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Vierter Act.

(Ein Zelt im spanischen Lager.)

Erste Scene.

Alonzo (allein. Es ist Nacht.)

Verachte den Tod! – so sprachen Römer und Griechen, Heiden mit der Weisheit vertraut. Schäme dich, Christ! du zagst! – Was jene nur zu ahnen wagten, ist dir Gewißheit – eine bessere Welt! – und du zagst? – Sträubt die Jugend sich mit starken Muskeln gegen einen frühen Tod? – Was ist ein früher Tod? – soll Alonzo sein Leben nach Jahren zählen? – besaß er nicht Cora? – Cora! – ach! da zuckte ich an den Rosenbanden, die mich an die Welt unwiderstehlich fesseln! Weib und Kind! Hier hält mich die Thräne der Liebe, und dort das Lächeln der Unschuld. – Ja, Cassius, du warst nicht Gatte! Seneca, du warst nicht Vater! Laut ruft die Stimme der Natur: lebe! Laut gibt mein Herz den Ton zurück. – Kann dieser Wunsch den Mann und Helden schänden? – Herr meines Schicksals! ich wünsche zu leben!

Zweite Scene.

Alonzo. Ein Soldat (mit zwei Flaschen Wein).

Soldat. Hier, Alonzo de Molina, seid wohlgemuth und trinket.

Alonzo. Wer sendet dich?

Soldat. Ich halte die Wache vor Eurem Zelte.

Alonzo. Danke ich deinem Mitleid diese Erquickung?

Soldat. Nein. Zwar geht Euer Zustand wahrlich mir zu Herzen! aber helfen kann ich nicht; den ich bin arm.

Alonzo. Wer gab dir diesen Wein?

Soldat. Jemand, der wohl süßere Dinge geben kann, als Wein. (Heimlich.) Donna Elvira.

Alonzo. Wer ist Donna Elvira?

Soldat. Habt Ihr nicht von ihr gehört? – Die Freundin unsers Feldherrn.

Alonzo. Seine Freundin?

Soldat. Nun ja, Ihr versteht mich wohl.

Alonzo. Und diese Elvira sagst du –

Soldat. Sandte Euch den Wein.

Alonzo. Kennt sie mich?

Soldat. Ich glaube kaum.

Alonzo. Geh', und danke ihr.

Soldat. Schon gut.

Alonzo. Den Wein nimm wieder mit.

Soldat. Wollt Ihr denn nicht trinken?

Alonzo. Ich trank seit Jahren keinen Wein.

Soldat. Aber Ihr bedürft den flüßigen Muth in dieser Flasche.

Alonzo. Guter Freund, ich beklage den Elenden, der seinen Muth hier leihen muß.

Soldat. Aber doch! es benebelt die Sinne, und stumpft den Schmerz ab.

Alonzo. Laß mich. Der Tod ist mir kein Gespenst, vor dem ich den Kopf in die Ohrkissen verberge. Trink den Wein selbst. Wir haben eine kühle Nacht, er wird dir wohl thun.

Soldat. O ja! warum nicht? wie Ihr wollt. Wahrlich! Ihr seid ein braver Rittersmann. Nur Schade, daß Ihr ein Heide geworden seid! Ich möchte weinen über Euch, wenn's nur nicht Sünde wäre. (Ab.)

Dritte Scene.

Alonzo (allein).

Armer Mensch! er weiß nicht, was er spricht. Gott! du schufst die Rebe für den Spanier und die Batana für den Peruaner. Deine Wasserströme befeuchten die Fluren am Fuße der Pyrenäen, wie am Fuße der Cordilleras. Du hast das Kreuz auf unsern Altären zum Sinnbild deiner Huld gemacht; doch Du lächelst auch der Sonne auf der Brust der Yncas.

Vierte Scene.

Elvira. Alonzo.

Elv. (am Eingange rufend). Don Alonzo!

Alonzo. Tritt näher. Wer bist du?

Elv. (sich nähernd). Kennst du mich noch?

Alonzo. Wohl erkenn' ich dich, holder Jüngling. Du warst es, der dem Wüthrich Pizarro zu widersprechen wagte, als mein Tod von seinen Lippen ging. Deine Gestalt ist in mein Herz gegraben.

Elv. Lebe, denn ich liebe dich!

Alonzo. Es ist edel, aber gefährlich, einen Unglücklichen zu lieben. Du verschwiegst mir vorher deinen Namen; wer bist du, junger Adler unter den Geiern?

Elv. Das erräthst du nicht?

Alonzo. Wie kann ich das?

Elv. Wo hat die Menschlichkeit einen schönern Tempel, als im Herzen des Weibes? Wer darf es so kühn wagen, selbst Tirannen zu trotzen, als das Weib?

Alonzo. Ich erstaune – du ein Weib? vielleicht Donna Elvira?

Elv. Es scheint durchaus um einen Namen dir zu thun? Ja, ich bin es.

Alonzo. Ein solcher Besuch – in dieser Stunde?

Elv. Wer dem Bedrängten zu Hilfe eilt, zählt die Stunden nicht.

Alonzo. Es ist die letzte meines Lebens.

Elv. Ich sage dir: Nein!

Alonzo. Pizarro schwur meinen Tod.

Elv. Und ich dein Leben.

Alonzo. Ich danke dir, aber ich weiß zu sterben.

Elv. Immer Tod und Sterben um das dritte Wort. Bist du der seltenen Nichtmenschen einer, die an des Grabes Rande sich gemächlich niederlassen, um mit Wohlgefallen in den Abgrund hinabzuschauen.

Alonzo. Ich leide, was ich muß.

Elv. Stirbst du gern? –

Alonzo. Ich würde Euch und mich täuschen, wenn ich ja antwortete.

