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Da stand nun Wieprecht, lichtumwoben, Mit merklich angekrülltem Haar, Und seine Augenbrauen hoben Sich unterm blanken Gläserpaar. Er dachte nach. – Das Uhrwerk tackte Bedachtsam ohne Rast und Ruh; Das Kienholz summelte und knackte Die passende Musik dazu. Ein Heer von silberhellen Spuren Fiel knisternd aus dem Feuerbrand Und malte zierliche Figuren Feinglitzernd in den Stubensand. Doch Wieprecht meditierte gründlich, Er trennte Weizen von den Spreu'n, Um das Erwogene dann mündlich Als goldne Körner auszustreun. Er sichtete mit weisen Händen Die milchige Nomenklatur Und kam den sahnigen Legenden Durch scharfes Denken auf die Spur. Er trennte, was man trennen mußte, Und einte, was sich einen ließ, Und formte so in fetter Kruste Die Atzung, die man Käse hieß. Nachdem er so in seiner Weise Genug gesonnen und gedacht Und die mit Recht beliebte Speise Mit kluger Hand zurechtgemacht, Da griff er nach der Schildpattdose, Die eingelegt mit Elfenbein, Und warf die tabakliche Schose Ins zarte Riechorgan hinein. Und als auch dieser Fall erledigt, Das Nasenopfer war geschehn, Ließ er die schönste Käsepredigt Als Vogel Phönix auferstehn. Doch nicht aus grauen Aschenwolken Erstand das Tier, das keinem glich, Vielmehr aus Kasein und Molken Hob dieser Wundervogel sich. Und Meister Wieprecht sah ihn fliegen, Sah ihm verklärten Blickes nach, Und dann wie immer, sehr gediegen, Hob er sein Glas und trank und sprach: »O Käse, Käse, himmlisch Essen! Es schwelgt der Mund, der Gaumen lacht! Doch nur die Nase kann ermessen, Wie weit du's in der Welt gebracht! Gleichviel, ob du dich eingeschworen Als Chester und Fromage de Brie, Ob du als Camembert geboren Weit drüben in der Normandie, Gleichviel, ob du zu Backsteinformen, Zur Kloßgestaltung mehr dich neigst, Ob du in Rädern, ganz enormen, Als Emmentaler Käs dich zeigst, Ob du im Winter, ob im Maien Gehst in die weite Welt hinaus, Ob du in Hollands Molkereien, Im schönen Algäu bist zu Haus – Dein Hauch verdunkelt alle Kräuter In Wald und Hain, in Feld und Flur; Denn du entsprangst dem vollen Euter Als größtes Wunder der Natur. Du bist der König der Arome, Der Großsultan im Duftrevier; Der Weihrauch selbst im hohen Dome Ist ledern im Vergleich zu dir. Wo Schmauserei – du darfst nicht fehlen, Wo Spiel und Tanz – du bist dabei, Und wo zwei gleichverwandte Seelen, Dein Ruch beseligt alle zwei. Jedoch der größte Duftverschwender, Ein Partner unsers Moselweins, Das ist, bekannt als Lebensspender, Der Käs von Limburg und von Mainz. Schon in den frühsten Morgenröten, Er war berühmt, als Adam grub Und Absalom in schweren Nöten Den Kelch mit faulem Schierling hub. Die Alten wußten schon zu leben; Sie aßen nur, was fett und rar, Und mußten dann dem Magen geben, Was gut für die Verdauung war. Zum Beispiel schon nach Morchelsuppe, Nach Gänseklein mit Petersill, Nach Schmalzkartoffeln, die mir schnuppe, Und fettem Moselaal in Dill, Nach Kopfsalat und Schweinebraten Und ähnlich üppigem Gefräß, Kurzum, nach allen Schlemmertaten – Sie nahmen immer Mainzer Käs. Und solch ein Käse . . . Kinder, Kinder! Ich rieche den Ambrosia! Jetzt schwenkt den Hut, schwenkt den Zylinder, Denn solch ein Götterschmaus ist da!« Da gab's Hallo. Die Stühle krachten, »Nein!« fuhr er auf und hob die Hände, »Ins Zündloch hast du sie geschossen!« Da jäh, als just es sieben brummte, |