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(Der Vorhof des sultanischen Palastes, das Thor zu demselben ist mit zwei Schildwachen besetzt. Im Vordergrunde rechts oder links eine dickbewachsene Laube, deren Eingang jedoch nur sichtbar ist.)
Die beiden Schildwachen.
(Duett von den Schildwachen.)
Erste.
Ich soll singen und kann nicht!
Zweite.
Ich soll singen und mag nicht!
Erste.
Mir ist die Kehle rauh,
Ich krächze wie ein Rabe.
Zweite.
Ich schreie wie ein Pfau,
Und quicke wie ein Knabe.
Erste.
In meiner ganzen Kehle
Hab' ich nicht
einen Ton.
Zweite.
Wir singen auf Befehle,
Nur zu, es glückt uns schon.
Erste.
Ich gurgle falsche Töne.
Ich krähe wie die Hähne.
Beide.
Doch, wo die Peitsche meistert,
Da wird man bald begeistert.
(Beim Schlusse des Duetts kommen Wampum und Hussein.)
Wampum. Ha, ha! mein Firman ist publicirt. Die Hunde singen recht gut. Aber jetzt macht's mir doch keinen Spaß, meine Majestät ist übel aufgeräumt. Guter Freund, dein Mittel gegen die Langeweile mag probat sein, aber es taugt doch nichts.
Hussein. Wenn Deine Hoheit sich herabließe, diesen anscheinenden Widerspruch aufzuklären. –
Wampum. Was aufklären! Ich liebe die Aufklärung nicht. Kurz, ich sage, das Mittel taugt nichts, und du wirst hoffentlich nichts dagegen einwenden? Wie?
Hussein (sehr unterwürfig). Nicht das Allergeringste.
Wampum. Zwar ist mir das Gähnen so ziemlich vergangen, aber ich befinde mich noch weit schlimmer als vorher.
Hussein. Himmel! wäre es möglich!
Wampum. Ich sage dir ja, daß es möglich ist. Rufe mir den europäischen Arzt. Ich will doch hören, ob er diese Krankheit besser versteht als die vorige. (Hussein entfernt sich.)
Wampum (allein). Da geht er hin, und es ist mir beinah lieb, daß ich allein bleibe – warum denn? – Es kömmt mir vor, als müßte ich allein sein, um zu denken. – Ei! – Das Denken ist mir doch sonst so eine beschwerliche Sache gewesen – was ist denn mit mir vorgegangen? Wie? – wichtige Dinge, das merk' ich wohl; aber will ich denn, daß wichtige Dinge mit mir vorgehen sollen? – Nein, das will ich nicht!
Hussein. Arzt. Vorige.
Wampum. Tritt näher, Christ, du findest mich sehr krank und schwach, du wirst mir's wohl anseh'n. Kannst du mir helfen, so verspreche ich dir 500 Tomans.
Arzt. Ich habe Dir schon meine Meinung über das böse Gähnen gesagt.
Wampum. Ach hier ist gar nicht mehr die Rede von Gähnen, hier sind ganz andere Dinge auf dem Tapete.
Arzt. Laß hören. Kann ich helfen, so werde ich meine Pflicht als Arzt und Mensch erfüllen.
Wampum (vor ihn tretend). Nun, da bin ich, hilf mir.
Arzt. Schon wieder die alte Plage? Sprich, was fehlt Dir?
Wampum. Ein gelehrter Derwisch hat mir einmal gesagt: die schrecklichste Lage in der Welt wäre, wenn einem was fehlte, und man wüßte doch nicht was, wenn man gern glücklich, vergnügt und zufrieden sein wollte, und wüßte es doch nicht anzufangen. Er sagte, es wäre ein Königsübel. Sieh, damals verstand ich ihn nicht, und nun kommt mir's auf einmal vor, als ob ich ihn verstünde.
Arzt. Also wohl gar eine Gemüthskrankheit?
Wampum. Gemüthskrankheit? (Kleinlaut.) Was? So hätte ich ja ordentlich ein Gemüt?
Arzt. Ist Dir ein Unglück zugestoßen?
Wampum. Ein Unglück? Ich glaube ja. Aber du wirst es wohl suchen müssen ohne mich, denn ich weiß dir nicht zu sagen, wo es sitzt.
Arzt. Seit wann fühlst Du dieses Mißbehagen?
Wampum. Seit wenig Stunden, seit dem Mittagsessen.
Arzt. Vielleicht nur Magendrücken?
Wampum (sich den Bauch streichelnd). Nein, das bitte ich mir aus, mein Magen befindet sich sehr wohl.
Arzt. Nun, wie ist Dir denn zu Muthe?
Wampum. Ich weiß es nicht, ich kenne mich selbst nicht mehr.