Elv. So eile! fliehe!

Alonzo. Fliehen? Ihr scherzt.

Elv. Dann hätte ich meine Zeit vortrefflich gewählt.

Alonzo. Diese Fesseln – meine Wächter –

Elv. Fesseln lösen und Wächter blenden, ist der Liebe nur ein Spiel.

Alonzo. Der Liebe?

Elv. Nenne es, wie du willst. Nie gab ich mir die Mühe, meine Empfindungen schulgerecht in Worten auszudrücken. Gefesselt sah ich dich vor Pizarro stehen, und hörte dich gleich einem alten Römer sprechen. In jenem Augenblicke gleiteten die Fesseln von deiner Hand und umschlangen mein Herz. Ich fühlte das Bedürfniß dich zu retten. Entschluß und That sind bei mir nie durch kühle Zwischenräume getrennt. Ich fühlte, – und handelte.

Alonzo. Ihr mich retten?

Elv. Ich dich, du mich. Du sollst mich aus dem Strudel reißen, der jedes Streben nach Ruhm in blutigen Schaum verschlingt; weg von der Bahn, wo die Habsucht jeden Lorbeer zertritt. Ich bin kein gemeines Weib, ich will nicht lieben, um im Kreise meiner Kinder Mährchen am Spinnrocken zu erzählen; von den Thaten des Geliebten sollen meine Lippen überfließen. Seht ihr, Kinder, die Marmorsäule? die ward eurem Vater errichtet! Hört ihr das Jauchzen der Bewunderung? es tönt eurem Vater! reicht eure kleinen Hände dem versöhnten Feinde, euer Vater hat ihn durch Tapferkeit und Edelmuth besiegt! Ha, glückliches Weib, dem diese Sprache ziemt! das allein sich rühmen darf: meine Liebe ist keine alltägliche Schwachheit. Jüngling! gefall' ich dir so; willst du mir so das Elend vergessen machen, als Weib geboren zu sein, so schlag ein, ich rette dich.

Alonzo. Versteh' ich recht, schöne Frau, so zählt Ihr auf einen Dank, den Alonzo Euch nicht geben kann. Ich bin vermählt.

Elv. Mit einer Heidin.

Alonzo. Gleichviel, sie ist meine Gattin, und Liebe heiligt unter jedem Himmelsstriche das Band der Ehe.

Elv. Erwidert sie mit gleicher Treu deine Zärtlichkeit?

Alonzo. Mit gleicher nur? Donna Elvira kennt ihr Geschlecht, unerreichbar in Liebe und Haß.

Elv. Und doch willst du sie zur Witwe machen?

Alonzo. Mein Schicksal und das ihrige stehen in Gottes Hand.

Elv. So spricht jeder, der nicht handeln mag. Hast du Kinder?

Alonzo. Ein Pfand der reinsten Liebe.

Elv. Das willst du zur Waise machen?

Alonzo. O mein Fernando!

Elv. Ziemt es dem Helden zu klagen, wo er muthig handeln soll? – Höre mich! wenn du dem Herzen deiner Gattin alles bist, wenn sie dein Leben um keinen Preis zu theuer kauft, so wird sie willig ihre Ansprüche opfern, und den Geretteten der Retterin überlassen.

Alonzo. Das würde sie.

Elv. Wohlan!

Alonzo. Nimmermehr! Meine Fesseln löst ein schneller Tod, ihren Kummer würde mir ein langsames Dahinsterben enden. Sie würde mit verhaltenen Thränen mich in Euren Armen sehen, ich würde laut an Eurem Busen schluchzen. Liebende können alles opfern, nur ihre Liebe nicht! sie können alles entbehren, nur nicht die Liebe. Ich bin meiner Gattin alles, sie ist mir mehr als mein Leben! Um Schätze zu erobern kamen wir in dieses Land, den kostbarsten Schatz hab' ich gefunden, ein gutes Weib! und ich sollte ihn verschleudern, um ein elendes Ding damit zu erkaufen, das ohne sie keinen Werth hat? – O Cora, in deinen Armen hab' ich das Glück des Lebens kennen lernen, aus deinen Armen nur will ich in's Grab steigen! – Geht, geht Sennora, wenn Ihr kein anderes Mittel kennt mich zu retten, so gehabt Euch wohl, ich danke Euch.

Elv. Ha, so gefällst du mir. Laß mir den stolzen Wahn, ich würde deine Liebe verdient haben, wenn dein Herz noch frei wäre. Ist mir's doch, als beneidete ich dein glückliches Weib. Weg mit diesem unedeln Gefühl! Geschwind, Elvira, ersticke es durch eine uneigennützige That. Hier, Jüngling, nimm diesen Dolch und folge mir. Ich führe dich in Pizarros Schlafgemach, du durchbohrst das übermüthige Herz; der Schrecken breitet seine Flügel über das ganze Lager, und im erster Wirrwarr, beim ersten Mordgeschrei, wenn alles durcheinander und widereinander läuft, fliehen wir hinüber zu den Deinen. Dort will ich die Freudenthränen deines Weibes auf meiner Wange fühlen, dort will ich das Stammeln deines Kindes hören und alle meine stolzen Entwürfe vergessen. Wohlan, folge mir!

Alonzo. Ich einen Schlafenden ermorden?

Elv. Deinen bittersten Feind.

Alonzo. Ich würde den Teufel schonen, wenn er schliefe.

