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König Heinrich IV. und Sir Arnold Savage

Savage. Ich gehorche den Befehlen meines Herrn.

Heinrich. Das ist recht, Sir Arnold Savage; du scheinst jetzt höflicher und gefügiger wie heute morgen, wo du mir an anderer Stätte als Sprecher des Unterhauses erklärtest, man werde keine Hilfsgelder bewilligen, ehe nicht jeder Grund zu öffentlichen Beschwerden beseitigt sei.

Savage. Ich bin jetzt im Hause des größten Mannes auf Erden; ich war heute morgen im Hause des größten Volkes.

Heinrich. Wahrlich, beides ist wahr; aber ich schwöre dir, die zweite Hälfte deines Spruches gefällt mir am besten. Nun will ich aber so offen sein wie du, Savage, und will dir sagen, daß ich nahe daran war, deinen verehrlichen Rittern und glatten Wollhändlern eine Schar Hellebardiere auf den Hals zu schicken, denn ich war schwer gereizt; und wäre ein anderer so mit mir verfahren, ich hätte meiner Stimmung unbedenklich nachgegeben. Du weißt, daß die Hartnäckigkeit und Pflichtvergessenheit meines Volkes mich in meinen Kriegsplänen empfindlich hemmt und hindert. Ich habe vor vier Jahren das Unterhaus eingesetzt, um meine Barone in Schach zu halten, und tat es in dem guten Glauben, daß man mich ungestört mit der Hilfe Christi und seiner Heiligen ganz Frankreich werde erobern lassen. Dieser Widerstand aber ist ungeheuerlich; das Parlament spricht zu unverhohlen und schreitet zu kräftig aus für ein Geschöpf, das erst vier Jahre alt ist.

Savage. Gott verhüte, daß irgendeinem König von England je die Eroberung von ganz Frankreich gelinge! Geduld, mein Herr und König! Unsere normannischen Vorfahren haben Frankreichs schlaffen Königen das Zepter entrungen, haben sie in ihre Kissen und an ihre Schenktische zurückgejagt und haben sich doch mit ihrer schönsten und größten Provinz begnügt. Ein kriegstüchtigeres Volk aber hat nie seine Banner im Morgenwinde flattern lassen. Zuviel Besitz und zuviel Leibeigene hätten es in Versuchung geführt, die Hände in den Schoß zu legen. Auch hätten Kinder und Kindeskinder keinen uneroberten Boden mehr vorgefunden, um ihre Waffen darauf zu tummeln. Wilhelm der Eroberer, der mächtigste Kriegsherr und weiseste Staatsmann, fand es ratsam, ein neues Kriegsfeld zu eröffnen, damit der Uebermut seiner Ritterschaft ihm nicht daheim beschwerlich werde. Er führte sie gegen den tapferen guten Harold, dessen Heere im Kampf gegen die Schotten schon allzusehr gelichtet waren. Ein Jammer, daß sächsisches Blut hat je vergossen werden müssen! Und doch verdanken wir den Eroberern die Eigentumsurkunden unserer Länder und Lehen, die Unerschütterlichkeit unserer Macht und Herrschaft.

Heinrich. Unerschüttert sollen sie bleiben, und darum muß ich Silber im Vorrat haben. Ich muß Pferde und Rüstungen haben, um die Gelüste der Söldner zu befriedigen, die immer heftig sind, am heftigsten aber nach dem Kampf.

Savage. Mein Herr und König braucht noch andere Dinge, die seinem Gedächtnis entfallen sind.

Heinrich. Einen Vorrat von Fellen und von den Tieren, die darin gelebt haben; einen Vorrat von Schinken, von Hafer und Gerste, von Roggen und gutem Weizen; Taue, Schiffe, Masten, Anker; Fichten und ihr Harz aus Norwegen, Eiben aus Korsika und Dalmatien. Andere Waren muß uns die Herrscherin der Adria liefern, sie, die niemals Säugling noch Kind war, die Gott bei der rechten Hand nahm und in der ersten Stunde ihres Daseins gehen lehrte. Dann muß man mir Kriegsmaschinen bauen, die ich selbst erdachte, gewichtig und sehr kostbar herzustellen; Mauern sollen sie mir brechen. Nichts von alledem ist meinem Wissen und Gedächtnis entfallen; aber solcherlei Dinge aufzuzählen, würde einem Kellermeister, Marketender oder Waffenschmied besser anstehen, als einem König.

