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Abend. Sirk-Ecke. Naßkalt. Es regnet von unten. Tonloses Starren des Rudels Böcke. Spalier der Verwundeten und Toten.
Stimme eines Zeitungsausrufers: Der Aabeend, Aachtuhrblaad!
Ein Offizier (zu drei anderen): Grüß dich Nowotny, grüß dich Pokorny, grüß dich Powolny, also du – du bist ja politisch gebildet, also was sagst zu Bulgarien?Bulgarien – im September 1918 brach die bulgarische Front zusammen, Bulgarien trat aus dem Krieg aus
Zweiter Offizier (mit Spazierstock): Weißt, ich sag, gar net ignorieren!
Der Dritte: Weißt – also natürlich.
Der Vierte: Ganz meine Ansicht – gestern hab ich mullattiert –! Habts das Bild vorn Schönpflug gsehn, Klassikaner!
Stimme eines Zeitungsausrufers: Friedensversuche der Eenteentee!
Der Dritte: Stier is heut.
Der Erste: Weißt, im KM hat heut der Schlepitschka von Schlachtentreu gesagt, wir nähern uns dem Riesen mit Friedensschritten oder nein, wir nähern uns dem Frieden mit Riesenschritten, du is das wahr? Das is doch optimistisch?
Der Zweite: Pessimistisch ist das.
Der Erste: Pessimistisch. Weißt, er hat gesagt, in der Türkei is ein kranker Mann, dann kommen wir dran, du also wieso?
Der Zweite: Er meint halt die Lage und so.
Der Erste: Ah so.
Der Dritte: Heut sind keine Menscher.
Der Zweite: Der Fallota kommt heut.
Greise ziehen vorbei. Man hört den Gesang: In der Heimat, in der Heimat, da gibts ein Wiedersehn –
Poldi Fesch (zu seinem Begleiter): Morgen wird mit dem Sascha Kolowrat gedraht – (ab.)
(Man hört die Fiakerstimme: Im Kriag kriag i's Fuchzichfache!)
Der Vierte: Wißts ihr, wie s' ihn drin nennen im KM den Fallota? Held nennen s' ihn.
Der Erste: Wieso?
Der Vierte: No verstehst nicht, er war doch an der Front! Er sagt, dort war ihm lieber.
Der Erste: No solln s' ihn nicht zrückhalten. Leben und leben lassen! No is doch wahr?
(Turi und Ludi erscheinen.)
Turi: Du Ludi, spielt der Rudi Nyári nur im Lurion? (Ab.)
Fallota (tritt auf): Grüß euch!
Der Erste: Grüß dich Held!
Alle: Grüß dich Held!
Fallota: Wieso Held? Pflanzts wem andern!
Ein Blumenweib: Veigerl!
Der Vierte: No du wie is gegangen? Bist froh? Erzähl beim Hopfner!
Der Erste: Aber ja, kommst mit, bist a Feschak –
Der Zweite: No wie wars draußen?
Fallota: Fesch wars.
Der Dritte (versunken): Der Strich is wie ausgestorben.
Der Erste: No du, wie gehts also?
Fallota: Man lebt.
(Zwei Beinstümpfe in einer abgerissenen Uniform treten in den Weg.)
Der Zweite: Kommts weg da, nix wie Tachinierer! (Ab.)
Stimme eines Zeitungsausrufers: Extraausgabee –! Die Millionenverluste der Eenteentee!
Eine flüsternde Stimme: Komm her, ich sag dir was.
(Stille. Plötzlich ein brausender Ruf, donnerhallartig: Hoooch! Hierauf. Schleeschaak –! Der Ruf scheint von der Gegend des Operngebäudes zu dringen. Ein Wagenschlag fällt. Dann Schweigen.)
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Nörgler:
»Gott wer darf sagen: schlimmer kanns nicht werden?
's ist schlimmer nun, als je.
Und kann noch schlimmer gehn; 's ist nicht das Schlimmste,
Solang man sagen kann: dies ist das Schlimmste.«
Kinder, die Gesichter haben, als hungerten sie schon ein Menschenalter – und noch kein Ende! Aber das Schlimmste ist in diesem Bericht über eine Nervenheilanstalt enthalten. Einer sitzt da im blaugestreiften Kittel und büßt die Glorie von Asiago, wo er von einer Granate verschüttet wurde, mit unheilbarer Schwermut. Einem steckt die Kugel im Kopf; um den wahnsinnigen Schmerzen zu entgehen, mußte er Morphinist werden. Abends brüllt er verzweifelt nach der Pflegerin und alle beginnen vor Aufregung zu weinen. Ein hirnkrankes Kind schreit, zwei Monate nach dem Heldentod geboren, den die schwangere Mutter erwartet hat. Eine, deren Söhne heil zurückgekehrt sind, hat's nicht abgewartet und ist vorher wahnsinnig geworden. Doch wer darf sagen: schlimmer kanns nicht werden?
Der Optimist: Ja, es ist nicht zu leugnen, der Krieg greift in die Lebensverhältnisse eines jeden ein. Wie lange, glauben Sie, wird es noch dauern?
Der Nörgler: Wir werden jedenfalls bis zum letzten Hauch von Mann und Roß lügen. Ob auch kämpfen, ist eine andere Frage. Es scheint, daß wir dem deutschen Druck durch etwas Nibelungenuntreue entweichen wollen. Wir werden uns an Deutschland dafür, daß es uns nicht verhindert hat, es in den Krieg zu treiben, durch ein bisserl Verrat rächen.
Wer würde aber nicht jede Schmach des Vaterlands jener der Menschheit vorziehen, mit der sie sich durch jede Minute eines fortgesetzten Krieges belädt! Zum Glück verlängern ihn nicht mehr unsere Siege, sondern verkürzen ihn schon unsere Niederlagen. Sagte ich Ihnen nicht einst, daß der Durchbruch bei Gorlice, die ihm verdankte Fristerstreckung des Zusammenbruchs, mit Millionen Menschenleben bezahlt würde? Dies war ehedem paradox, aber nun bestätigt es die große Zeit.
Der Optimist: Nun, was die Größe dieser Zeit betrifft, so muß selbst ich zugeben, daß sie seit dem Ultimatum an Serbien nicht erheblich gewachsen ist. Darin behalten Sie wohl recht, daß alles an ihr so klein ist, wie Sie es immer gesehen haben. Oder man könnte vielmehr sagen, daß eine große Zeit ein kleines Geschlecht gefunden hat.
Der Nörgler: Das ist ein Pech. Aber auf welche Wahrnehmungen stützen Sie Ihre Ansicht?
Der Optimist: Ich wollte es Ihnen nicht sagen, aber ich habe heute eine Annonce entdeckt, die in den Tagen, wo die Zeitung vorne Generalstabsberichte von so gewichtigem Inhalt bietet, immerhin zu denken gibt.
Der Nörgler: Wie kann man nur in den Tagen, wo die Zeitung vorne Generalstabsberichte von so gewichtigem Inhalt bietet, Augen für eine Annonce haben?
Der Optimist: Urteilen Sie selbst.
Der Nörgler (liest):
Mein Pipihendi!
Hast Du mich lieb? Sehr lieb? Wie sehr lieb?
Werde warten, bis Du schreibst oder kommst.
Mitzi.
Sehen Sie, die Zeit hat noch Liebe. Und ich hatte geglaubt, nur ihr Haß sei gewachsen und mit ihm ihr Hunger. Was aber die Dummheit anlangt, so tritt sie nur klarer in den Dimensionen hervor, die ich ihr längst zuerkannt habe. Wollen Sie das österreichische Antlitz sehen? Es ist zwar durch eigene Schuld unterernährt, aber es spiegelt sich geistig in dem Knödel, den diese Ansichtskarte als ein Idealbild der Wiener Phantasie darbietet. Ich revanchiere mich, der Text dürfte von jenem Pipihendi sein.
Der Optimist (liest):
Wenn ich mir etwas wünschen sollt,
Ich wüßt' schon lange, was ich wollt!
Ein Knödel müßt' es sein,
Aus Semmeln gut und fein!
Der Nörgler: Treuland-Verlag! Es spricht zum Herzen und sagt den Leuten mehr als »Nur wer die Sehnsucht kennt«. Im Jahre 1914 hat sich diese Bevölkerung zu einer Romantik des Knödelideals verurteilt und ich könnte es weltgerichtsordnungsmäßig beweisen, daß die Epoche, die eine solche Ansichtskarte ermöglicht hat, identisch sein muß mit der Epoche, deren letzter realer Besitz die Fliegerbombe war. Wären die Machthaber, die ja so gottverlassen sind, nichts zu tun haben als die macht, wären sie fähig, solche Zusammenhänge zu erfassen, so wäre der Krieg nie begonnen worden oder längst beendet.
Der Optimist: Dazu besteht vorläufig keine Aussicht, jetzt kommt die fünfte Musterung.
Der Nörgler: Denn der Mensch könnte sonst vergessen, wozu ihn Gott erschaffen hat.
Der Optimist: Das wäre?
Der Nörgler: Damit er vor der Assentkomtnission erscheine. Sie waren nackt, und sie schämten sich nicht.
(Verwandlung.)
Vor dem Parlament. Einige Herrenhausmitglieder haben soeben das Haus verlassen und sind unterhalb der Pallas Athene in einer Debatte begriffen. Eine Elektrische ist stehengeblieben, aus der von beiden Seiten Gliedmaßlen heraushängen. In einem unbeschreiblichen Tumult gellender Beschimpfungen, Fluche und unartikulierter Laute wird aus dem Beiwagen durch den Knäuel von Tornistern, Rucksäcken und zusammengequetschten Leibern, durch den Pferch einer unterernährten, ungewaschenen und abgerissenen Menschheit eine Frau gezerrt, die soeben vor Hunger zusammengebrochen ist.
Pattai: Was ich ihm erwidert habe, davon nehme ich kein Jota zurück – das kann er sich einrahmen lassen, der Lammasch!Lammasch – Heinrich von Lammasch, Völkerrechtler, trat für einen Verständigungsfrieden ein, 1918 Ministerpräsident, liquidierte die Monarchie, † 1920 Wir sind die Sieger, und wir verlangen auch die Palme!
(Verwandlung.)
Ministerium des Äußern.
Graf Leopold Franz Rudolf Ernest Vinzenz Innocenz Maria (sieht in den Taschenspiegel): Gut schaun mr aus. Wenn ich das geahnt hätt, hätt ich mich gegen das Ultimatum ausgesprochen!
Baron Alois Josef Ottokar Ignazius Eusebius Maria: Was hast denn?
Der Graf: Gut schaun mr aus. Wenn man Krieg führen will, hätt man das voraussehn müssen!
Der Baron: Ich versteh dich nicht. Was willst denn noch? Grad les ich, die Piffkes haben wieder viertausend Tonnen versenkt und wir waren auch nicht faul. Fünf.
Der Graf: Tausend?
Der Baron: Tonnen!
Der Graf: Pflanz wem andern. Wenn uns nicht die Schweiz herausreißt –
Der Baron: Was? Du hoffst jetzt noch auf die Neutralen?
Der Graf: Noch nie hab ich den Kurier mit solcher Spannung erwartet. Ich bin rasend neugierig.
Der Baron: Ja was is denn?
Der Graf: Aber da sitzt man und wartet und wartet – auf unsere Leut in Bern is eben kein Verlaß! Meiner Seel, wenn ich hier nicht unentbehrlich wär, ich setzet mich auf und geholfen wär uns. Ich hab mir das entetiert. Auf Schritt und Tritt is man gehandicapt. Charmante Einrichtung dieser Krieg. Aber ich garantier dir, das wird jetzt anders wern!
Der Baron: Du warst immer ein rasender Optimist. Was stellst dir denn vor, daß die in Bern machen können?
Der Graf: No ich habs ihnen doch genau aufgschrieben! Aber nein, die müssen Bridge spielen den ganzen Tag – und bei der Nacht, da weiß man eh was sie tun. Übrigens haben s' dazu auch am Tag Zeit.
Der Baron: No no, bist du aber auf einmal – Schau, schickt man wieder Leut hinaus, was nicht von der Gesellschaft sind, können s' nicht einmal repräsentieren.
Der Graf: Laß mich aus – jede Woche beim KM für ein' Juden um ein' kontumazfreien Grenzübertritt penzen, damit s' in Bern ihre Bridgewurzen haben, dazu is man ihnen gut! Und die Flitscherln, die ich hinausprotegieren muß! Ich sag dir, seit der Bubi Legationsrat is, is er rein zu gar nix mehr zu brauchen. Paß auf, wenn der Bubi und der Affi nach Wien kommen, wer' ich ihnen zeigen, wie viels gschlagen hat. Ich sag ihnen ins Gsicht, Burscherln, wer' ich ihnen sagen, ihr seids ja furchtbar charmant, aber im Ernstfall is eben kein Verlaß auf euch. Lächerlich. Der Krieg hat uns noch gfehlt! Weißt, jetzt wär's rasend tentant, die ganze Geschichte einfach hinzuschmeißen.
Der Baron: Aber du hoffst doch auf die Neutralen!
Der Graf: Ich sag dir, die Neutralen sind die schwerste Enttäuschung. Holland laßt uns überhaupt im Stich –
Der Baron: Ich weiß nicht wie du mir auf einmal vorkommst. Rasend komisch is das. Von uns allen warst du der Zuversichtlichste. Vom ersten Tag an. Wie der Berchtold damals zu uns gsagt hat: Jetzt hat die Armee ihren Willen! – da haben deine Augen noch mehr geleuchtet wie die seinigen, um den Hals wärst ihm gfallen. Das Ultimatum is prima, das war dein zweites Wort – rasend vernünftig – Geh, erinnerst dich nicht?
Der Graf: Geh, erinner mich nicht! Das Ultimatum war saublöd. So können wir nicht weiter existieren. Wenn die Schweiz diesesmal versagt, dann weiß ich schon nicht – ich bin deschperat!
No aber morgen – also ich erwart den Kurier mit einer Spannung wie noch nie! (Sieht in den Taschenspiegel.) Gut schaun mr aus.
Der Baron: Ja, Fixlaudon, was erwartest denn dieses mal eigentlich so bsonderes?
Der Graf: Tepp – eine Colgate –!!
(Verwandlung.)
Bei Udine. Zwei Generale, jeder in einem über und Über bepackten Automobil, von verschiedenen Seiten.
Der erste General: Jetzt fahr i 's letzte Mal. Mehr is nicht zu holen.
Der zweite General: Mehr is nicht zu holen.
Der Erste: Schad, so ein reiches Land!
Der Zweite: Ja, die Deutschen!
Der Erste: Mir san wieder amol zu spät kommen.
Der Zweite: Ja, die Deutschen!
Der Erste: Praktisch san s', das muß ihnen der Neid lassen. Beuteoffizier' ham s', das is alles urganisiert. Mit Sammeltranspurte. Unsereins muß sich alles kleinweis zsammklauben.
Der Zweite: Sie ham halt a Urganisation. Wie s' nach Udine kommen sein, ham sie 's gleich einteilt in Udine S und Udine N. In Udine S war Seide, das hat also den Deutschen ghört.
Der Erste: In Udine N war nix. Das hat also uns ghört.
Der Zweite: Und über die Demarkationslini derf naturgemäß unsereins nicht hinüber.
Der Erste: Traurig.
Der Zweite: Traurig.
Der Erste: Die deutschen Seidenhändler waren früher da als wie unsere Vorhut.
Der Zweite: Und die deutschen Beuteoffizier san gschwinder wie bei uns die galoppierende Schwindsucht. Da kriegt man an Reschpekt!
Der Erste: No, aber an Wein ham die Eigenen doch kriegt. Der is noch heut nicht verschwunden.
Der Zweite: Aber dafür die Eigenen im Wein. Das war der reine Russentod!
Der Erste: Hast was? Bißl a herrenloses Gut?
Der Zweite: Haßt net vül, halt so paar kleine Erinnerungen an die Front, no was halt net niet- und nagelfest war.
Der Erste: I hab heut drei Teppiche, 3o Kilo Reis, bißl a Fleisch, zwa Säck Kaffee, drei Türfüllungen und vier Heiligenbilder requiriert, schön gmalen, nach der Natur!
Der Zweite: I hab heut ein Grammophon, 2o Kilo Makkaroni, bißl a Kupfer, 5 Kilo Käs, zwa Dutzend Sardinenbüchsen und paar Bildeln, in Öl! Servus. (Erfährt ab.)
Der Erste: Servus. – Dort siech ich einen Infanteristen von uns im Feld, der nimmt einen Kolben Kukuruz! Wart Kerl, stehlen! (Er steigt ab und gibt ihm eine Ohrfeige.)
(Verwandlung.)
Etappe Fourmies.
Landwehrmann Lüdecke: Na,wenn auch die Miesmacher von beiden Seiten kommen, von der Front und vom Hinteerland, wir in der Etappe werden uns den Krieg doch nicht verekeln lassen. Bei uns sauft und hurt man ganz tüchtig, da deutet nichts auf 'nen Verzichtfrieden. Der Kronprinz hat einen richtiggehenden Harem, er hat neulich einen famosen Zuwachs bekommen und die Eltern, die was dawider hatten, egal abschieben lassen. Die Sache im Westen wird gemacht. Und schließlich, was will denn das Hinterland? Wir schicken ihm ja, was wir können. Ich höre, daß bei Wertheim schon die Kriegsbeute von Lille verkauft wird. Da muß ich nachhause schreiben, wie fein wir hier jetzt raus sind. (Er schreibt) 8. Mai. Lieber Freund! Ich bin dem Requisitionsdienst der Etappe Fourmies zugeteilt. Wir nehmen der französischen Bevölkerung alles Blei, Messing, Kupfer, Kork, Öl u. s. w., Kronleuchter, Kochherde fort, und alles, was von fern und nah zusammenkommt, wandert nach Deutschland. Oft ist es sehr unangenehm, den jungen Frauen ihre Hochzeitsgeschenke wegzunehmen, aber die Kriegsnotwendigkeit zwingt uns dazu. Zusammen mit einem meiner Kameraden habe ich neulich einen hübschen Fang gemacht. In einem vermauerten Zimmer fanden wir fünfzehn Musikinstrumente aus Kupfer, ein ganzes Orchester, ein ganz neues Fahrrad, 150 Bettlaken und Handtücher und sechs kupferne Kronleuchter, die allein ein Gewicht von 25 Kilogramm ausmachen; außerdem noch eine Menge anderer Gegenstände. Du kannst dir die Wut der alten Hexe vorstellen, der die Sachen gehörten; ich habe sehr gelacht. Alles zusammen hatte einen Wert von mehr als 10 000 Mark. Einige Ballen Schafwolle und viele andere Gegenstände. Der Kommandant war sehr zufrieden, und wir sollten sogar eine Belohnung bekommen. Vielleicht auch noch dazu das Eiserne Kreuz. Und dann gibt es hier junge Mädchen, die hübsch zu entjungfern sind. Es grüßt Dich –
(Verwandlung.)
Zirkus Busch, Monstreversammlung für einen deutschen Frieden.
Pastor Brüstlein (mit ausgestreckte Arm): – Im Westen: Longwy und Briey! Und die vlämische Küste wird nicht wieder herausgegeben! (Dröhnender Beifall.) Im Osten die bekannte Festungslinie, die Ostpreußen nie mehr bedrohen darf, muß in irgendeiner Form in unsrer Hand bleiben! (Lebhafter BeifalI.) Kurland und ein Stück von Litauen wird nicht wieder herausgegeben! (Donnernder Beifall.) Verbunden sind mit Kurland: Livland und Estland. (Die rechte Hand vorgestreckt.) Dort flattert die Notflagge! Da müssen wir helfen.
(Rufe: Hurra! Hurra! Hurra! Redner tritt ab. Die Versammlung stimmt das Lied an: »Ein' feste Burg ist unser Gott«.)
Hauptschriftleiter Maschke: Verehrte Volksgenossen! Ich werde mich kurz fassen. Ich habe nur eine Forderung, die uns alle beseelt, vorzubringen: Fort mit dem Weltgewissen! (Hurra-Rufe.) Hinweg mit dem Weltbrüdergeist! Das deutsche Machtgewissen allein sei unser Gebieter und Führer! Sein Losungswort lautet: Mehr Macht! Mehr deutsche Macht! Wen sein Weltgewissen oder sein Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der Menschheit etwas anderes reden oder schreiben läßt, als was des deutschen Schwertes Machtsprache gebietet – der ist und bleibt ein armseliger politischer Träumer, ein trüber Wolkenwandler! (Dröhnender Beifall.)
Ein Mißvergnügter: Ich will der geehrten Versammlung nur eines zu bedenken geben. Die Schädigung der Volksmoral durch den Krieg hat kürzlich der Finanzminister durch den Hinweis auf die glänzenden Siegestaten unseres Heeres zu beschönigen gesucht. In der Bibel aber heißt es: Was hülfe es ihm, wenn er die ganze Welt gewänne, und nähme doch Schaden an seiner Seele! Mit dieser Auffassung der Bibel deckt sich die Auffassung der modernen Kultur, nämlich, daß die moralische Zersetzung des Volkskörpers durch Betrug, Diebstahl und Schwindel von dem Ruhm der Waffen nimmermehr vergoldet werden kann. Große Staatsinstitute wie die Post sind zu Diebeshöhlen geworden, ganze Klassen der Bevölkerung in den bodenlosen Abgrund geschleudert, alles aus der unersättlichen Gier nach Gewinn – (Rufe: Rraus mit dem Kerl! Redner wird hinausgeworfen.)
Professor Puppe: Meine verehrten Anwesenden! Ich werde mich kurz fassen, denn die Richtlinien für einen deutschen Frieden stehen so klar vor unser aller Augen, daß wir sie mit Händen greifen können. (Tut es.) Eine Versöhnung Frankreichs durch Güte ist unmöglich. (Rufe: Unmöglich!) Wir müssen Frankreich so ohnmächtig machen, daß es niemals wieder angreifen kann! (Dröhnender Beifall.) Dazu ist notwendig, daß unsere Westgrenze weiter vorgeschoben wird, die nordfranzösischen Erzlager müssen uns zufallen! (Lebhafter Beifall.) Das ehemalige Belgien darf militärisch, politisch und wirtschaftlich nicht mehr aus der Hand gelassen werden! Wir brauchen ferner ein großes afrikanisches Kolonialreich! (Dröhnender Beifall.) Um dieses sicherzustellen, benötigen wir Flottenstützpunkte! Eine unerläßliche Bedingung ist die Vertreibung Englands aus dem Mittelmeer, aus Gibraltar, Malta, Cypern, Ägypten und seinen neuen Eroberungen im Mittelmeer! (Rufe: Gott strafe England!) Dazu käme natürlich eine Kriegsentschädigung (Orkanartiger Beifall.) – namentlich in der Weise, daß die Feinde gezwungen würden, einen erheblichen Teil ihrer Handelsflotte uns zur Verfügung zu stellen, uns Gold, Nahrungsmittel und Rohstoffe zu liefern. (Rufe: Hurra!) Ferner – –
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch
Der Optimist: Was lesen Sie da?
Der Nörgler: Hören Sie. Ein Irrsinniger auf dem Einspännergaul. Eine aufregende Straßenszene hat gestern abend an der Kreuzung der Alser- und Landesgerichtsstraße eine geraume Zeit lang unter den vielen Vorübergehenden großes Aufsehen erregt. Gegen halb 8 Uhr fuhr ein Einspännerwagen mit zwei Damen als Fahrgästen und Gepäck, das auf dem Bocke verstaut war, in der Universitätsstraße gegen die Alserstraße. Als der Wagen im langsamen Tempo zur Kreuzung der Alser- und Landesgerichtsstraße fuhr, kam ein junger Mann in Infanteristenuniform plötzlich im Laufschritt auf die Straße und stürzte sich dem Einspännerrosse entgegen; er faßte es an dem Zügel und wollte das Pferd anhalten. Der Kutscher war überrascht, die beiden Insassen waren erschrocken. Der Kutscher schlug mit der Peitsche auf das Pferd ein, um es zu schnellerem Trabe zu veranlassen und dem jungen Menschen zu entkommen; das Pferd lief auch schneller, da sprang der junge Mensch wieder an den Gaul heran und schwang sich auf ihn. Mit der bloßen Hand trieb er das arme Tier zu noch schnellerem Laufe an indem er dabei wiederholt »Hurra!« schrie. Nun hatte der Kutscher die Lenkung über das Pferd ganz verloren und der sonderbare Reiter ließ den Gaul ganz umkehren. Im Galopp kam das Tier mit dem schleudernden Wagen gegen die Kreuzung. Das Abenteuer hätte noch schlimm enden können, wenn nicht an der Kreuzung ein Sicherheitswachmann das Pferd am Zügel gefaßt und zum Stehen gebracht hätte. Der Wachmann zog den Reiter wieder auf den Boden herab. Kutscher und Fahrgäste atmeten auf. Um den Wagen sammelte sich gleich eine große Menge an. Der junge Mann, der offenbar geistesgestört ist, wurde der irrenärztlichen Behandlung übergeben.
Der Optimist: Nun? Eine Winzigkeit aus der lokalen Chronik. Warum befassen Sie sich mit so etwas? Jetzt gibt es doch gewiß größere Themen. Harden –
Der Nörgler: Das dringendste ist aber doch die Frage, wann endlich der Wachmann kommt. Wenn man einmal einen braucht, ist natürlich keiner da!
Der Optimist: Ja, aber warum regt Sie das auf? Dieser alltägliche Übelstand!
Der Nörgler: Ich sage Ihnen, bei solchen lokalen Unfällen gibts keine Rettung. Der sonderbare Reiter sitzt nicht ab. Außer – wenn der Policeman kommt!
Der Optimist: Ich verstehe Sie nicht. Sie sind der richtige Wiener Raunzer. Weltpolitik ist doch wichtiger.
Der Nörgler: Aber ein Umweg, um den Dingen auf den Grund zu kommen. Derlei liegt mir zu fern. Höchstens, daß mich Japan interessiert.
Der Optimist: Es ist bezeichnend, was Ihnen am nächsten liegt. Und warum Japan?
Der Nörgler: Da – hören Sie – Die chinesisch-japanische Militärkonvention. Volle Herrschaft Japans in China. Der »Shanghai Gazette« zufolge haben die geheimen Abmachungen der eben zustandegekommenen Militärkonvention zwischen Japan und China folgenden Inhalt: Die chinesische Polizei wird von Japan neu organisiert. Japan übernimmt die Leitung sämtlicher chinesischer Arsenale und Werften. Japan erhält das Recht, in allen Teilen Chinas Eisen und Kohle zu fördern. Japan erhält alle Privilegien in der äußeren und in der inneren Mongolei, ferner in der Mandschurei. Schließlich sind eine Anzahl von Maßnahmen getroffen, die das Finanz- und Ernährungswesen Chinas japanischem Einfluß unterwerfen. – O ich interessiere mich für Weltpolitik!
Der Optimist: Ja was geht uns denn aber Japan an? Das Verhältnis zwischen Japan und China scheint Ihnen –
Der Nörgler: – ausgebaut und vertieft!
(Verwandlung.)
Ischler Espanade. Der Abonnent und der Patriot im Gespräch.
Der Patriot: Es wurde im vollen Einvernehmen der Entschluß gefaßt, das bestehende Bündnisverhältnis auszubauen und zu vertiefen.
Der Abonnent: Also mit einem Wort: Ausbau und Vertiefung des Bündnisses.
Der Patriot: Hiebei ergab sich volles Einvernehmen in allen diesen Fragen und der Entschluß, das bestehende Bündnisverhältnis auszubauen und zu vertiefen.
Der Abonnent: Also mit einem Wort: Ausbau und Vertiefung des bestehenden Bündnisverhältnisses.
Der Patriot: In welcher Form der Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses geschehen sollen, wird heute noch nicht mitgeteilt.
Der Abonnent: Der Krieg hat jedoch den Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses zur Notwendigkeit gemacht.
Der Patriot: In welcher Richtung der Ausbau und die Vertiefung sich vollziehen sollen, wird in der amtlichen Mitteilung nicht angedeutet.
Der Abonnent: Gewiß wird es der Wunsch der beiderseitigen Generalstäbe sein, den Vorteil, den die Monarchie und Deutschland durch den Grundsatz hatten, der im Kriege Schulter an Schulter genannt wurde, auszubauen und zu vertiefen.
Der Patriot: Haben Sie Mitteilungen von unterrichteter Seite?
Der Abonnent: Ich kann Ihnen nur soviel sagen, wir müssen an dem Defensivbündnis festhalten und für einen Ausbau und eine Vertiefung dieses Bündnisses nur andere Vorbedingungen schaffen.
Der Patriot (nach einer Pause): Was sagen Sie zu Ausbau und Vertiefung des Bündnisses mit Deutschland?
Der Abonnent: Die von den Mittelmächten geschaffenen Tatsachen sollen durch Ausbau und Vertiefung zur Regel für die Zukunft erhoben werden.
Der Patriot: Wir brauchen nur den Ereignissen des Krieges zu folgen, um zu verstehen, warum der Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses unvermeidlich geworden sind.
Der Abonnent: Die Einheit der Front für die Mittelmächte ist eine zureichende Ursache für die militärische Vertiefung des Bündnisses.
Der Patriot: No und der Ausbau?
Der Abonnent: Der Plan, den Mittelmächten die Rohstoffe auch nach dem Kriege zu entziehen, wird mit der Nachricht vom wirtschaftlichen Ausbau des Bündnisses beantwortet. Der Ausbau des Bündnisses mit Deutschland in wirtschaftlicher Hinsicht –
Der Patriot: Der Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses zwischen der Monarchie und Deutschland haben einen Zusammenhang mit der polnischen Frage. Da liest man aber Nachrichten über gefälschte deutsche Friedensangebote. Was ist wahr?
Der Abonnent: Wahr ist der Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses zwischen der Monarchie und Deutschland. Sag ich Ihnen!
Der Patriot: Ihnen gesagt! Sie scheinen auf die amtliche Mitteilung anzuspielen, daß bei der Kaiserzusammenkunft im deutschen großen Hauptquartier der Ausbau und die Vertiefung des zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn bestehenden Bündnisses abgeschlossen worden ist.
Der Abonnent: Wissen Sie was die Folge sein wird? Die Welt wird damit rechnen müssen, daß England mit seinen vierhundert Millionen Einwohnern die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ausbaut und vertieft, um seine Überlegenheit in der Versorgung mit Rohstoffen noch zu vermehren. Alles machen sie uns nach.
Der Patriot: Selbstredend. Welchen Einfluß könnten die Nachrichten über den Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses auf die Politik der Entente haben? Die Wirkung dürfte nachhaltig sein.
Der Abonnent: Der Schluß ist gerechtfertigt, daß der wesentliche Zweck des Ausbaues und der Vertiefung in der Öffentlichkeit richtig erkannt worden ist.
Der Patriot: Was Sie nicht sagen! Ich hab stark den Eindruck, in dieser letzten Stunde der Monarchenbegegnung fühlten alle Zeugen dieses historischen Ereignisses, daß das Bündnis zwischen beiden Mittelmächten in des Wortes wahrster Bedeutung vertieft worden ist. Nämlich die Grundlagen einer wesentlichen Vertiefung –
Der Abonnent: Apropos, der Ausbau der Technischen Hochschule –
Der Patriot: Der Ausbau des Bündnisses dürfte die polnische Frage –
Der Abonnent: Der Ausbau des Bündnisses wird die Entente –
Der Patriot: Der Ausbau und die Vertiefung des Bündnisses mußten unter solchen Umständen die Entente überraschen.
Der Abonnent: Kunststück, auf der Börse wurde die große Bedeutung des politischen und militärischen Ausbaues des Bündnisses eingehend besprochen. Insbesondere wurde hervorgehoben, daß die Vertiefung –
Der Patriot: Es ist anzunehmen, daß jetzt auch die Besprechungen über die zur Vertiefung und zum Ausbau des Bündnisses zu treffenden Vereinbarungen beginnen werden. Was speziell den Ausbau des wirtschaftlichen Bündnisses mit Deutschland anlangt, so hat doch soeben –
Der Abonnent: Deshalb ist es von besonderem Interesse, zu hören, was dieses hervorragende Mitglied des Kabinetts Wekerle über die Beschlüsse betreffend den Ausbau des wirtschaftlichen Bündnisses mit Deutschland sagt.
Der Patriot: Der? No der hat doch schon immer eine Vertiefung des Wirtschaftsverhältnisses angestrebt!
Der Abonnent: Die Welt hörte die Verkündigung, daß der Entschluß gefaßt worden sei, das Bündnis auszubauen und zu vertiefen.
Der Patriot: Die Vertiefung des Bündnisses werden die Monarchie und Deutschland nach dem Kriege als Bedürfnis empfinden.
Der Abonnent: Nutzt nix, Sicherheit kann nur werden durch Ausbau und Vertiefung des Bündnisses.
Der Patriot: No aber – Budget, Anleihen und Steuern können nicht warten, bis das Bündnis mit Deutschland politisch, militärisch und wirtschaftlich ausgebaut ist.
Der Abonnent: In Besprechung der Vertiefung des Bündnisses der Mittelmächte hat er ja erklärt –
Der Patriot: Sie meinen Friedjung. Aber Friedjung konträr schloß doch mit einem dreifachen Hoch und Eljen auf den Ausbau des Bündnisses der beiden Mittelmächte mit der Türkei!
Der Abonnent: No und was is mit der Vertiefung? Die erste Frage galt der Vertiefung des Bündnisses der Mittelmächte.
Der Patriot: Aber das is doch ganz etwas anderes! Da war vom Ausbau des österreichisch-ungarisch-deutschen Bündnisses in militärischer Beziehung die Rede.
Der Abonnent: No ja, aber die Vertiefung des Bündnisses auch in militärischer Hinsicht ist darum eine unbedingte Notwendigkeit.
Der Patriot: Ich weiß nur, wie sich Wekerle und Tisza über die Vertiefung des Bündnisses –
Der Abonnent: Es sind nämlich Äußerungen von einer Seite gefallen, die gegen eine Vertiefung des Bündnisses Bedenken hegte.
Der Patriot: Apropos, da fällt mir ein, was sagen Sie zum Ausbau des Sieges von Noyon?
Der Abonnent: No haben Sie gelesen BurianBurian – Stephan Graf von Burian von Rajecz, österr. Politiker, 1918 Außenminister, † 1922 über die Vertiefung des Bündnisses?
Der Patriot: No haben Sie gelesen über die Beratungen in Salzburg über den Ausbau des Bündnisses?
Der Abonnent: Bitte, da war nur von den leitenden Auffassungen bei der wirtschaftlichen Vertiefung des Bündnisses die Rede!
Der Patriot: Der deutsche Kaiser hat aber dem HetmanHetmann – Pawel Petrowitsch Skoropadski, russ. General, April 1918 zum Hetmann der Ukraine ernannt nachgerühmt, daß er schon begonnen hat, die Ukraine zu einem neuen geordneten Staatswesen auszubauen.
Der Abonnent: Bitte, drauf hat aber der Hetman sofort der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Beziehungen zwischen dem mächtigen deutschen Reiche und der Ukraine sich immer mehr vertiefen werden!
Der Patriot: Sagt er! Wissen Sie, vertiefen is riskant. Haben Sie nicht gelesen aus Berlin, wie aus dem Haag gemeldet wird, daß aus London gemeldet wird, sie melden aus Turin, daß die italienische Börse seit der deutsch-österreichischen Kaiserzusammenkunft flau ist und man glaubt, daß die Italiener durch die Tiefe des Bündnisses sehr enttäuscht sind?
Der Abonnent: No wie tief is es schon! Trotzdem bin ich überzeugt, weil Sie von Haag, sprechen, die Einrichtung der Schiedsgerichte wird nach dem Kriege stark ausgebaut werden müssen.
Der Patriot: Meglich. Vorläufig sind erst Verhandlungen, die von dem Grundgedanken ausgehen, das Bundesverhältnis zu vertiefen, und die sind zurzeit noch im Flusse.
Der Abonnent: Dafür sind die Abwehrmaßregeln in unablässigem Ausbau begriffen.
Der Patriot: Die Abwehrmaßregeln gegen die Diebstähle an Postgütern? weiß ich! Was nutzt das aber? Grad jetzt, in den Zeiten des Ausbaues und der Vertiefung, haben die Eisenbahndiebstähle so überhand genommen.
Der Abonnent: Ein Ausbau der Bestimmungen über die Versicherung des Reisegepäcks ist heute umso dringlicher, als –
(Der alte Biach kommt atemlos.)
Der alte Biach: Wissen Sie was passiert is? Ausgebaut und vertieft!
Der Abonnent: No das is doch nix Neues?
Der alte Biach: Wenn ich Ihnen sag, das Bündnis is ausgebaut und vertieft! Aber –
Der Patriot: No was is? Kommen Sie zu sich –
Der alte Biach: Das hat noch gefehlt –
Der Abonnent: Was ham Sie?
Der alte Biach: Gotteswillen – das is nicht so einfach – passen Sie auf – es is nämlich auch ausge legt worn! Wissen Sie schon den Unterschied zwischen der Fassung in Wien und der Fassung in Berlin? (Außer Fassung) Eine genaue Prüfung des Textes der in Wien und Berlin veröffentlichten Mitteilung zeigt einen Unterschied, der in die Augen springt.
Der Patriot: Wieso?
Der alte Biach: Bitte, die beiden Communiqués sind in den Sätzen, in den Ausdrücken und in den spärlichen Mitteilungen gleichlautend –
Der Abonnent: No also!
Der alte Biach: – mit einer einzigen Ausnahme. (Jappend) In Wien und Berlin wird gesagt – In Wien und Berlin wird erzählt – In Wien und Berlin wird mitgeteilt – Da ist volle Gleichheit im Inhalte und in der Form – wird mit Genugtuung aufgenommen werden. Denn nichts kann wichtiger sein als der Felsblock – nichts kann das Gefühl der Sicherheit mehr befestigen –
Der Patriot: No also, was wolln Sie mehr?
Der Abonnent: No sehn Sie, wo is also der Unterschied – Sie machen sich Gedanken –
Der alte Biach (mit wachsendem Paroxysmus): Was nutzt das alles – das in Wien veröffentlichte Communiqué sagt, die Zusammenkunft der beiden Kaiser habe auch festgestellt, »daß die erlauchten Monarchen an ihren im Mai gefaßten bündnis vertiefenden Beschlüssen festhalten«. Das in Berlin veröffentlichte Communiqué sagt, die Zusammenkunft habe »auch die gleiche und treueste Auslegung des Bündnisses festgestellt«. Wenn der Satz über das Festhalten an den Maibeschlüssen, betreffend die Vertiefung des Bündnisses, im Wiener Communiqué in ein Verhältnis gebracht wird zu dem Satze über die gleiche und treueste Auslegung des Bündnisses im Berliner Communiqué, so ergibt sich kein Widerspruch, sondern nur die Tatsache, daß in jeder der beiden Mitteilungen von etwas anderem gesprochen wird.
Der Abonnent: No also!
Der alte Biach: Die gleiche und treueste Auslegung des Bündnisses kann nicht im Gegensatze zu den Maibeschlüssen über die Vertiefung des Bündnisses sein und diese wäre undenkbar ohne die gleiche und treueste Auslegung des jetzigen Bündnisses.
Der Patriot: Natürlich.
Der alte Biach: Aber dem deutschen Publikum wird etwas mitgeteilt, was das Wiener Communiqué nicht sagt, und umgekehrt. Es handelt sich um Erklärungen, die, nebeneinandergestellt und in einem und demselben Communiqué veröffentlicht, nichts Auffallendes hätten. Sie fallen nur auf, weil in einem Communiqué vom Festhalten an der Bündnis Vertiefung nichts zu lesen ist und in dem anderen wieder nichts von der gleiche und treueste Auslegung des jetzigen Bündnisses. Mitteilungen über die Zusammenkunft der Kaiser pflegen im Einvernehmen verfaßt und dem Publikum zugänglich gemacht zu werden. Graf Burian war somit einverstanden mit dem Hinweise auf die gleiche und treueste Auslegung des Bündnisses und Graf HertlingHertling – Georg Graf von Hertling, katholischer Politiker und Philosoph, 1917 deutscher Reichskanzler, † 1919 hat der Feststellung zugestimmt, daß die beiden Kaiser an ihren im Mai gefaßten Bündnis vertiefenden Beschlüssen festhalten. Beide Staatsmänner sprechen aus beiden Communiqué und keiner von ihnen kann über die Zusammenkunft sagen, was der andere nicht billigt.
Der Abonnent: Selbstredend.
Der alte Biach: Aber die Ungleichheit der Fassung dürfte trotzdem nicht grundlos sein. Die Andeutung ist zu erkennen, daß die Monarchie bei der Vertiefung des Bündnisses nach den im Mai gefaßten Beschlüssen die polnische Frage zur Lösung bringen will. Graf Burian hat sie schon im Juni damit in Zusammenhang gebracht. Deshalb wird die Vertiefung des Bündnisses im Wiener Communiqué unterstrichen. Das Berliner Communiqué spricht von der gleichen und treuesten Auslegung des jetzigen Bündnisses. Es will dessen Bestand und Wirkung in keine Abhängigkeit von den schwebenden Fragen des Ausbaues sowie von der austro-polnischen Lösung bringen.
Der Abonnent: Das is doch klar, die Vertiefung kann ausgelegt, aber der Ausbau kann nicht vertieft werden. Also ich versteh nicht, warum Sie sich Sorgen machen –
Der alte Biach: Auch die treueste Auslegung des Bündnisses ist, wie das Berliner Communiqué sagt, in der Monarchie und in Deutschland gleich. Graf Burian will die Vertiefung des Bündnisses und Graf Hertling auch. (Er beginnt zu stampfen.) Der deutsche Reichskanzler will aber das jetzigen Bündnis, selbst wenn es nicht vertieft werden könnte. Die Monarchie teilt diese Ansicht. Die Grundauffassungen über das Zusammenstehen kommen aus Notwendigkeiten. (Schon mit ermattender Gewure) Die treueste Auslegung des Bündnisses ist wechselseitige Unterstützung an den Fronten gegen den Feind. Das tut die Entente; das sollten die Mittelmächte tun. (Erschöpft beginnt er zu taumeln. Der Abonnent und der Patriot stützen ihn.)
Der Patriot: Aber sie tun es doch – kommen Sie zu sich – es wird sich schon alles aufklären – beruhigen Sie sich – man wird doch da sehn –
Der alte Biach: Es is ein Unterschied – es is ein Unterschied Sie glauben vielleicht es is kein Unterschied, aber ich sag Ihnen es is ja ein Unterschied – (er weint.)
Der Patriot: Natürlich is ein Unterschied – regen Sie sich um Gotteswillen nicht auf – man sieht doch, es is ein Unterschied!
Der Abonnent: Zu was regen Sie ihn noch mehr auf? Es is kein Unterschied!
Der Patriot: Es is kein Unterschied?
Der alte Biach (stöhnend): Es – is – kein – Unterschied –?
Der Abonnent: Also das wissen Sie noch nicht? Also hören Sie zu! Aus Berlin wird gemeldet, gegenüber gewissen Auffassungen in der Presse wird in hiesigen informierten Kreisen betont, daß bis heute eine amtliche Erklärung über Einzelheiten der Besprechungen im Großen Hauptquartier nicht veröffentlicht wurde. Von einem Unterschied zwischen dem deutschen und österreichischen amtlichen Bericht über die Zusammenkunft könne keine Rede sein.
(Der alte Biach sinkt um.)
Der Abonnent: Gotteswillen – ihm is etwas nicht wie ihm sein sollte –
Die Kurgäste (massieren sich): Was is geschehn? – Biach is unwohl –
Der Patriot: Niix – er hat sich aufgeregt –
Der alte Biach (stöhnend): Alles – umsonst –. Es is – kein – Unterschied. Die – ganze – Müh –
Der Abonnent: Gotteswillen – wenn ich geahnt hätte – schrecklich!
Der Patriot: Daß ihm das so nah geht!
Der Abonnent: No ja, ich bitt Sie, es is keine Kleinigkeit.
(Es bilden sich Gruppen.)