Elv. Ich hasse diesen Pizarro, weil er an mir zum Verräther wurde, und ich verachte ihn, weil er den überwund'nen Feind mit Füßen trat. Edelmuth ist nur für Edle. Richte den Bösewicht, wie er andere richtet. Befreie die Erde von einem Ungeheuer, welches von der alten Welt ausgespien wurde, um die neue Welt zu verheeren. Dankbaren Jubel wird dein zweites Vaterland dir zujauchzen, und ehrenvolle Ruhe im Schooße der Deinigen dein Loos sein. Auf! entschließe dich!

Alonzo. Ich bin entschlossen.

Elv. So folge mir!

Alonzo. Mit nichten! Sucht Euch ein anderes Werkzeug Eurer Rache. Es war eine Zeit, wo dieser Pizarro mich liebte, wo er jede ruhmvolle Gefahr des Schlachtfeldes und jeden Leckerbissen seiner Tafel mit mir theilte. Hundertmal hab' ich ruhig an seiner Seite geschlafen, und diesen Mann sollt' ich im Schlaf ermorden?

Elv. Hat er nicht jedes Band zwischen Euch zerrissen?

Alonzo. Jedes, nur das Band seiner Wohlthaten nicht.

Elv. Schwärmer! ich verlasse dich, die Einsamkeit wird die Vernunft aus ihrem Schlummer wecken, der Todesschrecken wird dich nüchtern machen. Wisse, man hat ein großes Lösegeld für dich geboten, Pizarro hat es ausgeschlagen. Dir bleibt keine andere Rettung.

Alonzo. So werd' ich zu sterben wissen.

Elv. Sieh' das Morgenroth in Osten, es verkündet deinen nahen Tod. Die Minuten fliehen, nur noch wenige sind dein, und die Gelegenheit kehrt nie zurück. Ich lasse dir Bedenkzeit. In einer Viertelstunde bin ich wieder bei dir, um deinen letzten Entschluß zu holen. (Sie geht ab.)

Fünfte Scene.

Alonzo (allein).

Erspare dir den fruchtlosen Gang, es ist vergebens. Der Tod ist bitt're Arzenei, aber das Laster süßes Gift. – Gott sei mit meinem Weibe! Gott und Rolla! – Möchte sie fliehen in die Gebirge, wo Unschuld und Friede wohnen! Möchte mein armes Kind nie erfahren, ans welchem Blute es abstammt. – Du, Jehova! oder Sonne! – gleichviel, wie ich dich nenne – erhalte den Meinigen Gesundheit und reine Sitten! das Uebrige ist eitel Tand. (Hinausblickend,) Sieh da, der erste Morgenschimmer malt die Berge grau. Noch etwa eine Stunde ist mein. Ich will versuchen, die Todesfurcht um ihren Zoll zu betrügen, ich will mich schlafen lege». (Er legt sich nieder.) Du, mein gutes Gewissen! winke deinem Freunde den Schlaf herbei. – Meine Kräfte sind erschöpft – Die Mattigkeit drückt mir die Augen zu – Komm, holder Schlummer! bereite mich vor auf deines jüngern Bruders Bekanntschaft. – (Er entschlummert.)

Sechste Scene.

Rolla. Die Wache.

Die Wache. (Man sieht die Wache am Eingange des Zeltes auf- und niedergehen. Nach einer Pause ruft sie:) Wer da! – gib Antwort! wer da!

Rolla (noch ungesehen). Ein Priester.

Soldat. Was wollt Ihr, ehrwürdiger Vater?

Rolla (tritt hervor in Mönchskleidung), Sage mir, Freund, wo wird der gefangene Spanier Alonzo bewacht?

Soldat. Hier in diesem Zelte.

Rolla. Hier? – Las; mich herein.

Soldat. Zurück! ich darf nicht.

Rolla. Er ist mein Freund.

Soldat. Und wenn ihr sein Bruder wärt.

Rolla. Welches Schicksal bestimmt man ihm?

Soldat Mit Sonnenaufgang muß er sterben.

Rolla. Ha! so komme ich noch eben recht.

Soldat. Um Zeuge seines Todes zu sein.

Rolla. Ich muß ihn sprechen.

Soldat. Zurück!

Rolla. Ist er allein?

Soldat. Ja.

Rolla. Ich bitte dich, laß mich zu ihm.

Soldat. Umsonst! der Befehl war streng.

Rolla (zieht die Sonne hervor, welche ihm der König zum Geschenke gab). Sieh diese kostbaren Diamanten.

Soldat. Was wollt Ihr damit?

Rolla. Sie sind dein, laß mich zu ihm.

Soldat. Wollt Ihr mich bestechen? ich bin ein Alt-Castilier.

Rolla. Nimm und thu' ein gutes Werk.

Soldat. Zurück! ich kenne meine Pflicht. –

Rolla. Bist du verheirarhet?

Soldat. Ja.

Rolla. Hast du Kinder?

Soldat. Vier Buben.

Rolla. Wo ließest du sie?

Soldat (sanfter). Daheim in meinem Vaterlande.

Rolla. Hast du Weib und Kinder lieb?

Soldat (bewegt). Mein Gott! ob ich sie lieb habe?

Rolla. Wenn du nun in diesem fremden Lande sterben müßtest?

Soldat. So bringen meine Kameraden den letzten Gruß und Segen nach Hause.

Rolla. Und wenn einer dort so grausam wäre, deinen Kameraden den Zutritt zu versagen?

Soldat. Wie das?

Rolla. Alonzo hat auch Weib und Kind. Seine jammernde Gattin schickt mich her, den letzten Gruß und Segen von ihm zu holen.

Soldat. Geht herein!

Rolla (indem er näher tritt). O heilige Natur, du verläugnest dich nie. – Alonzo! wo bist du? – da liegt er und schlummert. (Er rüttelt ihn.) Alonzo! erwache!

Alonzo (aus dem Schlafe auffahrend). Kommt ihr schon, mich abzuholen? (Er rafft sich auf.) Ich bin bereit.