Savage. Mich dünkt, Herr, Ihr hättet noch anderes erwähnen können, das aufzuzählen einem König besser ansteht, als einem Kellermeister, Marketender oder Waffenschmied; das erste und beste, was es auf der Welt gibt, um die Mauern eines Feindes zu zertrümmern.

Heinrich. Was kannst du meinen? Du mußt es mir verschaffen.

Savage. Herr, Ihr besitzt es schon und müßt es Euch erhalten; es sind die Herzen Eurer Untertanen. Ohne sie wird Euer Pferd Euch nicht weit tragen, wenn Ihr auch alle Kornböden von Surrey in seine Krippe leert. Kriege sind notwendig, um die Macht Eurer Barone zu schwächen. Sie werden von dem größten Teil ihrer Gefolgsleute ferngehalten und stehen unter dem Auge eines strengen, standhaften Fürsten, der ihre Bewegungen beobachtet, ihre Zungen zügelt und sie an scharfe, geregelte Zucht gewöhnt. Sind es doch zumeist Nichtsnutze, die von den Schwachen hoch getragen wurden. Sie sind gefährlich durch ihren Reichtum, der übel erworben wurde und noch übler verwertet wird. Die Masse des Volkes aber ist der Hausstand eines guten Königs, ruhig und gesittet, wenn man sie gebührlich behandelt, immer bereit, ihren Herrn gegen die Bosheit der Mißgestimmten, die Hinterlist der Undankbaren und die Uebergriffe vertrauter Diener zu verteidigen. Handelt so, großer Heinrich, daß der König sagen kann: »Mein Volk!«, und das Volk: »Unser König!« Dann will ich Euch mehr versprechen, als ich Euch heute morgen versagte: Den Genuß einer segensreichen Regierung und eines ruhigen Gewissens, womit verglichen die Eroberung Frankreichs nichts ist als ein zerbrochener Flaggenstock. Da ich Normanne von Herkunft und Engländer von Geburt und Besitz bin, so ist die Demütigung Frankreichs für mich eine Vorbedingung selbststiller, bescheidener Lebensfreuden. Trotzdem aber kann ich meiner Einsicht nicht spotten, die mich lehrt, daß die Lage eines Volkes, welches viele Eroberungen gemacht hat, im letzten Grunde schlechter ist, als die eines unterworfenen Volkes; denn bei den Unterlegenen brauchen die Schwachen nicht mehr zu leiden und die Starken dürfen nicht mehr übermütig sein. Auch muß man ihnen allerlei Zugeständnisse machen, damit sie ruhig und zufrieden bleiben. Unter einem eroberungssüchtigen Fürsten aber sinkt das Volk zum Schatten herab, der schwächer und schwächer wird, je heller der Ruhm des Eroberers strahlt, bis er schließlich zum gestaltlosen Nichts wird, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen. Es ist meine Pflicht und mein Amt, zu sorgen, daß dieses Uebel nicht über uns kommt, und daß unsere Nachkommen einst mit derselben Bereitschaft zur Tapferkeit, denselben Mitteln und Möglichkeiten zur Größe, sich um Eure Familie verdient machen, mein Herr und König, mit denen wir uns um Euch verdient gemacht haben.

Heinrich. Traun! Sir Arnold; mir könnte der Gedanke kommen, deine Adlersklauen zu beschneiden und dir ein Nest unter den Peers zu bauen.

Savage. Unermeßlich ist die Kluft zwischen meinem Herrn und mir; aber auf dem zweiten Platz unter den Lebenden stehe ich; denn mit dem Willen des allmächtigen Gottes haben mich, unwürdig wie ich bin, die Klügsten und Mutigsten unter ihnen ausersehen, die Art des englischen Volkes in meiner Person zu verkörpern.


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