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Die dritte der drei Szenen

In aller Herrgotts früh.

Im Herbst, denn es ist vier Monate später ...

Es wird schon nicht mehr so bald hell, morgens, um solche Jahreszeit. Und heut wills schon gar nicht heller werden. Es ist trübes Wetter draußen.

Erst gegen Schluß dieser Szene dringt die Sonne ins Zimmer ...

Irma tritt halbangezogen ein. Hustet ein paarmal. Sie scheint ziemlich erkältet. Der Morgenhusten einer, die sich erkältet hat. Erkältet hat, wohl auf heimlichen beschwerlichen listigen Nachtfahrten, von einer gewissen Kammer in ein gewisses Zimmer ... Viel Gepäck von der Ambrosia liegt hoch herum. Von gestern am Abend, wie sie spät, sehr spät ankam. Gepäckstücke, die uns aus der ersten Szene her bekannt sind. Irma räumt das Herumliegende nun auf eine Stelle zusammen, auf das Kanapee. Wobei sie nicht allzu zart zugreift.

Dann geht sie ab nach der Küche, die Tür offen lassend. Und Man hört sie von draußen husten. Erst laut, dann ein wenig überlaut.

Dann kommt sie wieder herein. Und hakt sich ihre Bluse zu, vollends zu.

Vincenz kommt.

Irma: Morgen.

Vincenz mit einer gewissen Zärtlichkeit: Guten Morgen, Irma.

– – – – –

Na? Das ist ein wenig kurz, aber das soll heißen: gut geschlafen? und ähnliches.

Irma fängt von neuem zu husten an.

Vincenz: Der dumme Husten.

– – – – –

Und der will um nichts besser werden, der Husten?

Irma hustet noch einmal.

Vincenz seine Frage von vorhin, nur diesmal ausführlicher: Wie haben wir denn geschlafen, Irma?

– – – – –

Indem daß – indem daß es die – die letzte Nacht in dem Haus gewesen ist?

Na?

Irma: So und so.

Vincenz: Nicht anders wie sonst, Irma?

Gar nicht anders wie sonst?

Irma hustet nur.

Vincenz: Der dumme Husten. Nein, so ein dummer Husten.

– – – – –

Aber – es ist nicht viel schmeichelhaft, wenn du diese letzte Nacht in diesem Haus nicht viel anders geschlafen hast als wie sonst.

Irma: Was soll –

was soll denn da schmeichelhaft sein und was nicht schmeichelhaft?

Vincenz bittend: Irma.

Irma nichtsdestoweniger: Du – du bist schmeichelhaft.

Vincenz: Irma –

Irma: Ja, weils jetzt fortgeht mit mir.

Vincenz: Irma.

Irma: Ach laß.

Vincenz: Laß? Was soll ich dich denn lassen?

– – – – –

Hab ich denn das verdient um dich, Irma? Bin ich heut anders, als ich je zu dir gewesen bin?

Irma: Vielleicht kannst du dich nur zu gut verstellen –

Vincenz: Die ganze Zeit her? Unablässig? In einem fort?

– – – – –

Da muß ich grad lachen, Irma.

– – – – –

Ich und mich verstellen –

Irma: Nein, das muß wahr sein – ja, was wahr ist, das ist wahr – du bist heut nicht anders, als wie du je zu mir gewesen bist.

– – – – –

Aber – vielleicht –

Vincenz: Irma –

Irma ungeduldig: Ich weiß ja selber nicht, warum ich mir wünsch, daß du ein paarmal anders hättst sein sollen, als wie du immer zu mir gwesen bist. Ich weiß es ja selber nicht. Ich –

Vincenz: Das ist dein – Zustand, Irma.

Irma: Ich –

Vincenz: Das sind die – das ist der Umstand, in dem du bist, Irma.

– – – – –

Soll immer so sein, wenn eine so ist. Wie du. Aber –

aber woher soll ich das wissen –

Irma: Was?