Rolla. Ermunt're dich.

Alonzo. Welche Stimme!

Rolla. Ich bin Rolla.

Alonzo (in seine Arme stürzend). Rolla! bin ich wirklich erwacht? – Wie kömmst du hieher?

Rolla. Jetzt ist nicht Zeit zu Frag' und Antwort. (Er wirft das Kleid ab.) Dies täuschende Gewand lieh mir der Leichnam eines Priesters, der heute in der Schlacht den Tod fand. Nimm es und fliehe!

Alonzo. Und du?

Rolla. Ich bleibe hier an deiner Stelle.

Alonzo. Nimmermehr!

Rolla. Ich bitte dich, keine Sentenzen. Hülle dich ein und fliehe.

Alonzo. Du sterben für mich? lieber zweifachen Tod!

Rolla. Wer sagt das? Ich werde nicht sterben. Alonzo haßt man hier, nicht mich. Eine kurze Gefangenschaft, aus welcher dein Arm mich bald befreien wird.

Alonzo. Dann kennst du Pizarros schwarze Seele nicht. Du entreißest ihm seine Beute, er würde wüthen, und dich seiner Rache opfern.

Rolla. Nicht doch, ein großes Losegeld –

Alonzo. Sein Blutdurst ist gieriger als sein Geiz.

Rolla. Und wäre es auch, was ist's nun mehr? – ich bin allein in der Welt, ein einzelnes Wesen, das an niemand hängt, ein Strauch in der Sandwüste. Laß ihn abhauen, wer fragt darnach? Glücklich, wenn ein paar gute Menschen sich noch bei seinem Feuer wärmen. – Du hingegen bist Gatte und Vater. An deinem Leben hängt Wohl und Weh eines braven Weibes, eines lallenden Kindes. Fort! fort! nimm dies Gewand und fliehe!

Alonzo. Willst du mich zum feigen Mörder meines Freundes machen? Willst du mir ein Leben schenken, das unaufhörliche Qualen verbittern würden?

Rolla. Nur in Coras Armen sollst du meiner gedenken. Eine Thräne in euren Freudenkelch, das ist es alles. Ich habe umsonst in der Welt gelebt. Gönne mir die letzte Freude, daß ich wenigstens nicht umsonst sterbe.

Alonzo. So kann ein Freund mich martern! Meine Todesstunde ist schwer.

Rolla. Ich kann dir nicht einmal einen Gruß von deinem guten Weibe bringen, denn sie kennt niemand um sich her, sie fällt aus einer Ohnmacht in die andere.

Alonzo. O meine Cora!

Rolla. Wenn du nicht bald zu ihr eilst, so fürchte ich für ihr Leben.

Alonzo (erschrocken). Für ihr Leben?

Rolla. Du stirbst, sie stirbt, dein armes Kind wird zur Waise.

Alonzo. Rolla wird sein Vater sein.

Rolla. Ja doch, Rolla! meinst du, er werde Coras Tod überleben?

Alonzo. Stärke in diesem Kampfe!

Rolla. Und was gewinnst du durch deine Hartnäckigkeit? – Du willst nicht fliehen? – Wohlan! ich auch nicht. Ich bleibe hier. Mich trennt keine Gewalt von dir. Du sollst die Freude haben, mich an deiner Seite fallen zu sehen. Dann ist Cora ganz verlassen.

Alonzo. Mensch! Du bringst mich von Sinnen.

Rolla. Wenn du beharrst, so ist alles, und gewiß verloren. Fliehst du aber, so ist noch Rettung möglich. So geschwind wird man mich nicht hinrichten. Ich werde dem Pizarro mit wichtigen Entdeckungen schmeicheln, ich werde Aufschub gewinnen; du eilst in's Lager, raffst uns're junge Mannschaft zusammen, brichst in der kommenden Nacht wie ein Gewitter herein, und führst deinen Freund im Triumph zurück! – Auf, Alonzo! der Tag bricht an. Säume nicht! fliehe in Coras Arme! rette ihr Leben! dann kehre wieder und rette das Meinige!

Alonzo. Rolla! wozu verleitest du mich?

Rolla. Hat Rolla je was Unedles von dir begehrt? – (Er wirft ihm das Priestergewand um.) Hülle dich ein, halt deine Ketten fest, daß sie nicht klirren; vermumme dich bis an die Zähne – so – jetzt geh'! – Gott sei mit dir! (bewegt) grüße Cora – und sage ihr – sie habe mir Unrecht gethan.

Alonzo (an seinem Halse), Freund! – ich habe keine Worte. –

Rolla. Fühle ich nicht die warme Thräne, die auf meine Wange träufelt? Geh', ich bin belohnt.

Alonso. In wenig Stunden kehre ich zurück, dich zu befreien, oder mit dir zu sterben. (Er eilt unaufgehalten fort.)

Siebente Scene.

Rollo (allein).

(Ihm nachsehend. Nach einer Pause.) Er ist fort! – Zum ersten Male habe ich einen Menschen getäuscht. Das wird der Gott der Wahrheit mir verzeihen! – Er schmeichelt sich mit der Hoffnung, mich wieder zu sehen – ja dort vielleicht! dort, wo mich Cora lieben wird! – Eigennütziger Mensch! gesteh' es dir nur selbst: du stirbst, damit, wenn einst auch Cora hinauf zu unserm Vater geht, ihre erste Frage sei: wo ist Rolla? – wer kömmt?

Achte Scene.

Rolla. Elvira.

Elv. Nun Alonzo, hast du dich besser besonnen? (Als sie Rollo erkennt.) Was ist das? Wer seid Ihr? wo ist Alonzo?

