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Vierter Aufzug.

(Der Schauplatz wie im dritten Aufzug. Der Baum ist aber umgehauen. Die Hausthüre wieder in Ordnung.)

Erster Auftritt.

Page, Berg, Busch, Thal, auf dem Kaffeehause.

Page. Haben Sie nun Alles begriffen?

Alle Drey. Vollkommen.

Page. (zu Berg) Der Fleischer ist willig?

Berg. Für Geld und gute Worte.

Page. Haben Sie die Ukrainischen Ochsen selbst gesehen?

Berg. Sie sind brav gemästet.

Page. (zu Thal) Und Sie, Herr Lieutenant, waren Sie im Buchladen?

Thal. Der steht ganz zu unserm Befehl. Der Buchhändler selbst ist auf der Messe. Ich kenne aber seine junge hübsche Frau; sie wird Beystand leisten und im Nothfall sich sogar vorlesen lassen, bis zum Einschlafen.

Page. Bravo! (zu Busch) Und Sie, Herr Lieutenant, werden dem alten Kriegskameraden aufs Leder trinken, bis er den Hausvater für einen Mammelucken ansieht.

Busch. Wenn er nur an die Gesandtschaft glaubt.

Page. Ach ja doch! Man kann den Leuten das tollste Zeug weiß machen, wenn es nur ihrer Eitelkeit schmeichelt, und besonders, wenn Einem schon der Nagel im Kopfe steckt, da darf man nur in Gottes Nahmen drauf los hämmern, er geht immer tiefer hinein, immer tiefer! Wohlan, meine Herren! die Rollen zu der Farce sind vertheilt das Locale ist, wie Sie sehen, klüglich benutzt. Alles in der Welt kommt darauf an, daß Jeder an seinem rechten Platze stehe. Das ist leider selten der Fall; denn die Menschen werden nicht auf den Acker des Lebens gesäet, wie Korn, sondern der Wind des Zufalls trägt den Saamen hier und dort hin. Aber diesesmahl drey junge Lieutenants, ein Page und ein muthwilliger Streich es müßte mit dem Teufel zugehn, wenn es nicht gelingen sollte.

Berg. An uns soll es nicht liegen.

Busch. Wenn nur nicht am Ende die Mädchen

Page. Ey was, die Mädchen dürfen nicht mucksen! Dort drey alte Narren; hier drey junge Liebhaber, heute Abend Verlobung mit jenem oder mit diesem; da bleibt keine Wahl übrig. Hinein, meine Herren! der Vorhang rollt auf ein Jeder mache sich fertig zum Debüt ich halte indessen den Prolog.

Berg. Amor ist die Parole. (er geht zum Fleischer)

Thal. (ab in den Buchladen)

Busch. (ab in das Kaffeehaus)

 

Zweyter Auftritt.

Page allein.

Amor?– das wollen wir so genau nicht untersuchen. Die schönen Mühmchen mit ihren 50,000 Thalern bekommen auch wohl Männer, ohne daß Amor sich zu incommodiren braucht. Schade, daß ich sie nicht selber heyrathen kann! nehmlich die 50,000 Thaler. Denn was die Mühmchen betrifft, die werden doch, wenn sie Männer haben, nicht grausam gegen mich werden?

 

Dritter Auftritt.

Annlieschen auf dem Balkon. Page.

Annliesch. Vetter! Vetter!

Page. Ach sieh da, mein schönes Mühmchen! Herrlich, herrlich, daß Sie herauskommen, denn ich habe Ihnen wichtige Dinge zu entdecken.

Annliesch. Ach, was haben Sie gemacht!

Page. Nichts auf der Welt. Aber ich denke noch Allerley zu machen, woraus Ihnen Spaß und Freude erwachsen soll.

Annliesch. Eine schöne Freude, daß Sie nicht mehr ins Haus dürfen.

Page. Wer sagt Ihnen das? Ich hoffe noch diesen Abend das Vergnügen zu haben, mit Ihnen zu speisen.

Annliesch. Ach! daran ist gar nicht zu denken! Der Papa ist so zornig.

Page. Hat nichts zu bedeuten. Wo stecken die drey Bräutigams?

Annliesch. Die sitzen wieder bey der Flasche und sind schon halb betrunken.

Page. Desto besser.

Annliesch. Heute Abend soll durchaus Verlobung seyn.

Page. Daraus wird nichts.

