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Zweiter Act.

Erste Scene.

Wampum (der eben erwacht – nach einem herzhaften Gähnen, sieht er sich um, sein Ton ist noch ganz schläfrig). Hussein.

Wampum. Nun, was ist das? sind die hübschen Mädchen da? Wie viel sind ihrer? wie sehen sie aus? – Nun? noch keine da?

Hussein. Man hat noch kein Mädchen gefunden, großer Wampum, das würdig wäre, Deine Knie zu umfassen.

Wampum. Man soll machen, daß man es findet. Oder ist mein Firman dem Volke noch nicht kund gethan?

Hussein. Schon seit drei Stunden, in allen Straßen, allen Marktplätzen, und an den Thoren von Schiras.

Wampum. Ha, ha, ha! was meinst du, Hussein? das wird einen Aufruhr unter den Mädchen geben? die werden laufen und schreien und nur den Palast bestürmen.

Hussein. Ich gab Befehl, nur die schönsten vor Dich zu lassen.

Wampum. O ho, da kömmt mir ganz Schiras über den Hals, die Gänschen bilden sich alle ein, daß sie hübsch sind. Ha, ha, ha! war daß nicht eine witzige Bemerkung? wie?

Hussein (pflichtmäßig aus vollem Halse lachend). Ha, ha, ha! göttlich witzig!

Wampum (lacht, daß ihm der Bauch schüttelt).

Hussein (sucht noch zu übertreffen).

Zweite Scene.

Vorige. Ein Kämmerling (tritt herein).

Kämmerl. Ein Sklave wünscht vor Deiner Majestät sich in den Staub zu beugen.

Wampum. Ein Sklave? was will er? wie sieht er aus, und wie heißt er?

Kämmerl. Es ist ein Fremder, und hat Deiner Majestät Entdeckungen zu machen.

Wampum. Fremd? Ich bin nicht fürs Fremde – und Entdeckungen? Man soll mir nichts entdecken, denn ich weiß schon alles. Wofür bin ich denn Schach? wie? – Aber laß doch hören, wie sieht der Wurm von einem Sklaven aus? Was für eine Miene hat er?

Kämmerl. Wie die Demuth selbst – Herr, er sieht aus, als ob er den bloßen Wink Deiner hohen Augenbraunen fürchtete.

Wampum. Furcht! Er soll herein kommen. Ich hab' es gerne, wenn sich die Leute vor mir fürchten. Und weil sich der arme Narr vor mir fürchtet, so kann er sich da in die Ecke hinstellen. Meine majestätischen Augenbraunen sollen ihm keinen Schaden thun, sag' ihm das.

Kämmerl. (geht hinaus, nach einer kleinen Pause tritt Caled herein).

Dritte Scene.

Caled. Vorige.

Caled (sich niederwerfend). Dreimal glücklicher Tag! an welchem dem glücklichen Caled vergönnt wird, das Paradies offen zu sehen.

Wampum. Was, du siehst das Paradies offen? bist du ein Prophet?

Caled. Den Palast von Schiras betreten, den König der Könige schauen, heißt das nicht das Paradies offen sehen?

Wampum. Ha, ha, ha! Du gefällst mir. Merke dir das, Hussein, laß es aufschreiben, und gib irgend einem berühmten Dichter eine Mahlzeit, daß er es in Verse bringe, es soll mir zuweilen vorgesungen werden. Nun Sklave, rede, was willst du hier im Paradiese?

Caled. Deine Herolde haben den Befehl verkündigt, die schönste Dirne des Reichs für Deinen Harem zu erkiesen. Meine Ohren haben es vernommen und athemlos eile ich hieher, das reizendste Mädchen auch zum glücklichsten zu machen, indem ich es in die Arme meines Gebieters liefere.

Wampum. Du? nein wirklich? seht doch, wer hätte es dem fremden Fratzengesichte angesehen? nun, wo ist sie denn? mach fort!

Caled. Großer Wampum! du mußt eilen, diese Taube dem Geier zu entreißen, der im Begriffe ist, sie in sein Nest zu schleppen.