Arzt. Hast Du Dich jemals selbst gekannt?
Wampum. Nein, niemals.
Arzt. Also –
Wampum. Also sage ich dir, ich kenne mich selbst nicht mehr. Will ich Wein trinken? – Ja ich will, warum trinke ich denn nicht? – Will ich Toback schmauchen? – Ja ich will, warum schmauche ich denn nicht? – Sieh, ich will und will auch nicht. Da hatte ich befohlen, dem Koch 200 Streiche auf die Fußsohlen zu geben, weil der Hammelbraten nicht braun genug war, der Kerl schrie, als sollte er selbst gebraten werden. Das hat mich vormals wacker belustigt und heute – solltest du es glauben – heute ließ ich ihm nur zweiunddreißig aufzählen.
Arzt. Das Resultat Deiner Beobachtungen wäre also: Du bist sanfter und milder geworden, nun frage ich, welche Gemüthsbewegung macht sanfter und milder?
Wampum. Ja, darauf antworte du selbst. Antworten war nie meine Sache.
Arzt. Die Natur antwortet mir.
Wampum. Die Natur? Ei, laß hören.
Arzt. Sie sagt mir, Deine Krankheit sei die nämliche, die einst Troja in einen Schutthaufen verwandelte; Persepolis in Flammen setzte, und dem Herkules den Spinnrocken der Omphale in die Hand gab.
Wampum. Ach großer Prophet! Das muß eine schreckliche Krankheit sein. Und sie heißt?
Arzt. Die Liebe.
Wampum. Die Liebe? – Also wohl gar eine Art von Pest?
Arzt. Sie tödtet minder schnell.
Wampum. Tödtet? Henker, sie wird mich doch nicht tödten?
Arzt. Das fürcht' ich nicht. Liebe und Blattern muß jeder in seinem Leben einmal übersteh'n.
Wampum. Was braucht man denn dagegen?
Arzt. Das beste Mittel, für einen Sultan wenigstens, ist Genuß.
Wampum. Genuss? Wie verstehst du das?
Arzt. Besitz des geliebten Gegenstandes.
Wampum. Aha? ich begreife, Besitz, o ich weiß, was das ist, ich verstehe zu besitzen, so gut als einer. Und meinst du, ich werde dann wieder gesund sein?
Arzt. Ich möchte das nicht von jedem Kranken behaupten, aber von Dir – Ja!
Wampum. Nun so geh'. Du bist gescheiter wie du aussiehst. Hussein soll dir fünfhundert Tomans auszahlen. Hörst du, Hussein! Begleite ihn.
(Der Arzt geht mit Hussein fort.)
Ich will unterdessen ein wenig lustwandeln oder unlustwandeln, denn ich habe eine verdammte böse Laune. (Er will gehen, steht aber sogleich still.) Aber – da fällt mir eben ein, der verwünschte europäische Arzt hat auch nicht ein stummes Wörtchen gesungen. Hat der Wurm meinen Firman nicht erhalten? Ich muß das untersuchen, und dann laß ich ihm fünfzig auf die Fußsohlen geben, und er und der, der die Schläge austheilt, müssen ein Duett mit einander singen. Ha, ha, ha! Das wird mir Spaß machen, königlichen Spaß! – (Er watschelt fort.)
Die beiden Schildwachen.
Erste. Das war also der Sultan?
Zweite. Muß ja wohl. Nimm dich nur in Acht, daß du ihn nicht zu scharf in's Auge fassest. Er kann es nicht leiden, wenn man ihn ansieht.
Erste. Er kann das nicht leiden? Warum denn nicht?
Zweite. Du Narr, ein Sultan kann manches nicht leiden, ohne gerade zu wissen, warum?
Erste. Und was thut er denn, wenn man ihn so ansieht?
Zweite. Risch, zieht er seinen Säbel, schwubs! haut er dir den Kopf herunter.
Erste. Kann er ihn denn wieder aufsetzen?
Zweite. Nein! Das kann er nicht.
Erste. Wenn es ihm nun hinterdrein leid thut?
Zweite. Es thut ihm niemals leid.
Erste. Hm, hm! – Kamerad, möchtest du wohl Sultan sein?
Zweite. O ja, warum nicht?
Erste. Hm, hm! Ich möchte nicht Sultan sein.
Nurraddin tritt auf.