Annliesch. Sagen Sie lieber, aus unserer Verbindung wird nichts.

Page. Da haben Sie Recht! Aus der wird auch nichts.

Annliesch. Und das sagen Sie so gleichgültig?

Page. Gleichgültig? Mein Herz blutet wie eine Taube, der man den Hals abgeschnitten. Aber was ist zu thun? Wahre Liebe ist uneigennützig. Ich werde meinen Gram in der Brust verschließen, wenn ich, fern von hier, nur weiß, daß meine schönen Mühmchen im Arm der Liebe ruhen.

Annliesch. Dazu ist jede Hoffnung verschwunden.

Page. Mit nichten. Vergessen Sie einen unglücklichen Pagen, der in die Einsamkeit des Hofes flüchten, und in den treuen Busen der Höflinge seinen ewigen Schmerz ausschütten wird. Sie, sammt Ihren Schwestern, kehren Sie zurück in die holden Arme der entflohenen Lieutenants, die vergebens auf den Kaffeehäusern ihren Schmerz in Punsch zu ersticken sich bemühen! Nicht wahr, liebes Mühmchen, es ist doch besser, die muntern Lieutenants zu heyrathen, als Ihre schwerfälligen Landjunker; und da nun einmahl aus uns beyden nichts werden kann

Annliesch. Haben Sie vergessen, daß wir unsre Liebhaber spottend verabschiedeten?

Page. Werden schon wieder kommen. Ihre Reize schimmern nicht blos im Spiegel. Die solide Anmuth, welche Sie und Ihre Schwestern besitzen, können die Jahre Ihnen nicht rauben.

Annliesch. Schmeichler!

Page. Präpariren Sie nur Trudchen und Kätchen darauf. Sie sollen mich ach Gott! (weinend) Sie sollen mich vergessen und Ihr Herz der alten Liebe wieder zuwenden.

Annliesch. Wenn man freylich aus zweyen Uebeln das kleinste wählen muß

Page. Recht so! Ein gescheidtes Mädchen ergreift seine Parthie.

Deborah. (inwendig) Annlieschen!

Annliesch. Ach Gott! meine Tante! (Sie schlüpft hinein)

Page. Auch gut. Nun wär' alles vorbereitet. He, Stiefel! Du russischer Stiefel! bist Du fertig?

 

Vierter Auftritt.

Berg, als russischer Kaufmann. Stiefel, als ein gemeiner Russe verkleidet, Page.

Stief. Schto wam nadobna

Page. Bravo! Du siehst aus, wie ein Iswoschtschik, der auf die Leipziger Messe fährt.

Berg. Was sagen Sie zu meiner Verkleidung?.

Page. Gut, recht gut! Jetzt, Stiefel, melde Deinen Herrn. Ich besorge indessen das Weitere. Sind nur erst die Nebenbuhler bey Seite geschafft, so haben wir bald gewonnen Spiel. (ab in das Kaffeehaus)

 

Fünfter Auftritt.

Berg, Stiefel, dann Hanns.

Stief. (pocht) Sluschti! Dwornik! Sluschti!

Hanns. (kommt) Was Teufel, ist das vor ein Kerl?

Stief. (zeigt auf Berg) Wot Gospodin!

Berg. Sie verzeih. Wenig Deutsch. Herr Brennessel in diese Haus?

Hanns. Haus?

Berg. Ja, ja, Haus. Herr Brennessel rufen hieher!

Hanns. (bey Seite) Kuriose Kerls! Vermuthlich Kalmucken. Mit solchen Bärten bleib' ich nicht gern allein. (laut) Schon gut, meine Herren, ich will den Herrn von Brennessel sogleich rufen. (ab)

Berg. Nun, Stiefel, halte das Patent nur parat.

Stief. Da ist es schon, auf russische Manier in ein seidnes Tuch gewickelt.

 

Sechster Auftritt.

Brennessel. Vorige.

Brenn. (ein klein wenig benebelt) Wer will mich sprechen? Was sind das für Leute?

Berg. Ich haben die Ehre zu sprechen mit Herr Brennessel (das ch muß durchgehends rauh ausgesprochen werden)

Brenn. Herr von Brennessel, Erbherr auf Kuhdorf und Schaafsleben.

Berg. Der nehmlich, der in Oekonomie und Stallfütterung und Kleebau auf höchste Vollkommenheit gebracht?

