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Arbeiterviertel einer Fabrikstadt im Wuppertale. Hintergrund bergiger Wald. Links im Tal fließt ein schmaler Wupperarm, nach hinten in einer Biegung auslaufend. Über den Fluß führt eine Brücke zu einem Weg, an dem Pius' zerfallenes, einstöckiges Häuschen liegt. Rechts hinten ein Gäßchen mit hohen, alten, schmutzigen Arbeitermietshäuschen. Im ersten, nur noch halbsichtbaren Hause wohnen im obersten Stockwerk Puderbachs.
Links von der Wupper eine Wiese – in der Ferne sieht man dampfende Schornsteine von Fabriken und andere Häuser usw.
Vor Pius' Häuschen steht eine Bank, neben dieser ein breiter Strauch. Vor einem Steg, der im Hintergrund in den Wald führt, brennt eine alte Laterne, die während des ersten Aufzuges langsam erbleicht.
Großvatter Wallbrecker; Carl Pius; Frau Amanda Pius; Mutter Pius; Lieschen Puderbach; August Puderbach; der Pendelfrederech; Lange Anna; der gläserne Amadeus; zwei Helfershelfer; Kroatenjungen.
Großvatter Wallbrecker: Hör auf dein alten Großvatter, Carl, schmeiß den Gelehrtenkrams beis Gerömpel. Du bist man so recht was für'n Meister, Gesellen müßt de unter dein Kommando hab'n.
Carl: Laß mich man erst Pastor sein, Großvatter, dann werden die Meister meine Gesellen.
Großvatter Wallbrecker: Und das Liesken drüben sollst du doch frein.
Carl (überlegen wie zu einem Kind): Die heirat mich um so lieber.
Großvatter Wallbrecker: Fünfundzwanzig Jahr hab ich mit dem Liesken sein Großvatter am Webstuhl gesessen, und doch war das Leichentuch zu klein für uns zwei. – (Pause) – Es nimmt en Pastor schon, aber, zum gelehrten Mann gehört en feines Weib un zum Pastor eine Pastorin – un der alte Großvatter gehört auch nicht rein ins Treibhaus!
Carl: 'nen bequemen Sorgenstuhl kauf ich dir, Großvatter, auf einem weichen Polster sitzt du und tust den ganzen Tag nix andres wie schlafen, Spazierengehen und schmöken. Was sagst de dazu, Vatter Wallbrecker?
Großvatter Wallbrecker: Mit die Kaplans komm ich in Kollektion, daß Vatter Wallbreckers Enkelsohn Pastor is, sie haben mich schon das Haus eingelaufen wegen dein Vater sein lutherschen Glaubens.
Carl: An was du alles denken tust.
Großvatter Wallbrecker: Tum Tingelingeling, Carl, die alte Truthenne hat auch dein Vater immer in die Ohren gelegen. Ein fleißiger Färber wars; (zeigt auf das Wasser der Wupper) da rinnt sein Blut. – Fällt dem mit einmal ein, er taugt für die Arbeit nich mehr, un giftig is er geworden auf sein Herrn und seine Gemahlin. Aufgeblasen war se ja man mit die seidene Rock, aber en Hochmut darf sie ja hab'n bei so viel Geld. Am hellen Tag auf dem Marktplatz hat er ihren adeligen Bloßen verhaun.
Carl: Das hat dir woll großen Kummer gemacht, Großvatter, weil du es nicht vergessen kannst.
Großvatter Wallbrecker: Tum Tingelingeling, ein Jahr hab'n sie ihm für seine Missetat ins Loch gesteckt. Carl Beileid bezeugend.
Großvatter Wallbrecker: Er war ja sonst ein ehrlicher Arbeiter gewesen. (Carl nickt.)
Großvatter Wallbrecker: Un die alte Truthenne hat ihm bald besucht. Mit ihre Quacksalben hat sie eine feine Madame den Brand an de Waden geschmiert. Siehst de, Carl, un nu meint Amanda, dir steckt man auch mal rein wie dein überdrüssiger Vatter und deine studierte Großmutter.
Carl: Die Zeiten hab'n sich geändert, Großvatter.
Großvatter Wallbrecker: Siehst de, da hab'n wirs, bald denkst de auch an dein alten Großvatter Taback nich mehr (Kindlich schlau).
Carl: Laß man gut sein.
Großvatter Wallbrecker: Wie alt bist de nu, Jung! Puderbachs Aujust bringt schon zehn Taler nach Haus. Da läuft er mit seine Schwester, wie mit sein Schatz.
Man sieht beide geschwisterlich vom Wald heimwärts kommen.