Vincenz: Daß das immer so ist, wenn eine so ist wie du.

Irma: Ist die Ambrosia dortmals nicht so gwesen, wie ich jetzt bin?

Vincenz: Was?

Irma heimlich abbittend: Hat die Ambrosia dortmals nicht grad so dahergredt, wie ich jetzt daherred?

Vincenz: Wenn die so gwesen ist, die Ambrosia – na, und sie wird ja wohl grad so gwesen sein – aber wenn die so gwesen ist, dann ist sies doch nur zum Pfarrer gwesen und nicht zu mir!

– – – – –

Und jetzt laß die Ambrosia. Mir scheint, du denkst viel zuviel dran, daß, wie du gekommen bist, die Ambrosia so hinausgegangen ist, wie du jetzt hinausgehst, wo –

Irma hilft ihm: Wo die Ambrosia wiedergekommen ist?

Vincenz: Ja.

Irma: Ja, aber daran muß – daran muß ich doch denken? Wie soll ich denn nicht daran denken? Sie seufzt.

Vincenz: Nicht so – nicht so daran denken.

Anders vielleicht.

Oder nur halb soviel –

Irma seufzt. Und hustet dann:

– – – – –

Die hat ihr Wiederkommen in der Taschen ghabt, die Ambrosia, noch eh sie fortgangen ist.

Vincenz: Und du, Irma, und du?

Irma: Ich?

Vincenz: Tu doch nicht, wie wenn dus nicht wissen tätst –

– – – – –

Gehst du denn überhaupts fort?

Irma: Aber doch aus dem Pfarrhof!

Vincenz: Aus dem Pfarrhof, ja.

Aber gehst du vielleicht ganz aus der Gegend? Nein. Du gehst doch nicht ganz und gar aus der Gegend. Bis ins zweitnächste Dorf nur. Den Katzensprung!

Irma: Wer weiß –

Vincenz: Irma, jetzt muß ich aber schon fast einmal – massiv mit dir reden! Ist nicht alles abgemacht zwischen uns? Will ich nicht ganz und gar für dich sorgen?

Betrübt. Ach geh, Irma, liebe Irma, daß du dich jetzt, zum Abschied, so – so zu mir stellst –

Und – ist es denn ein Abschied?

Es ist doch nicht einmal ein Abschied!

Irma lächelnd: Du kannst nicht massiv zu mir sein –

Vincenz: Ja, war denn das schön, wenn ich so zu dir sein tät?

Irma: Ich weiß nicht, aber –

ich weiß ja nicht, aber –

aber oft möcht ichs direkt!

Vincenz: Irma!

Irma: Ich weiß nicht –

– – – – –

Ich weiß nicht und weiß nicht –

– – – – –

Ich weiß eben nicht –

– – – – –

Aber nach was wie Strafe oder wenigstens nach was wie Verzeihung verlangts mich oft – Strafe oder eben nur Verzeihung, ganze Verzeihung –

obwohl mir eine ordentliche Strafe lieber wär wie eine Verzeihung – ja! ja –

Vincenz: Du lieber Gott, ihr Weibsleut! Und noch obendrein, wenns so seids, in einem solchen Zustand! Nach was es euch da nicht alles verlangt!

– – – – –

Das hätt ich mir nie träumen lassen frühers, nein –

– – – – –

Strafe oder wenigstens Verzeihung! Was soll denn jetzt das wieder heißen? Strafe, wegen was? Verzeihung, wegen was? Ja, wegen was denn, ums Himmels willen!

Irma schnell von diesem Thema ab: Ich glaub, da steht sie auf.

Vincenz: Wer?

Irma: Na, die Ambrosia.

Vincenz: So laß sie doch aufstehn!

Irma leicht drängend: Und du mußt zur Frühmeß, Vincenz. Du mußt zur Frühmeß.

