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1.

Moses hieß der Mann, welcher da am Wege saß. Der Weg kam von Triest heraus. Er war jedoch nicht die Landstraße, sondern ein schmaler Fahrweg, welcher etwa ein Stockwerk höher lag, als die nach Süden führende Landstraße. Er reichte nur bis zu einer Villa, welche dort an der Höhe lag inmitten eines Gartens.

Moses sah sich zuweilen um nach der Villa, es war aber dort kein Mensch zu sehen. Er schien heiteren Mutes zu sein, wenigstens verzehrte er mit offenbar gutem Appetite sein Abendbrot, ein Stück trockenen Brotes.

Moses war auch wirklich eine heitere Natur, obwohl er nur ein Trödeljude war, welcher alte Kleider und sonstigen Plunder zum Verkaufe herumschleppte. Ein Bündel seiner geringen Ware lag neben ihm auf dem Boden.

Es war gegen Abend, und die Sonne war nahe daran, ins Adriatische Meer zu tauchen, welches dunkelblau da unten Wellen schlug. Rotgolden lag ihr Schein auf der hohen und steilen Bergwand, welche hinter Triest zum Karstgebirge aufsteigt. Es war Spätfrühling, und die Wärme wäre schon lästig geworden, wenn nicht eine frische Brise vom leicht bewegten Meere herauf geweht hätte.

Was machte der Trödeljude hier außen, wo es nichts zu schachern gab? Ja, er war eine Ausnahme von seinen Standesgenossen, er war ein Naturfreund. Vielleicht weil er da oben hinter den Bergen in ärmlicher Hütte aufgewachsen war und viele Jahre die Ziegen gehütet hatte. Er hatte sich da an die freie Natur gewöhnt und suchte sie gern auf, wenn es da unten in dem heißen Triest schwül wurde.

»Sie kommt heute nicht!« sagte er leise vor sich hin, als er sich eben wieder umgeschaut und vor der Villa niemanden gesehen hatte. »Ah, der Ruben!« fuhr er fort, »der Ruben!«

Der schmale Fahrweg nämlich endigte wohl bei der Villa, aber ein schmaler Fußweg schlängelte sich zwischen blühenden Hecken am Berge hinauf, und auf diesem Fußwege kam soeben ein junger Mann daher, welcher Ruben hieß.

Und noch mehr! Als dieser Ruben am Garten der Villa war und in den Fahrweg herabstieg, da erschien eine weibliche Gestalt unter der Veranda und trat in den Garten herab.

Moses wendete sich mit dem ganzen Körper rückwärts, Ruben blieb an der Gartenecke stehen, und beide betrachteten aufmerksam das junge Mädchen – denn es war ein junges Mädchen, und zwar ein bildschönes. »Augenscheinlich sehr jung, höchstens sechzehn« – flüsterte Moses – »höchstens! Und so schlank!«

Schwebenden Ganges trat sie an einen Rosenstock, pflückte eine Rose, führte sie an ihr reizend griechisch geformtes Näschen und blickte dabei übers Meer hin, weder den Ruben noch den Moses gewahrend.

»Sie genießt den Abend« – flüsterte Moses – »ah, so kurz!«

Das Mädchen wendete sich nämlich langsam und ging nach der Villa hinauf, oben aber unter der Veranda kehrte sie noch einmal ihr Köpfchen zurück, um noch einmal aufs dunkle Meer zu schauen. Dann verschwand sie in der Villa.

Jetzt schritt auch Ruben weiter und stand im nächsten Augenblicke vor Moses.

»Was machst denn du hier?« – sagte er, verbesserte aber sogleich seine Rede, indem er hinzusetzte: »Hier gibt's doch kein Geschäft für Sie, Moses.«

»Warum wollen Sie nicht beim ›Du‹ bleiben, wie alle Welt, Herr Ruben?«

»Weil ich kein Recht habe zu diesem geringschätzigen oder vertraulichen Ausdrucke.«

»Nennen wir ihn vertraulich und bleiben wir dabei, Herr Ruben, ich bitte.«

»Bitte?«

»Ja. Von Ihnen möcht' ich vertraulich behandelt werden, ich hab' Sie gerne und freue mich, daß Sie die Dame gesehen haben. Sie ist prächtig. Nicht wahr?«

