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Den 7ten wurden bei Tagesanbruch die Anker gelichtet, um das liebe Otdia, wo wir unter unverdorbenen Naturmenschen manchen frohen Tag verlebt hatten, zu verlassen. Die Segel wurden gespannt, das Wetter war freundlich und der Wind uns so günstig, wie es die Menschen waren, die uns jetzt vom Ufer ihr letztes Lebewohl zuwinkten. Ich nahm jetzt den Cours nach der Passage Schischmareff; keine Korallenbank erschreckte uns, deren wir überhaupt nur zwei rechts in einiger Entfernung liegen sahen. Von der Insel Ormed folgte uns ein Canot. Um acht Uhr hatten wir den Schischmareffs-Canal erreicht, der durchaus der Ruricks-Straße vorgezogen werden muß, weil er viel breiter ist und dem Seefahrer erlaubt, mit dem gewöhnlichen Passat heraus und hinein zu segeln, ohne in der Straße selbst das Schiff wenden zu müssen; auch ist die Ruricks-Straße nicht so leicht zu finden, da man dort nichts als die Fortsetzung eines Riffs sieht, der sich immer gleich bleibt, hier hingegen ist die Passage zwischen zwei Inseln, selbst aus der Ferne, unverkennbar. In der Mitte der Straße rief die Wache vom Mastkorb: Land! In S.t.W. zeigten sich ein Paar kleine Inseln, die Gruppe Eregup war also schon sichtbar.
Ich nahm sogleich einige Sonnenhöhen und erhielt für die Länge nach den Chronometern 189º 50' 00".
Die Breite nach der Schiffsrechnung, hergeleitet von unserm Ankerplatz, gab ...9º 24' 57" N.
Eine so schnelle Erscheinung der Inselgruppe hatten wir nicht erwartet, sie bewies uns, daß Lagediacks Tagereise kein Maaßstab für die unsrige war, und ließ vermuthen, daß auch die übrigen Gruppen näher lägen, als er sie bestimmte. Da wir Eregup schon früher sahen, als wir Otdia aus den Augen verloren hatten, so war es uns leicht, beide Gruppen durch Winkel so zu verbinden, daß auch Eregup eine genaue Lage auf der Karte erhielt.
Um zehn Uhr hatten wir die nördlichste Spitze der Inselgruppe Eregup erreicht, die nur aus Korallenriffen bestand, richteten hierauf unsern Cours nach W und durchschifften den durch Eregup und Otdia gebildeten Kanal, um uns an die erste unter den Wind zu begeben. Im Kanal brachte die Strömung ein starkes Brausen hervor, die Wellen thürmten sich wie eine Brandung über einer Untiefe; ich ließ das Senkblei werfen, erreichte aber auf 100 Faden keinen Grund. Mittags hatten wir die nördliche Spitze von Eregup umschifft, befanden uns unter dem Winde in ruhigem Wasser, und verfolgten nun die westliche Seite in der Entfernung einer Meile, indem unser Cours uns SO führte, da die Gruppe diese Richtung nahm. Nach einer guten Observation befanden wir uns in der Breite 9º 9' 6" N Länge nach den Chronometern 190º 2' 47". Der Wind hatte sich jetzt nach O gewandt, und wir mußten laviren, um die südliche Spitze der Gruppe zu erreichen. Bald übersahen wir sie sehr deutlich und fanden sie beträchtlich kleiner als Otdia. Ihre Länge beträgt 24, ihre Breite nur 4 Meilen. Der ganze Kreis besteht aus Einem Riff, und enthält nur wenig Inseln, wie man auf der hiezugehörigen Karte deutlich sehen kann. S. Karte von der Insel-Kette Radack und Ralick. Um vier Uhr befanden wir uns schon in der Nähe der südlichen Spitze der Gruppe, die mit der größten Insel schließt, welche wahrscheinlich den Namen Eregup führt; wenigstens war es die einzige, worauf wir Cocosbäume und Menschen sahen. Ich mußte jetzt der Aussage Lagediacks, daß sie nur von drei Menschen bewohnt werde, Glauben beimessen, da selbst das Erscheinen unseres Schiffs, nicht mehrere ans Ufer lockte. Um eine hier in der Nähe sichtbare Passage zu untersuchen, schickte ich den Lieutenant Schischmareff ab, der aber bald mit der Nachricht zurückkehrte, daß sie vielleicht schiffbar, doch durch viele Krümmungen gefährlich, und nur mit W Wind zu passiren sey. Auf diesen Bericht gab ich die fernere Untersuchung dieser Gruppe auf, die mir zu unbedeutend schien, um viel Zeit daran zu verlieren; die Aufnahme derselben war beendigt, und um sieben Uhr umsegelten wir ihre südlichste Spitze. Wir suchten jetzt nach N den Wind zu gewinnen, um mit einem SO Cours gerade auf die Inselgruppe Kawen zu gehen, welche nach Lagediacks Aussage in O liegen mußte. Den Durchgang, den er an der Nordspitze von Eregup anzeigte, haben wir nicht finden können. Ich nannte diese Gruppe nach unserm ehemaligen Seeminister Tschitschagof. Bei Sonnenuntergang entfernten wir uns vom Lande, und lavirten unter wenigen Segeln bei heiterm Wetter und mäßigem ONO Wind, die ganze Nacht.
Den 8ten Februar. Der südöstliche Theil der Gruppe Eregup, lag uns bei Anbruch des Tages in NW, wir hatten also mit einem Strom aus N zu kämpfen gehabt; alle Segel wurden wieder aufgespannt, der Wind verstattete einen nördlichen Cours und um sieben Uhr Abends sahen wir in N die hohe Insel der Gruppe Otdia, neben welcher sich die Passage Lagediack befindet; in einer Entfernung von drei Meilen lag uns zur linken die Gruppe Eregup. Eine gute Mittagsobservation gab uns für die Breite: 9º 9' 49" N Länge nach den Chronometern 189º 51' 14". Wir fanden, daß uns der Strom seit gestern Abend 6¾ Meile nach S getrieben hatte. Der ganze Tag und die Nacht verstrichen unter Laviren.
Den 9ten sahen wir Otdia nicht mehr, das Wetter war hell und wir lavirten ununterbrochen. Vormittags zeigte sich der Mond, und wir nahmen sogleich zwischen diesem und der Sonne eine Menge Distanzen, aus welchen die Länge berechnet und auf den Mittag reduzirt 189º 20' 20" gab. Die Chronometer gaben für den Mittag 189º 26' 43", die observirte Breite war 8º 53' 16". Der Strom hatte uns seit gestern Mittag 9½ Meile nach SO 28º gebracht, und wir hatten aus dieser Ursache den Punkt noch nicht erreichen können, von welchem ich mit einem SO Cours auf die Inselgruppe Kawen zu stoßen hoffte. Der Wind war stark und die Nacht verstrich unter Laviren.
Den 10ten um sechs Uhr Morgens befanden wir uns endlich auf dem erwünschten Punkte, alle Segel, die der heftige Wind nur zu führen erlaubte, wurden jetzt aufgespannt, wir avancirten rasch und hofften jeden Augenblick auf die Erscheinung des Landes, während die hohen irregulairen Wellen den Rurick in starke Bewegung setzten. Am Mittag fanden wir die Breite 8º 55' 52" N, Länge nach den Chronometern 189º 20' 13" W. Der Strom hatte uns in 24 Stunden 12¼ Meile nach SW 88º getrieben. Kaum hatten wir unsere Instrumente nach der Observation bei Seite gelegt, als vom Mast aus gerade in O, in einer Entfernung von zehn Meilen Land entdeckt ward. Schon hatten einige unserer Herren die Hoffnung aufgegeben, die Gruppe zu finden, an deren Existenz sie bereits zweifelten. Lagediack aber hatte ihre Lage ziemlich richtig angegeben, ihre Entfernung von Otdia betrug 45 Meilen. Wir näherten uns jetzt rasch der Gruppe, die mit ihren großen Palmen bedeckten Inseln, einen angenehmern Anblick gewährte, als Eregup. Als wir uns an ihrer westlichen Spitze befanden, sahen wir in S und SO eine Kette von Inseln, welche sich soweit erstreckte, daß sie erst unter unserm Horizont zu verschwinden schien. An der westlichsten Spitze befand sich die größte Insel der Gruppe, welche, wie wir nachher erfuhren, Kawen heißt. Um vier Uhr Nachmittags waren wir unter dem Winde der Gruppe, die uns gegen die Wellen der hohen See schützte und uns erlaubte, die Inselkette in der Entfernung einer halben Meile nach S zu verfolgen. Nachdem wir neun Meilen herunter gesegelt waren und die Sonne sich ihrem Untergange näherte, gab ich die weitere Untersuchung für heute auf, das Schiff wurde gewandt, und wir segelten den Weg zurück den wir gekommen waren. Wir hatten zwischen den Riffen zwei Passagen gesehen, die größere neben der Insel Kawen, die zweite etwas südlicher und ich beschloß, morgen mein möglichstes zu thun, um in die Gruppe hinein zu dringen. Auf unserm Rückwege sahen wir auf Kawen eine große Menge Menschen, welche sich an dem Anblick unsers Schiffs ergötzten, es war also zu hoffen, daß wir hier eine stärkere Bevölkerung antreffen würden.