Die Kurgäste: Biach gefällt mir etwas nicht – man sollte um den Dokter schicken – man sollte um die Frau laufen – gestern war er doch noch – ich hab ' ihn noch gekannt, wie er –
Der Patriot: Wissen Sie, was ich glaub? (sich vorsichtig umsehend) Er hat ihn am Gewissen!
Der Abonnent: Versündigen Sie sich nicht! – Hören Sie, er sagt etwas –
Der alte Biach (stöhnend): Ausgebaut – und – vertieft –
Der Abonnent: Hören Sie nur –
Der alte Biach (verklärt): Die Nase der Kleopatra – war eine ihrer größten Schönheiten.
Der Abonnent: Er phantasiert.
Der alte Biach (sich groß aufrichtend): Es – rieselt – im – Gemäuer.
Der Patriot: Er prophezeit.
Der alte Biach (sinkt zusammen): Das – is – der Schluß – vom Leitartikel.
Der Abonnent (aufschluchzend): Biach –!
(Er stirbt. Die Beiden verharren erschüttert. Schweigende Gruppe der Kurgäste.)
Der Abonnent: Schad um ihm.
Der Patriot: Er hat es überstanden.
(Verwandlung.)
Berlin, Weinrestaurant in der Passage. Man hört ein Orchestrion, welches abwechselnd die Lieder spielt: »Emil du bist eene Pflanze« und »Sie sind doch bekannt mein Lieber als Schieber, als Schieber«. Das passierende Publikum besteht aus Zumeist älteren Strichjungen mit großen Pranken. Ein Zeitungshändler ruft den »Heiratsonkel« aus. Ein Ausrufer ladet in Kastans Panoptikum ein.
Zwei freisinnige Politiker, Zulauf und Ablaß, sitzen an einem Tisch. Beide haben niedrigen Stehkragen mit übereinanderliegenden Enden, Fertigmasche und Hornkneifer.
Ablaß (erhebt sein Glas):Auf die Verfassungsreforrn! Pupille!
Zulauf (erhebt sein Glas): Pupille!
Ablaß: Hörn Se mal Zulauf, dieses Wort »Neuorientierung« behagt mir nu ganz und gar nich.
Zulauf: Nanu?
Ablaß: Ich würde »Neuaufmachung« vorschlagen.
Zulauf: Famos! Pupille!
Ablaß: Pupille!
Zulauf: Hörn Se mal Ablaß, haben Se heut schon den roten Tach jelesen?
Ablaß: Doch.
Zulauf: Hörn Se mal Ablaß, haben Se heut schon das B. T. gelesen? Da,'n WTB – (zieht die Zeitung hervor.)
Ablaß: Nee.
Zulauf: Ist aber mächtich intressant, hörn Se mal: Brüssel 23. Juli (Wolff). Dem alten auch in der Geschichte Flanderns von Fürsten und ihren Vertretern geübten Brauche folgend, nahm der Generalgouverneur am 11. Juli, dem vaterländischen Gedenktage des flämischen Volkes, um ihn der Erinnerung der Mit- und Nachwelt einzuprägen, Anlaß zu einem besonderen Gnadenakte und entsprach der Bitte von 3.000 zur Feier des Gülden-Sporen-Festes in Antwerpen versammelten Flämen.
Ablaß: Sieh mal an!
Zulauf: Der Generalgouverneur wollte im Hinblick darauf, daß der Erinnerungstach des flämischen Freiheitskampfes sich zum erstenmal seit seinem Amtsantritt jährt, ihm in diesem Jahre durch Maßnahmen zur Durchführung der flämischen Volksrechte besondere Bedeutung verleihen.
Ablaß: Fein!
Zulauf: Demgemäß wandelte der Generalgouverneur die vom Feldgericht des Gouvernemangs Antwerpen über fünf Flämen verhängte Todesstrafe in lebenslängliche Zuchthausstrafe um. Na war sagen Se nu?
Ablaß: Doll!
Zulauf: Wat? Ja 's weht ne andere Luft jetzt. 3.000 Flämen auf die Bitte von fünfen begnadicht!
Ablaß: Ach, Unsinn!
Zulauf: Doch. Nee – ach so – na ejal. Jedenfalls, Begnadijung is Begnadijung. Die Kerls haben doch nu wenigstens lebenslänglich. Tja, die Volksrechte werden eben jetzt mal gründlich durchjeführt.
Ablaß: Kein Zweifel, daß es sich der Mit- und Nachwelt einprägen wird.
Zulauf: 'ne schöne Handlung. Und zur Erinnerung, daß es der erste Erinnerungstach des flämischen Freiheitskampfes unter deutscher Herrschaft ist!
Ablaß: Kalassal!
Zulauf: Wat? Na – Pupille! Auf die deutsche Freiheit!
Ablaß: Ich tue Ihnen Bescheid. Die deutsche Freiheit! Pupille!
Zulauf (nach einer Pause): Na, morjen sind wa bei Hindenburch und Ludendorff.
Ablaß: Morjen? Morjen sind wa doch bei Schneider-Dunker!
Zulauf: Vormittach sind wa bei Schneider-Dunker?
Ablaß: Nee, abends! Vormittach sind wa doch bei Hindenburch und Ludendorff.
Zulauf: Richtich. Na und fünfzehn Minuten sind jedem von uns zujemessen. Schlag 11 müssen wa antreten.
Ablaß: Nackt?
Zulauf: Nee, Frack!
(Verwandlung.)
Kriegsgeneralversammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins des Großberliner Riesenwahlkreises Teltow-Beskow-Storkow-Charlottenburg.
Genosse Schliefke (Teltow): – Als Generalredner der Kriegsgeneralversammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins des Großberliner Riesenwahlkreises Teltow-Beskow-Storkow-Charlottenburg fasse ich mithin zusammen: Wenn preußische Sozialdemokraten der Einladung in das Reichsamt des Innern folgen und der Kaiser an dieser Besprechung teilnimmt, so ist dies keine Verletzung sozialdemokratischer Grundsätze. Auch der Genosse David handelte korrekt, wenn er der Einladung des Kronprinzen folgte. Die Sozialdemokratie ist eine revolutionäre Partei (Oho!-Rufe) – sie muß deshalb auch, wenn es die veränderten Verhältnisse erfordern, mit alten Traditionen brechen –
Ein Zwischenrufer: Bei Hof?
Schliefke: – ich meine mit ihren eigenen Traditionen! Sie muß in ihren eigenen Reihen revolutionieren. Sie ist eben eine durch und durch revolutionäre Partei! (Lebhafte Zustimmung.)
(Verwandlung.)
Bad Gastein. Der Abonnent und der Patriot im Gespräch.
Der Abonnent: Ich bin überzeugt, daß durch den Ausbau des Bündnisses –
Der Patriot: Ich zweifle nicht, daß dann der Abbau des Hasses –
Der Abonnent: Vermutlich würde durch die Vertiefung des Bündnisses –
Der Patriot: Ich glaube, daß dadurch eine Erhöhung der Preise –
Der Abonnent: Ohne Zweifel könnte der Abbau der Preise –
Der Patriot: Mir scheint, daß dafür eine Erhöhung des Hasses –
Der Abonnent: Ich glaube aber, daß ein Ausbau der Preise –
Der Patriot: Ich meine, daß dadurch eine Vertiefung des Hasses –
Der Abonnent: Vermutlich würde durch eine Erhöhung des Bündnisses –
Der Patriot: Mir scheint, daß dadurch ein Ausbau des Hasses –
Der Abonnent: Andererseits bin ich überzeugt, daß sich durch einen Abbau des Bündnisses –
Der Patriot: – unschwer eine Vertiefung der Preise herbeiführen ließe.
(Verwandlung.)
Bureauzimmer bei einem Kommando.
Ein Generalstäbler (beim Telephon): – servus – aber nein – ich bins, der Kobatsch – der Peham is auf Urlaub – Also hörst – natürlich, a Massa Tote – danke, man lebt – Weißt wegen der phantastischen Gefangenenziffern, was die Russen angeben – no mußt halt schreiben, woher können s' denn das so genau wissen, das laßt sich doch gar nicht zählen! – Was? – Noja, das is wirklich schwer den Leuten plausibel z'machen. Weißt, mußt halt sagen, solange sich die Angaben in bescheidenen Grenzen bewegt haben, also täglich 10.000, da hat mas hingehn lassen, aber wo's amal hunderttausend übersteigt, also das geht nicht! – Was? – Noja, mußt halt schreiben, daß man das doch gar nicht zählen kann und so, wo also so viel sein! – Was? Wir zählen selber immer? Noja, wir, wir, aber der Feind, das is doch was andreas! – Was? Was wern s' sagen? Der Feind kann, wann s' so zuströmen, nicht so schnell zählen, aber wir können leichter unsere Verluste zählen –? Herstellt pomali, wir ham ja gezählt und wir sind eben nach genauer Berechnung auf eine weit geringere Ziffer gekommen, verstehst! Die Hauptsach is, du sagst immer: phantastische Gefangenenziffern – du, das is sehr wichtig, daß d' das sagst. No wirst scho machen – wann drauf steht »amtlich«, so is's eh scho die halberte Wahrheit und die andere Halbscheit machst halt dazu, bist ja ein gscheiter Bursch, also servus servus – Schluß!
(Verwandlung.)
Schlachtfeld bei Saarburg.
Hauptmann Niedermacher: Immer wieder zögern unsre Jungens. jeder von ihnen weiß längst, daß General Ruhmleben bei einer Besprechung der Kampflage den prägnanten Befehl gegeben hat, Kriegsgefangene, ob verwundet oder unverwundet, mit Gewehrkolben oder Revolver niederzumachen und Verwundete auf dem Feld zu erschießen, wie die Lügenpropaganda unsrer Feinde behauptet.
Major Metzler: Ruhmleben handelt getreu der alten Devise unsres obersten Kriegsherrn: Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht! S. M. hat überdies befohlen, Spitalschiffe zu versenken, und da werden wir uns zu Lande nicht beschämen lassen!
Niedermacher: Ich habe den Brigadebefehl über die Erledigung der Kriegsgefangenen von Mund zu Mund an die Kompagnie weiter gegeben. Aber immer wieder zögern die Kerls.
Metzler: Das wollen wir doch mal sehn, da gibts ja Gelegenheit. (Er stößt einen anscheinend toten französischen Unteroffizier mit dein Fuß an.) Na also, der öffnet noch die Augen. (Er winkt zwei Soldaten heran. Sie zögern.) Ist euch der Brigadebefehl nicht bekannt? (Die Soldaten schießen.) Da hockt einer – mir scheint gar, der trinkt Kaffee! (Er winkt einen Soldaten heran.) Hör mal Niedermacher, du magst die Angelegenheit indessen erledigen, ich muß bei mir zum Rechten sehn. (Ab. Der Verwundete fällt vor Niedermacher auf die Knie und hält die Hände flehend empor.)
Niedermacher (zu dem Soldaten, der zögert): Gefangene werden nicht gemacht!
Der Soldat: Eben noch habe ich ihn verbunden und gelabt, Herr Hauptmann –!
Niedermacher: Er wird dir dafür die Augen ausstechen und die Kehle durchschneiden. (Der Soldat zögert. In Rage) Sie schießen heimtückisch von hinten und von oben. Schießt sie von den Bäumen wie die Spatzen, hat der General gesagt. Alles muß zusammengeschossen werden, hat der General gesagt. Soll ich es dir befehlen, Kerl? Zwanzig sind heute erlegt worden, und du Kerl hast Bedenken? Bist du ein deutscher Mann? Das wirst du zu verantworten haben! Muß man denn für euch Hosenscheißer immer selbst zugreifen? – Da – sieh her, wie mans macht! (Er erschießt den knieenden Verwundeten.)
(Verwandlung.)
Bei Verdun. Deutsche Gefangene sind aufgestellt. Französische Unteroffiziere erteilen Faustschläge, Reitpeitschenhiebe und Kolbenstöße. Jene werden weiter getrieben. Verwundete sinken ermattet nieder. Einem quillt Blut aus Mund und Nase. Nachdem der Zug vorbei ist, erscheint der General Gloirefaisant. Er winkt und gefangene Offiziere werden vor ihm im Parademarsch vorbeigeführt. Einem schlägt ein französischer Offizier mit der Reitpeitsche auf die Schenkel.
General Gloirefaisant (zu einem Hauptmann): Zu viel Gefangene! Meine Nettoyeurs liegen auf der faulen Haut. Uns fehlt ein Roland Campbell, dieser vorbildliche Lehrer für Bajonettübungen. Er macht das Blut der Jugend gerinnen durch seine Beredsamkeit über die Methoden des Angriffs, um die Leber, die Augen und die Nieren des Feindes zu durchstoßen. Wie sagte er doch? »Ihr könnt einem Deutschen begegnen, der sagt: >Mitleid, ich habe zehn Kinder!< ... Tötet ihn, er könnte noch zehn bekommen.« Verlaß ist nur auf unsere Schwarzen. Ihre Rucksäcke mit abgeschnittenen Ohren und Köpfen, von denen die Lügenberichte der Boches erzählen, sind unwiderlegliche Trophäen. Wir sollten uns von unsern Hilfstruppen nicht beschämen lassen. (Ab.)
Hauptmann de Massacré: Man kann es ihm nicht recht machen.
Oberst Meurtrier: Wie? So wenig Gefangene? Zwanzig? Ich glaubte, daß Sie eine ganze Kompagnie haben!
de Massacré: Ich hatte sie. Aber die übrigen sind da unten im Schützengraben verreckt. Ich habe meinen Leuten den Befehl erteilt, 180 mit dem Bajonett niederzumachen. Die braven Jungen zögerten wohl, aber ich stellte ihnen kurzen Prozeß in Aussicht und da gings mit Halsabschneiden und Bauchaufschlitzen.
Meurtrier (ungehalten): 180? Das ist zu viel! Das wäre selbst dem General zu viel! Ich rate Ihnen, über diese Sache nicht zu sprechen, wenn Sie nicht riskieren wollen, aus der Liste der Ehrenlegion gestrichen zu werden.
de Massacré (selbstbewußt): Ich glaube im Gegenteil, Herr Oberst, daß ich in einigen Tagen das Kreuz der Ehrenlegion tragen werde! Und dann bekomme ich das Regiment von Korsika. Meine Taten eröffnen mir die Bahn und mein Ziel soll der Ausgangspunkt der gloire sein.
(Verwandlung.)
Kriegspressequartier in Rodaun.
Die Schalek (zu einem Kameraden): Die 208 Leichenphotographien legitimieren mich wohl zur Genüge vor der Nachwelt; sie wird nicht zweifeln, daß ich mitten drin war im heroischen Erleben. Damit Sie sich aber ein Beispiel nehmen, damit Sie sehn, was wirkliche Schlachtenschilderung ist; will ich Ihnen nur die Kernsätze aus meinem nächsten Feuilleton vorlesen. Ich gehe davon aus, wie aus 70 Batterien in vier Gruppen geschossen wird, eine beledert die Infanterie, die zweite die Artillerie, die dritte die Reservestellungen und die vierte sperrt die Anmarschwege, verstehn Sie, also hören Sie zu:
Die Hauptfrage ist: Wie und wo und wann kann abgeriegelt werden.
Beinahe wie ein eingelerntes Theaterstück rollt sich das ab. Waldkämpfe sind das Schauerlichste im Schauerlichen. Man hält sich für umzingelt und inzwischen hat anderswo die eingetroffene Verstärkung bereits »ausgeputzt«.
Der Kamerad: Ausgeputzt?
Die Schalek: Hören Sie zu – Der Tote ist tot. Nur der lebend Gebliebene gewinnt den Ruhm.
Der Kamerad: Glänzend!
Die Schalek: In einen sechsspännigen Munitionswagen geht ein Volltreffer.
Der Kamerad: Ssss – !
Die Schalek: Viele von den Leuten fliegen in Stücken in die Wipfel hinauf. Die Feinde werfen Handgranaten und es entspinnt sich ein rasendes Handgemenge; mit Dolchen, Kolben, Messern, Zähnen wird gerauft. Fliegen die Granaten zu weit, so werden die Kappen geschwenkt und den Geschossen Verbeugungen gemacht.
Der Kamerad: Ein Genrebild.
Die Schalek: »Habe die Ehre« rufen sie ihnen nach. Und zwischendurch wird darüber geschimpft, daß die Russen ausgerechnet am Gagetag losgegangen sind.
Der Kamerad: Ausgerechnet.
Die Schalek: »Wollen die unserem Ärar die Löhnungen ersparen? Gerade hätte die Auszahlung beginnen sollen!«
Der Kamerad: Humor im Felde.
Die Schalek: Warum soll er nicht in seine Rechte treten? Hören Sie zu. Der Oberleutnant Radoschewitz ist jetzt ganz ruhig. Seine innere Krisis ist vorbei.
Der Kamerad: Sie nennen ihn?
Die Schalek: Warum nicht, wenn er geleistet hat? Hören Sie zu.
Welche Freude! Eine Kiste deutscher Eier –
Der Kamerad: Das glaub ich!
Die Schalek: Lassen Sie mich ausreden.
Welche Freude! Eine Kiste deutscher Eiergranaten ist dort, das sind kleine Wurfgeschosse, die man wie Steine schleudern kann.
Der Kamerad: Ah, so is das!
Die Schalek: Einer hat einen Armschuß bekommen, einem ist das Trommelfell geplatzt. Der Oberleutnant ist wie taub. Er taumelt. Einer neben ihm hat einen Nervenchok.
Feldwebel Janoszi brüllt eine Rede.
Der Kamerad: Sie nennen ihn?
Die Schalek: Warum nicht, das stille Heldentum des einfachen Mannes –? Hören Sie zu.
Singend gehen sie los. »Stochere ihn aus dem Graben –« so beginnt das muntere Lied, das so wehmütig endet.
Der Kamerad: Fesch!
Die Schalek: Die Leute stürzen sich nun über die dritte Linie her und jetzt gehen die Sturmtruppen nach beiden Seiten vor und sie wird ausgeputzt.
Die Methoden wechseln beständig, und die neueste unter den neuen ist die der »Sturmtruppen« und der »Grabenputzerei«. (Mit leuchtenden Augen.) Wer je eine Sturmtruppe nachts beim Ausmarsch gesehen hat, wird nie wieder ein Erlebnis romantisch, abenteuerlich, verwegen finden. Und wer je zu ihnen gehört hat, möchte um keinen Preis der Welt wieder fort.
Der Kamerad: Das kann ich Ihnen nachfühlen!
Die Schalek: Lauter ganz junge, unverheiratete Leute unter vierundzwanzig müssen sie sein. Schlank, beweglich, kühn und zu tollen Streichen geneigt.
Der Kamerad: Ja die Jugend –!
Die Schalek: Genau nach dem Muster der wirklichen Front wird hinten ein Übungsplatz angelegt und das Ausputzen im wirklichen Feuer gelernt.
Ist eine besondere Aufgabe im Feindesgebiet zu leisten, so wird sie mit allen Einzelheiten wie ein Theaterstück geprobt. Das Leichteste ist natürlich das gewöhnliche Putzen.
Der Kamerad: Natürlich.
Die Schalek: Zwei Handgranatenwerfer gehen voran.
Ist die Handgranate geworfen, so rennt die Gruppe um die Traverse herum. Die Infanterie, die folgt, besetzt dann die geputzten, das heißt, die eroberten Gräben.
Die Sturmtruppen auf der Lysonia unter Führung des Oberleutnants Tanka, des Leutnants Kovacs und des Fähnrichs Sipos arbeiten wie in der Schule. Sie glühen vor Eifer und Wichtigkeitsgefühl.
Die Exaktheit ihrer Bewegungen, das Ineinandergreifen ihrer Wirkungen ist erstaunlich, erschütternd, gewaltig.
Bis zehn Uhr abends wird geputzt.
Der Kamerad: No aber es muß doch schon endlich rein sein?!
Die Schalek: Was fällt Ihnen ein, noch lang nicht!
Da sind es insbesondere der Leutnant Pinter und die Gefreiten Juhasz und Baranyi, die ihre Sache so ganz besonders bedächtig und vorschriftsmäßig durchführen.
Die erste Linie aber wird noch drei Tage lang geputzt. Dort findet man am dritten Tage einen Verwundeten, dessen Heil es bedeutet, daß die »Putzerei« so lange gedauert hat. Er bekam einen Bauchschuß und ist nur durch das fürchterliche dreitägige Liegen und Fasten gerettet.
Der Kamerad: Da sieht man erst wie gesund das Putzen is.
Die Schalek: Selbstredend.
Nun da die Sturmtruppen mit Handgranaten ihre Fuchslöcher ausräuchern, schreien sie um Gnade.
Der Kamerad: Sagen Sie bittsie, das haben Sie alles mit eigenen Augen –
Die Schalek: Da könnte ich Ihnen noch ganz andere Dinge erzählen! Unterbrechen Sie mich nicht immer.
Während der drei Tage, in denen vorne geputzt wird, säubert der Kommandant Oberst Söld von Dreihundertundacht mit seinen übriggebliebenen Truppen den Wald.
Der Kamerad: Wo waren die andern?
Die Schalek: So viel Leichen hat er noch nie gesehen. Tag und Nacht arbeitet man, alle zu verscharren.
Ein paar Gänse retten sich aus dem zertrümmerten Käfig und spazieren nun wohlgemut im Trommelfeuer umher.
Also was sagen Sie?
Der Kamerad: Ich bin begeistert. Wenn nicht das mit dem Putzen wär – kein Mensch möcht merken, daß es eine Frau geschrieben hat!
Die Schalek: Wie meinen Sie das?
Der Kamerad: Ich meine, wie Sie das Ausputzen schildern – daß Sie so viel Wert auf Reinlichkeit im Schützengraben –
Die Schalek: Wie?
Der Kamerad: No – die Putzerei – wie Sie sich das loben!
Die Schalek (ihm einen verächtlichen Blick zuwerfend): Sie blutiger Laie! Putzen heißt Massakrieren!
Der Kamerad (zurücktaumeind und sie anstarrend): Wissen Sie –!
Die Schalek: Das haben Sie nicht gewußt? Die Herrn Kollegen!
Der Kamerad: Aber –
Die Schalek: Fassen Sie sich, à la guerre comme à la guerre.
Der Kamerad: Da muß ich schon sagen – unsereins –
Die Schalek: Nun?
Der Kamerad: Koschamadiener! (Nach einer Pause, in der er sie stumm betrachtet, ekstatisch.) So etwas ist nur in Rußland möglich! Oder in Frankreich, bei der Jungfrau von Orleans! Wie sagt doch Salten, wenn dann den Männern jegliches Hoffen entsinken wollte, stand solch ein Mädchen auf, geweckt und begeistert, von der Gewalt des Unglücks aus seiner eingebornen Natur gerissen, und trat hervor, um die Männer anzufeuern. An diese einzelnen Gestalten geben wir unser Bewundern hin; sie sind vom Strahl des Ruhmes umleuchtet, sind vom Reiz großer Tapferkeit und poetischer Abenteuer umwittert, und gerade weil sie als seltene Ausnahmen gelten dürfen, fühlen wir uns so sehr bereit, sie durchaus zu idealisieren, daß der nüchterne Verstand gar nicht dazu gelangt, sich all der vielen furchtbaren, häßlichen und rohen Dinge zu besinnen, die sie doch zweifellos selbst getan oder mitangesehen haben müssen.
Die Schalek: Es muß sein!
Der Kamerad: Nein, das war nicht im Feuilleton »Es muß sein«, sondern im Feuilleton über das russische Todesbataillon. Da werden Weiber zu Hyänen.
Die Schalek: Wie meinen Sie das –?
Der Kamerad: Unterbrechen Sie mich nicht. An solchen Ausartungen der weiblichen Natur können wir nicht schweigend vorübergehen, weil sie manches erklären, was zu den Erlebnissen des Krieges gehört. Diese abstoßende Unweiblichkeit, diese auf der Gasse zur Schau getragene Gemütlosigkeit sind Merkmale ernster Verwilderung –
Die Schalek: Sie, erlauben Sie mir – Sie haben doch gerade – das ist sehr unkollegial von Ihnen – woraus ist das?
Der Kamerad: Aus dem Leitartikel, von Ihm selbst, lassen Sie mich ausreden – Wie das immer zu sein pflegt, daß die Frau, wenn sie aus der Eigenart des Geschlechtes heraustritt, ihre Zartheit abstreift und sich zum Mannweib verunstaltet, zu einer seltsamen Grausamkeit neigt, hat sich diese Erfahrung auch in England wiederholt.
Die Schalek: Ah so!
Der Kamerad: Da werden Weiber zu Hyänen! Die Spinster –
Die Schalek: Sie, wer gibt Ihnen eine Spinster ab? Ich beschwer mich beim Eisner von Bubna!
Der Kamerad: Hören Sie zu – die Spinster darf nicht mit ihrer festländischen Schwester verglichen werden. Diese ist gewöhnlich ein liebes, gutmütiges und bescheidenes Wesen.
Die Schalek (geschmeichelt): No so einen Leitartikel schreibt ihm heut doch keiner nach!
Der Kamerad: Dem Himmel sei Dank, daß eine österreichische Frau im Kriege dort ihren Platz gewählt hat, wo Kranke zu pflegen, Müde zu erfrischen und Bedrückte zu trösten sind.
Die Schalek: Was heißt das? Das steht so? Wissen Sie – er läßt sich manchmal doch von seinem Temperament fortreißen. Man darf nicht generalisieren. Alles zu seiner Zeit. Man kann nicht immer im Hinterland hocken. Bekanntlich hab ich das Schwarzgelbe Kreuz angeregt zusammen mit der Anka Bienerth!
Der Kamerad: Das weiß man, regen Sie sich nicht auf –
Die Schalek (mit Tränen kämpfend, entschlossen): Grad schick ich ihm das Feuilleton!
Der Kamerad: Nu na nicht. Aber den Schlußsatz rat ich Ihnen streichen Sie.
Die Schalek: Den Schlußsatz? (Sie blickt in das Manuskript.) Ein paar Gänse retten sich aus dem zertrümmerten Käfig und spazieren nun wohlgemut im Trommelfeuer herum – Das soll ich streichen?
Der Kamerad: Ja.
Die Schalek: Warum?
Der Kamerad: So.
Die Schalek: Also sagen Sie –
Der Kamerad (zögernd): Ja wissen Sie denn nicht –
Die Schalek: Was denn?
Der Kamerad: – daß das Kriegspressequartier beschlossen hat –
Die Schalek: Ja was denn?
Der Kamerad: – von jetzt an außer Ihnen noch ein paar Kriegsberichterstatterinnen zuzulassen!
Die Schalek (betroffen, dann bitter lachend): Dank vom Haus Österreich! (Sie will gehen, vermag es aber nicht.)
(Verwandlung.)
Der Abonnent und der Patriot im Gespräch.
Der Abonnent: Was sagen Sie zu den Gerüchten?
Der Patriot: Ich bin besorgt.
Der Abonnent: In Wien sind Gerüchte verbreitet, daß in Österreich Gerüchte verbreitet sind. Sie gehen sogar von Mund zu Mund, aber niemand kann einem sagen –
Der Patriot: Man weiß nichts Bestimmtes, es sind nur Gerüchte, aber es muß etwas dran sein, wenn sogar die Regierung verlautbart hat, daß Gerüchte verbreitet sind.
Der Abonnent: Die Regierung warnt ausdrücklich, die Gerüchte zu glauben oder zu verbreiten, und fordert jeden auf, sich an der Unterdrückung der Gerüchte tunlichst auf das energischeste zu beteiligen. No ich tu was ich kann, wo ich hinkomm sag ich, wer gibt auf Gerüchte?
Der Patriot: No die ungarische Regierung sagt auch, daß in Budapest Gerüchte verbreitet sind, daß nämlich in Ungarn Gerüchte verbreitet sind, und warnt auch.
Der Abonnent: Mit einem Wort, es hat stark den Anschein, daß die Gerüchte in der ganzen Monarchie verbreitet sind.
Der Patriot: Ich glaub auch. Wissen Sie, wenn mans nur gerüchtweise gehört hätte, aber die österreichische Regierung sagt es doch ausdrücklich und die ungarische auch.
Der Abonnent: Es muß etwas dran sein. Aber wer gibt auf Gerüchte?
Der Patriot: Selbstredend. Wenn ich wen von Bekannte treff, frag ich zuerst, ob er schon von den Gerüchten gehört hat, und wenn er sagt nein, sag ich ihm, er soll sie nicht glauben, sondern ihnen erforderlichenfalls sofort tunlichst auf das energischeste entgegentreten. Das ist das mindeste, was man verlangen kann die erste Pflicht der Loyalität!
Der Abonnent: Es muß etwas dran sein, denn sonst wären doch nicht die drei Abgeordneten, wissen Sie, die immer zusamm ausgehn, beim Ministerpräsidenten Seidler erschienen und hätten ihn auf die im Umlauf befindlichen Gerüchte aufmerksam gemacht.
Der Patriot: No sehn Sie? Aber der Ministerpräsident hat gesagt, daß ihm die in Frage stehenden und im Umlauf befindlichen Gerüchte wohl bekannt seien.
Der Abonnent: No sehn Sie? Wissen Sie, was ich glaub? Ich sag Ihnen im Vertraun – die Gerüchte betreffen das angestammte – (er nimmt sich das Blatt vor den Mund.)
Der Patriot: Was Sie nicht sagen! Ich weiß sogar mehr. Die Verbreiter der Gerüchte wollen den Glauben der Bevölkerung an dasselbe vergiften!
Der Abonnent: Was Sie sagen! Und es heißt sogar, daß die Gerüchte zur Ursprungszeit jedesmal an ganz verschiedenen Stellen gleichzeitig zu vernehmen seien, weshalb –
Der Patriot: – die Annahme gerechtfertigt ist, daß man es mit einer Organisation der Gerüchte zu tun habe.
Der Abonnent: Sagt man! Aber das sind doch schließlich nur Gerüchte, wer kann das so genau festgestellt haben – bittsie gleichzeitig an verschiedene Stellen!
Der Patriot: Sagen Sie das nicht. Die Regierung kann das. Wissen Sie was man sagt? Man sagt, die Verbreitung der Gerüchte sei ein neues Zeichen der aus den Reihen unserer Feinde kommenden Versuche, bei uns Verwirrung zu stiften. Aber da strengen sie sich vergebens an!
Der Abonnent: Hab ich auch gehört. Man sagt sogar, die Gerüchte gehören in das Arsenal unserer Gegner, die kein Mittel scheuen, um das Gefüge der Monarchie zu erschüttern sowie die Bande der Liebe und Verehrung zu lockern, nämlich zum angestammten – (er nimmt sich das Blatt vor den Mund.)
Der Patriot: Was Sie nicht sagen! No – da wern sie auf Granit beißen!
Der Abonnent: Wissen Sie was?
Der Patriot: No –?
Der Abonnent: Wissen möcht ich, was an den Gerüchten dran is!
Der Patriot: Das kann ich Ihnen sagen: gar nix is dran und der beste Beweis is, daß man nicht einmal weiß, was es für Gerüchte sind. Wissen Sie was?
Der Abonnent: No –?
Der Patriot: Wissen möcht ich, was es für Gerüchte sind!
Der Abonnent: No was wern es schon für Gerüchte sein! Schöne Gerüchte das, von Mund zu Mund gehn sie, aber kein Mensch kann einem sagen –
Der Patriot: Man is rein auf Gerüchte angewiesen!
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Optimist: Was sagen Sie zu den Gerüchten?
Der Nörgler: Ich kenne sie nicht, aber ich glaube sie.
Der Optimist: Ich bitt sie, die Lügen der Entente –
Der Nörgler: – sind bei weitem nicht so bedenklich wie unsere Wahrheiten.
Der Optimist: Das einzige, was allenfalls den Gerüchten Nahrung geben könnte, wäre –
Der Nörgler: – daß wir keine haben.
(Verwandlung.)
Michaelerplatz. Die Burgmusik zieht vorbei. Hinter ihr die Pülcher. Trommelwirbel.
Chor der Pülcher:
Kabrrottkamöll – karauchtabak –
Kabrrottkamöll – karauchtabak –
Stier – stier – stier.
O – du mein – Österreich – Österreich –
(Die Musik entfernt sich.)
(Verwandlung.)
Militärkommando.
Ein Hauptmann (diktiert ablesend): Reservat! – Kriegsgefangene, die von ihrer Arbeitsstelle nichtiger Ursachen wegen entflohen sind und wieder eingebracht wurden, sind mit dem mindestens einmaligen zweistündigen Anbinden zu bestrafen – (Es klingelt.) Was is denn? – Ah so – ja natürlich – 2o Kilo Nullermehl – na ja, wer' schaun – grüß dich! – Also wo sind wir?
Die Schreibkraft: – mindestens einmaligen zweistündigen Anbinden zu bestrafen –
Der Hauptmann: – und nach der Verbüßung der Strafe – wenn dies bei Berücksichtigung der speziellen Fälle opportun erscheint – grundsätzlich und ehestens auf ihre frühere Arbeitsstelle zurückzusenden. Die Kommandos der Kriegsgefangenenlager haben zu trachten, durch Anwendung aller zulässigen Strafmittel, sodann durch Heranziehung zu den beschwerlichsten Arbeiten im Kriegsgefangenenlager den geflüchteten, wieder eingebrachten und dem Kriegsgefangenenlager zugeschobenen Kriegsgefangenen den Aufenthalt nach Möglichkeit zu verleiden. – (Es klingelt.) Was is denn scho wieder? – Ah so – ja natürlich – C-Befund – fünf Kilo Filz – sag ihm, wer' schaun was sich machen laßt – Schreib alles auf – Ja du, Momenterl, vergiß nicht, erinner den Doktor von der Zeitung wegen die Karten zu »Husarenblut«, telephonier ihm, hörst – Ich komm also bißl später, servus Alte! – Also wo sind wir?
Die Schreibkraft: – den Aufenthalt –
Der Hauptmann: – nach Tunlichkeit –
Die Schreibkraft: nein, nach Möglichkeit zu verleiden.
Der Hauptmann: Bemerkt wird, daß Freiheitsstrafen im allgemeinen wenig geeignet erscheinen, um die Fluchtfälle zu verringern, es sei denn, daß sie an Tagen, die vorschriftsmäßig der Ruhe gewidmet sind oder die als große Feiertage gelten, bei Anwendung der erlaubten Verschärfungen in Vollzug gesetzt werden. – So – vier is gleich! Servus die Herrn, gute Nächte!
(Verwandlung.)
Kriegsministerium.
Ein Hauptmann (diktiert ablesend): Reservat! – Mit Rücksicht darauf~ daß im Laufe der nächsten Monate fast eine Million russischer Kriegsgefangener die österreichisch-ungarische Monarchie verlassen und in ihre Heimat zurückkehren werden, ist es von wesentlicher Bedeutung, mit welchen Gefühlen diese Kgf. an die in unserem Vaterlande verbrachte Zeit zurückdenken. Es erscheint daher eine im richtigen Augenblick einsetzende Einwirkung unsererseits im höchsten Maße wünschenswert, um von den zahllosen, in der Gefangenschaft gewonnenen Eindrücken und Erfahrungen die ungünstigen abzuschwächen, die erfreulichen und angenehmen jedoch zu beleben und zu befestigen. Die in ihre Heimat zurückkehrenden Russen werden dann nicht mit stumpfer Gleichgiltigkeit oder gar feindseligem Hasse an uns zurückdenken, sondern wissentlich aus voller Überzeugung als Sendboten öst.-ung. Kultur in ihrem eigenen Vaterlande tätig sein. Die Wege, eine solche günstige Einwirkung zu erzielen, liegen in der Entfaltung einer der russischen Volksseele angepaßten, großzügigen, von ehrlicher Absicht getragenen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Propaganda. Es wird beabsichtigt, kurz vor Abschub –
Die Schreibkraft: Wie bitte?
Der Hauptmann: Abschub der russischen Kgf. durch abzuhaltende Propagandavorträge über politische, soziale und wirtschaftliche Gebiete einen Österreich freundlichen Geist unter den russischen Kgf. wachzurufen. Abgesehen von allen für unser Wirtschaftsleben etwa bedeutsamen Folgen kann durch eine solche Umstimmung der russischen Volksseele ein mächtiger Abbau der von unseren Feinden über die ganze Welt verbreiteten Lügenpropaganda herbeigeführt werden. Um einen nachhaltigen Eindruck auf die russischen Kgf, zu erzielen, darf sich die Propaganda bei den russischen Kgf. naturgemäß nicht bloß auf die Abhaltung von Vorträgen beschränken, es ist vielmehr bis zur Zeit des endgiltigen Abtransportes notwendig, auf die russischen Kgf. anderweitig in jeder Hinsicht nach Tunlichkeit günstig einzuwirken. – Machen S' ein' Absatz.
Der ganzen Sachlage nach liegt es auf der Hand, daß jedoch eine solche Propaganda, wenn sie bloß durch Organe der Heeresverwaltung erfolgen würde, zweifellos viel von ihrem ursprünglichen Wert einbüßen müßte – no jo, is eh wahr – und erscheint es in Ansehung des Zweckes vorteilhaft, durch tunlichste Heranziehung für diese Aufgabe geeigneter und auch ideal und praktisch interessierter Personen diese Beeinflussung auf ein den militärischen Formen möglichst entrücktes Niveau zu heben. – No,das is bißl stark! – Dieser wesentliche Umstand bedingt hinwieder, daß aus militärisch-disziplinären Gründen eine solche Propaganda erst knapp vor Abfahrt der kriegsgefangenen Russen einsetzen darf – selbstverständlich! – wobei auch zu hoffen ist, daß dieselben mit dem frischen unvermittelten Eindruck, den sie hiebei empfangen, in ihre Heimat zurückgelangen. – Absatz! Politisch: Mit einer aus tiefster Wahrhaftigkeit entspringenden Überzeugung kann gerade in Österreich-Ungarn den heimkehrenden Russen die offenherzige Versicherung mitgegeben werden, wie wenig unser Vaterland den Krieg gewollt, wie sehr es den Frieden gewünscht – also das is gut, daß er das betont, mir san ja eh die reinen Lamperln –
Die Schreibkraft: Wie bitte? Mir san –
Der Hauptmann: Aber nein, das schreiben S' nicht! – also den Frieden gewünscht, wie nachdrücklich man die mit dem Lose der Gefangenschaft für die Kgf. unzweifelhaft verbundenen Härten aufrichtig bedauert und wie alle etwa seitens der Kgf. erlittenen Unbilden – no no! – keineswegs in einer Abneigung, Geringschätzung oder gar einem Haß gegen das russische Volk ihren Ursprung gehabt hätten, sondern einzig und allein in den durch die lange Kriegsdauer sich häufenden Schwierigkeiten begründet seien. – Absatz!
Sozial: Ohne auch nur mit einem Wort die derzeitigen russischen sozialen Verhältnisse zu berühren, können die heimkehrenden Russen über die Vorteile und Eigentümlichkeiten unserer gesellschaftlichen und sozialen Struktur zweckentsprechend aufgeklärt werden, wobei insbesondere darauf das Augenmerk zu lenken wäre, wie bei dieser gesellschaftlichen Ordnung Wohlstand und Fortschritt stetig steigen und die Allgemeinheit sowohl wie der einzelne daraus bleibenden Vorteil zieht. – Noja, is eh wahr – Absatz!
Jetzt kommen wir zum puncto puncti. Wirtschaftlich: Indem man an der Hand der Tatsachen den Beweis führt, daß die großen Schwierigkeiten, die der lange Kriegs- und Unruhezustand allseits geschaffen, nur durch die höchste Entfaltung aller verfügbaren Arbeitskräfte und eine damit parallel gehende schleunige Aufnahme eines großzügig organisierten, die Staaten übergreifenden Güteraustausches überwunden werden können, wird den heimkehrenden Russen die unbedingte Notwendigkeit einer raschen und rückhaltlosen Anknüpfung von Handelsbeziehungen mit der Monarchie vollends verständlich werden. Es wird ein Leichtes sein, den Leuten von diesem Gesichtspunkte aus in überzeugender Weise vor Augen zu führen, wie sehr der Bauer, der seine Vorräte verbirgt und dadurch der Auswertung durch den freien Handel entzieht, sich selbst schädigt, indem er gerade infolge dieses Umstandes nicht oder sehr verspätet in den Besitz der von ihm begehrten Gebrauchsartikel kommen wird, da eben unsere eigene Bevölkerung, welche mit der Herstellung solcher Waren beschäftigt ist, infolge des Mangels einer zureichenden Nahrung nicht in der Lage ist, jene höchsten wirtschaftlichen Energien zu entwickeln, wie sie im Frieden bei guter Ernährung für einen großzügigen Export erforderlich sind. – No das muß ihnen doch einleuchten. – Absatz!
Bei den landwirtschaftlichen Partien, insbesondere bei den Kgf, in Bauerngemeinden, ist eine Propaganda zumindest nicht nötig, es wäre denn eine Orientierung und Beeinflussung der auf dem Lande lebenden kgf. Russen, daß die Ernährungsverhältnisse der in Städten wohnenden Bevölkerung viel zu wünschen übrig lassen und Abhilfe durch Einfuhr von außen sehr geboten sei. No das müssen s' einsehn. – Absatz!
Anders steht es jedoch mit den russischen Kgf. in Fabriken, bei Bauten aller Art und bei ärarischen Arbeitsstellen. Es wäre hier sehr zweckdienlich, wenn die Arbeitgeber in solchen Fällen die patriotische Pflicht übernehmen würden, den russischen Kgf, die letzten Tage ihrer Arbeit bei uns tunlichst zu erleichtern. Absatz!
Alle militärischen Leiter der Firmen unter KLG und der Mil. Bergbaue und Kommandanten werden daher angewiesen, unverzüglich alle Arbeitsstellen, wo russische Kgf. beschäftigt sind, zu bereisen, beziehungsweise aufzusuchen und in ähnlichem Sinne auf die Kgf. einzuwirken, wie es im Nachfolgenden (unter hst. Vdg. Präs. Nr. 14169/18) bereits von den Lagerkommandanten verlangt wurde. – Absatz!
Der Lagerkommandant muß abwechselnd die Wohngruppen, Offz.-Abteilungen oder Lagerspitäler besuchen und mit den russischen Kgf. in persönlichen Verkehr treten. (Mit warmer Stimme.) Bald fragt er sie nach ihrem Befinden, bald nach ihren Eltern, nach der Verpflegung, Post, Bekleidung. Bei Klagen muß er bis ins Detail die Untersuchung an Ort und Stelle pflegen, öffentlich, vor allen Kriegsgefangenen. Er muß sie hiebei überzeugen, daß er keine persönliche Mühe scheut, um auf die Wahrheit und durch diese zur Gerechtigkeit zu gelangen. Klagen über Verpflegung und Bekleidung benützt er, um den Russen zu beweisen,daß nicht wir, sondern unsere Feinde im Westen schuld daran sind und daß wir mit Freuden speziell den russischen Kgf. mehr geben würden, wenn wir es hätten. Sie, die Russen sind ja jetzt nicht mehr unsere Feinde. (Er wird wärmer.) Wir haben sie überhaupt niemals für unsere Feinde gehalten, das beweisen die vielen früheren Kriege, wo Russen und Österreich-Ungarn tapfer zusammengekämpft haben. Der Lagerkommandant muß hie und da in die Küche, wenn das Fleisch oder Fische bereits zur Verteilung gelangen. Einen, zwei oder vier Kgf. fängt er in dem Momente ab –
Die Schreibkraft: Wie bitte?
Der Hauptmann: – fängt er in dem Momente ab, als sie mit der ausgegebenen Menage von der Verteilungsstelle zu ihren Pritschen gehen. (Mit Eifer) Niederstellen, Waage herbei, Fleisch oder Fisch abwägen. Je mehr er Zuseher hat, desto besser. Sodann Fleischbüchel herbei, wie viel wurde im ganzen heute eingekauft? 25 Prozent an Knochen, 20 Prozent an Kochschwund ab, Rest dividieren durch Anzahl der Menageportionen und (drohend) wenn nur ein Deka an der Portion fehlt – so sind z. B. bei 200 Menageportionen 2 kg Fleisch oder Fisch gestohlen worden. (Streng) Wer hat das getan? Menagekommission, Köche, Inspektionschargen herbei! Strenges Gericht vor allen Kgf. der ganzen Wohngruppe. Schluß: Absetzung der Köche, der Menagekommission und aller in der Küche Beschäftigten, falls der Schuldtragende nicht gefunden wird. – Absetzen – ah Absatz!
