehmen. Alle Tage Morgens eine Stunde und da geht Er auf ihr Zimmer; angezogen, das versteht sich: denn Gott behüte, daß Er so ein Schweinigel seyn sollte wie ich einen gehabt habe, der durchaus im Schlafrock an Tisch kommen wollte. – Kann Er auch zeichnen?
Läuffer.
Etwas, gnädiger Herr. – Ich kann Ihnen einige Proben weisen.
Major (besieht sie)
Das ist ja scharmant! – Recht schön; gut das: Er soll meine Tochter auch zeichnen lehren. – Aber hören Sie, werther Herr Läuffer, um Gottes Willen ihr nicht scharf begegnet; das Mädchen hat ein ganz ander Gemüth als der Junge. Weiß Gott! es ist als ob sie nicht Bruder und Schwester wären. Sie liegt Tag und Nacht über den Büchern und über den Trauerspielen da, und sobald man ihr nur ein Wort sagt, besonders ich, von mir kann sie nichts vertragen, gleich stehn ihr die Backen in Feuer und die Thränen lauffen ihr wie Perlen drüber herab. Ich wills Ihm nur sagen: das Mädchen ist meines Herzens einziger Trost. Meine Frau macht mir bittre Tage genug: sie will alleweil herrschen und weil sie mehr List und Verstand hat, als ich. Und der Sohn, das ist ihr Liebling; den will sie nach ihrer Methode erziehen; fein säuberlich mit dem Knaben Absalom, und da wird denn einmal so ein Galgenstrick draus, der nicht Gott, nicht Menschen was Nutz ist. – Das will ich nicht haben. – Sobald er was thut, oder was versieht, oder hat seinen Lex nicht gelernt, sag' Ers mir nur und der lebendige Teuffel soll drein fahren. – Aber mit der Tochter nehm' Er sich in Acht; die Frau wird Ihm schon zureden, daß Er ihr scharf begegnen soll. Sie kann sie nicht leiden, das weiß ich; aber wo ich das geringste merke. Ich bin Herr vom Hause, muß Er wissen, und wer meiner Tochter zu nahe kommt – Es ist mein einziges Kleinod, und wenn der König mir sein Königreich für sie geben wollt': ich schicke ihn fort. Alle Tage ist sie in meinem Abendgebet und Morgengebet und in meinem Tischgebet, und alles in allem, und wenn Gott mir die Gnade thun wollte, daß ich sie noch vor meinem Ende mit einem General oder Staatsminister vom ersten Range versorgt sähe, – denn keinen andern soll sie sein Lebtage bekommen, – so wollt' ich gern ein zehn Jahr eher sterben. – Merk' Er sich das – und wer meiner Tochter zu nahe kommt oder ihr worinn zu Leid lebt – die erste beste Kugel durch den Kopf. Merk' Er Sich das. – (geht ab.)
Fritz von Berg. Augustchen.
Fritz.
Sie werden nicht Wort halten Gustchen: Sie werden mir nicht schreiben, wenn Sie in Heidelbrun sind, und dann werd' ich mich zu Tode grämen.
Gustchen.
Glaubst Du denn, daß Deine Juliette so unbeständig seyn kann? O nein; ich bin ein Frauenzimmer; die Mannspersonen allein sind unbeständig.
Fritz.
Nein, Gustchen, die Frauenzimmer allein sinds. Ja wenn alle Julietten wären! – Wissen Sie was? Wenn Sie an mich schreiben, nennen Sie mich Ihren Romeo; thun Sie mir den Gefallen: ich versichere Sie, ich werd' in allen Stücken Romeo seyn, und wenn ich erst einen Degen trage. O ich kann mich auch erstechen, wenn's dazu kommt.
Gustchen.
Gehn Sie doch! Ja Sie werden's machen, wie im Gellert steht: er besah die Spitz' und Schneide und steckt' ihn langsam wieder ein.
Fritz.
Sie sollen schon sehen. (faßt sie an die Hand.) Gustchen – Gustchen! wenn ich Sie verlieren sollte oder der Onkel wollte Sie einem andern geben. – Der gottlose Graf Wermuth! Ich kann Ihnen den Gedanken nicht sagen Gustchen, aber Sie könnten ihn schon in meinen Augen lesen – Er wird ein Graf Paris für uns seyn.