Rolla. Welches wollt Ihr zuerst wissen?

Elv. Wo ist Alonzo?

Rolla. Fort.

Elv. Entflohen?

Rolla. Ja.

Elv. Ha! man muß ihm nach. (Sie will fort.)

Rolla (tritt ihr in den Weg). Halt, ich lasse dich nicht.

Elv. Verwegener! ich rufe die Wache.

Rolla. Thu' was du willst, wenn nur Alonzo Zeit gewinnt.

Elv. (wieder fort wollend). Wo du mich berührst –

Rolla. Nicht von der Stelle! (Er schließt sie in seine Arme.)

Elv. (zieht einen Dolch hervor). Ich ersteche dich.

Rolla. Stich zu! aber noch im Fallen werde ich dich umklammern.

Elv. Wirklich? denkst du so? – Ei, so wäre es ja der Mühe werth, dich näher kennen zu lernen. – Laß mich los, ich bleibe.

Rolla (sie loslassend). Es ist vollbracht! nun ist er weit genug.

Elv. Alonzo floh durch deine Hilfe?

Rolla. Durch die meinige.

Elv. Und das wagst du zu gestehen?

Rolla. Warum nicht?

Elv. Willst du den Tod an seiner Stelle leiden?

Rolla. Ich will.

Elv. Du bist ein seltener Freund.

Rolla. Ich that es nicht aus Freundschaft.

Elv. Was sonst?

Rolla. Gleichviel für dich.

Elv. Ich merke, du bist wortkarg.

Rolla. Ich handle, wie du siehst.

Elv. Wer bist du?

Rolla. Mein Name ist Rolla.

Elv. Der Feldherr der Peruaner?

Rolla. Das war ich.

Elv. Ist es möglich! du in unserer Gewalt.

Rolla. Vollkommen.

Elv. Hat man dich vielleicht hintangesetzt? treibt die Rache dich zu uns?

Rolla. Wie verstehst du das?

Elv. Hat dein König dich vielleicht nicht nach Verdienst belohnt?

Rolla. Ueber Verdienst.

Elv. Und doch hier? – nicht aus Rache? nicht aus Freundschaft? – und doch hier?

Rolla. Und doch hier.

Elv. So kenne ich nur noch eine Leidenschaft, die dieses Wagestück unternehmen könnte.

Rolla. Nenne sie.

Elv. Die Liebe.

Rolla. Errathen.

Elv. Du liebst? wen?

Rolla. Gleich viel für dich.

Elv. Und hoffest durch diesen Schritt –

Rolla. Ich hoffe nichts.

Elv. Nun versteh' ich dich. Deine Geliebte ist todt, Verzweiflung, Lebensüberdruß brachten dich hieher.

Rolla. Wie du willst.

Elv. Ich beklage dich.

Rolla. Danke.

Elv. War, was du hier verlorst, unersetzlich?

Rolla. Unersetzlich.

Elv. So jung willst du der Welt und dem Genusse deines Ruhms entsagen?

Rolla. Ruhm ist nur ein Geschenk der Nachwelt.

Elv. Wie aber, wenn du deinem Vaterlande noch wichtige Dienste leisten könntest?

Rolla. Das werde ich, wenn ihr mich nicht tödtet.

Elv. Und wie?

Rolla. Indem ich gegen euch fechte.

Elv. Das sagst du mir in's Gesicht?

Rolla. Schade, daß du nicht Pizarro bist.

Elv. Warum?

Rolla. Dann hätte ich es Pizarro in's Gesicht gesagt.

Elv. Ha! du bist ein Mann, wie ich die Männer liebe.

Rolla. So gleiche mir, wenn du kannst.

Elv. Ich dir gleichen? bin ich doch nur ein schwaches Weib.

Rolla. Du ein Weib?

Elv. Du staunst?

Rolla. O nein.

Elv. Recht so, der Held muß über nichts erstaunen.

Rolla. Am wenigsten über ein Weib.

Elv. Auch dann nicht, wenn sie einer großen kühnen Handlung fähig wäre?

Rolla. Auch dann nicht.

Elv. Du ehrst unser Geschlecht?

Rolla. Ihr seid besser und schlechter als wir.

Elv. Wenn ich deinem Vaterlande dich und den Frieden wieder gäbe, würdest du mich unter die bessern zählen?

Rolla. Vielleicht.

Elv. Nur vielleicht?

Rolla. Ist es denn genug zu wissen wie du handelst? und kann ich errathen, warum du handelst?

Elv. Stolzer Mann! wie gewinnt man deine Freundschaft?

Rolla. Durch Freundschaft.

Elv. Wohlan, ich will es versuchen. Der Morgen dämmert kaum, noch ist es Zeit. Nimm diesen Dolch, folge mir.

Rolla. Wohin?

Elv. Ich führe dich in Pizarros Schlafgemach, du senkest den Dolch in seine Brust, wir fliehen, dein Vaterland ist frei, du bist frei.

Rolla. Was that dir Pizarro?

Elv. Sein Ruhm lag in den Armen meiner Liebe: sie fielen beide auf einen Streich.

Rolla. Du liebtest ihn einst?

Elv. So glaubt' ich, als ich ihn bewundern hörte.

Rolla (sehr kalt). Und du willst, daß ich ihn jetzt im Schlaf ermorden soll?

Elv. Wollt' er nicht Alonzo in Fesseln umbringen? wir zahlen ihm mit gleicher Münze. Der Schlafende und der Gefesselte sind beide wehrlos.

Rolla. So gib den Dolch.

Elv. Hier.

Rolla. Geh' voran.

Elv. Den Wächter vor dem Zelt mußt du zuerst niederstoßen.