»Kennst du sie?«

»Donna Kamilla heißt sie. Ich komm' in die Villa zum Bedienten, der schöne Westen liebt, und zur Köchin, die bunte Schürzen braucht. Donna Kamilla ist nur zu Gaste hier; sie stammt aus Ancona und besucht ihre Tante in der Villa, die reiche und stolze Frau Müller, die sich Signora Molitore schreibt und nennen läßt, und die unsereinen verachtet. Sie hat auch recht.«

»Warum?«

»Weil ich ein Jude bin. – Haben Sie jetzt die Signorina Kamilla zum ersten Male gesehen?«

»Ja.«

»Hui! Das wär' eine für Sie, wenn Sie nicht auch – Hab' viel gesehen, viele! Ich gucke danach von Jugend auf, aber so einen Schatz noch nie. Nicht wahr?«

»Ich habe auch noch nie so was Herrliches gesehen.«

»Was Herrliches, freilich! Setzen Sie sich auf den Stein! Sie sind ja ganz weg, ich seh's. Ihre Augen sind wie gefroren. Ja, so geht's, wenn ein Engel auf der Jakobsleiter herunterkommt. Setzen Sie sich!«

Ruben war wirklich wie betäubt. Der Anblick des Mädchens schien ihn entrückt zu haben aus dieser Welt. Er hörte kaum und verstand nicht gleich, was der Moses schwatzte.

Wer hätte auch in dem Trödeljuden einen Schönheitskundigen suchen wollen! Und doch war er ein solcher. Wie er die Vorzüge seiner alten Kleider anzupreisen wußte, so beschrieb er jetzt mit Zungenklatschen alle reizenden Eigenschaften dieser Kamilla; die duftende Jugend, die schönen Arme, das Lockenhaar, und erst die Augen!

»Mach' mir den Bruder nicht verrückt!« rief plötzlich eine dritte Stimme.

Sie gehörte dem Bruder Rubens, dem Manasse. Er war aus der Villa gekommen und stand jetzt dicht bei ihnen.

Ruben und Moses standen auf zwei Steinplatten, welche aufgerichtet am Wege lagen, wahrscheinlich bestimmt, in die Villa geholt zu werden, und Manasse, den Moses beim grauroten Barte zerrend, lachte hell auf, indem er sagte: »Von der schönen Italienerin faselst du wohl? Du willst dich also nicht verbessern, Moses, nein?«

»Mein Lebtag nicht!« antwortete dieser und lachte auch.

»Ein armer Trödeljud und verliebt bis zu den grauen Haaren!« fuhr Manasse fort.

»Und warum denn nicht?« erwiderte Moses. »Niemand kann mir's verwehren und wohlgetan hat mir's mein Leben lang. Ich frag' nicht nach Essen und Trinken, schöne Mädchen machen mich satt.«

»Du heißest der Trödel-Don-Juan und der Rabbiner wird dich nächstens ins Gebet nehmen.«

»Wird er? Er wird nicht. Was geht's ihn an, was geht er mich an! Ich bin ja auch still und sittsam dabei.«

»Und warum hast du denn nicht geheiratet, da du doch so verliebt bist?«

»Geheiratet?! Eine garstige Schickse vom Besenstiele weg? Wer nähme mich denn sonst? Und was hätt' ich an ihr? In ein paar Jahren ist sie fett und sieht alt aus. Mir aber hing sie am Bündel, oh! Nichts da. Ich kann ja die ganze schöne Jugend haben, die immer wieder aufwächst, ich kann sie haben, weil ich nichts verlange als das Anschauen. Aber beim Herrn Bruder hier hat sie eingeschlagen.«

»Was heißt eingeschlagen?«

»Die Jugend da drin, die Kamilla.«

»Also richtig, von der spracht ihr.«

»Ich nur, der Herr Bruder spricht keine Silbe.«

Ruben machte eine ablehnende Bewegung, sagte aber kein Wort; er starrte nach wie vor aufs Meer hinaus, auf welchem die untergehende Sonne in tausend Farben spielte.

