Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ein Zimmer in Baron Stuhlbeins Hause mit einer Mittelthüre und zwey Seitentüren, rechts das Schlafzimmer der Fräulein Deborah, links das Schlafzimmer des Barons. Neben der Mittelthüre auf der einen Seite steht ein ziemlich großer Gewehrschrank, dessen obere Hälfte Glasfenster hat. Neben dem Schrank, im Winkel, ein Perückenstock mit einer frisirten Perücke darauf. An der andern Seite der Mittelthüre eine große altväterische Uhr mit Gewichten in einem Uhrkasten, der bis zur Erde geht und zu verschließen ist. Im Vordergrunde linker Hand steht ein alter Pharotisch, mit einem Ausschnitt für den Banquier, dicht an der Wand.
Annlieschen, Trudchen und Kätchen stehen auf der Bühne, Berg, Busch und Thal liegen zu ihren Füßen. Der Page steht im Gewehrschranke und ist durch die Glasscheiben zu sehen, bückt sich aber jedesmal, wenn er erblickt zu werden fürchtet.
Berg. Ich bitte –
Annliesch. Nein –
Busch. Ich flehe –
Trudch. Nichts.
Thal. Ich beschwöre –
Kätch. Umsonst.
Berg. Soll ich verzweifeln?
Annliesch. Gott bewahre!
Busch. Ich erschieße mich.
Trudch. O weh!
Thal. Ich nehme Gift.
Kätch. Thut mir leid.
Berg. Grausame! Sie sind kalt wie Novemberabend.
Busch. Kieselherz! Ihre Brust ist verschlossen wie ein Olivenkern.
Thal. Marmorseele! warum quälen Sie mich, als wär ich ein Reim in einem Sonnett?
Annliesch. Aber wenn wir Sie auch liebten, was kann das helfen?
Trudch. Sie haben ja schon bey Papa um uns geworben.
Kätch. Und er hat es rund abgeschlagen.
Thal. Man könnt' ihn erweichen.
Kätch. Schwerlich.
Busch. Wenn Sie nur Ihre Bitten vereinigen wollten –
Trudch. Das dürfen wir nicht.
Berg. Wenn Sie zu seinen Füßen –
Annliesch. Ey warum nicht gar! Sollen wir knieend um Männer betteln?
Berg. Er hatte nichts einzuwenden, als unsere Armuth.
Annliesch. Bey ihm ist das viel.
Busch. Er, der reichste Mann in der Provinz –
Trudch. Er will es gern bleiben.
Thal. Wie wär' es, wenn wir Sie entführten.
Kätch. Ha! ha! In Pommern spielen wir keine Romane.
Berg. (steht auf) Wohlan, Ihr Unerbittlichen! Wir verlassen Euch!
Busch. (steht auch auf) Ja, das thun wir.
Thal. (ebenso) Auf ewig,
Annliesch. Nach Gefallen.
Trudch. Wir müssen uns trösten.
Berg. O freylich! An Troste fehlt es dem treulosen Geschlechte nie.
Busch. So lange der Spiegel höflich bleibt –
Thal. Wir wissen auch recht gut, wer hier tröstet.
Berg. O ja, das wissen wir.
Busch. Der verdammte Page!
Thal. Dem der Satan auf vier Wochen Urlaub verschaffte.
Berg. Der allen Mädchen in der Stadt die Köpfe verrückt –
Busch. Dem Fräulein, wie der Zofe.
Thal. Und sie alle zum Besten hält.
Annliesch. (spöttisch) Alle doch wohl nicht. Er macht Ausnahmen.
Trudch. (eben so) Galant ist er gegen alle, doch nur Eine liebt er.
Kätch. (eben so) Trotz seines Flattersinns, hat doch Eine ihn gefesselt.
Thal. Es ist nicht wahr; er betrügt sie alle.
Berg. Aber er soll büßen!
Busch. Arm und Beine –
Thal. Recht, Herr Bruder! Mit graden Gliedern kommt er nicht aus der Stadt.
Die drey Mädchen. Ha! ha! ha!
Berg. Leben Sie wohl, mein Fräulein!
Annliesch. Ihre Dienerin.
Busch. Sie sehen mich zum Letztenmahle.
Trudch. Ich muß mich drein finden.
Thal. Ich komme nicht wieder.
Kätch. So wünsch' ich wohl zu leben.
(Alle drey entfernen sich zögernd. Nach einer Pause )
Berg. Sie rufen uns nicht zurück?
Annliesch. Nein.
Berg. (kommt wieder) Wir waren auf dem nächsten Balle zur ersten Angloise engagirt – ich tanze nicht mit Ihnen.
Annliesch. Ein großes Unglück.
Thal. (kommt wieder) Ich hatte Ihnen versprochen, der Fräulein Hirsenfeld ins Gesicht zu sagen, daß sie häßlich wäre – ich thu' es nicht.
Kätch. Wie Sie wollen.
Thal. Ich sage, daß sie schön ist, wie ein Engel, und Sie sollen dabey stehen.
Kätch. Da werd' ich lachen.
Busch. (kommt wieder) Ihnen zu Liebe habe ich sogar Verse gemacht – es geschieht nicht wieder.
Trudch. Man muß sich mit Prosa behelfen.
Berg. Der Page soll mir's entgelten, das schwöre ich Ihnen bey meinem Säbel!
Busch. Die Nase, Herr Bruder, hau' ich ihm ab.
Thal. Und ich die Ohren.
Berg. Kommt, wir wollen ihn zurichten, daß er aussehen soll, wie eine Weihnachtspuppe, mit der die Kinder schon vier Wochen gespielt haben.
Thal. Adieu, meine Damen!
Busch. Zupfen Sie nur indessen Charpie für ihren Pagen. (Alle drey ab.)
Die drey Mädchen lauschen noch ein wenig, und laufen dann alle drey zum Schranke, den sie öffnen und den Pagen herausführen.
Annliesch. Haben wir es so recht gemacht, lieber Vetter?
Page. Allerliebst! Ich möchte Sie alle drey dafür küssen – und ich weiß auch gar nicht, warum ich es aufschiebe? (Er will Eine nach der Andern umarmen. )
Annliesch. Zurück, Wildfang!
Trudch. Hüten Sie sich!
Kätch. Ich kratze Ihnen die Augen aus.
Page. (bey Seite). Das heißt: wir sind nicht allein! (laut) Aber, meine schönen Mühmchen, wie soll ich Ihnen meine Dankbarkeit ausdrücken? – Ein Lord schenkt zuweilen, ein Poet macht Verse, ein Page küßt.
Annliesch. Denken Sie lieber auf Ihre Sicherheit!
Trudch. Haben Sie die gräßlichen Drohungen wohl gehört?
Page. O, mit den drey Herren will ich schon fertig werden!
Kätch. Nas' und Ohren soll es kosten.
Page. (leise zu ihr) Ein geringer Preis um Ihre Liebe.
Kätch. (bey Seite ) Mich zieht er vor.
Trudch. Blut soll fließen.
Page. (leise zu ihr) Für Sie meinen letzten Tropfen.
Trudch. (bey Seite) Sein Herz ist mein.
Annliesch Arm' und Beine will man Ihnen entzwey schlagen.
Page. (leise zu ihr) Auch der Krüppel würde Sie anbeten.