Wohin jagt mich die Verzweiflung! Für wessen Brust ist dieser Dolch geschliffen? – Was will ich? Was tobe ich? Wer stößt mir diesen hohen Muth ein, selbst mit einem Sultan anzubinden, vor dessen Namen die sklavischen Morgenländer zittern! – Ja, für ihn dieser Dolch, wenn er die schöne Beute nicht fahren läßt. – Aber, wo finde ich ihn? Wie dränge ich mich zu seinem Throne? – O ihr Beherrscher des weiten Asiens! Ihr besitzt so schöne Vorrechte, Wohlthun ist euer schönstes. Wenn ihr euch immer dessen bedienet, wir würden euch so lieb, so lieb haben! (Er wirft sich am Eingang der Laube auf eine Rasenbank.) Was thue ich nun! – Bitteres, unnennbares Gefühl! – O daß Sultan Wampum an meiner Stelle wäre! – O daß ich nur eine Stunde lang an Sultan Wampums Stelle sein könnte! – Ihr guten, wohlthätigen Wesen! die wir Schutzgeister nennen; mischt ihr euch wirklich in die Angelegenheiten der Sterblichen, o so gewahret nur diesen Wunsch! Nur eine Stunde laßt mich Sultan Wampum sein!
Ein Genius steht plötzlich neben Nurraddin, und lächelt ihn freundlich an.
Nurraddin (heftig erschrocken). Großer Prophet! was seh' ich!
Genius.
Vom funkelnden Abendstern
Eil' ich auf deinen Wunsch hernieder,
Und helfe den Menschen gern,
Denn sie sind meine Brüder.
Nurrad. Laß mich in Staub knien und anbeten.
Genius. Nur vor dem Herrn der Welten darfst du knien.
Auch ich bin nur ein endliches Wesen;
Zwar kann ich in den Sternen lesen,
Doch Anbetung – allein für
ihn!
Nurraddin.
Sprich, freundlicher Genius, Was darf ich von dir hoffen?
Genius.
Zu hören, ist mein Amt, was arme Sterbliche heischen,
Ich hörte deinen Wunsch und hab' ihn dir gewährt.
Nimm diesen Ring,
So oft er sich – doch unbemerkt von jedermann, nach innen kehrt,
Wirst du als Sultan Aller Augen täuschen.
(Genius verschwindet.)
Nurraddin (allein). Wache ich? oder träume ich? Nun wenn ich träume! so war noch nie ein Traum so süß. – Aber nein! Trage ich nicht die Wirklichkeit an meinem Finger? dieser Diamant blitzt mir in die Augen, ich sehe also. Dieser kleine Ring kneipt mich, ich fühle also. Wer sieht und fühlt, der träumt ja nicht. – Aber die versprochene Wirkung dieses Ringes? Darf ich auf ein Wunder hoffen zum Besten meiner Liebe? Dieser Ring soll mir die Gestalt des Sultans geben? wenn er, doch von jedermann unbemerkt, nach innen gedreht wird. – Denn sprach er nicht so, der Genius? Gut, das wollen wir bald näher erfahren. Dort in der Laube, sie ist dunkel und schauerlich, wie es Geisterwerken geziemt. (Er geht in die Laube, und tritt augenblicklich als Sultan Wampum wieder heraus. Es versteht sich, daß hier beide Schauspieler ihre Rollen wechseln, und nur durch Gang, Spiel und Geberden den Charakter darstellen.) Ha! wahrlich! der Genius hat brav Wort gehalten, (sich betrachtend) ist das nicht der Sultan, wie er leibt und lebt? sogar seinen dicken Wanst haben mir die Geister angezogen. Nur mein Herz gehört noch immer Nurraddin zu, und dem Himmel sei Dank! auch mein Kopf – jetzt ziehe die Liebe den schleunigsten Vortheil von dieser holden Zauberei. Welch' eine Gelegenheit, Almas Herz auf die Probe zu stellen! Hat die Pracht des Harems sie berauscht, nun so behalte sie der Sultan. – In dieser Gestalt wird mich ja wohl niemand aufhalten.
(Er geht rasch und stolz in den Palast, die Wachen machen ihm ehrerbietig Platz.)
Die beiden Schildwachen.
Erste.
Hör', Kamerad! war das der Sultan?
Ja, Kamerad! es war der Sultan.
Erste.
Doch, welche plötzliche Verwandlung!
He, Kamerad! sprich, merkst du nichts?
In jeder Stellung, jeder Handlung,
Jeder Miene des Gesichts?
Zweite.
Ich merke, Kamerad! ich merke,
Es kommt nur vor, wie Wunderwerke.
Beide.
Bei Alis Bart!
Ich bin erstaunt! ich bin erstarrt!
Erste.
Welch' Lächeln, welch' ein Feuer!
Zweite.
Bewegung ohne Zwang.
Erste.
Sein Blick weit kühner, freier!
Zweite.
Und welch' ein rascher Gang!
Beide.
Bei Alis Bart!
Ich bin erstaunt! ich bin erstarrt!