Den 11ten ward der Wind bei Anbruch des Tages heftig, da aber das Wetter heiter blieb, so gab ich meinen Vorsatz nicht auf, in die Gruppe hinein zu dringen. Um sechs Uhr sahen wir die Insel Kawen und um halb acht befanden wir uns schon in ruhigem Wasser vor der Passage, die neben dieser Insel liegt. Der Wind ward jetzt so stark, daß die Marssegel doppelt hätten gerifft werden müssen, da die Richtung der Passage aber das Eindringen nur durch Laviren möglich machte, so durfte ich nicht wenige Segel tragen, und befahl nur die Bramsegel einzunehmen. Wir hatten uns dem Eingange unterdeß bis auf einen Faden genähert und konnten hier genau sehen, ob die Tiefe für unser Schiff hinreichte. Es wird besonders den Seemann befremden, daß wir die Tiefe des Wassers mit den Augen ermessen wollten; indeß ist, wie schon gesagt, das Wasser zwischen den Korallengruppen so klar, daß man selbst beim Segeln den Boden auf acht Faden sehen kann, und überdem war unser Auge in diesem Betracht so geübt, daß wir schon aus der Farbe des Wassers auf die Tiefe desselben schließen konnten. Als wir uns der Straße näherten, fanden wir sie nicht so breit, als sie es in der Ferne schien; zwei unter dem Wasser verborgene Untiefen, durch welche man laviren mußte, bildeten eine Passage von weniger als ¼ Meile, und obzwar das Unternehmen bei so heftigem Winde gefährlich war, so beschlossen wir doch, der Gefahr rasch zu trotzen. Während wir die Straße untersuchten, waren zwei Böte, jedes mit sieben Insulanern bemannt, des heftigen Windes ungeachtet, aus dem östlichen Theil der Gruppe auf uns zu gesegelt, blieben aber in einer Entfernung von 200 Faden und lavirten wie wir. Eben bewunderten wir ihr künstliches Manöver und die Möglichkeit, bei diesem Winde ein so großes Segel zu tragen, als ein heftiger Windstoß das eine von den Böten umwarf. Wir sahen jetzt die Menschen herum schwimmen; ein Theil derselben, Weiber wie es mir schien, pflanzten sich behende auf den Kiel, die andern banden sich Stricke um den Leib, und bugsirten schwimmend das Canot ans Land. Das andere Canot segelte unterdeß, unbekümmert um den Unfall seiner Gefährten, mit vollem Winde nach O wo es das Land erreichte. Bald darauf kamen zwei größere Böte von der Insel Kawen auf uns zu, hielten sich immer unter Segel, machten allerlei Bewegungen mit den Händen, und schrien uns Worte zu, die wir weder verstehen, noch bei dem Sausen des Windes recht hören konnten. Böte und Costüm unterschieden sich nicht im Mindesten von denen auf Otdia und wir konnten nicht länger zweifeln, daß es dieselbe Nation sey. Auch diese bekümmerten sich nicht um die Verunglückten und es fiel ihnen nicht ein, diesen beizustehen, die noch eine halbe Meile vom Ufer entfernt, genug zu thun hatten, um es zu erreichen. Wir mußten jetzt unsere ganze Geschicklichkeit aufbieten, um das Schiff glücklich durch den Kanal zu bringen, da wir in Gefahr waren, bei jeder verunglückten Wendung zu scheitern, und obgleich ein heftiger Regen uns zuweilen die Aussicht benahm, so hatten wir doch um neun Uhr das Innere der Gruppe erreicht, wo wir Raum genug zum Laviren fanden, da keine Korallenbänke sichtbar waren. Die Tiefe fanden wir über einem Boden von lebendigen Korallen, in der Mitte des Kanals 23 Faden, und sie nahm nach beiden Seiten regelmäßig bis auf fünf Faden ab. Kaum aber waren wir ins Bassin der Inselgruppe gedrungen, wo die Tiefe 20-30 Faden betrug, so zwang uns der immer heftiger werdende Wind, die Marssegel einmal zu riffen, dennoch gewannen wir, selbst mit diesen geringen Segeln, beim Laviren recht viel, da das Wasser spiegelglatt war. Um drei Uhr Nachmittags erreichten wir die von der Straße in N liegende Inselkette; Lieutenant Schischmareff machte auf einer Jolle einen Ankerplatz ausfindig, und nach einer halben Stunde warfen wir die Anker 200 Faden von einer kleinen Insel entfernt, auf 23 Faden Tiefe auf feinem Korallensand. Die Insel Kawen lag uns in SW fünf Meilen entfernt; die Böte der Eingebornen hatten uns beim Eindringen in die Gruppe verlassen. Bald nachdem wir geankert, fuhr ich mit einigen unserer Herren an die kleine Insel, die von der Beschaffenheit der Rumanzofs-Gruppe war und unbewohnt schien; nur wenig kleine leere Hütten dienten wahrscheinlich den Insulanern zum Aufenthalt, wenn sie hier fischten. Ratten fanden wir auch hier in großer Menge.
Den 12ten Februar. Obzwar unser Ankerplatz bei beträchtlicher Tiefe und wenig Schutz gegen die hohen Wellen, nicht bequem war, so beschloß ich doch, des heitern Wetters wegen, heute hier zu verweilen, um diesen Punkt astronomisch zu bestimmen. Gegen Mittag segelten zwei große Böte vom östlichen Theile der Inseln auf uns zu und kamen so nah, daß wir dreizehn Männer und drei Weiber zählen konnten. Das Wort: Aidara, welches wir ihnen als die beste Empfehlung zuriefen, that erwünschte Wirkung; die Wilden geriethen darüber ins höchste Erstaunen, erwiederten einstimmig die Begrüßung, und machten Anstalten, sich dem Schiffe zu nähern. Wir fühlten jetzt den großen Nutzen unserer sauererworbenen Sprachkenntniß, denn als wir sie in ihrer Sprache zu uns einluden, zögerten sie keinen Augenblick, und baten nur um ein Tau, das man ihnen zuwerfen möchte. Es geschah sogleich, das Tau fiel ins Wasser, und schnell sprang auch ein Insulaner hinein, der es ergriff und schwimmend das Boot daran befestigte. Nachdem diese Arbeit vollbracht war, während welcher wir uns viel artige Dinge sagten, bestiegen zwei Wilde das Schiff, unter denen ich den Anführer an seinem ausgezeichneten Schmuck erkannte. Seinen Kopf zierten weiße Federn, nebst einem ungeheuern Blumenkranz, seinen Hals verschiedene künstlich verarbeitete Knochen, und der Körper war mit fein geflochtenen Matten umwunden. Der Mann war wohlgewachsen, lang und stark und seine ganze Gestalt hatte viel Einnehmendes. Sein erstes Bemühen, als er das Schiff bestiegen, war, den Tamon desselben zu erkennen, und als ich ihm vorgestellt wurde, trat er auf mich zu, überreichte mir eine Cocosnuß und setzte mir seinen schönen Kranz aufs Haupt, indem er das Wort: Aidara, oft wiederholte. Er erzählte mir hierauf, daß auch er Tamon sey, von der in O liegenden Insel Torna, wo ich ihn besuchen möchte. Um sein Vertrauen ganz zu gewinnen, bot ich ihm einen Namentausch an, ein Vorschlag, der günstig aufgenommen ward; unter lautem Freudengeschrei wurde es auf den Böten bekannt gemacht, daß ihr Tamon Totabu heiße, und ich von nun an: Labadeny. Keine Freundschaft kann hier bestehen, ohne Geschenke, ich gab also auch dieser neugeschloßenen einen festen Grund durch verschiedene Eisenwaaren, die mein Namensbruder freudig empfing, und sie erst seinem Schatzmeister übergab, nachdem er sich an ihrem Anblick hinlänglich geweidet. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß ich schon in Otdia bemerkte, wie jeder Tamon seinen Schatzmeister immer bei sich hatte, der alle Geschenke in Verwahrung nimmt und zugleich erster Günstling zu seyn scheint. Labadenys Schatzmeister, ein Spaßmacher, war mager, rasch in seinen Bewegungen, hatte ein sehr lebhaftes Ansehn, sprach viel, indem er jedes Wort, mit heftigen Gestikulationen begleitete, kurz er war ganz das Gegenstück zu seinem ernsten Gebieter. Die freundschaftliche Aufnahme flößte unsern Gästen so viel Muth ein, daß sie ganz furchtlos auf dem Verdeck herum gingen, um ihre Neugier zu befriedigen; am lebhaftesten interessirte sich der Schatzmeister für alles, mußte wissen wozu jedes Ding da war, und konnte nicht aufhören, über das viele Eisen, Möll! Möll! zu rufen. Dieser war gleich so bekannt mit uns, als bewege er sich unter seinen vertrautesten Freunden; wollte er die Erklärung über irgend etwas wissen und ich war nicht gleich zur Hand, so lief er auf mich zu, packte und schleppte mich fort; alle seine Bemerkungen theilte er mit großer Lebhaftigkeit dem Labadeny mit und damit noch nicht zufrieden, sprang er jedesmal, wenn er wieder etwas merkwürdiges gesehen, auf das Geländer des Schiffs, erzählte seinen furchtsamen Kameraden in den Böten von den Wunderdingen, und diese hörten ihm mit offenem Munde zu. Eine mit Wasser gefüllte Tonne auf der Schanze blieb nicht unbemerkt, er fragte darnach, und als ich ihm erzählte, daß es Trinkwasser für uns alle sey, so machte er die wunderlichsten Sätze, und säumte keinen Augenblick diese wichtige Nachricht seinen Kameraden mitzutheilen. Gewiß geschah das nicht ohne starke Zusätze, wie ich aus den erstaunten Gesichtern seiner Zuhörer schloß; am meisten war eine alte, lebhafte Frau, die von vornehmen Stande zu seyn schien, von seinen Erzählungen ergriffen, indem sie wohl lange nicht soviel Neues erfahren hatte, als in diesem Augenblick. Eh uns Labadeny verließ, machte ich bekannt, daß Jeder für Cocosnüsse Eisen erhalten würde und wir schieden als gute Freunde, nachdem er uns noch einmal nach Torna zu sich eingeladen. Jetzt waren wir ganz überzeugt, daß die Bewohner Kawens und Otdia dasselbe Volk waren, ihre Art sich zu tatuiren, zu kleiden, war vollkommen gleich, nur herrschte hier offenbar ein größerer Luxus. Die mächtigen Rollen in den Ohrlappen waren mit Schildpatt verziert, die Matten der Bekleidung durchgängig neu, und der Hals im Uebermaaß behängt; auch die weißen Federn welche sich in dem schwarzen Haar gut ausnehmen, sah ich in Otdia nicht. Kawen ist die größte Insel der ganzen Gruppe, ihre Länge beträgt 2¼ und ihre Breite ¾ Meilen. Der Wind wehte Nachmittags stark aus ONO und erhob sich zur Nacht zu einem Sturm, wobei es oft regnete. Auffallend war es, daß der Barometer in dieser Gruppe höher stand, als in Otdia; dort war sein höchster Stand 30,00 gewesen und hier stieg er plötzlich, und zwar bei schlechtem Wetter bis 30,80.
Den 13ten Februar. Ich konnte heute meinen Vorsatz, weiter nach O zu segeln, nicht ausführen, weil der Wind noch immer heftig wehte, und es dabei so trübe war, daß man den Horizont kaum sehen konnte. Erst am Abend ward es heiter und wir hofften Morgen unsere Reise fortsetzen zu können.
Die Breite unseres Ankerplatzes fanden wir | 8º 54' 21" | N. |
Länge nach den Chronometern | 189º 7' 59" | W |
Declination der Magnetnadel | 11º 30' | O. |
Länge der Mitte der Insel Kawen | 189º 11' 27" | W. |
Den 14ten befanden wir uns schon bei frischem Winde und heiterm Wetter um sechs Uhr Morgens unter Segel. Labadeny, der gestern ebenfalls des Windes wegen, nicht segeln konnte, lavirte jetzt mit seinem Boote in unserer Gesellschaft nach O. Wir sahen im Vorbeisegeln die meisten Inseln mit Palmen bewachsen, die in Otdia so selten sind. Viele Menschen wandelten am Ufer, Rauchsäulen stiegen überall empor. Böte ruderten her und hin, und das Ganze erschien regsam und lebendig gegen die Todtenstille bei Otdia. Wenn wir im Laviren die Mitte des Bassins erreichten, so konnten wir die Inselkette, welche den südlichen Theil der Gruppe bildet, deutlich übersehn; die Tiefe betrug dort 32 Faden; der Grund besteht aus lebendigen Korallen, und in der Nähe der Inseln nur findet man feinen Korallensand, keine Korallenbänke erschweren hier die Navigation wie in Otdia. Nachmittags erreichten wir die kleine, mit Cocosbäumen anmuthig bewachsene und von den Eingebornen Tjan benannte Insel, wo Hütten und Menschen in Menge, starke Bevölkerung verriethen. Wir näherten uns ihr auf ein paar hundert Faden, und fanden einen durch einen Riff nach O geschützten, bequemen Ankerplatz, wo wir die Anker fallen ließen, um hier einen Tag zu verweilen und mit den Bewohnern Bekanntschaft zu machen. Labadeny, der uns auf seinem Boot hierher gefolgt, kam jetzt an Bord, und bat mich sehr, nach der östlicher gelegenen Insel Torua zu segeln, indem diese ihm zwar auch gehöre, aber nicht sein gewöhnlicher Aufenthalt sey. Ich beruhigte ihn durch das Versprechen, Morgen gewiß hinzukommen, und fuhr jetzt mit ihm ans Land. Die Beschaffenheit des Ufers ist hier von der Art, daß man es trocknen Fußes nicht erreichen kann; Labadeny hatte die Artigkeit, mich auf seinem Rücken dahin zu tragen, und der seltene Anblick, ihren Chef unter der Last eines weißen Menschen keuchen zu sehen, lockte viele Insulaner herbei. Nachdem er mich glücklich am Ufer niedergesetzt, hielt er seinem Volke eine lange Rede, von der ich nur so viel verstand, daß er mich für einen mächtigen Tamon ausgab; er faßte mich hierauf an, und führte mich ins Innere der Insel in eine geräumige Hütte. Alle Einwohner, auch hübsche, mit Blumen geschmückte Mädchen versammelten sich hier um uns, und ich bemerkte mit Vergnügen, wie die Blumen hier ihre Bestimmung erreichten, denn sie waren der allgemeine Schmuck der jungen Mädchen. Alt und jung beeiferte sich jetzt, uns Cocosnüsse zur Erfrischung zu reichen; der Schatzmeister aber übernahm die Unterhaltung. Viel wußte der Mann zu erzählen, was er alles auf dem Ellip Oa (großes Boot) gesehen und wie unendlich viel Möll, Möll! es da gäbe, am Ende zog er gar die Geschenke, welche Labadeny erhalten, hervor, um seine Zuhörer zu einer größeren Bewunderung zu reizen. Das freundliche vernünftige Betragen der Insulaner, machte ihren Umgang angenehm, besonders da sie, gestützt auf ihre Volksmenge, auch muthiger sind, als die Bewohner von Otdia. Die Neugier äußerte sich hier so lebhaft wie dort, und gern erfüllte ich ihre Wünsche alles genau untersuchen, bis auf den einen, daß ich mich ihrer Wißbegier zu Liebe, entkleiden sollte. Wir traten jetzt einen Spaziergang ins Innere der Insel an, die höchstens eine Meile lang und ¼ Meile breit ist. Für diesen geringen Umfang ist sie starkbevölkert; nach der Zahl der großen Häuser zu urtheilen, wohnen hier 15 bis 20 Familien und das wäre fast so viel, als die ganze Gruppe Otdia enthält. Die Cultur hat hier in sofern einen höhern Grad erreicht, als durchgängig nur nützliche Bäume, als Cocos, Pandanus und Brodfrucht gelitten werden; jeder Eigenthümer hat seinen kleinen Wald von Baum zu Baum mit einer Schnur umzogen, wahrscheinlich um sich nicht an fremdem Eigenthum zu vergreifen. Diese Vorrichtung, die in cultivirten Ländern nur lächerlich erscheinen würde, ist hier hinreichend, jedem das Seinige zu beschützen. Die ganze Insel hat das Ansehen eines englischen Parks, hin und wieder schlängeln sich Fußsteige, die der große Brodfruchtbaum mit seinen ausgebreiteten Aesten beschattet; die majestätische Palme steht neben dem, auf seinen hohen Wurzeln wie auf Füßen ruhenden Pandanus, und überall findet der Wanderer Schutz gegen die brennende Sonne. Die Hütten liegen zerstreut im Schatten der Brodtfruchtbäume, und an keiner gingen wir vorbei, ohne von der Wirthin freundlich gebeten zu werden, uns auf reinliche Matten zu setzen und einige Erfrischungen einzunehmen. Wir sahen uns hier wie in Otdia, vergeblich nach einem Gegenstand um, der uns einigen Aufschluß über ihren Glauben gegeben hätte, es war keine Spur davon zu entdecken; gewiß aber verehren sie ein unsichtbares Wesen, denn man kann sich ein Volk von so sittlichem Betragen nicht ganz ohne Religion denken.