Vincenz: Und aber du mußt nicht außer Land, Irma! Dieser dritthalbe Stundenweg dann immer von da bis zu dir hinüber!

Irma: Vincenz, sie steht auf, glaub ich.

– – – – –

Oder es ist der Pfarrer, der aufsteht.

Vincenz: So laß ihn doch! So laß den doch auch, den Pfarrer!

Irma nach einer Weile Aufhorchens und nach einer Weile Nachdenkens: Das ist ein Gutes wenigstens, und das ist durch mich worden, daß du zum Pfarrer hart bist heut. Seit dortmals. Du weißt schon, was ich sagen will.

Vincenz: Ja.

Irma: Aber – aber bleib auch so, Vincenz, bleib so, auch wenn ich jetzt nimmer da bin.

Vincenz: Er ist doch auch gleicherweis hart zu mir, der Pfarrer.

Von uns zwein ist es einer zum andern. Und –

das ist nicht gut, möcht mir scheinen.

– – – – –

Denn, ist mein Studierkamerad vielleicht hart zu mir gwesen, wie ich bei ihm drüben gwesen bin?

Nein.

Na da siehst dus.

– – – – –

Warum sind nur der Pfarrer und ich so hart gegeneinand? Könnt das nicht anders sein? Und wärs nicht viel besser, wenns anders sein tät?

Wo wir doch so nah beieinand leben, der Pfarrer und ich!

Irma: Grad deswegen!

Vincenz: Grad weil wir so nah beieinand leben? Grad deswegen?

– – – – –

Frühers, frühers, da haben wir doch wenigstens so alle zehn oder vierzehn Tag einmal über unsern Glauben oder über irgendeine Politik zueinand gredet. Heut –

Irma: Ich kann mir nicht helfen, Vincenz, aber ich finds besser so. Ganz ungleich besser.

Vincenz: Da müßtest du mir schon genauer sagen, warum –

Irma: Du hast doch deinen Freund, deinigen Studierkameraden, den Corpsbruder von dir!

Schreib dich an deinen Freund aus. An den schreib dir alles vom Herzen herab.

Hast dus ihm nicht gradaus in die Hand versprechen müssen, wie du bei ihm drüben gwesen bist, dortmals, wie du zu ihm hinübergfahren bist, auf drei Tag –

– – – – –

Das sind übrigens die einzigen drei Tag gwesen, seit wir uns kennen, daß wir nicht beieinander gwesen sind.

Sie sprach das mit einer eigenen Betonung. Und langte dabei nach seiner einen Hand. Und hält sie nun, die Hand.

Vincenz das bringt ihn neu und eindringlich auf den Abschiedsgedanken. Er seufzt:

– – – – –

Leer, recht leer wird mirs sein, jetzt überall, wenn du jetzt fortgangen sein wirst.

Irma: Nicht anders als wie früher. Wie ich noch gar nicht dagwesen bin. Wie die Ambrosia noch ganz dagwesen ist.

Vincenz: Nein – und nein.

– – – – –

Denn da liegt doch eine ganze volle Zeit dazwischen, von der ich dringend wünsch, daß sie gewesen ist –

grad – grad so, wie sie gewesen ist.

Und gar nicht anders!

Irma: Gar – gar nicht anders?

Vincenz: Nein. Gar nicht anders!

– – – – –

Er nimmt sie in seine Arme.

Irma: Vincenz.

– – – – –

Aufsteigende Angst. Vincenz, du, Vincenz. Wenn ichs nun grad so schwer und grad so voller Gfahr überstehen und aushalten muß, als wie die Ambrosia? Wenn bei mir um nichts nicht leichter – Ich bin doch nicht viel jünger wie die Ambrosia. Ich bin –

Vincenz: Geh, du –

Irma: Und oft ist mirs grad so, als wie wenn ich dich nicht verdient hätt, und grad als ob du zu schad für eine wie für mich sein tätst – Ja. Jaja.