Findet der Lagerkommandant Tabak, Zigaretten, gekauftes Brot, Wurst etc. bei den Russen, so erkundigt er sich um den Preis, welchen der betreffende Kgf. hiefür gezahlt hat. Bald wird sich herausstellen, daß unter den Kgf. es viele Schleichhändler gibt. Diese Winkelkaufleute sind nicht immer Juden. Sie haben außerhalb des Lagers Quellen, wo sie bei passender Gelegenheit einkaufen und die gekauften Artikel im Lager an ihre Kameraden, die Kgf. um drei- bis vierfachen Preis verkaufen. Wenn es dem Lagerkommandanten gelingt, einen solchen Winkelhändler zu ertappen – (in Rage) ausziehen, Leibes- und Koffervisite. Oft wird er 500 Kronen und mehr bei ihm finden. Wegnehmen und jenen Betrag davon, über dessen gerechte Herkunft er sich nicht ausweisen kann, an die übrigen Kgf. verteilen. – Absatz!
Derzeit werden dem Lagerkommandanten die kgf. Russen stundenlang zuhören, wenn er ihnen etwas über den Austausch erzählen kann. Wann kommen wir daran, wie lange noch? Wenn er in der Lage ist, ihnen lapidar nachzuweisen, daß nicht wir daran schuld sind, daß der Austausch so schleppend vor sich geht, so wird auch die Arbeitsfreudigkeit der Kgf. sich wieder einstellen, nur darf er dabei Rußland nicht herabsetzen. Das wäre ein grober Fehler. – Absatz!
(Mit Gefühl) Immer weiter werden die russischen Herzen, wenn er, der Oberst, ihnen hie und da die neuesten Nachrichten aus Rußland mitteilt, die er soeben im Morgenblatt gelesen hat. (Stellt sich in Positur.) Stramm und gehorsam werden sie ihn salutierend begrüßen, keine Furcht vor Disziplinlosigkeit, wenn er mit ihnen spricht. Wie überall, muß er auch hier ein gutes Beispiel geben und selbst so stramm, als es sein Alter und Gebrechen erlaubt, salutieren. (Er salutiert.) Ein Besuch des Lagerkommandanten im Lagerspitale –
Ein Fähnrich (tritt ein): Herr Hauptmann melde gehorsamst, der Herr Oberst verlangt den Bericht über die russischen Kriegsgefangenen.
Der Hauptmann: Den Erlaß wegen der Propaganda? Da bin ich grad dabei.
Der Fähnrich: Nicht wegen der Propaganda, sondern über die Verhungerten.
Der Hauptmann: Die Verhungerten? Wo sans denn scho wieder verhungert? Ham mr denn den Akt?
Der Fähnrich: Es handelt sich um den Fall, wo ein Russe, der mit zwei andern zusammen auf einer Pritschen geschlafen hat, an Hunger gestorben ist. Er war schon verwest, wie der Inspektor in den Raum kommt, und die zwei andern waren so entkräftet, daß sie nicht mehr haben aufstehen können und auch nicht rufen.
Der Hauptmann: Momenterl – also sag dem Herrn Oberst, ich wer' gleich im Einlauf nachschaun, ich bin grad mit der Propaganda beschäftigt, weißt damit sich die ungünstigen Eindrücke bei den Kgf. abschwächen, daß mr wieder Handelsbeziehungen anknüpfen können und daß s' uns nacher Lebensmittel schicken, die Russen, wann s' z' haus kommen und so.
(Verwandlung.)
Statthalterei in Brünn.
Der Landeshauptmann: Ich hab eine Idee! (zur Schreibkraft) Schreib'n S': Zu den wichtigsten Lehren, die wir dem mörderischen Weltkriege und seinen opfervollen Anforderungen an die gesamte Bevölkerung entnehmen können und müssen, gehört unzweifelhaft auch jene von der Wichtigkeit, unsere Jugend schon in der Schule im patriotischen Geiste zu erziehen, ihr Kenntnis und Liebe ihres engeren und weiteren Vaterlandes einzuimpfen und schon in die Kindesseele alle jene Keime zu pflanzen, aus denen sich jene herrlichen Manneseigenschaften entwickeln, welche den jungen Mann befähigen sollen, als glühender Patriot, beseelt von Liebe und Pflichttreue gegenüber dem angestammten Herrscherhause und dem Vaterlande, seine staatsbürgerlichen Pflichten gerne und gewissenhaft zu erfüllen und gegebenenfalls auch Leben und Gesundheit für diese Ideale zu opfern.
Wenig wurde leider diesbezüglich in Österreich vorgearbeitet und Pflicht aller leitenden Persönlichkeiten des Reiches scheint es mir zu sein, dieses Versäumnis einzuholen und für die weitere Fortentwicklung der ja gottlob im Keime allenthalben vorhandenen patriotischen und dynastischen Gefühle in der kommenden Generation Sorge zu tragen.
Ein populär geschriebenes, dem Geiste unserer Schuljugend angepaßtes Monatsschriftchen, betitelt »Mladé Rakousko«, soll an unseren Volks- und Bürgerschulen sowie an den Fortbildungsschulen verbreitet werden und halte ich es für eine heilige Pflicht unserer Gesinnungs- und Standesgenossen, für eine erhabene Aufgabe des Großgrundbesitzes, die Verbreitung dieses Blattes an den Schulen seines wirtschaftlichen Wirkungskreises dadurch zu fördern, daß er für jede dieser Schulen eine Anzahl Exemplare abonniert, um so die unentgeltliche Verteilung des Blattes an vermögenslose Schüler zu ermöglichen, wobei ja noch außer der Einwirkung auf die Schüler selbst, auch der Einfluß auf die älteren Familienmitglieder mit Recht zu erwarten steht.
Die Zeitschrift, deren jährlicher Abonnementbetrag K 2.40 macht, kann in Brünn, Kaiser Franz Josef-Platz Nr. 18, bestellt werden.
Möge dieser Appell – –
(Verwandlung.)
In einer Volksschule. Einige Bänke sind leer. Die überlebenden Kinder sind unterernährt. Alle in Papieranzügen.
Der Lehrer Zehetbauer: – Hütet euch vor den Gerüchten, die in Umlauf sind, und tretet denselben tunlichst entgegen. Es ist der tückische Plan der Feinde, Verwirrung in eure Reihen zu bringen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Verschließet euer Ohr den Ausstreuungen, als ob wir nicht bis zum gedeihlichen Ende durchhalten könnten und daß bei uns Hungersnot herrsche. Wer ist denn schuld an derselben als die Feinde? Und jetzt entfalten sie gar noch eine brunnenvergiftende Tätigkeit, indem sie – (Ein Knabe zeigt auf.) Was willst du, Gasselseder?
Der Knabe Gasselseder: Bitt Herr Lehrer, derf man da auch nichts trinken?
Der Lehrer: Setz dich, du bist töricht, ich meine ja das nicht bildlich, sondern wörtlich. Der Feind will, da er uns im Felde nicht besiegen kann, unsere Kraft im Hinterlande zermürben. Darum seid auf der Hut vor den Gerüchten! Beteiliget euch auf das energischeste an deren Unterdrückung. Sie gehören in das Arsenal unserer Feinde – (Ein Knabe zeigt auf.) Was willst du, Anderle?
Der Knabe Anderle: Bitt Herr Lehrer, haben denn unsere Feinde auch ein Arsenal?
Der Lehrer: Wohl haben sie ein solches, jedoch es sind nur Gerüchte darin, und sie scheuen ebendaselbst kein Mittel, um das Gefüge der Monarchie zu untergraben, ja sogar die Bande der Liebe sowie der Verehrung zum angestammten Herrscherhause zu lockern. Kotzlik, du störst, wiederhole das Gesagte.
Der Knabe Kotzlik: Die Feinde – die Feinde haben – das Arsenal untergraben – und – und wir scheuen nicht die Liebe – zur angestammten Bande –
Der Lehrer: Du bist ein Element! Du bleibst hier und wirst den Satz, den ich dir diktieren werde, zehnmal abschreiben. Setz dich, Tunichtgut! Ihr andern aber, bleibet standhaft. Nehmet euch diesbezüglich ein Beispiel an dem Wehrmann in Eisen. Wie für die Ewigkeit gebaut steht er da, solange Habsburgs Doppelaar über unsern Häupten kreisen wird, ein Wahrzeichen für und für. Überzeuget euch, gehet hin und benagelt dasselbe tunlichst, wofern noch Platz für einen Nagel ist, mit Erlaubnis eurer Herren Eltern oder Vormünder. Auf dem Wege dahin verschließet euer Ohr den Einflüsterungen, denn sie verbreiten sogar, daß die Tage des Wehrmannes gezählt seien und daß an seine Stelle ein Würstelmann treten werde. So weit halten wir Gottseidank noch nicht und gerne tragen wir die Entbehrungen, die uns das Vaterland auferlegt, solange der Kampf noch nicht entschieden ist für und für, sondern hin und her wogt. Und doch! Wenn wir – (Ein Knabe zeigt auf.) Was willst du, Zitterer?
Der Knabe Zitterer: Bitt Herr Lehrer, den Frieden!
Der Lehrer: Setz dich,du Element! Dir prophezeie ich, daß du noch am Galgen endest, wenn du dereinst ins Leben hinaustreten wirst. Schäme dich! Und was ist denn das dort in der dritten Bank? Ei Merores, du schwätzest ja!
Der Knabe Memores: Der Papa hat gesagt, er versteht nicht das Geriß um den Frieden, er kann es erwarten, konträr, ich glaub es wär ihm eher unangenehm, er hat hübsch verdient, no und wenn der Frieden kommt, hört sich das doch auf.
Der Lehrer: Merores, es ist schön, daß dein Vater so wacker durchhält und mit gutem Beispiel vorangeht, aber du sprichst, ohne daß du gefragt wurdest, und das ist ein Zeichen, daß dank den Wühlereien der Feinde die Disziplin schon sehr gelockert ist. Ich will nicht geradezu annehmen, daß ihr im Dienste der feindlichen Propaganda stehet, die überall ihre Fühlhörner im Spiele hat, aber ich muß sagen, daß mir ein derartiges Verhalten, jetzt wo wir unmittelbar vor der Entscheidung stehen, doch sehr bedenklich ist. Ich kann euch immer wieder nur einprägen: Bleibet standhaft immerdar! Was sollte geschehen, wenn auch ihr ins Wanken geratet? Die Feinde würden ins Land kommen, und dann wehe euch, wehe euren Schwestern und Bräuten, wehe euren Herren Eltern oder Vormündern! (Ein Knabe zeigt auf.) Was willst du, Sukfüll?
Der Knabe Sukfüll: Bitt Herr Lehrer, die Fremden! Der Vatter hat gsagt, er will nicht mehr durchhalten, er haltet es nicht mehr aus, es wär schon höchste Zeit, daß einmal die Fremden kommen!
Die Klasse: Ja, pfleget den Fremdenverkehr!
Der Lehrer: Nicht doch! Das war anders gemeint! Der Fremdenverkehr ist ein gar zartes Pflänzlein, das wohl behütet sein will. Verlangt es euch nach den Katzelmachern?
Die Klasse: Ja! Wir möchten was zu essen haben!
Der Lehrer: Pfui! Ihr seid Elemente! Schämet euch! Was soll sich der verewigte erhabene Monarch, dessen Bild weiland auf euch herniederschaut, von euch denken? Das hätte er sich schier nicht gedacht, daß eine derartige Verlotterung die Folge sein wird, als er sich genötigt sah, einen mutwillig heraufbeschworenen Verteidigungskrieg zu beginnen und gegen eine Übermacht das Schwert zu ziehen. Wehe euch, wenn die Feinde ins Land kommen! Sie würden in den erstklassigsten Hotels absteigen, ihr hättet nichts zu lachen und unsere Frauen, die Hüterinnen des häuslichen Herdes, hätten das Nachsehen. Habt ihr denn alles vergessen, was ich euch je gesagt habe? Ich will schier nicht hoffen!
Die Klasse: Wiewohl der rauhe Kriegessturm über unsere Lande hinwegfegt, indem unser erhabener Monarch Tausende und Abertausende unserer Söhne und Brüder zu den Waffen rief, so zeigen sich schon jetzt die ersten Ansätze zu einer Hebung des Fremdenverkehrs. Darum lasset uns dieses Ideal nie aus dem Auge verlieren, sondern lasset uns heute das alte Lied anstimmen, das wir einst in Friedenszeiten gelernt haben: Pfleget den Fremdenverkehr! (Sie singen:)
A a a, der Fremde der ist da. Die stieren Zeiten sind vergangen, Der Fremdenverkehr hat angefangen, A a a, der Fremde der ist da. |
(Verwandlung.)
Im Landesverband für Fremdenverkehr.
Der Redakteur: – um einige Äußerungen zu bitten, wie sich der Fremdenverkehr nach dem Kriege gestalten wird, das heißt ob diesbezüglich überhaupt schon etwas ins Auge gefaßt ist.
Der Funktionär: Selbstverständlich. Bekanntlich fand dieser Tage im Anschluß an die Tagung der ärztlichen Abteilungen der waffenbrüderlichen Vereinigungen ein Gedankenaustausch unter Vertretern der Fachgruppen für Fremdenverkehr der waffenbrüderlichen Vereinigung Deutschlands, Ungarns und Österreichs statt.
Der Redakteur: Es ist wohl zu erwarten, daß das Problem des Fremdenverkehrs nach dem Krieg von ganz neuen Seiten zu betrachten sein wird?
Der Funktionär: Zweifellos.
Der Redakteur: Vielleicht hätten Sie die Freundlichkeit, mir zunächst einen Fingerzeig nach der Richtung zu geben, in der sich die Situation unserer Waffenbrüder hinsichtlich des Fremdenverkehrs nach dem Kriege gestalten wird. Daß die Feinde auch in diesem Punkt einen Verlust erleiden werden, steht wohl außer Frage'?
Der Funktionär: Selbstverständlich werden die französischen und belgischen Fremdenverkehrsplätze aller Voraussicht nach von den Reichsdeutschen nicht aufgesucht werden.
Der Redakteur: Sie meinen, die Deutschen werden diese Plätze nicht aufsuchen können oder nicht wollen?
Der Funktionär: Ich meine, die Deutschen werden diese Plätze nicht aufsuchen wollen können.
Der Redakteur: Da werden die Deutschen wohl Ersatz suchen? Ich meine, Ersatz im eigenen Lande?
Der Funktionär: Für die Nordseebäder bietet die deutsche Küste ausreichenden Ersatz.
Der Redakteur: Wo aber werden die Deutschen Ersatz für die französische Riviera suchen? Doch offenbar bei uns?
Der Funktionär: Ersatz für die französische Riviera mit ihren klimatischen Vorzügen als Frühlings- und Herbstaufenthalt zu bieten, dazu ist sicherlich die österreichische Küste der Adria vorzüglich geeignet, die demnach auch einen großen Fremdenzufluß zu erwarten haben wird.
Der Redakteur: Sie sprechen von der österreichischen Küste der Adria wohl im Gegensatz zu der italienischen und wollen damit jedenfalls sagen, die Adria bleibt –
Der Funktionär: – unser. Gewiß, denn sonst wären ja die Deutschen genötigt, auch für die Adria Ersatz zu suchen.
Der Redakteur: Sie sind also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der Ansicht, daß hauptsächlich das reichsdeutsche Publikum für unsern Fremdenverkehr in Betracht kommen wird?
Der Funktionär: Allerdings.
Der Redakteur: Nun aber die Hauptsache. Welche Attraktionen werden wir unsern Fremden nach dem Kriege bieten können, oder vielmehr welchen Ersatz werden wir für jene Sehenswürdigkeiten, die etwa durch den Krieg zerstört worden sind, durch andere Attraktionen bieten können? Sie haben mit Recht der Adria ein günstiges Prognostikon gestellt. Aber was werden wir außerdem zu bieten haben?
Der Funktionär: Außerdem werden die Alpenländer mit ihren hervorragenden Kriegserinnerungen einen Anziehungspunkt des mitteleuropäischen Reisepublikums bilden.
Der Redakteur: Welche Art Kriegserinnerungen wäre diesbezüglich ins Auge gefaßt?
Der Funktionär: Wir geben uns der Hoffnung hin, daß der pietätvolle Besuch der Heldengräber und Soldatenfriedhöfe eine lebhafte Verkehrsbewegung zur Folge haben wird. Es handelt sich ja darum, unser Haus wiederum zu bestellen. Und wir appellieren gerade in diesem Punkte an die verständnisvolle Mitarbeit der Presse, da es unsere Aufgabe ist, jeder Epoche die Attraktionen abzugewinnen, die sie in sich selbst bietet, und die Gräber der Gefallenen wie geschaffen erscheinen, die Hebung des Fremdenverkehrs erhoffen zu lassen.
(Verwandlung.)
Ringstraßencafé. Nachmittag. Sitzend und stehend, eine Fauna von Gestalten, die in heftigen Debatten begriffen sind. Die Konversation bewegt sich um die verschiedensten Gegenstände, wie Reis, Zucker, Leder, und auch Wetten, die für ein Trabfahren abgeschlossen werden; einer packt ein Ölgemälde aus, ein anderer zeigt einen Brillantring, der von einer erregten Gruppe geschätzt wird. Unter den Händlern sind auch Leute in Uniform, ein kleiner Oberleutnant, der einem Agenten von riesenhaften Körperformen »Tips« gibt. Dazwischen, auf den Seitenbänken da und dort verstreut, Mädchen in insektenhafter Tracht. Kellner und Kellnerinnen, die Getränke bringen. Rennprogrammverkäufer. Gürteltiere schreiten durch. Die Luft ist voll von Ziffern und Miasmen.
Dem Eintretenden tönt ein großes Geschrei entgegen, aus dem er zunächst nur unartikulierte Laute hört, dann in allen Tonarten hervorgestoßene, gebrüllte, gepfiffene, geröchelte Rufe, die zumeist eine Bekräftigung bedeuten. Näher hinhorchend, vermag man erst genauer zu unterscheiden.
Das Geschrei: – Mir gesagt! – Ihm gesagt! – Unter uns gesagt! –Sag ich Ihnen! – Sagen Sie! – No wenn ich Ihnen sag! – Also ich sag Ihnen –! – Was sagen Sie! – Sagt er! – Auf ihm soll ich sagen! – Ich wer' Ihnen etwas sagen – No was soll ich Ihnen sagen? – Ihnen gesagt!
Mammut: Sie – pst – ham Sie Scheidl?
Ein Kellner: Seit vorige Wochen verboten.
Mammut: Nix kriegt man! Nix – nix, gut. Aber gor nix? (zu seinem Nachbar) Also wie ich Ihnen sag, a konto dessen bin ich heute enthoben!
Zieselmaus: Danken Sie Gott jeden Früh.
Walroß: – Lassen Sie mich aus, ich tipp nicht auf Hindenburg, ich tipp nicht auf Primadonna, ich wer Ihnen sagen, auf was ich tipp, ich tipp auf Doberdo! –
Hamster: – Er hat ausgesorgt, er is Selbstversorger. Ich bin doch intim mit Kornfeld von der Oezeg, bin ich also heraufgegangen zu der Miag, sag ich dort, ich bin da, Salo Hamster –
Nashorn: – Wer gebt auf Gerüchte, für Gerüchte wer' ich mr nicht den Kopp abreißen! Warum, weil in der Presse stehn soll von etwas e Friedensfühler? Idee! Ich sag Ihnen, e Bombengeschäft! –
Tapir: – Was wolln Sie von mir haben, bin ich Hindenburg? –
Schakal: – Was wolln Sie von Siegfried Hirschl, auf einen Menschen, was e B-Befund hat, geb ich keinen Kreizer! Sie hätten sehn solln, wie sie mich empfangen ham im KM, was sich da getan hat! Nu na nicht! –
Leguan: – Lire so viel Sie wollen! –
Kaiman: – Ohne Ausfuhrbewilligung nicht zu machen – sag ich Ihnen, Julius Kaimann! –
Pavian: – Albanien? Nicht der Rede wert, e Gorillakrieg! –
Kondor: – Auf Ihnen hat ma gewartet! Ich hab scho verdient, wie Sie noch nicht auf der Welt waren! Vor fünf Minuten, wenn Sie zugehört hätten beim Telephon – achtzig Zentner mit fufzig Mille auf Ehre! Ab Wien sofort greifbar! Werfen Sie sich auf Zucker, mit Verbandzeug wern Sie kein Glück mehr haben! –
Löw: – No kann man exestieren? –
Hirsch: – Täglich schrei ich zu meiner Frau –
Wolf: – Das wird ein Geriß sein um das Abendblatt! Aber sicher is es nicht wahr! –
Posamentier: – Weiß ich? Burian hat etwas e Friedensfühler ausgestreckt! –
Spitzbauch: Pst – Sie eine Tschoklad – oder nein, wissen Sie was, bringen Sie mir –
Schlechtigkeit: – Der Brillant ist unter Brüdern –
Stimmen hastig Eintretender: Aber ich sag Ihnen, es is nicht wahr! – So wahr ich da leb aus kompetentester Quelle, es is wahr! – Also wenn ich Ihnen sag, es is nicht wahr!? – Und ich sag Ihnen, es is ja wahr, fertig sind wir! – Also wetten, es is nicht wahr?!
(Ein Pelz wird gestohlen. Es entsteht große Aufregung.)
Gollerstepper: Aber ich kenn ihm doch, jeden Tag hat er drin herumgekiebitzt, der Schlieferl!
Tugendhaft: Wer brauch jetzt einen Pelz?
Gollerstepper: Frag –! Mundi Rosenberg!
Mammut (röchelnd): Ich hätt noch zwei Waggon –
Mastodon: – Fetten? Woher nehm ich Fetten? Ich soll riskieren? –
Raubitschek: – Meschugge sind sie mit Hextpreise. Ich wer' Ihnen etwas sagen – er soll in Uniform hinaufgehn, kriegt er! –
Vortrefflich: – Wissen Sie was? Mit Seife erziel ich einen Durchbruch! Zwirn setz ich auf die Verlustliste. –
Gutwillig: –Großer Mann geworn! Teenovin und Punschnovin, Kleinigkeit! Der Mann hat heute seine zwa Millionen auf Ehre! Was wolln Sie haben, ein Artikel Nommer eins! –
Aufrichtig: – So wahr ich da leb, mein heiliges Ehrenwort, er hat auf die Unterschrift von Tizian am Bild hingezeigt und hat gesagt, eine Mezzie! Wie ich ihm aber später beweis, es is kein echter Tizian, sagt er einfach: No dabei war ich nicht, wie es der Tizian gemalt hat! No is das ein Geschäft?
Beständig: Also wenn er keine Haftung übernommen hat, daß es kein echter Tizian is –?!
Brauchbar: Man greift sich an den Kopf, jetzt erklärt er auf amol er hat ihm den Tizian um vier Rennpferd gegeben, also wieso?
Die Toilettefrau (ruft herein): Herr Pollatschek zum Telephon! (Pollatschek stärzt hinaus.)
Lustig: Sehn Sie –? Laufen Sie ihm nach –
(Ein Invalide, Zitterer, erscheint. Er schüttelt unaufhörlich den Kopf. Er wird entfernt.
Im Hintergrund, ganz in sich zusammengekauert, wie gebrochen, sitzt ein alter Schieber. Freunde bemühen sich um ihn. Eine Frau hält die Hand auf seiner Schulter. Ein Mädchen spricht ihm zu. Neugierige und Teilnahmsvolle gesellen sich.)
Ein Freund: Aber –! Es brauch ja nicht wahr sein?!
Ein Zweiter: Du – ich weiß nicht, wie du mir vorkommst – wer wird denn gleich – du bist komisch –!
Der alte Schieber (stöhnend): Laßts mich – laßts mich – ich weiß doch – ich bin e Pechvogel – Gotteswillen – Gotteswillen – einmal im Leben hat man – wo bleibt da – ich hab Schkoda – ich hab Schkoda –
Die Frau: Bernaad – komm zu dir – wer sagt dir, daß es wahr is – du bist etwas in einen überreizten Zustand durch dem Krieg –
Die Tochter: No regts ihn nur noch mehr auf – alle kommen sie da herein –!
Die Frau: Gotteswillen – sein Herz!
Der alte Schieber: Laßts mich – laßts mich – das Herz – das Abendblatt – achab Schkoda –
Die Tochter: Wie er sich freut dort, Weitzner – der möcht es ihm gönnen –! Onkel, sag doch er soll weggehn – der Papa is schon aufgeregt wenn er nur sein Gesicht sieht!
Der Onkel: Entschuldige – man kann keinem Gast verbieten in einem öffentlichen Lokal –
Die Frau: Du hast uns noch gefehlt!
Der Freund: Moldauer – duu – ich hab geglaubt – schau, du bist doch ein verninftiger Mensch – ich kenn mich nicht aus in dir –
Der alte Schieber: Wenn es aber – wahr is – ich weiß doch – Gottes – willen – achab Schkoda –
Der zweite Freund: Wetten, es is nicht wahr – also was wetten wir? – ich mach ein gutes Geschäft – oi wie du gern zahlen wirst –!
(Der alte Schieber bricht in ein konvulsivisches Schluchzen aus. Alles ist mit angstverzerrten Mienen um ihn beschäftigt.)
Ein jüngerer Wucherer (drängt sich vor): Hat er Waggons –? Wie viel Waggons hat er?? Also ich erkläre feierlich, daß ich bereit bin –
Der Onkel: Gehn Sie weg, Sie Asisponem!
Der alte Schieber (nur noch wimmernd): – Schkoda –
Der Geschäftsführer (erscheint): Was is denn geschehn –? Ja, was is denn mit'n Herrn von Moldauer –?
Der Freund: Niix – Rappaport kommt sich hereingestürzt und erzählt ihm – er weiß – ausgerechnet – Rappaport weiß!
Der Geschäftsführer: Ja – was denn? Mein Gott, er liegt ja ganz gefühllos da! Was is denn gschehn –?
Der Freund: Niix – geredt wird – und das hat er sich so zu Herzen genommen.
Der Geschäftsführer: Ja – was wird denn gredt?
Der Freund: No –! Vom Frieden!
(Verwandlung.)
Friedrich-Straße. Ein geordneter Zug von Rowdies, Maklern, Operettensängern, Bohemiengs, Gesundbetern, Luden, Pupen, Nutten, Neppern, Schleppern, Schiebern und Schneppen.
Chor der Rufer: – Die Vorbereitungen am Piave! – Der Heiratsonkel! – Neieste Numma des Semplecessemas! – B. Z. am Mittach! Die Neutralen gehn nicht mit – Wachsstreichhelza, Wachsstreichhelza! – Tageblatt Amdausgabe, deutsche Schiffe werden nich beschlachnahmt! – Lakalanzaija! – Die jroße Glocke! Sensationelle Enthüllungen, Schweinerei bei Wertheim – Deutsche Schiffe werden nich beschlachnahmt! – Die Welt am Montach! Der Männervenustempel in der Kochstraße polezeilich jesperrt! – Für unsre Kinder! Täuschende Nachahmung des Getöses unsrer jrößten Kanonen! – Die ersten duftenden Frühlingsboten! Funfzehn Fennje! – Der Heiratsonkel! – Pikantes aus Moabit! – B. Z. am Mittach, B. Z. 1 – Die Woche Lustjefliejende Blätta! – Wachsstreichhelza, Wachsstreichhelza! – Weinstube Rosenkavalier, lauschigstes Eckchen der Welt! – Täuschende Nachahmung des Getöses unsrer jrößten Kanonen! – Voss Amdausgabe, Kühlmann wird Elsaß niemals rausjeben! – 42 cm Brummer! Hochaktueller 10 Pfennich-Schlager! Beim Herumschleudern des Brummers entsteht ein Knattern und Brummen, als wenn wirkliche Granaten durch die Luft sausen! – B. Z. am Mittach! Die Neutralen gehn nicht mit – Tageblatt Amdausgabe, deutsche Schiffe werden nich beschlachnahmt! – Neieste Numma der Wahrheit! Die Jeheimnisse vom Kurfürstendamm! Sensationelle Enthüllungen! Kühlmann wird Elsaß niemals rausjeben! – Heftje Sprache des Vorwärts! – Lakalanzaija! Die Vorbereitungen am Piave! – Als wenn wirkliche Granaten durch die Luft sausen! – Der Heiratsonkel! – Semplecessemas! – Die jroße Glocke! Schweinerei bei Wertheim – Die ersten duftenden Frühlingsboten – B. Z. am Mittach, B. Z.! – Die Schlafzimmerjeheimnisse der Frau von Knesebeck, einfach süß! – Für unsre Kinder! Täuschende Nachahmung des Getöses unsrer jrößten Kanonen! – Die Vorbereitungen am Piave! –
Ein Jüngling (zu einem vorübergehenden Mädchen): Nuttenzeuch!
Das Mädchen: Pupenjung!
Der Jüngling: Wat? Schneppe! (Die Passanten sammeln sich.)
Das Mädchen: Wat? Lude!
Ein Schutzmann: Na geht man eurer Wege! (Der Zug ordnet sich wieder.)
(Ein Berliner Schieber und ein Wiener Schieber treten Schulter an Schulter auf.)
Der Berliner Schieber: Na wat is'n los? Wann jeht ihr 'n los?
Der Wiener Schieber: Ich hätt noch drei Waggon, aber ich wart noch.
Der Berliner Schieber: Ach Menschenskind, ick meene doch mit da Offensive! Na man los!
Der Wiener Schieber: Weiß ich –?
Der Berliner Schieber: Na, ihr oberfaulen Östreicher, ihr müßt doch endlich mal losjehn! Werdet ihr denn übahaupt nich mehr losjehn? (Der Wiener Schieber schweigt verlegen.) Nanu?
Der Wiener Schieber (sich ermannend): Nuna! (Beide ab.)
Ein Zeitungsausrufer: 8 Uhr Amdblatt, das Friedensanjebot des Grafen Burian – 22 000 Kilogramm Bomben auf die Festung Paris jeworfen!
(Verwandlung.)
Standort des Armeeoberkommandos. Vergnügungslokal. Generalstäbler, Kriegsgewinner, Animierdamen. Die Musik spielt »Prinz Eugen der edle Ritter«, »Wenn die letzte Blaue geht, dann in die Bar der Gent, der schlaue, geht« und die »Wacht am Rhein«. An einem Tisch rechts Kohn, ein Wiener Schieber, auf dessen Schoß ein Mädchen, dahinter eine Gruppe von Kellnern, die seine Wünsche entgegennehmen. An einem Tisch links Fettköter, ein Berliner Schieber, auf dessen Schoß ein Mädchen, dahinter eine Gruppe von Kellnern, die seine Wünsche entgegennehmen. In der Mitte ein Tisch, an dem Generalstäbler und Mädchen sitzen.
Die Szene ist ungefähr auf den folgenden Ton gestimmt:
Ein betrunkener Generalstäbler (den seine Kameraden halten, schlägt auf den Tisch):
Da sagen s', die Front is roglert worn!
Wenn ich das hör, krieg ich an Zorn.
Als eingefleischter Patriot
spürt mr nix von einer Hungersnot.
Uns hier heraußt kann nix geschehn,
denn Österreich wird ewig stehn.
Weißt, ewig bleibt mit Habsburgs Thron –
Chor der Kellner:
An Heidsieck gschwind fürn Herrn von Kohn!
Das Mädchen rechts:
Was schaust denn heut so grantig drein?
Kohn:
Du lachst – und morgen kann Frieden sein!
Der betrunkene Generalstäbler:
Gehts machts doch nicht so an Pahöll!
Fritzi-Spritzi (einem der Generalstäbler auf die Hand schlagend):
Schmecks – nur für zwanzig Kilo Möll!
Der Besitzer (zu den Kellnern rechts):
Gschwind einkassiern beim Militär!
Das is für jedermann a Ehr.
(zu den Kellnern links)
Wär so ein Gast auch noch so stier,
er ist und bleibt doch Offizier.
Die Wurzen lauft euch nicht davon!
Der betrunkene Generalstäbler:
Wir stehn und falln mit Habsburgs Thron –
(Er fällt unter den Tisch.)
Die Toilettefrau und das Garderobepersonal:
Wir stehn und falln mit Habsburgs Thron.
Fettköter (zu dem Mädchen auf seinem Schoß):
Nanu – das sag ich Hindenburch!
Ihr Wiener seid ja unten durch.
Nee so'n Skandal! Nee so etwas!
Das Mädchen links:
Geh hörst, verstehst denn du kein' Spaß?
Die Generalstäbler:
Steh auf – jetzt spüln s' den Prinz Euschen!
Der betrunkene Generalstäbler (unterm Tisch):
Weißt, Österreich wird ewig stehn –
Die Toilettefrau und das Garderobepersonal:
Ja, Österreich wird ewig stehn.
Fettköter:
Nee Kinder, 's geht mit euch bergab,
euer liebes Östreich ist zu schlapp.
Euch Bundesbrüdern fehlt schon lang
ein richtichgehendes Reglemang.
Das Mädchen links:
Schau Putzi, nimm's nicht so genau!
Fettköter:
Erlaube mal, du machst ja flau!
Bei uns muß heute Groß und Klein
zwar ernst, doch zuversichtlich sein!
Sie Oba, zahln – na flink mal ran!
Das Mädchen links:
Hör auf, du bist ein Fadian.
Das Mädchen rechts:
Du meiner Seel, das ganze Jahr
wünsch ich mir einen Kaviar.
Ich geh doch nicht mit jedem Herrn –
Kohn:
E Neuigkeit, das hört ma gern.
Fettköter (will aufbrechen):
Jetzt bin ich schon seit gestern da,
und war noch nicht im Aoka!
Nu fix und mit ein wenig Schwung –
ich habe eine Lieferung!
Wenn ich da weiter Zeit verlor,
so kommt der Endsieg mir zuvor.
(Er knutscht sie.)
Doch heute liegt mir noch im Sinn
so 'ne richtje schicke Wienerin.
Das Mädchen links (indem sie den Kellnern ein Zeichen macht):
Gelt Putzi, nicht wahr, du bist reich?
Chor der Kellner:
Noch einen Heidsieck, bitte gleich! (Nachfüllen.)
Der Besitzer und die Kellner:
Das Beste ist – er ist hier fremd –
wir ziehn ihn aus bis auf das Hemd.
Kohn:
Du, was ich nicht vertragen kann,
ich zahl, und du schaust jennen an!
Das Mädchen rechts:
Kann ich dafür, die Offizier
sie schaun halt alle her zu mir –
Kohn:
Hör auf, ich möchte mich genieren,
mit Offiziere kokettieren!
Ein Generalstäbler:
Wenn wir verliern, is's kein Malheur,
dem Militär bleibt doch die Ehr,
weißt, Krieg is Krieg – wenn s' uns besiegen,
ich tu halt auf die Fritzi fliegen!
Chor der Generalstäbler:
Uns hier heraußt kann nix geschehn,
denn Österreich wird ewig stehn.
Sind wir in der Schlamastik drin,
wern uns die Deutschen außiziehn.
Sie Kellner, schenken S' gschwind noch ein!
Fettköter:
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
(Verwandlung.)
Wiener Vortragssaal.
Der Nörgler (spricht das »Gebet«):
Du großer Gott, laß mich nicht Zeuge sein! Hilf mir hinab ins Unbewußte. Daß ich nicht sehen muß, wie sie mit Wein zur Not ersetzen ihre Blutverluste. Du großer Gott, vertreib mir diese Zeit! Du großer Gott, so mach den Mund mir stumm! Du großer Gott, der den Gedanken gab, Du großer Gott, verschließ dem Graus mein Ohr, Du großer Gott, der die Erfinder schuf Du großer Gott, warum beriefst du mich Du großer Gott, warum in dieser Frist, Du großer Gott, dies Land ist ein Plakat, Du großer Gott, hast du denn aus Gemüt Du großer Gott, erobere mir ein Land, Du großer Gott, kennst du die Mittel nicht, Du großer Gott, raff mich aus dem Gewühl! |
(Beifall, an dem sich auch die vorderen Reihen beteiligen.)
Ein Zuhörer (zu seiner Gattin): – Also du mußt nämlich wissen, er hat einmal in die Presse kommen wollen –
(Verwandlung.)
Der Abonnent und der Patriot im Gespräch.
Der Abonnent: Der alte Biach hat in Kolberg gesagt –
Der Patriot: Wieso?
Der Abonnent: Ich wollte sagen der alte Hindenburg – heut sagt er doch, er hat in Kolberg gesagt, mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für das deutsche Volk steige ich ins Grab.
Der Patriot: Sie?
Der Abonnent: Wieso ich? Er!
Der Patriot: Also Er?
Der Abonnent: Aber nein – bloß er! Hindenburg!
Der Patriot: Wenn das der alte Biach erlebt hätte!
(Lange Pause, in der sie einander anblicken.)
Der Abonnent: Seit Biach tot ist, sind die Stimmungen nicht mehr so wie sie sein sollten.
Der Patriot: Statt den Stimmungen sind jetzt die Gerüchte, und das is immer ein beeses Zeichen.
Der Abonnent: Mir scheint stark – es geht schwach.
Der Patriot (blickt schmerzvoll zum Himmel): Man wird doch da sehn.
(Verwandlung.)
Zwei Kommerzialräte aus dem Hotel Imperial tretend. Eine Bettlerin mit einem Holzbein und einem Armstumpf steht vor ihnen.
Erster Kommerzialrat (sich umsehend): Is kein Wagen da? Schkandaal!
Beide (mit ihren Stöcken auf ein vorüberfahrendes Automobil zielend): Auto –!
Der Erste (einem Fiaker nachrufend): Sie – sind Sie frei?
Der Fiaker (achselzuckend): Bin bstöllt!
Der Zweite (indem sie von Bettlern aller Arten umkreist werden): Das einzige was ma noch hat, daß man überhaupt noch was zum essen kriegt. (Eine Frau bricht vor Hunger zusammen und wird fortgetragen.) – Schkandaal, auf der Ringstraße! – Rothschild wird auch grau –
Der Erste: Kein Wunder bei die Zeiten.
Der Zweite: Er kann doch höchstens – wie lang is das her, warten Sie –
Der Erste: Was nutzt das alles, eine Stimmung is in dem Wien – Wissen Sie, seit der alte Biach tot is –
Der Zweite: Die Krone fällt rapid –
Der Erste: Vorige Woche, wenn man noch hinübergebracht hätte –
Der Zweite: Morgen wollt ich hinauf in die Devisenzentrale – aber was braucht man sich richten, es geht so leichter.
Der Erste (wirft seinen Zigarrenrest und einen Zwanzighellerschein vor einen Bettler hin): Das is auch schon teurer geworn. Silvester – die Loosch im Tabarin kostet mich geschlagene sechshundert – meine Frau laßt doch nicht locker – wenn das so weiter geht, nächsten Silvester tausend!
Der Zweite: Warum nicht?
(Der Nörgler geht vorbei.)
Der Erste (spuckt aus): Meine Sorgen auf ihm!
Der Zweite: No Sie, wenn ich das meinem Jüngsten erzähl –
Der Erste: Wieso?
Der Zweite: Er schwärmt für ihm. In alle Vorlesungen rennt er. Er is nämlich einer seiner glühendsten Verehrer.
Der Erste: Ich an Ihrer Stelle würde nur hauen.
Der Zweite: Was fallt Ihnen ein, heutzutag – der Bub is imstand und gebt mich hinein in das rote Büchl.
Der Erste: Wissen Sie, daß das die Zensur durchlaßt, man greift sich an den Kopf, anderswo wär er längst gehängt! Fortwährend dieses Aufwiegeln – gegen den Krieg und sogar gegen die Presse! Er schreit, es soll kein Krieg sein – no is deswegen kein Krieg? No also müßt er doch Ruh geben.
Der Zweite: Das hab ich gern im Krieg, hetzen, zum Frieden!
Der Erste: Neulich hörich soll er förmlich in den Saal hereingerufen haben, sie solln nicht mehr in den Krieg ziehn und solln aufhören die Presse abonnieren! Also wenn der nicht von der Antaant bezahlt is, will ich Veitl heißen. Dorten kommt der Wassilko mit der Gerda Walde. Zu Fuß!
Der Zweite: Wo?
Der Erste (mit dem Finger zeigend): Dorten.
Der Zweite: Meinem Buben hat er den Kopf verdreht. Bis mir kürzlich die Geduld gerissen is, no hab ich mir ihn doch hergenommen und hab ihm gesagt, das Geschimpfe auf dem Krieg hat gar keinen Zweck, wenn kein Krieg wär, gebets auch keinen Kriegsgewinn, fertig. No das hat er eingesehn. Aber was nutzt das, dann rennt er doch wieder in die Vorlesungen. Was is mit Ihrem Jüngsten? Macht er Fortschritte?
Der Erste (stolz): Was wolln Sie haben? Er draht schon mit dem Sascha Kolowrat!
Der Zweite: Sss! Recht hat er, solang man jung is, soll man sich unterhalten. Komisch, ich muß immer lachen – was sagen Sie zum heutigen Hirschfeld?
Der Erste: Glänzend. No und die Schalek? Sogar die greift er an!
Der Zweite: Nutzt nix, tapfer is sie. Soll er sich traun, mitten in der Schlacht sich hinstelln und schreiben! Wir ham Sitze zu Piccaver –
Der Erste: Ich hab kürzlich auch meiner Frau auseinandergesetzt, weil sie immer treibt, wenn nur der Krieg schon zu End wär, die Soldaten im Schützengraben tun ihr leid. Ich sag immer, dafür ham sie das Bene, der Nachruhm in den Annalen! Was ham wir? Die Kriegsgewinnsteuer! Das vergessen die Leute immer.
Der Zweite: No und das Friedensrisiko –?!
Der Erste: Man soll gar nicht daran denken. Wissen Sie – wenn einer zurückkommt und er fängt an zu erzählen – es is doch immer dasselbe – gut, sie ham ausgestanden, aber das weiß man doch schon! Ich kann gar nicht mehr zuhörn, es is doch schon fad.
Der Zweite: Man hat scho genug von die Graiel.
(Ein Invalide humpelt vorbei.)
Beide (mit ihren Stöcken auf ein vorüberfahrendes Automobil zielend): Auto –!
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Nörgler: Das Pferdespital bot keine Rettung mehr. Dieser Märtyrer mußte getötet werden. Er hatte die Zeichen der großen Zeit auf seinem Rücken; eine förmliche Zeichnung. Auf beiden Seiten ziemlich regelmäßig die gleiche Form. Vom Rückgrat sah man das Gelbe des Knochens; ebenso an den Hüften. Der Schweif durch Streifschuß weggeschossen. Der Gurt hatte sich ganz herum wund eingegraben. Die Wunde war grün vereitert und sah aus wie eine Verbrennung höchsten Grades. Diagnose: Tragbares Geschütz, wochenlang nie abgeschnallt. Weder nachts noch untertags kam die Last von diesem Rücken herunter.
Der Optimist: Ja, da hilft nichts, die Tiere müssen eben auch an den Krieg glauben.
Der Nörgler: Und ihre Blutzeugenschaft wird die Schinder und Schänder der Kreatur lauter anklagen als das Martertum der Menschen; denn sie waren stumm. Das wunde Pferd, auf dessen Rücken die Form der Geschützlast eingezeichnet war, die Last des Menschentods, ist ein Traumbild, an dessen Schrecknis jene sterben werden, die sich auf Lorbeern schlafen gelegt haben.
Der Optimist: Weil wir von Tieren sprechen – da habe ich eine empörende Annonce für Sie aufgehoben: »Hunde zum Schlachten werden zu hohen Preisen gekauft«. So etwas sollte doch nicht annonciert werden! Welche Schlüsse sollen die Feinde auf unsern Ernährungszustand ziehen, wenn sie hören –
Der Nörgler: Die Schlüsse auf unsern Kulturzustand scheinen mir noch gefährlicher.