Der ganze Reichthum an Federvieh bestand hier aus zwei Hühnern von kleiner Art; Labadeny bot mir beide als ein sehr kostbares Geschenk an, ich war aber weit entfernt, sie ihres kleinen Schatzes zu berauben, den ich leider nicht vergrößern konnte, da ich keine Hühner mehr besaß. Chamisso entdeckte drei Gattungen Taro, die an einer feuchten Stelle sorgfältig gepflegt wurden; die Quantität war aber so gering, daß diese Wurzel wohl nicht zur gewöhnlichen Nahrung dient, sondern nur als Leckerbissen betrachtet wird.
Als ich an Bord fahren wollte, brachten mir die Einwohner so viele Cocosnüsse, daß das Boot halb damit angefüllt wurde und wofür ich Eisen vertheilen ließ; Labadeny fragte mich noch, wo ich hergekommen und wohin ich ginge? Meine Antwort, daß ich von Otdia komme und nach Aur segeln wolle, setzte alle in Erstaunen, da sie nicht begreifen konnten, woher ich ihre Inseln so genau kannte.
Das schlechte Wetter hinderte mich, schon heute die Insel Tjan zu verlassen, worüber sich Labadeny, der mir schon am frühen Morgen Cocosnüsse und kleine gebackene Fische an Bord gebracht, sehr freute und mich bat, in seinem Boote ans Land zu fahren. Der Wind wehete heftig, als wir vom Schiff abstießen, und ich machte jetzt selbst die Erfahrung, wie leicht ein solches Canot umwirft, wenn es nicht im Gleichgewicht erhalten wird. Einer von den Wilden war beim Aufspannen des Segels zu weit aufs Balancier hinausgetreten; und wir wären gewiß nicht mit dem bloßen Schreck davon gekommen, wenn sich die andern nicht sogleich auf die entgegengesetzte Seite geworfen hätten. Der freundliche Empfang am Lande entschädigte uns für die unangenehme Fahrt; man führte uns in eine Hütte, die uns gegen das häßliche Wetter schützte, und wo wir uns auf saubere Matten häuslich niederließen. Ich fand hier die alte Frau wieder, die ich schon bei Labadenys erstem Besuch am Schiff, auf seinem Boot gesehen, und erfuhr, daß sie seine Mutter sey; diese hatte eine große Liebe zu mir gefaßt, nannte mich nur Labadeny, und sprach unbeschreiblich viel mit mir, was mir in so fern recht war, als mein Ohr sich dadurch immer mehr an die Aussprache gewöhnte. Mit Vergnügen bemerkte ich, daß auch die hiesigen Einwohner sowohl in ihrer Kleidung als in ihren häuslichen Verrichtungen reinlich sind; nur haben sie gleich den Otdianern ein gar eckelhaftes Geschäft, das ich oft wiederholen sah. Ein junges hübsches Weib, das gegen mir über saß, zog nämlich den Kopf ihres Mannes in ihren Schooß, um ihn vom Ungeziefer zu reinigen, und ertappte sie etwas, so wurde es sogleich zerbissen und niedergeschluckt; es schien mir, daß nur die Weiber zu dieser Jagd berechtigt sind. Die Bewohner der Aleutischen Inseln sollen vormals denselben Gebrauch gehabt haben, und an der NW Küste Amerikas findet man Völkerstämme, die ihm noch bis jetzt treu geblieben sind.
Vor der Hütte ward, um mir das Mittagessen zu bereiten, das Feuer angemacht, und ich sah bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal wie sie es hervorbringen; ein weiches Stück Holz wird so lange mit einem zugespitzten Stückchen von hartem Holze gerieben, bis eine Furche in dem erstern entsteht, der daraus entstandene Staub ersetzt den Zunder und wenn die Reibung die Hitze bis zum zünden gesteigert, so blasen sie es an, indem sie trocknes Gras darüber halten. Ehe der Koch zur Zubereitung der Speisen schritt, wusch er sich die Hände; nachdem sein Werk vollbracht, breitete er eine Matte vor uns aus, und tischte uns auf reinlichen Blättern; schmackhaft gesottene Fische und gebackene Brodfrucht auf. Labadeny kostete zuerst von jeder Speise, hielt dann eine kleine Rede, von der ich nichts verstand, und gab mir hierauf das Zeichen, zuzugreifen. Nur er, seine alte Mutter und ich, durften an der Tafel speisen; der Schatzmeister und noch einer, dessen Amt mir unbekannt geblieben, hatten Erlaubniß, sich nachher an den Schwänzen der von uns verzehrten Fische satt zu essen.
Als wir ans Schiff fuhren, beschenkten uns die Einwohner so reichlich mit Cocosnüssen, daß jeder von der Mannschaft eine Zeitlang täglich eine Nuß bekam.
Seit wir in die Gruppe Otdia getreten, ist der Wasservorrath von Wahu nicht vermindert worden; auch hier fanden wir wieder sehr gutes Wasser in Gruben. Herr von Chamisso hat heute noch Sämereien unter den Einwohnern vertheilt, und selbst welche ausgesäet.
Wir fanden die Breite unsers Ankerplatzes | 8º 52' 39" | N. |
Länge nach den Chronometern | 188º 58' 29" | W. |
Das hohe Wasser tritt im Neumonde um 4 Uhr 35 Minuten Nachmittags ein, und hebt sich bis auf fünf Fuß.
Den 16ten Febr. Das Wetter war heiter, wir spannten die Segel und nahmen, indem wir uns der Inselkette nahe hielten, einen S Cours; wir freuten uns der bewundernden Menge, die herbeigelockt durch den Anblick unsers Schiffs, auf allen Inseln zusammenlief. Nachdem wir sieben Meilen zurückgelegt, stieß ein großes, stark bemanntes Boot von einer dieser Inseln ab, die wie wir nachher erfuhren: Olot heißt; es segelte auf uns zu, man zeigte uns Cocosnüsse, und als wir ihrer Winke ungeachtet, unsern Weg fortsetzten, folgte es uns; auch Labadenys Boot war in der Ferne sichtbar. Jetzt hatten wir eine beträchtliche große Insel vor uns, von welcher die Kette ihre Richtung nach S nahm, und ich beschloß, da sich hier die Gruppe zu schließen schien, zu ankern, weil mir die astronomische Bestimmung derselben wichtig war. Durch die Krümmung welche die Insel bildet, lagen wir in ihrer Nähe im Schutz vor dem Winde, und hatten zwölf Faden Tiefe. Das gute Glück hatte uns gerade an Labadenys Residenz Torua geführt. Das große Boot, welches uns von Olot folgte, legte sich an unsere Seite, und die Insulaner stiegen ohne Bedenken aufs Schiff, als sie sich in ihrer Sprache anreden hörten. Der Führer des Canots, ein junger Mann von zwanzig Jahren, fragte zuerst nach dem Tamon, überreichte mir schüchtern und freundlich einige Früchte, und ich erwarb mir durch kleine Gegengeschenke bald sein Vertrauen. Ich erfuhr, daß er Langedju heiße und Chef der Insel Olot sey; er war stärker tatuirt, folglich vornehmer als Labadeny; auch war er mit noch mehr Putz und Verzierungen behängt, als jener; sein Gesicht war lebhaft und voll Ausdruck und sein ganzes Betragen gefiel mir sehr. Wieder ward das Schiff mit seinem vielen Eisen bewundert; einer der Wilden suchte sich sogar etwas Möll anzueignen, wurde aber ertappt, und der Chef ließ mit vielem Eifer den Befehl ergehn, nicht das geringste zu berühren. Langedju machte mir den Vorschlag, die Namen zu vertauschen und um ihn nicht zu beleidigen, mußte ich ihn annehmen, obzwar mir Labadeny das sehr übel nehmen konnte; wirklich traf er bald darauf ein, bemerkte auch gleich den Namenwechsel, und konnte seinen Zorn darüber nicht verbergen. Langedju war klug genug zu thun, als merke er nichts; meinen alten Freund suchte ich durch Geschenke wieder zu erheitern, mit seinem Nebenbuhler aber gab er sich durchaus nicht ab. Nachmittags fuhr ich mit beiden ans Land, wo ich von den Einwohnern freundlich empfangen ward. Torua ist doppelt so groß als Tjan, nach Verhältniß aber nicht so stark bevölkert, obzwar die Insel fruchtbar zu seyn scheint. Labadeny hatte mich beim Landen sogleich verlassen; Langedju aber begleitete mich mit zwei seiner Unterthanen auf einer Promenade, war bei sehr guter Laune, lachte viel und machte sich über Labadeny lustig. Nach einem langen Gange, wo mir nichts merkwürdiges aufgestoßen war, als daß einige Hühner wild herum liefen, setzte ich mich ans Ufer, und benutzte die Gelegenheit, meine Kenntniß von der Geographie dieser Inselkette zu erweitern; ich zeichnete, die mir durch Lagediack schon bekannten Gruppen in den Sand; Langedju erstaunte sehr, daß ich die Namen derselben so gut wußte, fand aber ihre Lage nicht richtig, und zeichnete sie nun selbst hin. Er stellte