Brenn. Der nehmliche. Woher weiß der Herr?

Berg. Hat der Ruhm geblasen in seine Trompete, ist weit erschollen bis Peterburch.

Brenn. Wahrhaftig! Potz Miekchen!

Berg. Seyn ich Mitglied von ökonomisch Sozietät zu Peterburch, ist worden beschlossen aufzunehmen als Ehrenmitglied den Gospodin Brennessel.

Brenn. Ich ein Ehrenmitglied?

Berg. Hat der Secretarius gefertigt ein groß Patent, hat der Präsident unterschrieben mit seinen Petschaften. (zu Stiefel) Wannuschka podi Sudá überreiche das Patent.

Stief. (entwickelt das seidne Tuch, breitet das Patent auseinander und überreicht es Brennessel.)

Brenn. Ganz gehorsamer Diener! Ey, ey, welche Ehre! welche Krackelfüße!

Berg. Das seyn Russisch mit Slavonisch Buchstab.

Brenn. Potz Miekchen! Hätt' ich doch nimmermehr geglaubt, daß der Ruf von meiner Stallfütterung bis an den Eispol dringen würde! Viel Ehre, meine Herren, viel Ehre! werden Sie sich noch lange hier aufhalten? Bitte, mich auf Schaafsleben zu besuchen. Da sollen Sie einen Ochsen sehen! und welch' einen Ochsen! Was wird der Schwiegerpapa vor Augen machen? Kann ich der ökonomischen Societät mit ein paar Scheffel Teltauer Rüben aufwarten?

Berg. Mein Commission noch nicht zu Ende. Sie kenn doch den Fürst Tschuktschukmutschutschky?

Brenn. Tschuk - tschuk - mut - schutschky? Ich habe nicht die Ehre, Seine Durchlaucht zu kennen.

Berg. Das seyn der reichste Mann in ganz Rußland. Er haben Güter von Wolga bis Irtisch.

Brenn. Ein paar berühmte Städte!

Berg. Er besitzen auch Wallfischfang in Ostsee.

Brenn. Potz Miekchen.

Berg. Drey Millionen jährlich Einkünfte.

Brenn. Alle Teufel!

Berg. Kann sechs Millionen werden, wenn er auf sein Güter Kleebau und Stallfütterung einführen thut.

Brenn. Da hat er recht.

Berg. Muß aber ein klug erfahren Oekonom engagiren.

Brenn. Ey freylich.

Berg. Der Fürst Tschuktschukmutschutschky will solchem zahlen 100,000 Rubel für Ein Jahr.

Brenn. Für ein einziges Jahr? Das ist honett.

Berg. Muß aber seyn klug wie Gospodin Brennessel.

Brenn. Gehorsamer Knecht!

Berg. Ist gefällig zu reisen? Hier Vollmacht hier Contract.

Brenn. (bey Seite) Der Mund läuft mir voll Wasser.

Berg. Ja oder Nein!

Brenn. Ey, das geht nicht so geschwind! Wer soll indessen meine Güter verwalten? Zwar, die könnt' ich verpachten. Aber potz Miekchen! Ich soll auch heyrathen.

Berg. Braut kann warten. Der Fürst schicken kostbare Diamanten.

Brenn. Freylich, freylich! und die 100,000 Rubel

Berg. Auch senden Seine Durchlaucht drey prächtig Stück Ukrainisch-Ochsen.

Brenn. Mir?

Berg. So is. Peterburch seyn Hauptstadt in Ukrain.

Brenn. Ja, ja, das weiß ich.

Berg. Ich kommen 12000 Werst, um zu suchen einen Ochs, der sey größer als meine Ochsen.

Brenn. Das wollen wir doch sehen! Wo sind sie?

Berg. (auf Stiefel deutend) Dieser Mann, Ochsentreiber, haben verdient ein Nawodka, ein gut Trinkengeld.

Brenn. Soll er haben. Da! da! (giebt Stiefel Geld) Wo sind die Ochsen? Ich brenne vor Begier.

Berg. Seyn logirt bey dieser Fleischer.

Brenn. Geschwind! geschwind! Sr. Durchlaucht, der Fürst Tschuktschukmutschutschky muß ein vortrefflicher Herr seyn. Ich habe große Lust ihm in Wolga oder Irtisch meine Aufwartung zu machen. (geht mit Berg und Stiefel zum Fleischer)

 

Siebenter Auftritt.

