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Es gehörte ein ganzes Werk dazu, den unendlichen Reichthum an trefflichen Bildern nur aufzuzählen, geschweige zu würdigen, welche Amsterdam und der Haag besitzt. Obgleich fast jeder reiche Mann eine mehr oder minder beträchtliche Sammlung wahrer Meisterstücke besitzt, so ward es doch noch möglich, in den Museen der beiden Hauptstädte Schätze aufzuhäufen, die das Staunen eines jeden Kunstfreundes erregen müssen. Allerdings findet man fast nur Werke der vaterländischen Schule; aber in welcher Vollständigkeit! Das Beßte, was die Backhuyzen, Berghem, Breughel, Brouwer, Cuyp, Dow, Dyck, Helst, Honthorst, Huysum, Mees, Mieris, Metsu, Neer, Ostade, Potter, Rembrandt, Ruisdael, Slingeland, Steen, Terburg, Teniers, Velde, Weenix, Wouverman und so viele Andere gemalt haben, drängt sich dicht hier zusammen. Wer kennt nicht, wenigstens aus Stichen, die Schule Dow's mit ihren wunderbaren Lichteffekten, das Meisterwerk van der Helst's, das Offiziersessen, das in seiner Art vielleicht seines Gleichen nicht hat, die Nachtwache von Rembrandt (sämmtlich in Amsterdam); den berühmten Stier Potter's, die Anatomie von Rembrandt (im Haag)? Eher aber ließen sich die Kuriositäten beschreiben, welche in einer Abtheilung des Haager Museums aufbewahrt werden, da schon die Benennung der Gegenstände einen Begriff derselben gibt. Es ist sehr reich und die hier aufbewahrten Objekte beziehen sich größtentheils auf verschiedene Epochen oder ausgezeichnete Männer der Holländischen Geschichte. Man sieht hier den Anzug Wilhelms I., den er an hatte, als er erschossen wurde, nebst der Kugel, die ihn traf, die Armatur de Ruyters etc. Interessant sind die vielen aus Japan und China herbeigeschafften Sachen, Kleider, Waffengeräthe. Alles in größter Vollständigkeit.
Bemerkenswerth ist, welchen Einfluß die alten Malerschulen und das tägliche Studium ihrer Werke auf die jüngern Gemüther ausgeübt hat. Es hat sich glücklich genug getroffen, daß ich im Stande gewesen bin, mir in kurzer Zeit einen ziemlichen Ueberblick über die Lage der neuern Malerei in Holland zu verschaffen. Vielleicht kein Land ist reicher an Privatsammlungen, die einem mit ziemlicher Leichtigkeit geöffnet werden, und in deren vielen man eine gute Anzahl von Werken neuerer Kunst beisammen findet, so namentlich bei Herrn Steengracht im Haag, der eben so Liebhaber, wie Kenner ist, und der außer vortrefflichen Gemälden der Alten, von Wouverman, Rembrandt, Weenix, Teniers, Berghem etc. auch einen ganzen Saal voll moderner Niederländer besitzt, die zu den besten in ihrer Art gehören. Aehnliche Sammlung besitzt Herr Verstolk van Zuylen im Haag (obwohl nur von ältern Sachen); die Herren de Pries, Mendez de Leon, Elzer etc. in Amsterdam, so wie deren durch das ganze Land zerstreut sind. Nirgends hat sich der Reichthum mehr als hier in den Familien von längerer Zeit her erhalten, weshalb die Versuchung, das todte Kapital in ein produktiveres umzuschaffen, wegfiel, während man auch nirgends sich so schwer von dem Hergebrachten, Angewöhnten trennt und der alte Hausrath dem Besitzer eben so an das Herz gewachsen ist, als seine Kinder. Mehr aber noch, als die Einsicht in diese Sammlungen, kam mir der Zufall zu Statten, daß ich im Haag eben die diesjährige Ausstellung eröffnet fand, was mir doppelt interessant war, da ich den Eindruck, den die Düsseldorfer Exposition auf mich gemacht, noch frisch in Erinnerung hatte. Nehmen wir zuerst