sich gegen N fing bei der Gruppe Bigar an, und fuhr bis nach S fort, bis die Karte vollendet war; die Zahl der Gruppen stimmte mit Lagediacks Angabe überein, die Richtung derselben aber nicht ganz. Er hatte außer der Kette noch zwei einzeln liegende Inseln angezeigt, von denen ich die eine, welche von Ai-lu in O lag, für die Neujahrsinsel erkannte; die andere lag in der Entfernung einer Tagereise nach W; die östliche nannte er Miadi, die in W Temo. Die Karte war, wie sich nachher auswies, als ich alle diese Gruppen entdeckte, sehr richtig; ich habe sie in meiner Schreibtafel treu aufgezeichnet. Auf meinem Rückwege fiel mir eine Gesellschaft auf, die um ein Feuer saß und in Cocosschaalen etwas kochte. Ich folgte ihrer Einladung, Platz zu nehmen und sah jetzt, daß sie ganz verfaultes Cocosholz pulverisirten, und mit Wasser zu einem dicken Brei kochten, hieraus wurden kleine Kuchen in Blätter gebacken, denen ich aber keinen Geschmack abgewinnen konnte. Besser gefiel mir das liebevolle Betragen der Eltern gegen ihre Kinder, das ich hier wieder in hohem Grade bemerkte. Bis zum 19ten Februar hielt ich mich an dieser Insel auf; Langedju verließ den Rurick fast nie, und brachte mir einmal etwas Taro-Wurzel, worauf er sehr hohen Werth setzte. Täglich hatten wir Besuch, Labadeny aber ließ sich nicht sehen. Wir handelten viele Cocosnüsse gegen Eisen ein; der Matrose, welcher dieses Geschäft hatte, stand bei den Einwohnern in großem Ansehn; sie herzten und küssten ihn unaufhörlich, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß ihre Zärtlichkeit mit in Berechnung käme.
Das Mittel aus mehreren Observationen gab für die Breite unsers Ankerplatzes | 8º 43' 10'' | N. |
Länge nach den Chronometern | 188º 50' 25'' | |
Declination der Magnetnadel | 10º 50' 0'' |
Unsere Entfernung von der Insel Kawen betrug jetzt in gerader Linie 24 Meilen.
Den 19ten Febr. waren wir um sechs Uhr Morgens unter Segel und verfolgten die Kette, welche aus lauter kleinen Inseln bestand, nach S; nachdem wir zehn Meilen zurückgelegt, bog sie plötzlich nach SO; wir entdeckten in dieser Richtung eine ziemlich große Insel und sahen jetzt, daß wir uns an der südöstlichen Spitze der Gruppe Kawen befanden, die hier ihre Richtung erst nach W, dann nach NW nimmt, und dadurch eine Bucht bildet. Ich richtete den Cours auf die größte Insel, die, wie wir später erfuhren, Airick heißt, und indem wir uns derselben näherten, wurden vom Mast aus, über den Riff weg, nach S wieder Inseln entdeckt, die wir bald für die Gruppe Aur erkannten. Um neun Uhr warfen wir die Anker sechzig Faden von der Insel Airick auf acht Faden Tiefe, und erkannten diesen Ankerplatz in jeder Rücksicht, als den vorzüglichsten. Airick hat ungefähr die Größe von Torua, gewährte aber einen lieblichern Anblick, als alle bis jetzt von uns besuchten Inseln. Das ganze Ufer war mit Palmen dicht besetzt, unter deren Schatten viele Wohnungen lagen; einige Böte segelten, andere lagen vor Anker und uns war, als befänden wir uns in einem stark besuchten Hafen. Da wir so nah am Lande lagen, so konnten wir jede Bewegung der Wilden bemerken, die sich haufenweise versammelten, um das wunderbar große Oa anzustaunen. Während wir das Schiff noch in Ordnung brachten, fuhren einige unserer Herren ans Land, und wir sahen, wie sie mit Palmenzweigen und Cocosnüssen empfangen wurden. Bald kehrte Chamisso entzückt von der guten Aufnahme zurück, und mit ihm kam ein Jüngling von achtzehn Jahren, den man ihm als Tamon vorgestellt, und dem das Volk auf mehreren Böten folgte, als es seinen jungen Chef abfahren sah. Wir hatten jetzt zahlreiche Gesellschaft und bekamen Cocosnüsse im Ueberfluß, wogegen das alte Eisen mit Entzücken empfangen ward. Der Tamon, welcher sich mir gleich vorstellen ließ, interessirte sich besonders lebhaft für alles was ihn umgab; ein alter Mann, der sein Mentor zu seyn schien, verließ ihn keinen Augenblick, und beide kamen endlich auf die Idee, die Länge und Breite des Schiffs nebst der Höhe des Mastes mit einer Schnur zu messen, die hierauf sorgfältig verwahrt ward. Als er zwei Herren auf der Schanze fechten sah, mußte man ihm auch ein Rappir geben, und er zeigte bei der Lection viel Gewandheit. Nachmittags setzte sich der Tamon zu mir ins Boot, und wir fuhren, begleitet von allen Canots ans Land, wo das Volk sich versammelte, um den Tamon des Schiffs anzusehen; mein junger Freund aber, der nicht von meiner Seite wich, führte mich gleich zu einer ältlichen Frau, die er mir als Königin der Insel und seine Mutter präsentirte; sie saß, umgeben von drei alten häßlichen Staatsdamen auf einer Matte vor einem hübschen Hause; ich mußte mich zu ihr setzen und das Volk schloß einen dichten Kreis um uns. Den Ehrenplatz gehörig schätzend, bot ich meine ganze Beredsamkeit auf, doch es war vergebens, ich erhielt keine Antwort, und so beweglich ihre Blicke auch an mir herumirrten, der königliche Mund blieb stumm. Ich gab endlich den Versuch, sie zum reden zu bewegen, auf, in der Ueberzeugung, daß ihr hoher Stand, ihr die Pflicht des Stillschweigens auferlegte, besonders da die Staatsdamen in grellem Gegensatz zu ihrer Gebieterin, unaufhörlich schnatterten. Ein Geschenk, das ich der Königin machte, ward zwar mit gütigem Kopfnicken angenommen, doch nicht von ihr berührt; die Staatsdamen nahmen es in Empfang, und nachdem mir die Gegengeschenke, welche aus Cocosnüssen und ein Paar Rollen Mogan bestanden, unter tiefem Schweigen zu Füßen gelegt waren, zog sich die Königin in ihr Haus zurück, und die Audienz hatte ein Ende. Jetzt führte mich der junge Tamon in ein auf vier Pfählen ruhendes, ziemlich großes Haus, wo ich eine Versammlung junger, geputzter Damen fand; eine derselben, die Schwester meines Begleiters, saß abgesondert; ich mußte mich zu ihr setzen, und wieder schloß das Volk einen Kreis um uns. Bei der Prinzessin ging es nicht so steif her, wie bei ihrer hohen Mutter; sie behauptete ihr Recht zu sprechen, und freuete sich sehr, wenn ich ihr etwas in ihrer Sprache sagte; auch das Volk durfte hier fröhlich seyn und Spaß treiben. Die Prinzessin veranstaltete, um mir die Zeit zu vertreiben, ein Pantomimenspiel mit Gesang, das von den Eingebornen Eb genannt wird. Zwei ihrer Gespielinnen setzten sich zu ihr, die eine schlug die Trommel und die andere fiel nur selten in den Solo-Gesang der Prinzessin ein, der aber einem wilden Geschrei glich. Der Name Totabu ward oft wiederholt, und ich bedauerte sehr, den Text nicht zu verstehen. Die Pantomime wäre vielleicht nicht übel gewesen, wenn sie nicht im Eifer Hals und Augen verdreht, und sich dermaßen wüthig geberdet hätten, daß ihnen der Schaum vor dem Munde stand. Ich schenkte der Prinzessin beim Abschiede ein seidenes Tuch und andere Kleinigkeiten, worüber sie so erfreuet war, daß sie mir ihren eigenen Muschelkranz verehrte. Das hohe Geschwisterpaar war noch nicht tatuirt; wahrscheinlich wird hier diese Operation nicht so früh vorgenommen, weil sie auf dieser Insel mit einem Mal, und nicht wie auf den Marquesas nur bei Wenigen vollbracht wird. Langedju sagte mir, daß man nach dem Tatuiren stark schwelle und viel Schmerzen leide, und wirklich muß dieser Schmerz empfindlich seyn; der Steuermann des Capt. Krusenstern, ein großer starker Mann, ward ohnmächtig, als er sich ein wenig den Arm tatuiren ließ. Ich glaube, daß das Tatuiren auf diesen Inselgruppen ein religiöser Gebrauch ist, wenigstens schlug man es mehreren unserer Herren in Otdia ab, mit der Versicherung, daß es nur in Eregup geschehen könne. Auf einem Spaziergange bin ich in meiner Meinung bestärkt worden, daß diese Insel eine der schönsten ist; man sieht hier nichts als Fruchtbäume und Taropflanzungen. Man sagte uns, daß die Insel, die wir in S gesehen, zu der Gruppe Aur gehöre; Kawen und Aur sind also nur zehn Meilen von einander entfernt.