Wampum. Taube, Geier? der Mensch ist nicht recht bei Sinnen. Mein Palast ist kein Taubenhaus, und ein Geier hat hier nichts zu thun. Schafft mir den tollen Menschen vom Halse. Am Ende sieht er den Saal hier noch für eine Menagerie an, und uns für die Thiere darin. Fort mit ihm!

Caled. Deine Hoheit versteht mich unrecht: die Taube, von der ich rede, ist das schöne Mädchen, das ich dem erhabenen Beherrscher von Schiras zuführen will, und ihr Geier ein junger Kaufmann, Nurraddin, der sich noch heute mit ihr vermählen will.

Wampum. Mit dem Tode will ich ihn vermählen, den Hund!

Caled. Wenn es Deiner Hoheit gefällt, mir einen von Dir unterschriebenen Firman und eine Wache mitzugeben, so verpfände ich meinen Kopf, sie binnen einer Stunde in den Palast zu liefern.

Wampum. Ob es mir gefällt? freilich gefällt es mir. Hussein, bringe mir sogleich einen fertigen Firman zur Unterschrift. Und du erzähle mir, wo und wie du das Mädchen gesehen hast.

Caled. Dein Sklave gehorcht. Ich hörte ein Mädchen singen –

Wampum. Wiederhole mir den Gesang.

Caled. Das ist mir nicht möglich; ich hörte den Anfang in der Ferne.

Wampum. Das ist wohl nur eine Ausflucht, und du Esel kannst nicht singen.

Caled. O ja, großer Schach! und wenn Du erlaubst, so singe ich Dir die ganze Geschichte vor.

Wampum. Singen? eine Geschichte singen? thut man das?

Caled. O ja, weiser Schach, wenn man singen kann.

Romanze.

Wir kamen von der Küste
Mit wohlgenährtem Bauch,
Wir zogen durch die Wüste,
Leer war der Wasserschlauch,
Und wir und die Kameele
Sehr matt an Leib und Seele.

Wampum. Halt, halt einmal, guter Freund! warum zogt ihr denn durch die Wüste? Warum nahmt ihr keinen bessern Weg?

Caled. Weil es keinen bessern gibt.

Wampum. Und wenn ihr kein Wasser hattet, warum trankt ihr keinen Wein?

Caled. Wir hatten keinen.

Wampum. In Zukunft befehle ich euch, welchen mit zu nehmen. Hörst du? daß man euch nicht wieder in der Wüste ohne Wein ertappt! Ich kann die Wüsten nicht leiden, am wenigsten solche, in welchen kein Wein wächst. Jetzt fahre fort.

Caled.

Wir nahten uns den Thoren,
Horch! horch! da tönt' und klang
Urplötzlich in die Ohren
Ein himmlischer Gesang:
Dudel didel dadel didel, lululululu!
Ein Mägdlein, wie kein Träumer
Von Dichter je erblickt,
Das hatte mit dem Eimer
Zum Schöpfen sich gebückt,
Und sang tralall, tralall,
Wie eine Nachtigall.

Wampum. Weiter, weiter! das Ding klingt närrisch genug.

Caled.

In lichterlohem Feuer
Entbrannt' ich armer Tropf;
Allein ein dichter Schleier
Verhüllte Brust und Kopf.
Den dacht' ich wegzureißen,
Sie wird mich ja nicht beißen.

Wampum. Aber ich werde dich beißen, mein guter Freund, wenn du dich unterstehst, deine Hand an eine Sultanin zu legen.

Caled. Deine Hoheit vergißt, daß sie damals nur noch eines Gärtners Tochter war.

Wampum. Lirum larum! das Mal will ich es vergessen, will, verstehst du? denn wenn ich nicht wollte, wer könnte mich zwingen, he?

Caled. Keine menschliche Seele, mächtiger Schach!

Wampum. So mein' ich es auch – Na erzähl' nur weiter.

Galed.

