Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die elfte Freude der Ehe ist diese:

Ein junger und hübscher Mann geht lustigen Schrittes und frei und wohin er will nach seinem Belieben und ohne Zwang; und kommt vielerorts hin und dorthin besonders, wo die Frauen und Mädchen sind, bürgerliche oder vom Stande. Und da er jung, grün und verliebt und sogar unerfahren ist, so merkt er nichts sonst als seine Lust und sein Vergnügen. Er hat noch Vater oder Mutter und ist ihnen alle ihre Freude und einziges Kind, daß sie ihn gar stattlich einherkommen lassen. Oder er ist ein Edelmann auf dem Lande und zieht da mit Freunden von Ort zu Ort, und wo immer er in Geschäften mit Frauen und Mädchen zu tun hat, nimmt er sich ihrer gern an. So trifft er einmal ein schönes Fräulein, von bürgerlichem oder adligem Stande, das sei wie es mag; aber es ist über die Maßen schön und manierlich, daß es köstlich zu sehen ist, und hat dieses Fräulein ob seiner weitgerühmten Schönheit viele Anbeter und Verfolger. Da war nun einer darunter, der ihr schön von der Liebe sprach und dem sie nicht widerstehen konnte; denn sie ist selber arg verliebter Art und heißen Blutes, wie denn solche Frauen schwer eine verliebte Bitte abschlagen können, sofern sie nur von dem Rechten auf rechte Art vorgebracht wird. Um auf das besprochene Fräulein zu kommen, so hat es einem armen Jungen nachgegeben, der es mit seiner Liebe bestürmte, und ist von ihm schwanger geworden. Dagegen gibt es nun nichts anderes, als die Sache zu verheimlichen und sie gut zu machen so weit als möglich. Darein bringt nun die Mutter, die davon weiß und gar wohl erfahren ist, Ordnung, indem sie den armen Menschen, der das Übel angerichtet, davonjagt. Er würde die Jungfer schon auch heiraten, wenn es die Mutter wollte. Aber es will's der Zufall, daß er ein armer Teufel ist, dem man das Mädchen nicht geben will, oder er ist, was auch oft vorkommt, verheiratet. Gott straft die Verheirateten oft mit solcher Plage: die Männer betrügen ihre Weiber, was eine Narrheit ist; denn das Weib, das sich betrogen weiß, das wird sich auf gleiche Art rächen. Man muß nun die Sache nehmen, wie sie dem armen Mädchen gekommen ist; sie ist schwanger und die Zeit eilt; und ist sie selber noch ein Kind, das nicht weiß, was alles das ist. Aber die Mutter hat schon bemerkt, daß das arme Mädchen sich des Morgens erbricht und blaß aussieht. Sie kennt sich gar wohl in allen Dingen aus und holt sich heimlich das Mädchen »Du komm mal her. Ich habe Dir doch gesagt, daß Du verloren und entehrt bist, wenn du das machst, was du gemacht hast. Aber geschehen ist geschehen. Du bist schwanger und sag mir alles.« – »Wahrhaftig, Mutter,« sagt die Kleine, die so zwischen fünfzehn und siebzehn ist, »wahrhaftig, ich weiß von nichts.« – »Es war mir doch, als ob ich Dich heute früh hätte speien sehen, und andere Sachen sind mir auch verdächtig.« – »Ach ja, Mutter, das Herz tut mir so weh.« – »Ach was, schwanger bist Du, da ist kein Zweifel. Aber sprich kein Wort und verrat Dich vor niemand. Und gib acht, daß Du genau tust, was ich Dir sage.« – »Gern, Mutter,« sagt die Kleine. – »Hast Du Dir den Edelmann angesehen, der manchmal herkommt?« – »O ja, Mutter.« – »Also gib acht. Er wird morgen wieder da sein und Du bist aufmerksam und höflich zu ihm. Und wenn Du weißt, daß ich und die andern, die noch da sind, daß wir also untereinander reden, so blick ihn nur immer zärtlich an, so auf die Art, verstehst Du?« Und zeigt, wie sie es machen soll. »Und wenn er zu Dir spricht, hörst Du aufmerksam zu und antwortest ihm artig. Und wenn er Dir von Liebe spricht, so paß genau auf und sag so was von danken und daß Du nicht wüßtest, was das sei und daß Du es auch noch nicht wissen wolltest. Aber laß ihn immer davon reden, denn der Stolz einer Frau ist ein falscher und gemachter, die nicht hören will, was man ihr Angenehmes sagt. Will er Dir Gold oder Silber geben, so nimm es nicht; ist es aber ein Ring, ein Gürtel oder so was, so sträub Dich anfangs, aber dann nimm es doch, ihm zu Liebe, wie Du sagst und daß er sich nichts Schlimmes dabei denken dürfe. Und wenn er sich verabschiedet, fragst Du ihn, ob man ihn bald wieder sieht. »Hast Du alles gemerkt?« – »Ja, Mutter.«