Der Optimist: Wieso? Wenn der Mensch Nahrung braucht, verschmäht er selbst das Fleisch des Hundes nicht und tötet ihn eben.
Der Nörgler: Zum Unterschied vom Hund, der die Nahrung verschmäht, wenn ihm ein Mensch gestorben ist.
Der Optimist: Ich habe noch nie von einem solchen Hund gehört.
Der Nörgler: Hier können Sie von einem lesen – in der Zeitschrift »Der Tierfreund«: »Hundetreue. Wie uns ein Mitglied schreibt, ist die von unserem Vereine mehrmals mit einer ermäßigten Hundemarke bedachte Hilfsarbeiterin Hermine Pfeiffer vor einigen Wochen gestorben. Ihre Pudelhündin verschmähte seit dem Todestage der Frau jede Nahrung und ging einige Tage nachher zugrunde. Man fand das treue Tier, welches seinen Kopf auf einem von seiner Herrin früher benützten Polster liegen hatte, des morgens tot auf. Merkwürdig ist, daß die Verstorbene sich einmal geäußert hatte, daß sie froh wäre, wenn ihr Hund auch enden würde, wenn ihr einmal etwas zustoßen sollte, damit das Tier nicht in schlechte, rohe Hände käme. Und wirklich ist die Hündin, welche ihrer Wohltäterin so innig zugetan war, sehr rasch nach dieser vor Gram zugrundegegangen«. Das ist gut so.
Der Optimist: Warum?
Der Nörgler: Sie wäre sonst gefressen worden. Vorausgesetzt, daß sie nicht vor Hunger schon zu mager war. Wenn Hunde nicht den Menschen liebten, würden sie, eh sie sich seitwärts in die Büsche schlagen, bekennen, daß sie doch bessere, Menschen sind!
Der Optimist: Es muß aber wohl tiefere Gründe haben, daß »Hund« ein Schimpfwort ist und »hündisch« die übelste Gesinnung bezeichnet.
Der Nörgler: Das ist leider wahr. Es bezeichnet etwa die jener Menschen, welche Hunde zum Schlachten zu hohen Preisen kaufen wollen. Oder jener, von denen es hier in dieser Theaterkritik heißt: »Das Deutsche Volkstheater hat gezeigt, daß es auch Autoren zu Wort kommen läßt, die nicht hündisch den Geschmack des gutzahlenden Publikums abzulauschen suchen«.
Der Optimist: Wollen Sie den Geschmack des gutzahlenden Volkstheaterpublikums mit dem Geschmack der Leute, die zu hohen Preisen Hunde zum Schlachten –
Der Nörgler: Warum nicht, die sitzen auch schon in Logen. Aber was immer den Hunden nachgesagt werden mag, nie konnte doch einem von ihnen bis heute vorgeworfen werden, daß er den Geschmack des Volkstheaterpublikums abzulauschen gesucht hat. Ich glaube aber auch nicht, daß ein Hund aus Gram über den Tod eines Volkstheaterhabitués sterben würde. Hier spürt die liebende Kreatur die Grenze. Wo nichts Menschliches ist, hat auch das Hündische nichts zu suchen.
Der Optimist: Sie scheinen ja überhaupt den Hunden ein besseres Zeugnis als den Menschen ausstellen zu wollen.
Der Nörgler: In jedem Falle. Ob schön, ob Regen, bei Tag und bei Nacht, in Krieg und Frieden. In diesem Krieg haben auch sie durchgehalten – und waren doch wehrloser. Und jeder von jenen, die eingerückt waren, jeder Kriegshund könnte dem besternten Gelichter, das Soldaten »Fronthunde« genannt hat, zeigen, daß an dem Vergleich Ehre ist und nur an den Unmenschen keine. Man reiße ihnen die Orden von der Brust und weihe sie, indem man sie den Hunden verleiht, den in Armut und Würde beispielgebenden Antipoden des Generalstabs!
(Verwandlung.)
Beim Bataillionsrapport.
Der Major: Was warst du?
Der Soldat: Herr Major, melde gehorsamst, Sattler.
Der Major: Hast du da nicht gelernt, mir in die Augen zu sehn? Du Hund! Ihr Hunde! Sohn einer Hündin du! (Zu einem andern) Du hast einen Brief an deine Frau geschrieben, wo du dich über die Behandlung beklagst.
Der Soldat (erschrocken): Herr Major – melde – bitte – gehorsamst –
Der Major (den Brief schwenkend): Da is der Brief! Was, da schaust, hast nicht gewußt, daß ich der Zensor bin? Du Hund! Ihr Hunde! Sohn einer Hündin du! Das ist das größte Schwein vom ganzen Barackenlager! 21 Tag Einzel mit drei Fasttagen in der Woche, hernach in die vorderste Lini einrückend gemacht! Wirst schon sehn, du Schweinehund! Wirst dich verflucht umschaun! (Zu einem andern Soldaten) Ah das is der mit die Bauchschmerzen! Hat dir deine Mutter was zum fressen geschickt? Wenn du mir nur verrecken möchtest! (Er versetzt ihm drei Hiebe mit dem Stock über Kopf und Rücken. Der Soldat wankt weinend fort.) Daß ihrs nur wißt, die vier Infanteristen, die sich geweigert haben, ein Achtel Brot anzunehmen, kommen vors Divisionsgericht und wern erschossen. Natürlich Tschechen! Wenn ein Soldat seinen Pflichten als Vaterlandsverteidiger nicht nachkommt, so is es immer ein Tscheche! Lauter Überläufer! Ein deutscher Soldat kommt immer seinen Pflichten nach. Ich bin ja selbst Tscheche, aber ich schäme mich, dieser Nation anzugehören. (Zu einem Gefreiten) Sie wern mir morgen den Einkauf besorgen, um mir Gelegenheit zu geben, Sie einzusperrn. Zum Höchstpreis kriegen Sie nix, über den Höchstpreis dürfen Sie nix bringen. Bringen Sie nix, wandern Sie unnachsichtlich ins Loch! Also –was wolln S' noch?
Der Gefreite: Herr Major, melde gehorsamst, der Herr Leutnant Ederl hat auf eigene Faust im Zillertal Schnittkäse für 10 Kronen das Kilogramm gekauft und hat ihn wollen an die Offiziersmesse für 24 Kronen weiterverkaufen.
Der Major: Was sagen Sie da? – Das is ja unerhört!
Der Gefreite: Der Menageverwalter hat das Anbot wegen schlechter Qualität abgelehnt. Damit der Herr Leutnant nicht zu kurz kommt, ist ihm der Käse für die Mannschaft abgenommen worn, dafür hat man sie am Fleischrelutum verkürzt. Ich glaube, Herr Major, daß ich im Interesse der Mannschaft gegen das Unstatthafte einer solchen –
Der Major: Das ist ja unerhört! Sie haben an dem Tun und Lassen der Herrn Offiziere keine Kritik zu üben! Sechs Stund Spangen! (Zu einem andern) Du hast dich über die schlechte und unzulängliche Kost beschwert?
Der Soldat: Herr Major, bitte gehorsamst, jawohl!
Der Major (gibt ihm eine Ohrfeige): Nicht an der Menage fehlts, sondern ihr habts zu wenig Appetit! Seids froh, daß Krieg is! Ihr habts in Friedenszeiten nicht einmal das zu fressen! Ich wer' euch exerzieren lassen, bis euch die Zunge bis zum Magen heraushängt – dann wern die Klagen über die schlechte Verpflegung schon von selber aufhörn! Du Hund! Ihr Hunde! Sohn einer Hündin du!
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Optimist: Um in das Gefühlsleben des Kriegsteilnehmers Einblick zu gewinnen, brauchte man bloß –
Der Nörgler: – einen Feldpostbrief zu lesen. Zumal einen von jenen, deren Schreiber irgendwie die Möglichkeit hatten, sie zensurfrei an ihre Adresse gelangen zu lassen.
Der Optimist: Trotzdem würde man daraus entnehmen, daß es eines jeden höchster Ehrgeiz ist, sich gut zu schlagen, und daß ihm Pflichttreue selbst vor der Sehnsucht nach Weib und Kind steht.
Der Nörgler: Oder es faßte einen das Grausen vor dem unermeßlichen Verbrechen dieser kriegsurhebenden, beziehungsweise kriegsverlängernden Schurken, das der Eingriff in ein einziges der Millionen Schicksale bedeutet, die Zerreißung und Zertrampelung jedes einzelnen Lebensglücks, die Zubereitung dieser Martern einer jahrelangen Unheilserwartung zwischen Haus und Graben, einer Spannung, die vor dem Schweigen zittert und jedes Lebenszeichen von da und dort als Todesbotschaft fürchtet. Eine Gattin wird Mutter, eine Mutter stirbt und der, den's am nächsten angeht, liegt irgendwo im Dreck fürs Vaterland. Nun haben ja die Schurken die sinnreiche Einrichtung getroffen, daß die Feldpost, diese verfluchte und doch wie ersehnte Erfindung des Satans, zeitweise überhaupt suspendiert wird. Da wissen dann die Unglücklichen mehr als genug; denn die Stille bedeutet die vor dem Sturm. Und mit wie unausdenkbarer Mechanik fügen sich die elementaren Tatsachen des Lebens, Geburt und Tod, dem unerforschlichen Ratschluß des Generalstabs! Nur die Liebe pariert ihm nicht. Was ist ihm die Liebe! (Er liest vor:)
»– der allgemeine Grund der Verlangsamung der Post von hier ins Hinterland soll der sein, daß jetzt nicht mehr zensuriert wird, sondern die Post einfach zurückgehalten wird, um von den Ereignissen überholt zu werden.
Ich versuche die verschiedensten Methoden, um mir diese schwere, schreckliche Zeit leichter zu machen – alles ohne Erfolg. Wenn ich viel an dich denke, so werde ich nur noch trauriger, und wenn ich mich zu zerstreuen suche, bin ich dann nachher nur noch trauriger. Das Richtigste ist so in den Tag hinein zu leben, damit die Zeit schneller vergeht. Denn jeder Tag, der vorüber ist, bringt uns ja näher, das dürfen wir nicht vergessen!
Ich bin noch ganz unter dem Eindruck des Sorgengefühles, das ich heute um dich habe, ich will es aber abschütteln und mich ganz nur der Hoffnung auf gute Nachrichten morgen von dir hingeben. Wenn ich so daran denke, daß ich jetzt bei dir sein könnte, dein geliebtes Gesichtl sehen, mit dir sprechen über die kommenden Tage, die ja unser Glück noch mehr besiegeln sollen – und ich bin hier, weit weg, und du allein!
Wirklich, er ist so grausam, dieser Krieg, so unnatürlich, es sind ja nicht nur wir, die darunter zu leiden haben, so viele, so unzählige werden unglücklich gemacht durch diese Willkür einiger gewissenloser Menschen. Aber was scheren mich die anderen, mir bricht das Herz, wenn ich an das denke, was wir zwei jetzt durchzumachen haben! Es ist zu schrecklich, kaum zu überwinden! Und dabei muß man noch Dienst machen, schweren, verantwortungsvollen, gefährlichen, soll als Beispiel der Leute an Tapferkeit, Pflichttreue und wie alle diese mir verhaßten Tugenden heißen, auftreten und tut ja jeden Schritt, den man in dieser Sache macht, mit Ekel und Widerwillen, gegen alle innerste Überzeugung. Es wird von einem verlangt, daß man alle seine besseren Gefühle verleugnet, und wer zu gut ist um das zu tun, der leidet unsäglich, und macht mit Ekel alles, was man von ihm verlangt. Wo wir so glücklich waren, uns so ineinander gelebt haben, so eins sind, daß eins ohne das andere ganz verloren ist. Ich bin so arm und klein ohne dich, du würdest mich manchmal gar nicht wiedererkennen. So oft, wenn ich meinen Gedanken nachgehe, auch wenn sie nicht gerade zu dir fliegen, möchte ich dich oft was fragen, was wissen von dir, deine Meinung hören, und bin allein! Ich brauche die Meinung eines andern nicht, dich will ich hören, für dich denke und fühle ich, was immer es auch ist, und ohne dich bin ich nicht ich, bin ich halb und arm. Deine Liebe, die ja auch aus der Ferne zu mir herüberstrahlt, ist das Einzige, was mir noch Lebensfreude erhält. Zu was noch reden, zu was die Wunden noch aufwühlen, die ja so schon so brennen! Du weißt, daß du mir alles bist – oder eigentlich bist du der Grund von meinem Elend, denn ohne dich wäre mir das alles gar nicht arg! Und manchmal denke ich auch voraus. Bis zur völligen Erschöpfung, halb tot werden wir uns in den Armen liegen und nicht mehr können vor Liebe, Liebe!
Ach, daß ich nicht da sein kann! Nicht gerührt hätte ich mich von deiner Seite während der schweren Stunden, die dich erwarten, und es wäre dir alles so viel leichter geworden.
Über mich mach dir keine Sorgen. Wenn ich dich herzaubern könnte, würde ich dich ganz ruhig in die Gräben mitnehmen.
Oh, daß ich nicht bei dir sein kann! Ich gehöre ja dazu, und kann nicht da sein! Oh gebe Gott, daß du nicht zu arg gelitten hast, daß dir nichts geschehen ist, daß du mir gesund geblieben bist und dich jetzt von Tag zu Tag erholen und stärken wirst. Oh gebe Gott, daß ich heute eine von dir selbst geschriebene Karte bekomme. Bis du diese Zeilen erhältst, wird es dir – gebe Gott – schon gut gehen. Hast du gefühlt, daß ich bei dir war und daß ich alles mitgelitten habe mit dir? Oh, es wird, es muß die Zeit kommen, wo wir uns entschädigen werden für alles überstandene Leid.
So weit, so weit von dir in diesen Tagen! Oh warum, warum kann ich jetzt nicht bei dir sitzen, dich wärmen und stärken mit meiner endlosen Liebe! Ich kann mich nicht erwehren, habe fort ganz nasse Augen, so daß ich kaum sehe, was ich schreibe.
Ach Gott, daß ich nicht bei dir sein kann! Und keine Hoffnung! Man wird jetzt nicht nach Haus oder zum Kader, sondern in irgend ein Spital geschickt.
Habe so viel graue Haare bekommen, daß ich sie gar nicht mehr zählen kann. Aber lieb hab ich dich, ob weit oder nah, lieb, lieb, lieb, unaussprechlich, wahnsinnig. –«
Der Optimist: Was weiter? Er kehrt heim, und findet Gattin und Kind, die sich wohl befinden.
Der Nörgler: Das Vaterland wills anders. Hier kommt ein Mensch zur Welt, dort fällt einer. Nie habe ich Traurigeres gelesen, nie Wahreres als diesen letzten Brief eines, der Vater wurde, als er starb. Das ganze Vaterland mit Sack und Generalspack für einen einzigen dieser Millionen Märtyrer der Liebe!
(Verwandlung.)
Im Dorfe Postabitz.
Eine Frau (sitzt an einem Tisch und schreibt): Inigsgelibter Gatte!
Ich theile Dir mit, daß Ich mich verfelt habe. Ich kan nichs Dafür, lieber Gatte. Du verzeist mir schon alles, was ich Dir mittheile. Ich bin in Hoffnung gerathen, von einem andern. Ich weis ja, das Du gut bist und mir alles verzeist. Er hat mich überredet und sagte, Du komst so nicht mehr zurück vom Felde und hatte dazu meine schwache Stunde. Du kennst ja die weibliche Schwäche und kanst nichts Besseres als verzeihen, es ist schon passiert. Ich dachte mir schon, Dir muß auch schon was passiert sein, weil Du schon 3 Monat nichts mehr geschrieben hast. Ich bin ganz verschrocken, als ich Deinen Brief erhalten habe und Du noch am Leben warst. Ich wünsche es dir aber verzeihe es mir, lieber Franz, vileicht stirbt das Kind und dan ist alles wieder gut. Ich mag diesen Kerl nicht mehr, weil ich weis, das Du noch am Leben bist. Bei uns ist alles sehr teuer, es ist gut, daß Du fort bist, im Feld kostet Dich wenigstens das Essen nichts. Das Geld, was Du mir geschickt hast, kan ich sehr notwendig gebrauchen. Es grüßt Dich nochmals Deine Dir unvergeßliche Frau
Anna.
(Verwandlung.)
Spital in Leitmeritz.
Ein Austauschinvalide (zu seinem Bettnachbar, schwer atmend): Man darf nicht – die Geduld – verlieren. Es is ja doch schon – unsere vorletzte – Station. Dann wern s' uns – nach Prag – oder Wien – aber bald – komm ich-nach Postabitz. (Es wird eine Briefverteilung vorgenommen.) Vielleicht – von meiner Anna – (Er streckt die linke Hand nach einem Brief aus.) Gott – ja! (Er versucht sich aufzurichten. Er hält den Brief mit den Zähnen fest, öffnet ihn mit der Linken und liest. Er sinkt zurück, vom Schlage gerührt.)
(Verwandlung.)
Heimkehrerlager in Galizien.
Der Freund (schreibt einen Brief): – Besonders seit jene gefallen sind, wollte es mir nicht mehr passend scheinen, über mein verhältnismäßig doch erträgliches Los auch nur ein Wort der Klage zu verlieren. Aber ich bin nun nahe den Vierzig, habe Frau und Kinder und sonst noch einige Sorgen, die mir über den Kopf zu wachsen drohen, und muß nun schon das vierte Jahr (und wer weiß, wie lange noch!) im lächerlichen Glanz einer Wehrfähigkeit, die einen zum wehrlosesten Geschöpf auf Gottes Erdboden macht, vor der Willkür dieses hoffnungslosesten aller Kriege sozusagen ohnmächtig habtacht stehen. Das zehrt an den Nerven und zermürbt den Geist. Das bitte ich Sie in Nachsicht zu bedenken und mir zu verzeihen, wenn ich mich auch jetzt noch, da sich zweifellos manches zu meinen Gunsten gewendet hat, nicht wortlos über all das, was mein persönliches leidliches Ungemach betrifft, hinwegzusetzen vermag, obwohl meine Ehrfurcht vor dem Schweigen jener, denen Ihre ergreifende Totenklage gilt, groß und meine Erkenntlichkeit für alles, was Sie für mich – für mich, der ich noch am Leben bin! – getan haben, tief und unauslöschlich ist.
Gewiß, ich habe allen Grund, einem gütigen Geschick dankbar zu sein, das mich nun schon die längste Zeit der Front ferne hält. Aber ich weiß nicht – vielleicht bin ich schon zu benommen, um mir dessen als einer Wohltat auch recht bewußt zu werden; und manchmal – denken Sie! – ist mir sogar, als hätte ich draußen in der Gefahr mitunter freier geatmet, freier als hier in der Geborgenheit. Das mag eine Selbsttäuschung sein oder, wenn nicht, darin begründet sein, daß draußen der Lebenswille das Blut doch seltsam erregt, während ich hier von Angst gelähmt bin, es könnte der Lebensüberdruß mir schließlich zum Lebensinhalt werden. Was das betrifft, kann ich nur sagen, daß mir die Schrecken der Kriegsmaschine – im übertragenen Sinne wenigstens – nie so nahe gegangen sind wie die Qual, die mir gegenwärtig die Verbannung in ein Offiziersmilieu bereitet, das – zumeist aus ungarischen Juden bestehend – sich bei näherem Zusehen als ein Konsortium uniformierter Schleichhändler enthüllt. Dazu die Trostlosigkeit des äußeren Aspekts dieses Lagers, das – ein rechtes Sinnbild unseres Elends – die eigenen heimgekehrten Soldaten wie wilde Völkerschaften hinter einer rostigen Stacheldrahtumfriedung zur Schau stellt, während Jammergestalten mit aufgepflanztem Bajonett die Eingänge und insbesondere ein Haupttor bewachen, das im flatternden Schmuck von Fähnchen und Girlanden die gemütvolle Aufschrift »In der Heimat willkommen!« trägt. Gott, man begreift ja diese wie manche andere peinliche, fast rührende Verlegenheit, in die die Staaten Europas, und vollends der unsere, durch diese Riesenkriegsblamage gestürzt wurden; und stünde man draußen – außerhalb des Gitters –, ließe sich das Ganze allenfalls mit Humor betrachten (zumal jetzt, wo die Heimkehrer vorziehen, an der Grenze Kehrt zu machen und in das russische Chaos zurückzuflüchten). Aber wenn man sozusagen Zwangsangestellter dieses ärarischen Jahrmarktbetriebes ist, und wenn man, in die Seele dieses Unternehmens vordringend, auf einen Konzern von Geschäftemachern stößt, der Lebensmittel, die im Handeinkauf beschafft dem Hunger jener armen Teufel zu Leibe rücken sollten, im Dunkel eines Hinterlands verschwinden läßt, das keinen Hunger – nur den nach Geld – kennt; wenn einem ein Exportkommis zu befehlen hat, dem, als er mich jüngst bei der Lektüre der Fackel überraschte, der verdutzte Ausruf entfuhr: »I du meine Güte – fackelt der noch immer herum?!« – dann dringt einem kalter Schweiß aus den Poren und man möchte nicht nur aus dem da, sondern überhaupt aus dem Affenzwinger dieser Zeit und dieser Welt bisweilen ausbrechen!
Und nun stellen Sie sich vor, daß ein Ausruf wie der eben zitierte sich so aufs Geratewohl vor einen hinspuckt, während man »Zum ewigen Frieden« und andere Gedichte liest! In einem Augenblick vielleicht, da ich mir denken mochte, was ich hier nur im Bilde anzudeuten wage: Nie noch war Ihr Herz so heilig bloß gelegen! Wie doch sein Sturm verebbt im Rauschen der Tiefe, im Gesang der Höhen! Wie ein leuchtendes Gestade taucht es auf im Schleier Ihrer Verse: Morgenland der Kindheit – Morgenland der Menschheit! Und alles von heut scheint plötzlich wie von gestern. Die junge alte Gotteswelt!
So ungefähr sah ich das Antlitz Ihrer Schöpfung, als mir das Untier sie besudelte. Indem ich an Sie schreibe, fühle ich erst, wie ich doch wieder ganz voll Lebensmut bin. Uns, denen die Verewigung im eigenen Geist versagt geblieben ist, muß genügen, was uns an irdischem Wunsch, an irdischer Bestimmung erfüllt wurde; auch wenn der Zufall des geborenen Sohns nur die Bestimmung unserer Sterblichkeit verewigt. Vielleicht ist die Liebe zu meinem Sohn (der mir die rührendsten Zeichnungen und Briefe schickt – »uns geht es bis jetzt noch gut« hat er mir neulich geschrieben) – vielleicht ist sie nur deshalb so schmerzlich und tief. Denn, wie in Ihrem »Halbschlaf«, irgendwo wartet doch überall der ungeborne Sohn.
Nun aber leben Sie wohl! Doch, noch eins: Ihr Zitat von Goethe an die Frau v. Stein! Wie habe ich die Wahrheit dessen empfunden hier im Verkehr mit unseren Heimkehrern! Da habe ich z. B. in dem Ort, an dem ich zuletzt war, eine Kompagnie gehabt, die aus Leuten der verschiedensten Nationalitäten bestand. Ich habe kein anderes Verdienst um sie gehabt, als daß ich mir die Aufbesserung ihrer Menage angelegen sein ließ und sie, anstatt mit ihnen zu exerzieren, auf die Wiese führte, mir ihre Schicksale in der Gefangenschaft erzählen ließ und ihnen, wo es nötig war, ein bißchen in der Korrespondenz mit ihren Angehörigen nachhalf. Wie rührend haben mir dies die Leute vergolten! Als die Kompagnie abmarschbereit stand, traten von jeder Nationalität – Deutsche, Ruthenen, Polen, Czechen, Italiener, Bosniaken – zwei Mann vor und sprachen mir im Namen ihrer Landsleute den Dank aus. Nach ein paar kurzen Abschiedsworten meinerseits brachten sie ein dreifaches Hoch auf mich aus, ein Schriftsetzer aus Wien sprang noch schnell aus der Einteilung mit der Frage, ob er mir von Wien eine Karte schreiben dürfe, und mit Mützenschwenken marschierte dann die Kompagnie in den schönen Frühlingsabend hinein zur Bahn. Unser Oberstleutnant, der von ferne zugesehen, fragte mich dann: »Sie haben wohl ein Hoch auf den Kaiser ausgebracht?«, was ich selbstverständlich bejahte. –
(Verwandlung.)
Nach der Winteroffensive auf den Sieben Gemeinden. Exerzierplatz in der Etappe. Die Überreste eines Regiments, jeder Mann Zu einem Skelett abgemagert. Mit den zerfetzten Monturen, dem zerrissenen Schuhwerk und der verdreckten Unterwäsche ist es auf den ersten Anschein ein Haufe kranker und zerlumpter Bettler. Sie erheben sich müde, üben Gewehrgriffe und machen Salutierübungen.
Erster Kriegsberichterstatter: Wie sie aufleuchten wern, wenn sie hören wern, der oberste Kriegsherr, der soeben bei seinen tapferen Truppen an der Front weilt, geruhe, das siegreiche Regiment zu besichtigen.
Zweiter Kriegsberichterstatter: Er weilt noch an der Front, in Gries bei Bozen, aber gleich wird er da sein. Mir scheint, sie wissen es schon.
Ein Soldat (zu einem andern): Jetzt kommt er her, der Lackl!
Zweiter Soldat: Draußen laßt er sich eh net anschaun!
Erster Kriegsberichterstatter: Der Kaiser genießt unter den Soldaten ein blindes Vertrauen.
Zweiter Kriegsberichterstatter: Sie sind schon glücklich, wenn er sie nur anlächelt, die Braven.
Ein Hauptmann: Fixlaudon, bißl fescher, gleich kommt Seine Majestät! Natürlich, Urlaub – das schmeckert euch. Habts glaubt, weil ihr in die Retablierung kommts, wird's an Urlaub geben. An Dreck. Seine Majestät kommt zur Besichtigung seines glorreichen Regiments und da darf kein Mann fehlen, Bagasch überanand!
Erster Kriegsberichterstatter: Schaun Sie her, das is interessant, was jetzt geschieht. Sie ziehn sich um. Neu ausstaffiert wern sie, vom Scheitel bis zur Sohle.
Zweiter Kriegsberichterstatter: Was geschieht mit den alten Fetzen?
Der Erste: Die kriegen sie wieder, wenn der Kaiser weg is.
Der Zweite: Die Kompagnien sind auf einen Stand von 15 bis 60 Mann gesunken, die wird man doch natürlich auffüllen –?
Der Erste: Was heißt man wird? Sie sind doch grad dabei – dorten – schaun Sie her, wie sie auffüllen. Man wird doch dem Kaiser nicht Verluste von 2.500 Mann zeigen, was glauben Sie!
Der Zweite: Mit was für Material wird aufgefüllt?
Der Erste: No mit Schuster, Schneider, Offiziersdiener, Köche, Tragtierführer, Pferdewärter, Marode und so – alle haben sie doch schon Gewehre und exerzieren schon. Wenn er nur schon da wär! Die Kälten soll ein anderer aushalten.
Der Zweite: Schaun Sie, was sie jetzt machen – was is das?
Der Erste: No das is doch klar, die dekorierte und besser aussehende Mannschaft wird ins erste Glied geschoben, sie wechseln aus.
Der Zweite: Das seh ich, aber was machen sie am Gesicht?
Der Erste: Was sie am Gesicht machen? Das wissen Sie nicht, Sie blutiger Laie? Sie reiben sich das Gesicht mit Schnee ein, damit jeder Mann eine gesunde Gesichtsfarbe kriegt, auch die Kranken.
Der Zweite: Das is eine glänzende Idee! Schaun Sie her, wie sie schon blühend aussehn! Was geschieht aber jetzt? Etwas wird verteilt.
Der Erste: Karten mit dem Bildnis des Kaisers. Dafür kriegen sie um die Hälfte weniger Brot.
Der Zweite: Da wern manche sein, was mit dem Tausch zufrieden sind, die Tapfern! – Gotteswillen, die Autos – hören Sie nicht?
(Automobile kommen. Dickleibige Gestalten entsteigen ihnen, darunter eine schmächtigere, in dichtes Pelzwerk gehüllt, mit großen Ohrenwärmern. Man siebt kaum mehr als Zwei Wülste von Lippen.)
Der Erste: Sehn Sie, da können Sie es einmal erleben: der oberste Kriegsherr inspiziert an der Front die Truppen, die soeben aus der siegreichen Schlacht kommen, und läßt sich mit dem einfachsten Mann in ein Gespräch ein.
Der Zweite: Sein Wesen ist gewinnend. Sehn Sie sich an, wie ihm die Herzen zufliegen.
Der Erste: Jetzt elektrisiert er.
Der Zweite: Wenn man nur hören könnte, was er sagt, was sagt er?
Der Erste: Nichts. Aber er lächelt.
(Man hört nun, von Mann zu Mann, von Zug zu Zug, in einem regelmäßigen Abstand von je fünf Sekunden entweder »Aha! Sehr schön!« oder »Aha! Sehr gut!« oder »Aha! Sehr brav!« oder »Aha! Nur so weiter!« Es dauert zwei Stunden. Verabschiedung von den Offizieren. Die Automobile fahren ab.)
Der Oberst (zum Major): Folgender Abendbefehl ist zu verlautbaren: »Seine Majestät hat sich über das Regiment besonders lobend ausgesprochen. Der Geist und das Aussehen der Truppen ist hervorragend, der Mut, der jedem einzelnen aus den Augen blickt, ein unvergleichlicher. Besonders freute sich Seine Majestät über die geringen Verluste, die das Regiment erlitten. Seine Majestät schloß: »Nicht wahr, Herr Oberst, das Regiment wird auch wie bisher zu den treuesten Truppen seines Kaisers, seines Vaterlandes zählen und in den bevorstehenden Kämpfen, die wohl hart, dafür aber siegreich sein werden, voll und ganz seinen Mann stellen und so Lorbeer an Lorbeer an seine Fahne heften.« Ich erwiderte: »Jawohl, Majestät, ich verspreche es.««
Der Hauptmann (zu den Soldaten): Was ihr heute erlebt habts, davon könnts ihr noch euern Kindern und Kindeskindern erzählen, wanns wollts! Jetzt aber heißt es: Auf zu neuen Schlachten und Siegen! Und vor allem – ziagts gschwind die neuchen Uniformen aus!
Der erste Kriegsberichterstatter: No steht das dafür? Sie, das is wirklich kein Vergnügen, bei 28 Grad!
Der zweite Kriegsberichterstatter: No was hab ich Ihnen gesagt? Mir paßt der Dienst schon lang nicht! Mein Ressort is Theater – der Hoehn weiß doch l Ich wer einfach mit dem Divisionär sprechen, was mit dem Fronttheater is. Die Idee hat ihm imponiert.
Der Erste: Fronttheater? Sie schminken sich doch schon ab!
(Verwandlung.)
Hofburg. Pressedienst.
Hauptmann Werkmann (diktierend): Verehrliche Redaktion! Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie die heute erscheinenden, gewiß nicht zu langen Berichte über die Truppenbesichtigungen durch Seine Majestät und den Besuch Ihrer Majestät in der Ottakringer Kriegsküche tunlichst ungekürzt bringen wollten. Ich möchte besonderen Wert auf die Schilderung der Seiner und Ihrer Majestät dargebrachten Huldigungen legen. Ich selbst war Zeuge dieser wirklich überwältigenden Begrüßungen und habe in meinem Bericht gewiß nicht zu viel gesagt. Nehmen Sie im voraus meinen verbindlichsten Dank entgegen. Ihr ganz ergebener –
So und jetzt das:
Verehrliche Redaktion! Es liegt mir sehr viel daran, daß der Bericht über ein von Seiner kaiserlichen Hoheit Herrn Erzherzog Max geleitetes Sturmunternehmen, welcher in der Österreichisch-ungarischen Kriegskorrespondenz vom 27. d. veröffentlicht werden wird, möglichst allgemein veröffentlicht werde. Ich bitte Sie daher um zuverlässige Übernahme dieses Berichtes in Ihr sehr geschätztes Blatt. Nehmen Sie im voraus meinen verbindlichsten Dank entgegen. Ihr ganz ergebener –
(Verwandlung.)
Kärntnerstraße. Passanten umringen einen Operettentenor. Ein Hofwagen hält. Die Passanten grüßen. Ein Lakai öffnet den Wagenschlag.
Erzherzog Max (aus dem Wagen rufend): Serwas Fritzl! Kummst mit zum Sacher?
Der Operettenchor: I kann net, kaiserliche Hoheit – i wart auf ein Madl! (Hochrufe für beide.)
Erzherzog Max: Ah so. Alstern serwas!
(Der Lakai schließt. Der Hofwagen fährt davon.)
Ein Zeitungsausrufer: – Erfolge am Piavee!
(Verwandlung.)
Eine Seitengasse. Unter einem Haustor ein Soldat mit zwei Medaillen auf der Brust. Die Kappe hängt ihm tief über das Gesicht. Ihm Zur Seite seine kleine Tochter, die ihn geführt hat und sich nun bückt, um einen Zigarettenrest vom Trottoir aufzuheben, den sie ihm in die Tasche steckt. Im Hofe des Hauses ein Invalide mit einem Leierkasten.
Der Soldat: Jetzt sind's schon genug. (Er zieht eine Holzpfeife hervor, in die das Mädchen den Tabak der Zigarettenreste hineinstopft.)
Ein Leutnant (der vorbeigekommen ist, dreht sich um, barsch): Können Sie nicht sehn?
Der Soldat: Nein.
Der Leutnant: Was? – Ah so – (Er entfernt sich. Der Soldat, geführt von dem Kind, in die andere Richtung. Der Leierkasten spielt den Hoch Habsburg-Marsch.)
(Verwandlung.)
Armeeoberkommando.
Ein Major (zu einem andern): Von denen Fronten hat ma wirklich nix wie Verdrießlichkeiten. Schon wieder so Teuxelsberichte, wo ma rein nicht weiß, was ma machen soll. Gib ichs dem Waldstätten, wird er wüld, gib ichs ihm nicht, wird er aa wüld. Alstern was soll ma machen? Schau her –
»Bei manchen Regirnentern ist eine Aufbesserung der Verpflegung dringend geboten, um die Leute in physischer Hinsicht in Schwung zu erhalten. Bei einer Division beträgt das Durchschnittsgewicht des Mannes 50 Kilogramm.« No also! – Und das:
»Jeder Deserteur im Hinterland, selbst wenn er in den Wäldern versteckt leben muß, kann sich besser ernähren als der Soldat an der Front.« Deserteur! Wie man nur so was hinschreiben kann! »Was die Bekleidung betrifft, so ist oft keine volle Garnitur mehr vorhanden, da Hemd oder Unterhose oder beides fehlt. Der eine hat keinen Ärmel mehr am Hemd, dem andern fehlt der Rückenteil, der dritte besitzt nur halbe Unterhosen oder Fragmente von Fußfetzen. Malariafiebernde müssen nackt warten, bis ihre Fetzen gewaschen und getrocknet sind.« Fetzen! Der Ton, den sich die Front gegen unsereinen erlaubt! Das is ja rein, als ob wir verantwortlich wären, war net schlecht! »Bei einem Regiment fehlt jedem dritten Mann der Mantel. Feldwachen mit Helm und Mantel ohne Hosen kommen vor.« Noja, muß gspaßig zum Anschaun sein. »Von soldatischem Ehrgefühl kann da nicht mehr gesprochen werden, die einfache Menschenwürde ist da verletzt.« No no, soll sich nix antun. Ein Ton is das! Diese Leute an der Front begreifen weder die eisernen Kriegsnotwendigkeiten noch wie man mit dem AOK zu verkehren hat. Das ist ja rein, als ob wir den Krieg angfangen hätten! Und auf was für Ideen die Leut kommen. Schau her:
»Um die Stimmung zu heben, würde es sich empfehlen, die jüngeren Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses bei Kampftruppen und an schwierigeren Frontabschnitten einzuteilen.« Also da muß ich bitten – das is schon Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses! Nein lieber Herr, um den Preis wern wir die Stimmung nicht heben – die wern wir denen Herrschaften schon anders heben! Das is schon der reine Defaitismus – Mitglieder des angestammten Herrscherhauses an die Front schicken! War net schlecht!
Der andere Major: Was regst dich auf? Gingerten s' denn?
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Optimist: Glauben Sie mir, der junge Kaiserder junge Kaiser – Karl I., siehe Akt II Szene 3 macht den Eindruck eines Mannes, der sich auf seinen Herrscherberuf gründlich vorbereitet hat.
Der Nörgler: Das glaube ich ohneweiters, als Thronfolger hatte er ja ein mit »Muskete«-Bildern austapeziertes Arbeitszimmer.
Der Optimist: Sie glauben gar nicht, wie ernst er geworden ist.
Der Nörgler: Kein Wunder bei einem, der in keine Operette mehr geht, seitdem der »Walzertraum« nicht mehr gegeben wird.
Der Optimist: Erlauben Sie mir, wenn man den »Walzertraum« schon fünfzigmal gesehn hat –
Der Nörgler: – dann muß der Mensch ernst werden, das ist wahr.
Der Optimist: Es hat sich auch sonst viel um ihn verändert. Die Schwärmerei der Jugend –
Der Nörgler: – für das Papageienkabarett –
Der Optimist: – die schöne wilde Garnisonszeit in Brandeis –
Der Nörgler: – das Kino in Reichenau –
Der Optimist: Da geht er auch nicht mehr hin.
Der Nörgler: Nach seinem hundertsten Besuch soll er erklärt haben, daß es ihm schon zu fad ist.
Der Optimist: Nein, glauben Sie mir, Sie unterschätzen seine geistigen Qualitäten.
Der Nörgler: Ich bin überzeugt, daß sein Gesicht eine Übertriebene Vorstellung von ihm gibt. Erst neulich hat mir jemand, der ihn kennt, versichert, daß er es gut auffaßt. Das ist das höchste Lob, das Monarchisten für den Gegenstand ihrer Ehrfurcht aufbringen, wenn sie einen Zweifler bekehren wollen. Eigentlich sollte aber die Vorbedingung für den Herrscherberuf sein, daß ein Monarch besser auffaßt als seine Untertanen.
Der Optimist: Ist es ihm nicht hoch anzurechnen, daß er den Frieden will?
Der Nörgler: Auch diese Eigenschaft erhebt ihn nicht über die meisten Angehörigen seiner Monarchie. Ich zum Beispiel will den Frieden noch mehr und habe sogar noch keine Lüge ausgesprochen, um ihn zu vereiteln, wo ich durch die Wahrheit ihn hätte herbeiführen können. Und unsereins hat nicht einmal die Möglichkeit, auf einen Thron zu verzichten, wenn man einen Krieg nicht zu führen oder nicht fortzusetzen wünscht.
Der Optimist: Das ist das einzige, was an ihm ausgesetzt wird: er ist wankelmütig, wer zuletzt mit ihm spricht, behält recht.
Der Nörgler: Die Vielfältigkeit seiner Ansichten ist verblüffend. Denn er sieht aus, als ob er nur einfältig wäre.
Der Optimist: Aber alles in allem muß man doch zugeben, daß seine Entwicklung überraschend ist. Man hat Gutes von ihm erwartet und er hält, was er versprochen hat.
Der Nörgler: Das schon. Aber nicht, was er verspricht.
Der Optimist: Seine Zwiespältigkeit – daß er heute so und morgen anders redet –
Der Nörgler: – kommt offenbar von dem Naturspiel einer sächsischen Habsburgerlippe.
Der Optimist: Aber alles in allem ist er doch ein gemütliches Haus. Man kann sagen, was man will –
Der Nörgler: Ja wissen Sie, leider kann man aber nicht sagen was man will. –
Der Optimist: Was würden Sie sonst sagen?
Der Nörgler: Daß ich nicht der Untertan eines Operettenlieblings sein möchte. Daß es mir unmöglich ist, mir den Herrn Marischka oder den Herrn Fritz Werner auf einem Thron vorzustellen. Daß es noch weit gräßlicher ist, für einen Feschak Ehrfurcht empfinden zu sollen als für einen Lemur. Daß ich es unerträglich finde, von einem Schönpflug-Modell regiert zu werden. Von einem, der lächeln kann und immer lächeln – und den Mund nie zukriegen wird. Von einem Grüßer, der in der dazugehörigen Stellung verharrt.
Der Optimist: Und den lustigen Text zu dem Bild macht er auch. Er soll kürzlich bei der Hoftafel das köstliche Mot geprägt haben: »Was ist das Gegenteil von Apponyi? – A Pferd!«
Der Nörgler: Ich höre das wiehernde Gelächter derer, die uns ih den Tod schicken können. Nein, es geht nicht. Den Winterfeldzug mache ich nicht mehr mit.
Der Optimist: Aber schauen Sie, Sie können ihm doch seinen Humor nicht ernstlich zum Vorwurf machen. Er hat eben die sprichwörtliche Leutseligkeit der Habsburger geerbt, von der nur Franz Ferdinand eine Ausnahme gemacht hat, und sogar Harden, der doch gewiß einen Kronzeugen abgibt, hat große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Nämlich damals, als er nach der Sarajevoer Mordtat sich lächelnd am Arm seines Großonkels –
Der Nörgler: – Grußonkels dem Volke zeigte, der sogar durch seine Aufgeräumtheit das Bulletin Lügen gestraft hat, er habe zum Zeichen seiner tiefen Trauer das Dejeuner allein eingenommen. Vorgänger und Nachfolger empfahlen sich grüßend dem p. t. Publikum. Der Nachfolger rechtfertigte sogleich die an ihn geknüpften Hoffnungen durch den historischen Ausspruch: »Also – fahr' mr!«
Der Optimist: Übersehen Sie nicht die symbolische Bedeutung, die solchen Aussprüchen innewohnt.
Der Nörgler: Wie sollte ich? Der Vorgänger hat durch das Wort: »Die Linienwälle müssen fallen« in das Bollwerk der alten Zeit Bresche geschlagen.
Der Optimist: Und der Kronprinz Rudolf hat bekanntlich die Hoffnung ausgesprochen, daß ein »Meer von Licht« erstrahlen werde –
Der Nörgler: – als die Elektrizitätsausstellung eröffnet wurde. Aber wenn der sterbende Goethe nicht, wie die Legende behauptet, »Mehr Licht!« gerufen hat, sondern nur: »Macht doch den zweiten Fensterladen auf, damit mehr Licht hereinkomme«, so dürfte mehr Licht darin gewesen sein als in sämtlichen Habsburgerworten, die freilich nach dem allerhöchsten Tarif von den ausstellenden Firmen geschätzt wurden und deren gehirnlähmende Wucht den von den Habsburgertaten heimgesuchten Völkern den Rest gegeben hat. Immerhin hat der Kronprinz Rudolf, dessen Gestalt zwischen den Fiakern Bratfisch und Mistviecherl kommenden Drahrergeschlechtern vorleuchten wird, seinen Kulturdurst bei Szeps und Frischauer befriedigt. Jedennoch, trostlos sind diese Habs- und Kalksburger als Wegbahner des Fortschritts, unter deren Ägide den Wissenschaften und Künsten nichts anderes übrig blieb als zu blühen. Ich meine, daß man sich nur wenige von ihnen mit einem Buch in der Hand vorzustelIen vermöchte, nicht einmal mit einem von Smolle über die Vorzüge des Doppelaars. Ihrer aller geistiges Adelszeichen war, »gut aufzufassen«, was sie schlecht behalten haben. Aber von allen Aussprüchen Franz Josephs erscheint mir doch der im Anblick des Aquariums einer Kochkunstausstellung gesprochene als der authentischeste. Er sprach: »Ah, Goldfische, die schwimmen ja wie natürlich!« Die geistig regsamsten und zugleich verläßlichsten unter den Habsburgern dürften noch die homosexuellen gewesen sein, und wenn von einem eine menschliche Regung überliefert wird, so liegt er gewiß auf Mallorca begraben und nicht in der Kapuzinergruft. Die andern, die ihre welthistorische Bestimmung, die Hausmacht durch Heirat zu mehren, ausleben konnten, und jene, die ihr zuwider das glückliche Österreich durch Kriegführung verkleinert haben, sie alle haben mehr Kaiserwetter gehabt, als ihre Völker Verstand. Sonst wäre das angestammte Pech, von Individuen regiert zu sein, denen man günstigsten Falls nichts anderes nachsagen konnte, als daß sie nicht beleidigt werden durften, längst unerträglich gewesen und der Übelstand, daß es im zwanzigsten Jahrhundert nicht nur Erzherzoge gab, sondern auch Hurentreiber von Beruf, die sich solche Würde zusprachen, noch vor einem verlorenen Kriege behoben worden. Der Gehirndruck, der von diesen Existenzen ausging, wird erst in seiner ganzen vernichtenden Schwere gefühlt werden, wenn er gewichen sein wird, was demnächst geschehen dürfte. Das walte Gott, der lange genug von einer opferfreudigen Bevölkerung angerufen wurde, sie zu erhalten und zu beschützen. Ich hoffe den nächsten 18. beziehungsweise 17. August schon ohne die illuminierte Bereitschaft der Arschlecker zu feiern, die sich zu diesem Berufe in die Kurorte begeben hatten, und ohne die nachhallenden »Auch hier«-Schreie einer ehrlosen Presse, die es noch im Weltkrieg gewagt hat, diese Hinterlandsgemeinde vor der Front unseres blutigen Leides aufzubieten und die Flüche von Millionen Müttern in den Hochrufen der kaiserlichen Räte zu ersticken. Österreich, das ewige Weiland seiner kaiserlichen Hoheit, wird erst dann zu sich kommen, wenn es eines Tages erkennt, daß dort kein Gras wächst, wo ein elastischer Schritt hintrat; wenn es sich besinnt, Republiken zu bilden statt Spaliere, und mit jähem Entschluß den Salvators und Annunziatas das Hofwagentürl vor der Nase zuschlägt.