Carl: Und ich werd das Dreifache verdienen, laß mich man Zeit, bin ich erst Pastor, tust de alle Tage dein Leibgericht knappern.
Großvatter Wallbrecker (bedenklich): Wenn es de alte Truthenne mich nich auffressen tut.
Carl: Die bleibt hier an der Wupper in ihr Haus wohnen.
Großvatter Wallbrecker: Und du willst in de fremde Residenz predigen? Tum Tingelingeling, in die luthersche Lutherkirche hier mußt de von de Kanzel herunter auf all die reichen Muckerköppe brüllen. (Kleine Pause) Und ich werd auch auf meine alten Tag en Ketzer werden, wenn es not tut – dich zulieb, Carl. Ich hab das (schlägt ein Kreuz) doch verlernt (weinerlich), wenn man so immer dran hängen tut.
Carl: Es ist schon spät, Großvatter, ich bring dich in de Klappe.
Großvatter Wallbrecker: Jung, Jung, Jung, wenn ich es erleben tu.
Sie schreiten ihrem kleinen Häuschen zu; im Begriff einzutreten, umhalst hinterrücks den Großvatter Lieschen Puderbach, die ihrem Bruder vorangesprungen ist. Arbeiter sieht man in der Ferne und hört ihre rauhen Stimmen.
Großvatter Wallbrecker: Was willst de vom Großvatter, kleines, leckeres Dier? Seh se dich mal an, Carl, die meint es mit dem alten Großvatter gut.
Lieschen (vergnügt): Kriegst morgen zu dein Geburtstag 'ne neue Piepe von mich, ich hab dem Aujust seine kleine im blauen Sametetui weggekläut un sie Herr Stomms gebracht heut. Ich kann mich für sie eine lange aussuchen wie deine is, eine nagelneue, Großvatter, (ganz hoch zu sprechen) mit en Hirschkopf drauf.
Großvatter Wallbrecker (freut sich wie ein Kind): Die meint es gut mit dem alten Großvatter, Carl. (Er kitzelt Lieschen am nackten Hälschen.) Ich klopf ihm auch immer, wenn der junge Herr Eduard kommen tut; was, Liesken?
Lieschen schämt sich.
Großvatter Wallbrecker (blinzelt Lieschen vertraulich an): Er fragt mir immer nach es.
Lieschen (altklug zu Carl): Herr Eduard sagt, ich wär seine Königsbraut.
Carl (sagt, um etwas zu erwidern): Un mich willst de also nich heiraten.
Großvatter Wallbrecker: Tum Tingelingeling, er ist molz ein reichen Herr; was, Liesken?
Lieschen: Zwei große Bilder aus England, hat er gesagt, bringt er mich mit hier – siehst de! siehst de! Ich glaub, er kömmt gleich dir besuchen, Carl.
Carl (schiebt das Kind ungeduldig zur Seite): Dein Bruder sucht dich, Liesken.
Großvatter Wallbrecker: Ein blaues Maul hat das Luder von'n Beerenfressen.
Lieschen: Kuck mal seine Nas an, Großvatter!!
Großvatter Wallbrecker: Die is man wie'n Affe seine gemalen.
Lieschen: Aujust, Aujust, wie siehst de aus!
August (blickt neidisch auf Carl): Ich bin man bloß ein einfacher Färber, ich schäm mir nich, von Gottes Waldes Natur zu fressen; du, Großvatter Wallbrecker?
Großvatter Wallbrecker (schüttelt mit dem Kopf): Nä.
August: Du, Liesken?
Carl stellt sich an einen Seitenbalken des Häuschens, die Arme verschränkt.
Lieschen: Wenn de de Mutter fragen tust, August, ob ich die Tante noch ein bißchen waschen helfen darf, dann sag ich dich auch, wo deine kleine Piepe im blauen Sametetui is.
August: Sag!
Großvatter schüttelt hastig Lieschen mit dem Kopf zu. Lieschen lacht.
August: Sag es doch, dummes Weib!
Lieschen: Molz! Ich weiß es doch nicht.
Großvatter und Lieschen lachen August aus, der in komischen Wendungen im Begriffe ist umzukehren, Lieschen verhindert es aber.
Lieschen: Aujust, lieber Aujust, frag die Mutter, ja? Ich geb dich auch en Dicken.
August: Steck den Schmatz man in de Kiste, wenn de heiraten tust.
Lieschen: Meine Klümken und de Stange Süßholz kannst de dich nehmen aus Mutter ihre Kommode, Aujust.