Page und Busch schleichen aus dem Kaffeehause. Busch ist als Courier gekleidet.

Page. Der wäre abgefertigt. Zwischen den Ochsen vergißt er die Braut, und wird uns für's Erste nicht stöhren. Jetzt, Herr Lieutenant versuchen Sie Ihr Heil! Ich will indessen noch ein wenig Branntwein in den Champagner thun. (ab in das Kaffeehaus)

Busch. (klopft an des Barons Haus) Holla!

Hanns. (am Fenster) Wer klopft?

Busch. Logirt hier nicht der Herr Lieutenant von Heldensinn.

Hanns. Ja!

Busch. Ruf Er ihn geschwind! Ich bringe Depeschen aus der Residenz.

Hanns. Will der Herr nicht herein kommen?

Busch. Nein; ich muß ganz allein mit ihm sprechen.

Hanns. Der Herr Lieutenant sind eben in der Bataille mit den Weinflaschen, da geht's mörderlich zu! Ich will's ihm aber wohl sagen. (ab)

Busch. Desto besser, wenn er schon ein wenig benebelt ist. Der Wein macht ja nicht blos geschwätzig, sondern auch leichtgläubig. OBachus! Höre! Dein Bruder Amor ruft Dich zu Hülfe!

 

Achter Auftritt.

Heldensinn. Busch.

Heldens. Was beliebt, mein Herr?

Busch. Bin ich in der That so glücklich, den berühmten Herrn von Heldensinn vor mir zu sehen?

Heldens. Ja.

Busch Den nehmlichen, der den ganzen Einjährigen Krieg mitgemacht?

Heldens. Den nehmlichen.

Busch. Zu dem Sr. Majestät der König sagten: Er solle nach Hause gehn, bis man ihn rufen werde?

Heldens. Ja, so sagten Sr. Majestät.

Busch. Wohlan! die Zeit ist gekommen! Der König ruft!

Heldens. Giebt's Krieg? Wo?

Busch. Zwar nicht im lieben Vaterlande; aber das Reich der Ptolomäer, die Wiege der Wissenschaften, der Schauplatz von Cäsars und Alexanders Siegen, mit einem Worte Egypten, schmachtet noch immer unter dem Joche der Muselmänner. Die Mammelucken wehren sich wie brave Leute, doch ihr tapferster Anführer, Owar Bay, ist gefallen. In dieser Noth haben sie eine schwarzbraune. Deputation an den König gesandt, um Hülfe und Schutz gebeten. Nun sind Sr. Majestät zwar nicht gesonnen, ihnen öffentlich Vorschuß zu leisten, denn sie wollen mit der Ottomannischen Pforte nicht geradezu brechen; jedennoch wünschen Sie insgeheim die Mammelucken zu unterstützen, und wollen ihnen deshalb einen Beystand zusenden, der leicht mehr werth seyn könnte, als eine Armee. Dreymahl riefen Sr. Majestät: »welcher unter meinen Generalen hat Muth an der Spitze der Mammelucken zu fechten?« Dreymahl verstummten die Krieger ringsumher. Schon glühte des Königs Auge von edlem Unwillen, als plötzlich ein guter Genius den Nahmen Heldensinn ihm zuflüsterte. »Ha!« rief er aus: »Adjutant von Säbelknopf!« das bin ich »zieht flugs Eure Courierstiefeln an, jagt zehn Pferde todt, und meldet meinem wackern Heldensinn, sein König ruft! Er soll nach Egypten fliegen, meinen Nahmen verherrlichen, und zum Lohne sich alle die Schätze aneignen, die er in den Pyramiden finden wird.«

Heldens. Potz Friedrich und Bonaparte!

Busch. Der Mammeluckische Ambassadeur hat mich begleitet. Da wir aber geritten sind, wie der leibhaftige Satan, so ist sein Gebein zermalmet, er hat sich zu Bette legen müssen und wird nicht eher als morgen früh um Audienz bitten können.

Heldens. Er soll sie haben! Ja, mein Herr von Säbelknopf! der König hat seinen Mann an mir gefunden, wie?

Busch. Daran zweifeln Sr. Majestät keinen Augenblick.

Heldens. Ich muß nur noch vorher ein wenig heyrathen, dann steh' ich gleich zu Diensten.