Obgleich wie Ungeheuer
Die hübsche Dirne schrie,
Schwatzt doch mein Herr den Schleier
Herunter ohne Müh',
Und führte sie nach Hause
Zu einem Hochzeitschmause.

Wampum. Das soll er wohl bleiben lassen! seh' einer die Verwegenheit, mir ein Mädchen wegzunehmen, mir? In tausend Stücke will ich ihn säbeln lassen.

Caled. Das Mädchen heißt Alma, ist zwar nur eines Gärtners Tochter, aber auch auf den Wiesen blühen schöne Blumen.

Hussein (bringt den Firman). Hier ist der Firman und hier eine Feder mit goldener Tinte gefüllt, um den großen Namen Wampum hinzuzufügen.

Wampum. Gib her. (Man reicht ihm ein kleines sammtnes, mit Gold befranztes Pult, welches er auf das Knie legt, und weitläufige Anstalten zur Unterschrift macht.) Ja, Hussein, du weißt wohl, das geht so nicht recht. Ich verspüre einige Wallungen in meinem königlichen Blute. Die Hand zittert mir, du mußt mir ein wenig helfen. (Hussein führt ihm die Hand.) So, nun ist's geschehen. Eile, niedriger Sklave, und kehre schleunig zurück, mir Rechenschaft zu geben von dem Entzücken des schönen Mädchens. Aber mach es geschickt, daß das Mädchen nicht stirbt vor Freude, eh' ich sie zu sehen kriege.

Caled. Mit möglichster Behutsamkeit werde ich auf ihr Glück sie vorbereiten. Ich küsse den Staub unter Deinen Füßen. (Er geht fort.)

Wampum. Höre, Hussein, ich weiß wohl, daß das so sein muß, aber die Redensart gefällt mir doch nicht: Ich küsse den Staub unter deinen Füßen. Ich habe ja keinen Staub unter meinen Füßen. Laß einen Firman ausgehen, man soll in Zukunft nicht mehr so sagen, man soll sprechen: »ich wünschte der Staub unter Deinen Füßen zu sein!« oder »ich bete Dich an!« oder so etwas dergleichen, das nicht gar zu demüthig klingt, weil ich das nicht liebe, ich.

Hussein. Ich erstaune und verstumme.

Wampum. Nun warum verstummst du denn?

Hussein. Unter zahllosen Tugenden ziert auch die Bescheidenheit den Thron von Persien.

Wampum. Ja, ich bin bescheiden, ich, das kommt daher, weil ich Verdienste habe. Aber das hindert doch nicht, daß mich hungert. Laß uns zur Tafel gehen. (Er erhebt sich schwerfällig, Hussein hilft ihm.) Ach, Hussein! welch' ein mühseliges Amt ist es, Sultan zu sein. (Er watschelt fort.)

Hussein (begleitet ihn).

Vierte Scene.

(Zimmer in Nurraddins Hause.)

Nurraddin führt Alma herein.

Nurrad. Mit dem ersten Schritt, den Alma über diese Schwelle thut, zieht auch der Segen der Liebe in mein Haus.

Alma (sich neugierig umsehend). Dein Haus gefällt mir, dein Haus ist recht schön.

Nurrad. Nur öde kam es mir bis jetzt vor, ihm mangelte, was weder Marmor noch Cedernholz, weder Goldfirniß noch arabische Malerei ihm geben könnten.

Alma. Was mangelte ihm denn?

Nurrad. Die süße Bewohnerin, ohne welche auch die schöne große Welt öde sein würde: Die Liebe.

Alma. Ja, man spricht aber, sie wohne nicht gern in solchen schönen Häusern; sie kehre lieber in einer Hütte ein; sie spiegele sich lieber in hübschen Augen als in solchen prächtigen Krystallen.

Nurrad. Ach nein, gute Alma. Es wäre auch zu hart, wenn der Arme, der schon die Zufriedenheit vor uns Reichen voraus hat, auch noch von der Liebe allein begünstigt wurde.

Alma. Das kömmt mir auch so vor. Dem Armen würzt die Liebe seine Arbeit, dem Reichen seine Langeweile.