Der Optimist: Das scheint aber noch in weiter Ferne zu liegen. Denn der Wagen der Blanka schien mir neulich erst respektvollste Beachtung zu finden, und wenn am Graben eine Verkehrsstockung entsteht, so ist sicher die anziehende Erscheinung des stattlichen Erzherzogs Eugen die Ursache.
Der Nörgler: Unleugbar ist insbesondere die Popularität des Erzherzogs Max, der vom Vater die Frohnatur geerbt hat, unter Umständen sogar über Särge zu galoppieren, wozu ja der Weltkrieg reiche Gelegenheit bieten würde.
Der Optimist: Nur ein Nörgler kann es ihm übelnehmen, daß er –
Der Nörgler: – während der siebenten Isonzoschlacht eine Würstelsoiree im Polo-Klub veranstaltet hat, von der Gäste und Musikanten in Hofautomobilen transportiert wurden. Daß man gezwungen war, aufzustehen oder sein Haupt zu entblößen, wenn es dem blödgemachten Volke gefiel, einem seiner Gut- und Blutegel zu huldigen, einen dieser parasitischen Dummköpfe hochleben zu lassen, die auch während einer Offensive ihren Orgien und Bubenstreichen nicht entsagen konnten, erfüllt einen mit tiefer Scham, wie uns die Erinnerung an die offenbar zeitgebotenen Zusammenhänge von Kapuzinergruft und Nachtcafé mit Ekel überwältigt. Wer hätte sich nicht dieses lebendigste dynastische Gefühl für die spezifische Kaisertreue bewahrt, die unlösbar mit der dunstigen Vorstellung eines Animierlokals verknüpft bleibt, wo es plötzlich allerhöchst hergeht, zwischen den Gassenhauern der Liebe das Vaterland in seine Rechte tritt und, da die geweihten Melodien einer verblichenen Glorie schon durch die kriegerische Gegenwart entehrt sind, die nur hier denkbare Schmach ehrfürchtig gesinnter Schieber, Büffetdamen, Diebe und Wurzen aller Grade sich von den Sitzen erhebt unter Assistenz flaschenfertiger Kellner, des Garderobepersonals und last not least der Toilettefrau. Es war das Milieu, in dem die Liebe zum angestammten Herrscherhaus am tiefsten verwurzelt war. Monarchisten, die nicht alle werden, die in einem Krieg nicht aussterben und die es selbst nach diesem noch geben wird, halten die majestätsbeleidigenden Eigenschaften einer regierenden Familie für nebensächlich und für ein Erbteil aller Dynastien. Aber sie werden nicht leugnen können, daß die Evidenz und Aufdringlichkeit dieser Eigenschaften, die Entartung in den Erlaubnissen einer gelockerten Zeit, die Skandal- ja Kriminalreife höchster Vorbilder in einer durch sie ausgebluteten Welt der monarchischen Idee nicht eben förderlich ist und daß diese einigermaßen von der Reue beeinträchtigt werden dürfte, einen Weltkrieg für eine Familie unternommen zu haben, die keinen Schuß Pulver wert ist. Wenn eine kaiserliche Hoheit nicht nur Generalinspektor der Artillerie, sondern auch Armeelieferant ist und im Treubund mit einem Schieber ein Millionengeschäft entriert, das zur Aushungerung der Front wesentlich beiträgt, dann muß die Volkshymne ehestens einen neuen Text bekommen, weil sonst die Verwechslung von Lorbeerreisern und Dörrgemüse unvermeidlich wäre. Lemuren, die a Ruh haben wollten und darum Krieg geführt haben, und Feschaks, die in ihm gedraht und gewuchert haben, werden uns nicht mehr regieren!
Der Optimist: Das, was uns alle in Wahrheit regiert, ist –
Der Nörgler: – das Gesicht des Wolf in Gersthof! Da sehen Sie ihn! Erinnern Sie sich an meine Prophezeiung? Vier Jahre und wie ist er gewachsen! Der blutige Blick ist da und doch waltet Milde über diesem österreichischen Antlitz.
Der Optimist: Sie übertreiben. Danach wäre er ein Symbol unseres Wesens geworden wie der Kopf Hindenburgs für das preußische?
Der Nörgler: Da können wir nicht ran. Gut schaun mr aus – aber nicht so ernst und zuversichtlich! Wie einst Vater Radetzky auf uns obaschaute, so blickt jetzt das Haupt dieses abgeklärten Fiakerkutschers auf unser Wirrsal hernieder.
Der Optimist: Mein Gott, so ein Plakat – das besagt nichts weiter als –
Der Nörgler: – daß Millionen dahingehen mußten; er aber überlebt, ist überlebensgroß! Wenn aufs Jahr die Feinde kommen, die wern schaun!
Der Optimist: Ganz vermöchten Sie diese Verbindung zwischen einem Plakat und dem Weltkrieg doch nicht auszudenken.
Der Nörgler: Usque ad finem! Wenn man die Plakate erschossen hätte, wären die Menschen erhalten geblieben.
Der Optimist: Ich vermag Ihnen auf diesem Gedankengang nicht zu folgen.
Der Nörgler: Bleiben Sie getrost zurück. Der Monolog, den ich mit Ihnen führe, hat Sie erschöpft. Die Realitäten, die Sie nicht sehen, sind meine Visionen, und wo sich für Sie nichts verändert hat, erfüllt sich mir eine Prophezeiung. Zwischen meiner Voraussage, daß der Weltkrieg die Welt in ein großes Hinterland des Betrugs, der Hinfälligkeit und des unmenschlichsten Gottverrats verwandeln wird, und meiner Behauptung, daß es geschehen sei, liegt nichts als der Weltkrieg. Um dieser Behauptung dieselben Zweifel entgegenzustellen wie jener, brauchen Sie nichts zu tun, als den Zustand der Welt auszuschalten. Sind Sie nicht ein Nörgler am Ideal, dessen Entehrung durch die Welt Sie gewähren lassen? Ich Optimist muß, da sich meine Prophezeiungen erfüllen, es erleben, daß mein frömmster Wunsch unerfüllt blieb. Am Ursprung dieses Unheils hatte ich Gott gebeten, es in Stadt und Staat die Mißgebornen fühlen zu lassen, daß es vollbracht ist. Aber er hat nicht ihr Blut genommen zur Sühne für die Tat, die am Anfang war, das Blut der Betrüger, der Hinfälligen und der Gottesverräter. Er ließ sie dafür das Blut der andern opfern und unversehrt den Mord der Welt überleben. Wahrlich, wenn Gottes Wege nicht unerforschlich wären, so wären sie unbegreiflich! Warum doch hat er uns kriegsblind gemacht! Hier tappen sie durchs Leben, Krüppel und Gelähmte, zitternde Bettler, altersgraue Kinder, irrsinnige Mütter, die von Offensiven geträumt hatten, Heldensöhne mit den Flackeraugen der Todesangst, und alle, die keinen Tag mehr haben und keinen Schlaf und nichts mehr sind als die Trümmer einer zerbrochenen Schöpfung. Und dort lachen jene, die sich des Eingriffs vermessen haben, des Richters über den Sternen, der zu hoch thront, als daß sein Arm sie erreiche. Ist's nicht erfüllt? Keine Narbe bleibt ihrer Seele, die nie verwundet ward von dem, was sie getan, gewußt, geduldet. Der Menschheit ist die Kugel bei einem Ohr hinein und beim andern hinausgegangen. Weg von diesem lachenden Grauen! Weg von diesem österreichischen Antlitz, von dem unendlichen Behagen dieser Blutlache!
(Verwandlung.)
Stadtpark. Mittag. Eine unübersehbare Menschenmenge umsteht die Terrasse des Kursalons.
Ein Zeitungsausrufer: Mittagszeitung! Die Piaveschlacht! Der österreichische Sturmangriff!
Eine Dame: Gott ich bin so aufgeregt –
Eine Zweite: No zeichnest du denn Kriegsanleihe?
Die Erste: Ich? Was fallt dir ein, begierig bin ich –
(Das Publikum wird ungeduldig.)
Ein Herr: Meine Herrschaften bitte nicht drängen –!
Ein Göttergatte: Du wirst sehn, es is ein Aufsitzer!
Die Göttergattin: Also wenn ich dir sag wenn in der Zeitung früh gestanden is –
Der Gatte: Hier hast du die >Zeit< – wo steht das bittich?
Die Gattin: No bist du blind? Hier an der Spitze, noch vor dem Leitartikel –
Der Gatte: Auf Ehre. An der Stelle hab ich es nicht vermutet – (er liest) Heute Donnerstag den 23. Mai, mittags ½ 1 Uhr wird auf der Terrasse des Kursalons im Stadtpark Herr Hubert Marischka vom Theater an der Wien jener Dame, welche das größte Opfer für die VIII. Kriegsanleihe bringt, einen Kuß verabreichen. – Also das sag ich dir im Voraus, du wirst mir kein Opfer für die VIII. Kriegsanleihe bringen, hörst du?!
Die Gattin: No no, reg dich nicht auf, ich will mir doch nur ansehn! Glaubst du, daß alle was gekommen sind, gleich Kriegsanleihe zeichnen wern? Man will doch bloß sehn!
Der Gatte: Man wird doch da sehn – du wirst sehn, es is ein Aufsitzer. Komm weg aus dem Gedräng! Weißt du was es sein wird – ich wer' dir sagen, ein Film wird es sein!
Die Gattin: Du möchtest einem alles vermiesen! No und wenn es schon ein Film is – sieht man doch auch den Marischka, wie er einen Kuß gibt.
Der Gatte: Auch ein Vergnügen, wenn es gestellt ist!
Ein dicker Schieber (am Arm eines Mädchens, trällernd) : Kissen is keine Sind – a scheenes Kind –
Das Mädchen: Geh hör auf, das is doch vom Girardi, den hab ich nie leiden können!
Ein Begleiter: Nicht ausstehn hab ich ihn können. Mein Mann is der Thaller.
Stimme eines Skeptikers: No und der Treumann is e Hund –?
Fräulein Körmendy: Gott der Marischka, ich bin so aufgeregt!
Fräulein Löwenstamm: Ich zeichne nur Kriegsanleihe, wenn der Storm einen Kuß gibt!
Fräulein Körmendy: Gott dort kommt –
Fräulein Löwenstamm: – der Nästelberger!
Ein Feschak (zu einer Funzen): Kstiand meine Gnädigste – Ohne den Göttergatten –? Oh, ich hab für Gnädigste ein Protektionsplatzerl – Momenterl! –
(Murren im Publikum.)
Rufe: Es is ja nur ein Film! – Schwindel! – Wo bleibt der Marischka? – Hoch Marischka! – Es is doch ein Saschafilm! – Schwindel! – Die solln wem andern pflanzen!
Ein Zeitungsausrufer: Mittagsjournal! Die Vorbereitungen am Piave!
Ein Redner: Meine Herrschaften! Harren wir noch aus und Sie werden sehn –
Ein Anderer: Wenn es nur ein Saschafilm is, hätt man das gleich sagen sollen! Da sind viele Damen, die ein Opfer für die Kriegsanleihe gebracht haben, und jetzt stehn sie da!
Rufe: Pfui! – Schkandal! – Wo bleibt der Marischka!
Ein Dritter: Der Marischka soll abgesagt haben!
Eine Gruppe: Wie kommen wir dazu? – Jetzt stehn wir eine geschlagene Stunde da –! wir derstessn uns –! Unsere Frauen –!
Eine andere Gruppe: Bravo! So ist es! – Wo ist das Komitee? – Pfui!
Einer (kommt atemlos gelaufen) : Ich weiß ein Gerücht – Marischka hat abgesagt!
Ein Anderer: No natürlich – hab ich mir gleich gedacht – er wird doch nicht selbst küssen!
Ein älterer Herr (vor sich hinsummend) : Geh – sag – Schnucki zu mir –
Ein junger Mann mit Gürtelrock und weißen Gamaschen (trällert, indem er dabei tanzartige Bewegungen ausführt) : Sterngucker – Sterngucker – nimm dich in Acht –
Sein Freund: Du, wirklich wahr, du wirst ihm immer ähnlicher.
Die Steffi: Aber der ganze Marischka! Dezsö laß dich küssen!
Der junge Mann: Ich bin imstand und tritt für ihn auf.
Die Steffi: Untersteh dich.
Der junge Mann: No glaubst du, ich tausch mit dem Marischka –? (Obige Melodie.) Vierzehn Wa-gon hab ich – angebracht. (Gelächter.)
(Wachsende Unruhe im Publikum.)
Rufe: Was heißt das? – Komitee! – Wofür hat man uns hergelockt? – Pfui!
Ein Aufwiegler: So etwas is nur in Wien möglich! Die Leut glauben rein, daß man seine Zeit gestohlen hat!
Der Vertreter der Film-Gesellschaft (erscheint) : Hochverehrtes Publikum! Beruhigen Sie sich! Man hat Sie nicht betrogen! Es handelt sich um einen im Auftrag des k. u. k. Kriegspressequartiers aufzunehmenden Werbefilm für die Kriegsanleihe. Die Publikation, der die Saschafilmgesellschaft vollständig fernsteht, ist offenbar einem patriotischen Beweggrund entsprungen. Wir selbst hatten ein Interesse daran, daß die Filmprobe unter größtmöglichstem Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet, aber da Sie nun einmal erschienen sind –
Rufe: Bravo! – Schwindel! – Hoch Marischka! – Wo is der Marischka? – Wir wollen den Marischka sehn!!
(Das Publikum drangt unter lebhaften Hoch- und Pfui-Rufen vorwärts und stürmt die Terrasse, Zahlreiche Stähle und Tische werden umgeworfen, das Geländer der Terrasse zerstört und auch am übrigen Inventar beträchtlicher Schaden angerichtet.)
Der Restaurateur (ringt verzweifelt die Hände, ermannt sich aber und ruft dem Filmregisseur zu) : Sö – dös müassen S' zahln!
Die Menge: Marischka! Marischka!! Marischka!!!
Der Vertreter der Film-Gesellschaft (in größter Erregung) : Unter solchen Umständen – ist die Probe abgesagt!
Rufe: Eine Frechheit! – Was sich die Leut mit einem erlauben! – Pfui!! – Wo bleibt die Polizei? – So ein Skandal im Krieg! – Alles is zusammengebrochen!
(Es bilden sich Gruppen, die das Ereignis in größter Erregung besprechen.)
Die Göttergattin: Also er kommt nicht! Die ganze Kriegsanleihe kann mir –
Der Göttergatte: Gotteswillen –!
Die Gattin: Also gib wenigstens das Abonnoma auf die >Zeit< auf!
Der Gatte: Beruhige dich. No siehst du – also was hab ich gesagt?!
Die Gattin: Natürlich –! das freut dich –! so bis du –! geh weg, ich kann dich nicht mehr sehn! alles vermiesen –
Der Gatte (trällernd) : Weibi, Weibi, sei doch nicht so hart –
(Die Menge zerstreut sich.)
Der dicke Schieber: Gehma zahaus und sagma es war nix.
Ein Zeitungsausrufer: Mittagszeitung! Die Piaveschlacht! Der österreichische Sturmangriff!
(Verwandlung.)
Der Nörgler und der Optimist im Gespräch.
Der Optimist: Und was wäre dann der Heldenruhm?
Der Nörgler: Das ersehen Sie aus dieser Theaterkritik. Ich möchte sie mit Ihrer Stimme gelesen hören. Gibts ein Fronttheater, gibts auch eine Theaterfront. Oder auch umgekehrt. Der Wechsel ist schaurig.
Der Optimist (liest, zuweilen die Stimme erhebend) : Bürgertheater. Den Witwen und Waisen der Helden von Uszieczko galt der heutige Abend im Bürgertheater. Die Ersatzeskadron des k. u. k. Dragonerregiments Kaiser Nr.!! (Oberstleutnant Baron Rohn) hat für die Witwen und Waisen der bei Uszieczko gefallenen Kameraden eine Festvorstellung veranstaltet. In aller Erinnerung ist das ruhmvolle Heldenstück der Kaiserdragoner vor der Brückenschanze am Dnjestr. Gegen zahllose Stürme haben sie den vorgeschobenen Posten gehalten, der vielfachen Übermacht getrotzt, bis nach monatelangem heißen Streiten die Massen der Feinde die zu einem Trümmerhaufen gewordene Schanze endlich bezwingen konnten. Mitten durch die feindlichen Reihenbahnte sich das übrig gebliebene Häuflein der Kaiserdragoner, von seinem Kommandanten Oberst Planckh geführt, dennoch den Weg zu den Unsrigen. Die Tapferen von Uszieczko grüßte heute das Wiener Publikum auf der Bühne des Bürgertheaters und brachte ihnen eine stürmische Huldigung dar. Dieser schöne Gedanke, die Helden von Uszieczko zu feiern, lag dem szenischen Vorspiel zugrunde, das die feinsinnige heimische Dichterin Irma v. Höfer für diesen Anlaß verfaßt hat. Sie hat die Örtlichkeit der heißen Kämpfe zum Schauplatz der Szene gemacht, und Maler Ferdinand Moser hat die Landschaft am Dnjestr mit glücklicher Hand auf die Bühne gezaubert. Vor der Schanze, hinter der sich im Dämmerlichte des Mondes der Dnjestr wie ein Silberfaden hinzieht, sind die Kaiserdragoner gelagert, und die heute die Bühne belebten, standen noch vor kurzem im fürchterlichen Ringen am Dnjestr. Die meisten von ihnen trugen die wohlverdienten Auszeichnungen. Hofburgschauspieler Skoda interpretierte in der Uniform eines Dragoneroffiziers den gehaltvollen und fesselnden Prolog von Irma v. Höfer. Er erzählt von dem Ruhme der Kaiserdragoner, von den Heldentaten der »Elfer«, von dem Ausharren in allen Angriffen, ist von zündender Begeisterung und tiefem Empfinden erfüllt. Während der Kaiserdragoner im Morgen grauen den Überfall des Feindes er wartet, denkt er an sein Heim, an Mutter, Gattin und Kinder, streichelt und küßt die letzte Postkarte von den Lieben und geht darauf vor den Feind. Das Vorspiel von Irma v. Höfer ist eine poetische, formschöne Darstellung der letzten Heldentat der Kaiserdragoner und gibt in großen Umrissen die Geschichte des ruhmvollen Regiments. Nach der glutvollen Ansprache des Offiziers, die Herr Skoda mit rhetorischem Schwung und pathetischer Steigerung hinreißend vortrug, wurde das neue Regimentslied von Rittmeister Zamorsky, einem Helden von Uszieczko, mit dem anfeuern den Text von Frau Rittmeister Perovic gesungen. Dann zogen die Gestalten der Führer und Inhaber des berühmten Regiments vorüber, des Obersten Heißler, Prinz Eugen, Radetzky und schließlich unseres Kaisers. Der Regimentstrompeter blies »Zum Gebet!« Die Soldaten auf der Bühne knieten nieder und stimmten die Volkshymne an, in deren Töne das Publikum, in dem man außer den höchsten militärischen Kreisen auch die Spitzen der Zivilbehörden und die Vertreter der vornehmsten Gesellschaft bemerkte, einfiel. Rauschender Beifall folgte diesem Vorspiel der Frau v. Höfer, welche die Ereignisse der jüngsten Tage mit lebender Kraft und greifbarer Plastik auf die Bühne gebracht hat. Dann mußte der Vorhang des öftern in die Höhe gehen und das übervolle Haus jubelte den Helden begeistert zu, die stramm salutierend dankten. Irma v. Höfer war Gegenstand rauschen der Ovationen und es wurde von vielen Seiten der Wunsch laut, daß die Dichtung durch weitere Aufführungen breiteren Schichten zugänglich gemacht werde. Dem szenischen Prolog folgte die Aufführung von Eyslers Der Frauenfresser« mit Fritz Werner und Betty Myrain ihren bekannten Glanzrollen – – Nein! Das kann nicht wahr sein!
Der Nörgler: Wie denn also?
Der Optimist (sieht noch einmal in die Zeitung und sagt) : Das Publikum jubelte den Helden begeistert zu – die stramm salutierend dankten. (Pause. Er sieht den Nörgler an.) Das kann nicht wahr sein! Was wäre dann der Heldenruhm?
Der Nörgler: Ein Theaterstück. Oder: Ein morscher Hügel, auf dem das Unkraut rot wie Feuer steht – wie ein chinesischer Kriegsdichter sagt. Ein deutscher Hausierer denkt weit weniger defaitistisch.
Der Optimist: Wie meinen Sie das? So sollten Sie von diesen Dingen nicht sprechen. Der Heldenruhm ist keine Hausiererware.
Der Nörgler: Doch. Lesen Sie nur diesen Ausschnitt aus einem Fachblatt, den mir jemand zugesandt hat.
Der Optimist (liest) : Wichtige Mitteilung für Hausierer! Falls Sie Interesse für einen glänzenden 1 Mk.-Verkaufs-Artikel haben, empfehlen wir Ihnen unser patriotisches Gedenkblatt: »Er starb den Heldentod fürs Vaterland« . Größe des Bildes: 44 x 60 cm. Dasselbe ist in hochkünstlerischer Kupferstich-Imitation ausgeführt und eine Zierde als Wandschmuck für jede Familie, die einen ihrer Angehörigen auf dem Felde der Ehre verloren hat. Es zeigt neben ergreifenden Schlachtenbildern aller Waffengattungen ein stilles Soldatengrab, darunter Name und Ort des Gefallenen eingetragen wird. Seine Photographie, von einem Eichenkranz umrahmt, wird inmitten des Bildes befestigt und von den Strahlen des darüber befindlichen Eisernen Kreuzes glorifiziert, während ihm die Friedensgöttin den Sieges-Lorbeer reicht. Se. Majestät der Kaiser ist sichtbar, den Volksvertretern die denkwürdigen Worte: »Ich kenne keine Parteien mehr!« zurufend, und aus den Wolken leuchten verklärt die Antlitze der Gründer des Deutschen Reiches: Kaiser Wilhelm I, Bismarck und Moltke, hervor. – Ein Gedenkblatt, so vornehm und ergreifend, daß es von Arm und Reich begehrt sein wird. Übertrifft bei weitem alles, was bisher in diesem Genre erschienen ist! Preise für Wiederverkäufer – – Das kann nicht wahr sein! – Sagen Sie, daß es – von Ihnen ist daß das alles von Ihnen ist!
Der Nörgler (drückt ihm die Hand) : Ich danke Ihnen. Es ist von mir.
(Verwandlung.)
Innsbruck. Maria Theresienstraße. Mitternacht. Menschenleer. Ein Mädchen tritt auf, in ihrer Rechten hält sie einen Säbel, mit dem sie herumfuchtelt. Von der andern Seite ein Metzgergehilfe.
Der Metzgergehilfe: Ja was war nacher dös ? (Er erkennt sie) Ja – (er packt den Säbel.)
Das Mädchen mit dem Säbel: Auslassen – Auslassen sag ich –!
Der Metzgergehilfe: Sie sein eine Protestierte! Sie ham mich vorige Woch'n zu Ihnen gewunken! Sie derfen keinen Säbel nicht tragen! (Er entreißt ihr den Säbel.) Wie käm denn so eine Person zu ein' Säbel, jetzt im Krieg –
Drei Offiziere erscheinen im Laufschritt; einer ohne Säbel.
Der Offizier ohne Säbel (wankend) : Oho! Wer hat denn da meinen Sabul? Hergeben auf der Stelle! (Er will dem Metzgergehilfen den Säbel entreißen.)
Der Metzgergehilfe: Tschuldigen schon Herr Oberleutnant, aber diese Dame ist mir wohlbekannt – es ist eine Person – diese Person ist eine Protestierte – da bin ich verpflichtet – da muß ich den Säbel doch auf die Wachstuben bringen – oder nicht? Wie käm denn so eine Person zu ein' Säbel?
Der Offizier ohne Säbel (energischer werdend) : Kerl, hergeben oder – (er greift an die Stelle, wo sonst der Säbel ist.)
Der Metzgergehilfe: Das gibts nicht, daß so eine Person einen Säbel hat! Das muß angezeigt wern!
Der zweite Offizier (zieht seinen Säbel) : Kein Aufsehn! Willst du Fallot auf der Stelle –
Der dritte Offizier (ihn zurückhaltend) : Kein Aufsehn, Waber, gscheit sein! Das is eine bsoffene Gesellschaft!
Der Metzgergehilfe (fuchtelt mit dem Säbel) : Was? Bsoffene Gesellschaft? Herr Oberleutnant, schau S', ich hab auch einen Säbel!
Der Offizier ohne Säbel (packt ihn beim Arm) : Fallot!
Das Mädchen ohne Säbel: Geh Pipsi, stell dich nicht her mit so Zivilisten!
Der Metzgergehilfe: Wachmann! Wachmann! Das wern wir sehn!
Zwei Wachleute kommen. Alle sprechen auf sie ein.
Der erste Wachmann: Aber bitte, bitte, Herr Oberleutnant, nur kein Blutvergießen – jetzt im Krieg!
Der dritte Offizier: Hörst, kein Blutvergießen, gscheit sein!
Der zweite Wachmann: Kommen die Herrschaften alle mit aufs Hauptwachzimmer im Rathaus, dort wern wir schon ins Reine kommen.
Ein Inspektionsoffizier erscheint. Alle sprechen auf ihn ein.
Der Inspektionsoffizier: Was is denn? Jede Nacht gibts was. Du, die kenn ich schon. Du bist nicht der erste, dem s' mit'n Säbel durchgeht. Also da hast ihn! (Er nimmt dem Metzgergehilfen den Säbel ab und überreicht ihn dem Oberleutnant, der ihn fallen läßt. Die Kameraden sind ihm behilflich.) No was is nüt der Person?
Der Metzgergehilfe: Vorige Woch'n hat s' mich zu ihr gewunken! Das ist eine Protestierte – ist das!
Beide Wachmänner (zum Mädchen ohne Säbel) : Sie mir scheint, Sie ham kan Schein!
Der Inspektionsoffizier (zum Oberleutnant) : Du Pöffl, warst mit ihr?
Beide Wachmänner (zum Mädchen ohne Säbel) : Sie, Sie führn einen unbefugten Lebenswandel!
Der Erste: Wegen Verdachtes von Geschlechtskrankheiten –
Der Zweite: – und gewerbsmäßiger Unzucht ohne Erlaubnisschein –
Beide: – gehn S' mit auf die Wachstuben!
Der Inspektionsoffizier: Solche Witz mit'n Säbel mitten im Krieg meine Liebe wern Ihnen teuer zu stehn kommen! Das is schon der dritte Fall, von dem ich weiß.
Das Mädchen ohne Säbel (auf den Oberleutnant zeigend) : Bitte, der is mein Freund! Gelt Pipsi, du bist mein Freund?
Der Offizier mit Säbel (auf den Metzgergehilfen zeigend) : Der soll auch mit! Der hat meinen Säbel angerührt!
Der Metzgergehilfe: Bitt, ich bin unschuldig –!
Der Inspektionsoffizier: Du Pöffl, hast ihr den Schandlohn gegeben?
Das Mädchen ohne Säbel (indem sie abgeführt wird, zurückrufend) : Ich bin keine so eine –! Ich bin nur vazierend –!Zwanzig Kronen krieg ich von ihm –! Zwanzig Kronen –! Blitzen, pfui Teufel! –
Der Metzgergehilfe: So ein Schlampen! Herr Oberleutnant wern sich doch nicht mit so ein' Schlampen abgeben!
Der Offizier mit Säbel: Der hat meinen Säbel angerührt! (Er will den Säbel ziehen.) Frontschwein! Hurenpack! Wer mir in die Näh kommt –! Warts – Sabul – Rock des Kaisers – uah – (Er übergibt sich. Die andern ziehen ihn fort. Die Straße ist menschenleer.)
(Verwandlung.)
Zwei Verehrer der Reichspost, schlafend.
Erster Verehrer der Reichspost (aus dem Schlaf sprechend): – und bat, die Huldigung der kaisertreuen Bevölkerung an den Stufen des allerhöchsten Thrones niederzulegen, Bürgermeister Weiskirchner antwortete, meine lieben Wiener, ihr lebt eine große Zeit mit, in unentwegter Treue huldigen wir unserem geliebten alten Kaiser, brausende Hochrufe, wir gedenken auch des Bundesgenossen in schimmernder Wehr, donnernde Heilrufe, und heute –
Zweiter Verehrer der Reichspost (aus dem Schlafsprechend): – und heute war der italienische Botschafter bei unserem Minister, um die feierliche Erklärung abzugeben, daß Italien in Treue Österreich zur Seite stehe, stürmische Evvivarufe – Katzel –
Der Erste: In Prag, Brünn und Budweis, überall jubeln s' den kaiserlichen Entschließungen zu.
Der Zweite: Allerhöchstes Hoflager in Ischl!
Der Erste: In Serajevo haben s' Gott erhalte gsungen.
Der Zweite: Fürst Alfred Windischgrätz hat sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet.
Der Erste: Der Kaiser hat während des ganzen Tages in angestrengtester Weise gearbeitet.
Der Zweite: Soldatenvater.
Der Erste: Am 2.7. zwischen 12 und 1 Uhr wurde im Postsparkassenamt die finanzielle Vorsorge für den Krieg getroffen.
Der Zweite: Die Approvisionierung Wiens für die Kriegsdauer wurde vom Bürgermeister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Ackerbauminister gesichert.
Der Erste: Keine Teuerung durch den Krieg.
Der Zweite: Nur Tugenden.
Der Erste: Welch einen Schatz von Tugenden hat doch dieser Krieg schon gehoben.
Der Zweite: Ein gar strenger Lehrmeister der Völker.
Der Erste: Prometheischer Erringer von Licht und Klarheit.
Der Zweite: Lichtbringer – Lebensspender – Katzelmacher –
Der Erste: Kriege sind Prozesse der Läuterung und Reinigung, sind Saatfelder der Tugend und Erwecker von Helden.
Der Zweite: Renaissance österreichischen Denkens und Handelns.
Der Erste: Ramatama!
Der Zweite: Rrtsch – obidraht!
Der Erste: Wir sind für den Frieden, wenn auch nicht für den Frieden –
Der Zweite: Um jeden Preis!
Der Erste: Noch ist Lemberg –
Der Zweite: – in unserem Besitze.
Der Erste: Belgrad und Deschenee im intimsten Familienzirkel eingenommen – dinatoor – begaben sich –
Der Zweite: Elastischen Schrittes.
Der Erste: Kurz und gut –
Der Zweite: Gut und Blut –
Beide: Allerhöchstes Hoflager!
(Verwandlung.)
Separatcoupé erster Klasse. Im finstern Gang ein Haufen von Koffern und Körpern.
Der Oberstleutnant des Generalstabs Maderer von Mullatschak (liegt betrunken im Coupé, lallend) : Ich und du – blinde Kuh – der größere Gauner das bist du! – Huupp – Hupf mein Mäderl – umarme dich im Geiste, mein Lumperl – hast die 600 Kilo Dörrgemüse? – Was? Was? Aber na, aber na! – ah daschaurija – 100 000 Kronen per Waggon hast gmacht – ich noch nicht – du Schlankl! du Schlankl! – Ich – hab ein – kolo – sales Geschäft – mit Speck in petto – nein, kein Veto! – Kajestät der Maiser – kann mich gern haben – Was? Der dalkerte Ehrenpunkt – Le – Leleopold – schmeiß ihm 'n Lleopoldsorden – heut trommel ich auf dein' Kakadu den Radetzkymarsch – Ehrenpunkt – Gfraßt – das soll er seiner Schwiegermutter erzähln – die macht noch bessere Gschäften – oder seiner Tant – recht hams – wann ich eine Herz- erzogin war – ich raubert die Schatzkammer aus – und der Sal – Salvator! – ujegerl, hammer an Gspaß ghabt – was Schatzi – is ja eh alles Wurscht – bin gedeckt – was – Mutzigam – haha! hoho! huhu! – ich – bin riesig stolz – ich hab jetzt ein Sparkassabuch – das is mein Reglement! – huupp – mein Lumpi – ich kann nur sagen – ich bin sehr zufrieden mit dem Krieg! – jeder Waggon fünftausend Kronen Pro – Provision – lauft als Müli – Mülidärfrachtgut – der Jud – zahlt gut – aber daß du nicht glaubst – daß du nicht glaubst, ich arbeit nicht selber auch – oh der Speck – der Speck – wirst schon sehn – was schauts denn? standeswidrige – Zivilistenbagasch – huupp – alle hab ich außischmeißn lassen – ausn Coupé – das andere wissen S' eh – mein Lumpi – sollns sich derstessn – hängts euch alle auf – ah woos, häng mrs alle auf – sollns krepiern – fürs Vaterland, wanns – auf der Maschikseiten – Herstellt! – den bsoffenen Kerl hab ich – huupp – erschießen lassen – bin gedeckt – Mausi – ich bring dir – raten, raten! – schmecks – hundertzwanzig Pfund Schweinernes! (Fährt auf, sieht auf die Uhr.) Was – elf is schon? Gleich – sama do – in Steinbrück – huupp – oha – jetzt – jetzt wann s' jetzt nicht parieren – ich hab telephonisch – Befehl geben, daß der Dings – den Schnellzug warten laßt – er weiß ja nicht, der Trottel – daß es – für dich, mein Arscherl – Sakra heut bin ich aber geil auf dich – warum kommt er nicht – der Saukerl von an Burschen – gleich is Steiermark – Steinbrück – er – er ließ schlagen – eine Brucken – brr – was schauts denn? – Stein – Steinbrück – wann er nur kan Pallawatsch – einen Schlof (Gähnen) – haab ich – uäh – es is – alles – Wurscht –
(Verwandlung.)
3000 Meter hoch.
Der Fähnrich (im Halbschlaf) : Vier Jahre – Gott, Gott, wozu – das – alles – Helene – ach – wo – bist du –
(Die Schalek erscheint.)
Die Schalek: Also was empfinden Sie jetzt, was denken Sie sich, Sie müssen sich doch etwas – (Batteriesalve.)
(Verwandlung.)
Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.
Der Optimist: Wenns nur schon zu Ende wäre! Was sagen Sie zu den Grab- und Leichenschändungen bei den Engländern und Franzosen? Die deutsche Propaganda behauptet, daß die Knochen der Gefallenen verwertet werden und aus Soldatenleichen Fett gewonnen wird.
Der Nörgler: Ich kann es nicht nachprüfen, aber als Metapher scheint es mit eine weitere Realität zu beglaubigen, dem weltüblichen Sachverhalt zu entsprechen und ganz und gar den Gebrauch zu bezeichnen, den die überlebende Menschheit in allen ihren Bestrebungen und Interessen vom Heldentod und von der Glorie macht.
Der Optimist: Wenn man Sie sprechen hört, möchte man allerdings glauben, daß der allgemein erwartete Seelenaufschwung tatsächlich nicht eingetreten ist.
Der Nörgler: Fast glaube ich es selbst. Aber ich glaube auch, daß das Blutgeschäft, das die Agenten mit dieser Chance verlockend machen wollten, als der größte Bankrott, den je der Planet erlebt hat, enden wird. Und vor allem in den Reichen dieser mißgebornen Mittelwelt. Denn wir haben den Mord mit der Bibel und den Raub mit der Fibel in der Hand betrieben. Wir wollten den Weltmarkt in der Ritterrüstung erobern – wir werden mit dem schlechteren Geschäft vorlieb nehmen müssen, sie am Tandelmarkt zu verkaufen.
Der Optimist (will eine Zigarette anzünden) : Sonderbar, kein Zündholz fängt.
Der Nörgler: Das kommt vom Ultimatum an Serbien.
Der Optimist: Ich sage, kein Zündholz fängt!
Der Nörgler: Ich sage, weil es gelungen ist, die Welt in Brand zu stecken!
Der Optimist: Besteht auch hier ein Zusammenhang?
Der Nörgler: Gerade hier! Nichts von allem was wir stündlich berühren, ist unverändert geblieben, innen und außen, in Wert und Preis. Hätte 1914 ein Staatsmann gelebt, der so viel Phantasie hatte, zu wissen, daß 1918 kein Zündholz zünden werde, er hätt's mit der Welt nicht getan! Er hätte den Krieg, den er erklären sollte, auch gesehn und dazu den Frieden, in den aller Jammer noch wachsend hineinreichen wird.
Der Optimist: Aber wenn einmal der Friede kommt –
Der Nörgler: – so wird der Krieg beginnen!
Der Optimist: Jeder Krieg wurde doch noch durch einen Frieden beendigt.
Der Nörgler: Dieser nicht. Er hat sich nicht an der Oberfläche des Lebens abgespielt, sondern im Leben selbst gewütet. Die Front ist ins Hinterland hineingewachsen. Sie wird dort bleiben. Und dem veränderten Leben, wenns dann noch eines gibt, gesellt sich der alte Geisteszustand. Die Welt geht unter, und man wird es nicht wissen. Alles was gestern war, wird man vergessen haben; was heute ist, nicht sehen; was morgen kommt, nicht fürchten. Man wird vergessen haben, daß man den Krieg verloren, vergessen haben, daß man ihn begonnen, vergessen, daß man ihn geführt hat. Darum wird er nicht aufhören.
Der Optimist: Aber wenn nur erst der Frieden da ist –
Der Nörgler: – so wird man vom Krieg nicht genug kriegen können!
Der Optimist: Sie nörgeln selbst an der Zukunft. Ich bin und bleibe Optimist. Die Völker werden durch Schaden –
Der Nörgler: – dumm. Dumdum!
(Verwandlung.)
Schweizer Hochbahn. Zwei riesenhafte Fettkugeln, deren unbeschreibliche Formen mit menschlichen Maßen nicht bestimmbar sind, nehmen die ganze Sitzbank ein. Die eine läßt in Wintersporthosen und Wadenstrümpfen zwei von einander unterscheidbare Fleischmassen erkennen; die ungeheuren Wangenflächen sind blau beschattet, der gestutzte Schnurrbart glänzt unter Mondaugen wie ein schwarzes Boskett und läßt zwei rote Wülste frei. Das andere Wesen ist von einem abgetragenen Winterrock überzogen; es ist der Kompagnon, der eben zu Besuch gekommen ist. Kein Hals, nur ein vierfaches Kinn vermittelt den Übergang der Körperkugel zur Kopfkugel, das Ganze ist völlig ungegliedert und hat das Aussehen eines Igelfisches. Beide haben Bergstöcke; der eine eine Gattin, die eine Brosche mit der Inschrift »Gott strafe England« trägt und gegenübersitzt. Es sind die Riesen Gog & Magog. Eine strahlende Schneelandschaft mit tiefblauem Himmel bildet den Hintergrund.
Gog: Was ich mir jetzt noch wünsche, sind schöne Bilder. Es muß ja nich jrade 'n Rembrandt oder 'n Böcklin sein –
Magog: Ich habe schon hundert.
Gog: So 'n schönes Bild ist doch wat Schönes. Na, 's nich wah' Elschen? Jib 'n Schmatz. (Er küßt sie.)
Magog (nach einer Pause) : Wer in diesem Kriege nicht reich wird, verdient nicht, ihn zu erleben.
Gog: Gewiß doch.
Magog: Ich verlege mich jetzt auf Miniaturen, am liebsten 16. Jahrhundert, auch Gobelengs, Dosen, Wappenbücher und so Krimskram macht mir Spaaß. Übahaupt trachte ich mir möglichst alte Kultur zuzulegen.
Gog: Na und was ists denn mit Ihren Büchern? Ihr Bengel ist doch mit einer der feinsten Bibliophilen, die wa jetzt im Reich haben –
Magog: Ja, da koof 'n wa alles zusammen, was es jetzt an numerierten Ausjaben auf Bütten jibt. Wird bald nischt mehr da sein. Eh ich von Berlin abreiste, habe ich um 60.000 Emmchen Bücher jekauft, Aufmachung in Leder – Leder is Bedingung. Ich bevorzuge Enschedé en Zonen-Drucke auf handjeschöpftem van Geldern-Bütten. Bütten muß handjeschöpft sein. Denn Kaiserlich Japan mit Perjamentrücken, zur Not auch Old Stratford.
Gog (blickt in die Zeitung) : Na wat sagen Se, W T B – »In 24 Stunden 60 000 Kilogramm Bomben! – Ganz Dünkirchen steht in Flammen! Unsre Bombengeschwader haben Außerordentliches geleistet. Auch über der Festung London wurde die Wirkung einwandfrei festjestellt.«
Magog: Die Sache im Westen wird jemacht.
Gog: 's muß doch 'n Hochjefühl sein, so 'n Kampfflieja! Vasteht man erst, wenn man das Ullsteinbuch von unserm Richthofen jelesen hat! Wie er den Rußkis die Bahnhöfe einjetöppert hat – da kann man ihm den Jenuß des Bombenfluges so recht nachfühlen. Ist doch köstlich, die Schilderung, wie er sich aus 'nem bessern Etappenschwein zum unbestrittenen Kampfflieja emporjearbeitet hat! 's muß 'n Hochjefühl sein, so alles unter sich haben und man kann kaputt machen – wie 'n König, mit Bomben beladen, wie 'n Gott!
Magog: U-Boot is ooch nich von Pappe.
Gog: Jewiß doch. (Blickt in die Zeitung.) Na wat sagen Se, WTB – »Die wenigsten Leute können sich vorstellen, welche prachtvolle U-Boot-Leistung die gestern und heute als versenkt gemeldeten sechzehn Dampfer wieder bilden. Auch der angeschossene, leider entkommene Dampfer dürfte wenigstens für mehrere Monate seiner Bestimmung entzogen sein.«
Magog: Unsre blauen Jungen schaffen es.
Gog: Na passen Se man uff, die jroße Kanone allein wird die Kerls mores lehren! Der Schuß in die Kirche neulich, so mitten rin ins Verjnüjen, Menschenskind da müssen se doch dran glauben lernen!
Magog: In spätestens zwei Monaten ist England auf die Knie gezwungen. Eeventuell in drei. Machen wa. Die Pleitestimmung ist da. Das sieht man doch an den Humanitätszicken, wat se jetzt wieda aufmachen.
Gog: Kokolores. War sagen Se zum Aufruf gegen den Gaskampf?
Magog: Sollte das nicht ein Zeichen für die überlegene Wirkung unsrer Gase sein?
