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Einleitung

Tubal den Friedlosen

nannte ich einen Mann, den ich oft in einer der Großstädte Europas sah. Er war ein sonderbares Wesen. Von der Nervosität und der Einsamkeit der Weltstadt geprägt. Ein Friedloser, ein Getäuschter, ein Ausgestoßener. Wie etwas Unwirkliches sah man ihn am Tage. Wie einen Schatten bei Nacht.

Ich glaube, niemand kannte seinen Namen. Ich glaube auch nicht, daß jemand wußte, wo er wohnte. Aber viele kannten ihn! Und einer nickte dem andern zu, wenn er kam, und nannten ihn mit verschiedenen Namen. Einige hießen ihn Den Propheten, andere Den Doktor, andere wieder Den Schauspieler. Jeder riet so gut, wie er konnte.

In fast jeder Weltstadt habe ich dieses Wesen getroffen. Ueberall von derselben Rasse. Ich erinnere mich seiner deutlicher als der meisten schönen Menschen der Stadt ...

Und oft ist es mir, als brächte er geheime Botschaft von den zahllosen Verirrten. Dann wirkt er auf mich wie eine stille Nachricht aus den Winkeln der Großstadt, aus ihren Höhlen, wie eine Stimme von ihren Avenues, ihren Cafés, ihren wilden Vergnügungsorten.

Dann und wann kann ich durch ihn ein banges Bekenntnis der ganzen Weltstadt fühlen. Wie ein geheimes Wort, das ihr im tiefen Schlaf und Fieber der Nacht entrissen wird.

Ich habe oft, wenn er sich unbeobachtet glaubte, einen starren Ausdruck in seinen Augen gesehen. Ich habe ihn wie im Schmerz zusammenzucken sehen. Aber ich habe auch gesehen, wie er lächelte und im Traume davongetragen wurde, – als würde er in eine rote Wolke eingehüllt.

Ich habe auf so vieles geraten, wenn ich ihn sah. Auf eine Liebe, die er erlebte, die ihm sinnlose Freude und tiefe Entbehrung gegeben. Auf eine Jugend, die erlosch und ihn zum ewigen Suchen trieb. Oder auf mächtige Fähigkeiten, die erstickt wurden ... Ich habe auf vielerlei geraten, und habe ihm nachgeforscht. Und hier auf diesen Blättern habe ich versucht, dem, was ich flüchtig sah, eine feste Gestalt zu geben, so daß es allen sichtbar wird.


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