Den 20sten Februar. Vom Morgen bis zum Abend war der Rurick mit Canots umringt, und mit neugierigen Wilden überfüllt; Nachmittags erschien auch die Prinzessin, der ich einige Geschenke auf ihr Boot schickte, weil sie sich nicht an Bord wagte. In W zeigte sich ein großes Boot, worauf sich 22 Menschen, Männer und Weiber, befanden; Geräthschaften aller Art ließen vermuthen, daß es sich auf einer langen Reise befand. Als es heran kam, trat der Chef der Insel Kawen, Labeleoa, ein Mann von sieben Fuß Länge an Bord, und überreichte mir eine Rolle Mogan; er sprach viel, und gab uns unter andern den Rath, nach Aur zu segeln, wo sich der Tamon Ellip (großer Chef) von Kawen befände. Es hatten sich viele Menschen auf dem Schiffe versammelt, die, ihre Uebermacht fühlend, sich ziemlich verwegen betrugen. Oft mußten wir der Zudringlichkeit unserer Gäste Einhalt thun, die nur durch die Vorstellung, daß wir überirdische Wesen wären, abgehalten wurden, sich alles was ihnen gefiel, mit Gewalt zuzueignen. Schon war es dunkel, und das Boot, das wir nach Wasser abgeschickt hatten, noch nicht zurück, als der Unteroffizier uns vom Lande zurief, er vermisse einen Matrosen. Da die Wilden sich nie bewaffnet zeigten, so hatte auch ich, kein Mißtrauen zu erregen, meine Leute immer unbewaffnet ans Land geschickt, worüber ich mir jetzt die bittersten Vorwürfe machte. Es ward sogleich ein bewaffnetes Boot ans Land geschickt, ich ließ zugleich eine Kanone lösen und eine Rakete steigen, und diese, den Wilden so schreckliche Erscheinung, that die erwünschte Wirkung. Kaum war der Schuß gefallen, so entstand auf der ganzen Insel ein furchtbares Geheul, das über eine viertel Stunde dauerte, und unterdeß kamen unsere Böte schon ganz im Finstern an. Der vermißte Matrose gestand offenherzig, daß Amor ihn auf Irrwege verlockt, das Mädchen ihn erst nach Sonnenuntergang habe beglücken wollen, und ihn bis dahin ins Innere der Insel in eine Hütte führte; hier versammelten sich mehrere Insulaner, die ihn nicht mehr fortließen; sie machten Feuer an und entkleideten ihn; wie vom Blitz getroffen aber fielen alle hin, als der Schuß geschah, und mein Matrose entkam glücklich.
Den 21sten Febr. Der gestrige Schreck wirkte heute noch nach, so daß sich niemand ans Schiff wagte, bis einige unserer Herren ans Land gefahren waren. Man hatte viel gefragt, was der Knall und der helle Schein bedeutet habe, und als ihnen gesagt wurde, daß ich bei der Gelegenheit einen Besuch im Himmel abgestattet hätte, so ward dadurch mein Ansehn auf der Erde noch einmal so groß, und sie betrugen sich sehr bescheiden. Da ich Airick morgen verlassen wollte, so machte ich heute noch einige Visiten, und wurde mit ausgezeichneter Achtung behandelt. Zu der alten Königin konnte ich nicht kommen, denn zwei mit Lanzen bewaffnete Schildwachen verweigerten mir den Eintritt. Der Prinzessin aber, und einigen Vornehmen durfte ich Geschenke machen, so viel es mir beliebte. Labeleoa veranstaltete einen Abschieds-Eb; drei Männer und drei Weiber; ließen sich in einen Halbkreis nieder, zwei Trommelschläger saßen vor ihnen; mit fürchterlichen Stimmen sangen sie die Worte: Totabu, Aidara, Möll! und jede Bewegung deutete auf mich. – Den Reiher sah ich bei den Hütten zahm, und am Ufer wild herum laufen, außerdem gibt es hier nur Strandläufer und eine Gattung Tauben. Die Ratten sind so dreist, daß sie, während die Wilden essen, sich das ihrige davon abnehmen.
Wir fanden die Länge unsers Ankerplatzes nach einer Observation
zwischen Mond und Sonne aus 50 Abständen |
188º 52' 7" | W |
Die Chronometer gaben | 188º 49' 25" | W. |
Breite der Mittel aus drei Observationen | 8º 31' 11" | N. |
Declination der Magnetnadel | 11º 11' | O. |
Die Beobachtungen für die Zeit der hohen Fluth im Neu- und Vollmonde, gaben 1 Stunde 52 Minuten; die größte Differenz der Wasserhöhe betrug vier Fuß. In der Richtung NW und SO beträgt die Länge der Insel Kamen 30 Meilen, ihre Breite nur 11½ Meile. Die Aufnahme Kawens beruht gleich der von Otdia auf astronomischen Punkten, woher ich hoffen darf, daß jeder Seefahrer, der die Gegend besucht, mit der Ortsbestimmung zufrieden seyn wird. Die Gleichförmigkeit der drei Gruppen, Suwarof, Kawen und Otdia ist wohl nicht zufällig, sondern diese Bauart scheint den Korallen eigen zu seyn.
Den 22sten lichteten wir bei Anbruch des Tages die Anker, und richteten den Cours auf die Insel Olot, indem ich dem Langedju versprochen, ihn dort zu besuchen; Labeleoa, der uns nach Aur begleiten wollte, segelte mit uns ab, schlug aber den Weg nach seiner Insel Kawen ein, als er uns nach Olot segeln sah, wo mir um zehn Uhr Morgens die Anker auf acht Faden Tiefe, über Korallensand warfen. Kaum waren wir angekommen, so besuchte uns Langedju voll Freude über unsere Ankunft; bald darauf erschien auch der Chef der Insel Torua, und es gelang mir, die beiden Nebenbuhler mit einander, und mich mit letzterem zu versöhnen. Auf Langedjus Einladung fuhr ich mit einigen unserer Herren ans Land; wir fanden Olot weniger cultivirt als Airick, Tjan u. a. auch war die Bevölkerung geringer. Langedju führte mich in seine Taropflanzung, wo er mir mit dem Geschenk einiger Wurzeln ein großes Opfer brachte, denn obzwar seine Pflanzung die größte in dieser Gegend war, so reichte sie doch nicht hin, einen Menschen nur vier Wochen zu ernähren. In der Nähe der Pflanzung ward ich einen Bananenbaum gewahr, der umgeben mit einem kleinen Zaun sorgfältig gepflegt wurde, und erst vor kurzem versetzt zu seyn schien. Ich erfuhr von Langedju, daß sowohl der Taro als der Baum von Aur hergebracht wären, und freute mich über die Neigung dieser Leute, ihre Inseln nach ihren Kräften zu cultiviren. Es wird vielleicht manchem meiner Leser unnütz scheinen, daß ich so unbedeutender Kleinigkeiten erwähne, ich denke aber, denen die in Zukunft in diese Gegend kommen, hierdurch ein Mittel zu verschaffen, die Fortschritte bemerken zu können, die im ewigen Wechsel der Zeit hier gewiß gemacht werden. Herr von Chamisso vertheilte auch hier wieder Sämereien, und lehrte sie die Verfahrungsart; zum Dank für seine Mühe stahlen sie ihm sein Messer, das sie ihm aber wieder ausliefern mußten, weil ich sehr ernsthaft darauf bestand. Nachdem wir lange auf der Insel herum gegangen, ohne etwas Bemerkenswerthes zu finden, führte uns Langedju in seine Hütte, um uns zu bewirthen. Er hatte, was bis jetzt noch keiner gethan, alle seine hübschen Weiber aus Mißtrauen entfernt, ob er gleich wie ein vollendeter Hofmann, mein vertrautester Freund zu seyn schien. Die Bewirthung bestand in saurem Teig aus Brodfrucht, von so widerlichem Geschmack, daß es uns schwer ward, etwas davon zu genießen. Unser Wirth behauptet den Rarick, Langin und Lagediack zu kennen; es läßt sich also vermuthen, daß die Bewohner der verschiedenen Inselgruppen mit einander in Verbindung stehen. Gegen Abend fuhr ich an Bord, nachdem ich Langedju und Labadeny noch mit einigen nützlichen Werkzeugen beschenkt hatte.