Annliesch. (bey Seite) Wie sehr er mich liebt!
Trudch. Aber, Vetter Sausewind, wir haben nun Ihr Begehren erfüllt, unsre drey Anbeter haben sich trollen müssen; was nun weiter?
Page. Was weiter? Sie nehmen Jede einen Andern, das versteht sich.
Annliesch. Ja, wenn sie auf den Bäumen wüchsen, wie die Borsdorferäpfel!
Page. In allen Winkeln wächst das Unkraut. Ein schönes Mädchen darf nur den Kopf zum Fenster hinausstecken, husch, weht jeder Zephyr einen verliebten Seufzer ihr zu.
Trudch. Vorüber wollen Sie sagen.
Page. Auch das. Nicht alle Liebhaber sind treu, wie die Pagen.
Kätch. Stehen die Pagen wirklich in diesem Rufe?
Page. Natürlich! Wie kann es auch anders seyn? Das gute Beispiel von Jugend auf. Denn wo meint man es ehrlicher, als bey Hofe? Wo ist mehr Wahrheit, als bey Cour? mehr häusliche Glückseeligkeit, als auf Assembleen? Da giebt es weder Schmeicheleyen noch Schminke. Da gilt der Schein nichts, Verdienst alles. Zuweilen stellt man sich wohl, als könne man diesen oder jenen nicht leiden, aber im Herzen liebt man ihn wie einen Bruder. Kurz, meine schönen Mühmchen, der Hof ist die Schule der Wahrheit, und die gelehrigsten Schüler – sind die Pagen.
Kätch. Die schöne Residenz!
Trudch. Wir sitzen Jahr aus Jahr ein in unsrer Provinz.
Annliesch. Alle Jahre schickt der Vater einen großen Transport Gänsebrüste dahin.
Trudchen. Wir dürfen aber nie mitreisen.
Kätch. Und selten verirrt sich ein vernünftiger Mensch in unsere Einöde.
Annliesch. Seit den vier Wochen, daß der Vetter hier ist, haben wir schon Manches gelernt.
Trudch. Ach! Morgen ist sein Urlaub um.
Page. Er muß reisen – aber sein Herz bleibt zurück.
Kätch. Ist das gewiß?
Page. Welche von Ihnen zweifelt daran?
Annliesch. Erklären Sie doch lieber in Gegenwart meiner Schwestern –
Trudch. Annlieschen glaubt –
Kätch. Trudchen meynt –
Annliesch. Kätchen bildet sich ein –
Page. O in der Liebe giebt es keinen Irrthum! – ( leise zu Annlieschen, indem er ihr verstohlen die Hand drückt) Nicht wahr, mein schönes Mühmchen? (laut) Ein einziger Blick verscheucht jeden Zweifel – (leise zu Trudchen) Nicht wahr, mein schönes Mühmchen? – (laut) Ein Seufzer wird zum Verräther – (leise zu Kätchen, indem er seufzt) Nicht wahr, mein schönes Mühmchen?
Die drey Mädchen. ( zugleich bey Seite) Er meint mich.
Annliesch. Mein Vater muß aber doch vor Ihrer Abreise erfahren –
Page. Ey freilich! –
Trudch. Sie selbst müssen ihm entdecken –
Page. Ach! ich habe das Herz nicht.
Annliesch. Soll Ihre Geliebte das Wort führen?
Page. Das wünsche ich.
Annliesch. Viel gefordert.
Page. Wahre Liebe wird nicht zaudern – St! – Mich dünkt, ich höre Papa. – Blödigkeit, die erste Tugend eines Pagen, treibt mich fort. (zu Annlieschen leise) Ich kann nicht gegenwärtig seyn, wo vielleicht der Pinsel der Liebe mir schmeichelt. (zu Trudchen leise.) Möge die Beredtsamkeit der Liebe von Ihren schönen Lippen fließen! (leise zu Kätchen) Könnte mein zärtlicher Blick Ihnen Muth einflößen! – (laut) Ich gehe in mein Kämmerlein und harre des Ausspruchs über Leben und Tod. (Er liebäugelt mit allen Dreyen und entschlüpft.)
Annlieschen, Trudchen, Kätchen.
Annliesch. Ich wünschte, liebe Schwestern, Ihr ginget ein wenig in unser Zimmer. Ich habe mit Papa allein zu reden.
Trudch. Dieselbe Bitte wollte ich eben an Dich thun; denn auch ich muß allein mit Papa sprechen.
Kätch. Seltsam! Das ist gerade mein Fall auch.
Annliesch. Ich wüßte doch nicht, was Ihr ihm könntet zu sagen haben?
Trudch. Ich für meine Person habe ihm etwas sehr Wichtiges zu vertrauen.
Kätch. Es kann unmöglich wichtiger seyn, als das, was mir auf dem Herzen liegt.
Annliesch. Man hat freylich zuweilen Einbildungen.
Trudch. Die am lächerlichsten sind, wenn man es selbst nicht zu wissen scheint.
Kätch. Die Eitelkeit verleitet zu komischen Prätensionen.
Annliesch. Ja wohl, liebe Schwester, besonders in der Liebe.
Trudch. Es giebt Mädchen, denen ein junger Mensch nur ein paar galante Worte sagen darf –
Kätch. Ganz recht, so meynen Sie gleich die Auserkohrnen zu seyn.
Annliesch. Wenn auch der Vorzug, der einer andern gegeben wird, noch so deutlich ins Auge fällt.
Trudch. Man ist dann wie mit Blindheit geschlagen. Ha! ha! ha!
Annliesch. und Kätch. Ja wohl, liebe Schwester! Ha! ha! ha!
Trudch. Man giebt wohl gar seinem Liebhaber den Abschied.
Annliesch. Ehe man einen andern hat.
Kätch. Und bleibt am Ende sitzen,
Annliesch Dafür wolle Euch der Himmel behüten, liebe Schwestern!
Trudch. Auf mein Mitleid dürft Ihr Beyde rechnen.
Kätch. Es wird mich sehr erquicken. Ha! ha! ha!
Trudch. Wenn Ihr Euch durchaus nicht entfernen wollt, so kann ich's auch Papa in Eurer Gegenwart sagen.
Kätch. O auch ich; es wird doch bald kein Geheimniß mehr seyn.
Annliesch. Ich bin es zufrieden. Meine Bitte geschah nur, um Euch zu schonen.
Trudch. und Kätch. Schonen? Ha! ha! ha!
Annliesch. (nachspottend) Ja, schonen. Hahaha!
Baron Stuhlbein, Fräulein Deborah, Vorige.
Bar. Ich sage Dir, Schwester, es steht ein Todesfall in der Familie zu erwarten, denn die Bilder unserer Ahnen haben sich an der Wand bewegt.
Deborah. Es kann ja auch ein Zugwind –
Bar. Nein, Deborah, kein Zugwind. Die alte Großmutter machte ordentlich Klipp, Klapp, Klipp, Klapp, und als ich den Ahnherrn mit der großen Allongenperücke ins Auge faßte, da sah er mich starr an, und sein Blick folgte mir, wo ich gieng und stand. Du weißt, ich bin eben nicht furchtsam, ich habe in meiner Jugend den Hamlet spielen sehen, und bin nicht hinausgegangen, als der Geist erschien. An Gespenster glaub' ich nicht; über solche Ammenmährchen bin ich weit hinaus; – aber es giebt denn doch Dinge in der Natur – Correspondenzen unserer Seele mit – Gott weiß, wem – geistige Stimmen, die sich vernehmen lassen, Gott weiß, wie –
Deborah. Ist auch oft nur Einbildung oder Schelmerey. Weißt Du noch, wie neulich der Page eine Maus in Deine Perückenschachtel praktizirt hatte? Und Du meyntest, es wäre der seelige Kammerdiener, weil er immer die Perücke zu frisiren pflegte?