»Du hast die Kamilla gesehen? Zum ersten Male? Wie kommst du hieher?«

Moses antwortete für Ruben: »Vom Berge herunter, auf dem Fußsteige ist er gekommen, hat sie, nicht wahr, Herr Ruben, zum ersten Male gesehn, und nun ist er fertig. Das geht so: man verliert den Verstand. Ich brauche manchmal acht Tage, um ihn wiederzukriegen. Nachdem ich den Engel hier zum ersten Male gesehn, hat's vierzehn Tage gedauert. Seit vierzehn Tagen lauf ich jeden Abend hieher, um sie wiederzusehn, und jetzt erst verläßt mich die Dummheit, seit ich sehe, wie der Engel unserm ernsthaften Herrn Ruben den Kopf verdreht.«

Manasse blickte aufmerksam auf seinen Bruder, schüttelte den Kopf und sagte endlich: »Steh' auf, Ruben. Wir müssen nach Hause; der Abend sinkt. Der Vater wartet mit dem Talmud, und du weißt, wie er schilt, wenn wir zu spät kommen. Was dies Mädchen da drin und die ganze Villa betrifft, so geh' vorbei, ohne umzuschauen. Die Leute da drin hassen uns Juden, und zwar arg. Ich kenne sie. Ein fetter Abbé, welcher mit dem Mädchen aus Ancona gekommen, macht kleine Geschäfte an der Börse, und ich bin sein Galopin. Soeben bin ich bei ihm gewesen und hab' ihm Abrechnung gebracht; die Frau Müller-Molitore, welche dazukam, hätte mich beinahe angespuckt – heda, Marcia! Wo denn hin?«

Dies galt einem jungen Dienstmädchen aus der Villa, welche vorüberging. Sie antwortete mit einem unverständlichen slawischen Laute und stieß Manasse unsanft zur Seite, als er sie beim Kinn anfassen wollte.

»Marcia ist spröde, solange noch ein Sonnenstrahl schimmert,« sagte Moses; »trotzdem ist Herr Manasse besser dran als sein Herr Bruder, denn er, sucht sich die derben Weibsbilder aus; die sind leichter zu haben.«

»Moses, du bist ein Schwätzer. Komm', Ruben!«

Er faßte den Bruder unter dem Arm und zog ihn fort.

Ruben sah noch einmal rückwärts nach der Villa und ließ sich fortführen. Moses blieb sitzen.

Dieser Moses war ein wunderlicher Patron. Schön war er nicht. Wer verlangt denn das auch von einem Trödeljuden? Die Blattern hatten das Gesicht zerrissen in früher Jugend, und später waren die Sommersprossen gekommen, sogar breite Sommerflecke, welche die Gesichtszüge zudeckten. Er hatte nämlich rotes Kraushaar, und damit ist stets eine feine, weiße Haut verbunden, welche selten der Gefahr entgeht, von der Sonne befleckt zu werden. Aber in dem garstigen Gesichte blitzten ein Paar kleine, sehr lebhafte Augen hervor, braungrüne Augen, welche wohl auch nicht paßten zum roten Blondin. Auch dicke, aufgeworfene Lippen verschönerten ihn nicht. Aber hinter den Lippen saßen weiße, gesunde Zähne, und der Körper unter dem Kopfe war schlank und geschmeidig, obwohl er schon mehr als fünfzig Jahre alt und obwohl das krause Kopf- und Barthaar schon angegraut war.

Als junger Bursch war er fortgelaufen oben im Karstgebirge, wo seine Eltern in einer dürftigen Felsenschlucht eine Hütte besaßen und ein schmales Stückchen Acker. Die Ziegen, dies eigensinnigste, hartnäckigste Tier, waren ihm zuwider geworden, und sein Vater hatte ihm erzählt, daß hinter den kahlen Bergen ein großes Wasser läge und daß es an dessen Rändern sehr schön wäre; mit einem kleinen Handel könnte man da ein reicher Mann werden.

Reich? Das war's nicht gerade, was ihn lockt. Aber schön!?

Als er auf der Flucht bis nach dem Opeinaberge gekommen, da hatte er gezittert wie Espenlaub, bei der Aussicht auf das Meer und Triest unten, und in einem Dauerlaufe war er hinunter gerannt.

Um nicht zu verhungern, hatte er anfangs betteln müssen, und im Vaterhause der Brüder Ruben und Manasse hatte er immer einen Kreuzer bekommen. Dies Haus hatte er deshalb immer geliebt, und den aufwachsenden Knaben Ruben und Manasse hatte er sich freundlich zugedrängt, nachdem ihm übrigens seine jüdische Abstammung Hilfe gebracht. Der Rabbiner hatte entdeckt, daß er recht aufgeweckten Geistes wäre, und hatte ihn zu kleinen Diensten bei sich behalten. So war er auch in die Judenschule gekommen und hatte sich durch rasche Auffassung hervorgetan. Allmählich aber hatte ihn der Rabbiner naseweis befunden, und endlich hatte er ihn fortgejagt, weil der junge Moses freche Fragen gestellt über Sachen des Glaubens. Die Frau des Rabbiners indessen hatte ihm zum Abschied einen Gulden geschenkt und ihm geraten, mit diesem Gulden ein paar alte Kleidungsstücke zu kaufen und mit ihnen zu handeln; denn er sei von munterer Rede, und das werde ihm forthelfen.