Erste.
Ach, Kamerad! Hu! hu!
Zweite.
Was gibt's? Was zitterst du?
Erste.
Ach! siehst du nicht?
Zweite.
Welch' Traumgesicht!
Welch' Wunderding!
Beide.
Derselbe Sultan, der
Hier in den Palast ging,
Dort kömmt er wieder her.
Schach Wampum, (von seinem Spaziergange wieder zurückkommend).
Bin ich doch so matt und lahm wie ein Kameel, das neun Tage durch die Wüste gegangen ist, und doch habe ich weder Lust zu essen noch zu trinken. Zwar gähne ich nicht mehr, aber die Stunden schleichen langsam wie ein Fieber. (Er setzt sich am Eingang der Laube.) Wenn die widerspänstige Dirne auf ihren drittehalb Sinnen verharret, was mache ich dann? – Ich lasse ihr den Kopf herunter säbeln. Ja, was habe ich dann? Nichts! denn ein Körper ohne Kopf, das ist meine Sache nicht, ich liebe die Köpfe, ich. – Ein Mittel wüßte ich wohl. Ha! ha! ha! – meine glorreichen Vorfahren hatten viel Umgang mit Feen und Zauberern, ich habe bis jetzt das Geschmeis nicht um mich leiden mögen, aber nun wollte ich doch, daß so ein Tausendkünstler hier vorbei reiste. Er sollte mir – was sollte er denn? – einen Wunsch erfüllen – aber welchen Wunsch – er sollte mir Nurraddins Gestalt auf eine Stunde leihen, daß ich die Dirne betrügen, und hinterdrein brav auslachen könnte.
Genius. Schach Wampum.
(Genius steht plötzlich vor ihm.)
Wampum (aufschaudernd). Nun? wer hat dir luftigem Buben erlaubt, so nahe an mich zu treten?
Genius.
Vom funkelnden Abendstern
Eil' ich auf deinen Wunsch hernieder,
Und helfe den Menschen gern,
Denn sie sind meine Brüder.
Wampum.
Also bist du wohl gar ein Geist?
Genius.
Ein Genius, ein Mittelwesen,
Dem der Schöpfer die Kraft verlieh
Im großen Sternenbuch zu lesen,
Und es zu deuten ohne Müh'.
Wampum. Wirklich? Da verstehst du mehr als ich, ob ich gleich alles zu verstehen glaubte, und noch etwas d'rüber. Aber desto besser! Du kommst eben zu rechter Zeit. Ich habe da ein widerspänstiges Mädchen eingesperrt. Wenn du mir sie geneigt machst, so lasse ich dir tausend Tomans auszahlen.
Genius.
Wir sind den Sterblichen hold,
Wir versüßen ihre Leiden,
Und erhöhen ihre Freuden;
Dies Gefühl bezahlt kein Gold.
Wampum. Höre, guter Freund, ich lasse mich nicht gern daran erinnern, daß ich ein Sterblicher bin. Du willst mein Geld nicht? Nach Belieben, so behalte ich es. Ein Sultan ist nie verlegen mit dem Gelde, aber wohl zuweilen ohne das Geld, wie? – Aber was willst du denn eigentlich, du gelblockigter Knabe? Antworte mir einmal darauf.
Genius.
Zu hören, ist mein Amt, was arme Sterbliche heischen!
Ich hörte deinen Wunsch, und hab' ihn dir gewährt.
Nimm diesen Ring,
(Er steckt dem Sultan einen Ring an den Finger,)
So oft er, doch unbemerkt von jedermann, nach innen kehrt,
Wirst du, als Nurraddin, die Augen der Menge täuschen.
(Genius verschwindet.)
Schach Wampum und die beiden Schildwachen.
Beide.
Wir singen, wir singen ans höhern Befehl,
Wir singen uns heiser,
Bald lauter, bald leiser,
Wir singen den Schlund
Und die Kehlen uns wund,
Wir gurgeln nicht faul –
Wampum. Jetzt haltet das Maul.
Beide.
Wir singen, wir singen auf hohen Befehl
Wohl Tage lang,
Ein Wirbel, ein Schnirkel, ein Triller,
Ha! welch' ein Gesang!
Jetzt wird er lauter, jetzt wird er stiller. –
Wampum. Laßt ihn einmal ganz stille werden! Ich bitte mir das aus. Schach Wampum will denken.
Jetzt ist die Harmonie
Nur leise lauschend;
Jetzt steiget sie
Empor, wild rauschend;
Jetzt sinket sie, jetzt steiget sie,
Jetzt rauschet sie, jetzt schweiget sie –
Wampum. Ganz recht, jetzt schweiget sie, und wenn sie nun nicht auf ewig das Maul hält, so soll eine Bastonade auf eure Fußsohlen euer Duett accompagniren.