Bar. Der Page ist ein Taugenichts. Vorgestern hat er einen Topf voll Maykäfer in mein Schlafzimmer gesetzt, daß ich die ganze Nacht vor Kribbeln und Krabbeln nicht ruhen konnte.
Deborah. Meine Haartour hat er dem Kettenhund aufgesetzt und ihn mit auf den Markt genommen, daß alle Jungen aus der ganzen Stadt zusammengelaufen sind.
Bar. Meine Rechentafel hat er mit Talg bestrichen, daß keine Kreide mehr haften wollte.
Deborah. In alle meine Schlüssel hat er Siegellack laufen lassen, daß ich kein Schloß mehr öffnen konnte.
Bar. Ich bin froh, daß Morgen sein Urlaub zu Ende geht.
Die drey Mädchen. Lieber Papa –
Bar. Nu, nu, alle drey auf einmahl?
Annliesch. Ich wollte –
Trudch. Ich muß –
Kätch. Ich habe –
Bar. Du willst? Du mußt? Du hast?
Annliesch. Den Lieutenant habe ich verabschiedet.
Trudch. Ich auch –
Kätch. Ich auch –
Bar. Daran habt Ihr sehr wohl gethan. Drey junge Herren, die von ihrer Gage leben.
Deborah. Und drey Mädchen mir Tonnen Goldes!
Annliesch. Ich habe auch schon einen andern Liebhaber.
Trudch. Ich auch.
Kätch. Ich auch.
Bar. So? Ohne mir ein Wort davon zu sagen?
Annliesch. Ich sag' es Ihnen ja eben jetzt. Der Vetter Page will mich heyrathen.
Trudch. Mich auch.
Kätch. Mich auch.
Bar. Der Vetter Page? Ey, ey! Ich glaube wohl, daß er Euch alle drey heyrathen möchte; ein Page ist darinnen nicht difficil.
Annliesch. Mir hat er es zu verstehen gegeben.
Trudch. Mir sehr deutlich.
Kätch. Mir noch deutlicher.
Bar. Da haben wir's!
Deborah. Seyd Ihr denn ganz von Sinnen? Wollt Ihr mit ihm zum Pagenhofmeister ziehn?
Annliesch. Er thut sich ein Leides, wenn er mich nicht bekommt.
Trudch. Ach Schwester, wegen Dir wird er sich nicht in den Finger schneiden.
Kätch. Hahaha! Er bekümmert sich um Euch beyde nicht.
Bar. Er soll sich um Euch alle drey nicht bekümmern.
Deborah. Kinderchen! die Ehe ist kein Blindekuhspiel.
Bar. Doch, liebe Deborah! In der Ehe wird sehr oft Blindekuh gespielt. Derjenige, dem die Augen verbunden werden, ist gewöhnlich der Mann.
Deborah. Ein artiges Leben würde das werden mit dem Pagen, der selber noch ein Kind ist.
Bar. Des Morgens blättern sie in Bertuchs Bilderbuche.
Deborah. Des Mittags essen sie Confect.
Bar. Des Abends gießen sie Zinn bey Wachsstöckchen.
Deborah. Und die Frau Pagin! Hahaha!
Annliesch. Ich bitte, lieber Papa –
Trudch. Ich küsse Ihre Hand –
Kätch. Ich falle auf die Kniee –
Bar. Wollt Ihr fort? Seyd Ihr von Sinnen? Kein Wort weiter, Ihr leichtsinnigen Dirnen! Ich habe Euch bereits drey Männer ausgesucht, wohlhabend, von reifen Jahren, Ehrenfest. Sie haben ihre Güter in der Nähe, sind heute sämmtlich anhero citirt, und ich erwarte sie jeden Augenblick.
Deborah. Deine Wahl, Bruder Hanns, ist vortrefflich. Zwey von Deinen künftigen Schwiegersöhnen haben mir selbst vor dreißig Jahren recht stark die Cour gemacht. Sie waren beyde so liebenswürdig, daß ich länger als zehn Jahre unschlüssig blieb, welchen ich wählen sollte. Als ich endlich im Begriff stand, zu entscheiden – da war die Sache unterdessen in Vergessenheit gerathen.
Annliesch. Aber, lieber Papa,. ich mag keinen alten Mann.
Trudch. Ich auch nicht.
Kätch. Ich auch nicht.
Bar. Man schweige! Man muckse nicht! Man gehorche!
Ein Bedienter. Herr von Heldensinn will die Ehre haben.
Bar. Er ist willkommen! – Annlieschen, setze Dich in Positur! Du erblickst Deinen künftigen Herrn und Gemahl.
Heldensinn. Die Vorigen.
Heldens. Guten Abend, Schwiegerpapa! Der gnädigen Tante meinen Respekt. (Die Liebesgötter marschieren auf in drey Colonnen.) Sieh da! wie wird mir? Potz Friedrich und Bonaparte! Das sind wohl die allerliebsten Kinder, deren Eins mich auf dem Lebensmarsch begleiten soll?
Annliesch. Es scheint, Herr Lieutenant, Sie marschieren schon ziemlich lange?
Heldens. Noch immer so frisch, als ob ich eben aus den Winterquartieren rückte.
Trudch. Sie sollten lieber hinein rücken.
Heldens. Das will ich auch. Drum hab' ich den Generalquartiermeister Hymen schon vorausgeschickt.
Kätch. Wenn nur nicht Amor schon occoupirt hat.
Heldens. Scharmante nasenweise Kinder! Allons, Schwiegerpapa! über welche von den Dreyen wird das Commando mir anvertraut?
Bar. Welche gefällt Ihnen am besten?
Heldens. Gleichviel! Drey prächtige Recruten! haben alle das Maaß.
Bar. Hier Annlieschen sey Ihre Braut!
Heldens. Annlieschen? Bravo! Munter, mein Fräulein, das Köpfchen in die Höhe, Brust heraus! Sie sollen mit mir zufrieden seyn. Ich halte Ihnen ein eigenes Reitpferd; ich schenke Ihnen eine Koppel Hunde, die alle Solo fangen. Wir sprengen zusammen auf die Jagd, es mag schneyen oder hageln.
Annliesch. Wir brechen den Hals.
Heldens. Nicht doch; wir hetzen, wir schießen, wir prellen einen Fuchs.
Annliesch. Doch wohl einen alten?
Heldens. Ja freylich einen alten. Wir graben Dachse –
Annliesch. Ein allerliebster Zeitvertreib!
Heldens. O, es soll noch besser kommen! Wenn man nur meine ländliche Ruhe nicht stöhrt; wenn ich nur bey Hofe vergessen werde.
Bar. Sind der Herr Schwiegersohn gekannt bey Hofe?
Heldens. Wie ein bunter Hund. Ich habe ja den ganzen Einjährigen Krieg als Volontair mit gemacht. Zwar lag ich zehn Monate im Feldhospital –
Deborah. Blessirt?