Frau Amanda Pius (tritt ans offene Fenster, sie hat die letzten Worte Lieschens gehört): So en süßen Kater bist de, Aujust? Warum kömmst de eigentlich nich mehr beim Carl herüber?
Mutter Pius tritt hinter Amanda ans Fenster.
August: Bei so'n feinen Herr – nä, Frau Pius!
Mutter Pius: Was soll auch unser Carl mit so einen gemeinen Baumwollenfärber anfangen? (August verzieht sich furchtbar komisch mit einem Katzenbuckel.)
Mutter Pius (zu Lieschen): Und du müßt schon in de Klappe liegen.
Lieschen (etwas schüchtern auf Frau Amanda blickend): Ich will die Tante noch waschen helfen, daß se morgen dem Großvatter sein Leibgericht kochen kann.
Mutter Pius: Und hat kein Zahn im Maul.
Lieschen: Ich kann doch nicht schlafen bei so'n Mond, der guckt so rot wie Pendelfrederech sein ausgelaufen Aug.
Frau Amanda (geheimnisvoll): Hast de das schon gesehen, Liesken?
Lieschen: Einmal hat er es mich und Gretchen Stomms gezeigt.
Mutter Pius (zynisch): Un hast de sonst niks anderes in sein Keller gesehn, Liesken?
Lieschen: Ich hab immer bloß in sein runden, roten Mond geguckt.
Mutter Pius: Aber en wacker Mädchen bist de geworden; Amanda, guck mal, Brüst hat es schon, wie junge Salatköppe.
Carl tritt aus seinem Winkel auf den Großvatter zu.
Großvatter Wallbrecker: Carl, ich komm jetz.
Mutter Pius tritt in die Stube zurück; Lieschen klettert durchs Fenster, Frau Amanda ist ihr dabei behilflich. Dann schließt sie das Fenster. Der Großvatter und Carl schlendern langsam ins Haus.
Großvatter Wallbrecker: Nä, wie mich das alles aufregen tut – – –
Carl: Was denn?
Großvatter Wallbrecker: Mit deine Carliäre, Carl.
Carl: Schlaf man ruhig, Großvatter.
Sie treten beide ins Häuschen. August schleicht aus seiner Gasse, umlauert das kleine Häuschen von Pius und versteckt sich vorsichtig zwischen Strauch und Bank. Unterdessen wird das Dachkammerchen von einem matten Öllämpchen erleuchtet, das kleine Fenster ist halb geöffnet. Betrunkene Arbeiter passieren den Weg, fluchen, lachen usw. August gebärdet sich, da er durch den Lärm nicht zu hören glaubt, wie ein wütender Clown. Die Arbeiter biegen rechts in die Gasse ein. Man hört von oben Amandas Stimme.
Frau Amanda: Vatter – – –
Großvatter Wallbrecker: Jjo – – –
Frau Amanda: So eilig hast de 's ja sonst nich, wach auf!!
Großvatter Wallbrecker: Was soll ich um Mitternacht, meine Tochter?
Frau Amanda: Was hat Carl gesagt?
Großvatter Wallbrecker: Was?
Frau Amanda: Was er gesagt hat. Du hast doch gesprochen mit ihm.
Großvatter Wallbrecker: Jjo, es is mich man so am Maul vorbeigeschlichen, was für 'n schönen Posten der Aujust hat.
Frau Amanda: Un was sagt er drauf?
Großvatter Wallbrecker: Nä, er will nich, de Pastor spuckt ihm in Kopf herum.
Drei Männer kommen langsam schweigend über die Brücke, der eine murrt unheimlich, es ist der Pendelfrederech, sein linkes, ausgelaufenes Auge bedeckt eine schwarze Klappe. Der zweite ist Lange Anna, der trägt eine Handharmonika an einem verschossenen Band um die Schulter. Der dritte ist der gläserne Amadeus, der nimmt vorsichtig Platz auf der Stufe, die von der Brücke zum Weg führt. Die beiden anderen setzen sich auf das Geländer der Brücke. August bückt sich tiefer unter den Strauch.
Währenddessen setzt oben das Gespräch fort
Frau Amanda: Du kannst nich kallen! Ich hab auch keine Lust mehr, den ganz Stall zu füttern.
Großvatter Wallbrecker: Gered' hab ich, ihr Weiber denkt woll, ihr habt allein en Schnabel, was? (Frau Amanda heult.) Laß das Heulen. (Sie gluckst.) Freuen tu ich mir doch auf Carl in Ornaments. (Schlau kindlich) Noch ein paar Jährkes, Amanda, meine liebe Tochter, dann kömmt der Lohn. Glaub dein alten Vatter.
Er kräht noch einmal und schläfert.