Also kommt der verliebte Junge, den man gern ins Netz ziehen will, denn er ist reich, gut gewachsen und ein bißchen dumm. Kein Wunder, daß alle Mädchen und deren Mütter Jagd auf ihn machen. Man setzt sich zu Tisch und vergnügt sich an Essen und Trinken. Nach dem Essen nimmt die Hausfrau ein Paar Herren zur Seite und unterhält sich mit ihnen; die andern gehen hier und dorthin und plaudern. Der Liebhaber hält sich an die Tochter, ergreift ihre Hand und sagt: »Wollte Gott, mein Fräulein, daß Sie meine Gedanken errieten!« – »Ihre Gedanken? Die will ich nie wissen, wenn Sie sie mir nicht sagen! Oder denken Sie etwas, was Sie sich mir nicht zu sagen getrauen?« – »Das nicht, bei meiner Ehre! Ich denke nichts, was Sie nicht wissen dürften. Aber ich möchte wohl gern, daß Sie es erfahren könnten ohne daß ich es sage.« – »Aber das ist doch nicht möglich,« sagt die Kleine und lacht. – »Wenn Sie es erlauben... aber Sie sind nicht böse, daß ich es Ihnen sage!« – »Sagen Sie immer, was Sie wollen, ich weiß, daß es nichts Schlimmes sein kann.« – »Mein Fräulein, ich bin ein einfacher Edelmann und weiß, daß ich Ihre Liebe nicht verdiene, denn Sie sind schön und mit allen jenen Gaben ausgestattet, die die Natur je an Mädchen gewissermaßen verschwendet hat; wenn Sie mir aber doch die Ehre Ihrer Liebe erzeigen wollten, so würde ich stolz darauf sein, Ihnen allen guten Willen und alle treuen Dienste anzubieten, die nur irgendeiner auf der Welt Ihnen erweisen kann, und würde Ihre Ehre über der meinen achten.« – »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Worte, mein Herr, aber ich bitte, sprechen Sie mit mir nichts davon, denn ich verstehe die Worte nicht und will sie nicht verstehen, denn ich habe darin von meiner Mutter noch keine Belehrung erfahren.« – »Ihre Frau Mutter ist eine vortreffliche Frau, mein Fräulein; aber sie weiß nichts von meiner Absicht, denn ich wollte erst mit Ihnen sprechen.« – »Aber, mein Herr, ich habe doch gestern davon gehört, daß Sie sich verheiraten werden. Da nimmt es mich wunder, Sie so reden zu hören.« – »Ich werde mich, bei meiner Ehre, nie verheiraten, so lange es Ihnen gefällt, meine Dienste anzunehmen.« – »Ich weiß nicht, ob wir beide davon Vorteil haben würden. Und was sagten Ihre Freunde dazu? Und wenn Sie mich in Schande brachten?« – »Lieber sterben!« – »Um Gottes willen, schweigen Sie. Wenn meine Mutter etwas merkte, wäre ich verloren.« Die Mutter hat ihrer Tochter nämlich schon ein Zeichen gegeben, daß sie schweigen soll; weil sie Angst hat, das Mädchen spiele seine Rolle nicht gut. Indessen drückt der verliebte Herr ihr einen Ring oder sonst eine Kostbarkeit in die Hand: »Ich bitte Sie, mein Fräulein, nehmen Sie dies Andenken von mir, mir zu Liebe.« – »Ich darf nichts nehmen und nehme auch nichts.« – »Ich bitte Sie darum!« und steckt ihr den Ring an den Finger, und sie behält ihn mit den Worten: »Also um Ihretwillen und weil Sie es so haben wollen, aber Sie dürfen nicht schlecht von mir denken.«

Da hört man plötzlich die Hausfrau zu den Gasten – meist ihren Verwandten – sagen: »Ich denke, wir gingen morgen nach dem Ort, wo die Wallfahrt ist!« und alle sind damit einverstanden. Man begibt sich zum Abendessen und läßt den Galan natürlich neben dem Mädchen sitzen, das seine Rolle vortrefflich spielt und den jungen Mann in ein mächtiges Feuer bringt: ein junger Mensch in dem Fall weiß nicht was er tut.