das Statistische vor, so findet sich, daß im Haag nur 282 Bilder waren, während die Düsseldorfer über 300 zusammengebracht hatte. Rechnen wir ab, daß darunter einige Holländische, Belgische und Französische sind, so ergibt sich wenigstens eine gleiche Anzahl, und es darf nicht dabei vergessen werden, daß mehre der Besseren Düsseldorfs nichts geliefert haben, und daß die ganze Sammlung nur aus den Werken einer einzigen Schule besteht, zu welcher das übrige, so reiche Deutschland nichts beigesteuert hat. Unser Vaterland ist also darin in eminentem Vortheil und überragt auch in der Kunst, wie in der Literatur, was die Masse betrifft, alle übrigen Länder. Es frägt sich nun, wie es um den innern Werth, um die ganze Richtung steht. Alles in Alles gerechnet, glaube ich, kommen wir nicht zu kurz. Wenn ich nur beklage, daß die Schadow'sche Schule sich zu sehr einer Beschaulichkeit hingebe, die so ascetisch wird, daß die sinnliche Auffassung – und das Geistige, Himmlische in menschlicher Vollendung darzustellen, ist doch eben die Kunst – fast als Sünde erscheint, die man zu vermeiden glaubt, wenn man so viel also möglich Kälte und starre Ruhe hineinbringt, so wird doch Niemand das wahrhaft Gute in dem ganzen Streben verkennen. Die ganze Schule fühlt das Schöne, ist durchdrungen davon, aber sie wagt nicht, es wieder zu geben. Ihr Geist ist gut, ihre Flugkraft auch, aber die Schwingen sind ihr verklebt. Eine wärmere Sonne würde bald das Wachs schmelzen. Allen diesen Bildern von den trauernden Juden an fehlt es weder an Idee, noch an tiefem Gefühl, aber es ist das Gefühl eines blöden Menschen, der sich in sich selbst versenkt, weil er irgendwo anzustoßen oder aufzufallen fürchtet. Es ist Alles censirt. Die Belgier, weil sie ungenirter mit dem Leben umgehen, treten auch kecker in der Kunst auf, nur daß, wenn sie reich an Bewegung sind, ihnen wieder die innere Bildung abgeht, die überall das rechte Maaß zu halten weiß. Wie daher z. B. Rethel seinen heiligen Bonifaz, so fleißig und sauber er behandelt ist, den Heiden mit einer Ruhe und Salbung predigen läßt, als ob er auf der Kanzel in irgend einer Kirche stände, von Küster und Diakonen umgeben, so überstürzt sich dagegen alles in dem Revolutionsbilde von Wappers aus Mangel an Einheit, was aber wieder die Folge des Mangels an dichterischem Bewußtseyn ist. Von beiden Nationen wieder verschieden ist der Holländer und auch hier bedingt der Karakter der Nation die Richtung der Malerei. Der Holländer ist durch und durch praktisch, bedächtig, sächlich. Die Spekulation, die Idee in ihrer reinen Abstraktion ist ihm mehr oder minder gleichgültig und er zieht das Wesen vor. Während er daher in Poesie und Musik nur Geringes leistet, legt er sich viel auf die ins Leben schlagenden Wissenschaften und hält sich in der Malerei mehr an die Nachahmung des Bestehenden, das er vor Augen hat, das er mit Händen greifen kann. Wenn er hoch kommt, so geht er in der Nachahmung auf das Leben früherer Zeiten zurück, und auch das nur, weil die Vergangenheit, bei seiner Stätigkeit, ihm fast der Gegenwart gleich ist. In der ganzen Richtung der Malerei wird man daher das Ideale durchaus vermissen und nur Segmente finden, die theils aus dem bürgerlichen Leben, theils aus der Natur herausgeschnitten und so ins Zimmer verpflanzt werden, wie eine seltene Blume, die man aus dem Freien holt und unter Glas setzt. Spart das doch dem bequemen Herrn, selbst sich hinaus zu bemühen, um sich mit