Heldens. Nein, ich hatte so eine Art von Fieber. Als ich zum Erstenmale wieder ausging – es war gerade an dem Tage, wo der Waffenstillstand publicirt wurde – begegnete mir Seine Majestät der König. »Nun, mein lieber Lieutenant Heldensinn,« sagte der König, »der Feind wird erschrecken, wenn er ihn sieht.« – »Ja, Eure Majestät!« antwortete ich beherzt und machte ein grimmiges Gesicht. Da lachte der König und flüsterte dem nächsten General was ins Ohr. Vermuthlich schimpfte er auf den Feind, denn ich hörte so etwas von Poltron. – Seitdem ließ mir der König den gnädigen Rath ertheilen, auf meinen Gütern der Ruhe zu pflegen, damit er im Nothfalle mich berufen, und ich dann mit frischen Kräften zu Felde ziehen könne. Das hab' ich denn gethan, bin aber freylich keinen Augenblick sicher. Meine Feldequipage ist immer fix und fertig. Wenn der König ruft: Maximilian von Heldensinn! wo bist Du? so werd' ich nicht das Maul halten, wie Adam im Paradiese.
Ein Bedienter. Herr von Kreuzqueer ist so eben angekommen.
Bar. Nur herein! – Trudchen, jetzt kommt die Reihe an Dich.
Trudch. (bey Seite) Ach du lieber Gott!
Kreuzqueer. Vorige.
Kreuzq. Allerseits eilfertiger Diener!
Bar. Willkommen, Herr Schwiegersohn! müde von der Reise?
Kreuzq.. Nichts weniger; das bin ich gewohnt. Sie wissen, ich bin einmahl von Stolpe nach Danzig gereist, da gab es ganz andere Strapatzen. Darf ich bitten, mich der Fräulein Gertraud als meiner vielgeliebten Zukünftigen zu präsentiren?
Deborah. Da steht sie mit dem krausen Näschen.
Kreuzq. Mein schönes Fräulein, wir wollen schon näher bekannt werden. Wenn man viel auf Reisen gewesen, so erlangt man eine gewisse Ungezwungenheit – Als ich einmahl von Stolpe nach Danzig reiste –
Trudch. Hatten Sie schönes Wetter?
Kreuzq. Bald Sonnenschein, bald Regen, wie es auf einer großen Reise zu gehen pflegt. O, welche Merkwürdigkeiten habe ich damahls in Augenschein genommen!
Trudchen. Sie ließen dagegen sich auch wieder sehen.
Kreuzq. Allzuschmeichelhaft! In der That, Sie werden erstaunen. Ein Tagebuch hab' ich geführt, so dick, als die Pommersche Chronik. In den ersten drey Jahren unsrer glücklichen Ehe hoffe ich Ihnen Abends drey bis vier Stunden damit zu verkürzen.
Trudch. Eine reizende Aussicht!
Kreuzq. Man wird uns in der Nachbarschaft zu Gaste laden, man wird allerley Lustbarkeiten veranstalten; aber wir schlagen alles aus, wir sitzen gemüthlich daheim und lesen meine Reise von Stolpe nach Danzig.
Trudch. Vortrefflich! (sie gähnt) Aber wollen Sie denn Ihr Tagebuch nicht lieber drucken lassen?
Kreuzq. Ach, das war schon längst mein Wunsch; kein Satan von Buchhändler will es mir abnehmen.
Trudch. Es wird doch jetzt so viel dummes Zeug gedruckt.
Kreuzq. Freylich, freylich! Als ich von Stolpe nach Danzig reiste, fand ich in allen Buchläden Taschenbücherchen die Hülle und die Fülle; aber ein lehrreiches dickes Buch, in gebührenden breiten Redensarten, damit will sich keiner befassen.
Ein Bedienter. Herr von Brennessel will aufwarten –
Bar. Bravo! Da wären wir ja beysammen. Kätchen, nun ist's an Dir!
Kätch. Die Zeit ist mir gar nicht lang geworden.
Brennessel. Vorige.
Brenn. (verbeugt sich ungeschickt.). Verzeihen Sie, Schwiegerpapa, daß ich meine verfluchte Schuldigkeit nicht früher observirt habe. Ich bin zwar schon seit diesem Morgen in der Stadt, weil ich eine desperate Sehnsucht nach meiner Braut hatte, aber ich mußte erst ein Paar Scheffel Kartoffeln verkaufen, die ich hinten auf dem Wagen mit hereingeführt habe. Die Preise sind verdammt niedrig; aber was soll man machen? Wo ist denn meine Braut?
Bar. Da steht sie im Winkel.
Brenn. Potz Miekchen! Sie thut mich ja gar nicht anblinzen? Nun, seyn Sie nur nicht so glupisch. Ein schmuckes Mädel fürwahr! Verstehen Sie sich auch schon ein wenig auf die Stallfütterung?
Kätch. Ich habe noch wenig mit Ochsen zu thun gehabt.
Brenn. In Zukunft sollen Sie täglich welche zu sehen bekommen, und derbe Ochsen! verlassen Sie sich auf mein Wort.
Kätch. Unsre erste Bekanntschaft läßt mir keinen Zweifel übrig.
Brenn. Erste Bekanntschaft? Bey Leibe! Sie sind schon vor zwölf Jahren einmahl mit dem Papa auf meinem Guthe gewesen. Ich feyerte damals grade die silberne Hochzeit mit meiner Ersten Frau. Erinnern Sie sich noch? Die Kuchen schmeckten Ihnen vortrefflich. Nu, nu, ich denke, wir bringen's auch noch Einmahl bis zur silbernen Hochzeit.
Bar. Meine werthen Herrn Söhne, bey mir wird Abends nicht gespeist; wenn Sie aber hungrig sind, so soll gleich kalte Küche aufgetragen werden.
Heldens. Meinetwegen ja nicht. Ein alter Soldat, der den ganzen Einjährigen Krieg mitgemacht hat, fragt den Henker nach einem Soupée.
Kreuzq. Auf meiner großen Reise von Stolpe nach Danzig habe ich nie zur Nachtzeit gespeist.
Brenn. Der Mann, der mir die Kartoffeln abkaufte, hat mich mit zwanzig Stück Jauerschen Bratwürsten traktirt, da bin ich noch ganz satt.
Bar. So wollen wir wenigstens vor Schlafengehen noch ein paar Flaschen guten Grüneberger mit einander ausstechen (im Begriff zu gehen )
Heldens. Ich bin dabey. (zu Annlieschen) Wohlan, mein Fräulein, setzen Sie sich in Defensionsstand, morgen attaquire ich. (er folgt)
Kreuzq. (zu Trudchen) Das menschliche Leben ist eine Reise, der Brautstand eine Station. Bis dahin geht's mit raschen Pferden, hernach ein wenig langsamer, die Wege werden schlechter. Dann ist man froh, eine muntere Reisegefährtin zu haben; nicht wahr, mein schönes Fräulein? ( er folgt)
Brenn. (zu Kätchen) Gute Nacht, mein Schatz! Morgen will ich Ihnen eine Probe von meiner Butter zeigen; da können die Schweizer und die Holländer nur einpacken. (er folgt)
Deborah. Wackre Männer! und jeder hat so seine eigne Manier, Ihr glücklichen Mädchen! (sie geht den übrigen nach)
Annlieschen, Trudchen, Kätchen, weinen. Nach einigen Augenblicken schleicht der Page herein. Er nimmt Einer nach der Andern das Tuch vom Gesicht.