Gustchen.
Fritzchen – so mach' ichs wie Juliette.
Fritz.
Was denn? – Wie denn? – Das ist ja nur eine Erdichtung; es giebt keine solche Art Schlaftrunk.
Gustchen.
Ja, aber es giebt Schlaftrünke zum ewigen Schlaf.
Fritz. (fällt ihr um den Hals)
Grausame!
Gustchen.
Ich hör' meinen Vater auf dem Gange. – Laß uns in den Garten lauffen. – Nein; er ist fort. – Gleich nach dem Caffee Fritzchen reisen wir und so wie der Wagen Dir aus den Augen verschwindt, werd' ich Dir auch schon aus dem Gedächtniß seyn.
Fritz.
So mag Gott sich meiner nie mehr erinnern, wenn ich Dich vergesse. Aber nimm Dich für den Grafen in Acht, er gilt soviel bey deiner Mutter und Du weißt, sie möchte Dich gern aus den Augen haben, und eh' ich meine Schulen gemacht habe und drey Jahr auf der Universität, das ist gar lange.
Gustchen.
Wie denn Fritzchen! Ich bin ja noch ein Kind: ich bin noch nicht zum Abendmahl gewesen, aber sag mir. – O wer weiß, ob ich Dich sobald wieder spreche! – Wart, komm in den Garten.
Fritz.
Nein, nein, der Papa ist vorbey gegangen. – Siehst Du, der Henker! er ist im Garten. – Was wolltest Du mir sagen?
Gustchen.
Nichts...
Fritz.
Liebes Gustchen...
Gustchen.
Du solltest mir – Nein, ich darf das nicht von Dir verlangen.
Fritz.
Verlange mein Leben, meinen letzten Tropfen Bluts.
Gustchen.
Wir wollten uns beyde einen Eid schwören.
Fritz.
O komm! Vortreflich! Hier laß uns niederknien; am Canapee, und heb' Du so Deinen Finger in die Höh' und ich so meinen. – Nun sag, was soll ich schwören?
Gustchen.
Daß Du in drey Jahren von der Universität zurückkommen willst und Dein Gustchen zu Deiner Frau machen; Dein Vater mag dazu sagen, was er will.
Fritz.
Und was willst Du mir dafür wieder schwören, mein englisches... (küßt sie)
Gustchen.
Ich will schwören, daß ich in meinem Leben keines andern Menschen Frau werden will, als Deine und wenn der Kaiser von Rußland selber käme.
Fritz.
Ich schwör Dir hunderttausend Eide – (Der geheime Rath tritt herein: beyde springen mit lautem Geschrey auf.)
Geh. Rath.
Was habt Ihr närrische Kinder? Was zittert Ihr? – Gleich, gesteht mir alles. Was habt Ihr hier gemacht? Ihr seyd beyde auf den Knien gelegen. – Junker Fritz, ich bitte mir eine Antwort aus; unverzüglich: – Was habt Ihr vorgehabt?
Fritz.
Ich, gnädigster Papa?
Geh. Rath.
Ich? und das mit einem so verwundrungsvollen Ton? Siehst Du: ich merk' alles. Du möchtest mir itzt gern eine Lüge sagen, aber entweder bist Du zu dumm dazu, oder zu feig, und willst Dich mit Deinem Ich? heraushelfen. ... Und Sie Mühmchen? – Ich weiß. Gustchen verheelt mir nichts.
Gustchen. (fällt ihm um die Füße) Ach, mein Vater – –
Geh. Rath. (hebt sie auf und küßt sie.)