Mühe eine Sache in der Wirklichkeit zu betrachten, die er jetzt in seinen vier Wänden hat. Was für ihn immer ein Gewinn ist, den er nicht verwirft. Um aber diesen Zweck zu erreichen, muß der Maler wahr seyn bis ins kleinste Detail und das erreicht die dortige Schule. Sie gibt ihre Gegenstände treulich wieder bis ins Aengstliche, denn sie ist nicht bloß gewissenhaft, sondern hat auch die Technik meisterhaft inne. Ihre bessern Sachen athmen das wahrste, lebendigste Leben, und es fehlt ihnen nur Eins, um vollendet zu seyn, und das ist die Poesie, die sie eben auch von höheren Vorwürfen abhält. Auf der ganzen Ausstellung im Haag befand sich nur Ein biblisches Bild, und das war schwach. Es ist kein Unglück, wenn die Maler sich etwas zurückhalten von der biblischen Geschichte, denn kaum dürfte es noch eine Zeile darin geben, die nicht hundertfach bereits benutzt worden wäre, und einem jeden nothwendig die Erinnerungen früherer Behandlungen desselben Gegenstandes in den Pinsel laufen müssen, aber eine großartige Auffassung irgend eines Stoffes darf man doch mit Recht unter so vielen Bildern suchen. Man sucht aber hier vergeblich. Das Historische ist durchaus leer ausgegangen, weil dazu nothwendig dichterische Phantasie gehört, erstens den geeigneten Vorwurf zu finden, dann den passendsten Moment zu treffen und endlich die Gestalten mit der nöthigen Haltung und Ausdruck zu erfinden. Es bleiben daher nur noch die Marine, die Landschaft, das Portrait und das sogenannte Genre. Das Letztere hat wenig Gutes geliefert. Es fehlt auch darin wieder der Menge an der Kraft, der jetzigen Welt eine künstlerische Seite abzugewinnen, als ob alles Künstlerische nur in den alten Reitern und Mädchen läge, wie sie Terbourg etc. gemalt. Lebten Teniers und Mieris noch, sie würden mit demselben Genie unsere Bauern, Raucher und Trinker aufzufassen wissen, wie sie es mit den alten gethan. Das Kostum allein that es nicht. Die jungen Maler aber glauben es und haben daher eine Menge Scenen geliefert, sämmtlich in der Manier und in den Kleidern der vorigen Jahrhunderte. Es sind aber doch darum keine Teniers, und viel schlechter als deren geringste Schüler, da sie gar keine Entschuldigung haben, sich knechtisch an sie zu halten. Sie sollen wohl von ihnen lernen, aber nicht sie durchzeichnen und etwa bloß ein Paar Schnörkel ändern. Daß sie so viel Prächtiges von ihnen stets vor Augen haben, ist desto besser für sie, aber eine Bibliothek ist nicht das, um daraus abzuschreiben, sondern aus ihren Schätzen sich weiter vorwärts zu bilden.
So hat Lamme aus Rotterdam eine recht hübsche Wachtstube geliefert, aber man sieht es ihr an, woher diese ganze Komposition, alle diese Gesichter und Kleider genommen sind. Dasselbe gilt von einem Bilde von Sartorius, einen kriegerischen Einzug vorstellend; dasselbe in weit höherem Grade von dem Gemälde Schendel's, der mit seinen Lichtereffekten in die Fußtapfen Schalken's treten will, die Manier in erhöhter Potenz. Am hübschesten erscheint ein Bildchen von Pienemann, der einen Offizier gemalt, wie er einen Plan zu einem Angriff diktirt; ein Pferdemarkt von Wendel, obwohl aber auch Beiden die Originalität abgeht; ein Interieur von Ritter, einem tüchtigen Schüler Brakeleers; und ein allerliebstes Pferdestück von Verscheerer. An Blumen und Thierstücken ist manches Gute vorhanden, von Woensel, Boelen, Esman etc. Unter den Portraits zeichnet sich vor Allen ein großes Frauenbild von Eckhout aus: eine Dame in