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Leicht ist das Dienen, wo von beiden Seiten
Entgegenkommend sich die Hände breiten;
Doch wo der eine schilt, der andre widerspricht,
Da taugt das Dienen schlecht, da schmeckt das Herrschen nicht.
Vielleicht der wichtigste Punkt in der Dienstbotenfrage ist die Entlohnung.
Gute Dienstboten schätzen ihre Leistungen nicht allzugering ein, es ist daher klug getan, den Lohn lieber etwas zu hoch als zu niedrig zu bemessen. Selbstredend sind hierbei die persönlichen Verhältnisse maßgebend, desgleichen die Arbeitsmenge, die Beihilfe anderer Kräfte bei Ausnahms- oder gröberer Arbeit, die Vermehrung der Arbeitslast durch kleine Kinder.
Für guten Lohn darf man als Gegenleistung auch gute, gewissenhafte Arbeiter, treue Diener, ehrliche Verwalter des anvertrauten Gutes erwarten.
Die tägliche Nahrung sei gut, sorglich bereitet und vollauf genügend; verklatscht die Magd trotzdem ihre gütige Herrin, so wird ihr blühendes Aussehen derselben ein um so ehrenderes Zeugnis ausstellen.
Der Dienstmagd ist ein helles, luftiges Gelaß anzuweisen, das hinreichend Raum zu gelegentlichem Aufenthalt bietet, vor allem aber gut verschließbar ist. Auf pünktlichen Verschluß desselben ist streng zu achten.
Die Arbeit sei so verteilt, daß die Dienstboten wenigstens die Abendstunden, vielleicht auch einen Nachmittag in der Woche für sich erhalten; in dieser Mußezeit sollen sie ihre eigenen Sachen in Ordnung halten, Briefe schreiben, kleine dringende Besorgungen machen.
Die sonntägliche Ausgangszeit darf ihnen nicht absichtlich verkürzt werden, doch achte man darauf, daß der Kirchenbesuch nicht notleidet, man gewähre für diesen noch ab und zu einen freien Vormittag.
Die Ruhezeit sei nicht allzuknapp bemessen; früh heraus und zeitig zu Bett, das ist das Richtige.
Schadenersatz sollte nur bei absichtlichem oder unverhältnismäßig häufigem Verderben der Geräte und Geschirre eintreten. Begründete Vorwürfe und Zurechtweisungen erteile man nur in vollkommen ruhiger Stimmung, dabei ist jeder laute, gereizte Tonfall, jedes kränkende Wort zu vermeiden.
Heutigentags werden alle Dienstboten mit Sie angeredet; dies hat nicht nur von der Herrschaft, sondern auch von den Kindern aus zu geschehen.
Weihnachts- und Neujahrsgeschenke sollen immer reichlich bemessen sein, doch als freiwillige Großmut der Herrschaft; ihren Wert zum voraus im Dienstvertrag festzustellen, müßte man als unberechtigten Zwang zurückweisen.
Das Ehrgefühl der Dienstboten ist zu schonen und durch Vertrauen zu erhöhen. Je Besseres man ihnen zutraut, desto gewissenhafter werden sie auch sein. Mißtrauen und Anklagen sind zu unterdrücken.
Arbeitsüberlast ist zu vermeiden. Kann solche in Krankheitsfällen etwa nicht beschränkt werden, so soll eine entsprechende Vergütung nebst einem freundlichen Lob- oder Dankeswort die vermehrte Leistung belohnen.
In gesunden Tagen der getreue Berater, in kranken der gewissenhafte und teilnehmende Versorger der Dienstboten, dies steht der Herrschaft wohl an. Über den Anteil am Krankengeld, das ihre Verpflegung im Krankenhause sichert, geht das persönliche Interesse vom Menschen zum Menschen.
Das Abgangszeugnis sei gewissenhaft; auch bei Erkundigungen von dritter Seite ist wahrheitsgetreuer, doch schonender Bericht das beste und geratenste.
Die erste, unnachsichtlich aufrechtzuhaltende Forderung ist ein ehrenhaftes, bescheidenes, sittlichreines Betragen.