Nurrad. Liebe ist die Freundin eines guten Herzens.

Alma. Sie kömmt uneingeladen.

Nurrad. Und ist doch immer willkommen.

Alma. Sie nimmt vorlieb mit der Dürftigkeit.

Nurrad. Weil sie den Reichthum mitbringt.

Alma. Hoch oder Niedrig, Sultan oder Waffenträger, gilt hier gleich.

Nurrad. Sie findet doch allenthalben einen Thron.

Alma. Armer Thron, den sie nicht theilt.

Nurrad. Die Natur wäre arm ohne sie.

Alma (von tiefer Empfindung ergriffen). Die Natur selbst muß die Liebe sein.

Nurrad. Deine fromme Ahnung trügt dich nicht, schönes Mädchen, du allein könntest der Gottheit widerstehen?

Alma. Ich widerstehe ihr ja nicht – Mein Herz ist offen, bereit, jeden Eindruck willig aufzunehmen, ja ich fühle, daß mein Schäfchen mir nicht mehr alles ist. Das arme Ding! Es wird sich zu Tode härmen, wenn es merkt, daß Almas Liebe sich vermindert.

Nurrad. Gib ihm ein anderes Schäfchen zum Gefährten, und es wird zufrieden sein.

Alma. Ach ja, noch ein Schäfchen! Du bist ein guter Mensch, ich fühle, daß ich dich lieben werde – ich fühle – daß ich dich liebe –

Nurrad. Nie soll dich deines Herzens Wahl gereuen. Gut, schöne Alma, kröne meine Liebe! noch diesen Abend laß ein frohes Hochzeitsfest uns feiern.

Alma. Noch diesen Abend? – ach! – sag' mir doch, warum ich nichts dagegen habe, und doch bei dem Gedanken zittere?

Nurrad. Jungfräuliche Schüchternheit, das ist es alles. Du willigst ein? Du willst?

Alma. Ich will! (Stumme Umarmung.)

Fünfte Scene.

Caled. Vorige.

Nurrad. Ha, was willst du hier? habe ich dir nicht verboten, die Schwelle meines Hauses zu betreten?

Caled. Vergib, Nurraddin, ich würde es auch nicht gethan haben, wenn nicht –

Nurrad. Was wenn nicht: pack' dich fort! und danke es meiner Langmuth, daß ich nicht durch meine Sklaven dich mißhandeln lasse.

Caled (hämisch). Wenn nicht der Befehl des Sultan Wampum mich hieher brächte. (Er überreicht ihm den Firman in ein Stück Tafft gewickelt.)

Nurrad. Des Sultan Wampum? wie kömmst du mit dem Sultan zusammen?

Caled. Von ohngefähr, wie Nurraddin mit der schönen Alma.

Nurrad. (liest). Ha! was ist das?

Caled. Zur schuldigen Dankbarkeit für Eure freundliche Begegnung.

Nurrad. Hämischer Bösewicht!

Caled. Pavian wollt Ihr sagen.

Nurrad. Alma, wir sind verloren!

Alma. Was ist dir? erkläre dich, Geliebter?

Caled. Geliebter schon? Ei, das ist schnell gegangen.

Nurrad. Der Sultan verlangt dich für seinen Harem.

Alma. Verlangt mich, aber will ich denn?

Caled. Seine Hoheit haben für dies Mal nicht beliebt, darnach zu fragen, ob du wollest.

Alma. Nun so beliebt es mir auch nicht zu gehorchen.

Caled. Das wird sich finden.

Nurrad. Ich sehe den Abgrund, der sich unter meinen Füßen öffnet. Caled, willst du 1000 Tomans? sie sind dein.

Caled. Ei, wie anders klingt das! ich danke Herr. Ihr wißt, ein Pavian braucht wenig Geld, er findet überall für seinen Zahn etwas zu knacken.

Nurrad. Nimm die Hälfte meiner Schätze, aber laß mir Alma.

Caled. Der Sultan hat dieses Mädchen höher taxirt.