Gog: Nu eben. Wir Deutsche begrüßen alle Versuche, dem Völkerrecht und der Menschlichkeit zum Siege zu vahelfen, mit Freude, lehnen es aber ab, uns übertölpeln zu lassen.
Magog: Der Entwicklung der Angelegenheit sehn wa mit Ruhe und gutem Gewissen entgegen.
Gog: Da sehn Se mal – immer dieselbe Schose! Immer die olle Vaständijungskiste! Reuter wirft uns vor, daß wir einer klaren und ernsthaften Einigung mit den Prinzipien einer kommenden Rechtsordnung ausweichen. Haben Se schon so 'nen Quatsch jehört?
Magog: Rechtsordnung? Wir haben Gas!
Elschen (zum Fenster hinausdeutend) :Ach Männe sieh dir bloß –!
Gog: Jewiß doch. Solange der Vanichtungswille unsrer Feinde unjebrochen ist –
Magog: Ach lassen Se mich man bloß mit den lausigen Lügen der Angtangte unjeschoren. Immer das Jequassel mit ihrem Vaständjungsfrieden!
Gog: Fisimatenten. Die Brüder kenn wa doch. Wa brauchen 'nen deutschen Frieden, und 'n deutscher Friede is keen weicher Friede, vaschtehste lieber Lloyd George, Herzensjunge?
Magog: Jaawoll, wir wern det Kind schon schaukeln, da is mir nich bang vor. Machen wa. Faule Jesellschaft, sage ich Ihnen. Da wolln se uns damit komm', daß Amerika nich einjetreten wäre, wenn wa den vaschärften U-Bootkrieg nich anjefangen hätten. U-Boot kann jar nich scharf jenuch sein! Dieser Erzpharisäer Wilson is doch 'n janz fauler Kopp, meinen Se nich auch?
Gog: Na von dem hab ich die Neese pleng!
Magog: Nich in die Lameng!
Gog: Alles Blöff! Mogelt bis in die Puppen. Die Sache liegt doch janz eenfach so, daß wa durch den pyramidalen Coup mit Brest-Litowsk unjeheure Truppenmassen frei bekomm' haben. Na und wenn Rußland erledicht ist, denn vasteht sich alles weitre von selbst. Denn wird die Chose für die Brieder mulmich. Denn mögen die Onkels übers jroße Wasser rüber komm'!
Magog: Unter allen Umständen haben wa doch Belgien als Faustpfand. Wa brauchen 'ne jesunde Flottenbasis, wa brauchen 'ne tüchtje Fliejabasis, wa brauchen Übasee und wa brauchen doch det Erzbecken. Es erübricht sich, von allem übrijen zu sprechen, was wa noch brauchen. Und daß unsere Schwerindustrie beschäfticht werden muß, leuchtet jedem ein, nur nich den dämlichen Feinden. Wenn da übahaupt von Frieden die Rede sein kann, könn' wa uns doch unter keinen Umständen in 'ne Auseinandersetzung über Elsaß-Lothringen einlassen!
Gog: Selbstvaständlich. Die zweideutje Haltung der Gegner zeigt deutlich, daß sie keenen Frieden wollen.
Magog: Die Leute sind eben in 'ner Mentalität vastrickt und da könn' se nu mal nich raus.
Gog: Na wenichstens weiß man jetzt, wo die Kriegsvalängerer sind. Wo die Kriegsschuldjen sind, weiß man ja längst.
Magog: Uns Deutschen bleibt nichts übrich als durchzuhalten.
Gog: Wenn die Völkerbundsfritzen behaupten, daß sie für 'ne moralische Idee kämpfen, bleibt einem nichts übrich als der Appell an die Jewalt. Der olle Humanitätsfatzke übern jroßen Teich soll es vorerst mal probieren!
Magog: Ach, ik sage irnmer – Jeduld und warme Füße. Die Jungens wern jroße Augen machen, wenn wir Berliner schwuppdich in Bachdad stehn. Mit 'm D-Zuch!
Gog (zum Fenster hinausblickend) : Na? sind wa nich bald da? – Nu? jeht de Dampfpuste aus? – Nee! – Wat sagen Se zu unsern Internierten – stramme Kerls, wat?
Magog: Ach Se meinen woll die Hindenburch-Feier auf der Rütli-Wiese?
Gog: Na ja, und den Rütli-Schwur haben se doch mit dem Fahneneide vajlichen!
Magog: Fein, da hätt ich mit bei sein mögen! ja wenn unsre Eidjenossen aufmarschieren, kommt gleich 'n andrer Zuch in den Betrieb! Wat sagen Se zu unsern schneidjen Landsleuten in Luganooh, die haben somit richtich die feindlichen Konsuln aus dem Hotel rausjejrault, der Hotelier hat nachjeben müssen.
Gog: Da jeschieht noch lange nich jenuch. Wir müssen die Schweiz säubern! Auf der Zürcher Straßenbahn hat einer neulich französisch jesprochen! Da habe ich denn jleich Krach jemacht und dem Mann auf den Kopf zujesagt, daß Neutralitätsbruch vorliege. Hätten Se ooch bei sein mögen. Der Bengel schwieg betroffen. Na und Elschen hat in Bern in 'ner Konditorei drauf bestanden, daß die Vakäuferin statt Crême Sahne sage. Die Sahne war zwar alle, aber Elschen ließ doch nicht locker. Nich wah' Elschen? Na, jib'n Schmatz. (Er küßt sie.)
Elschen: Ja, Schnuckepiezelchen.
Magog: Das sind leider nur vaeinzelte Fälle. Unsre Jesandtschaft müßte viel energischer zujreifen. Wir tun entschieden zu wenich, um die neutralen Sympathien zu jewinnen.
Gog: Unsre Propaganda versacht. Nu ja, da und dort werden wohl Bomben deponiert – aber mit der Aufklärung ists Essig.
Magog: Das dicke Ende kommt nach – das wird sich mal bitter rächen. Nach dem Krieg wer'n wa zwar als Sieger jefürchtet sein, aber man müßte doch schon jetzt das Terräng sondieren und um jeden Preis für Beliebtheit sorjen.
Gog: Ach, 's wird sich nich allzuviel ändern, so und so. Daheim – ja; aber –
Magog: Na wat jlooben Se woll wird da der Unterschied sein, vastehn Se, zwischen der Zeit vor dem Kriege und der Zeit nach dem Kriege – so im Alljemeinen?
Gog: Sehr einfach, vor dem Kriege habn wa von achte bis siebene jearbeetet, nach dem Kriege wern wa von siebene bis achte arbeeten.
Magog: Jewiß doch. Britische Habgier –
Gog: Französischer Revangschedurst und –
Magog: – russischer Haß –
Gog: – haben uns diesen Krieg aufjezwungen.
Magog: Alaum Se mal, aber das Ausland is 'n nich zu unterschätzender Faktor! Wenn se auch besiegt sind, wir müssen uns in Ansehn setzen und beliebt machen! Darauf kommt es an, könn' Se ma jlooben. Der Abbau des Hasses – das müßte 'ne richtichgehende Propaganda besorjen. Und wenn se bis zum Weißbluten kommen – die Kunden dürften nie vajessen, daß wir das Volk Goethes sind!
(Aus dem Nebencoupé dringt der Gesang eines französischen Liedes.)
Gog: Unvaschämtheit! In 'nem neutralen Lande! Na die Jungen soll'n uns kennen lernen!
(Er singt »Deutschland, Deutschland über alles«. Magog stimmt ein, die Gattin gleichfalls. Der Gesang nebenan verstummt.)
Magog: So – da wär'n wa! (Sie wälzen sich aus dem Coupé.)
Gog (ausgestiegen) : Na wat sagen Se zu der Sonne und zu dem Himmel?
Magog: Tüchtjer Betrieb! Nu, und der Schnee is ooch sein Geld wert!
Gog: Nee, und der Gletscha is ooch nich von Pappe!
Magog: Na, und die Luft –!
Gog: Nee, da braucht man keene Jassmaske! Hach – Jesundbrunn –! Da hat doch Deutschland mal seinen Platz an der Sonne! 's is jut! 's is jut! (halb singend) Sie sollen ihn nicht ha-a-ben –! Na Elschen? Biste froh, daß Männchen nich vatalandvateidchen muß, wat?
Elschen: Ja, Siegfriedchen.
(Nun, da die Gruppe sich bewegt, ist es für einen Augenblick, als ob die Riesensilhouette eines schwarzen Flecks das in Weiß und Blau strahlende Weltall verdeckte.)
(Verwandlung.)
Baracke in Sibirien. Ergraute Männer, ganz unterernährt, barfüßig, in zerfetzten Uniformen, kauern auf der Erde, starren aus hohlen Augen ins Weite. Einige schlafen, einige schreiben.
Ein österreichischer Hauptmann (tritt ein und ruft) : Ihr Schweine!
Sie erheben sich und leisten die Ehrenbezeigung. Während ein Teil Habtacht steht, exerzieren die andern mit Schaufeln und machen Gewehrgriffe.
(Verwandlung.)
Nordbahnhof. Der Perron im fahlen Morgenlicht. Labedienst. Funktionäre. Honoratioren. Ein Zug mit Austauschinvaliden ist soeben eingetroffen. Auf Tragbahren werden Leiber, die sich in Zuckungen winden, aus den Waggons geladen. Die Tragbahren werden aufgestellt.
Eine Stimme: Aufpassen, daß sich die Angehörigen nicht vordrängen.
(Vor der vordersten Reihe des Publikums postieren sich die Mitglieder des Vereins »Lorbeer für unsere Helden« und Funktionäre in Frack. Eine Regimentsmusik bezieht ihre Plätze.)
Eine zweite Stimme: Zwa Stund Verspätung hat er g'habt, jetzt is er da, jetzt stehn mr zwa Stund da und die Leut, die was da sein solln, san net da.
Eine dritte Stimme: Gengan S' – acht Täg von Schweden her, da wird's drauf ankommen.
(Es erscheinen zehn Herren in Gehröcken, die sich so aufstellen, daß sie zwar selbst die Vorgänge beobachten können, aber diese den Blicken der Außenstehenden fast ganz entziehen. Die Tragbahren sind seit dem Moment ihres Auftretens nicht mehr sichtbar. Während jeder der zehn ein Notizblatt hervorzieht, treten zwei Funktionäre an die Gruppe heran und stellen sich gegenseitig wie folgt vor.)
Zawadil: Spielvogel.
Spielvogel: Zawadil.
Beide (zugleich sprechend) : Ein trüber Morgen. Schon um 6 Uhr waren wir zur Stelle, um die Anordnungen zu treffen.
Angelo Eisner v. Eisenhof (tritt hinzu und spricht angelegentlich mit einem der zehn, die zu schreiben beginnen. Er deutet auf verschiedene Gestalten, die alle die Hälse recken und den Versuch machen, aus dem Spalier zu treten. Er beruhigt durch Winken jeden einzelnen, indem er, gleichzeitig auf die zehn Männer weisend, die Pantomime des Schreibens macht, so als ob er ihm bedeuten wollte, daß bereits von ihm Notiz genommen sei. Inzwischen ist es dem Hofrat Schwarz-Gelber und dessen Gemahlin gelungen, in unmittelbaren Kontakt mit den Schreibenden zu kommen und einem von diesen auf die Schulter zu tippen.)
Hofrat Schwarz-Gelber und Hofrätin Schwarz-Gelber: Wir haben es uns nicht nehmen lassen wollen, persönlich zu erscheinen.
Sektionschef Wilhelm Exner: Ich stehe hier als Vorkämpfer der Prothesen-Aktion.
Dobner v. Dobenau: Als Truchseß hätte ich eigentlich das Recht, hineinzugehen, wo die Spitzen sind.
Riedl: In der Adriaausstellung habe ich mit ihm verkehrt, als Obmann um damit auf dem einmal betretenen Wege unerschrocken fortzufahren.
Stukart: Meine Anwesenheit versteht sich von selbst.
Sieghart: Ich bin heute Gouverneur.
Präsident Landsberger von der Anglobank: Sie sagen von mir, ich sei ein Bankmagnat.
Eine Stimme: Da stell, di her, da siehst sie besser, die heimgekehrten Manen.
Eine andere Stimme: Durch Sibirien solln s' acht Wochen gebraucht haben. No jetztn, bei die Verspätungen –
Eine Mutter: Geh nicht zu nah, man weiß nicht, was sie für Krankheiten mitbringen. Schau dort, wie der dort sich windet.
Die Tochter: Bittich Bauchschuß.
Dr. Charas: Mit mir an der Spitze ist auch die Rettungsgesellschaft erschienen, hat aber noch keinen Anlaß gefunden, in zahlreichen Fällen zu intervenieren.
(Inzwischen ist eine Dame in tiefster Trauer eingetreten. Alles weicht zurück.)
Hofrätin Schwarz-Gelber (wie vom Blitz getroffen, gibt ihrem Gatten einen Stoß und spricht) : Was hab ich dir gesagt! Die is überall, wo sie nicht hineingehört. Ob man einmal unter sich sein könnte!
Flora Dub: Wie ruhig sie daliegen!
Ein Redakteur (zu seinem Nachbar) : Schreiben Sie, die Augen der heimgekehrten Krieger leuchten.
Zwei Konsuln (stellen sich gleichzeitig vor): Stiaßny. Wir sind herbeigeeilt.
Drei kaiserliche Räte (treten in einer Reihe auf) : Als Vertreter der Aktion »Lorbeer für unsere Helden« sind wir erschienen, den heimgekehrten Vertretern unserer glorreichen Armee den Zoll zu spenden.
Sukfüll: Vom Gremium entsendet, nehme ich die Gelegenheit wahr, hocherhobenen Herzens der Freude Ausdruck geben zu können, mit der unsere tapferen Krieger, die auch in der Ferne unseren Bestrebungen ihr Interesse unverändert bewahrt haben, sich nunmehr von deren Erfolgen überzeugt haben zu können. Wenngleich keineswegs zu leugnen ist, daß das Hoteliergewerbe durch den Krieg gelitten hat und wofern dem Fremdenverkehr auch durch die Schwierigkeit der Beschaffung von Lebensmitteln Hindernisse in den Weg gelegt waren, so werden sich die glorreichen Kämpfer, die für Habsburgs Ehre geblutet haben, keineswegs verschließen können.
Birinski und Glücksmann: Als Vertreter der Kunst hat uns die Kunst entsendet.
Hans Müller: Wohlan! Wer diese Bresthaften betrachtet, die nun am Ziele der Heimfahrt das Spittel empfängt, den wird es in sein Inneres hinein schauern, als blickte er jäh durch einen Spalt in die letzte Glut des Erlebens.
(Es erscheinen Leute, Männer und Frauen, die eine Anregung gegeben haben, geführt vom kaiserlichen Rat Moriz Putzker.)
Putzker: Meiner Anregung zufolge haben zum Zwecke der genauen Berechnung der Dauer ihrer Gefangenschaft unsere sibirischen Kriegsgefangenen die Stunden bis zu ihrer Ankunft gezählt.
(Der Prinz-Eugen-Marsch wird intoniert. Einige der Invaliden werden ohnmächtig.)
Die Mutter: Geh nicht zu nah, ich hab meine Gründe.
Die Tochter: Gott wie viel solche hab ich schon gelabt!
(Es entsteht eine Bewegung. Einer der Ohnmächtigen ist gestorben.)
Eine Stimme: Schaun Sie sich den Blick an. Wie er selig is, daß er am Ziel is.
Eine andere Stimme: Wo bleibt Heller?
Eine dritte Stimme: Er wird in den Annalen fortleben.
Dobner v. Dobenau: Als Truchseß hätte ich eigentlich das Recht –
Der Buchhändler Hugo Heller (hat sich Bahn gebrochen) : Durch meine weitverzweigten kulturellen Verbindungen wäre es mir offenbar ein leichtes gewesen, die Verbindung mit den dem Kulturkreis Entrückten herzustellen, wenn nicht wie gesagt der Tod dazwischen gekommen wär.
Hans Müller: Wohlan!
(Während Funktionäre an die Invaliden Kriegsabzeichen verteilen, wird der Radetzkymarsch intoniert.)
Der Redakteur (zu seinem Nachbarn) : Schreiben Sie, wie sie lauschen!
(Verwandlung.)
Eine menschenleere Gasse. Es dunkelt. Plötzlich stürzen von allen Seiten Gestalten herbei, jede mit einem Stoß bedruckten Papiers, atemlos, Korybanten und Mänaden, rasen die Gasse auf und ab, toben, scheinen einen Mord auszurufen. Die Schreie sind unverständlich. Manche scheinen die Meldung förmlich hervorzustöhnen. Es klingt, als würde das Weh der Menschheit aus einem tiefen Ziehbrunnen geschöpft.
– asgabee –! strasgabää –! xtrasgawee –! Peidee Perichtee –! Brichtee –! strausgabee –! Extraskawee –! richtee –! eestrabee –! abee –! bee –!
(Sie verschwinden. Die Gasse ist leer.)
(Verwandlung.)
Der Nörgler am Schreibtisch. Er liest.
»Der Wunsch, die genaue Zeit festzustellen, die ein im Walde stehender Baum braucht, um sich in eine Zeitung zu verwandeln, hat dem Besitzer einer Harzer Papierfabrik den Anlaß zur Ausführung eines interessanten Experiments gegeben. Um 7 Uhr 35 Minuten ließ er in dem der Fabrik benachbarten Walde drei Bäume fällen, die nach Abschälung der Rinde in die Holzstoff-Fabrik transportiert wurden. Die Umwandlung der drei Holzstämme in flüssige Holzmasse ging so schnell vor sich, daß bereits um 9:39 Uhr die erste Rolle Druckpapier die Maschine verließ. Diese Rolle wurde mittels Automobil unverzüglich nach der vier Kilometer entfernten Druckerei einer Tageszeitung geschafft, und bereits um 11 Uhr vormittags wurde die Zeitung auf der Straße verkauft. Demnach hatte es nur eines Zeitraumes von 3 Stunden 25 Minuten bedurft, damit das Publikum die neuesten Nachrichten auf dem Material lesen konnte, das von den Bäumen stammte, auf deren Zweigen die Vögel noch am Morgen ihre Lieder gesungen hatten.«
(Von draußen, ganz von weitem her, der Ruf. – – bee!)
Also ist es fünf. Die Antwort ist da. Das Echo meines blutigen Wahnsinnes, und nichts mehr tönt mir aus der zerschlagenen Schöpfung als dieser Laut, aus dem zehn Millionen Sterbende mich anklagen, daß ich noch lebe, der Augen hatte, die Welt so zu sehen und dessen Blick sie so getroffen hat, daß sie wurde wie ich sie sah. Wars gerecht vom Himmel, daß es geschah, so wars doch ungerecht, mich nicht eher zu vernichten! Habe ich diese Erfüllung meiner Todesangst vor dem Leben verdient? Was wächst mir da in meine Nächte? Warum ward ich nur ausersehen, den Thersites zu rehabilitieren, und nicht auch den Achilles zu entehren? Warum wurde mir nicht die Körperkraft, die Sünde dieses Planeten mit einem Axthieb umzulegen? Warum wurde mir nicht die Gedankenkraft, die geschändete Menschheit zu einem Aufschrei zu zwingen? Warum ist mein Gegenruf nicht stärker als dieses blecherne Kommando, das Macht hatte über die Seelen eines Erdenrunds? Ich bewahre Dokumente für eine Zeit, die sie nicht mehr fassen wird oder so weit vom Heute lebt, daß sie sagen wird, ich sei ein Fälscher gewesen. Doch nein, die Zeit wird nicht kommen, das zu sagen. Denn sie wird nicht sein. Ich habe eine Tragödie geschrieben, deren untergehender Held die Menschheit ist; deren tragischer Konflikt als der der Welt mit der Natur tödlich endet. Ach, weil dieses Drama keinen anderen Helden hat als die Menschheit, so hat es auch keinen Hörer! Woran aber geht mein tragischer Held zugrunde? War die Ordnung der Welt stärker als seine Persönlichkeit? Nein, die Ordnung der Natur war stärker als die Ordnung der Welt. Er zerbricht an der Lüge: die Wesenlosigkeit, an die er den alten Inhalt seines Menschentums verloren hat, in den alten Lebensformen zu bewähren. Händler und Held zu sein und dieses sein zu müssen, um jenes zu bleiben. Er vergeht an einem Zustand, der als Rausch und Zwang zugleich auf ihn gewirkt hat. Gibt es Schuldige? Nein, sonst gäbe es Rächer, sonst hätte der Held Menschheit sich gegen den Fluch gewehrt, der Knecht seiner Mittel zu sein und der Märtyrer seiner Notwendigkeit. Und zehrt das Lebensmittel vom Lebenszweck, so verlangt es den Dienst am Todesmittel, um noch die Überlebenden zu vergiften. Gäbe es Schuldige, die Menschheit hätte sich gegen den Zwang gewehrt, Held zu sein zu solchem Zwecke! Den einzelnen, die es befahlen, hätte die Einheit geantwortet. Jene aber sind nicht Tyrannen. Ihr Geist ist aus dem Geist der Masse geschnitten. Wir alle sind einzeln. Wir haben jeder unsern Schmerz und der andere entbrennt nicht daran. Und wir entbrennen nicht an dem Kontrast, den unser Opfer zum Gewinn des andern täglich stellt, zum grausamen Gewinn des andern. Tyrannen wichen dem Schrecken. Wir aber hätten uns unsere Tyrannen immer wieder aus uns selbst ersetzt. Denn uns alle treibt ein hohles Wort, doch nicht des Herrschers, sondern der Maschine. Was frommte der Revolver gegen die Maschine? Der Revolver gibt kein Beispiel gegen sie, wie die Armbrust gegen den Tyrannen. Wir haben das Ding erfunden und was uns im Rücken bedroht, ist nicht das Maschinengewehr, sondern das öde Wunder, daß es dieses gibt. Nicht seine Drohung, sein Dasein lähmt den Entschluß. Wie könnte da das Gegenkommando erstehen, das uns unsere Waffen zerbrechen hieße! Kann ich im Sprechsaal Europas sprechen? So müßt ihr weiter sterben für etwas, was ihr die Ehre nennt oder die Bukowina, und wovon ihr nicht wißt, was es ist, was aber wieder nur die Waffe selbst ist. Wofür seid ihr gestorben? Hättet ihr alle zusammen Geist genug, um die Kontraste zu spüren, ihr hättet den Leib gewahrt. Was Todesverachtung! Warum solltet ihr verachten, was ihr nicht kennt? Wohl verachtet man das Leben, das man nicht kennt. Ihr lernt es erst kennen, wenn der Zufall des Schrapnells euch nicht ganz getötet hat oder wenn die kommandierte Bestie, Schaum vor dem Mund, ehedem ein Mensch wie ihr, euch anfällt und ihr die Minute Bewußtsein habt, nun an der Schwelle zu stehn. Und da wagt die kommandierende Bestie euch nachzusagen, ihr hättet den Tod verachtet? Und ihr habt jene Minute nicht genützt, eurem Vorgesetzten zuzuschreien, daß er nicht der Vorgesetzte Gottes sei, der ihm schaffen könne, Geschaffenes ungeschaffen zu machen? Nein, ihr habt euch von ihm, mit Gott, über die Schwelle jagen lassen, wo das Geheimnis beginnt, dessen Verrat kein irdischer Staat erlangen könnte! Nach dem jeder seine Helden und keiner seine Spione sendet! Hättet ihr doch in dem Augenblick des Opfers um den Gewinn gewußt, der trotz, nein, mit dem Opfer wächst, sich an ihm mästend! Denn nie, bis zu dem unentschiedenen Krieg der Maschinen, hat es so gottlosen Kriegsgewinn gegeben und ihr, siegend oder besiegt, verloret den Krieg, der ein Gewinn eurer Mörder ist. Eurer feigen, technisch avancierten Mörder, die nur in der Entfernung vom Schauplatz ihrer Tat töten und leben können. Wie, du treuer Begleiter meines Worts, mit reinem Glauben zum Himmel der Kunst emporgewandt, mit stiller Wissenschaft das Ohr an ihr Herz legend, du mußtest hinüber? Ich sah dich an dem Tag, da du auszogst. Regen und der Schmutz dieses Vaterlands und seine ruchlose Musik waren der Abschied, als man euch in den Viehwagen pferchte! Ich sehe dein blasses Gesicht in dieser Orgie von Kot und Lüge, in diesem furchtbaren Lebewohl eines Frachtenbahnhofs, von wo das Menschenmaterial versandt wird durch jenes Machtwort, das die Leiber entfesselt und die Geister gebunden hat und das verurteilte Leben in eine Kinderstube verwandelt, in der Viehknechte spielen! Du sahest nicht aus wie solche. Wie konntest du nicht schon daran sterben, daß du diesen Start erleben mußtest, vor dem wahrlich Wallensteins Lager als die Halle eines Palasthotels erschien! Denn schmutzig wird der Maschinenmensch, ehe er blutig wird. So fing deine Italienreise an, du Kunstforscher. Und du, edles Dichterherz, das zwischen den Stimmen der Mörser und Mörder dem Geheimnis eines Vokals oblag – vier Jahre deines Frühlings hast du unter der Erde verbracht, die künftige Wohnstatt zu erproben? Was hattest du dort zu suchen? Läuse fürs Vaterland? Zu warten, bis der Granatsplitter kam? Zu beweisen, daß dein Leib gegen die Leistungsfähigkeit der Schneider-Creuzot-Werke widerstandsfähiger sei, als der eines Turiners gegen den Skoda? Wie, wir sind die Commis voyageurs von Waffenfabriken, die nicht mit ihrem Mund die Tüchtigkeit ihrer Firma, sondern mit ihrem Körper die Minderwertigkeit der Konkurrenz bezeugen sollen? Wo viel Reisende waren, wird es viel Hinkende geben! Mögen sie sich die Absatzgebiete in Schlachtfelder verwandeln. Aber daß sie auch Macht hatten, die höher Gearteten in den Dienst der Schufterei zu zwingen – nie hätte der Teufel gewagt, eine solche Befestigung seiner Herrschaft für denkbar zu halten. Und wenn man ihm nun zugeraunt hätte, im ersten Jahre des Kriegs, in den er die Völker mit der Fibel in der Hand gejagt hat, damit sie sein Geschäft mit mehr Seele betreiben, im ersten Jahr schon werde eine Petroleumraffinerie 137 Prozent Reingewinn vom gesamten Aktienkapital erzielen und der David Fanto 73 Prozent, die Kreditanstalt 19,9 Millionen Reingewinn und die Wucherer an Fleisch und Zucker und Spiritus und Obst und Kartoffeln und Butter und Leder und Gummi und Kohle und Eisen und Wolle und Seife und Öl und Tinte und Waffen würden hundertfach entschädigt sein für die Entwertung fremden Bluts – der Teufel hätte einem Verzichtfrieden das Wort geredet! Und dafür laget ihr vier Jahre in Dreck und Nässe, dafür war der Gruß erschwert, der euch erreichen, das Buch aufgehalten, das euch trösten wollte. Sie wünschten, daß ihr am Leben bliebet, denn sie hatten auf ihren Börsen noch nicht genug gestohlen, in ihren Pressen noch nicht genug gelogen, in ihren Ämtern noch nicht genug drangsaliert, die Menschheit noch nicht genug durcheinandergepeitscht, in allen ihren Gelegenheiten und Tätigkeiten sich noch nicht genug für ihr Unvermögen und ihre böse Lust auf den Krieg berufen, damit ihr Verbrechen sie entschuldige – sie hatten diesen ganzen tragischen Karneval, in dem Männer vor den Augen des weiblichen Kriegsberichterstatters starben und Metzger Philosophen honoris causa wurden, noch nicht bis zu Kehraus und Fasten durchgetanzt! Wie, ihr habt wochenlang unter Minenwürfen gelegen; wart von Lawinen bedroht; hinget 3000 Meter hoch an einem Seil zwischen dem Trommelfeuer des Feindes und dem Maschinengewehrfeuer der »Eigenen« – ein Wort, des Landesverrats wert –; waret hundertfach verlängerter Delinquentenqual, und oft genug ohne Henkermahl, ausgesetzt; mußtet die ganze Varietät des Todes im Zusammenprall von Organismus und Maschine durchleben, durch Sprengminen, Drahtverhaue, spanische Reiter, Dumdumgeschosse, Bomben, Flammen und Gase und alle Höllen des Sperrfeuers – weil Wahn und Wucher ihr feiges Mütchen an euch noch nicht gekühlt hatten? Und ihr solltet in solcher Preisgegebenheit »wehrfähig« bleiben, weil der Menschheit für die ihr geraubte Phantasie noch nicht genug Syphilis eingeimpft war? Und ihr draußen und wir drinnen, wir sollen noch länger in das Grab starren, das wir uns auf höheren Befehl schaufeln mußten – wie den serbischen Greisen geboten war, und aus keinem andern Grund geboten, als weil sie Serben waren und noch am Leben, also verdächtig! Oh daß man doch, wenn man mit heiler Haut, obschon verhärmt, verarmt, gealtert, aus diesem Abenteuer entkam, durch den Zauber einer allerhöchsten Vergeltung die Kraft empfinge, sie, die stets überlebenden Rädelsführer des Weltverbrechens, einzelweis zur Verantwortung zu ziehen, in ihre Kirchen zu sperren und dort, ganz wie sie es den serbischen Greisen getan haben, jeden zehnten sein Todeslos ziehen zu lassen! Dann aber nicht zu töten – nein, zu ohrfeigen! Und also anzureden: Was, ihr wußtet nicht, ihr Buben, ahntet nicht, daß die Folgen einer Kriegserklärung unter Millionen Möglichkeiten des Schauders und der Schmach auch die wären, daß die Kinder keine Milch, die Pferde keinen Hafer haben und daß man noch fern vom Schuß an Methylalkohol erblinden kann, wenn es denn im Kriegsplan des Wuchers beschlossen wäre? Wie, ihr ermaßet nicht das Unglück einer Stunde vieljährigen Gefangenenleids? Eines Seufzers der Sehnsucht und der beschmutzten, zerrissenen, hingemordeten Liebe? Wart nicht einmal fähig der Vorstellung, welche Höllen aufgetan sind einer Qualenminute mütterlichen Hinaushorchens durch Nächte und Tage, dieses jahrelangen Wartens auf den Heldentod? Und spürtet nicht, wie die Tragödie eine Posse wurde, durch die Gleichzeitigkeit neuen Unwesens und alten Formenwahns eine Operette, eine jener ekelhaften neuzeitlichen Operetten, deren Text eine Insulte ist und deren Musik eine Tortur? Und ihr spürtet nicht, daß der geringste eurer Befehle, ja nur die letzte Folge eures geringsten Befehls, und wäre es bloß die Stupidität, die die Flucht aus eurem Bezirk erschwerte, die eure Kriegsüberwachungsämter, Paßämter, Paßanweisungsämter, Paßklauselämter, Grenzübertrittsbewilligungsämter, Platzkommanden und Grenzschutzkommanden gegeneinander losgelassen hat, damit sie einander verwirrten – spürtet nicht, daß die geringste Maßnahme eurer Besessenheit der Menschenwürde ein unauslöschliches Schandmal aufprägen würde? Und ihr hattet übersehn, daß, wenn ihr sämtliche Menschen in die Uniform stecktet, sie nun alle unaufhörlich einander salutieren müßten? Und merktet nicht, daß diese Gebärde eines Tags, plötzlich, nur mehr der Griff an die Stirn war, der den Zweifel an dem wechselseitigen Verstand betraf? Und daß das Kopfschütteln zuckender Invalider euch, nur euch galt? Und ließet nicht ab von dem Zeitvertreib eurer zum Niederbruch verurteilten und dennoch die Welt fortschröpfenden Glorie? Wie, und ihr dort, ihr Gemordeten, standet nicht auf gegen diese Ordnung? Gegen dieses System von Mord und einer Ökonomie, die das Leben für alle Zukunft zum Durchhalten verurteilen mußte, alle Aussicht verhängt und das kleinste Glücksbedürfnis dem Haß der Nationen preisgegeben hat? Sinnlos im Krieg gewütet und grundlos gewütet gegen jeden, weil Krieg war! Armut, Hunger und Schmach gehäuft über Flüchtigen und Seßhaften und alle Menschheit innen und außen konfiniert. Und Staatsmänner, in abschüssiger Zeit einzig berufen, den bestialischen Drang der Menschheit zu hemmen, sie haben ihn entfesselt! Im Frieden zu Tiermord und Kindermord bereit, griff feiger Lebenshaß zur Maschine, um alles Wachstum zu verheeren. Hysterie im Schutze der Technik überwältigt die Natur, Papier befehligt die Waffe. Invalide waren wir durch die Rotationsmaschinen, ehe es Opfer durch Kanonen gab. Waren nicht alle Reiche der Phantasie evakuiert, als jenes Manifest der bewohnten Erde den Krieg erklärte? Am Ende war das Wort. Jenem, welches den Geist getötet, blieb nichts übrig, als die Tat zu gebären. Schwächlinge wurden stark, uns unter das Rad des Fortschritts zu bringen. Und das hat sie vermocht, sie allein, die mit ihrer Hurerei die Welt verdarb! Nicht daß die Presse die Maschinen des Todes in Bewegung setzte – aber daß sie unser Herz ausgehöhlt hat, uns nicht mehr vorstellen zu können, wie das wäre: das ist ihre Kriegsschuld! Und von dem Wollustwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde buhlten mit ihr.Das Folgende zitiert die Apokalypse des Johannes
Und er sprach ihr zu, der apokalyptische Reiter, den ich einstens, lange eh ers tat, durch das deutsche Reich rasen sah. Ein Jahrzehnt ist um, seit ich sein Werk erfüllt wußte. »Er ist Volldampf voraus in allen Gassen. Sein Schnurrbart reicht von Aufgang bis Niedergang und von Süden gen Norden. >Und dem Reiter ward Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, und daß sie sich einander erwürgten.<« Und ich sah ihn als das Tier mit den zehn Hörnern und den sieben Köpfen und einem Maul gleich dem Rachen eines Löwen. »Man betete das Tier an und sprach: Wer ist dem Tiere gleich? Und wer vermag mit ihm zu streiten? Ein Maul ward ihm gegeben, große Dinge zu reden.« Und wir fielen durch ihn und durch die Hure von Babylon, die in allen Zungen der Welt uns überredete, wir wären einander feind und es solle Krieg sein! Und ihr Geopferten standet nicht auf gegen diesen Plan? Wehrtet euch nicht gegen den Zwang, zu sterben, und gegen die letzte Freiheit: Mordbrenner zu sein? Gegen die Teufelei, die die Aufopferung für den Wollmarkt gar unter den Fahnen des sittlichen Pathos vollziehen hieß! Die sich an Gott vergreift, um seine Zeugenschaft für den blutigen Wechsel zu erlangen! Alle Hoheitsrechte und Lebenswerte an die Idee der Materie verschachert. Das Kind im Mutterleib dem Imperativ des Hasses verpflichtet und das Bild dieser kämpfenden Mannheit, ja selbst dieser pflegenden Frauenschaft, gepanzerte Leiber mit Gasmasken, als das einer Horde von Fabeltieren dem Grausen der Nachwelt überliefert hat. Mit Kirchenglocken auf Gläubige geschossen und vor Altären aus Schrapnells nicht bereut! Und in all dem Glorie und Vaterland? Ja, ihr habt das Vaterland erlebt, ehe ihr dafür starbet! Das Vaterland von dem Augenblick an, wo ihr in der Schweiß- und Bierluft des Vorsaals zum Heldentod entkleidet warten mußtet, als sie Menschenfleisch musterten und Menschenseelen zum gottlosesten Schwure zwangen. Nackt waret ihr, wie nur vor Gott und der Geliebten, vor einer Kommission von Schindern und Schweinen! Scham, Scham für Leib und Seele hätte euch dem Vaterland weigern sollen! Wir alle haben dieses Vaterland gesehn und die Glücklichern unter uns, die ihm entfliehen konnten, sahen es noch in der Gestalt des frechen Grenzwächters. Wir sahen es in allen Formen der Machtgier des losgelassenen Sklaven und der Umgänglichkeit des trinkgeldgierigen Erpressers. Nur daß wir andern es nicht in der Gestalt des Feindes, des wahren Feindes, erleben mußten, der mit dem Maschinengewehr euch vor das Maschinengewehr trieb. Aber wenn wir es nur in den Konterfeis dieser scheußlichen Generale gesehen hätten, die sich die große Zeit hindurch, statt der Luxusdamen, in Theaterrevolverblättern inserierten, zum Zeichen, daß nicht immer nur gehurt, sondern auch gemordet werde in der Welt – wahrlich, wir ersehnten diesem Blutbordell seine Sperrstunde! Wie, ihr dort, ihr Gemordeten, ihr Geprellten, standet nicht auf gegen den Betrieb? Ertruget die Freiheit und das Wohlleben der Preßstrategen, Parasiten und Possenreißer, wie euer Unglück und euern Zwang? Und wußtet, daß sie für eure Martern Ehrenzeichen bekamen? Spieet ihnen nicht die Glorie ins Gesicht? Laget in Verwundetenzügen, die das Gesindel abschildern durfte? Brachet nicht aus, desertiertet nicht in den heiligen Krieg, uns hinten von dem Todfeind zu befreien, der uns täglich mit Lügenbomben das Gehirn belegte? Und starbet für dies Geschäft? Lebtet das Grauen durch, um unser Grauen zu verlängern, die wir hier zwischen Wucher und Not hindurchkeuchten und zwischen den marternden Gegensätzen gemästeter Frechheit und lautloser Schwindsucht. Oh, ihr hattet weniger Gefühl für uns als wir für euch, die wir jede Stunde dieser Jahre, welche sie euch aus dem Leben rissen, von ihnen hundertfach zurückfordern wollten und die an euch immer nur die Frage hatten: Wie werdet ihr aussehen, wenn ihr das überlebtet! Wenn ihr dem letzten Ziel der Glorie entronnen seid, daß die Hyänen zu Fremdenführern werden, um euere Gräber als Sehenswürdigkeit auszubieten! Erkrankt, verarmt, verludert, verlaust, verhungert, verendet, gefallen zur Hebung des Fremdenverkehrs – dies unser aller Los! Sie haben eure Haut zu Markte getragen – doch auch aus der unsern schnitt sich ihr Lebenssinn seine Geldtasche. Ihr aber hattet Waffen – und zogt nicht in dieses Hinterland? Und kehrtet nicht um, von jenem Feld der Schande in den ehrlichsten Krieg, uns und euch zu erretten? Und steht nicht als Tote aus euern Erdlöchern auf, das Gezücht zur Verantwortung zu ziehen, ihnen im Schlaf zu erscheinen mit dem verzerrten Antlitz, das ihr in der Stunde des Ablebens trugt, mit den glanzlosen Augen eurer heldischen Wartezeit, mit der unvergeßlichen Maske, zu der eure Jugend von dieser Regie des Wahnsinns verdammt ward! So stehet doch auf und tretet ihnen als Heldentod entgegen – damit die gebietende Feigheit des Lebens endlich seine Züge kennen lerne, ihm ins Auge schaue ein Leben lang! Weckt ihren Schlaf durch euern Todesschrei! Stört ihre Wollust durch die Erscheinung eurer Leiden! Sie konnten Weiber umarmen in der Nacht nach dem Tage, an dem sie euch erwürgt hatten! Rettet uns vor ihnen, vor einem Frieden, der uns die Pest ihrer Nähe bringt! Rettet uns vor dem Unglück, heimgekehrten Auditoren die Hand zu reichen und Henkern im Zivilberuf zu begegnen. Denn das Gewissen dieser niedrigen Grausamkeit, der die Hemmung der Phantasie nicht durch Leidenschaft, nur durch Mechanik genommen war, wird sich so rasch zum Tagwerk erholen, wie es sich aus der Banalität der Vergangenheit ins Morden geschickt hatte. Zu Hilfe, ihr Ermordeten! Steht mir bei, daß ich nicht zwischen Menschen leben muß, die aus Ehrsucht oder Selbsterhaltungstrieb Befehl gaben, daß Herzen zu schlagen aufhören und Mütter weiße Haare bekommen! So wahr ein Gott lebt – dies Schicksal wird nur durch ein Wunder heil! Kehret zurück! Fragt sie, was sie mit euch getan haben! Was sie getan haben. als ihr durch sie littet, bevor ihr durch sie starbt! Was sie in euren galizischen Wintern getan haben! Was sie in jener Nacht getan haben, da telephonierende Kommanden keine Antwort von eurem Platz bekamen. Denn vorn war alles ruhig. Und nur später sahen sie, wie ihr brav dastandet, Mann neben Mann, das Gewehr im Anschlag. Denn ihr gehörtet nicht zu jenen, die übergingen, nicht zu jenen, die zurückgingen und denen, weil sie fror, ein Soldatenvater mit Maschinengewehrfeuer einheizen mußte. Ihr habt eure Stellungen gehalten und fielet nicht bei einem Schritt nach hinten in die Mördergrube eures Vaterlands. Vor euch der Feind, hinter euch das Vaterland und über euch die ewigen Sterne! Und ihr habt nicht Reißaus genommen in den Selbstmord. Ihr starbt nicht fürs, ihr starbt nicht durchs Vaterland; nicht durch die Munition des Feinds, nicht durch die eigene – ihr standet und starbt durch die Natur. Welch ein Bild des Ausharrens! Welch eine Kapuzinergruft! Wehrhafte Leichname, Protagonisten Habsburgischen Todlebens, schließt eure Reihen und erscheint ihnen im Schlaf! Erwacht aus dieser Erstattung! Tretet vor! Tritt hervor, du lieber Bekenner des Geistes und verlange deinen teuren Kopf von ihnen! Du – wo bist du, der im Spitale starb? Sie schickten mir von dort meinen letzten Gruß mit dem Bescheid zurück: »Abgeschoben. Aufenthalt unbekannt«. Tritt vor, ihnen zu sagen, wo du bist und wie es dort ist, und daß du dich nie mehr dazu gebrauchen lassen wolltest! Und du dort, mit dem Gesicht, zu dem du in deiner letzten Minute verurteilt warst, als die kommandierte Bestie, Schaum vor dem Mund, ehedem vielleicht ein Mensch wie du, in deinen Graben stürzte – tritt hervor! Nicht daß du sterben – nein, daß du das erleben mußtest, macht künftig allen Schlaf und allen Tod im Bett zur Sünde. Nicht euern Tod – euer Erlebnis will ich rächen an jenen, die es euch aufgebunden haben! Ich habe sie zu Schatten geformt, die sie sind und die sie in Schein umlügen wollten! Ich habe ihnen das Fleisch abgezogen! Aber den Gedanken ihrer Dummheit, den Gefühlen ihrer Bosheit, dem furchtbaren Rhythmus ihrer Nichtigkeit gab ich die Körper und lasse sie sich bewegen. Hätte man die Stimme dieses Zeitalters in einem Phonographen aufbewahrt, so hätte die äußere Wahrheit die innere Lügen gestraft und das Ohr diese und jene nicht wiedererkannt. So macht die Zeit das Wesen unkenntlich, und würde dem größten Verbrechen, das je unter der Sonne, unter den Sternen begangen war, Amnestie gewähren. Ich habe das Wesen gerettet und mein Ohr hat den Schall der Taten, mein Auge die Gebärde der Reden entdeckt und meine Stimme hat, wo sie nur wiederholte, so zitiert, daß der Grundton festgehalten blieb für alle Zeiten.
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt ihr hören
Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt,
Und Planen, die verfehlt, zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden.
Und hörten die Zeiten nicht mehr, so hörte doch ein Wesen über ihnen! Ich habe nichts getan, als diese tödliche Quantität verkürzt, die sich in ihrer Unermeßlichkeit auf den Unbestand von Zeit und Zeitung beriefe. All ihr Blut war doch nur Tinte – nun wird mit Blut geschrieben sein! Dieses ist der Weltkrieg. Dies ist mein Manifest. Ich habe alles reiflich erwogen Ich habe alles reiflich erwogen – Zitat aus der Kriegsdeklaration des Kaisers . Ich habe die Tragödie, die in die Szenen der zerfallenden Menschheit zerfällt, auf mich genommen, damit sie der Geist höre, der sich der Opfer erbarmt, und hätte er selbst für alle Zukunft der Verbindung mit einem Menschenohr entsagt. Er empfange den Grundton dieser Zeit, das Echo meines blutigen Wahnsinns, durch den ich mitschuldig bin an diesen Geräuschen. Er lasse es als Erlösung gelten!