So war's geschehen; er hatte ihm fortgeholfen. Ein kleines Talent war ihm zustatten gekommen: er hatte in der Schule ein wenig Zeichnen gelernt, und das übte er weiter, sobald er ein Blatt Papier erwischte. Am Hafen sitzend, zeichnete er Schiffe und Schiffer und hinten das Meer. Der Anblick des Meeres und hinter ihm des Gebirges machte ihm Vergnügen, es war eben etwas vom Künstler in ihm. Seine abgezeichneten Schiffer besonders fanden Anwert; er verkaufte sie manchmal für ein paar Kreuzer, am sichersten, wenn sie karikiert und komisch waren.

Das setzte er fort, weil dies namentlich dem Veitl Spaß machte. Veitl war ein alter bissiger Jude, welcher einen kleinen Gassenladen hielt mit Büchern, vorzugsweise mit alten abgegriffenen Büchern. Der Laden war eigentlich nur ein Loch, ins Eckhaus hinein ausgebrochen, sechs Schritt lang, sechs Schritt breit. Darin saß der alte Veitl seit vierzig Jahren, und ihm hatte Moses eine seiner Schifferkarikaturen zum Verkaufe angeboten. »Bist du verrückt? Wer kauft solche Sudelei!« hatte Veitl gesagt. Aber darauf war ein Gespräch gefolgt, bei welchem der sonst verdrießliche Veitl in seinen langen grauen Bart hinein gelacht hatte über den frischen Gelbschnabel seines Glaubens. Und der Moses war wieder gekommen, und hatte dem Veitl geschickte Handdienste geleistet beim Ordnen der alten Scharteken. Er hatte sich als Laufbursche nützlich gemacht für Bestellungen und fürs Abholen einer Wiener Zeitung, welche Veitl von der Post bezog. Vom Postamte bis zum Veitl las Moses die Zeitung, und las sie dann dem Veitl vor, welcher kranke Augen hatte. So unterrichtete er sich und wurde dem Veitl nötig und immer bekannter. Er las auch dessen alte Bücher und empfahl dieselben mit Nachdruck den nachfragenden Käufern, und vor allen Dingen hörte er dem Veitl aufmerksam zu, wenn dieser schimpfte.

Veitl schimpfte gegen die ganze Welt, sogar gegen die Juden, die sich niederträchtigerweise mit den Christen vermischten; er war ein altjüdischer Fanatiker. Moses war gar nicht gläubig, aber er war klug genug, sein Maul zu halten. So wurde sein Verstand geübt, und er lernte den Talmud genauer kennen, von welchem Veitl mehrere Exemplare hatte. Der Talmud ist der Turnplatz der Juden, Moses lernte turnen. Er verlor zwar manche Zeit für sein Trödelgeschäft, aber er lernte. Er konnte auch halbhungrig leben, und endlich übergab ihm Veitl auch für seinen Trödelkram bedenkliche Flugschriften. Diese brachte Moses hie und da an den Mann, und dafür gab ihm Veitl kleine Tantiemen. Außerdem vervollkommnete er sich im Karikaturzeichnen, denn in Veitls Laden konnte er Papiersetzen haben. Er porträtierte absonderliche Käufer zum Spaße Veitls, der die entstellten Gesichter gern sah, weil er den Ärger liebte. Dies waren lauter bekannte Triester Personen, und in manchem Hause kaufte man sie ihm ab oder gab ihm ein Paar noch leidliche Hosen dafür, weil man jenen Personen den Spott gönnte. Solchergestalt kam Moses allmählich in die Höhe, und da ihn Veitl in scheltender Weise auch über die Börse unterrichtete, so schlich Moses bald auch um die Börse herum, kriegte hie und da eine Botschaft aufgetragen, wenn er sie galoppierend besorgen könnte. Er galoppierte, besorgte genau, und wurde so nach und nach verwendet als Botenläufer. Sein Trödelkram wurde fast Nebensache, er gewann auch ohne ihn seinen Unterhalt. Aber er behielt ihn bei, er brachte ihn mit aller Welt in Berührung, und das liebte er.