Alma. Der ganze Handel kommt mir drollig vor. Laß mich mit ihm gehen, Nurraddin, ich will dem Sultan sagen, daß ich nicht in seinen Harem mag.

Nurrad. Mit ihm geh'n? zum Sultan? nimmermehr! Nein, hier bleibt mir nur ein Mittel übrig. Gern will ich allen meinen Schätzen den Rücken kehren. Wir müssen flieh'n. Eine ländliche Hütte soll uns aufnehmen –

Alma. O ja! und die Liebe soll die Arbeit unserer Hände würzen. Ich bin gewohnt zu arbeiten.

Caled. Ich danke euch, daß ihr mich zum Vertrauten eurer Flucht macht.

Nurrad. (den Dolch zuckend). Dich, Unhold, stoße ich zuvor nieder. (Er geht auf ihn los.)

Caled (fällt ihm in den Arm und ruft). Wache!

(Die Wache tritt herein.)

Caled. Entwaffnet ihn! greift dieses Mädchen, schleppt sie fort.

(Ein Theil der Wache entwindet Nurraddin den Dolch, der auf den Boden fällt. Der andere Theil ergreift die sich sträubende Alma, und zieht sie fort.)

Nurrad. (indem er mit der Wache kämpft). Ha, Unmensch!

Alma (indem sie fortgeschleppt wird). Hilfe! Nurraddin, rette mich!

Caled. Lebt wohl, junger Herr, und erinnert Euch zuweilen in einsamen Stunden Eures gehorsamen Pavians.

(Er folgt der Wache.)

Sechste Scene.

Nurraddin (allein).

(Er wirft sich betäubt in einen Sessel.) Wie ist mir gescheh'n! Dunkel und finster um mich her – herabgeschleudert von der Höhe meines Glücks! – (Pause.) Du möchtest sprechen: was ist's nun mehr? vor wenig Stunden hast du Alma noch nicht gekannt, und warst froh und glücklich. Jetzt ist es ja wieder eben so. Hat man dir deine Schätze geraubt? Hat man dich in Fesseln geschlagen? Du darfst ja nur die paar Stunden aus deinem Leben ausstreichen. – Ach vergebens! Reichthum befriedigt nur den, dessen Herz nie besseren Freuden offen stand. – Was braust mir da im Kopfe! – Was nagt mir da im Herzen? – Du schauerliches Gefühl, dein Name ist Verzweiflung! – (Er springt hastig auf, und ergreift den Dolch, der auf der Erde liegt.) Ich kann nicht ohne sie leben! ich will sie besitzen, oder sterben! (Er rennt fort.)

Siebente Scene.

(Der Saal im Palast.)

Wampum watschelt herein, hinter ihm Hussein.

Wampum. Ich sage dir, der Hammelbraten war nicht braun genug. – Laß dem Koch zweihundert Streiche auf die Fußsohlen geben.

Hussein. Ganz wohl!

Wampum. Und hundert dem Gärtner, weil er sich unterstanden hat, mir Granatäpfel auf den Tisch zu setzen, an welchen die Sperlinge genascht hatten.

Hussein. Ganz wohl!

Wampum. Und die Sperlinge sollen hiermit auf ewig aus meinem Reiche verbannt sein.

Hussein. Ganz wohl.

Wampum. Auch die Raupen will ich nicht länger dulden; ich kann die zerfressenen Blätter nicht leiden.

Hussein. Ganz wohl.

Wampum. So ein Gerippe von einem Blatte erinnert mich an den Tod, und niemand steht bei mir in größeren Ungnaden, als der Tod.

Kämmerl. (tritt herein). Der Sklave von diesem Morgen, welcher ein verschleiertes Mädchen bringt.

Wampum. Ist er da? Das ist mir lieb, denn ich bin gerade in einer ärgerlichen Laune. So ein Hammelbraten, der nicht braun genug ist – ich kenne nichts Aergerlicheres auf der Welt.

Achte Scene.

Caled. Alma (verschleiert). Vorige.