Beide.
Bastonade
Auf die Sohlen?
Gnade! Gnade!
Ach! das Singen ward uns ja befohlen.
Wampum. Ja doch, ja, ihr Hunde, ich weiß es ja wohl. Ich selbst habe es befohlen, ich Schach Wampum! und also kann ich ja auch den Befehl wieder aufheben? wie? – Nun endlich haben die Schafsköpfe es begriffen. – Es ist wohl eine schwere Last und Bürde, wenn man der einzige vernünftige Mann im Reiche ist. – Jetzt muß ich überlegen – denken – grübeln – sinnen – hab' ich den Genius recht verstanden? Den Ring soll ich, doch von Jedermann unbemerkt, nach innen drehen, und dann werde ich Nurraddin sein. Das wollen wir doch zum Spaß in der Laube versuchen. (Er zieht sich zurück in die Laube, und tritt augenblicklich als Nurraddin wieder heraus.) Da habe» wir's. Ha! ha! ha! ein junger, rüstiger Bursch ist aus mir geworden. Ich glaube, ich bin um zweihundert Pfund leichter als vorher. Wo ist denn mein Bauch geblieben? (Sich den Bauch streichelnd.) Der arme Teufel, der Nurraddin, er ist ja so dünne wie ein Regenwurm. Und den könnte Alma mir vorziehen? den magern Nurraddin dem fetten Sultan? Elender Geschmack! wie das die Beine hebt, wie das Quecksilber in den Adern hat. (Er bewegt sich unwillkürlich.) Ha, ha, ha! das ist lustig. Nur ein einziges Glück, daß ich meinen eigenen Kopf behalten habe, denn den wollte ich mit keinem vertauschen. – Nun will ich zu dem Mädchen geh'n. Die wird ihre schwarzen Augen aufsperren. (Er watschelt auf das Thor zu.)
Erste Schildw. Zurück!
Wampum. Seid ihr toll? Kennt ihr euern Sultan nicht?
Erste Schildw. Du scheinst toll zu sein, guter Freund!
Zweite Schildw. Zurück, oder wir spießen dich ans unsere Piken.
Wampum. Was? Ihr seid so verwegen, mich in meiner eigenen Thür abzuweisen?
Erste Schildw. Armer Schlucker! Du scheinst wohl nie eine eigene Thür gehabt zu haben.
Wampum. Ich lasse jedem von euch fünfhundert Schläge auf den Bauch zählen.
Beide Schildw. Ha, ha, ha!
Wampum. Ihr lacht? Hat man jemals gehört, daß man einem Sultan so mitspielt? wie? Ihr Schafsköpfe! Habe ich denn für euch eine andere Gestalt angenommen? Fort, Schurken, macht Platz! (Er macht abermals einen Versuch durchzudringen.)
Beide Schildw. Zurück!
Wampum. Ha, ha, ha! Hussein! Caled!
Caled. Die Vorigen.
Caled. Wer macht hier den verdammten Lärm? (Zu den Schildwachen.) Stille doch! der Sultan ist bei seinem Mädchen.
Wampum. Der Sultan ist bei seinem Mädchen? Ha, ha, ha!
Erste Schildw. Dieser Verrückte wollte mit Gewalt in den Palast eindringen.
Caled. Aha, Nurraddin! Hat der Verlust der schönen Dirne dich um den Verstand gebracht?
Wampum. Narr, du siehst ja wohl, daß ich der Sultan bin. Laß die beiden Kerls in einen Thurm werfen. Auf den Abend will ich ihnen die Köpfe absäbeln.
Caled. Der arme Teufel, fast dauert er mich. Geh' nach Hause, Nurraddin.
Wampum. Freilich will ich nach Hause gehen, dies ist ja mein Haus, die Schurken lassen mich nicht hinein.
Caled. Hör' auf mit den Possen.
Wampum. Ist das der Dank, daß ich dich zum Vezier gemacht?
Caled. Guter Freund, wenn es nur darauf ankäme, Albernheiten zu schwatzen, so glichest du freilich dem Sultan, wie ein Gimpel dem andern.
Wampum. Was? So sprichst du von mir in meiner Gegenwart! Was wird der Pavian nicht erst sagen, wenn ich ihm den Rücken kehre!
Caled. Schon wieder Pavian? Der Pavian hat dich also noch nicht genug gezwickt? Warte, junger Herr! das soll dir vergolten werden. Du willst hinein? gut, du sollst hinein. Bindet ihn und schleppt ihn in den Saal.
Wampum. He da! Hochverrath! Rebellion!