Page. Was Henker ist denn hier passirt?
Annliesch. (schluchzend) Papa will nicht haben, daß ich Sie heyrathe.
Trudch. (eben so) Ich soll Sie auch nicht heyrathen.
Kätch. (ebenso.) Ich auch nicht.
Annliesch. (schluchzend) Euch hat er so nicht gewollt.
Trudch. (eben so) An Euch hat er gar nicht gedacht.
Kätch. (eben so) Von Euch war nie die Rede.
Page. Still, still, meine schöne Mühmchen! Ist das Ihr einziger Kummer?
Annliesch. (weinerlich) Ach, da ist ein Bramarbas gekommen, der soll mein Mann werden. Aber ich thue es nicht, ich stürze mich in den Teich. (ab)
Page. Hu, hu!
Trudch. (eben so) Mir will Papa einen Narren aufdringen, der einmal von Stolpe nach Danzig gereist ist; aber lieber hänge ich mich an meinem Strumpfbande. (ab)
Page. Hu, hu!
Kätch. (eben so) Ich soll einen Landlümmel heyrathen, der mich für eine Kuh ansieht; aber lieber nehme ich Ratzengift. (ab)
Page. Hu, hu! – Die armen Kinder! sie dauern mich in der Seele. Und kaum hab' ich noch 24 Stunden Zeit, um sie zu retten. – Page! Page! mache deinem Stande Ehre! (Er sinnt nach)
Christine kommt mit einem Lichte und trägt in einem Arm einen Weiberschlafrock und eine Nachthaube. Page.
Page. Christinchen! wo willst Du hin?
Christ. Ich soll hier warten auf die fremden Herren und soll ihnen zu Bette leuchten.
Page. Wo werden sie denn schlafen?
Christ. Hinten auf dem Gange in der großen Stube, da stehen drey Gastbetten.
Page. (nachdenkend) Hm! – Hör' einmahl, Tienchen! – Könnten die Herren nicht auch da schlafen? (Er deutet auf Deborahs Zimmer)
Christ. Sind Sie wunderlich? Das ist ja das Schlafzimmer der Tante!
Page. Was thut's? die Tante ist eine ehrbare alte Person; es hat nichts zu bedeuten.
Christ. Nun ja, da würd' ich schön einkommen!
Page. Oder – Ja – freylich – Du hast Recht – auf dem Gange müssen sie schlafen. Aber, Du armes Kind, sollst Du so lange stehen und warten? Bist wohl schläfrig?
Christ. (gähnend) Ach ja!
Page. Laß mir Dein Licht und geh' zu Bette. Ich will die Herren an Ort und Stelle bringen.
Christ. Ja, wenn man sich auf Sie verlassen könnte? Aber Sie spielen Einem lauter Possen.
Page. Wenn ich Dir nun auf Pagenehre versichre – und weißt Du was? auf ein halbes Dutzend Küsse kommt es mir auch nicht an.
Christ. Seht doch; als ob seine Küsse Viergroschenstücke wären!
Page. I nu, ich gebe Dir ein halbes Dutzend Viergroschenstücke oben drein. Da, es sind hol' mich der Teufel! meine letzten.
Christ. Was wollen Sie denn einmahl wieder anstellen?
Page. Das geht Dich nichts an. Fort! Fort! (nimmt ihr das Licht weg)
Christ. Nu, nu, ich muß doch erst die Nachthaube und den Schlafrock zu der gnädigen Tante hineintragen.
Page. Gieb nur her, das will ich schon alles besorgen.
Christ. Meinetwegen; aber wenn Sie dumme Streiche machen, so schieben Sie nicht etwa die Schuld auf mich. (ab)
Page allein.
Närrin! Lose Streiche kann ein Page wohl machen, aber dumme nicht. – Ei, ei! – der Schlafrock und die Nachthaube kommen mir eben recht. (Er setzt das Licht bey Seite, stürzt schnell die Haube auf den Kopf und zieht den Schlafrock über) Ein wenig zu lang – das schadet nicht. In meinen Jahren muß man sich in alles finden, wär' es auch der Schlafrock einer alten Jungfer. – (Er nimmt das Licht wieder) Die Herren Nebenbuhler haben mich ja nie gesehen – und ich bin doch wohl hübscher, als Christinchen – als zweyter Faublas, nicht wahr? (Er löscht die andern Lichte aus und stellt sie unter die Tische)
Heldensinn. Der Page.
Heldens. (zurück in des Barons Zimmer redend) Nein, Schwiegerpapa, keinen Tropfen mehr! – Potz Friedrich und Bonaparte! Wir haben so hastig getrunken, daß mir's schon ein wenig zu Kopfe gestiegen ist. Ich meyne aber, die andern haben noch stärker geladen. – He da! Kammerkätzchen! wo ist mein Schlafzimmer?
Page. (verschämt kokettirend) Auf dem Gange. Ich werde so glücklich seyn, dem Herrn Lieutenant vorzuleuchten.
Heldens. So glücklich seyn? I was Teufel! Du setzest ja Deine Worte wie ein Feldprediger – Kennst Du mich denn?
Page. Ach, wer sollte einen so wackern Kriegsmann nicht kennen? Es giebt ja kein Stubenmädchen in der ganzen Stadt, die ihm nicht nachsähe, wenn er über die Straße geht.
Heldens. Blitzmädel! Ich glaube, sie ist hübsch. (guckt ihr unter die Haube) Ja mein Seel!
Page. (minaudirend) Ach hören Sie doch auf, mein Herr! – Sie könnten einem armen Mädchen was in den Kopf setzen – mich unglücklich machen –
Heldens. Wie so, Kind? Wieso?
Page. (verschämt stockend) I nu, – ich könnte mir am Ende wohl gar einbilden – Sie wären mir gut.
Heldens. Das bin ich auch. Potz Friedrich und Bonaparte! ich habe den ganzen Einjährigen Krieg mitgemacht. So oft ich eine Festung eroberte, hat man mir Deputationen von zwanzig, dreyßig hübschen Mädchen entgegen geschickt, aber so ein niedliches Kind, wie Du bist, hab ich nirgend angetroffen.
Page. Sie scherzen mit Ihrer unterthänigen Magd. Sollen wir gehn?
Heldens. Höre, Schatz, führe mich lieber auf Dein Kämmerlein, da will ich Dir vom Einjährigen Kriege Wunderdinge erzählen.
Page. Ich höre so etwas vor mein Leben gerne – aber –
Heldens. Was aber? Die Aber hau' ich alle in die Pfanne. Wo schläfst Du? etwa im vierten Stock?
Page. Das wohl eben nicht. Mein Zimmer ist hier ganz in der Nähe. (Er deutet auf Deborahs Zimmer )
Heldens. Dieses? Erwünscht! Allons! Marsch! (will ihn hineinziehen)
Page. Jemine! Ich muß ja erst die andern Herren zu Bette leuchten.
Heldens. So schlüpf ich indessen voran und harre Deiner!
Page. Wenn Sie das wollten? Aber Sie müssen mir schwören, daß Sie meine Unschuld respektiren werden.