Alma. Großer Sultan, dieser Mensch hat mich mit Gewalt aus den Armen meines Bräutigams gerissen. Du kannst das nicht befohlen haben?

Wampum. Nicht befohlen? Warum nicht befohlen? Warum kann ich das nicht befohlen haben? Wofür bin ich denn Sultan?

Alma. Auch ein Sultan kann keinem sein Eigenthum nehmen. Ich bitte Dich, laß mich nach Hause geh'n, gib mich meinem Geliebten wieder! Heute Abend sollte unsere Hochzeit sein.

Wampum. Ei seht doch, wenn ich nun selbst Lust habe, Hochzeit zu machen. Fort mit dem Schleier! Wenn du mir nicht gefällst, so kann es leicht gescheh'n, daß meine Großmuth dir deine Bitte gewährt.

Alma (entschleiert sich).

Wampum (ganz erstarrt). Was! wie! beim Propheten! Sie ist schön, wie ein Engel, und untersteht sich, an einen andern Mann zu denken, als an mich? Caled, ich mache dich zu meinem Vezier. – Komme her, Mädchen, und liebe mich.

Alma. »Komme her, Mädchen, und liebe mich.« Eine drollige Art, Liebe zu fordern! Es beliebt dem Sultan mit seiner Sklavin zu scherzen.

Wampum. Scherzen? Wer sagt das? Ich bin so ernsthaft, daß es dir deinen schönen Hals kosten kann, wenn du länger Umstände machst. Weißt du wohl, daß an meinen Augenbraunen da Leben und Tod hängt!

Alma. Tod und Leben mag d'ran hängen, aber Liebe wahrlich nicht!

Wampum. Höre, du sprichst verdammt kühn. So läßt kein Sultan mit sich reden. – Aber weil du so hübsch bist, so will ich einmal thun, als ob ich nicht Sultan wäre, und will nicht böse werden; denn wenn ich böse werde, so bin ich fürchterlich zornig. Nun sag' an, du kleine hübsche Dirne, was muß man denn thun, um dir zu gefallen?

Alma. Man muß liebenswürdig sein.

Wampum. Und bin ich denn nicht liebenswürdig? – Ha, ha, ha! Ich bin sehr liebenswürdig! Hussein, nicht wahr?

Hussein (verbeugt sich tief).

Alma. Es mag sein, aber nicht in meinen Augen.

Wampum. Nun so ist's um deine hübschen Augen schade. Sie haben den Staar, so wahr ich Sultan bin, und mein europäischer Arzt soll ihn dir stechen.

Alma. Deine Hoheit ist allzugnädig. Ich bin mit meinen Augen ungemein zufrieden. Nurraddins Liebenswürdigkeit steht hell und klar vor ihnen.

Wampum. Das soll sie aber nicht, ich befehl' es hiermit. Wornach sich zu achten. Aber wissen möcht' ich doch, was dir an dem Verwegenen, wie heißt der Wurm schon? so gefallen hat?

Alma. Ei, er hat mich gebeten, süß gebeten, ihm zu folgen, und da bin ich ihm gerne gefolgt. Du aber hast mich mit Gewalt in den Palast schleppen lassen. Die Liebe kennt keine andere Gewalt, als Seufzen und Bitten.

Wampum. Ha, ha, ha! Hört, wie das schwatzt. Hast du jemals gehört, daß ein Sultan seufzt? Nein, sieh einmal, ich bin zu alt, um das zu lernen. Aber was ein Sultan sonst versteh'n muß, das verstehe ich so gut als Einer.

Alma. Es gilt mir auch gleich, und ich wollte nicht, daß Du um meinetwillen seufztest.

Wampum. Warum nicht?

Alma. Weil es doch nur vergebene Mühe wäre.

Wampum. Mühe? Ha, ha, ha! Gebe ich mir denn jemals Mühe? He – und wenn ich mir welche gebe, so könnte sie ja nicht vergebens sein? Begreifst du das?

Alma. Nicht so recht. Ich würde Dich doch nie lieben.

Wampum. (entrüstet). Nicht lieben! was! – und warum denn nicht?