Vincenz: Hab doch keine solchen Ängste und Zweifel, Irma. Ist von uns zweien – und wie oft in der letzten Zeit hab ich dir das schon vorsagen müssen – ist von uns zweien nicht eins durchs andere anders – oder – ja, wie soll ich denn gleich sagen? – nicht eins durchs andere anders und auf diese andere Weise ich wenigstens – gradaus zu sagen – besser geworden? Hat nicht eins vom andern profitiert?

Irma: Ich von dir, Vincenz!

Vincenz: Was hätt ich dir besonders geben können? Aber – aber ich von dir, Irma!

Irma: Du von mir?

– – – – –

Aber nein, nein, nein. Du wohl, ja, du hast mir wohl geben wollen. Wenn ich nur danach gewesen wär – Aber ich bin grad wie was, das keine Farb annehmen will! Ja, so bin ich – Das absolut keine Farb annehmen will!

Vincenz: Bleib wie du bist.

Irma: Nein, das taugt nicht. Ich sag dir doch, daß das nicht taugt. Und ich muß es doch wissen, daß es nicht taugt.

– – – – –

Ich fürcht mich so viel, Vincenz, daß ich in nichts nicht besser werden kann – ja – daß ich ewig bleiben muß wie ich bin – wie ich gewesen bin –

Ich fürcht mich, Vincenz –

Wie Sünd ist mir das!

Vincenz führt sie gegen das Kruzifix hin. Mit einem plötzlichen Einfall: Dann ist das eine Beichte gewesen, die du mir jetzt getan hast, Irma, und – ich hab dirs vergeben!

Irma: Sags nochmal, das war –

das war so gut –

Vincenz: Dann ist das eine Beichte gewesen, die du mir jetzt getan hast, Irma, und – ich hab dirs vergeben. Im Namen Gottes. In Gottes Namen. Er segnet sie. Und murmelt etwas wie die lateinische Nachlaß- und Vergebungsformel in der katholischen Beichte.

– – – – –

Weißt du übrigens, was der größere Segen der Beichte ist? Das ist nicht die stärkere Kraft, daß die Sünden vergeben werden, sondern die größere Kraft ist die, die das Beichtkind so anfüllt und so stark macht, daß es ganz mit Hilf dieser Kraft die Sünde –

bereuen kann!

Daß es dakniet und zerknirscht und so stark bereut, wie es ein sündiger Mensch aus sich nie allein könnte – Das ists.

Irma: Ja.

Vincenz: Die Gabe, die Kraft, eine Sünde bereuen zu können –

Irma: Das ists?

Vincenz: Ja, das ists!

– – – – –

Und nun, nachdem ich dir erst die Beicht abgenommen hab und dir deine törichten Sünden vergeben, Sünden, die fast keine Sünden gewesen sind –

Er lächelt. Er muß lächeln.

– – – – –

Da aber wird sein Gesicht ernst und bekommt einen Schimmer und hat etwas Heiliges.

– nun bist du meine Verlobte. Priester-Ehen! Nun bist du meine Verlobte. Und ich sags, denn ich wills, du bist meine Braut. Könnten die Hände, die geweiht sind, nicht Menschliches in Gott zusammentun, nicht alles und jedes Menschliche in Gott zusammentun, ohne Ausnahme,

auch mich

und dich?

Irma küßt seine Hände: Vincenz. Vinzi. Vinzierl.

Darauf hat eine recht menschliche Umschlingung stattzufinden. Auf all die vielen geistlichen Dinge hin.

Vincenz zuletzt: Und – ich seh dich nachher noch. Bis dahin – mit Gott.

Er geht ab. Nach draußen. Nach der Kirche. Seine Messe lesen. Und gerade in diesem Augenblicke ertönen ein paar eilige, fast hastige Glockenschläge. Das Zeichen, daß die Messe sein soll. Aber eilig und fast hastig wie gesagt. Denn zu werkeltags nimmts der, der läutet, nicht so umständlich mit dem Strangziehn. Da gehts auch so ...