Am andern Morgen macht man sich also zu dem Wallfahrtsorte auf, und da ist natürlich kein anderes Pferd da, wie alle sagen, als das des verliebten Ritters, das zweie tragen kann, wessen der sehr froh ist. Man setzt ihm das Fräulein hinten aufs Pferd, und die, junge Dame umarmt ihn, um sich zu halten und nicht herunterzufallen, und Gott weiß wie angenehm das dem Herrn Ritter ist: er gäbe auf der Stelle was man will für das Vergnügen dieser Umarmung. Er tummelt sich ordentlich, ins Netz zu kommen. In welch frommer Stimmung sie die Wallfahrt machen, das weiß Gott, und wurde das ganze ja nur aufgestellt, um den Jungen zu fangen, der immer um das Mädchen ist. Nach der Mahlzeit begibt sich die Mutter auf ihr Zimmer und läßt die Tochter rufen; sie muß vor allem wissen, welche Fortschritte sie gemacht hat. »Den ganzen Tag, liebe Mama, hat er nicht aufgehört, mich um meine Liebe zu bitten,« und nun erzählt sie alles genau, worauf die Mutter die Unterredung mit diesem Mahnwort also beschließt: »Vor allem: antworte schlau. Sag ihm, daß man Dich verheiraten will, daß Du aber noch gar keine Lust dazu hättest. Und wenn er sich Dir zum Gatten anträgt, so sag danke, und daß Du mit mir darüber sprechen würdest, und daß er gerade der Mann sei, den Du lieben könntest.« Hierauf begibt sich alles in den Garten und ist fröhlich und guter Dinge, spielt und singt. Der Amant ist natürlich bei dem Fräulein und bricht los: »Ich bitte Sie bei allen Himmeln, haben Sie Mitleid mit mir!« – »Ich muß Sie bitten, davon nicht mehr zu sprechen oder ich muß Ihre Gesellschaft entbehren. Wollen Sie, daß ich meine Ehre verliere? Haben Sie nicht schon gehört, daß man mich verheiraten will?« – »Ich will gegen niemanden etwas sagen, aber ich meine, ich bin wohl so viel wert, mir Ihre Liebe zu verdienen, wie der, den Sie heiraten sollen.« – »Ach, ich möchte wohl, daß er Ihnen gleicht.« – »Wie danke ich Ihnen für dieses Wort! Nun weiß ich, daß Sie mir gut sind!« – »Ich werde darüber mit meiner Mutter und mit meinen Verwandten sprechen.« – »Wenn ich wüßte, daß sie mich anhören wollten, möchte ich wohl selber gern mit ihnen reden.« – »Ja, aber sagen Sie um Gottes willen nicht, daß Sie mit mir darüber gesprochen haben, es wäre mein Tod. – »Ich werd schon nicht.« Nun begibt er sich zur gnädigen Frau Mutter und spricht sehr ängstlich und voller Demut, denn er fürchtet, er würde ausgeschlagen. Heimlich und in aller Eile wird die Sache abgemacht, und der arme Mann ist ins Netz gegangen, worüber seine Eltern, die jetzt erst davon erfahren, ganz unglücklich sind, denn sie haben nicht das Beste über ihre Schwiegertochter sagen hören. Ohne viel Wesen wird eine stille Hochzeit gemacht, und in großer Eile, denn er drängt, und die Verwandten drängen, aus Angst, die Sache könnte zurückgehen. Man kann sich denken, daß die Mutter vor der Hochzeitsnacht ihre Tochter gehörig unterrichtet hat, wie sie ihren Mann erst abzuwehren habe, wie sie ihm entschlüpfen müsse und auf allerlei Arten tun, als ob sie noch eine Jungfrau wäre; und genau bringt sie ihr bei, wie sie einen großen Schrei ausstoßen müsse, wenn es so weit sei, einen Schrei wie ein Mensch, den man ohnvermutet bis unter die Achseln in eiskaltes Wasser schmeißt. Und die junge Frau spielt ihre Rolle vortrefflich, denn nichts ist so klug wie ein Weib in Liebesdingen. Bisher ist die Sache ganz gut abgelaufen über den Schmerz und Unwillen der Eltern des Mannes siegt die Liebe, nun, da die Dinge schon einmal geschehen sind. Aber nun kommt das Unglück: die arme Frau kriegt nach drei oder vier Monaten ein Kind. Jetzt verwandeln sich alle Freuden in Bitternisse. Läßt sich der Mann scheiden, so hat er doch die Schande und kann nicht wieder heiraten. Und behält er sie, so wird er sie nicht mehr lieben und sie nicht ihn, und sie werden einander hassen um des Betruges willen. Er wird ihr ihn immer vorwerfen, sie vielleicht auch schlagen, und werden Unfriede und Streit die Wirtschaft führen. So bleibt er im Netz, aus dem er nie entkommen kann, lebt in Jammer und endigt seine Tage elendiglich.


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