Alma. Weil Du mir nicht gefällst.

Wampum. Und warum gefalle ich dir nicht? Aha! da sitzen wir und wissen nicht zu antworten. – Nun, wir vergeben dir in Gnaden. Aber du kannst ja hübsch singen. Sing!

Alma. Ach, mir ist nicht singerlich!

Wampum. Du sollst singen, ich befehle es.

Alma. Ich will Dir ein Gärtner-Lied singen, das mein Vater mich gelehrt hat.

Alma.

Der Sultan ist die Sonne,
In deren Strahl der Garten blüht;
Vezier ist dann der Gärtner,
Der alles fleißig übersieht;
Die Weiber sind die Rosen,
Sie welken bald und riechen schön;
Höflinge sind die Tulpen,
Nur bunt und artig anzuseh'n;
Die Dichter sind die Nelken,
Gewürzhaft, kräftig ihr Geruch;
Derwische sind das Unkraut
Des Gartens, und des Gärtners Fluch;
Der Weise ist ein Veilchen,
Das nur im Gras verborgen blüht;
Der Freund ist Immergrün,
Das man um eine Pappel zieht;
Doch weder Frucht, noch Schatten,
Ihr guten Blümlein, gebet ihr;
Die Bauern sind die Früchte,
Von deren Fleiße leben wir.

Wampum. Tausend, das klingt schön – höre Hussein, da kömmt mir ein Gedanke ein. Von nun an soll alles in meinen Staaten singen, vom Vezier an bis zum Wasserträger. Wer mir eine Bittschrift überreicht, Berichte abstattet, Firmans zur Unterschrift bringt, alles soll singen, und besonders die Schildwachen, damit sie nicht auf ihren Posten einschlafen – Hörst du, daß das sogleich anbefohlen wird – Und die kleine Hexe da führe man in den Harem.

Alma. Nimmermehr, nimmermehr!

Wampum. (nach seiner Art aufspringend). Widerspenstige! ich lasse dich mit Ruthen peitschen.

Alma. Ein Liebhaber und ein Bund Ruthen, großer Prophet! Welch' ein drolliges Geschöpf!

Wampum. Ich ein Geschöpf? Was? Ich ein Geschöpf? – Wenn du nur nicht so verdammt hübsch wärst.

Alma. Das war es eben. Dein Zorn beugt sich vor meiner Schönheit. Lerne daraus, daß auch Macht und Hoheit ihr unterthan sind.

Wampum. Wer hat jemals dergleichen gehört? Sie macht mich zum Unterthan! Mich, den König der Könige. – Laß dir ein Wort im Vertrauen sagen, gutes Kind. Jetzt gehe ich in's Bad, und gebe dir drei Stunden Bedenkzeit. Hast du dich dann noch immer nicht eines Bessern besonnen, so tritt ein Stummer in dein Zimmer – und was bringt er? Eine goldene verdeckte Schüssel! Und was liegt in der Schüssel? Der Kopf deines Nurraddins. Ha, ha, ha! Merkst du nun, daß ich wieder Schach Wampum bin.

(Er watschelt fort.)

Neunte Scene.

Vorige, ohne Wampum.

Alma. Das wäre das Kennzeichen eines Sultans! Mein Vater hat mich anders gelehrt.

Hussein. Ach, was verstand dein Vater davon? Der war ein Gärtner, und es ist noch ein himmelweiter Unterschied zwischen der Gärtnerei und der Regierungskunst.

Caled. Einer Favorit-Sultanin ist alles zu sagen erlaubt.

Hussein. Freilich, auch die Wahrheit.

Alma. Nennt mich, wie ihr wollt, ich bleibe doch, was ich bin.

Caled. Das heißt: ein Mädchen.

Hussein. Nein, das wird sie nicht bleiben. Das Mädchen wird zur Frau werden.

Alma. Nurraddins Frau.

Hussein. Im Traum, warum nicht?

Alma. Also darf man im Harem doch wenigstens träumen, was man Lust hat?