Ambrosia tritt ein.

Irma mit den besten Absichten: Guten Morgen.

Ambrosia kurz: Morgen.

Irma tatsächlich teilnahmsvoll: Wie stehts mit euch? Ihr habts noch wenig erzählt –

Ambrosia als Antwort: Da liegt mein ganzes Zeugs noch da. O Gott o Gott –

Irma hilfreich: Ich habs doch vorhin wenigstens schon auf einen Haufen zusammentan.

Ambrosia offen feindlich: Dann hättet ihrs aber auch gleich ganz und gar mitrausnehmen können. Als ob das nicht in einem dahingegangen war. Als ob das eine gar so große Arbeit gewesen wär –

Irma erregt sich: Was hab ich euch denn euere Sachen mitrauszunehmen? Da schau mal an! Das war mir das Allerschönste! Was hab ich euch denn euere Sachen mitrauszunehmen?

Ambrosia im Ton einer übergroßen, einer verletzenden Zufriedenheit: Na ja. Jetzt hats ja bald ein End –

Irma scharf: Was hat bald ein End?

Ambrosia augenblicklich eingeschüchtert: Na ja –

– – – – –

Aber nun schon wieder nicht mehr eingeschüchtert. Im Gegenteil. Äußerst schadenfroh. Wann gehts denn nachher dahin mit euch? Jetzt gleich?

Irma: Ihr könnts mir die Tür da nicht weisen, wißts ihr? Wißts ihr, daß ihr mir die Tür da nicht weisen könnts? Ihr seids unaufmerksam, Lindpaintnerin, ihr seids leichtsinnig, Lindpaintnerin, ihr vergeßts gar vieles viel zu schnell. Reckts euch nicht gar so hoch auf, Fräulein Ambrosia! Ich duck mich nicht gar so tief vor euch, so müßts ihr euch nicht gar so hoch aufrecken, Fräulein Ambrosia!

Ambrosia unverschämt: Ist das eine Ruh für unsern Herrn Kooperator, wenns ihr wieder fort sein werdets! Wird das eine Erlösung für ihn sein!

Irma: Lindpaintnerin! Ledige Mutter von einem Pfarrerskind! Ich meine immer, ihr habts demselbigen Ding gestern noch von euerer Milch ablassen – und heut tuts ihr, als ob das alles gar niemals und nie gewesen war! Ist es ein Bub oder ist es ein Mädel? Was ist es denn, Lindpaintnerin? Sagts doch, Lindpaintnerin! Wißts amend schon gar nimmer mehr, obs ein Bub ist oder ein Mädel? Ists amend doch ein Bub – erinnerts euch gefälligst – und habts ihr etwa seit heut nacht schon die zukünftige Schwester zu demselbigen Buben im Bauch? Pfarrerskindermaschin, elendige! Dann komm ich so was heut in sechs oder sechseinhalb Monat wieder zu eurer Aushilf her, Lindpaintnerin, das heißt, wenns mich schön drum bitten tuts! Aber bitten müßts mich gar schön drum und mir hier nicht ganz so grob mehr die Tür weisen – Meßgewandschleckerin!

Ambrosia steht in diesem Augenblick, als ob sie auf die Irma losstürzen wollte.

Irma noch herausfordernder. Aufs Höchste aufreizend: Meßgewandschleckerin!!

Ambrosia: Das –

das –

das –

das sag ich –

das sag ich dem Pfarrer!

Das sag ich dem Pfarrer, dem Pfarrer, dem Pfarrer sag ichs!

Sie läuft ab.

Irma mit Worten nachtreibend: Immer zu! Ich wart hier herin! Ich wart hier herin! Ich wart solang, Lindpaintnerin, bis ihrs ihm gsagt habts! Aber richtets ihm alles treu aus – vergeßts kein einzigs Wörterl! Und –

Rasend.

