Hermann Kurz
Denk- und Glaubwürdigkeiten – Jugenderinnerungen – Abenteuer in der Heimat
Hermann Kurz

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Viertes Kapitel.

»Wo bleibt mein lieber Geheurer?« ruft Wolfram von Eschenbach einmal hinter seinem Parzival her, als dieser junge Held in gewohnter Zerstreuung etwas zu weit von seinem Sänger schwärmen gegangen ist.

Dem meinigen brauche ich nicht so ängstlich nachzusetzen, denn der steht noch immer auf dem alten Flecke, wo er dem widerborstigen Unbekannten im schwarzen Helm und Harnisch die Meinung sagt und sich, gleichfalls unbekannterweise, von demselben hinwiederum dieselbe sagen läßt.

Von Worten und Reden aber muß es, besonders wenn sie nachgerade einen halben Bogen füllen, im natürlichen Laufe der Dinge zuletzt zu Handlungen und Taten kommen. Demgemäß war ich denn auch nunmehr entschlossen, die annoch gedämpfte Sprache der Herablassung, wie ich sie wohl nennen mag, da sie durch herabgelassene Helmstürze kam, zu noch stärkeren und schrilleren Lauten fortschreiten zu lassen. Allein bei diesem Vorhaben stieß ich auf ein neues großes Bedenken, und zwar ohne Zweifel auf ein gedoppeltes.

Einmal hatte ich nämlich, wie bereits angedeutet, meinem Helden eine hohe Bestimmung zugedacht, nämlich ein entscheidendes Einzelgefecht, an dessen Schluß der Raspe »die Nase einspannen« und sein Roß zum Heimritt nach der Hörsel satteln sollte. Dieser Zweikampf aber war keineswegs schon jetzt an der Zeit, er durfte vielmehr erst zu Ende des zweiten, vielleicht zu Anfang des dritten Bandes stattfinden, und bei voller Parade, das heißt unter den Augen der Belagerer und Belagerten, wie auch in Gegenwart des Sturmbocks, der als Unparteiischer assistieren sollte, sofern ja der Rest des Jahrhunderts von Parteiwut zerrissen war. In Berücksichtigung nun dieses wichtigen Bestallungsbriefes mußte ich meinen Helden vor jeder überflüssigen Gefahr behüten und unversehrt der guten Sache zu erhalten suchen. Einen nicht zu verachtenden Gegner aber, wie Heinrich Raspe, zweimal in die Pfanne zu hauen, das verbot mir der angeborene Sinn für Gerechtigkeit. Noch bedenklicher mußte mir die Entdeckung sein, daß ich auf meiner Insel nicht so ganz sicher verschanzt war, wie ich mir eingebildet hatte. Georg von Sturmfeder zwar ließ weit und breit nichts mehr von sich blicken; dagegen hatte mich aus dem Zauberring, dessen Geister sich den Geistern des Lichtenstein beigesellt hatten, eine abermals befreundete und hochgeschätzte Gestalt begleitet, zu der ich mich am wenigsten solcher Tücke versah. Der Seekönig Arinbiörn war es, der sich's nicht nehmen lassen wollte, an dem Ehrentanze teilzunehmen. Ein Recht hierauf war ihm auch in der Tat nicht abzusprechen, da er ja den Holmgang, das heißt den Zweikampf auf einem Eilande, diese einzige hochromantisch-normale Form des Duells, als sein ausschließliches, durch Erfindungspatent gefeites Eigentum in Anspruch nehmen konnte. Ohne nun seiner Degenhaftigkeit und seinem Hochgemüte im mindesten zu nahe treten zu wollen, erinnerte ich mich doch, daß ihm gar wunderbare Grillen und Mucken zu Kopfe steigen konnten, und war daher bald zu der Einsicht gelangt, daß diese Paukerei um jeden Preis verhindert werden müsse.

Ich wußte mich auch um so leichter in die unvermeidliche Notwendigkeit zu fügen, als sich mir zur Durchführung der gebotenen Vorsichtsmaßregel ein weiterer Apparat der Romantik darbot, welchen gleichfalls schon im ersten Kapitel anzuwenden ich mit Vergnügen die Gelegenheit ergriff.

Rasch somit, und unter immer stärkerer Spannung, eilt das Kapitel seinem Schlusse zu. Die beiden unbekannten Ritter ziehen vom Leder und wollen eben ihre Klingen kreuzen, als ein unerwarteter Umstand dazwischen kommt, den der Verfasser im nächsten Kapitel zu berichten verspricht.


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