Leichtfertiger Ton, anstößige Rede, gemeine Ausdrucksweise, herausforderndes Lachen und Gebaren verdient schärfste Rüge.
Liebesverhältnisse, die das Auge der Hausfrau scheuen, gefährden den Ruf des Hauses. Dem Dienstmädchen als rechtschaffener Braut wende die Herrin ihre Teilnahme zu, unlautere Beziehungen dulde sie unter keinen Umständen.
Lügnerische, unehrliche, respektlose Dienstboten sind sofort zu entlassen, denn ein weiteres Zusammenarbeiten erweist sich als unmöglich.
Die tägliche Arbeitseinteilung, insbesondere die Arbeitspflicht des Dienstboten werde gleich beim Eintritt festgesetzt. Als Grundlage gelten:
Das Dienstmädchen hat die erwachsenen Kinder mit Sie anzureden; allen Hausbewohnern, insbesondere aber den Familiengliedern der Herrschaft höflich zu begegnen.
Jeder Besuch muß höflich empfangen, in das Empfangszimmer geführt und sofort angemeldet werden. Den Gästen werden die Türen geöffnet und geschlossen, Stühle bereitgestellt, die Überkleider abgenommen und angelegt. Der Gast darf nur um Namen oder Karte gebeten werden, irgend ein Gespräch mit demselben einzuleiten, ist nicht gestattet.
Zimmer, in denen das Dienstmädchen keinerlei Verrichtungen vorzunehmen hat, besonders aber solche, in denen eben gesprochen wird, dürfen nur nach erfolgtem Anpochen betreten werden.
In der Arbeit ist von Dienstboten Gewissenhaftigkeit, Fleiß und Ausdauer zu verlangen. Einmal in die übliche Arbeitseinteilung eingeweiht, soll dieselbe auch ohne Aufsicht in gewünschter Reihenfolge und Pünktlichkeit verrichtet werden.
Briefschaften und Pakete sind sofort abzugeben, Aufträge ungesäumt zu bestellen, in dringlichen Fällen selbst während der Anwesenheit von Gästen, sonst aber gleich nach ihrem Weggang.
Das Dienstmädchen soll reinlich, nett und pünktlich gekleidet und sorgfältig frisiert sein. Putz im Hause oder am Arbeitskleid darf nicht gestattet werden. Ein Wettstreit in Kleidung und Haartracht mit der Herrin oder der Tochter des Hauses werde niemals geduldet.
Es paßt sich nicht, daß Haustochter und Dienstmagd denselben Rufnamen haben. Entweder nenne man in solchem Falle das Haustöchterlein mit einem zweiten oder Kosenamen oder man rufe das Dienstmädchen mit dem Taufnamen der Vorgängerin an.
Vertraulichkeit zwischen Dienstmagd und Heranwachsenden Töchtern unterdrücke man sofort und weise eine solche auch für die eigene Person entschieden zurück; die Hausfrau darf, auch ohne Dünkel, erwarten, daß das Dienstmädchen in den ihm zukommenden Grenzen verharre.
Klatschzuträgereien müssen streng verboten und unterdrückt werden; selbst nicht mit halbem Ohre lausche man danach hin!
Dem Anruf hat der Dienstbote sofort, doch nicht nur mit »ja« oder »nein«, sondern mit der höflichen Form: »Ja, gnädige Frau!« – »Nein, gnädiges Fräulein,« zu antworten. Jede Auskunft sei präzis, freundlich, bescheiden.
Man beachte, daß die Dienstboten nur achtungsvoll von den Hausbewohnern und den Freunden der Familie reden. Man erwähne dieselben daher auch niemals ohne den ihnen zukommenden Titel in höflicher Redeform, versäume auch nicht, dem Taufnamen erwachsener Familienglieder stets das achtungheischende Prädikat: »Herr«, »Fräulein« hinzuzufügen.
Alle Familienverhältnisse werden vor dem Gesinde geheimgehalten. Jede Meinungsverschiedenheit zwischen Ehegatten oder diesen und ihren Verwandten entziehe man der Mitwissenschaft der Dienstboten.
Trauer und Schmerz über innerste Angelegenheiten seien Alleingut, jeder Zärtlichkeitsaustausch zwischen Ehegatten desgleichen.