Rolla. Muß ich?

Elv. Er würde Lärm machen.

Rolla. So nimm den Dolch zurück.

Elv. Warum?

Rolla. Dieser Wächter ist ein Mensch.

Elv. Nun ja.

Rolla. Ein Mensch! verstehst du mich? Nicht alle Menschen sind Menschen.

Elv. Was heißt das?

Rolla. Diesen Wächter, den kein Geld bestechen konnte, bestach sein Gefühl. Er ist mein Bruder, ich thue ihm nichts.

Elv. Wohlan, wir wollen versuchen, ihn zu täuschen. Verbirg den Dolch. He da! Wache!

Neunte Scene.

Der Soldat. Vorige.

Soldat. Was wollt Ihr?

Elv. Wo ist dein Gefangener?

Soldat. Wo sonst als hier? (Er erblickt Rolla.) Was ist das? (Er schaut umher.) Heiliger Gott! Alonzo ist entfloh'n.

Elv. Du bist verloren.

Soldat (zu Rolla). Ihr habt mich betrogen. Ich muß sterben! ach mein Weib! ach meine Kinder!

Rolla. Sei unbesorgt, Pizarro hat bei dem Tausch nichts verloren. Er wird deiner schonen, ich gebe dir mein Wort.

Elv. Auch ich. Nur müssen wir sogleich den Feldherrn von diesem Zufall unterrichten. Ich führe diesen Mann zu ihm. Begleite uns.

Soldat. Er wird mich hinrichten lassen.

Elv. Ich bürge dir für deine Begnadigung.

Rolla. Und ich.

Soldat. Ach, schöne Frau, um meiner armen Kinder willen! –

Elv. Komm nur, komm, dir soll kein Haar gekrümmt werden. – Wohlan, Rolla! bist du entschlossen?

Rolla. Ich folge dir.

Elv. Der Todesengel des Tirannen gehe vor uns her! (Alle ab.)

Zehnte Scene.

(Pizarros Zelt.)

Pizarro (allein, wälzt sich in unterbrochenem Schlummer auf seinem Ruhebette, und spricht im Schlaf abgebrochene Worte.)

Blut – Blut – keine Gnade – Rache – Rache – haut ihn nieder – So – da liegt der Rumpf – Ha! ha! ha! – Die blonden Locken – blutig gefärbt –

Eilfte Scene.

Elvira und Rolla (treten leise herein).

Elv. Da liegt er. Jetzt geschwind!

Rolla. Geh', laß mich mit ihm allein.

Elv. Warum?

Rolla. Ich morde nicht in Gegenwart eines Weibes.

Elv. Aber –

Rolla. Geh' oder ich wecke ihn auf.

Elv. So rufe mich, wenn die That vollbracht ist.

Rolla. Warte draußen.

Elv. Nur schnell, ehe er erwacht. (Sie geht ab.)

Zwölfte Scene.

Rolla. Pizarro (schlafend).

Rolla (tritt mit verschränkten Armen vor ihn hin und sieht auf ihn herab). Das also ist der Störer unsers Friedens, der Räuber, den eine erzürnte Gottheit uns zur Geißel sandte? Er schläft wirklich, kann dieser Mensch auch schlafen?

Piz. (im Schlummer.) Laßt mich – laßt mich – fort ihr Geister. O! O!

Rolla. Ich irrte – er kann nicht schlafen. O all ihr Bösewichter, schaut her. So schlafen Verbrecher.

Piz. (fährt erschrocken in die Höhe.) Wer da! Wache!

Rolla (den Dolch zuckend). Kein Wort oder du bist des Todes.

Piz. Verrätherei!

Rolla. Sprich leise, ich befehle es dir.

Piz. Wer bist du?

Rolla. Ein Peruaner, wie du siehst; mein Name Rolla. Dein Leben ist in meiner Gewalt. Du rufst vergebens um Hilfe, dieser Arm wird schneller sein als deine Wache.

Piz. Was begehrst du?

Rolla. Nicht deinen Tod. Ich hätte dich im Schlaf ermorden können. Ich that es nicht, d'rum sei ruhig.

Piz. So rede.

Dreizehnte Scene.

Elvira. Vorige.

Elv. (hastig herein). Nun? Ha! was ist das! (Zu Rolla.) Verräther!

Rolla. Rolla mordet nicht.

Piz. Wer dann? (Elviren fixirend.) Du? Du? – Niederträchtige!

Elv. War ich das, dein Tod wäre nie mein Plan gewesen. Mich leitete nicht Rache, nicht Eifersucht. Meinen Dolch schwang die Menschheit. Dem Kronenräuber galt er, dem Unterjocher eines unschuldigen Volks. Peru den Frieden wieder zu geben, den du ihm stahlst, darum beschloß ich deinen Tod.

Rolla. Wäre die That so edel gewesen, wie die Absicht, ich würde dich bewundern.

Elv. Sie ist's, edler, als eine, die ich that. Warum führt' ich sie nicht selbst aus, warum vertraut' ich sie dir an. Wisse, unzeitiger Menschenfreund, mein Mord war barmherziger, als deine Schonung.