Heldens. Parole d'honneur! Im Einjährigen Kriege hab' ich alle Unschulden respektirt.
Page. Und müssen sich still verhalten, wenn Sie etwa ein Geräusch hören.
Heldens. Geräusch? Wovon?
Page. I nu, es ist da ein Eichhörnchen von Ihrer Fräulein Braut und ein paar Katzen von der gnädigen Tante. Es wär' auch möglich, das Stubenmädchen liefe noch einmahl durch, aber stehen Sie nur hinter dem Bettvorhang und kehren sich an nichts.
Heldens. Wohl, wohl! Komm nur bald nach. Ich will Dir Geschichten erzählen, die in Altona und Hamburg in keiner Zeitung stehen! – (tappt in Deborahs Zimmer)
Page. (schiebt ihn hinein). Fort! ich höre kommen.
Brennessel. Page.
Brenn. ( zurückredend ) Gute Nacht, Schwiegerpapa, gute Nacht! Nun will ich noch einmahl nach meinen Mastochsen sehen, ob sie Heu genug vor haben – Ja so, potz Miekchen! ich hin ja nicht zu Hause.
Page. (bey Seite) Der hat auch ein Gläschen zu viel.
Brenn. He da! wo ist mein Schlafzimmer?
Page. Hier, gnädiger Herr! (zeigt auf der Tante Zimmer )
Brenn. Gieb mir das Licht und rufe meinen Peter; er soll mir die Stiefeln ausziehen.
Page. Gleich, gnädiger Herr! aber es spuckt hier im Hause; ohne Licht getrau' ich mich nicht die Treppe hinunter zu gehen.
Brenn. Ja so, es spuckt. Der Schwiegerpapa hat mir das auch schon gesagt. Na, so nimm das Licht nur mit; ich will mich indessen schon im Dunkeln behelfen. (Er geht nach der Thüre)
Page. Gleich an der Thüre steht ein Sopha, da dürfen Sie sich nur so lange niederlassen. Sollten Sie etwa rascheln hören, so fürchten Sie nichts, es giebt da eine Menge Ratten und Mäuse.
Brenn. O, die giebt es bey Tausenden in meinem Kuhstalle! Daraus mache ich mir gar nichts. ( Er tappt hinein)
Page. Da kommt wahrhaftig der Dritte auch schon.
Kreuzqueer. Der Page.
Kreuzq. Ja, ja, Schwiegerpapa, morgen sollen Sie noch ganz andere Dinge hören. Auf Reisen giebt's Abentheuer. Für heute, gute Nacht! – Sieh da! ein hübsches Kind! Sollst Du mir mein Schlafzimmer anweisen?
Page. Ja, gnädiger Herr! (deutet auf Deborahs Zimmer)
Kreuzq. Dieses hier?
Page. Ja, gnädiger Herr!
Kreuzq. Nun, so führe mich flugs hinein, denn ich bin verdammt müde.
Page. Belieben Sie mir nur zu folgen! (Er bläst unvermerkt das Licht aus) Ach! ich dummes Mädchen! da ist mir das Licht ausgegangen. Wollten Sie nur die Gnade haben, voran zu spazieren, ich werde sogleich ein anderes Licht holen.
Kreuzq. Hat nichts zu bedeuten. Als ich von Stolpe nach Danzig reiste, da bin ich gar oft ohne Licht zu Bette gegangen. (tappt hinein)
Page allein.
Ihr Götter! das übrige stelle ich in Eure Hand. Fort mit dem Plunder! (Er wirft Haube und Schlafrock von sich) Aber, wo mich verstecken? denn ich muß doch ärndten, wo ich gesäet habe. Halt! der Winkel am Schranke bleibt im Schatten, wenn auch die Tante ein Licht mitbringt. Aber der Perückenstock? Ey, den wollen wir mit den übrigen Perückenstöcken zusammensperren! (Er nimmt die Perücke herunter, setzt die Haube darauf, und setzt ihn hurtig in Deborahs Zimmer, dann stellt er sich geschwind in den leeren Platz desselben, hängt sich die Perücke auf den Kopf, so daß der Zopf ihm über das Gesicht hängt, schiebt einen Großvaterstuhl vor sich, der ihn halb bedeckt, und steht ganz still)
Deborah kommt mit einem Lichte aus ihres Bruders Zimmer.
Gute Nacht, Bruder Hanns! (sie gähnt) Ich glaube wahrhaftig, die Uhr ist schon über zehn. Nein, das Schwärmen kann ich nicht mehr vertragen. (sie nähert sich ihrem Zimmer)
Heldens. (inwendig) Wer da?
Brenn. Wer packt mich?
Kreuzq. Laßt mich los!
Deborah. Ach du mein Gott! Was spuckt in meinem Zimmer? Bruder! Bruder! (Verworrenes Geschrey inwendig) Satan, wer bist Du? Laß mich los! Licht her! Licht her!
Bar. (im Nachthabite, tritt aus seinem Zimmer) Alle gute Geister
Deborah. Ach Bruder! Alle böse Geister sind in meinem Schlafgemach.
(Geschrey und Gepolter inwendig)
Brenn. Ich bin ja der gnädige Herr von Brennessel.
Kreuzq. Du bist der Teufel!
Heldens. Hinaus mit Euch! hinaus!
(Die Thüre fliegt auf. Brennessel und Kreuzquer haben sich gepackt und zerren sich heraus. Hinter ihnen Heldensinn, mit dem Perückenstocke in der Hand, den er hoch schwingt. Alle haben bereits angefangen ihre Nachttoilette zu machen)
Heldens. Potz Friedrich und Bonaparte!
Bar. Sehe ich recht, meine Herren Schwiegersöhne?
Kreuzq. Ey, ey! sind Sie es, Herr von Brennessel?
Brenn. Freylich bin ich es, und die Nase, die Sie gepackt haben, gehört auch mir zu.
Bar. Was soll das bedeuten?
Deborah. Wie kommen Sie in mein Schlafzimmer?
Brenn. Die Kammerjungfer hat es mir angewiesen.
Kreuzq. Mir auch.
Heldens. Mir auch.
Deborah. Unmöglich! Ich merke schon, das ist ein Affront für mich. Nun, Bruder? hab' ichs Dir nicht immer gesagt. Alle Liebe rostet nicht? Zwey von diesen Herren haben mir vor zwanzig Jahren die Cour gemacht, haben mir lange nachgestellt nun, meynen sie, wäre der rechte Zeitpunkt gekommen meine Unschuld mein guter Ruf
Bar. Ich will nicht hoffen
Brenn. Potz Miekchen! ich kann beschwören
Heldens. Ich auch.
Kreuzq. Ich auch.
Deborah. Was ist da zu beschwören? Die That spricht. In mein Kämmerlein haben sie sich geschlichen, das noch keines Mannes Fuß jemals betreten hat. Was konnten sie anders da wollen, als meiner Unschuld Fallstricke legen? Dann sind sie eifersüchtig auf einander geworden und haben sich beyn Köpfen genommen.
Bar. Wie, meine Herren? in dem Augenblicke, da Sie mit meinen Töchtern verlobt werden, thun Sie meinem Hause einen solchen Schimpf an?
Kreuzq. Aber du lieber Gott
Brenn. Die Kammerjungfer hat uns ja selber hinein geführt.