Frau Amanda: Die Pius hat an alles Schuld, hat se de Finger an mein Mann gehabt, soll se mein Jung zufrieden lassen.
Großvatter Wallbrecker (aus dem Schlaf triumphierend): Er wird se auch nich einladen zu sich in sein Filla neben Kaiser Wilhelm Schloßkirche.
Sie schüttelt ihn ärgerlich, man hört das Bett krachen.
Großvatter Wallbrecker: Alles präzise Wahrheit, Amanda, diesmal hat de alte Pius gut spekuliert.
Kurze Pause.
Frau Amanda: Seitdem du nich mehr zum Heiland beten tust, is alles so gekommen.
Sie heult wieder.
Großvatter Wallbrecker: Ich bet jeden Abend, meine liebe Tochter, ich lüg lieber, als daß ich mir nich bedanken tu für seine große Gnade.
Leise singt die Türe.
Frau Amanda: Komm man herrein! – Liesken will dich gute Nacht sagen, Vatter, und denn kannst de schlafen meinetwegen.
Man hört die Tür roh ins Schloß werfen.
Lieschen: Großvatter, ich freu mir so auf deine neue Piepe; (ganz hoch sprechend) en Hirschkopf hat se!!
Großvatter Wallbrecker lacht wie ein Kind.
Lieschen: Klopfst de un pfeifst de mich, wenn er bei euch kömmt?
Großvatter pfeift sehr gelungen.
Lieschen: Dein dicken Zeh guckt ja aus de Federn heraus, Großvatter! Warte, ich deck dir zu wie 'n Wickelkind.
Großvatter Wallbrecker: Mach auch noch weiter das Fenster offen, ich leid an de Luft.
Lieschen (öffnet das kleine Fensterchen ganz): Aujust, hier bin ich.
August fährt erschrocken in die Höhe und winkt ab.
Lieschen: Ich komm jetzt runter; gute Nacht, Großvatter Wallbrecker!
Großvatter Wallbrecker (halb schlafend): Tum Tingelingeling, wenn ich noch so en jung Weib im Bett hab'n könnt.
Lieschen ist im Nu unten.
August (tritt aus dem Versteck, Lieschen eilt zu ihm, August zu den Herumtreibern): 'n Abend zusammen, kömmt ihr schon von de Arbeit?
Lange Anna (hohe Weiberstimme): Wo sonst her, alter Duckmäuser?
Lieschen: Amadeus, du blutest ja.
Lange Anna: Laß es man bluten aus de Nasenrinnen; was fängt er auch an, gescheit zu reden aus sein Traumbuch.
Amadeus (legt angstvoll die Hand aufs Herz): Un en Sprung hat es abgekriegt, Liesken, es tröppelt immer.
Lange Anna: Laß ens lutschen ran.
Amadeus: Seid man still: es gibt noch was hinter de Düsterkeit, wart man, wenn es erst Licht wird.
August (steckt ein Streichholz an): Hier hast de Licht, das können wir auch machen. (Zu Lieschen) Versteck de Visage in dein Schabbesdeckel, Lieschen, Frederech hat wieder sein Pendel raushängen.
Frederech murmelt grausig.
Lieschen: Ich hab so 'ne Angst, Aujust, wir wollen bei Mutter gehn.
Lange Anna: Bange Hippe!
Amadeus (mitleidig): Es ist auch Zeit, macht euch nach Haus, so 'n kleines Balg gehört nicht mehr auf de Straße.
Oben hüstelt der Großvatter. August und Lieschen biegen ins kleine Gäßchen ein und treten in ihr Haus.
Amadeus: Ich sag euch, lang mach ich so en Leben nich mehr mit. Pendelfrederech, was hast de von dein Leben?
Pendelfrederech (grausig murmelnd): Ich hab nix von's Leben, aber es hat mir zum Zeitvertreib.
Lange Anna (höhnisch): So ein verfaultes Zeitvertreib.
Pendelfrederech: Nix für seine feinglasierte Finger, aber wenn es einen en Schabernack spielen will, dann holt es mir aus seine Kiste (murmelt böse).
Lange Anna (lacht): Von de Türen rannten de Kochmamsells, und die Herzen fielen ihnen in de Buxen. (Er klopft Pendelfrederech auf die Schulter und lacht noch höher auf.) Mit dich mach ich oft so 'ne Opern.
Amadeus: Und daß de Polizisten dich nich kriegen tun, Pendelfrederech.
Lange Anna: Die lachen selber.
Amadeus: Wat hast de eigentlich von de Sauereien?
Lange Anna: Und guckst man immer so mit das eine Aug in dein Kopf rein?