Die Breite der Insel Olot fanden wir | 8º 46' 4" | N. |
Länge nach den Chronometern | 188º 50' 18" | W. |
Die ganze Gruppe Kawen besteht aus 64 Inseln.
Den 23sten Febr. verließen wir bei hellem Wetter und starkem Winde aus ONO die Insel Olot, und richteten unsern Lauf der Passage zu, durch welche wir in diese Gruppe gedrungen waren. Nach der Aussage der Insulaner, befindet sich westlich von Airick eine breite Oeffnung zwischen den Riffen, die ich auf der Karte angedeutet, wie man sie mir vom Schiffe aus zeigte. Um neun Uhr waren wir durch die Passage bei Kawen gedrungen, und nahmen jetzt unsern Cours südöstlich in geringer Entfernung von der Inselkette, die den unter dem Winde liegenden Theil der Gruppe bildet. Ich nannte die Gruppe Kawen nach unserm verdienstvollen General: Araktschejef. Des starken Windes wegen mußten wir die Marssegel mit einem Riff führen. Am Mittag fanden wir die observirte Breite 8º 35' 40", Länge nach den Chronometern 189º 3' 40". Zu derselben Zeit entdeckte man von der Spitze des Mastes aus in SO eine zur Gruppe Aur gehörige Insel, welche die NW Spitze derselben bildet, sehr groß ist, und von den Wilden Pigen genannt wird. Um zwei Uhr hatten wir diese schon in O, befanden uns unter dem Winde in ruhigem Wasser, und nahmen unsern Lauf in sehr geringer Entfernung längs dem Riff, um eine Passage zu entdecken. Kaum waren wir eine Meile gesegelt, so fanden wir eine, ungefähr fünfzig Faden breit, aber von so übler Richtung, daß sie nur schwer zu passiren war, demungeachtet überwog das Verlangen, auch diese zu untersuchen, jede Furcht vor Gefahr; der Wind war geringer geworden, das Wetter günstig, wir spannten alle Segel auf und schlüpften glücklich durch. Einigen Korallenbänken, die wir früher nicht bemerkt, wichen wir durch geschicktes Steuern aus, und hatten bald eine Uebersicht der ganzen Gruppe, die uns von allen in dieser Gegend die kleinste schien. Wir näherten uns der Insel, welche die SO Spitze der Gruppe bildet und Aur genannt wird, und ließen in ihrem Schutz um fünf Uhr Nachmittags die Anker fallen. In der Mitte der Gruppe ward das Senkblei oft geworfen; wir fanden die Tiefe 23 bis 25 Faden über einen Boden von lebendigen Korallen; an unserm Ankerplatze betrug die Tiefe 18 Faden, obgleich wir nur 50 Faden vom Lande entfernt waren. Kaum hatten wir geankert, so stießen vier große Böte von Aur ab, näherten sich uns auf 50 Faden, hielten sich dann ruhig auf einem Fleck, und betrachteten das Schiff mit großer Aufmerksamkeit. Wir redeten sie in ihrer Sprache an, sogleich verschwand ihre Furcht, und einige von ihnen wagten sich sogar aufs Verdeck, wo ihr Erstaunen dem der andern Wilden glich. Unsere Bekanntschaften in Otdia und Kawen, welche wir ihnen namentlich nannten, trugen dazu bei, ihr Vertrauen zu gewinnen, und zwei Chefs, die stark tatuirt waren und sehr vornehm zu seyn schienen, wagten sich erst auf diese Nachricht ans Schiff. Im ganzen haben wir die Bewohner Kawens dreister gefunden als die hiesigen. Zwei Wilde, die anders als die Uebrigen tatuirt waren, und wie Chamisso bemerkte, eine eigene Sprache hatten, fielen uns auf; wir erkundigten uns, ob es hiesige Einwohner seyen? sie sagten: nein, und erzählten uns in ihrer Sprache eine lange Geschichte, von der wir aber leider nicht ein Wort verstanden. Einer der Fremdlinge, ein Mann von dreißig Jahren, mittlerem Wuchs und angenehmen Gesicht gefiel mir sehr; ich gab ihm, nachdem ich die Tamons beschenkt, ein paar Stücke Eisen, die er zwar mit Dank, nicht aber mit der Freude empfing, wie die andern Wilden. Er schloß sich besonders an mich an; als die Sonne unterging und die Gäste uns verlassen wollten, nahm er mich bei Seite und äußerte zu meinem Erstaunen den Wunsch, bei mir zu bleiben und mich nie zu verlassen. Ich konnte nicht glauben, daß er es länger als einen Tag bei uns aushalten würde, verwunderte mich über die Liebe, die er gleich zu mir gefaßt und behielt ihn, weil der Vorfall uns allen Spaß machte. Kaum hatte Kadu die Erlaubniß von mir erhalten, so wandte er sich rasch zu seinen Kameraden, die ihn erwarteten, erklärte ihnen seinen Entschluß, auf dem Schiffe zu bleiben, und vertheilte das eben erhaltene Eisen unter den Chefs. Das Erstaunen auf den Böten war über alle Beschreibung, vergebens suchten sie seinen Entschluß wankend zu machen, er war unerschütterlich; endlich kam noch sein Freund Edock zurück, sprach lange und ernsthaft mit ihm, und wollte ihn, als alle Ueberredung nichts half, mit Gewalt fortschleppen; hier aber behauptete Kadu das Recht des Stärkern, er stieß seinen Freund von sich, und die Böte ruderten ab. Ich kam jetzt, da sein Entschluß mir unbegreiflich war, auf die Idee, daß er vielleicht die Nacht stehlen und das Schiff heimlich verlassen wollte, und ließ, um meinen neuen Freund zu beobachten, die Nachtwachen verdoppeln, und sein Lager neben dem meinigen auf dem Verdeck, wo ich der Hitze wegen schlief, bereiten. Kadu fühlte sich sehr geehrt, zu dem Tamon des Schiffs gebettet zu werden; er war einsilbig so viel Mühe wir uns auch gaben, ihn zu zerstreuen, aß, was man ihm vorsetzte, und legte sich ruhig nieder. Manches, was er uns nach und nach über sein Schicksal erzählte, will ich dem Leser im Zusammenhange mittheilen. Kadu war geboren auf der zu den Carolinen gehörigen Insel Ulle, welche wenigstens 1500 englische Meilen gegen W von hier liegen muß, und nur auf der Karte dem Namen nach bekannt ist, weil Pater Cantara 1733 von den Ladronen als Missionair nach den Carolinen geschickt wurde. Er verließ Ulle mit Edock und zwei andern Wilden, auf einem zum Segeln eingerichteten Kahne, in der Absicht, an einer entfernten Insel zu fischen; ein heftiger Sturm verschlug die Unglücklichen, welche acht Monate auf der See herumirrten, nur selten Fische zu ihrer Nahrung fanden, und endlich im kläglichsten Zustande auf der Insel Aur landeten. Das Merkwürdigste dieser Fahrt ist, daß sie gegen den NO Passat vollbracht ward, und sie muß besonders diejenigen interessiren, welche bisher glaubten, daß die Bevölkerung der Südsee-Inseln von W nach O Statt gefunden habe. Nach Kadus Erzählung hatten sie während der ganzen Reise, wenn der Wind es nur erlaubte, die Segel aufgespannt, und gegen den NO Passat lavirt, weil sie unter dem Winde ihrer Insel zu seyn glaubten; auf diese Weise läßt es sich auch erklären, daß sie endlich nach Aur kamen. Ihre Zeitrechnung führten sie nach dem Monde, indem sie bei jedem Neumond einen Knoten in eine dazu bestimmte Schnur schlugen. Da das Meer reich an Fischen, und sie zu dem Fange vollständig ausgerüstet waren, so litten sie weniger Hunger als Durst, denn ob sie gleich bei keinem Regen versäumten, einen kleinen Wasservorrath zu machen, so litten sie doch oft gänzlichen Mangel an süßem Wasser. Kadu ward oft als der beste Taucher, mit einer Cocosschaale, die nur eine kleine Oeffnung hatte, in die Tiefe des Meeres geschickt, wo das Wasser bekanntlich nicht so salzig ist; wenn dieses aber auch die Noth des Augenblicks