Heldens. Ja, Schwiegerpapa, die muthwillige Dirne ist an allem Schuld.
Deborah. Das wollen wir bald sehen! (sie geht an die Thüre) Christine! Christine!
Christ. (kommt) Ihro Gnaden?
Deborah. Hast Du die Herren in mein Schlafzimmer geführt?
Christ. Gott bewahre!
Deborah. Da haben wir's! Nun leugnen Sie noch, wenn Sie können? Sagen Sie es dem Mädchen ins Gesicht!
Brenn. Diese war es nicht.
Kreuzq. Eine Andere.
Deborah. Wir haben keine andere im Hause. Pfui! Schämen Sie sich!
Heldens. So war es der leibhaftige Satan.
Bar. Der soll Ihnen dießmahl nicht heraushelfen.
Deborah. Bruder Hanns! Von Dir fordre ich Rache für meine beleidigte Ehre.
Bar. Fort, aus meinem Hause! Und morgen müssen Sie sich alle drey mit mir schießen.
Kreuzq. Ich schieße mich nicht.
Heldens. Und ich gehe nicht.
Brenn. Und ich auch nicht.
Bar. Das wollen wir doch sehen!
Heldens. Um Mitternacht jagt man die Gäste nicht aus dem Hause.
Kreuzq. Nein, das thut man nicht.
Brenn. Wir weichen nicht von der Stelle.
Bar. (wüthend) Johann! Niclas! Peter! Kein Bedienter mehr im Vorzimmer? Gleichviel! Ich ziehe mich wieder an, ich hole selber die Polizey. Deborah, gieb mir meine Perücke!
Deborah. So recht, Bruder! der Schimpf muß gerochen werden. (Sie geht mit dem Lichte hin und nimmt die Perücke von des Pagen Kopf) Ah!
Bar. Was giebt's?
Heldens. Da steht das rechte Kammermädchen.
Brenn. Ja, das ist sie!
Deborah. Der Page?
Bar. Der verfluchte Page.
Heldens. Kreuzq. und Brenn. Ein Page?
Deborah. Jetzt begreif' ich.
Bar. Galgenschwengel! wie kommst Du hierher?
Page. (kommt hervor) Ich freue mich, Sie allerseits wohl zu sehen. Wollen der gnädige Onkel die Gnade haben mich diesen fremden Herren zu präsentiren?
Bar. Taugenichts! Du hast Dich selber präsentirt. Meine Herren, ich bitte um Vergebung, ich habe Ihnen Unrecht gethan. Der Bube leider mein Vetter! ist Schuld an Allem. Aber er soll gezüchtigt werden, darauf gebe ich Ihnen mein Wort.
Heldens. Ich hau' ihn morgen früh in kleine Stücke.
Kreuzq. Ich werd' ihn Conduite lehren.
Brenn. Nicht zu meinem Viehhirten wollt' ich ihn machen.
Bar. Ueberlassen Sie mir seine Strafe und folgen Sie indessen diesem wahrhaften Kammermädchen, um endlich der Ruhe zu pflegen.
Heldens. Im ganzen Einjährigen Kriege hab' ich solchen Spektakel nicht erlebt.
Brenn. In meinem Kuhstalle gehts ruhiger zu, als in diesem Hause.
Kreuzq. So etwas ist mir nicht wiederfahren, als ich von Stolpe nach Danzig reiste. (Alle dreye ab mit Christinen)
Baron. Deborah. Page.
Bar. Und nun, mein sauberer Herr Vetter, pack' er sich auf der Stelle aus meinem Hause.
Deborah. So recht!
Page. Der gnädige Herr Onkel werden doch nicht verlangen, daß ich mitten in der Nacht
Bar. Wer mitten in der Nacht dumme Streiche macht, der büße sie auch. Fort!
Page. Ach, gnädige Tante, erbarmen Sie sich meiner!
Deborah. Nichts da! Fort!
Page. Alle Wirthshäuser sind ja schon verschlossen.
Bar. So bleibt man auf der Straße.
Page. Es regnet draußen.
Deborah. Da wird der Muthwille sich abkühlen.
Page. Ich habe kein Geld.
Bar. Das bedaure ich.
Page. Wenn der gnädige Onkel mir ein paar Dutzend Dukaten
Bar. Keinen Pfennig.
Page. Ich muß aber doch leben.
Bar. Das ist nicht so nothwendig.
Page. Wohlan, wenn ich in Verzweiflung gerathe
Deborah. Ein Page geräth nicht in Verzweiflung.
Page. Nein, da haben Sie recht! Hahaha! Was ist's nun mehr? Ich schlafe à la belle Etoile! Hat doch Rousseau auch einmahl unter freyem Himmel geschlafen. Freylich regnete es damals nicht. Immerhin! Bekomme ich das Fieber und sterbe (zum Baron mit hohler Stimme) so wird meiner Mutter Geist Wehe! über Sie rufen. Hören Sie? meiner Mutter, ihrer Schwester Geist! Gute Nacht, lieber Oheim! (statt aus der Mittelthüre zu gehen, schlüpft er schnell in des Barons offenes Zimmer)
Bar. (der sich eben, durch die Geisterdrohung erschreckt, gegen Deborah gewendet hatte) Was spricht er da von Geistern? der verwegne Bursche! Gespenster giebt es nicht, nein, Gespenster nicht, aber Geister das ist ganz ein Anderes. Die größten Männer haben an Geister geglaubt. Und wenn es auch keine gäbe, so will ich doch nicht, daß man davon in meinem Hause, und noch dazu um Mitternacht, sprechen soll. Verdammter Bube! will seiner Mutter Geist Wehe! über mich rufen lassen I nu, er mag diese Nacht nur noch zum letztenmahle hier schlafen.
Deborah. Er ist schon fort.
Bar. Ist er? Auch gut. So wollen wir uns zur Ruhe verfügen. Gute Nacht, Deborah!
Deborah. Gute Nacht, Bruder Hanns! (geht in ihr Zimmer)
Bar. (geht langsam auf sein Zimmer zu und stutzt vor der offenen Thüre) Hm! Hab' ich denn nicht noch ein Licht in meinem Zimmer brennen lassen? Wer hat es denn ausgelöscht?
Page. (inwendig, seufzt tief)
Bar. (prallt zurück) Horch! war das nicht ein Seufzer?
Page. (seufzt abermahls)
Bar. (retirirt sich immer weiter) Ja, so wahr ich lebe! Noch einmal! Deborah!
Page. (seufzt zum drittenmahl)
Bar. Ach, Gott sey mir Sünder gnädig! Jetzt hat es zum drittenmahle geseufzt. Deborah! Deborah!
Deborah. (inwendig) Was giebts denn?
Bar. Komm doch geschwind heraus!
Deborah. Ich bin schon mit einem Fuße im Bette.
Bar. So komm nur geschwind mit dem andern Fuße!
Deborah. Ich kann nicht.
Bar. So mache mir wenigstens Deine Thüre auf.
Deborah. Warum denn?
Bar. (der immer mit ängstlichen Blicken seine eigne Thüre bewacht) In meinem Schlafzimmer hat es dreymahl tief geseufzt.
Deborah. Ach, Du bist ein Narr!
Bar. Wie Du willst; aber komm nur!
Deborah. Laß mich zufrieden. Ich komme nicht.