Busch. Da Sr. Excellenz das Commando wirklich annehmen

Heldens. (bey Seite) Excellenz? Sapperment!

Busch. So wär' es doch wohl besser, die Vermählung bis nach der Egyptischen Expedition zu verschieben.

Heldens. Warum das?

Busch. Die geheime Instruction vom Hofe, die ich mitzutheilen die Ehre haben werde

Heldens. Wo ist sie?

Busch. Bey einer Bouteille Champagner läßt sich das besser in Erwägung ziehen.

Heldens. Da haben Sie recht!

Busch. Wenn es Sr. Excellenz gefällig wäre, ich habe bereits hier im Kaffeehaus die nöthigen Anstalten getroffen.

Heldens. Ja, ja, mein lieber Adjutant von Säbelknopf, es ist mir gefällig. Sie gefallen mir, und ich werde dem König schreiben, daß ich Sie mit nach Egypten nehme. Potz Friedrich und Bonaparte! ich bin heute gerade in der Laune, die Türken zusammen zu arbeiten, daß sie den Mahomet für einen Mäusefallenkrämer halten sollen. (Beyde ab in das Kaffeehaus)

 

Neunter Auftritt.

Der Page, der während dieser Scene sich aus dem Kaffeehause nach dem Buchladen geschlichen und hinter dessen Glasthüren den Erfolg abgewartet, kommt jetzt mit Thal heraus. Thal ist als Buchhändler gekleidet.

Page. Dem Zweyten wären wir auch los. Nun machen Sie sich an den Dritten; bey dem steh' ich für den Erfolg. (zieht sich ein wenig zurück)

Thal. (klopft) Holla!

Hanns. (am Fenster) Wer klopft?

Thal. Ich bin der neue Buchhändler Druckefix hier aus der Nachbarschaft und habe nothwendig mit dem Herrn von Kreuzqueer zu sprechen.

Hanns. Jetzt wird er schwerlich zu sprechen seyn, denn er löscht eben seinen Durst.

Thal. Sag' Er nur, es beträfe seine Reisen.

Hanns. Ich will's ihm sagen. (ab)

Thal. Wenn ich nur die Kunstsprache besser verstünde, daß ich keinen Bock schieße.

Page. Nicht doch! Machen Sie Ihre Herren Collegen nur brav herunter; schimpfen Sie über Nachdruck und theures Papier; klagen Sie über die Schriftsteller, daß sie nicht mit dem funfzigsten Theil des Gewinnstes vorlieb nehmen, wie vormahls, und daß sie nicht mehr glauben wollen, der liebe Gott habe sie um der Buchhändler willen erschaffen, sehen Sie, so hält Jedermann Sie für einen ächten und rechten Buchhändler. Er kommt ich lausche. (retirirt sich)

 

Zehnter Auftritt.

Kreuzqueer. Thal.

Kreuzq. Was steht zu Ihren Diensten, mein Herr?

Thal. Hab' ich die Ehre, den merkwürdigen Mann vor mir zu sehen, der die große Reise von Stolpe nach Danzig gemacht hat?

Kreuzq. Ja, mein Herr! hin und wieder zurück

Thal. Und darf ich fragen, ob das Gerücht wahr sey, welches die Fama ausgesprengt?

Kreuzq. Welches Gerücht?

Thal. Daß diese interessante Reise von Dero geschickten Feder zu Papier gebracht worden?

Kreuzq. Allerdings. Es sind 132 Bogen. Sehen Sie hier, ich führe sie beständig in der Tasche.

Thal. Ach lieber Gott! mir wässert der Mund bey diesem Anblick.

Kreuzq. Wie so? Lassen Sie hören! Reden Sie frey!

Thal. Ich bin ein junger Anfänger. Wenn ich das Glück hätte, ein solches Werk zu drucken, so würde ich auf einmahl unter die Matadors meiner großachtbaren Zunft gerechnet werden.

Kreuzq. (der seine Freude kaum verbergen kann) I nu wissen Sie was dazu könnte Rath werden.

Thal. Ach Euer Gnaden! wär' es möglich?

Kreuzq. Einem jungen Buchhändler muß man auf die Beine helfen.

Thal. Ich bin aber nicht reich. Das theure Papier der verdammte Nachdruck

Kreuzq. Freylich, nachdrucken wird man es gleich.

Thal. Ich könnte nur ein mäßiges Honorar zahlen.