Lebensgröße, ungezwungen sitzend, in einem grünsammtnen Kleide, das ungemein weich behandelt ist. Das Bild macht einen sehr guten Eindruck. Ein alter Soldat von Rossum ist gut und mit wenig Aufwand gemalt und tritt doch effektvoll heraus. Auch Rikers und Zeemann haben hübsche Portraits geliefert. Das Beste aber unstreitig sind von allen Gattungen die Landschaften und Marine. Hier ist die feststehende Natur, die nur mit der Schärfe des Auges herausgegraben zu werden braucht. Es darf nur gesagt werden, daß Schotel, Schelfhout und Koekoek sich auf der Ausstellung befinden, um zu wissen, daß man in diesem Fache Vortreffliches erwarten könne. Und in der That bilden diese drei den wahren Reichthum dieser Sammlung. Leider haben alle drei, jeder nur Ein Werk geliefert, aber es sind Juwelen, deren eines schwer genug wiegt. Von Schotel befindet sich hier eine Küste, an der ein Fahrzeug strandet, während weiter hinten ein Kriegsschiff mit den Wogen kämpft. Vorn sind Schiffer, die einen Mast an das Land ziehen. Das Ganze ist mit großer Wahrheit wiedergegeben und das Wasser trefflich gehalten. Schelfhout lieferte eine platte, kahle Landschaft, mit einer Windmühle. Der Katalog nennt die Gegend zuversichtlich eine Französische, um den Holländischen Reisenden den Trost einzusprechen, daß Frankreich keine so schöne Aussichten habe, als Holland. Aber das Bild ist voller Saft, das Grün frisch und das Ganze so duftig, wie möglich. Am meisten spricht die Aarlandschaft von Koekoek an, die mit einer unglaublichen Wahrheit wiedergegeben ist. Vorn mächtige Bäume, hinten ein Berg mit Ruinen. Das Laub ist so durchsichtig, das Zweigwerk so kräftig, wie es bei Weitem nicht bei Lessing zu finden ist. Und doch würde ich die Landschaft des Letztern im Sonnenuntergang vorziehen, weil sie eben so reich an Poesie ist. Es fühlt sich etwas dabei, was immer wieder hinzieht. Man träumt sich in die Gegend hinein und wandelt selbst darin umher und wartet sehnsüchtig, daß der Mond aufgehe. Darin liegt eben der Unterschied, Begeisterung des Verstandes und Bezauberung des Herzens. Außerdem hat Bakhuyzen eine gute Landschaft mit Vieh, Waldorp eine Ansicht bei Delft, Schouman eine bewegte und, besonders gelungen, eine ruhige See gemalt, die eine Durchsichtigkeit hat, welche wenig zu wünschen übrig läßt; van Os einen Polder mit prächtigen Kühen, Pelgorm eine Landschaft, eine ähnliche von Michaelis, und vor Allem eine meisterhafte Wintergegend von Nuyen, ein altes Haus im Freien, alles von Eis bedeckt. Dabei die dicken Wolken, in denen noch Massen von Schnee stecken, von der vollkommensten Wahrheit, wie denn überhaupt die Luft in den meisten dieser Bilder die Luft ist, wie wir sie sehen, während die Düsseldorfer ihren Himmel für sich in der Brust behalten und uns auf ihren Bildern dafür nur das abgefärbte Blau geben. Damit sind noch die Landschaftsmaler nicht alle genannt, die mehr oder minder Gutes gegeben haben, und man sieht, daß in diesem Fache keine Ursache ist, über Mangel zu klagen, und Holland kann schon stolz auf solche Künstler seyn. Leistet keine Nation in Allem das Höchste, so erkenne sie wenigstens das Gute überall an und suchen zu lernen, wo zu lernen ist: in dem Punkte ist Düsseldorf mit gutem Beispiele vorangegangen und ist auch eben darum ein strenger Richter gegen seine eigenen Leistungen geblieben. Deutschland hat keine Künstler verwöhnt, aber auch keine nach schnell erworbener Gunst eben so schnell wieder fallen lassen.