Als er jetzt bei untergehender Sonne da bei der Villa auf dem Steine saß, da hatte sein Leben schon über fünfzig Jahre gedauert, hatte sich nach allen Seiten ausgedehnt und hatte ihm ein kleines Vermögen eingetragen. Er kannte die ganze Stadt und alle Privatverhältnisse in derselben und war dabei immer ein Naturfreund geblieben, ein gemeiner Künstler, wie er zu sagen pflegte. Als solcher blieb er auf dem Steine sitzen, nachdem die beiden Brüder fortgegangen waren, und blickte unverwandt aufs Meer, über welches die letzten Sonnenstrahlen gelb und rot tanzten. »Wer das malen könnte!« sagte er vor sich hin. Ein Ruck und die Sonne war verschwunden, eine bunte Dämmerung fiel nieder und eine scharfe italienische Stimme schrie in sein Ohr:

»Was machst du hier, Jude? Was hast du zu spionieren? Pack' dich fort!«

Und dazu fuchtelte ein Stock vor ihm durch die Luft.

Das alles kam von einem jungen eleganten Manne, welcher sein Spazierstöckchen vor der Nase des Moses niederhieb.

Moses fuhr in die Höhe und sagte: »Pardon, Signore Cavaliere, ich war eingeschlafen.«

Der Cavaliere ging in die Villa. Moses blickte ihm nach. Solche Behandlung war er gewohnt, aber von diesem Herrn schien sie ihn zornig aufzuregen. Dieser Cavaliere war ihm besonders zuwider und er meinte auch zu wissen, daß dieser Geck – so nannte er ihn still vor sich hin – sich die schöne Kamilla aneignen und sie fortführen werde. Schöne Mädchen waren eben seine schwache Seite. Er war verliebt von früh auf und jetzt in den fünfziger Jahren um kein Haar minder. Aber ach! sein ganzes Leben hindurch, ohne die geringste Erwiderung von einem halbwegs hübschen Frauenzimmer zu finden. Darum hatte er sich allmählich gewöhnt mit dem Anblicke zufrieden zu sein. »Man lernt auch hungern«, sagte er.

Hierher vor die Villa kam er seit vierzehn Tagen jeden Abend, um das schöne Mädchen zu sehen. So was nannte er seine Lebensfreude. Auch ins Haus hinein war er schon gedrungen und hatte dem Diener eine schöne Weste, der Marcia eine bunte Schürze für ein Spottgeld zugesteckt, um wiederkommen und die schöne Kamilla an sich vorübergehen sehen zu können.

Daß ihm solch eine Rose nicht blühte, das wußte er nur gar zu gut, aber dieser schnöde Cavaliere, der da eben eingetreten, machte es ihm klar, daß er diesem groben Geck die Rose nicht gönne und daß er ihm alle erreichbaren Prügel zwischen die Füße werfen möchte. »Ja,« sagte er nach einer Pause, »ja, wenn ein schöner, liebenswürdiger Mann, der auch dir angenehm ist, käme, und – richtig, der Ruben! Dawider hättest du nichts, solch ein prächtiges Paar würde dir sogar Freude machen.«

Und so war es. Schöne Leute zu vereinigen, das erquickte ihn. Er hieß auch bei manchen Leuten der Kuppler Moses, und zu diesem Titel lachte er still vor sich hin.

Freilich, freilich! Zu Ruben und Kamilla da mußte er doch den Kopf schütteln und sich sagen: Das geht nicht, das ist unmöglich. Der Ruben ist wie du ein Jude, und in dieser Villa haßt man nicht nur die Juden, man verachtet sie wie Aussätzige.

Dies denkend – es war unterdes stockfinster geworden – ging er endlich auch nach der Stadt – nein, er kehrte noch einmal um und kroch vorsichtig bis zur Veranda hinauf. Innen waren die Lampen angezündet, er konnte durchs Fenster hineinsehen – richtig, er sah Kamilla, vor welcher katzenbuckelnd der Cavaliere stand. Er wurde gegen den Kerl so wütend, daß er unvorsichtig Geräusch machte und eiligst fliehen mußte. Auf dem Fahrwege unten wiederholte er fluchend: »Nein, der Schuft soll sie nicht kriegen, der Ruben soll versuchen – ach, Moses – schloß er betrübt – du wirst ein Dumpfkopf!«


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