(Von draußen, ganz von weitem her, der Ruf: – – bee!)
(Verwandlung.)
Liebesmahl bei einem Korpskommando. Die dem Zuschauer zugekehrte Wand des Saales ist von dem Kolossalgemälde »Die große Zeit« ausgefüllt. Es wird ein Sautanz serviert. Die Musik spielt »Der alte Noah hats doch gewußt, die schönste Boa wärmt nicht die Brust«. Das Gelage neigt sich dem Ende zu. Offiziere der verbündeten Armeen stoßen miteinander an. Aus der Ferne Geschützdonner. Ein Husarenoberleutnant wirft ein Sektglas an die Wand.
Der preußische Oberst (neben dem General, summend und nickend): Der olle Noah, ja der hats jewußt – Na Prösterchen!
Der General (erhebt sich unter Hoch-Rufen, schlägt an das Glas): Meine Herrn – also – nachdem unser Offizierskorps ein vierjähriges beispielloses Ringen – also gegen die Übermacht einer Welt – überstanden hat – also setze ich das Vertrauen auf meinen Stab – indem ich überzeugt bin – wir werden auch fernerhin unerschrocken – tunlichst – die Spitze zu bieten. Kampfgestählt gehen unsere heldenmütigen Soldaten – diese Braven – gehen sie neuen Siegen entgegen – wir wanken nicht – wir werden den bis ins Mark getroffenen Feind – zu treffen wissen, wo immer es sei – und der heutige Tag – der heutige Tag, meine Herrn – wird einen Markstein bilden – in der Geschichte unserer glorreichen Wehrmacht immerdar! (Hoch-Rufe.) – Drauf und dran! Von Ihnen aber, denen die schwerste Aufgabe in diesem beispiellosen Kampfe obliegt – wie von unserer in Not und Tod getreuen Mannschaft, der die unermüdlichste Pflicht aufgezwungen ist – also ich erwarte von euch allen – daß ihr bis auf den letzten Hauch von Mann und Roß mit Hintansetzung eure Pflicht erfüllen werdets! Es gilt einen letzten, aber heißen Strauß und wir wissen, daß es – um nichts Geringes geht. Fürwahr! Stehen wir doch alle hier, jedermann – und ein jeglicher stellt seinen Mann – auf seinen Posten, um auszuharren – daselbst – wohin den Soldaten unsere Pflicht hingestellt hat und der Allerhöchste Dienst uns hingesetzt hat (Hoch-Rufe) – wie es dem Gagisten geziemt! In dieser Stunde gedenken wir der Lieben in der Heimat – die fern sind und unserer in Treuen gedenken. Und speziell die Mütter, die vorangegangen sind – indem sie also naturgemäß mit Freuden ihre Söhne geopfert haben auf dem Altare des Vaterlands! Und wahrlich – es ist nicht leicht, in diesem Augenblicke alle Gedanken zusammenzufassen – weil sie immer auf das eine Ziel gerichtet sein müssen. Es gilt – ich spreche das Wort im vollen Bewußtsein meiner Tragweite aus – es gilt, zu siegen! Siegen, meine Herrn – wissen Sie, was das heißt? Das ist die Wahl, die dem Soldaten bleibt – sonst muß er ruhmbedeckt sterben! Zu diesem Behufe – will ich mich der Erwartung verschließen – daß Sie meine Herrn – im Hinblicke und mit Rücksicht darauf die Pflege eines innigeren, herzlicheren Kontaktes mit derselben – also mit der Mannschaft – für die tunlichste Herabminderung der persönlichen Gefahr – also – sich aufgeopfert haben. (Hoch-Rufe.) Denn meine Herrn – wir alle wissen – das Letzte, was der Offizier, vornehmlich der Stabsoffizier, besitzt – ist (Rufe: Seine Ehre!) – Sie haben es erraten meine Herrn – seine Ehre! Und die werden wir sich nicht – also ich weiß schon – es gibt solche subversive Elemente – die bis ganz vorn in die vorderste Lini hineinreichen – aber – meine Herrn – uns können sie nicht das Wasser reichen! Oh! Unser Menschenmaterial haltet noch was aus! (Bravo-Rufe) – Und wir, die wir Blut von ihrem Blute, Geist von ihrem Geiste sind – nein und tausendmal nein! – der Offizier fühlt mit dem gemeinen Mann, mit dem einfachen Mann, der am heutigen Tage das Bollwerk ist, an dem sich der Feind blutige Köpfe holen wird – wenn sie auf Granit beißen! Und da können s' sagen, was sie wollen, diese Schkribler – man derf nicht generalisieren! (Er schlägt auf den Tisch) – derf man denn das? (Rufe: Nein!) Diese Schkribler – ich meine natürlich nicht die beiden Herren Kriegsberichterstatter, die uns heute hier die Ehre erwiesen haben – wir wissen nur zu gut, was die Wehrmacht einer wohluniformierten Kriegsberichterstattung zu verdanken hat – die Presse – die in Erfüllung ihrer hochpadriotischen Pflicht den Mut des Hinterlands behebt – belebt – kann bei uns immer auf Anklang rechnen ! (Bravo-Rufe.) Ich meine nicht diese Herrn und ich hoffe, daß die Herrn das also nicht auf die Herrn bezogen haben – indem wir ihre gemeinnützige Tätigkeit tunlichst vollauf würdigen (Bravo-Rufe. Die Kriegsberichterstatter verneigen sich.) Ich meine – diese Anarchisten und Defaitisten – die ihre Zwietracht hineintragen und durch Ausstreuung von Gerüchten zur Verbreitung derselben beitragen! Das sind die Elemente! Das sind die Leute, die zuerst wühlen und nacher dann noch Umtriebe machen. Und ich frage Sie meine Herrn – haben wir das notwendig? (Rufe: Nein!) In meinem Korps – wo alle Nationen friedlich miteinander vertreten sind – wir haben in unserem Stab deutsche Herrn und wir haben böhmische Herrn, wir haben Polen und Kroatten haben wir und rumänische Herrn haben wir und solche mosaischer Konfession sind auch da. Und haben wir nicht auch Vertreter unserer prächtigen Honved? (Eljen-Rufe)– Also da hat sich noch niemand beschwert! Da heißts immer – Nationalidäten hin und her. Ich frage Sie meine Herrn – merkt man da etwas? Also – darum sage ich – es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wenigstens bei uns! Da zeigen Sie den Herrn Bundesgenossen, die wir mit Stolz heute an dieser Tafel hier herin erblicken dürfen – (Hoch-Rufe) – wie bei uns volle Einigkeit herrscht! Jeder füllt seinen Platz aus – mit Hintansetzung – denn wir wissen alle, daß und wofür wir durchhalten müssen, alle Nationalidäten ohne Ausnahme, wie wir da sind, in diesem uns aufgezwungenen Verteidigungskriege der germanischen gegen die slawische Rasse! (Hurra- und Hoch-Rufe.) Unsere Waffen in diesem beispiellosen Kampfe heißen Zuversicht und Disziplin! (Bravo-Rufe.) Oh, ich halte etwas auf Disziplin – aber eisern muß sie sein! Und wir alle – können wahrlich ein Lied davon singen. Bei der letzten Inspizierung habe ich diesbezüglich also Übelstände bemerken müssen und ich habe auch leider bemängeln müssen, daß mir draußen zu wenig Herrn gefallen sind. Ich will niemandem nahetreten, aber es gilt doch, mit gutem Beispiel voranzugehen. Statt den eigenen werten Kadaver in Sicherheit zu bringen! (Bravo, bravo!) Mein hohes Vorbild, Seine Exlenz Pflanzer-Baltin (Hoch-Rufe) hat das Wort geprägt: »Ich werde schon meinen Leuten das Sterben lehren!« Dadrauf halte ich! Und was wolln denn die Leut eigentlich? Wolln s' denn ewig leben? Zu solchen Passionen meine Herrn ist jetzt nicht die Verfassung – wo das Vaterland in Gefahr ist, das aber so Gott will – hervorgehn wird – wie ein Phönix aus dem Stahlbad des Weltkriegs! Was uns nottut – ist Selbstsucht! Verwöhnung kann ich nicht hingehn lassen. Wie sie das Glück gehabt haben, damals wie Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Friedrich – (mit Rührung) der Soldatenvater (Hoch-Rufe) – bis in die vordersten Schützengräben vordrang, um der Mannschaft die huldreichen Grüße Seiner Majestät des obersten Kriegsherrn zu überbringen (Hoch-Rufe) – da haben s' also naturgemäß eine Freud ghabt! Ja was wolln denn die Leut noch haben? Damals wars noch ganz ruhig draußen und kein so bewegter Tag wie heute, wo sie den Stürmen trotzen. Aber nein, da wird herumgestierlt und es gibt Elemente, welche es glücklich so weit gebracht haben, daß sich die Mannschaft beklagt und aufbegehrt – wegen dem Dörrgemüse und so – sie möchten womöglich wie im Frieden ein Soupetscherl vom Sacher haben (Heiterkeit) – und dreimal täglich Schaumrollen! Jetzt heißt es durchhalten! (Bravo, bravo!) Meine Herrn – ich perhorresziere das und wo ich Anzeichen bemerke, da bin ich scharf hinterher! Disziplin – wissen Sie meine Herrn, was das heißt? Disziplin heißt Mannszucht! Das ist die Autorität – die das tägliche Brot für den Soldaten ist! Wenn s' das untergraben, hört sich die Gemütlichkeit auf! Diese Schkribler – Bismarck – er war zwar – also unser großer Bundesgenosse – hat das Kernwort geprägt: Was das Schwert uns vernichtet hat – geht durch die Feder wieder verlorn! – Meine Herrn, lassen wir das nicht aus dem Auge fallen! Erinnern wir uns! – Aber ich staune über die Langmut unseres hohen KM. Wenns nach mir ginge, müßte die Zensur ein Exempel schtatuieren und diese Leute alle aufhängen! (Bravo-Rufe.) Auditor et altera parte!Auditor et altera parte – Wortspiel mit dem Rechtsgrundsatz »Audiatur et altere pars«, »auch die Gegenseite muß gehört werden« Ich habe schon gegen die Katzelmacher gekämpft, wo diese Elemente noch nicht auf der Welt waren! (Bravo-Rufe) – das kann ich mit Stolz sagen! Aber meine Herrn – wenn das am grünen Tische geschieht, da freilich – können wir nicht die Verantwortung übernehmen! Man darf nicht alle feindlichen Lügen über uns glauben. Opferfreudigkeit hätten wir genug in unserem lieben Vaterlande, aber was uns fehlt, ist Hingabe und grad auf die kommt es an! Also – man darf derartige subversive Strömungen gar nicht aufkommen lassen – weil sie sonst unterminierend wirken könnten! Wenn wir hier jeder unentwegt bleiben, so werden wir auch die letzte Entscheidung, die uns der Feind aufzwingt – planmäßig und in Ehren an uns herankommen lassen! Wer von uns gedenkt nicht der geradezu beispiellosen Taten, mit denen unsere allzeit bewährte, todesmutige Truppe uns vorangegangen ist – nachdem sie getreu unserem Bettel gefolgt ist in Sturm und Gefahren! Und fürwahr – die sich vielfach aufgeopferten Stäbe haben jederzeit die Verantwortung planmäßig übernommen und auch beispiellos durchgeführt! Und haben wir denn nicht auch schöne Erfolge erzielt? Erfolge, die in den Annalen unserer Wehrmacht fortleben werden, während wir selbst dereinst ruhmbedeckt gefallen sind. Haben wir nicht Erfolge erzielt, die den Neid unserer Bundesgenossen – unserer Feinde – erwecken – so daß sie sie uns schmälern wollen? Leicht, meine Herrn, hat man es uns wahrlich nicht gemacht. Sind wir doch umgerungen von lauter Feinden und bieten einer numerischen Übermacht die Stirne immerdar! Sieg über Sieg, meine Herrn! Wer hätte das vor vier Jahren gedacht, damals als wir auszogen in das Ungewisse, um Serbien zu zertreten – planmäßig und unter den Klängen des Prinz Eugen! (Hoch-Rufe.) – Und ist es uns denn nicht gelungen? Haben wir nicht Serbien zertreten meine Herrn? Wir haben es zertreten! (Hoch-Rufe.) – Da hats geheißen: Bis hieher und nicht weiter! Also – auskehrn mit eiserner Faust! Meine Herrn, noch ein Schritt und der Sieg ist unser! Rußland stellt sich immer klarer heraus – das ist ein Koloß auf tönernen Füßen! Das ist so gut wie ein erledigter Standpunkt! Und was die Katzelmacher anbetrifft – nun also, wer von uns zweifelt heute noch am schließlichen Endsieg? Pflicht des Soldaten, meine Herrn, ist es sich gut zu schlagen, und wir haben sich gut geschlagen, fürwahr! Diese Tapferen – die vorangegangen sind und alles in die Schanze geschlagen haben! Wir gedenken ihrer – denn sie haben die Fahne ihres Regiments hochgehalten und tunlichst mit ihrem Blute besiegelt! Meine Herrn – wir leben in einer großen Zeit und die für unser Vaterland unschätzbaren Früchte sind noch im Wachsen – sein Ansehn in der Welt – und vor allem verdanken wir diesem Stahlbad den horrenden Seelenaufschwung, den wir mitgemacht haben. Is das vielleicht nix? Nun trennt uns nur noch ein Schritt und wir haben den Lorbeer unüberwindlich erreicht! Darum sage ich – und das gilt für den Gagisten wie für den gemeinen Mann – kalten Mut, kaltes Blut meine Herrn! Auf Sie kommt es in letzter Linie an – seien Sie sich dessen bewußt! Sie wissen, wofür wir hier stehen! Für den Allerhöchsten Dienst (Hoch-Rufe) – für unsern allergnädigsten Kaiser (Hoch-Rufe) – dem jeder sein Bestes geben soll, trotz Not und Tod in Stürmen, Gefahren und Unternehmungen aller Art, wie es einem braven Kriegsmanne geziemt! (Hoch-Rufe.) Gott helfe weiter! Ich trinke auf das Wohl unserer allmächtigen Verbündeten – die wir hier erblicken im Zeichen bewährter sturmerprobter Nibelungentreue Schulter an Schulter mit uns verbunden auf Gedeih und Verderb! (Hoch- und Hurra-Rufe.) Seine Majestät der deutsche Kaiser und Seine Majestät unser oberster Kriegsherr, unser allergnädigster Kaiser und König mitsamt dem angestammten Herrscherhause – sie leben hoch! hoch! Hoch! (Brausende Hoch- und Hurra-Rufe. Allgemeines Anstoßen. Er setzt sich.) – Was servierst denn da?
Der Bursche: Exzellenz bitte gehorsamst, Handgranaten.
Der General (lacht aus vollem Halse): Das sein ja Eisbomben – die heißen s' bei uns Handgranaten! Also in Gottes Namen Handgranaten her!
Der preußische Oberst: Handgranaten her! – Donnerwetter noch mal, seid ihr Östreicher aber schneidje Kerlchens! Na wir haben kürzlich Metzelsuppe, denn Schlachtpastetchen mit Blutwurst jehabt (Heiterkeit) und zum guten Ende gabs Torpedos mit Schlagsahne. (Er singt:)
Wer sorgt für solche Gäste So, wie 's bei uns geschieht! Gesprengt, versenkt wird feste – Doch immer mit Jemüt! |
Der General: Auf das deutsche U-Boot! (Hoch- und Hurra-Rufe. Anstoßen.)
Der preußische Oberst: Exzellenz, ich bin kein Wortemacher und 'nen Toast zu leisten, dazu – reichts nicht mehr. Dazu – ist euer Ungarwein zu gut. (Heiterkeit.) Aber soviel kann ich noch sagen – Ihre Worte haben auch zu meinem deutschen Herzen gesprochen! Wo Disziplin fehlt, kommt das dicke Ende nach. Der schlappe Geist, der bei euch Östreichern in eurem Hinterlande herrscht, würde unfehlbar auch die Front zum Wanken bringen – (ein Hauptmann ist unter den Tisch gefallen. Es entsteht Bewegung.)
Der General: Die Schkribler sind schuld! Was wollen s' denn haben – mir san ja eh die reinen Lamperln!
Der preußische Oberst: Nich doch. Euer Friedensgewinsel war Unjebühr. Da habt ihr an euch selbst jesündicht. Nu droht dieser Geist auch eure Front zu verseuchen.
Der General: Hörts es? Disziplin muß sein, da gibts nix!
Der preußische Oberst: Ludendorff hat volles Vertrauen zu Ihnen, Exzellenz.
Der General: Zu schmeichelhaft. O ja, ich schau auf das Menschenmaterial – ich schau aber auch auf die Herrn! Jetzt wern mrs wieder a bißl auffüllen – speziell bei der Kag fehlt's – mit 'n Flak wär ich eher zufrieden – unsere Herrn Ärzte sind im allgemeinen recht brav, sie tun was sie können – bei der Konschtatierung und halt so. Alles is scho inschtradiert. Wissen S', mit die Ersatzkörper –
Der preußische Oberst: Prothesen? – Ach so!
Der General: Zum Inschtradieren!
Der preußische Oberst: Na – heut dürfte ja 'n heißer Tach sein.
Der General (sich die Stirn wischend): Damisch heiß is herint.
(Ein Telephonoffizier kommt, tritt an den diensthabenden Generalstabsoffizier heran und überreicht eine Depesche. Der Generalstabsoffizier öffnet, erhebt sich, torkelt auf den General zu und flüstert ihm etwas ins Ohr.)
Der General: Trotteln!
Der preußische Oberst: Was is 'n los?
Der General: Vorstellung genommen. Auf zweite Linie zurück. Da is der Wottawa schuld!
Der preußische Oberst: Fatale Schose! Na da habt ihr wieder mal auf dem falschen Fuß Hurra jeschrien? (Die Musik spielt ein Wiener Lied.) Ach köstlich! (Er singt mit) Trink ma noch a Flaschal – trink ma noch a Flaschal – ich – haab – Geld im Taschal – – (Um sich blickend) Aber ich kenne ja eigentlich einige der Herren noch nich – (er zeigt auf eine Gruppe von Offizieren.)
Der General (winkt): Tu! tu! Tu! (Die Offiziere erheben sich.)
Ein Husarenoberleutnant: Geza von Lakkati de Nemesfalva et Kutjafelegfaluszeg.
Der preußische Oberst: Komischer Name. Fideles Haus.
Der General: Das is a roter Teufel.
Der preußische Oberst: Roter Teufel – schneidich! Ja die prächtje Honved!
Ein Hauptmann: Romuald Kurzbauer.
Der preußische Oberst: Wiener?
Der General: Na, a Salzburger is er.
Ein Oberleutnant: Stanislaus v. Zakrychiewicz.
Der preußische Oberst: Kroate?
Der General: Pole, Pole.
Der preußische Oberst: Ah, ein edler Pole!
Ein Leutnant: Petricic.
Der preußische Oberst: Rumäne?
Der General: Nein, Kroatt.
Ein Oberleutnant: Iwaschko.
Der preußische Oberst: Böhme?
Der General: Rumäner.
Ein Hauptmann: Koudjela.
Der preußische Oberst: Italiener?
Der General: Behm!
Ein Trainrittmeister: Trainreferent Felix Bellak.
Der preußische Oberst: Aha. (Die Vorgestellten setzen sich. Der Oberstabsarzt stößt mit dem Oberauditor an. Der Feldrabbiner mit dem Feldkuraten.) Mal munter, Heiligenscheinwerfer! Immer stramm, immer stramm! Recht so!
Ein Hauptmann: Das is unsere wackere Sündenabwehrkanone! (Schallende Heiterkeit, in die der Feldkurat einstimmt.)
Der Feldkurat: Jawoohl, jawoohl – ich tu ihnen schon das Wülde abiramen!
Der preußische Oberst: Abi – ramen? Köstliches Wort! Bedeutet vermutlich abräumen? Der Mann ist woll vom Lande?
Der Feldkurat: Nein Herr Oberst, aus Linz.
Der preußische Oberst: Ah, das schöne Linz in der grünen Steiermark!
Der General: Jetzt soll einer meiner begabten jüngeren Herrn was zum besten geben!
Der Oberintendant: Der Wowes!
Der General: Wowes! Zum Klavier antreten! Gschwind!
Wowes (setzt sich ans Klavier, spielt und singt dazu):
Wenn ich dich – an deinem Fenster seh – So tut mir – das Herz so weh. Ich sehn mich – nach dir zurück. Denn du bist – das Glück. |
(Rufe: Bravo Wowes!)
Wowes: Is noch nicht aus!
Der preußische Oberst (summend und nickend): Du bist – das Glück. Hat er fein jemacht!
Wowes (fortfahrend):
Wenn ich – bei dir im Bette bin – So ist mir – gar wohl im Sinn. Ich will – von dort nicht fort. Denn dort ist – mein Ort. |
(Heiterkeit. Rufe: Bravo Wowes!)
Der preußische Oberst (summend und nickend): Denn dort ist – mein Ort. Famoser Bengel! (Trinkt ihm zu.)
Der General: Er komponiert selbst! Oh, er is sogar auch ein Zauberkünstler. Prestischatehr! Der unterhaltet eine ganze Gesellschaft!
Der preußische Oberst: Ach was!
Der General: Ja, das is ein gefinkelter Kampl! Aber ich laß ihn auch nicht hinaus. Jetzt hab ich ihn eingegeben für die große Silberne. (Geschützdonner.)
Ein deutscher Generalstabsoffizier: Es lebe die österreichische Gemütlichkeit! (Hurra- und Hoch-Rufe. Anstoßen.)
Der Oberstabsarzt: Es lebe die deutsche Organisation! (Hoch- und Hurra-Rufe. Anstoßen.)
Der General: Oho! Auch wir – meine Herrn! Auch wir! Oho! Da gibts nix – Wir folgen – unserer Fahne – (Die Musik spielt »Heut hab i schon mein Fahnl«. Gelächter und Singen am Tafelende.) Was – habts denn?
Ein Rittmeister (singend): Heut hab i – schon mein –
Der Oberintendant: Ja wer tommerlt denn da – ? (Heiterkeit.)
(Der Telephonoffizier kommt eilig herein, tritt an den diensthabenden Generalstabsoffizier heran und überreicht eine Depesche. Der Generalstabsoffizier erhebt sich, torkelt auf den General zu und flüstert ihm etwas ins Ohr.)
Der General: Solche Hornviecher!
Der preußische Oberst: Was is 'n los?
Der General (liest): Stellung – zusammengetrommelt. Annäherungsräume liegen – unter – unter schwerem Vernichtungsfeuer – Diese Kineser – ! verderben einem die schönsten Erfolge – ! (Läßt die Depesche fallen.) Ah woos -gar net ignorieren.
Der preußische Oberst (sie aufhebend): Reserven eingesetzt. Abschnittsreserven vollkommen aufgebraucht. Batterien müssen in Aufnahmsstellung zurückgenommen werden – Donnerwetter noch mal! (Verstärkter Geschützdonner.)
Der diensthabende Generalstabsoffizier (zu einem Burschen): Net allweil einschenken. Heut brauch ich – einen klaren – Kopf. Wieviel Stiefel und Kappen verloren, sagt er natürlich wieder nicht. Trottel das!
Der deutsche Generalstabsoffizier: Nanu? Stiefel und Kappen?
Der diensthabende Generalstabsoffizier: Weißt – Leut und Herrn.
Der preußische Oberst: Es scheint, daß euch lieben Östreichern die Friedensoffensiven denn doch besser gelingen sollen. Na hoffen wir, daß Hindenburch da mal zum Rechten sehn wird. Schließlich ist es ja doch wieder an uns, euch aus dem Dreck zu ziehn!
Der General: Meine Herrn – wir sind stolz – daß wir – Schulter an Schulter mit unseren kampfgestählten Bundesgenossen – in schimmernder Wehr – meine Herrn, ich trinke auf die Nibelungentreue – in diesem Bündnis – das s' jetzt ausgebaut hab'n (Bravo-Rufe) und – und –
Der preußische Oberst: Vertieft! (Hoch- und Hurra-Rufe. Die Musik spielt die »Wacht am Rhein« und hierauf »Heil dir im Siegerkranz«.) Ich danke Ihnen meine Herrn – ich danke Ihnen! Aber nu mal wieder ohne feierlichen Klimbim wenn ich bitten darf. Die Wonnejans heben wir uns für den Tach des Endsiechs auf, jetzt mal wieder eins eurer köstlichen Östreicherlieder – von eurem prächtigen Lehar, der uns an der Westfront so viel Freude jebracht hat. (Bravo-Rufe.)
Der General: Spielts »Sag Schnucki zu mir«!
Der preußische Oberst: Schnuckii – was ist denn das? Also Schnuckii, famos! (Die Kapelle intoniert dieses Lied.)
Der General: Aber was is denn mit unsere Feldmatratzen? Die san ja heut ganz stad? Was singts denn nicht mit?
Der Rittmeister (über den Tisch rufend): Die Schwester Paula – die hat dir eine Krupp! Taarlos –! Da kann sich die Schwester Ludmilla verstecken!
Schwester Paula (kreischt): Au! – Aufhörn – grauslicher Mensch das!
Der Rittmeister: Was is denn, was is denn, Komplimenten machen darf man auch nicht mehr?
Schwester Ludmilla: Immer der mit seine Anzüglichkeiten!
Ein Oberleutnant: No und die Gspaßlaberln!
Der preußische Oberst: Gespaßlabal – ? Nee, hört mal, was ihr für ulkje Namen – was ist denn das fürn Ding? (Der General gibt eine Erklärung.)
Der Oberintendant: Die Madln solln a Duett singen! (Rufe: A Duett!)
Der Oberleutnant: Der Feldkurat und der Feldrabbiner solln aa a Duett singen!
Ein Zweiter: Der Feldrabbiner kann jodeln – und der Feldkurat – na – verkehrt – (Schallende Heiterkeit.)
Ein preußischer Hauptmann: Doll!
Ein dritter Oberleutnant: Bist halt a Klassikaner. (Heftiger Geschützdonner.)
Der Artilleriereferent: Die arbeiten heut aber fest – meine Herrn – ! das geht ja wie im Takt!
Der Feldkurat (singend): Können nimma Katzl mach'n, es tuat halt gar zviel krach'n! Tschiff, tscheff, tauch – der Wallisch liegt am Bauch! (Gelächter und Mitsingen.)
Mehrere: Prost Hochwürden! (Anstoßen.)
Der preußische Oberst: Ich fürchte, daß es 'n heißer Tach ist!
Der General (sich die Stirn wischend): Wiar in die Hundstäg. (Die Musik spielt »Am Manzanares«.)
(Der Telephonoffizier stürzt herein, tritt direkt an den General heran, flüstert ihm etwas ins Ohr.)
Der General: Was? Die elendigen – die elendigen – diese Frontschweine – !
Der preußische Oberst: Was is 'n los?
Der General: Ich – versteh – das nicht. Ich – habe doch ausdrücklich –
Der preußische Oberst: Nanu Kinder – macht mir man bloß jetzt nicht flau, wo wir den Sieg in der Tasche haben!
Der General: Herrschaften – da sind wir in der rue de Kack!
Der preußische Oberst (zum Telephonoffizier): Was is 'n los?
Der Telephonoffizier (in größter Erregung, stammelnd): Die Spitzen der rückflutenden Divisionen erreichen bereits den Stand des Korpskommandos – die gesamte Artillerie wurde im Stich gelassen – die Straßen sind von gepfropftem Train gesperrt – die Truppen demoralisiert – feindliche Kavallerie im schärfsten Nachdrängen. (Ab. Der Oberst spricht auf den General ein. Die andern in zwangloser Konversation.)
Ein Hauptmann: Du – Koudjela –
Koudjela: Jaa –
Der Hauptmann: Spehlmeis war guut! Aber schon sehr gut!
Koudjela: Jaa –
Der Hauptmann: Du – Koudjela –
Koudjela.: Jaa –
Der Hauptmann: Wein ist guut! Aber schon sehr gut!
Koudjela: Jaa –
Ein Oberstleutnant (zu einem schlafenden Obersten): Du Herr Oberst!
Der österreichische Oberst (erwacht): Was is denn –
Der Oberstleutnant: Nix! (Heiterkeit.)
Ein Leutnant (über den Tisch rufend): Du Windischgraetz – hast heut mit dem Schlesinger gebritscht oder gebackt?
Der Rittmeister: – Hörts mr auf, die Glanzzeit der Presse war im Anfang, wie s' noch 'n Roda Roda ghabt ham – jetzt is gar nix.
Ein Oberleutnant (gibt ihm einen Stoß): Pst – die zwei Judenbuben! (Laut) Weißt, großartig find ich die Sachen von der Schalek – sehr instruktiv! – nächste Wochen kommt sie zu uns heraus – no vor allem is sie tapfer, das muß ihr auch der Feind lassen!
Der Rittmeister (gibt ihm einen Stoß): Pst – das gift' die doch noch mehr! (Laut) Weißt, der Roda Roda, der hat das verstanden, so mit einem Satz eine militärische Situation – also zum Beispiel, das is mir noch genau in Erinnerung – wie er gschrieben hat: »Sie werden Ihren Mantel kaum mehr brauchen«, sagte der Oberleutnant, als er den Popen an den Steigbügel eines Ulanen binden ließ. Nix weiter.
Der Oberleutnant: Gelungen, aber wieso hast dir das so gemerkt?
Der Rittmeister: No Tepp – ratest denn nicht, wer der Oberleutnant war? Ich!
Der Oberleutnant: Keh! – Was hat der angstellt ghabt?
Der Rittmeister: No Umtriebe und so. A rote Nasen hat er ghabt – also du das reine Lichtsignal! Das war schon einer!
Ein Oberleutnant (zu einem andern, der versunken dasitzt): Du – was denkst du so? Du Denker du.
Der Andere: Weißt, ich denk halt – jetzt, auf der Sirk-Ecken. Hier sitzt man herum –
Der Erste: Du – ich auch.
Ein preußischer Oberleutnant: – Nee Kinderchens laßt mich man bloß unjeschoren, den Siegfrieden erringt ihr fein ohne mich – ich muß ja doch nächste Woche nach Berlin. Da haben wir unser Heldengedächtnisrennen.
Ein Zweiter: Ach wer wird an morgen denken! Die Hauptsache ist 'ne tüchtje Pulle, daß man die nötje Bettschwere bekommt. Die faulen Hinterlandonkels –
Der Rittmeister: No ich verlang mir auch keinen Urlaub. Ujegerl – ins Land, wo Wrucken und Maisbrot fließt! (Heiterkeit) – könnt mich haben!
Ein Hauptmann: Was Reischl, aber auf die Front hast halt auch kan Gusto? (Heiterkeit.)
Der Rittmeister: Du hast was zu reden, Obertachinierer!
Der zweite preußische Oberleutnant: Mit das Schlimmste an der Front ist alle Tage Marmelade.
Der Erste: Ach Heldenbutter ist auch schon alle. In Rußland sind sie jetzt eklich dran. Da haben sie in einem Abschnitt ne richtichgehende Cholera. Wißt ihr, weil die Kerls Wasser aus 'nem Teich getrunken haben, wo Russenleichen waren.
Der Rittmeister: Das wär nix für mich, ich brauch einen Schampus! (Schallende Heiterkeit.)
Der Zweite: – Ja, kochen könnt ihr Östreicher, aber die Speisenfolge, die wir mal an der Nachmittachstafel in Homburg jehabt haben – da (er zeigt die Menikarte): Kraftbrühe mit Ochsenfleisch – Königinpastetchen – Gebackene Rheinfische mit Remouladentunke – Fasane im Topf – Osterlammrücken auf Hausmannsart mit Halberstädter Würstchen – Hammelkeule mit Weißbohnen und Artischockenböden – Spargel mit Sahnentunke – Niersteiner Auflanger vom Kasino Duisburg – Kupferberg-Gold – Eisbombe – Geschmortes Obst – Käsestangen! Jawoll! Da könnt ihr nich ran! (Oho-Rufe.)
Der preußische Oberst: – Nee Kinder, euer berühmtes Hofftheaterballett war bei euch?
Der General: Ja – und auf d' Wochen krieg mr ein Kabarett was sich gewaschen hat!
Der erste Kriegsberichterstatter: Herr Oberst, mein Werk!
Der zweite Kriegsberichterstatter: Wiesoo?Angeregt hab ich!
Ein Oberleutnant: – Aber nein, das war doch bei der siebenten Isonzoschlacht, weißt, wie der Sascha bei uns heraußt war –
Ein anderer Oberleutnant: – Noja, der Oberst haltet sich übern Kanonendonner auf. Er kann bei der Nacht net schlaf'n. Da warn die frühern Quartier besser. Ich hab's immer gsagt, die Situation is ungünstig. Das wird wieder a Nacht wern heut! Passieren kann nix, aber der Lärm bei der Nacht is zwider. (Heftige Detonation.)
Der Artilleriereferent: Das war a schwarer Pumperer!
Ein Leutnant: – Der Scharinger von die Elfer? No der hat dir eine Sau! Jetzt is er eingegeben –
Der Rittmeister: – Du, weißt, also ein Busen – (Geste) erstklassig!
Ein Oberleutnant: Du, aber was ich jetzt in petto hab –! also tulli –!
Der Rittmeister: Obersteiger! In der letzten Muskete –
Ein Major: Unsern Menageoffizier lass mr leben! (Hoch-Rufe. Anstoßen.)
Ein Generalmajor: Ja der Pschierer! Der stellt seinen Mann! Zwölf Gänge – da muß man schon Habedjehre sagen.
(Trinkt ihm zu.)
Der Oberauditor: Also ich habe mich schon auf manchen schweren Gang vorbereitet (Heiterkeit) – aber ich muß schon sagen – Pschierer Prost!
Der Major: Du, hörst nix vom Haschka?
Der Oberauditor: Der Haschka is noch immer der Alte. Fleißig –!
Der Major: Aber jetzt kann er doch nicht mehr für'n Stöger-Steiner arbeiten? Also gar so viel kanns doch nicht mehr zu tun geben!
Der Oberauditor: Ja die Zeiten sind vorbei. Aber der Haschka is dir ein Hauptbursch. Sein Steckenpferd hat er halt noch immer. Da hebt er sich das Todesurteil auf, pünktlich bis die Suppen aufgessen is. Schaut auf die Uhr, springt auf, mit'n Braten solln s' warten sagt er – bumsti san scho drin im Billardzimmer zum Verkündigen. Sein schönster Fall war bei den Ma-Formationen vom Fünfzehner-Korps, weißt Wocheiner-Feistritz. Da warn a paar Humanitätspimpf, die ham sich aufghalten – paßt ihnen akkurat nicht, weils der Stöger-Steiner gewunschen hat – no ja, es hat halt solln ein Exempel schtatuiert wern.
Der Major: p. u.?
Der Oberauditor: Aber nein – der Fall is doch berühmt. Ein Kerl hat a Brieftaschl gstohln ghabt, no und vom Arrestgitter ham s'n hineingheanzt, daß er dafür erschossen wird. Der Kerl geht durch – aus Furcht. No hat der Haschka gsagt, wanns auch keine ausgesprochene Desertion is, weils bloß aus Furcht war – es is wegn 'n Exempel. Weil also naturgemäß der Stöger-Steiner Wert drauf legt. – Wern dir die Pimpf hopatatschig! Daraufhin verurteilen s' nicht! Was sagst! Ein Skandal so was! Aktive –?!
Der Major (perplex): Aktive –?!
Der Oberauditor: Ja das gibts auch! Aber ich bitt dich – ich hab ja selbst Fälle ghabt, wo s' selbst bei Selbstverstümmlung einen Kerl ham heraushaun wolln. Bitte – Aktive! Tragen des Kaisers Rock! Die sollt man schtampern! Diese umstürzlerischen Ideen sind eben sogar schon in unsern engern Stand eingedrungen.
Der Major: Was willst haben, in der Lini machen s' auch schon manchmal Gschichten wegen der Mannschaft! No – ich will nix sagen, man darf nicht generalisieren, zum Glück ist der Geist unversehrt. – Also du, was war da?
Der Oberauditor: No hat er ihnen versprechen müssen der Haschka im Protokoll, der Kerl wird begnadigt, wann s'n nur verurteilen. Aber der Haschka, schlau wie er is, hat oben kan Ton von kan Protokoll nicht gsagt – no is also naturgemäß schtantepeh vollzogen worn. Weißt, bei uns sind auch schon viel Exempel schtatuiert worn – aber so eine Exekution, da muß man schon tulli sagen! Ja, der Haschka is halt was bsonderes.
Der Major: Weißt, mit die Humanen – das hab ich scho gfressen. Wann ich einen Humanen nur von weitem siech, wer' ich scho fuchtig. Sich auflehnen gegen 'n Stöger-Steiner! Da hat dir der Tersztszyansky amal kurzen Prozeß gmacht. Das heißt – er hat gar kan Prozeß gmacht.
Der Oberauditor: Wieso?
Der Major: Weißt, da war dir auch so ein Humaner – also ein engerer Standesgenosse von dir –
Der Oberauditor: No mich brauchst nicht verdächtigen, du!
Der Major: Aber geh, ich tu dich ja nur bißl pflanzen. Also hör zu – der weigert sich, einen Kerl standrechtlich zu behandeln. Es is nur eine Disziplinarsache, sagt er und so Spomponadeln. No in der Meß – kommt dir der Tersztszyansky herein, setzt sich zur Suppen – du aber so ruhig hab ich dir den Tersztszyansky noch nie gsehn! – sagt er, Herr Hauptmann-Auditor sagt er, mit Ihrem Delinquenten brauchen wir überhaupt keine Verhandlung mehr. Wieso, fragt er. No schaun S' sich ihn draußen im Garten an – schaun S' sich ihn nur an – draußen liegt er. Hat dir der Tersztszyansky einfach dem Zugführer gsagt ghabt, er soll den Kerl niedermachen, mit'n Baj onett – bumstinazi! Weißt, weil er dir eine Wut ghabt hat auf den widerspenstigen Menschen.
Der Oberauditor: Auf den Kerl?
Der Major: Aber nein, auf 'n Auditor!
Der Oberauditor: Ah so, natürlich! Du gelt ja, neulich hab ich mich gstritten, der Tersztszyansky is doch Ehrendokter der Philosophie – oder nicht?
Der Major: No ich möcht glauben! – Du richtig, was macht denn der Stanzl von der Na-Stelle? Is der noch in Albanien? Ich hab ghört, daß s' ihn nach Feldkirch hin tun wolln für 'n feinern Dienst?
Der Oberauditor: Woher denn, der hat dir in Albanien Hals über Kopf zu tun! Du, aber der Balogh – weißt in Kossovo-Mitrovica –
Der Major: Ja richtig, da hab ich so eine Gschicht ghört von einer Hinrichtung mit Zahnziehn oder was.
Der Oberauditor: Das is ein Tratsch. Es is unglaublich wie der Mensch verleumdet wird – das wollt ich dir grad erzähl'n. Das ist die harmloseste Gschichte von der Welt. Das Ganze beruht einfach darauf, daß er einen Sechzehnjährigen zum Aufhängen ghabt hat, weil er ein Komitatschi war. No hat er dem Dokter gsagt, er soll halt nachschaun, ob der Bursch nicht am End schon an Weisheitszahn hat. No sagt der Dokter, ja. No hat er hineingschrieben 20 – ham s'n halt aufghängt. Also er hat sich noch die Mühe gnommen mitn Nachschaunlassen. Das war der Fehler – so is 's herauskommen. No und nacher, weil er dafür vom AOK eine Rüge bekommen hat, is halt der ganze Tratsch entstanden. No, das AOK hat früher bei solche Fälle, wo es sich um verdiente Offiziere handelt, mit die Rügen nicht so geuraßt – unter uns! Sonst setzt ma's Alter einfach hinauf, sagt ka Mensch was.
Der Major: Is mir auch ein Schleier. Bei unserer Truppendivision – Herrgott waren das Zeiten – wie noch der Peter Ferdinand mehr freie Hand ghabt hat – da hams einmal gewettet, weißt die kaiserliche Hoheit und der Parma, der Generalstabschef – also ob bei der Hinrichtung von Vierzehnjährigen eine Dingsda stattfinden werde – wie hat er's nur gheißen, der Dokter – so a gspaßigs Wort –
Ein Regimentsarzt: Aha, eine ejaculatio seminis! (Gelächter.)
Der Major: Ja richtig, natürlich! Oh das war intressant. No überhaupt – damals!
Der Oberintendant: Vierzehnjährige hinrichten – derfen s' denn das? (Gelächter.)
Der Major: Ja mein lieber Oberintendant, wir ham ja schließlich Krieg, verstandewu? Da wird man schon keine Spomponadeln machen! Was? Bei die 92er hams Kerln weils eine Konserven 'gessen hab'n vom eisernen Vorrat, draußen vorm Drahtverhau anbinden lassen, damit s' von die Russen abgschossen wern –
Der Oberintendant: Noja, wann s' vom eisernen Vurrat –
Der Major: Meine Devise: Krieg – das is nicht nur gegen den Feind, da müssen die Eigenen schon auch was gspürn! Ujeh! Damals ham sie s' bei uns zum Hinrichten anstell'n lassen! No und a Butterweib was die Buttern für'n Stab bracht hat, wie s' hat warten müssen – no hams ihr halt gsagt, sie soll sich dazu stell'n – no und da hat mas halt auch aufghängt! (Schallende Heiterkeit) – Aber – bitte – da gibts nix zu lachen – irren is menschlich – so was kann ja vorkommen – bei untergeordnete Organe! Sie is halt auf die Maschikseiten zu stehn kommen. Noja. Aber schöne Zeiten waren 's doch! Wie der Weiskirchner zu uns bei die Edelknaben auf Besuch kommen is, also da hams ihm zu Ehren lebhafteren Kanonendonner anbefohlen – ja! Und mit dem 30,5 Mörser hams nach pflügenden Bauern schießen lassen ja! Und –
Der Oberintendant: Ja warumperl denn –?
Der Major: No – ein Erzherzog war zu Besuch! – also du Oberauditor, wannst mich derschlagst, weiß ich nicht mehr, welcher – also damit er sich halt von der Treffsicherheit der Geschosse überzeugen tut. No er hat aber auch seine Bewunderung ausgesprochen! Also in der leutseligsten Weise – richtig, der Josef Ferdinand wars! – Aber du – weißt, ich hab dich immer fragen woll'n – du hast doch den Fall in Kragujevac ghabt mit die vierundvierzig. Hast da keine Unannehmlichkeiten – (Die Musik spielt »Jetzt trink mr noch a Flascherl Wein, hollodriohl« Die Offiziere singen: »Es muß ja nicht das letzte sein, hollodrioh!« Der Husarenoberleutnant Lakkati wirft ein Sektgks an die Wand)
Der Oberauditor: Aber! Das war a Sauferei. Es is wirklich unglaublich, wie die Leut saufen. Weißt, ich hätt auch dreihundert hinrichten lassen! Trunkenheitsexzesse können nicht geduldet werden! Ich habe den Leuten den ehrenvollen Tod durch Erschießen ausnahmsweise bewilligt!
Ein K-Offizier (mischt sich in die Konversation): Die Bagasch is ja immer besoffen. Aber da verraten s' einem wenigstens die Gesinnung. Na so viel wie im vierzehner Jahr is nicht mehr zu tun.