Caled (der ihm die Hände binden hilft). Was machst du mit dem seinen Ringe am Finger, den hast du wohl gar zum Brautgeschenk bestimmt. (Er zieht ihm den Ring vom Finger.) Vor der Hand sei er mir eine kleine Vergütigung des Schimpfes, den du mir schon zum zweiten Male angethan hast.
Wampum. Ach Caled! gib mir geschwind den Ring zurück, damit ich dir aus dem Traume helfe.
Caled. Nichts! nichts!
Wampum. Der verdammte Ring ist es eben, der mich in's Unglück gebracht hat. Gib ihn her.
Caled. Vergebene Mühe.
Wampum (mit dem Fuße stampfend). Gib ihn her, sag' ich dir.
Caled. Schleppt ihn fort! (Die Schildwachen gehorchen.)
Wampum (sich sträubend). Meuterei! Hochverrath!
Caled. Stopft ihm ein Tuch in's Maul. (Er folgt ihnen.)
(Ein Saal. Man sieht tief im Hintergründe einige Verschnittene ab- und zugehen. An der einen Seite die offene Thür von Almas Zimmer.)
Alma (allein). (Sie trägt in der einen Hand einen Becher mit Sorbet, in der andern eine Perle; den Becher setzt sie auf den Tisch.) Da steht der verhaßte Trank. Nun noch die Perle. (Sie wirst sie in den Becher.) So opfere ich dir, Geliebter, die Perle meiner Unschuld. Nun mag er kommen, der Mensch, dem gestohlene Freuden eben so behagen als erworbene, und dem es seinen Genuß nicht verbittert, wenn er sich gleich dabei in einer Thräne spiegelt. – Noch nie habe ich überirdische Wesen mit thörichten Wünschen bemüht, zum ersten Male drängt sich ein häßlicher Wunsch in meiner Brust empor. Ach! daß dieser Trank in meiner Hand zu Gift würde!
Alma. Genius (steht plötzlich vor ihr)
Alma (mit lautem Schrei.), Ach großer Prophet!
Genius.
Vom funkelnden Abendstern
Steig' ich auf deinen Wunsch hernieder,
Und helfe den Menschen gern,
Denn sie sind meine Brüder.
Alma. Ich bebe – jede Nerve zittert – der Athem vergeht mir. –
Genius.
Ich bin den Menschenkindern hold,
Dein Herz ist rein wie geläutertes Gold;
D'rum grüß' ich dich freundlich, schöne Dirne,
Und küsse den Schrecken dir von der Stirne.
(Er küßt sie auf die Stirne.)
Alma. Dieser Kuß gab mir das Leben wieder; ich wage es dich anzusehen, freundlicher Genius! Dein Blick wäre einem Sterblichen Arzenei. Kommst du, meine Unschuld zu schützen, und meine erste Liebe zu krönen?
Genius.
Ich gehorche dem ewigen Willen
Dessen, der uns beide schuf;
Wünsche hören ist unser Beruf,
Auch zuweilen
sie erfüllen.
Alma. Darfst du den meinigen gewähren?
Genius.
Ihr greift vergebens in die Räder der Natur,
Die Wirklichkeit zu geben euren Träumen
Ist Sterblichen oft Strafe nur,
Denn weise ward in Nebel die Zukunft eingehüllt.
Dein Wunsch: es möchte Gift in diesem Becher schäumen, –
Wohlan! er ist erfüllt!
(Er wirft etwas in den Becher, und verschwindet.)
Alma (allein). Er ist verschwunden. Was er sprach, war geheimnißvoll, ich verstand es nicht recht. – Einfältige Alma! warum frugst du nicht nach deinem Vater? der Genius ist gewiß im Paradiese zu Hause, und mein guter alter Vater ist gewiß auch im Paradiese. Wenn er mir wieder erscheint, soll das meine erste und einzige Frage sein. – Also Gift ist nun in diesem Becher? Soll ich es gebrauchen für mich? oder für uns beide? – Nurraddin retten, einen Tirannen strafen, und mit meiner Unschuld in's Grab steigen – o ja! o ja! in einer lieblichen Gestalt wird der Tod mir erscheinen.
Nurraddin (in Schach Wampums Gestalt), Alma.
Nurrad. (bei Seite), Endlich, nach langem Suchen. Wohlan, Nurraddin, jetzt spiele deine Rolle gut.
Alma (bei Seite), Ha! da ist er!
Nurrad. Alma, dich grüßt der Sultan, und erwartet Gehorsam und Unterwürfigkeit.
Alma (zu seinen Füßen), Noch einmal beschwör' ich Dich auf meinen Knien, gib mich dem Geliebten meiner Seele wieder! Der Genuß in meinen Armen dauert nur Augenblicke, der Genuß Deiner schönen That ist ewig!