Kommts doch nochmal her, Lindpaintnerin! Dann sag ich euch noch ganz was anders – und wenns –

und wenns –

Da kommt sie neu ihr Husten an. Sie hustet sich aus. Eine ganze Weile. Und dann lacht sie. Laut und verzerrt.

Der Achatius, der Pfarrer, tritt ein. Und spricht hinaus zur Tür, wie er eintritt: Ihr bleibts draußen, Köchin. Vorläufig draußen. Habts mich verstanden, Köchin?

Die Stimme der Ambrosia: Nicht gar ganz, Hochwürden!

Achatius: Und ich sag euch, ihr bleibts draußen, und –

und ich weiß nicht einmal, ob ich euch überhaupts rufen werd!

Schließt die Tür.

– – – – –

Öffnet die Tür noch einmal. Seids ruhig und bleibts draußen, Köchin, denn ich denk, daß –

daß ich mit der andern Köchin da herin noch ganz allein fertig werd!

Schließt die Tür sehr kräftig zu.

– – – – –

Er ist größer aufgeregt wie die Irma.

Irma steht ganz wartend.

Achatius: Prechtlin –

– – – – –

Das – hätt nicht grad sein brauchen, Prechtlin –

Irma: Von – wem nicht sein brauchen?

Achatius: Von euch, Prechtlin.

Irma: Und ich hab bislang gemeint, von der andern nicht sein brauchen, von der Ambrosia – ja, von Euerer Ambrosia!

Achatius gestikuliert.

Irma: Ich sags Euch nochmal, Hochwürden, ja, eija, daß das nicht grad hätt sein brauchen – von der Ambrosia –

– – – – –

Kommt da herein und fahrt mich an! und wie ich ihr antwort, weist sie mir die Tür! wegen nichts und wieder nichts!

– – – – –

Lauernd. Oder –

spannt sie vielleicht was?

Achatius: Was heißt spannt?

Irma: Weiß sie was?

Achatius: Was –

Irma: Habts Ihr ihr vielleicht –

vielleicht beichten müssen?

– – – – –

Daß sich jetzt vielleicht einmal der Spieß umgkehrt hat – und daß der Pfarrer der Köchin hat beichten müssen –

Achatius bittend: Irma.

– – – – –

Ich glaub, Ihr wärts im Stand und täts auch das noch alles aussagn –

Irma: In dem Umstand, in dem ich bin, könnt man leicht dazu im Stand sein –

Achatius bittend: Irma –

Irma: Ja, Achaz?

Achatius: Irma –

– – – – –

Irma!

– – – – –

Irma! Daß – daß niemand nie was davon erfahrt! Wir beide denk ich haben gute Gründ – gute Gründ genug, jetzt und für alle Zeit gar fein und fast heimtückisch verschwiegen zu sein! Wir beide! Wir alle zwei, ja!

Wir wollen eins dem andern keinen Vorwurf machen. Nie einen Vorwurf. Niemals im allergeringsten dran denken wollen, wer etwa von uns mehr Schuld haben könnt. Es ist in unserm beiderseitigen Interesse, Irma.

Ich will um Gottes willen meinen Frieden mit der Ambrosia haben – und du sollst auf Frieden schaun, von wegen deinem Kooperator, der dir so sicher ist und auf diese Weis' sicher bleiben wird, und der dich gern hat.

Ich bleib bei dem, was ich heilig, was ich dir heilig versprochen hab, Irma. Die nächste Benefiziatenstellung, die wo irgendwo frei wird, die kriegt der Kooperator – durch mich. Ich habs auch schon beim Domkapitel eingereicht.

– – – – –

Na, und das Kind –

Irma: Ich bet zu Gott, bet alle Tag zu Gott, daß es von ihm ist, und –

und nicht von Euch!

Achatius: Und ich vielleicht nicht, Irma?