Also du Herr Oberauditor, da hab ich dir einmal einen Transport von die Achtundzwanziger aus Prag, ehschowissen, nach Serbien begleitet. Ich hab gleich einen Schpurius ghabt! No – hinter Marchegg gehts los. Die Leut sind renident und fangen an mit die Unteroffizier zu schimpfen, weil s' gegen die Serben gehn solln – diese Horde! Die sind aber auf die Maschikseiten zu liegen kommen! Pomali – da ham wir s' schön auswaggoniert, 25 packt und in einen bsondern Waggon einigschupft. Da is für 40 Platz – ham s' es eh noch kommod ghabt. Dann – so alle Stund ham mr dann auf offener Strecken schön ghalten. Nacher – also eine Unteroffizierspatrouille hat nacher jedesmal drei Mann schön außagholt und in den letzten Wagen einigschupft. Also – fahr' mr! Nach zwei Minuten – rrtsch obidraht! Hättst die Gsichter sehn solln von die nächsten drei – wann alstern wieder drei neuche einikommen sind. Immer drei – nachanand. Der letzte seprat. Die Beschtie! No bis am Westbahnhof in Budapest waren alle fünfundzwanzig schön erledigt. Der Waggon, wie s' ihn abkoppeln – der hat ausgschaut! Meine Herrn! Ein Ramatama! Förmlich durchgsiebt – also taarlos! – und 's Blut is nur so –
Der Oberauditor: Hätt ma photographiern solln. Da hast dich verdient gemacht!
Der K-Offizier: Ich habe nur meine Pflicht erfüllt. Der Oberst hat gsagt, schtatuirn mr ein Exempel. Das is nix gegen den Wild.
Der Major: Ja der Wild!
Der K-Offizier: Er geht halt am liebsten auf Ruthener. Gestern hat er mir seine Ansichtskarten gschickt – er zwischen vier Ghängte. Feschak das!
Der Oberauditor: Ja der Wild!
Der K-Offizier: No und der Wild is wieder nix gegen den Prasch! Das is einmal ein Frontoffizier, wie er sein soll. Was der schon eigenhändig –
Der preußische Oberst: – Wie hieß doch das Gericht? Sautanz? Köstliches Wort! Ich könnte mich halbdot lachen über eure ulkjen Bezeichnungen. Ach – ihr Östreicher – ! Aber leider muß man auch sagen, es fehlt euch doch an der nötjen ernsten Lebensauffassung. Krieg is 'n Stahlbatt! Seit euer alter ritterlicher Kaiser dot ist, jeht die Sache man bisken etepetete. Nich mehr so stramm, nich mehr so stramm, Gott seis jeklagt. Na was schwatzt denn der rote Teufel dort?
Geza von Lakkati de Nemesfalva et Kutjafelegfaluszeg (zu einer Gruppe): – Tescheek – hob ich gleich bemerkt, wor Dreck am Huf. Sogt der Kerl, Huf wor rein, muß am Weg von Stall passiert sein! Nohät, nehm ich Säbel, – nehm ich Dreck von Huf – schmier ich Schwain in Maul. (Heiterkeit. Bravo-Rufe.) Igen, ise so ein ise – so ein Reservepintsch dobeigestonden – hot sich eingemischt – hob ich verflixtem Hund gesogt, kommt vor Kriegsgericht! Na ssärwus, konn sich frain! (Bravo-Rufe.)
Der Rittmeister: No und der Kerl, der Bursch? Hat der was gsagt?
Geza von Lakkati de Nemesfalva et Kutjafelegfaluszeg: Obbär – hot nicht können – hot Dreck im Maul gehobt, bittä – ! (Schallende Heiterkeit. Starke Detonation.)
Der Artilleriereferent: No no! a wengerl pomali – die beledern uns am End a no!
Der preußische Oberst: – Nee, da könn' Se nischt dawider sagen – euer galizischer Rückzuch war nich berühmt. Euer Erzherzog –
Der General: Tschuldigen – man hat nix machen können. Seine kaiserliche Hoheit hat das Menschenmöglichste getan – aber der geringe Kampfwert der Truppe – und dann – also das is mir zufällig bekannt – Exlenz Borewitsch hat das ausdrücklich anerkannt – also daß es Seiner kaiserlichen Hoheit durchaus nicht an Energie gemangelt hat – bitte, die Leut ham Selbstmord begangen! Kann man halt nix machen. Mit'n Maschingwehr allein oder Dezimiern also naturgemäß – wissen S', es war halt gar so ein schwächliches Korps. Manchmal is scho so mit die Eigenen. Die Leut warn nicht ausgschlafen und so.
Der preußische Oberst: Nanu?
Der General: Ja – bitte – Exlenz Borewitsch hat selber zugeben müssen, die vorgekommenen Erfrierungen Schlafender, hat er hinaufgschrieben, erzeugen Furcht vor dem Einschlafen.
Der preußische Oberst: Ach so. Na denn freilich trifft euern Erzherzog Josef keine Schuld. Na ejal. Seht mal nur jetzt zum Rechten. Ihr habt gut getan, die diesmalige Offensive der Jahreszeit anzupassen. Die Jahreszeit is nich ungünstich. Die Schlappe in Ihrem Frontabschnitt –
Der General: Na bei die andern wirds a net vül besser –
Der preußische Oberst: Wir wollen das beste hoffen. Es ist freilich fatal, daß der Feind auf diesem Teil der Front zur Offensive übergegangen zu sein scheint. Aber umso mehr Aussicht besteht, ihn zu umzingeln. Das haben wir im Westen schon an die dutzend Mal erprobt. Ich bin in diesem Punkte guter Dinge. Wir Deutsche konzentrieren alle unsre Gedanken auf den schließlichen Endsiech – und da kann ich nur sagen: Machen wir.
Der General: Aber ja, wer' mr scho machen. (Lakkati wirft ein Sektglas an die Wand.)
Ein Oberleutnant: – Hörts – heut hab ich Schluß gmacht mit der Schreibmaschinflitschen – frech war's – na, der hab i's eingfadelt!
Ein Leutnant: No was hast gmacht mit ihr?
Der Oberleutnant: Petschiert! Fertig! (Gelächter) – Na – bled seids –! Gehts ins Lausoleum!
Der Rittmeister: – Mei Lieber, da kannst sagen, was d'willst – die Honved stellen ihren Mann!
Ein deutscher Hauptmann: Ja, aber die Bayern beißen die Gurgel entzwei! Also das möcht ich dir wünschen, so einem –!
Der Rittmeister: Erlaub du mir –! (Heiterkeit. Der Geschätzlärm nimmt ab.)
Der Artilleriereferent: – Hörts mr auf – da hab ich schon ganz andere Mullatschaks mitgemacht, mei Lieber – in der siebenten und achten Isonzoschlacht!
Der Rittmeister: No was is das für a Mullatschak, wo die Madeln fad sein! (Ruft) Kapelle!
Ein Oberleutnant: In Rußland hab ich euch mullattiert –!
Ein Zweiter: Weißt, bei Rawaruska – wie noch der Fallota –
Ein preußischer Leutnant: Nanu – der Musikfritze schläft ja!
Ein preußischer Hauptmann: Spielt mal »Auf dem Friedhof La Bassée«!
Der Major: Nein – herstellt – spielts »Mizzerl, Mizzerl, sei doch netter«!
Der preußische Hauptmann: Also – Mizzal! Ach,'s ist ja doll!
Der diensthabende Generalstabsoffizier: Das hams immer in der Gartenbau – der Varady und die Rollé –
Der Oberintendant: Ja die Gartenbau! Wie noch der Schenk war –! (singt) Wir brauchen – keine – Schwiegermamama – Schwiegermamama – Spülts »Ein Tampus vom Schampus«! (Rufe: Ein Tampus vom Schampus! Bravo!)
Der Rittmeister: Spielts »Nobel geht die Welt zugrund«!
Der Oberauditor: Spielts »Schön war der Tanz, aber spieln tan s' 'n net«! (Rufe: Bravo! Die Musik spielt. Die Offiziere singen mit.)
Der Oberintendant (wiederholend):-aber spüln tan s' 'n net!
(Der Telephonoffizier stürzt kreidebleich herein und direkt auf den General los, sagt ihm etwas ins Ohr.)
Der General: Was –?! Meutern tan s'?! Dezimiern die Bagasch überanand!! Solln s' a paar frische Regimenter einsetzen!! Antreiben, antreiben!! Geschwind!
Der preußische Oberst: Was is 'n los?
(Der Telephonoffizier flüstert dem General abermals etwas zu.)
Der General: Was?! Die Gasgranaten gehn auch nicht?! Sauwirtschaft überanand!!
Der preußische Oberst: Na hört mal, das sollte denn doch nich – ! das könnte bei uns denn doch –!
Der General: So ein – Pallawatsch! – So ein Pech! – Kann man halt nix machen –
Der preußische Oberst: Na vorbeijelungen! Bißk'n schlapp, die lieben Östreicher, bißk'n schlapp!
Der erste Kriegsberichterstatter: Sehn Sie sich den General an, also was hab ich gesagt – !?
Der zweite Kriegsberichterstatter: Herr Major, können Sie mir vielleicht sagen, wie die Schlacht steht –?
Der Major: Es hat eine feindliche Offensive eingesetzt.
Der erste Kriegsberichterstatter: Ojwe.
Der Major: Der Feind hat die eigenen Stellungen der ersten Linie etwas eingedrückt –
Der zweite Kriegsberichterstatter: Die eigenen? wozu –?
Der Major: Wir hoffen, daß es uns gelingen wird, diesen tückischen Plan zuschanden zu machen. Bitte aber meinen Namen nicht zu nennen.
Der Erste: Unsere artilleristische Überlegenheit –
Der Zweite: Alles, nur keinen Flankenangriff!
Schwester Paula: – Au! – frecher Mensch!
Der Rittmeister: No no – man wird doch noch angreifen dürfen oder nicht?
Schwester Ludmilla: Aufhörn! Immer der mit seine –
Ein Hauptmann: Schakerl, trau di net!
Der preußische Hauptmann: Ach ja, Schakal Schakal trau dich nich!
Ein Oberleutnant: – Meinst 'n Madler oder 'n Madlé, der was in Schabatz beim Hausenblas war? Der Madler sag ich dir, is der größte Tachinierer in der ganzen Armee. Der Pimpf is wütend, weil ich eingegeben bin.
Ein Anderer: Wo is er jetzt?
Der Oberleutnant: No wo wird er sei, beim Kader! Wir plagen uns hier – Du, was macht dein Pupperl?
(Die Musik spielt einen Csardas. Lakkati und eine weibliche Hilfskraft tanzen. Lebhafte Bravo-Rufe.)
Der preußische Oberst: Ach einzich! Famos! 'n richtichgehender roter Teufel!
Der deutsche Generalstabsoffizier: – Ach laßt mich man bloß mit euerm Gas zufrieden! Unser Gelbkreuz,Gelbkreuz, Grünkreuz, Blaukreuz – Namen der deutschen Giftgase unser Grünkreuz, unser Blaukreuz – wenn wir in Frankreich Bunte Woche hatten!
Der diensthabende Generalstabsoffizier: Bitte wir haben bei Tolmein a ganz a scheene Wirkung erzielt. Die sind nur so umgfalln, bitte –
Der Oberintendant: Spülts »Braunes Isonzomädel!« (Rufe: Braunes Isonzomädel! Bravo! Die Musik spielt.)
Die Offiziere (singen mit):
Brau-nes Isonzomädel – Heiß glüht – dein Auge – mir zu, Brau-nes Isonzomädel – Die Schönste – von allen – bist du. Laß mich – noch einmal – dich küsseen, Schling dei-ne Arme – um mich, Süßestes braunes Isonzomädel, Ich lieb ja – alleine – nur dich. |
Der preußische Oberst (summend und nickend) : Ich lieb ja – alleine – nur dich. Einfach süß!
Der Oberintendant (singend): Doch auch sie – scheute nicht das Kriegsgebraus –
Aber das is noch gar nix gegen die dritte Strophen, wie dann aufs Jahr der Pamperletsch kommt mit die Guckerln so schwarz wie Mama und mit ein' Lockenschäderl genau so wie einstens Papa. So a ganz a glanwunzigs Wuzerl.
Der preußische Oberst: Wuzal? Köstlich! Na wer war denn der Vater?
Der Oberintendant: Ein gar ein schmucker Kaiserjägerleutenant! Ein Feschak! Auf die Art wie der Wowes. Der Wowes solls singen!
Der preußische Oberst: Na sagt mal – von wem ist doch dies wundervolle Lied?
Der Oberintendant: Das is von Egon Schubert!Egon Schubert – gemeint ist Franz Schubert, KK demonstriert hier die grenzenlose Dummheit und Unbildung dieser Leute
Der preußische Oberst: Ach natürlich – na das sollte man eigentlich wissen. Ja, euer Schubert! Ja, den habt ihr Wiener doch vor uns voraus, da is nischt zu wollen. Ach überhaupt euer herrliches Wien! Ja ja! So 'n richtjer Wiener Fiagaa mit seiner Jummidroschke und mit seinem Heurigen im Prater – nee, da is nich dran zu tippen. Und die Weana Waschermadal – ja – kennimus! Auch mal dajewesen. Da sangen se immerzu – (er singt und pascht) Weil ich'n oller Dreher bin – oder so ähnlich. Da war noch Vater Strauß in Blüte mit seinen Schwammal – nee, wie hieß doch gleich das Ding – Schrammal! Der gute Johann. Na da mag sich auch manches verändert haben.
(Der Geschützlärm immer schwächer.)
Der diensthabende Generalstabsoffizier: – Bitte bei Tolmein –
Der deutsche Generalstabsoffizier: Ach, das war einmal. Da haben wir doch an einem Tach weit mehr vergast als ihr in 'nem ganzen Jahr! Bei Ausräuchern von letzten Franzosennestern, weißen und farbigen Engländern und so. Jawoll – unsre deutsche Handgasbombe B! Da verspritzt sich die Giftmasse und erzeugt eiternde Wunden, mit 'ner Absonderung wie 'n richtichgehender Tripper. (Heiterkeit.) Nanu? das ist wissenschaftlich einwandfrei festjestellt! Der Mann ist erst am andern Tach kaputt.
Die Kapelle (spielt und singt zugleich):
Jessas na – Uns gehts guat – Ja, das liegt schon So im Bluat! |
(Die Offiziere repetieren.)
Der General (lallend): Ja – das liegt schon –
(Der Geschützlärm ist verstummt.)
Verschiedene Stimmen. Oha! Was is denn? Was is denn?
Die Kriegsberichterstatter: Was heißt das –?
Der General (mit brandrotem Kopf, springt auf, schlägt auf den Tisch): Kruzi!! Ich habe doch ausdrücklich – !! Das is wirklich nur bei uns möglich – Was – hab ich derer Bagasch eingeschärft?! (brüllend) Wenn eine Patrone fehlt, kannibalisch strafen! – Mit kräftigem Hurra ungestüm auf Gegner stürzen! – Ihm noch auf kurze Distanz eins unter die Nasen brennen, dann sofort mit dem Bajonett in die Rippen! – Ungetreue rücksichtslos niedermachen! – Gewehr bleibt trotz Handgranate und MG stets bester Freund der Infanterie! – Offiziere müssen da hart sein und beste Kräfte herausfordern! – Und was haben s' gmacht – diese Frontschweine, diese Fronthunde, diese – diese – (jammernd) verderben einem alles – der Wottawa! – diese Schkribler! – Nicht durch den Feind, durch Hunger! – der Hunger – und da hams angsetzt – (die Fäuste ballend) da hams zersetzend – aufhängen! – Ich – war derjenige – ich habs immer vorausgesagt, das Unglück unserer Armee wird – selbst mein Korps mitreißen! – Dieser bodenlose Leichtsinn – unausrottbar – nix als fressen und Menscher – demora – (er bricht zusammen.)
Der diensthabende Generalstabsoffizier (springt auf): Dadran sind diese Tachinierer schuld – vorne – diese Frontschweine – diese –
Der österreichische Oberst (erwachend): Was is denn gschehn?
Der Oberstleutnant: Nix! Gschossen hams in Ottakring!
Der General: Wo – waren die Maschingwehr zum Antreiben?! – Wo bleibt unsere artilleristische Überlegenheit?! – Schufte das!! – Nach einem vierjährigen beispiellosen Ringen – gegen eine – vorbildliche – Übermacht – beispielgebend – unsere glor – (er fällt auf den Stuhl, wimmernd) – also – da – kommen s'noch – am End – da – herein –
Der preußische Oberst: Nich doch, Exzellenz, Kopf hoch! Meine Herrn – wir dürfen und können den Mut nicht sinken lassen – jetzt vor dem Endsieg – können und dürfen wir erhobenen Hauptes – Seien Sie überzeugt, meine Herrn, daß es sich nur um den typischen Anfangsgewinn einer jeden feindlichen Offensive handelt – um Bluff und weiter nichts! Bange machen gilt nicht. Was uns noch immer bleibt, ist ein strategischer Rückzug – und ein strategischer Rückzug ist immer 'n Erfolg! (Vereinzelte Hurra- und Hoch-Rufe.) Und davon, daß der Feind unsre seit Jahren ins Auge gefaßten und seit Tagen eingeleiteten Bewegungen nicht hindern werde, bin ich vorwech überzeugt. Unsre Operationen nehmen einen plan mäßigen Verlauf. Wir haben uns einfach vom Feinde losjelöst und denn ziehen wir ihn glatt hinter uns her! Immer feste druff! Die Stimmung der Truppen ist eine nicht zu überbietende. Meine Herrn, wir wanken nicht und wir weichen nicht! Je öfter wir dem Feind Gelegenheit zu Vorstößen geben, umso mehr Aussicht haben wir, ihn zu zermürben! Das ist die Taktik, die wir an der Somme erprobt haben. Das ist die Taktik, die uns auch am Piave gelingen wird. Nur jetzt nicht miesmachen! Gott ist mit uns! Wir schaffen es und wenn die Welt voll Teufel wär! Der Feind wird – seien Sie des überzeugt, meine Herrn – der Feind wird an uns wie an einer ehernen Feuermauer –
(Der Horizont ist eine Flammenwand. Panikartiger Lärm. Viele der Anwesenden liegen unter der Tafel. Viele eilen oder wanken dem Ausgang zu, etliche kehren mit entsetzten und verzerrten Gesichtern zurück.)
Rufe: Was is denn gschehn? Was – is –
Der General (lallend): Durch – san s'-! Spielts – weiter –
(Alle Lichter sind erloschen. Draußen Tumult. Man hört das Platzen von Fliegerbomben. Dann tritt Stille ein. Die Anwesenden schlafen, liegen in Somnolenz oder starren völlig entgeistert auf die Wand, an der das Tableau »Die große Zeit« hängt und nun der Reihe nach die folgenden Erscheinungen aufsteigen.)
Schmaler Bergpfad nach Mitrovica. Schneegestöber. Zwischen tausenden von Karren eine unübersehbare Menschenmasse, Greise und Frauen, Kinder, halbnackt, an der Hand der Mütter, deren manche auch einen Säugling im Arme tragen. Ein kleiner Junge, an der Seite einer Bäuerin aus dem Moravatal, streckt sein Händchen aus und sagt:
Tschitscha, daj mi hleba –
Die Szene wird von einem andern Bilde verdrängt. Durch die Landschaft rast der Balkanzug. Das Tempo verlangsamt sich. Man sieht den Speisewagen, aus dessen Fenstern sich die beiden Kriegsberichterstatter beugen, sie scheinen ihren Ebenbildern im Saal zuzutrinken. Einer ruft:
Es ist doch etwas Schönes um den Krieg –
Nun ist es wieder das andere Bild. Die erschöpften, fast schon erfrorenen Flüchtlinge liegen auf den eisbedeckten Steinen. Das Morgenlicht fällt auf eingefallene, blasse Gesichter, in denen noch das Grauen der verbrachten Nacht steht. Ein Schrei: ein Pferd stürzt in die Tiefe. Wieder ein Schrei, noch gellender: sein Führer ist ihm nachgestürzt. Am Wegrand ein Zu Tode erschöpftes Pferd, dort ein Ochse mit heraushängenden Eingeweiden, ein Mensch mit zertrümmertem Schädel. Der Zug setzt sich in Bewegung. Entkräftete müde Tiere bleiben zurück. Unbeweglich stehen sie. Ihr todtrauriger Blick folgt dem Zug. Mit totenblassem Antlitz, an einen Tannenbaum gelehnt, sitzt eine Bäuerin – es ist jene aus dem Moravatal – in den Armen einen leblosen kleinen Körper, zu dessen Häupten, mit zitterndem Licht, eine kleine Wachskerze brennt.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Eine Garnison. Es spielen sich in jähem Wechsel die folgenden Szenen ab. Slowakische Bauern, aus der russischen Gefangenschaft heimgekehrt, zum Teil in Bauernkleidern, zum Teil in russischen Uniformen, bitten um Urlaubsverlängerung wegen des Rückstandes in der Erntearbeit. Der Kompagniekommandant ordnet die sofortige Einteilung der Bittsteller in die nächste Marschkompagnie an. Ein Raum wird sichtbar, in welchem zwei junge Heimkehrer, 19 und 21 Jahre alt, schlafen. Sie werden durch den Lärm des Auftritts geweckt, der sich nun draußen abspielt. Der Feldwebel nimmt die Verteilung der Monturen vor. Die Leute verweigern die Übernahme, verlangen die Vorführung zum Batailionsrapport. Der Feldwebel schlägt einige von ihnen und empfängt einen Schlag ins Gesicht. Die Kasernenmannschaft wird alarmiert, die Gewehre werden geladen, die Meuternden mit dem Bajonett in den Kasernenhof getrieben und umzingelt. Der Hauptmann erscheint, alle leisten seinem Befehl, sich in Reib und Glied aufzustellen, Folge. Jetzt befinden sich auch die zwei darunter. Er nimmt den Bericht über den Vorfall entgegen. Niemand weiß, wer den Schlag versetzt hat. Der Hauptmann greift jeden Zehnten heraus, läßt sie ins Wachzimmer abführen. Dort werden sie geschlagen, liegen mit Springeisen an den Füßen gefesselt, werden dann in den Garnisonsarrest gebracht. Das Standrecht wird verhängt. Es folgen die Verhöre. Sechs werden vor das Standgericht gestellt. Der Arresthof im Grauen des nächsten Morgens. Die Richter, der Bataillonskommandant, der Militäranwalt und zwei Geistliche erscheinen. Ein Tisch und ein Kruzifix werden gebracht. Der Gerichtshof gruppiert sich um den Tisch, zu beiden Seiten die Geistlichen. Einer der sechs bekommt bei diesem Anblick einen Herzkrampf, er stürzt heulend und schäumend zusammen, andere raufen sich die Haare, toben, zerreißen ihre Kleider. Die Wachmannschaft sucht sie mit der Versicherung zu besänftigen, daß nur zwei zum Tode verurteilt würden. Ein Richter verliest die Anklageschrift. Der Neunzehn- und der Einundzwanzigjährige werden zum Tode durch Erschießen, die übrigen zu mehrjährigen Kerkerstrafen verurteilt. Der Neunzehnjährige stürzt vor den Vorsitzenden hin auf die Knie, bittet, von Schluchzen geschüttelt, um Gnade. Er zeigt ein Medaillon mit dem Bilde seines alten Mütterchens. Sie werde seinen Tod nicht überleben, man solle ihn ins Feld schicken, er wolle beweisen, daß er ein braver Soldat ist, er habe während des Krawalls geschlafen, er sei ganz unschuldig. Der Richter läßt ihn abführen. Der andere Angeklagte steht totenbleich, aber aufrecht da. Er spricht die Worte:
Gott weiß, daß ich unschuldig sterbe!
Er läßt sich abführen, während die übrigen um ihre Kameraden weinen. Die Richter begeben sich ins Kasino. Dort sagt einer von ihnen:
Es is ja ganz klar, daß nur der eine Verheiratete der Schuldige sein kann. Aber kann man denn an' Vatern von sechs Kindern erschießen? Da müsset ja das Ärar für die Hinterbliebenen zahlen! So hat er sechs Jahr, soviel wie er Kinder hat, und den Angehörigen von Militärsträflingen kann der staatliche Unterhaltsbeitrag entzogen wern a no.
Ein zweiter sagt:
Drei andere waren auch verheiratet – also bleiben nur die zwei jungen Burschen zum Erschießen. Wern scho was angstellt haben. Tun sie's heut nicht, täten sie's morgen. Unschuldig hin, unschuldig her – ein Exempel muß schtatuiert wern.
Nachts im Arrest. Der Jüngere steht mit dem Rosenkranz betend hinter dem vergitterten Fenster. Die Militärgeistlichen erscheinen, um den Delinquenten die letzte Ölung zu erteilen. Der Jüngere heult auf und äußert den Wunsch, noch einmal seine Mutter zu sehen. Es folgt ein gemeinsames Gebet. Er erbittet Papier und Bleistift, um seiner Mutter zu schreiben. Er schreibt. Es ist schon ¼ 9 Uhr. Er erhebt sich.
Mutter!
Er sinkt zusammen. Der andere:
Habe ich deshalb gekämpft, bin ich deshalb aus Rußland gekommen, daß man mich jetzt wie einen Schlachtochsen zum Metzger führt? – Man soll mich binden und tragen! – Bin ich dazu 21 Jahre alt geworden, um erschossen zu werden? – Macht es schnell!
Auf dem Weg zum Richtplatz. Er nimmt Abschied von der strahlenden Augustsonne. Er reißt ein grünes Baumblatt ab und küßt es inbrünstig. Der Jüngere weint unaufhörlich um seine Mutter. Auf dem Richtplatz. Alter Burghof. Der Einlaß erfolgt nur gegen Vorweis einer Legitimation. Man bemerkt unter den Anwesenden die Spitzen der Behörden, hohe Offiziere und sonstige Würdenträger mit ihren Damen. Die besten Gesellschaftskreise der Stadt sind vertreten. Die Richter, der Bataillonskommandant und die dienstfreien Bataillonsoffiziere nehmen in der Mitte des Karrees Aufstellung. Die Delinquenten werden vorgeführt. Das Urteil wird verlesen. Der ältere:
Wenn der Feldwebel so aussagen konnte, verdient er hier zu stehen, um erschossen zu werden.
Sie wollen nicht, daß ihnen die Augen verbunden werden.
Ich fürchte nicht mehr die Kugel.
Die Augen werden ihnen verbunden. Sie knien nieder.
»Feuer!«
Säbelschwenken. Zwei Leichen im Gras. Der Hauptmann kommandiert zum Gebet. Alle salutieren. Einer der Priester, mit Offizierskappe und goldener Distinktion am Arm, halt eine Rede, zeigt mit erhobener Rechten auf eine Standarte und blickt verklärt gen Himmel auf das Habsburgerwappen über dem Tor.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Kragujevac. In zwei parallelen Reihen sind je 22 Gräber aufgeworfen. Davor knien 44 Heimkehrer älterer Jahrgänge, mit Tapferkeitsmedaillen aller Grade. Bosniaken schießen auf zwei Schritt Entfernung. Ihre Hände zittern. Die erste Partie wälzt sich am Boden. Keiner ist tot. Man setzt ihnen die Gewehrläufe an den Kopf. Offiziersmesse. Der Oberauditor erhebt das Glas und spricht, indem er seinem Ebenbild im Saal zutrinkt, die Worte:
Weißt, ich hätt auch dreihundert hinrichten lassen. Trunkenheitsexzesse können nicht geduldet werden. Ich habe den Leuten den ehrenvollen Tod durch Erschießen ausnahmsweise bewilligt.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Der Hauptmann Prasch sieht vor seiner Deckung, ganz mit Blut bestrichen, er hält über seinem Kopf einen Kopf, den er auf einen Stock gespießt hat. Er spricht:
Das ist mein erster italienischer Gefangener, mit meinem eigenen Säbel habe ichs getan. Meinen ersten russischen Gefangenen habe ich vorher martern lassen. Am liebsten gehe ich auf Tschechen. Ich bin ein gebürtiger Grazer. Wer mir in Serbien begegnet ist, den habe ich auf der Stelle niedergeknallt. Zwanzig Menschen, darunter Zivilisten und Gefangene, habe ich mit eigener Hand getötet, mindestens hundertfünfzig habe ich erschießen lassen. Jeden Soldaten, der sich beim Angriff verspätet oder während des Trommelfeuers versteckt hat, habe ich eigenhändig niedergeknallt. Ich habe meine Untergebenen immer ins Gesicht geschlagen, sei es mit dem Stock, sei es mit der Faust. Aber ich habe auch viel für sie getan. In Serbien habe ich ein serbisches Mädchen vergewaltigt, aber dann den Soldaten überlassen und am nächsten Tag das Mädchen und seine Mutter auf einem Brückengitter aufhängen lassen. Die Schnur riß und das Mädchen fiel noch lebend in das Wasser. Ich zog meinen Revolver und schoß auf das Mädchen so lange, bis es tot unter dem Wasser verschwand. Ich habe stets meine Pflicht erfüllt, bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Ich wurde ausgezeichnet und befördert. Ich war stets auf dem Posten. Der Krieg erfordert ein straffes Zusammenfassen aller Kräfte. Man darf den Mut nicht sinken lassen. Kopf hoch! (Er hebt den Stock höher.)
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Ulanenoberleutnant läßt einen Popen an den Steigbügel eines Ulanen binden. Man zieht ihm den Mantel aus.
Sie werden Ihren Mantel kaum mehr brauchen.
Der Reiter entfernt sich in leichtem Trab.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Winter in den Karpathen. Ein Mann an einen Baum gebunden. Er wird losgebunden und bricht ohnmächtig zusammen. Der Kompagnieführer tritt ihn mit dem Stiefelabsatz und weist auf ein Erdloch, zu dem ihn Soldaten tragen.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Flucht. Es regnet. Der General der Tafelrunde sitzt im Automobil und gibt Auftrag, einem Verwundeten das Zeltblatt von der Tragbahre wegzunehmen und über seinen Wagen zu breiten. Er winkt seinem Ebenbild zu und fährt ab.
(Die Erscheinung verschwindet.)
An einem Rübenfeld in Böhmen. Zwei Kinder tragen einen Kindersarg zum Friedhof. Sie lassen den Sarg fallen. Sie schleppen die Leiche, die im Feld liegt, wieder zum Sarg und setzen dann ihren Weg fort.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Neben einer Brotfabrik ein Haufen von Schutt, Schlacken und Betriebsabfällen. Halbverbungerte Kinder suchen nach Brotkrumen. Sie finden ein Schrapnell. Sie spielen damit. Es explodiert.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Hängeallee in Neusandec. Kinder schaukeln und drehen die Leichname.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Eine Frau, die Kartoffeln gekauft hat, wird von anderen Personen, die nichts mehr bekommen haben, erschlagen. Sie treten auf der Leiche herum.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Auf einem Geleise steht ein Lastzug: die Wohnstatt eines schmutzigen Menschenhaufens; es sind Flüchtlinge, darunter schwangere Frauen, sterbende Greise, kranke Kinder.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Vor einer Hütte in Wolhynien. Ein Bauer mit seinem Schäferhund. Ein Soldat kommt des Weges und verwundet den Hund durch einen Bajonettstich.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Trinkgelage von Offizieren. Ein Leutnant erschießt eine Kellnerin.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Gefechtspause an der Drina. Ein serbischer Bauer holt Wasser. Gegenüber steht und zielt ein Leutnant. Er schießt ihn ab.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Karfreitag in einer Pariser Kirche. Ein Geschoß aus der 120 Kilometer-Kanone schlägt ein.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ostersonntag. Russische Gefangene, die sich geweigert haben, Stellungsarbeiten im feindlichen Feuer auszufähren, verrichten ihr letztes Gebet.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Sterbende am Drahtverhau vor Przemysl.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Nahkampf und Ausputzen in einem Graben.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Schlafzimmer, in das eine Fliegerbombe fällt.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Soldat wird aus einer Erdmasse emporgezogen. Sein Gesicht ist blutüberströmt. Er breitet die Arme aus. Seine Augen sind erloschen.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Verbandplatz, auf den eine Fliegerbombe fällt.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Minenexplosion. Ein Soldat reckt seine blutigen Armstümpfe in die Richtung des Saales.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Doppelbild: Ein deutscher Offizier, der einen um sein Leben flehenden französischen Gefangenen niederschießt. Ein französischer Offizier, der einen um sein Leben flehenden deutschen Gefangenen niederschießt.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Somme-Wüste. Rauchschwaden wie Riesentrauerfahnen. Gebäude stürzen ein. Brunnen werden von Pionieren gesprengt und verschüttet. Evakuierung. Alte Leute werden aus ihren Häusern gejagt. Vor Kälte zitternde Menschen auf dem Versammlungsplatze. Frauen fallen vor Offizieren auf die Knie. Abtransport in die Zwangsarbeit.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Einäscherung der Meierei Sorel bei Loison und Verbrennung von 250 dort befindlichen Verwundeten.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Versenkung eines Spitalschiffes.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Longuyon mit Petroleum-Eimern in Brand gesetzt, Häuser und die Kirche geplündert. Verwundete und kleine Kinder verbrennen.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Flandern. In einer ausgeplünderten Hütte sitzt vor einem Kessel eine Gasmaske. Auf ihrem Schoß eine kleinere Gasmaske.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Es erscheint das Pferd, auf dessen Rücken die Form der Geschützlast blutig eingezeichnet ist.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Winter auf Asinara. Gefangene nehmen den an Cholera verstorbenen Kameraden die Kleider ab. Hungernde essen das Fleisch von Verhungerten.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Baracke in Sibirien. Ergraute Männer, ganz unterernährt, barfüßig, in zerfetzten Uniformen, kauern auf der Erde, starren wie mit aus ausgehöhlten Augen ins Weite. Einige schlafen, einige schreiben, einige exerzieren mit Schaufeln und machen Gewehrgriffe.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Tausende von Kreuzen in einem Schneefeld.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Schlachtfeld. Trichter und Kavernen. Spazierwege durch die noch stehenden Drahtverhaue. Luxusautomobile treffen ein. Die Touristen zerstreuen sich in Gruppen, photographieren sich gegenseitig in heroischen Stellungen, parodieren Feuersalven, lachen und stoßen Schreie aus. Einer hat einen Schädel gefunden, steckt ihn auf das Ende seines Spazierstockes und bringt ihn mit triumphierendem Gesicht. Ein Trauernder tritt dazwischen, nimmt den Fund an sich und begräbt den Schädel. Stöhnen der Schlafenden.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Nun kommt ein Zug von Gasmasken, die vor den im Saale Anwesenden Front machen und sich der Tafel zu nähern scheinen.
Die Gasmasken:
Gesegnete Mahlzeit, wir stecken den Rüssel
aus purer Neugier in fremde Speise.
Denn unsre leider war nicht geraten.
Wir hatten heute nur auf der Schüssel,
und zubereitet auf deutsche Weise,
Dörrgemüse mit Grünkreuzgranaten.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Bei der vordersten Linie in den Karpathen. Es ist alles ruhig. In den Schützengräben stehende Leichname. Mann neben Mann, das Gewehr im Anschlag.
Die erfrorenen Soldaten:
Kalt war die Nacht.
Wer hat diesen Tod erdacht!
Oh die ihr schlieft in Betten –
daß euch das Herz nicht bricht!
Die kalten Sterne retten uns nicht.
Und nichts wird euch erretten!
Der alte serbische Bauer:
Wir standen rings um unsere Truh.
Soldaten schrieen auf uns zu.
Wir hatten nichts mehr. Sie wollten was haben.
Drum muß ich jetzt meine Grube graben.
Wir waren arm, wir waren nackt.
Uns selber haben sie angepackt.
Sie stellten die Kinder mir an die Wand,
sie haben sie mit vorausgesandt.
Verbrannt ist mein Feld, verbrannt mein Hab.
Nun grabe ich mir das eigene Grab.
Schon rufen die Kinder – ich komme gleich!
Herr, hilf mir in das Himmelreich!
(Die Erscheinung verschwindet.)
Der Kronprinz bei den Flammenwerfern der 5. Armee. Zur Begrüßung des Kronprinzen wird durch Flammen ein »W« gebildet.
Die Flammen:
Wir sind die Flammen! Es waren verloren
in unsrer Höllenqual
viele, die Mütter in Schmerzen geboren.
Wir sind ein Initial!
Oh W der Zeit. Weh diesem blutigen Tropf!
Er hatte nichts im Sinn,
er führte was im Schilde.
So mähte er die Menschheit hin.
Geschaffen nach Teufels Ebenbilde.
Hat er vorm Kopfe einen Totenkopf!
(Die Erscheinung verschwindet.)
Zwölfhundert Pferde tauchen aus dem Meer, kommen ans Land und setzen sich in Trab. Wasser strömt aus ihren Augen.
Die zwölfhundert Pferde:
Wir sind da, wir sind da, wir sind da, wir sind da –
wir sind da, die zwölfhundert Pferde!
Die Dohna'schen Pferde sind da, Dohna, da –
wir stiegen empor zu der Erde.
Oh Dohna, wir suchen dich auf im Traum.
Uns wollte der Platz nimmer taugen.
Wir hatten kein Licht, zu viel Wasser hat Raum
in zweimal zwölfhundert Augen.
Graf Dohna umgeben von zwölf Vertretern der Presse. Plötzlich stehen statt ihrer zwölf Pferde da. Sie dringen auf ihn ein und töten ihn.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Eine altertümliche Erfinderwerkstatt.
Lionardo da Vinci: – wie und warum ich nicht meine Art schreibe, unter dem Wasser zu bleiben, solang' ich bleiben kann; und dies veröffentliche ich nicht oder erkläre es wegen der bösen Natur der Menschen, welche Art sie zu Ermordungen auf dem Grund des Meeres anwenden würden, indem sie den Boden der Schiffe brächen und selbige mitsamt den Menschen versenkten, die drinnen sind –
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein süßer Ton erklingt. Meeresstille nach dem Untergang der Lusitania. Auf einem schwimmenden Brett zwei Kinderleichen.
Die Lusitania-Kinder:
Wir schaukeln auf der Welle –
wir sind nun irgendwo –
wie ist das Leben helle –
wie sind die Kinder froh
(Die Erscheinung verschwindet.)
Zwei Kriegshunde, vor ein Maschinengewehr gespannt.
Die Kriegshunde:
Wir ziehen unrecht Gut. Und doch, wir ziehn.
Denn wir sind treu bis in die Todesstund.
Wie war es schön, als Gottes Sonne schien!
Der Teufel rief, da folgte ihm der Hund.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein toter Wald. Alles ist zerschossen, abgehauen und abgesägt. Hüllenloses Erdreich, aus dem sich nur ab und zu ein paar kranke Bäume erheben. Zu Hunderten liegen noch die gefällten, entästeten, zersägten Stämme mit halb schon verwitterter Rinde am Boden herum. Eine zerfallene Feldbahn führt quer hindurch.
Der tote Wald:
Durch eure Macht, durch euer Mühn
bin ich ergraut. Einst war ich grün.
Seht meine jetzige Gestalt.
Ich war ein Wald! Ich war ein Wald!
Der Seele war in meinem Dom,
ihr Christen hört, ihr ewges Rom!
In meinem Schweigen war das Wort.
Und euer Tun bedeutet Mord!
Fluch euch, die das mir angetan!
Nie wieder steig ich himmelan!
Wie war ich grün. Wie bin ich alt.
Ich war ein Wald! Ich war ein Wald!
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ein Oberst läßt eine dalmatinische Frau mit ihrem zwölfjährigen blonden Knaben festnehmen. Während die Frau weggezerrt wird, gibt er den Auftrag, dem Knaben in den Kopf zu schießen. Er steht rauchend dabei, indes Soldaten auf den Händen des Kindes knien und die Exekution vollzogen wird.
Die Mutter:
Daß nie, durch alle Tage, die ihr schändet,
sich euer Blick von diesem Bilde wendet!
Und seid am Ende ihr der Höllenfahrt,
bleib' euch erst dieser Anblick aufgespart!
Die Splitter dieser edlen Kinderstirn,
sie bohren sich in euer Herz und Hirn!
Lebt lang und ewiger Begleiter sei
durch eure Nächte dieser Mutterschrei!
(Die Erscheinung verschwindet.)
Ins Fiebrige verzerrte Heurigenmusik setzt ein. Die Hinrichtung Battistis. Lachende Soldaten umstehen den Leichnam, Neugierige recken die Hälse. Die Hände über dem Haupt des Toten der fidele Scharfrichter.
Das österreichische Antlitz:
Aus Tod wird Tanz,
aus Haß wird Gspaß,
aus Not wird Pflanz,
was is denn das?
Is alles stier,
is's einerlei,
denn mir san mir
und a dabei.
Ein guter Christ
sagt: Kinder bet's,
und Henker ist
man nur aus Hetz.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Die Klänge erbeben sich wahrend des folgenden Phantoms zu furchtbarer Musik. Auf dem Monte-Gabriele. Zu einem hohen Haufen geschichtet unbegrabene, halb verweste Leichen. Ein Schwarm von Raben umkreist krächzend die Beute.
Die Raben:
Immer waren unsre Nahrung
die hier, die um Ehre starben.
Aber eure Herzenspaarung
macht, daß Raben nimmer darben.
Wir, die wir uns nie bewarben,
Nahrung haben wir erworben.
Ihr nicht, wir nicht dürfen darben,
euch und uns sind sie verdorben.
Ihr und wir vom Siege schnarren,
wenn die Opfer sich vermehren,
weil im Reiche rings die Narren
eurem, unsrem Ruf nicht wehren.
Waren Generale Raben,
schnarrts von Phrasen dort im Saale.
Draußen sind sie unbegraben,
da sind Raben Generale!
Dürft getrost die Schlacht verlieren,
wir und ihr in keinem Falle
müssen uns vor uns genieren,
Kriegsgewinner sind wir alle!
Ja wir sind noch sehr lebendig,
wir sind beide noch die Alten,
und wir freuen uns unbändig,
diese Kriegszeit durchzuhalten.
Während ihr zum Fraß vereinigt,
brauchen wir nicht zu entbehren.
Hunger hat uns nie gepeinigt,
seit wir folgen euren Heeren.
Hunger würd' uns nimmer munden,
und wir stürben an der Schande,
und wir sind euch sehr verbunden,
daß wir nicht im Hinterlande.
Dort ist wahre Not, die Greise
und die Kinder dort verderben,
weil hier auf die andre Weise
uns zum Trost die Männer sterben.
Eure Schlachtbank läßt nie darben
ihre angestellten Kunden.
Raben haben, seit sie starben,
immer Nahrung noch gefunden.
(Die Erscheinung verschwindet.)
Die Musik, völlig abgedämpft, begleitet das nun einsetzende Schauspiel, um allmählich zu verstummen. Ein unübersehbarer Aufzug von bleichen Frauen marschiert vorüber, flankiert von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett.
Die weiblichen Hilfskräfte:
Wir, die Wehrmacht zu entzücken,
eingerückte Heereshuren,
kehren nunmehr euch den Rücken
als Brigade der Lemuren.
Opfernd heldischem Verlangen,
angesteckt von eurem Mute,
Rosen blühn uns auf den Wangen
und die Syphilis im Blute.
Blut und Tränen, Wein und Samen
flossen euch zum Bacchanale,
und was wir von euch bekamen
tragen heim wir zum Spitale.
So verabscheut sind wir heute,
denn uns schlottern die Gewänder,
und wir schleppen unsre Beute
in die fernen Hinterländer.
Doch wir wachsen durch die Zeiten!
Einstens rast ein Landsturm, brausend,
alle Menschheit zu bestreiten,
durch ein Schauderndes Jahrtausend!
(Die Erscheinung verschwindet.)
Nun erfüllt ein phosphoreszierender Schein den Saal.
Der ungeborene Sohn:
Wir, der Untat spätere Zeugen,
bitten euch, uns vorzubeugen.
Lasset nimmer uns entstehn!
Wären eurer Schmach Verräter.
Woll'n nicht solche Heldenväter.
Ruhmlos möchten wir vergehn!
Wehlust irdischen Getues!
Liebend hinterläßt die Lues
mir mein Vater, dieser Schuft.
Ruft uns nicht in diese Reiche!
Wir entstammen einer Leiche.
Ungesund ist hier die Luft.
Wir, der Untat spätere Zeugen,
(Der Schein erlischt.)
Völlige Finsternis. Dann steigt am Horizont die Flammenwand empor. Draußen Todesschreie.