In die Geldverhältnisse der Herrschaft steht dem Dienstboten selbstredend keine Einsicht zu.
Der Verkehr mit den Dienstboten bedingt Lob und Tadel, je nach Art des Verhaltens. Als Würze und Aufmunterung mag Lob an passender Stelle und in freundlicher Weise zuweilen erteilt werden, es wird gewiß gute Früchte tragen.
Der Tadel sei nicht hart und scharf, niemals ungerecht oder voreilig. Er werde maßvoll und in ruhiger, würdiger Weise ausgesprochen. Zuweilen genügt ein mißbilligender Blick, jedenfalls müssen harte, lieblose, herabsetzende, kränkende Worte oder unpassende Ausdrücke und Vergleiche durchaus vermieden werden.
In Anwesenheit von Fremden oder der Kinder verhalte man den Tadel bis zu gelegener Zeit. Etwaige Verstöße seitens der Dienstboten werden nach ihrer Entfernung bei den Gästen höflich entschuldigt! Sache der Hausfrau ist es, eine Wiederholung derselben durch nachdrückliche spätere Belehrung durchaus unmöglich zu machen.
Freundliche Ermahnung und aufmerksames Beobachten wird mehr nützen als die wortreichsten Zurechtweisungen.
Auf die Verhältnisse und den Geschmack des einzelnen kommt es an, wieviel Dienstboten er sich halten kann oder will. Im allgemeinen wird derjenige, der sich hierin zu bescheiden versteht, als der Glücklichere zu preisen sein.
In einfach bürgerlichen Verhältnissen wird man sich überhaupt mit einem Dienstmädchen begnügen. Nur in kinderreichen oder größeren geselligen Verkehr pflegenden Häusern mag noch eine Köchin oder Zimmermädchen dem Mädchen für alles zugesellt werden.
In solchem Falle ist die Arbeitsteilung einfach und leicht, sozusagen schon von selbst gegeben; wir wenden uns daher dem anspruchsvolleren Haushalte zu.
In reichem Hause, wo neben der weiblichen Bedienung auch ein Hausdiener gehalten wird, fällt diesem das Reinigen der Kleidungsstücke, das Säubern der Treppe, des Vorzimmers, der Halle, das Besorgen der Lampen, das Putzen des Silberzeugs und Tischgerätes, das Ausklopfen der Teppiche, das Wichsen des Linoleumbelages und des Parketts zu. Er serviert bei Tische, besorgt den Garten, versorgt die Haustiere, macht Besorgungen, versieht gegebenen Falles die Stelle des Kutschers.
Alle grobe Hausarbeit fällt in die Morgenstunden und wird in sauberer Jacke oder Ärmelweste mit Schürze verrichtet. Nachlässiger Anzug, namentlich das Arbeiten in Hemdsärmeln oder mit der Pfeife oder Zigarre im Munde darf niemals geduldet werden.
Das Servieren bei Tische geschieht in schwarzem Anzug, der bei Anwesenheit von Gästen oder größerer Gesellschaft durch weiße Krawatte und weiße Handschuhe zu vervollständigen ist.
Trägt der Diener Livree, so sei dieselbe einfach, von dunkler, zum Wagen passender Farbe, im Einklang mit derjenigen des Kutschers.
Farbige Weste, auffallender Litzen- oder Bortenbesatz ist unfein. Gewöhnlich bestehen der lange Überrock und die Gamaschen aus lehmfarbigem Tuch. Die Knöpfe sind blank und können glatt sein oder Namenszug oder Wappen tragen.
Der Anzug des Kutschers wird durch einen Schulterkragen von Pelz oder Tuch, durch steifen Hut und Waschlederhandschuhe vervollständigt. Etagenförmig geordnete, mit Litzen versehene Pelerinen sind geschmacklos.
Der Diener öffnet den Wagenschlag, erwartet mit abgezogenem Hute die Befehle und vermittelt dieselben dem Kutscher. Dieser kann sie indes auch unmittelbar erhalten, bleibt dabei jedoch, wie auch während des Grußes, ruhig auf seinem zuvor schon eingenommenen Sitz. Im Stallanzuge darf der Kutscher niemals in den Herrschaftsräumen erscheinen.