Piz. Schweig, Rasende. Diese Barmherzigkeit werde dir! Wache! (die Wache tritt ein.) Ergreift dieses Weib. Es wollte euren Feldherrn ermorden. Werft es in das tiefste Gefängnis! – sinnt auf neue Martern –

Elv. Du bleibst Pizarro, wie ich Elvira. Willkommen ist mir der Tod, da dieser Streich mißlang. Aber hören sollst du mich erst. (Wüthend.) Ja, ich wollte aus Barmherzigkeit dich ohne Qualen aus der Welt schicken; aber du bist bestimmt, durch Reue und Gewissensbisse todt gemartert zu werden. Nur zu! ermorde auch mich, du Völkermörder! Weißt du noch, wie durch deine glatte Zunge du mich um Unschuld und Seligkeit betrogen hast? Hörst du noch die letzten Worte meiner alten Mutter, wie sie dem Verführer ihres Kindes fluchte? Hörst du noch das letzte Röcheln meines Bruders, der die Ehre seiner Schwester rächen wollte, und durch dein Mordschwert fiel? – Komm nur, komm du Wüthrich! folge mir über kurz oder lang in jene Grabesnacht! die Musik zu deinem Empfang ist bereit: meiner Mutter Fluch! meines Bruders Röcheln! und das Geschrei zahlloser Völker um Rache!

Piz. (seine Erschütterung verbergend). Wird man meinen Befehl vollstrecken?

Elv. Du, Rolla, hast mich betrogen, ich verzeihe dir. Laß nicht deine Verachtung mir in's Grab folgen. Ich war einst ein gutes Mädchen, fromm und unbefangen. Wenn du wüßtest, wie dieser Heuchler meine Unschuld getäuscht, wie er meinen Glauben an Tugend untergraben, wie er mich von Stufe zu Stufe hinab in des Lasters Abgrund gezogen, du würdest mich bedauern.

Rolla. Ich bedaure dich.

Elv. Ein lindernder Tropfen in die Glut meines Gewissens. Leb' wohl. – Und – du lebendig Verdammter! sündige nur immer d'rauf los! sündige! wir werden uns wiedersehen! Ha! wir werden uns wiedersehen! Die Qualen, die du mir aufsparst, veracht' ich. Mein schöner Wille umschwebt mich. Groß zu leben hinderte mich das Schicksal, groß zu sterben, soll es mich nicht hindern. (Ab.)

Vierzehnte Scene.

Pizarro. Rolla.

Rolla. Ich möchte nicht an deiner Stelle sein.

Piz. Aber jetzt erkläre mir das doppelte Wunder, dich hier zu sehn und als meinen Schutzgott?

Rolla. Ich kam, meinen Freund Alonzo zu retten.

Piz. Dann kamst du vergebens. Ich bin dir hohen Dank schuldig, ford're alles, was ich habe, nur nicht das Leben dieses Mannes.

Rolla. Er ist in Sicherheit.

Piz. Wer?

Rolla. Dein Gefangener.

Piz. Entflohen?

Rolla. Ja.

Piz. Hölle und Teufel! wie war das möglich?

Rolla. Wie? warum nicht? ihr haltet uns für Barbaren; lerne jetzt, daß wir die Freundschaft kennen.

Piz. Wie? du wagtest –

Rolla. Ich. Ein Priestergewand verhüllte mich, so drang ich durch bis in sein Zelt, gab ihm das Gewand, er ging, ich blieb.

Piz. Ha! du hast die schönste Beute mir entrissen! –

Rolla. Er ist Feldherr, ich bin es auch. Morde mich statt seiner.

Piz. Mann, du zwingst mich zur Bewunderung.

Rolla. Ich muß mich wahrlich schämen, daß sogar ein Weib diese Bewunderung mit mir theilt. Kam Elvira nicht in gleicher Absicht zu ihm?

Piz. That sie das? – Nichtswürdige! – Wahrlich! beim Lichte beseh'n muß ich dir danken, daß du zu rechter Zeit Alonzos Flucht befördertest. Hatte sie ihn gefunden, ihn zum Werkzeug erkohren, so wäre nun der Meuchelmord an mir vollbracht.

Rolla. Das ist nicht wahr. Alonzo hätte gerade so gehandelt als ich.

Piz. Meinst du? Ich zweifle, und halte mich dir hoch verpflichtet. Rede, wodurch kann ich dich belohnen?

Rolla. Das fragst du noch?

Piz. Du bist frei.

Rolla. Ohne Zweifel.

Piz. Bekenne, daß deine Feinde dir an Großmuth gleichen.

Rolla. Du thust deine Pflicht.

Piz. Geh'! und wenn wir, mit den Waffen in der Hand, uns wieder treffen sollten –

Rolla. Dann fechten wir als brave Männer.

Piz. Immer werde ich deiner schonen.

Rolla. Thu' das nicht, denn nun ich dich kenne, bist du der Erste, den ich auf dem Schlachtfeld suchen werde. Indessen lebe wohl. Gott bessere dich! (Er geht ab, und kehrt wieder um.) Noch eins. Der Wächter an Alonzos Zelt hat seine Pflicht gethan, er ist unschuldig an der Flucht meines Freundes. Vergib ihm.

Piz. Du forderst viel.

Rolla. Ist mein Begehren unbillig, so bleibe ich hier, und leide, was jener leiden müßte.

Piz. Wie, du wolltest für einen gemeinen Krieger dein Leben wagen?

Rolla. Er ist ein Mensch, den ich in's Unglück riß.

Piz. Zieh' hin in Frieden, ich verzeihe ihm.

Rolla. Gib mir deine Hand d'rauf.

Piz. (einschlagend), Laß uns Freunde sein.

Rolla. Lebe friedlich unter uns, diene deinem Gott, wie wir dem uns'rigen, sei der Tugend Freund, und du bist der Meinige.

Piz. Wenn ihr das schöne Ziel meiner Thaten, den Thron von Quito mir einräumt. –

Rolla. Nun ist's genug! Leb' wohl! (Er geht ab.)

Piz. (nach einer Pause). Und ich lasse ihn ruhig ziehen? – Es ist gefährlich, einen Schwärmer anzuhören, man wird unwillkürlich eingewiegt. – Doch er hat mein Wort. – Mein Wort? – Soll ich den Kaplan fragen, ob man einem Heiden Wort halten muß? – Aber dieser Heide ist ein Held, und die Helden haben überall nur einen Glauben. (Geht ab.)