Nurrad. (bei Seite). Vortreffliches Mädchen! (Laut.) Umsonst! Deine Reize sind mächtiger als deine Worte. Ich höre Alma nicht, ich sehe sie nur.
Alma. Meine Worte sind schwach, aber mächtig ist der Reiz der Tugend. Du hörest nicht mich, Lieb' und Tugend sprechen aus mir.
Nurrad. (bei Seite). Kaum halt' ich mich noch. (Laut.) Genug mit dem Geschwätz. Ich kam hierher, um zu genießen.
Alma (sich stolz erhebend). Wohlan, Du willst es? Ueberkomme alle das Böse, das die Verzweiflung mir eingibt. (Sie reicht ihm den Becher.) Das Symbol der Ergebung in deinen Willen.
Nurrad. Mit Entzücken empfange ich ihn aus deinen Händen. Aber wird dieser Trank süßer sein, als der Kuß von deinen Lippen? (Er trinkt.)
Alma. Meine Lippen sprachen Wahrheit, dieser süße Trank ist eine Lüge. Halt! leere ihn nicht ganz aus. Es ist billig, daß auch ich meinen Theil von diesem Schlaftrunk genieße. (Sie trinkt den Becher aus.) So, nun ist es geschehen.
Nurrad. Es ist geschehen, und ich bin glücklicher als der Sultan.
Alma. Glücklich als Sultan willst Du sagen.
Nurrad. Nicht doch, der Gewalt will ich mein Glück nicht verdanken. Alma wird mich lieben, sie wird herrschen in meinem Harem, wird herrschen über mich, ihre Sanftmuth wird meine Völker beglücken, wird meinen Arm aufhalten, wenn er strafen will, und ihn ausstrecken zu Belohnungen. Die Nachwelt wird ihren Namen mit Entzücken nennen. Alma, wird es heißen, herrschte über Persien, und ihr erster Sklave war Schach Wampum.
Alma. Welche fremde Sprache in Deinem Munde?
Nurrad. Sie ist mir nicht mehr fremd, seit ich dich sah.
Alma. Du heuchelst nicht?
Nurrad. Ich spreche wahr. Alma hat diesem Herzen Gefühle eingeflößt, die es nie kannte, und du wirst mich lieben, weil ich dein Geschöpf bin.
Alma. Lieben? mein guter Sultan, man liebt nur einmal, Ich liebe Nurraddin. Aber – ich wollte doch, daß Du nicht getrunken hättest.
Nurrad. Göttliches Mädchen! ich will gern alle Martern erdulden, nun ich weiß, daß du mich liebst.
Alma. Nein, Sultan, nein! ich liebe dich nicht.
Nurrad. Ja, Alma, ja, du liebst mich, weg mit der Verstellung! ich bin Nurraddin.
Alma. Du?
Nurrad. Ein Genius gab mir diesen Ring, um die Gestalt des Sultans anzunehmen. Du zweifelst? – ich will dich überzeugen, zwar nur auf einen Augenblick, denn mein Leben wäre hin, wenn man mich in meiner wirklichen Gestalt überraschte. (Er springt in Almas offenes Zimmer, und stürzt im nämlichen Augenblick in seiner eigenen Gestalt wieder heraus, schließt sie in seine Arme, eilt zurück, und erscheint sogleich wieder als Sultan.) Glaubst du mir nun? Danke mit mir dem freundlichen Genius.
Alma. Ich ihm danken? O Prophet! Gerecht ist die Strafe meines thörichten Wunsches, denn ich zweifelte an dem Schutze der Unschuld. Nurraddin! auch bei mir war der Genius.
Nurrad. Auch bei dir?
Alma. Ich wünschte, der Becher, den ich auf des Sultans Geheiß zubereiten mußte, möchte Gift enthalten. Mein Wunsch ward mir gewährt. Wir haben beide getrunken, wir sind beide vergiftet.
Nurrad. Ha! (Pause. Er sucht sich zu fassen.) Wohlan, Alma! Laß uns männlich tragen, was wir kindisch verschuldeten. Wir werden zusammen sterben.
Alma. Ich fühle schon die Wirkung des Giftes.
Nurrad. Ein heimliches Feuer schleicht in meinen Adern.
Alma. Laß uns Arm in Arm in's Paradies wandeln.
Nurrad. (sie umschlingend). So werden die Seligen mich beneiden.
Sultan Wampum (in Nurraddins Gestalt). Caled. Vorige.
Alma. Himmel! was seh' ich!
Nurrad. Meine Gestalt! gewiß ist auch hier der Genius im Spiele.
Wampum. Was? was? hier bin ich ja noch einmal? Was ein Sultan nicht alles erlebt!