Kreuzq. Ich werde mich billig finden lassen. Wie viel denn ungefähr?

Thal. Etwa sechs Louisd'or für den Bogen

Kreuzq. (schreyt fast laut auf) Sechs (faßt sich) (bey Seite) sechs Louisd'or für den Bogen. (laut) Hören Sie einmahl, es ist freylich nicht viel, indessen ich schreibe ja auch nur für die Ehre. Kurz und gut, Sie geben mir sechs Louisd'or und lassen mich in der Zeitung loben.

Thal. Von Herzen gern.

Kreuzq. Unter dieser Bedingung können Sie den Druck morgen anfangen.

Thal. Gloria! Nun ist mein Glück gemacht. Wollen Euer Gnaden nicht die Gnade haben, ein wenig bey mir einzutreten? Ein Gläschen Champagner und meine junge Frau sehnt sich, einen so großen Mann kennen zu lernen. Es ist gar eine kluge Frau, sie liest alle meine Verlagsartikel, ehe ich sie ins Publikum bringe, und wenn Euer Gnaden uns vollends so glücklich machten, uns etwas von Ihren 132 Bogen vorzulesen

Kreuzq. I nu, warum nicht? Ich halte zwar heute Abend Verlobung; aber ein paar Stunden kann ich Ihnen schon noch schenken. (bei Seite) Endlich will doch Jemand zuhören!

Thal. Ich für meine Person werde ab- und zugehen müssen, wegen der vielen Geschäfte; aber meine Frau wird kein Wort verliehren.

Kreuzq. O das glaub' ich! Wer einmahl den Anfang gehört hat, der vergißt Essen und Schlaf. (Beyde gehn in den Buchladen)

 

Eilfter Auftritt.

Page. Hernach Stiefel.

Page. (allein) Es geht vortrefflich! Wer bey der Ausführung eines klugen Plans so weit gekommen ist, die Narren aus dem Wege zu schaffen, der hat schon halb gewonnen Spiel, denn im Grunde ist nichts schwerer von der Stelle zu bewegen, als ein Narr.

Stief. (kommt in seiner gewöhnlichen Kleidung aus des Fleischers Hause)

Page. Nun, Stiefel! was machen die Ochsen?

Stief. Sie werden befühlt, gezwickt, betastet, hinten und vorne, und immer dazwischen ein Gläschen russischer Doppelkümmel hinunter geschlürft. Ich schlich mich fort, um meine Maske abzuwerfen. Ich denke aber, wir werden bald hören, daß der Herr von Brennessel bey den Ochsen auf der Streu liegt.

Busch. (am Kaffeehausfenster.) He! Bst! Mein Held schnarcht unter dem Billiard.

Page. Bravo!

Thal. (am Fenster des Buchladens) He! Bst! Mein Schriftsteller liest der Frau Buchhändlerinn seine Reise vor,

Page. Bravissimo!

Berg. (am Fenster des Fleischers) He! Bst! Mein Mitglied der ökonomischen Societät schlummert sanft unter den Ukrainischen Ochsen.

Page. Viktoria! Sind auch die Absage-Briefe dictirt und geschrieben?

Alle Drey. Ja ja ja!

Page. Kommen Sie, meine Herren! jetzt müssen wir den glücklichen Moment ablauschen. (Alle Drey ziehen sich zurück) Allons, Stiefel, mache Dich fertig! Du sollst das Meisterwerk vollenden. Deine Rolle weißt Du, spiele sie gut! (Er versteckt sich)

Stief. (allein) Ich werde mein Möglichstes thun. An Aufmunterung fehlt es mir nicht. Auf Einer Seite Geld, auf der Andern Prügel. (er klopft) He! Kamerad! He!

 

Zwölfter Auftritt.

Stiefel. Hanns am Fenster.

Hanns. Du! packe Dich fort! Wenn der gnädige Herr Dich gewahr wird, so geht es Dir übel.

Stief. Ach Kamerad! Hab' Erbarmen! Melde dem gnädigen Herrn, es stünde ein bußfertiger Sünder draußen vor der Thüre, der hieße Stiefel und hätte ihm wichtige Dinge zu vertrauen. Wenn ich nicht in's Haus darf, so soll er doch nur so großmüthig seyn, ein wenig herunter auf die Straße zu kommen und auch die gnädige Tante mitzubringen; ich hätte ihm große Geheimnisse zu entdecken.