Bar. O Du Rabenschwester! Was fang ich an? Meine Leute sind auch schon alle zu Bette (er schiebt sich an der Wand fort nach der Mittelthüre) He da! Ist niemand mehr im Vorzimmer?
Stiefel. Baron.
Stief. Was befehlen der gnädige Herr?
Bar. (sehr erfreut) Sieh da, Stiefel! Mein guter Stiefel! bist Du noch wach? das ist mir ja eine wahre Erquickung.
Stief. Die andern sind alle zu Bett. Ich warte nur noch auf meinen jungen Herrn.
Bar. Der ist schon längst hinaus; er wollte im Wirthshause schlafen.
Stief. So? Da muß er durchs Vorzimmer geschlüpft seyn, als ich eben ein wenig eingeduselt war.
Bar. Denke Dir nur, mein guter Stiefel! da in meinem Schlafzimmer hat es schon dreymahl geächzt und gestöhnet.
Stief. Wer?
Bar. Ja wer? Das ist eine verwegne Frage. Ich getraue mich nicht hinein. Hast Du Courage?
Stief. Warum nicht? Wenn ein Trinkgeld dabey zu verdienen ist?
Bar. Sollst Du haben. Geh, geh, mein tapferer Stiefel! Suche den Grund zu erforschen.
Stief. So geben Sie mir das Licht!
Bar. Das Licht? Dann blieb' ich ja hier im Dunkeln ganz allein?
Stief. Ohne Licht kann ich keine Untersuchung anstellen.
Bar. Weißt Du was? Es muß noch ein Licht darin auf der Commode stehen. Wenn ich mit meinem Lichte mich so von ferne postire, so kannst Du es in der Dämmerung wohl finden. Spring hinein! hol es heraus!
Stief. Auch das, gnädigster Herr! (er thut es)
Bar. Es ist doch ein wackerer Bursche, der Stiefel.
Stief. (kommt mit dem unangezündeten Lichte zurück).
Bar. Nun? hast Du nichts gemerkt?
Stief. Gar nichts? (er zündet das Licht an)
Bar. So geh' und untersuche alle Winkel!
Stief. (geht mit dem brennenden Lichte wieder hinein)
Bar. Möcht' er doch eine Katze oder irgend ein anderes Beest antreffen, dem man das Seufzen Schuld geben könnte! Denn wenn er gar nichts findet, so ist es noch weit bedenklicher. Er bleibt lange er wird doch nicht Stiefel! wo bist Du? (immer ängstlicher) Stiefel! Hörst Du mich nicht?
Stief. (der das Lachen kaum verbeißen kann) Hier bin ich, gnädiger Herr!
Bar. Nun? was schneidest Du für Grimassen? Hast Du etwas gefunden?
Stief. Ach, gnädiger Herr! ich habe den Krampf im Gesicht in Ihrem Zimmer ist es nicht geheuer.
Bar. (zitternd) Wie? Wieso?
Stief. In Ihrem Bette
Bar. Was? In meinem Bette
Stief. Liegt eine Gestalt
Bar. Was? Eine Gestalt?
Stief. Und scheint recht süß zu schlafen.
Bar. Eine Gestalt schläft in meinem Bette? Ach Gott! hab' ich darum ein Bett, damit Gestalten sich hineinlegen und darin schlafen sollen? Sprich! Ist es meine eigne Gestalt?
Stief. Das hab' ich so genau nicht unterscheiden können. Der Henker mag sich lange hier aufhalten. Schlafen Sie wohl, gnädiger Herr.
Bar. (außer sich) Was! Stiefel! Herzallerliebster Stiefel! Du willst mich doch hier nicht allein lassen?
Stief. Was soll ich denn hier? Ich bin schläfrig und mein junger Herr wird auf mich warten.
Bar. Ich bitte Dich um Gotteswillen!
Stief. Ich will ein Paar von Ihren Leuten wecken.
Bar. Unterdessen blieb' ich ja doch immer allein.
Stief. So gehen Sie mit mir.
Bar. Da müßt' ich ja doch entweder hinter Dir oder vor Dir gehen, und beydes kann ich dermahlen nicht prästiren.
Stief. Was sollen wir denn aber anfangen?
Bar. (bittend) Wir wollen hier ein zeitverkürzendes Gespräch führen.
Stief. Bis morgen früh?
Bar. Ja, bis morgen früh.
Stief. Danke gehorsamst!
Bar. Stiefelchen, mein bestes, mein einziges Stiefelchen!
Stief. Aber, gnädiger Herr! was gehen mich Ihre Gespenster an?
Bar. Pst! Um Gotteswillen! rede doch nicht von Gespenstern! Es giebt keine Gespenster, aber es sind Kräfte in der Natur, die man, ohne sich zu schämen, wohl fürchten darf. Darum bleibe bey mir, mein Stiefelchen! Ich will Dich belohnen; ich will Dir einen Gulden, einen Thaler schenken.
Stief. Ja so, das klingt anders. Für einen Thaler kann man ja wohl einmahl des Nachts hindurch bey einem Kranken wachen.
Bar. Setze Dich hier auf diesen Lehnstuhl! (Er schiebt den Stuhl fast dicht vor das offene Zimmer, so daß Stiefel gerade hineinsehen muß) und ich will mich hierher setzen. (Er stellt den zweiten Stuhl in der nehmlichen Richtung, doch um ein Beträchtliches entfernter.)
Stief. Erlauben Sie, das wird sich nicht schicken, daß ich Ihnen den Rücken zukehre.
Bar. Hat nichts zu bedeuten. Setze Dich nur!
Stief. Aber so nahe? Das ist für Einen Thaler zu viel gefordert.
Bar. I nu, es soll mir auch auf einen Dukaten nicht ankommen.
Stief. Einen Dukaten? Ich sitze.
Bar. Die Nacht ist lang; ich will Ein Licht auslöschen, damit, wenn das Andere zu Ende brennt, wir nicht im Finstern bleiben müssen.
Stief. (streckt sich aus) Ein weicher Sessel. Hier wird sich's angenehm schlummern.
Bar. Beyleibe nicht! Sieh, ich nehme dieses Stöcklein zur Hand. So oft ich merke, daß Dich der Schlaf überwältigt, so werde ich Dich ein wenig auf den Kopf tippen.
Stief. Wenn ich nur Etwas zu trinken hätte!
Bar. Auf dem Tische in meinem Schlafzimmer steht eine Bouteille Wein; aber ich kann Dir nicht zumuthen
Stief. Ey was! ich riskire es! (er springt hinein)
Bar. Das ist ein Teufelskerl!
Stief. (inwendig) Ich habe sie!
Bar. Die Gestalt?
Stief. (kommt heraus) Nein, die Bouteille!
Bar. Liegt sie noch im Bette?
Stief. So viel ich in der Dämmerung .sehen konnte, ja! Aber ich denke, wir haben wenig von ihr zu befürchten, denn sie schläft wie ein Ratz.
Bar. Ach Gott! Ach Gott!
Stief. (trinkt) Der Wein ist gut.
Bar. Besaufe Dich nur nicht. Das wird eine schöne Nacht werden! Ach! wer mich so sitzen sähe, einen Stein in der Erde möcht' es erbarmen!
(indem Stiefel trinkt und der Baron jämmerlich da sitzt, fällt der Vorhang.)
Ende des ersten Aufzugs.