Pendelfrederech: Rot seh ich immer, lauter Rot (murmelt grausig).
Amadeus: De Mutter Pius, die hat en Mittel dafür. Aus dem Zuchthauskirchhof holt sie die Totenköpfe und reibt sie zu Zucker. (Sie lachen alle drei. Carl tritt, leise vor sich hinpfeifend, aus dem Haus und setzt sich auf die Bank. Amadeus spricht ohne Pause weiter, ohne Carl zu bemerken.) Mich kann se vielleicht auch helfen. (Er legt die Hand zärtlich bange aufs Herz; er bemerkt plötzlich Carl.) 'n Abend. (Rührselig) Es hat en Sprung gekriegt, es klirrt nur immer so drinn.
Lange Anna. (höhnisch): Deine Großmutter will er konsultieren.
Amadeus (auf Frederech zeigend): Dem soll se auch lebendig machen; wie en Spezialdoktor weiß se mit de Kastemännekens Bescheid; was, Carl?
Carl (hochmütig und abweisend): Sucht euch Arbeit, dann vergehen euch de Schrullen.
Pendelfrederech: Ich will nich reicher werden.
Lange Anna (zu Carl): Tu man nich so aufgeblasen.
Kroatenjungen kommen, sie heulen.
Amadeus: Was heult ihr so spät in der Nacht? Heulen könnt ihr noch morgen.
Kroatenjungen: Aben verkauft nich, garnich, Meister schlägt, tut weh – – –
Lange Anna (zu Carl): Pastor kümmer dir um deine Gemeinde.
Carl gibt sich eine abweisende Würde.
Amadeus: Laß man!
Er faßt in seine Tasche. Die Kroaten gehen weiter.
Lange Anna (zu Carl): Was, du alter Geizkragen, du Kreuzverdreher, du Taschendieb. (Er will in Carls Taschen fassen.) Zeig uns ens das fremde Portemonnaie!
Carl verrenkt mit wortloser Leidenschaft den Arm des Langen Anna. Der schreit furchtbar grell auf; Amadeus fällt zusammen; der Pendelfrederech nimmt ein kleines Metallpfeifchen aus der Tasche und pfeift. Geht dann stier, ohne den Erfolg abzuwarten, seines Weges und legt sich gegenüber dem Hause Puderbach am Ufer der Wupper nieder. Es nahen alsbald drei Helfershelfer aus der Umgegend, die glauben, da man Lange Anna seines kreischenden Heulens und Jammerns wegen nicht verstehen kann, es handele sich um Amadeus, und fluchen. – Mutter Pius tritt aus dem Häuschen.
Erster Helfershelfer (zeigt auf Amadeus)': Wegen den übergeschnappten Pitter?
Zweiter Helfershelfer: Pfeift uns der Stinkadores.
Mutter Pius und Carl bringen Amadeus in ihr Häuschen.
Lange Anna (zeigt vergebens seinen Arm und nach Carl): Ein Mörder is er!
Die drei Helfershelfer verstehen endlich, um was es sich handelt, drohen, zeigen Messer und werden sehr laut. Der Großvatter Wallbrecker tritt oben erschreckt ans Fenster.
Großvatter Wallbrecker: Macht euch zum Teufel, ihr versoffene Nachteulen!
Die drei Helfershelfer: Johannes' Sohn is ein Mörder, soll sich noch mal sehen lassen.
Lange Anna (kreischt wiederholend): Ein Mörder, ein Mörder!
Großvatter Wallbrecker (krähend): Amanda, ruf den Carl bei mich. (Er geht vom Fenster, man hört sein Bett knacksen, kräht schlaftrunken): Meine Piepe will ich hab'n, (in Lieschens Ton) mit dem Hirschkopf drauf! Die Männer verziehen sich drohend, Lange Anna mit ihnen.
Großvatter Wallbrecker (leise): Tum Tingelingeling – –
Der Vollmond steht grell am Himmel, leise öffnet sich eines der Dachfenster im Arbeiterhause, in dem Puderbachs wohnen. Das kleine Lieschen steigt leise mit geschlossenen Augen im Nachthemdchen aufs Dach, macht einige Schritte zur Wupper hin, wo Frederech liegt, und steigt wieder zurück durchs Fenster. Pendelfrederech hebt sich bei dem Vorgang langsam auf Vieren und stiert gläsern nach dem Dach. Sozialdemokraten singen unterdessen, hoch am Wald vorüberziehend, vierstimmig ein sozialdemokratisches Lied, man hört die letzten Worte: »Denn unsre Fahn' ist rot.«