Hussein. O ja, wenn man nicht etwa die üble Gewohnheit hat, im Schlafe laut zu sprechen.

Alma. Schade, so würde man denn doch einmal in diesen Mauern die Wahrheit hören. – Aber ich bin eurer Gesellschaft satt. Ich will fort.

Hussein. Dein Sklave ist bereit, dir ein Zimmer anzuweisen.

Alma. Meine Zimmer sind in Nurraddins Hause.

Hussein. Liebes Kind, sei vernünftig. Dein Sträuben wird dir nichts helfen, und deinem lieben Nurraddin schaden.

Alma. Meinem Nurraddin schaden?

Hussein. Hast du die Drohung des Sultans vergessen?

Alma. Die doch nicht Ernst war?

Hussein. O wahrhaftig, er spaßt nicht. Nurraddins Kopf wackelt, wie ein Thurmknopf bei einem Erdbeben.

Alma. Guter Nurraddin! Das wäre der Lohn deiner Liebe! Warum mußtest du gerade heute nach Schiras kommen? Warum mußte ich gerade in jener Stunde zum Brunnen geh'n? Warum mußte dieser Unhold mich finden?

Caled. Warum mußtest du schreien?

Alma. Warum mußte er mich seh'n? Warum mußte ich ihm gefallen?

Caled. Wer soll dir auf alle die Fragen antworten? Wer nicht weiß, was er thun soll, der fragt, warum er das oder das gethan hat?

Hussein. In wenig Tagen wirst du anders reden.

Alma. Auch anders denken?

Hussein. Das magst du halten, wie du willst.

Alma. Nie werde ich anders reden, als ich denke.

Hussein. Am besten wirst du thun, gar nichts zu denken. Denn hier am Hofe wird viel geredet und nichts gedacht. Jetzt eile, wenn du Nurraddin retten willst. Die Zeit hat Flügel. Drei Stunden gab dir der Sultan Bedenkzeit. Du mußt einen Becher mit Sorbet zubereiten, eine Perle darin auflösen und ihm überreichen. Das ist das Zeichen der Unterwürfigkeit.

Alma. Und mir einen Becher voll Gift, das ist das Zeichen der Freiheit. (Sie geht von Hussein begleitet.)

Zehnte Scene.

Caled. (allein).

Laß nur erst das süße Gift der Wollust dich berauschen da werden die schönen großen Redensarten sich auflösen, wie die Perle im Sorbet.– Jetzt, Caled, bist du Vezier. – Du weißt selbst nicht recht, wie du es geworden bist; aber du wirst wissen, wie du es sein mußt. Tief gebückt vor dem Sultan, Cederngerade vor jedem andern; die Augen voll Dolche, welche in Süßigkeiten schwimmen; den Mund voll Versprechungen, von welchen dein Ohr nichts hört, und dein Herz nichts weiß; die Hände immer bereit zu nehmen, und die Taschen immer offen zu empfangen. – Brav, Caled, du wirst deinem Posten Ehre machen.

Juchhei, nun will ich leben!
Des Morgens will ich essen,
Des Mittags will ich essen,
Des Abends will ich essen,
Die ganze Welt vergessen,
Juchhe!, nun will ich leben!
Nein, nein! halt! halt! nein, nein!
So soll es sein:
Des Morgens will ich lieben,
Des Mittags will ich essen,
Des Abends will ich trinken,
Ja, trinken, essen, lieben,
Und lieben, essen, trinken,
In süßen Schlummer sinken,
Und schlafen bis am Morgen,
Und lachen aller Sorgen;
Ich lache, ha! ha! ha!
Ich trinke, glu! glu! glu!
Ich singe Trallala!
Ich springe Hopsasa!
Ich esse, trinke, liebe,
Ich lache, springe, singe,
Ha, welche Wunderdinge!
Ha, welche Lust! Ha, welche Pracht!
Ha, welch' ein Tag! welch' eine Nacht!
Es wird gesungen, es wird gelacht!
Ha! ha! ha! Glu! glu! glu! Trallala! Hopsasa!

(Er geht tanzend und singend ab.)


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