Die Dienste des Kammerdieners betreffen die Person des Hausherrn. Er trägt schwarzen Anzug mit weißer Krawatte, hat sich eleganter Manieren und gewandter, leichter Bewegungen zu befleißigen. Der Kammerdiener übernimmt und vermittelt Aufträge, überbringt auf silberner Platte die Posteinläufe und Zeitungen, meldet die Mahlzeit, den Wagen, besorgt die Toilette seines Gebieters, hilft ihm beim Einsteigen und dergleichen.
Unter dem weiblichen Gesinde nimmt die Kammerfrau dieselbe Rangordnung ein und hat ganz denselben persönlichen Dienst bei ihrer Herrin zu versehen. Von ihr wird Nadelgewandtheit, Geschmack und leichte Hand verlangt; sie muß Frisieren und selbständig Änderungen an der Garderobe vornehmen können. Die Kammerfrau wird nur mit ihrem Familiennamen angeredet, das Prädikat Frau oder Fräulein unterbleibt.
Die Haushälterin, die z. B. »Frau Müller«, »Frau Meier« angeredet wird, hat alle wirtschaftlichen Anordnungen zu treffen. Sie gibt heraus, was die Köchin braucht, verwaltet den Wäscheschrank, verkehrt mit den Lieferanten usw., kurz, sie ist eine Vertrauensperson und nimmt demgemäß eine geachtete Stellung ein.
Die Köchin, in ihrer Art ebenfalls eine Respektsperson, beherrscht die Küche allein. Sie macht die laufenden Markteinkäufe, stellt den Speisezettel auf und unterbreitet ihn der Herrschaft. Hiebei und bei Rechnungsablegung hat sie stets eine schmucke weiße Schürze anzulegen.
Das Zimmermädchen trägt weiße Schürze und kleines weißes Häubchen, ein bloßer Zierat. Außer der Zimmerarbeit und etwas Nähen hat es die Tischbedienung zu übernehmen. Diese geschieht mit bloßen Händen.
Wird bei der Amme deren Nationaltracht gewünscht, so hat die Herrschaft dieselbe zu liefern; sie wird meist kostbar und farbenreich sein. Die Amme sollte als »Frau« angeredet werden; die übrigen weiblichen Dienstboten werden schlichtweg bei ihrem Taufnamen genannt.
Jeder Dienstbote hat sich streng der Hausordnung zu fügen, dies gilt besonders in bezug auf die gewährten Ausgangsstunden und den Anzug.
An Ausgangssonntagen können die Dienstboten tragen, was sie wollen, doch nur außerhalb des Hauses. Innerhalb desselben haben sie sich alles gesuchten Putzes zu enthalten. Ebenso muß das den Kindern oder Töchtern des Hauses zur Begleitung beigegebene Hausmädchen sich in seinem Äußeren durchaus als Dienerin kennzeichnen.
Die Dienstboten sollen jeden erhaltenen Auftrag sofort und willig ausführen. Die Herrschaft vermeide Überbürdung derselben oder unklare Anordnung.
Das Herrschen ist nicht leicht, denn der überlegene Geist versetzt sich nur schwer in beschränktes Begriffsvermögen; wo aber der Mensch zum Menschen spricht, da wird sich, ohne die schroffen Gegensätze von Überhebung und Vertraulichkeit, gewiß der richtige Ton finden lassen.
Dienen ist nicht schwer, sobald der Dienende mit ehrlichem Wollen und Liebe zur Arbeit an seinen Beruf herantritt. Tue nur jeder gewissenhaft das Seine, so wird auch gewiß alles wohl zusammenstimmen.
Güte, Teilnahme, Gerechtigkeit wiegen schwerer als Tonnen Goldes, es müßte schlimm um den Dienerbestand bestellt sein, wenn er sich unter solchem Regimente nicht wohl fühlte und hinwiederum das Beste zu leisten sich bestrebte.
Vertrauen heischt Vertrauen, Mißtrauen zeitigt Heimlichkeit. Darum das eine nicht ungerechterweise, des anderen nicht allzuviel!