Hanns. Na, da wär' ich doch selbst neugierig. Ich will's ihm sagen. (ab)

Berg, Busch und Thal (haben sich aus den verschiedenen Häusern im Hintergrunde um den Pagen versammelt)

Stief. Nun, meine Herren, geben Sie wohl Acht! Wenn Frau Fortuna jetzt vorüber flattert, so packen Sie die Hexe schnell beym Schopf!

Page. Vergessen Sie nicht die Unterstube rechter Hand.

Alle (ziehen sich zurück in die Coulisse, des Barons Hause gegenüber)

 

Dreyzehnter Auftritt.

Baron, Deborah, Hanns, Stiefel.

Bar. (der von Zeit zu Zeit ein wachsames Auge auf die Hausthüre hat) Du Galgenschwengel unterstehst Dich noch vor unsern Augen zu erscheinen?

Stief. Ach. gnädiger Herr Onkel! haben Sie Erbarmen mit einem armen Dienstbothen, der tanzen muß, wie sein Herr pfeift, der aber von Natur ein so frommes Gemüth hat, daß er diesen bösen Wandel unmöglich länger mit ansehen kann. Mein zerknirschtes Herz giebt Blut von sich wie Wasser, und ich komme, Sie auf meinen Knieen anzuflehen, mich aus den Klauen dieser jungen Satansbrut zu erlösen.

Deborah. Nun, das klingt doch einmahl vernünftig.

Bar. Wodurch bist Du denn auf diese gottseeligen Gedanken gerathen?

Stief. Durch Prügel, mein gnädiger Herr Onkel! Ja, meine gnädige Tante, so eben hat der Vetter mich geprügelt, daß mein Rücken blau und roth ist, wie eine Preußische Uniform. Wenn die gnädige Tante befehlen, so will ich mich auf der Stelle entkleiden und mein gefärbtes Fleisch Dero gnädigem Blick exponiren.

Deborah. Laß es gut seyn, mein Sohn! Ich habe noch in meinem Leben nichts Nackendes an einem Mannsbilde gesehen.

Bar. Weshalb hat er Dich denn so geprügelt?

Stief. Weil ich seine Schelmstücke nicht länger mitmachen wollte. Eben hat er Dietriche und Brechstangen gekauft; diese Nacht will er mit Gewalt in Ihr Haus brechen; die gnädigen Fräuleins will er entführen

Bar. Der Bube!

Stief. Und ich glaube, auch die gnädige Tante.

Deborah. Was? auch mich?

Stief. Nein, Herr Vetter, sagt' ich, das ist zu arg! Einem solchen Onkel zu begegnen, als ob er ein Narr wäre? Eine solche gnädige Tante zu entführen, als ob sie noch jung und hübsch wäre? Nein, dazu biete ich meine unschuldigen Hände nicht. Stracks geh' ich hin und deponire es.

Bar. Und darauf erfolgten die Prügel?

Stief. Mörderliche Prügel! Mein Rücken hat sonst ein schlechtes Gedächtniß, aber das vergißt er in seinem Leben nicht.

Deborah. Der arme Teufel!

Bar. Der Spitzbube von Pagen!

Stief. Ach! Sie haben keine Idee von allen den listigen Ränken, die sich wie Mäusenester in seinem Kopfe vermehren. Ich will Ihnen nur ein Beyspiel erzählen, wie er es einmahl in Hamburg machte: da werden Sie sehen, wie man vor ihm auf der Hut seyn muß.

Bar. Nun? Laß doch hören!

Stief. Ein reicher Kaufmann hatte drey hübsche Töchter. Unser Herr Vetter versprach drey jungen Officieren, sie in des Kaufmanns Haus zu schaffen, es koste, was es wolle. Nun war aber die Thüre immer verschlossen, und der Hausknecht, ein grober Esel, ließ keinen Menschen hinein, Was thut er? Er verkleidet einen listigen Kerl in eine Art von See-Capitain, der muß den Kaufmann sammt seiner Frau herunter auf die Straße locken, und muß sich stellen, als ob er ein weitläuftiger Anverwandter sey, der eben mit großen Schätzen aus Indien zurückkehre. Ich habe dem Schelm von weitem zugesehn. Sie können nicht glauben, wie natürlich er seine Rolle spielte. »I willkommen,« fing er an, »willkommen, mein werther Herr Cousin! meine schätzbare Frau Cousine! Kennen Sie mich nicht mehr? Ich bin ja der alte Obermann, der vor zwanzig Jahren nach Batavia gieng. Herzlich erfreut, Sie wieder zu sehen!« und indem er so sprach mit Ihrer gnädigsten Erlaubniß drückte er sie beyde auf das zärtlichste in seine Arme (er thut es wirklich) und Husch! war unterdessen Einer in's Haus geschlüpft. (Man sieht Berg über die Bühne ins Haus schlüpfen)

Bar. Der Bösewicht! Wo war denn der Hausknecht?