– – – – –

Aber davon ist schwer reden. Ob aber so oder so, das Kind, das dir wird, das ist für dich und den Kooperator Kitt genug bis dahin, ein starker Kitt, bis dahin –

das will sagen, bis daß er die Benefiziatenstellung kriegt. Und dann, dann seids ja ihr zwei, du und er, durch mich zusammen, beieinander –

und grad so und genau so beieinander wie hier die Ambrosia und ich!

ganz genau so, und für alle Zeit, wenns nur wollts –

– – – – –

Und deswegen, Irma, hättst du vorhin an dich halten müssen, vorhin, und wenn die Ambrosia noch tausendmal verletzender zu dir gewesen wär –

Irma: Glaubts denn, ich habs nicht probiert, Hochwürden?

Achatius: Du hast ein gar starkes Interesse, daß der Kooperator nichts erfährt –

und ich, ich weiß, ein gleich starkes, daß die Ambrosia –

– – – – –

Und was jenes Vergehen von uns zwei angeht, dortmals, wie dein Kooperator zu seinem Studienkameraden hinübergefahren –

Irma: Ich glaub, ich bin schuld gewesen, dortmals –

– – – – –

aber ich

aber –

ich –

Achatius: Und ich nicht? Und ich soll nicht schuld gewesen sein dortmals?

– – – – –

Wir sind beide zu gleichen Teilen dran schuld gwesen, Irma. Und müssens nun eben leiden!

Denn ich kann dir sagen – ich leids –

Irma: Und ich nicht?

Wimmert.

– – – – –

Achatius: Aber was gut zu machen ist an allem, das mach ich gut. Ich schwör dirs, ich stift alles zum Guten, soviel ich nur kann!

Irma: Und was ich an Vincenz gut tun kann, das tu ich auch und schwörs genau wie du!

Achatius: Nicht das was gewesen ist, gilt am meisten. Was in einem unbewachten Augenblick einmal gewesen ist, nicht das gilt am meisten. Sondern das was sein wird. Wie man sichs einrichten will. Der Wille nachher ists. Die Kraft, die man aufbringt. Wie man sich nach dem Begangenen verhält, das ists.

Eine Sünd, eine böse Sünd ist ein Augenblick. Das Gute, das nachher werden soll, das ist die Dauer.

Gut sein. Gut werden wollen. Die Kraft dazu aufbringen, nachher unvergänglich gut zu sein – aus allem eine Lehre ziehn. Eine gute Nutzanwendung –

Irma: So ähnlich wenigstens hat der Kooperator auch vorhin gsagt –

Achatius: Hast du ihm – sehr erschrocken.

Irma: Er ist einer ähnlichen Meinung, aber ohne daß er das geringste spannt –

Eine ganze Weile Schweigen.

Achatius: Na, und soll ich sie reinrufen jetzt! Es ist um den Frieden. Ich weiß, es mag schwer sein für dich. Aber der Form nach, der ganz äußerlichen Form nach sollst dus ihr tun –

– – – – –

Entschuldige dich nur ein ganz kleins bissel bei ihr, Irma –

Irma –

Ja?

– – – – –

Auch durch das kleinste bissel Bezwingung, indem du dir nach deinem Kopf was vergibst, trägst du einen neuen Teil von unserer Schuld ab –

– – – – –

Ja?

Ja, Irma, ja?

Jetzt?

Irma: Ja –

ja.

Da dringt die Sonne durch; da läßt der gute alte Gott freundlich Strahlen scheinen.

Achatius geht zur Tür. Und da läutets was von drüben, und die beiden bekreuzigen sich. Und da öffnet der Pfarrer die Tür und ruft hinaus: Köchin? Köchin?

– – – – –

Und wendet sich wieder zur Irma und lächelt ihr zu. Na, Irma –

Ambrosia tritt ein,

da fällt aber auch schon der Vorhang.


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