Fünfzehnte Scene.

(Ein freier Platz, nicht fern vom peruanischen Lager.)

Ataliba (ruht unter einem Baume).

Wie still und öde um mich her. – Ist es nicht nach einem Siege, wie nach einem Fieber? Man freut sich der überstandenen Gefahr, und hat kaum so viel Kraft sich zu freuen. Das Lächeln schwimmt in Thränen, und das Jauchzen verhallt in Seufzer. – Wahrlich! der Sieg ist eine theure Ware! die Geschichte zählt nur die Erschlagenen, und sollte die Unglücklichen zählen. Der abgedruckte Pfeil scheint nur Ein Herz zu treffen, und durchbohrt oft Hunderte. – Ach! ich verkaufe alle meine Siege um Ein frohes Erntefest. –

Sechzehnte Scene.

Ein Höfling (tritt auf).

Höfling. Der Herold kehrt ohne Trost zurück.

Atal. Ist Alonzo todt?

Höfling. Er lebt. Aber die Spanier verschmähten das Lösegeld. Eure Schätze, sprachen die Uebermüthigen, gehören uns. In wenig Tagen sind wir eure Herren. Das Recht wohnt in unserer Stärke.

Atal. Ha! noch nicht gedemüthiget? Wächst diese Schlange, die um meine Krone zischt, denn immer wieder? – Wo ist Alonzos Gattin?

Höfling. Sie floh mit ihrem Kinde, man weiß nicht wohin. Das Heer ist in dumpfer Bestürzung, denn auch Rolla verschwand.

Atal. Rolla? unmöglich! – Er mich verlassen, da Gefahr und Jammer mich umringen? – Gott! ist denn keiner, der Lust hat, einen König abzulösen! Ich tausche gern mit dem Geringsten im Volke.

Siebzehnte Scene.

Alonzo (in Priesterkleidung). Die Vorigen.

Alonzo. Mein König! ich sehe dich wieder!

Atal. Alonzo! bist du es?

Alonzo. Wo ist mein Weib?

Atal. Willkommene Erscheinung.

Alonzo. Wo ist mein Weib?

Atal. Wie entkammst du?

Alonzo. Mich rettete ein halbes Wunder.

Atal. Rede.

Alonzo. Wer, als Rolla konnte der Freundschaft hoher Glut dies Opfer bringen? Wer, als Rolla, konnte, in dies Gewand gehüllt, bis in meinen Kerker dringen? Er war es, der meine Fesseln zerbrach, um sich selbst darein zu schmieden.

Atal. Rolla in der Gewalt des Feindes? Ach du schlägst mir eine neue Wunde!

Alonzo (sein Gewand abwerfend). Gib mir ein Schwert und fünfhundert entschlossene Männer, ich gehe ihn zu retten.

Atal. Soll ich in dir meine letzte Stütze wagen?

Alonzo. Der Feind ist muthlos, das Lager an der rechten Seite schwach befestigt, durch Grausamkeiten hat Pizarro sich verhaßt gemacht, die Soldaten murren; laß ihnen keine Zeit, sich zu besinnen. Noch ein Sieg, und wir jagen sie in's Meer, daß die Wellen unsere Noth und ihre Raubgier verschlingen.

Atal. Komm, ich will selbst ihr Lager beschleichen, will sehen, wie und wo ein Angriff möglich ist.

Alonzo. Setze der Gefahr dich minder aus. Du bist König –

Atal. Wo den Kindern Gefahr droht, da geht der Vater selbst.

Alonzo. So laß mich nun vorher mein gutes Weib umarmen.

Atal. (verlegen). Dein Weib?

Alonzo. Gewiß hat Cora viel gelitten.

Atal. Deß bin ich Zeuge.

Alonzo. Ein Augenblick, und ich bin wieder bei dir.

Atal. Wo willst du sie suchen?

Alonzo (erschrocken). Ist sie nicht hier?

Atal. Ihre Angst trieb sie fort.

Alonzo. Wohin?

Atal. Weiß ich es? vielleicht in die Gebirge zu ihrem Vater –

Alonzo. Gott! welch ein Schauder läuft durch meine Glieder!

Höfling. Auf dem Schlachtfelde hat man sie geseh'n, deinen Namen rief sie bis es dunkel wurde.

Alonzo. Und dann?

Höfling. Dann verlor sie sich im Walde.

Alonzo. Im Walde? der von Feinden wimmelt! Cora! Cora! (Er will fort.)

Atal. Alonzo! wohin?

Alonzo. Wohin mich Angst, Verzweiflung treiben! – Guter Ynca! du bist in Sicherheit, der überwundene Feind darf keinen Angriff wagen. Du, Beschützer jedes Rechts! ehre das Recht der Natur! mein Weib, mein Kind, mein Alles ist verloren! entlaß den Feldherrn seiner Pflicht, daß der Gatte die verirrte Gattin suche!

Atal. Ich fühle deinen Schmerz. Geh'! doch vergiß unsern Rolla nicht!

Alonzo. Cora! Rolla! welch ein guter Engel leitete meine ungewissen Schritte! (Er geht ab.)

Atal. (zu dem Höfling). Leih' mir einen Augenblick dein Schwert. (Der Höfling überreicht ihm sein Schwert. Ataliba versucht es zu schwingen, muß aber den Arm bald sinken lassen.) Es geht noch nicht. – Armer König! – Was vermag des Hauptes Klügeln und des Herzens Muth, wenn die Glieder widerspenstig sind? (Er entfernt sich.)


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