Wünschst Du mich zu Deinem Vater? Zu früh, mein Kind, zu früh Gustchen, mein Kind. Du hast noch nicht communicirt. – Denn warum soll ich euch verheelen, daß ich euch zugehört habe. – Das war ein sehr einfältig Stückchen von Euch beyden; besonders von Dir, großer vernünftiger Junker Fritz, der bald einen Bart haben wird wie ich, und eine Perücke aufsetzen und einen Degen anstecken. Pfuy, ich glaubt' einen vernünftigern Sohn zu haben. Das macht Dich gleich ein Jahr jünger, und macht, daß Du länger auf der Schule bleiben mußt. Und Sie, Gustchen, auch Ihnen muß ich sagen, daß es sich für Ihr Alter gar nicht mehr schickt, so kindisch zu thun. Was sind das für Romane, die Sie da spielen? Was für Eide, die Sie sich da schwören, und die Ihr doch alle beyde so gewiß brechen werdet als ich itzt mit Euch rede. Meynt Ihr, Ihr seyd in den Jahren, Eide zu thun, oder meynt Ihr, ein Eid sey ein Kinderspiel, wie es das Versteckspiel oder die blinde Kuh ist? Lernt erst einsehen, was ein Eid ist: lernt erst zittern dafür und alsdenn wagt's, ihn zu schwören. Wißt, daß ein Meineidiger die schändlichste und unglücklichste Creatur ist, die von der Sonne angeschienen wird. Ein solcher darf weder den Himmel ansehen, den er verleugnet hat, noch andere Menschen, die sich unaufhörlich vor ihm scheuen, und seiner Gesellschaft mit mehr Sorgfalt ausweichen, als einer Schlange oder einem tückischen Hunde.
Fritz.
Aber ich denke meinen Eid zu halten.
Geh. Rath.
In der That Romeo? Ha! Du kannst Dich auch erstechen, wenn's dazu kommt. Du hast geschworen, daß mir die Haare zu Berg standen. Also gedenkst Du Deinen Eid zu halten?
Fritz.
Ja Papa, bey Gott! ich denk' ihn zu halten.
Geh. Rath.
Schwur mit Schwur bekräftigt! – Ich werd' es Deinem Rektor beibringen. Er soll Euch auf vierzehn Tage nach Sekunda herunter transportiren, Junker: inskünftige lernt behutsamer schwören. Und worauf? Steht das in Deiner Gewalt, was Du da versicherst? Du willst Gustchen heyrathen! Denk doch! weißt Du auch schon, was für ein Ding das ist, Heyrathen? Geh doch, heyrathe sie: nimm sie mit auf die Akademie. Nicht? Ich habe nichts dawider, daß ihr Euch gern seht, daß Ihr Euch lieb habt, daß Ihrs Euch sagt, wie lieb Ihr Euch habt; aber Narrheiten müßt Ihr nicht machen; keine Affen von uns Alten seyn, eh' Ihr so reif seyd als wir; keine Romane spielen wollen, die nur in der ausschweifenden Einbildungskraft eines hungrigen Poeten ausgeheckt sind und von denen Ihr in der heutigen Welt keinen Schatten der Wirklichkeit antrefft. Geht! ich werde keinem Menschen was davon sagen, damit ihr nicht nöthig habt roth zu werden, wenn Ihr mich seht. – Aber von nun an sollt ihr einander nie mehr ohne Zeugen sehen. Versteht Ihr mich? Und Euch nie andere Briefe schreiben als offene und das auch alle Monathe, oder höchstens alle drey Wochen einmal, und sobald ein heimliches Briefchen an Junker Fritz oder Fräulein Gustchen entdeckt wird – so steckt man den Junker unter die Soldaten und das Fräulein ins Kloster, bis sie vernünftiger werden. Versteht ihr mich? – Jetzt – nehmt Abschied, hier in meiner Gegenwart. – Die Kutsche ist angespannt, der Major treibt fort; die Schwägerin hat schon Caffee getrunken. – Nehmt Abschied: Ihr braucht Euch vor mir nicht zu scheuen. Geschwind, umarmt Euch. (Fritz und Gustchen umarmen sich zitternd) Und nun mein Tochter Gustchen, weil Du doch das Wort so gern hörst, (hebt sie auf und küßt sie) Leb tausendmal wohl, und begegne Deiner Mutter mit Ehrfurcht; sie mag Dir sagen was sie will. – Jetzt geh, mach! – (Gustchen geht einige Schritte, sieht sich um; Fritz fliegt ihr weinend an den Hals.) Die beyden Narren brechen mir das Herz! Wenn doch der Major vernünftiger werden wollte, oder seine Frau weniger herrschsüchtig! –