Stief. Der stand dabey und sperrte das Maul auf.

Hanns. Hähähä!

Stief. Aber noch lange nicht genug. Nun fing er an zu erzählen, wie er einen gewaltigen Sturm auf der See ausgestanden, und wie das Schiff ohne ihn verlohren gewesen wäre. »Sehen Sie,« sagte er, »da stand ich mitten im Sturm, da faßt' ich einen Quadranten, nahm die Polhöhe; glücklicher Weise trat die Sonne einen Augenblick aus den Wolken sehen Sie, da steht sie!« und während nun die guten Leute in die Sonne guckten, husch! war wieder Einer hinein. (Man sieht Busch vorüber schlüpfen)

Deborah. Es ist ein Schelmenpack.

Stief. Dann kam er auf den Tod seiner Frau, wurde ganz gerührt, führte die Umstehenden an ihr Sterbebette. »Sehn Sie,« sagte er, »da liegt sie, die Blume, die entblätterte Rose« und während nun die ehrlichen Leute mit gefalteten Händen hinunter auf die Leiche sehen, husch! war wieder Einer hinein. (Man sieht Thal vorüber schlüpfen)

Bar. Ach! Das ist denn doch ein wenig dumm. Mich hätt' er so nicht erwischt.

Stief. Nun stellte sich der Pfiffikus, als ob sein Schmerz ihn überwältige; heulte, fieng an zu wanken, und fiel endlich gar in Ohnmacht. Die mitleidigen Seelen fuhren zu, ihm Hülfe zu leisten Sehn Sie so (er zieht sie an sich) mit Erlaubniß (er legt sich in beyder Arme) und husch! war auch der Letzte ins Haus. (Man sieht den Pagen vorüber schlüpfen)

Deborah. Das wird hinterdrein eine artige Bescheerung geworden seyn.

Stief. Das können die gnädige Tante wohl denken! Und das hab' ich nun Alles so mit ansehn müssen, ich, der ich von christlichen Eltern zu Zucht und Ehrbarkeit von Jugend auf angewiesen worden. Aber länger halte ich es auch nicht aus. Jetzt bin ich in der Verzweiflung, und wenn der gnädige Onkel mich nicht in Ihre Dienste nehmen, so stürze ich mich in die Ostsee, wo sie am nassesten ist.

Deborah. Es ist doch ein ehrlicher Bursche. Ich dächte, Bruder

Bar. Allerdings, Schwester! Es ist ein verirrtes Schaaf, dem ich meinen Stall gern aufthue. Er kann für's Erste das Haus bewachen helfen.

Stief. Da können Sie sich auf mich verlassen. Wer jetzt nicht schon drinn ist, der soll gewiß nicht hinein kommen.

Bar. So geh, mein Sohn, Du wirst hungrig seyn.

Deborah. Geh in die Küche, Du weißt ja Hauses Gelegenheit.

Stief. Gnädigster Onkel die Freudenthränen sehen Sie nur, gnädigste Tante, sie laufen mir wie ein Platzregen über die Backen. (ab ins Haus)

Deborah. Der Bursche hat ein ehrlich Gemüth.

Bar. Wir dürfen uns in der That zu der gemachten Acquisition Glück wünschen.

Deborah. Ja wohl, Bruder Hanns! Treue Domestiken sind eine Himmelsgabe.

Bar. Es wird schon dämmrig; nun ist meines Bleibens hier nicht länger. Hanns! sobald wir hinein sind, verschließe und verriegle die Thüre. Ach! es ist doch eine süße Empfindung für einen Vater, zu wissen, daß Niemand in seinem Hause ist, dem er nicht seine Töchter ohne Gefahr anvertrauen könnte. (Alle ab)

 

Ende des vierten Aufzugs.

 


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