Caled. Beherrscher der Gläubigen! Hier ist ein Verrückter, der deinen Namen und dein Ansehen mißbraucht.
Nurrad. (bei Seite), Ich begreife! es ist der Sultan selbst: (laut) ihm sei verziehen.
Caled. (erstaunt). Verziehen?
Wampum. Ihm? frage erst, ob ich dir verzeihe. Seht doch, man erlaubt sich hier ein Gaukelspiel mit mir? wie? – aber gebt mir nur meinen Ring wieder, so will ich euch anders pfeifen lehren.
Caled (den Säbel ziehend). Vergönne, großer Sultan! daß ich diesem Narren das Maul auf immer stopfe.
Nurrad. Er mag reden, eben weil er ein Narr ist.
Wampum. Ich knirsche vor Wuth – Höllischer verdammter Genius, wenn ich einmal dort oben Sultan sein werde –
(Ein Donnerschlag.)
Der Genius (steht mitten unter ihnen).
Alma. Nurrad., Wampum. Da ist er!
Genius.
Thorheit der Sterblichen
belachen,
Und lachend
belehren, ist mein Beruf.
Ich komme wieder gut zu machen,
Den Wirrwarr, den ich schuf.
Wampum. Es ist endlich einmal Zeit. Nur geschwinde!
Genius.
Ihr, die wir hier in trügenden Gestalten,
Für Nurraddin, für Sultan Wampum halten,
Tauscht eure Seelen wieder um.
(Zu Nuraddins Gestalt.) Sei wieder klug.
(Zu Wampums Gestalt.) Sei wieder dumm.
(In diesem Augenblicke wechseln beide Schauspieler ihre Rollen.)
Wampum. Dem Propheten sei Dank! daß ich meinen Bauch wieder habe.
Nurrad. Hierher Alma! Hier steht dein Nurraddin, dessen Herz in jeder Gestalt gleich ist.
Alma. Liebliches Zauberwerk! (Sie fliegt in seine Arme.)
Wampum. Halt einmal da! Halt! wo ist mein Säbel?
Genius.
Wie? du bietest dem Himmel Trutz?
Gemach! ich nehme sie in meinen Schutz.
(Zu Nurraddin und Alma.)
Das Gift thut keine Wirkung an euch beiden.
Seid brav, seid glücklich, seid bescheiden.
(Nuraddin und Alma danken ihm kniend.)
Wampum. Nun das finde ich kurios, mein Herr Genius. Wer ist denn Herr und Meister in diesem Palast? wie? antworte er mir einmal darauf.
Genius.
Hier und überall ist Herr und Meister
Der Unerschaffene der Geister!
Sterbliche, ergrübelt nie zu viel,
Euer Grübeln ist verloren!
Für ein
kleines, nahes Ziel
Seid ihr nur auf dieser Welt geboren.
Wünschet nie!
begehret nie! ihr Thoren!
Eure Wünsche sind der Täuschung Gaukelspiel,
Sie verbittern euch das Leben;
Was
euch nützt – wird
euch das Schicksal geben.
(Genius verschwindet.)
Wampum. Von allem, was er da gesagt hat, habe ich nicht ein Wort verstanden.
Caled. Auch ich nicht.
Nurrad. Aber ich.
Alma. Und ich.
Nurrad. (zu Alma.) Laß uns genießen ohne Grübeln und Wünschen.
Wampum. Ja, genießen! Das verdammte Genießen. Was genieße ich dann?
Nurrad. Die Freude, wohlzuthun, wenn du Sinn dafür hast.
Wampum. Sinn? Was will der Narr mit seinem Sinn? Ein Sultan hat fünf Sinne. Genießen? Laßt meine Sänger hereintreten; ich will Musik genießen, um von meiner heutigen schweren Arbeit auszuruh'n.
Schluß-Chor.
Alle. Laßt uns genießen
Durch Scherz und Kuß,
Durch Lebensgenuß
Das Leben versüßen.
Alma. Nurradin.
Wünsche verbittern
Nur das Leben.
Sich ohne Zittern
Dem Schicksal ergeben;
Durch frohe Stunden
Heilen die Wunden,
Die auf der Lebensreise
Das Schicksal schlug;
Ja, das ist klug,
Ja, das ist weist.
Alle.
Laßt uns genießen
Durch Scherz und Kuß,
Durch Lebensgenuß
Das Leben versüßen.
Er schlummert – stille – stille!
Höret den Monarchen
Melodievoll schnarchen! –
Welch' ein feistes Stöhnen! –
Welch' ein fetter Klang! –
Es ersterbe der Gesang
In immer schwächern Tönen,
Stille! Stille!