stillte, so verursachte es doch wahrscheinlich ihre gänzliche Entkräftung. Als sie die Insel Aur erblickten, erfreute sie der Anblick des Landes nicht mehr, denn jedes Gefühl war ihnen erstorben. Ihre Segel waren längst vernichtet, der Kahn dem Winde und den Wellen Preis gegeben, und sie erwarteten ruhig den Tod, als die Bewohner Aurs den Verunglückten auf mehreren Canots zu Hülfe eilten und die Sterbenden ans Land schleppten. Hier war gerade kein Tamon zugegen, die Gerätschaften von Eisen, welche die Unglücklichen noch besaßen, blendeten ihre Retter, und eben wollten diese sie erschlagen, um den Raub unter sich zu theilen, als der Tamon der Insel Aur, Tigedien, noch zu rechter Zeit erschien und ihnen das Leben rettete. Als Kadu später dem Retter seines Lebens seinen ganzen Reichthum anbot, war dieser großmüthig genug es auszuschlagen; er nahm nur eine Kleinigkeit, und seine Leute bedrohte er mit Todesstrafe, wenn es Einer wagte, den armen Fremdlingen etwas zu Leide zu thun. Kadu zog mit seinen Gefährten in Tigediens Wohnung, der väterlich für ihn sorgte, und seines natürlichen Verstandes und guten Herzens wegen, eine besondere Liebe zu ihm faßte. Seit ihrer Ankunft hier, mußten seiner Rechnung nach 3 bis 4 Jahre verflossen seyn. Eben war Kadu im Walde beschäftigt, als der Rurick hier ankam, und wurde eiligst herbei gerufen, da sie von ihm als einem viel gereisten und klugen Manne, wofür er allgemein galt, eine Erklärung über die wunderliche Erscheinung erwarteten. Oft hatte er ihnen schon von Schiffen erzählt, die zwar in seiner Abwesenheit auf Ulle gewesen, wovon er aber doch gehört hatte; er wußte sogar zwei Leute zu nennen: Louis und Marmol, die von der großen Insel Britannien gekommen; und so erkannte er auch der Beschreibung nach, jetzt unser Schiff. Sehr eingenommen für die Weißen, forderte er die Insulaner auf, an Bord zu gehen, was sie anfangs verweigerten, weil einer Sage nach, die weißen Menschen die schwarzen fräßen. Wie sie zu dieser Meinung gekommen, blieb uns ein Räthsel, denn außer einer alten Tradition, daß vor undenklichen Zeiten ein großes Schiff vor Kawen vorbeigesegelt sey, hatten sie durchaus keinen andern Begriff von europäischen Schiffen, als den, welchen Kadu ihnen beibrachte. Sein Versprechen, Eisen für sie einzuhandeln, bewog sie endlich, an Bord zu kommen, und hier blieb er, wie die Leser schon wissen, gleich bei uns. Die Vorsicht, mit der wir ihn, während der Nacht bewachten, war überflüßig; er schlief ruhig und erhob sich mit Anbruch des Tages heiter und vergnügt.
Den 24sten Febr. Schon gestern hatten wir den Insulanern angezeigt, daß wir heute nach der Insel Stobual, die acht Meilen von Aur entfernt, die NO Spitze bildet, segeln wollten, weil hier der scharfe Korallengrund den Ankertauen gefährlich war. Wir fanden die Bevölkerung auf der östlichen Seite der Inselkette, im Vergleich mit den andern Gruppen beträchtlich; stießen auf keine Korallenbänke, und erreichten um zehn Uhr die Insel Stabual, in deren Nähe wir die Anker auf acht Faden Tiefe über feinen Korallensand warfen. Sie gewährte einen angenehmen Anblick, und war nach den vielen Wohnungen und Böten zu urtheilen, stark bevölkert. Die Gruppe Kawen war von der Spitze des Mastes sichtbar. Fünf Böte, die uns von Aur gefolgt, und worin sich drei Tamons: Tiuraur, Lebeuliet und Kadus</> Wohlthäter Tigedien befanden, kamen jetzt ans Schiff. Kadu, dem man einen gelben Mantel nebst rother Schürze geschenkt, stolzierte in dem lächerlichen Staat, ohne sich im geringsten mit seinen Kameraden abzugeben, die ihn voll Verwunderung aus ihren Böten anstarrten, und die Verwandlung nicht begriffen. Vergebens riefen sie: Kadu! Kadu! er würdigte sie keines Blicks, sondern ging stolz auf dem Verdeck umher, wobei er sich immer so gut zu drehen wußte, daß ihnen sein herrlicher Putz in die Augen fiel. Als ich erfahren, daß sich drei Tamons auf den Böten befänden, gab ich Kadu den Auftrag, sie zu mir einzuladen, denn alle den Wilden durfte ich, der Menge wegen die Erlaubniß nicht ertheilen, das Schiff zu betreten; er fühlte sich sehr geehrt, benahm sich mit vieler Würde, und führte, nach einer kurzen Anrede zuerst den Tigedien aufs Verdeck, den er mir als den Vornehmsten vorstellte. Dieser alte Mann, mit schneeweißem Haar und Bart, hatte ein gutes, ehrwürdiges Gesicht; aber sein langer, starker Körper war vom Alter gebeugt. Er schenkte mir einige Rollen Mogan, und während ich mich mit ihm unterhielt, nöthigte Kadu auch die andern Chefs, welche ebenfalls sehr alt waren, aufs Schiff. Der Anzug der Tamons unterschied sich wenig von dem der übrigen Wilden; sie waren nur stärker tatuirt, und trugen Verzierungen von Fischgräten um den Hals, die, wie ich später erfuhr, bei ihnen die Stelle der Orden vertreten. Kadu führte, um sich ein Ansehen zu geben, die Gäste auf dem Verdeck herum, gab ihnen Erklärungen über alle die wunderbaren Dinge, welche sie sahen, und wußte sich so klug dabei zu benehmen, daß man glauben mußte, er selbst habe einen vollständigen Begriff von dem, was er zu erklären suchte; über Kleinigkeiten sprach er besonders weitläuftig, und brachte sie gewöhnlich zum Lachen. Als sie einen Matrosen eine Prise Taback nehmen sahen, und ihn, der es selbst noch nie gesehen, darüber befragten, so setzte ihn das weiter in keine Verlegenheit; er nahm die Dose, und erzählte ihnen gewiß viel Merkwürdiges darüber, denn sie horchten hoch auf; als er aber, um ihnen die Sache recht klar zu machen, jetzt selbst den Taback an die Nase brachte, warf er die Dose weit von sich, und begann so entsetzlich zu nießen und zu schreien, daß seine Zuhörer erschrocken auseinander liefen; indeß auch hier faßte er sich bald, und wußte den Vorfall geschickt in einen Scherz zu verwandeln. Kadus Erklärung über die Kanonen, bewies uns, daß er sie kenne; er sagte nämlich, wenn die Insulaner es wagten, etwas zu stehlen, so würde man damit alle Cocos-und Brodfruchtbäume niederschießen, und erzählte ferner: Louis und Marmol hätten bei ihrem Besuch in Ulle, als die Einwohner auf dem Schiffe gestohlen, nicht eher aufgehört, die Bäume niederzuschießen, bis man das Gestohlene zurückgebracht. Außer dieser kleinen Uneinigkeit müssen sich die beiden Männer dort menschenfreundlich betragen haben, da die weißen Menschen bei Kadu in hohem Ansehen standen, und er so gern bei uns war. Auch jetzt versuchten die Tamons wieder, ihn in seinem Entschluß wankend zu machen, er aber schüttelte nur den Kopf, umarmte mich und sprach: ich bleibe bei dir, wohin du auch gehen magst!
Wir erfuhren, daß es hier noch einen Tamon, Namens Lamary gäbe, unter dessen Bothmäßigkeit alle Inselgruppen von Aur bis Bigar stehen, der jetzt verreißt war, um eine Kriegsmacht zu sammeln, mit der er die südlich von Aur liegende Gruppe Mediuro angreifen wollte: die Bewohner derselben überfallen öfters Aur, Kawen und Otdia, um Lebensmittel zu rauben, an denen es ihnen, der starken Bevölkerung wegen, mangelt. Ein Ueberfall auf Lamarys Insel, wodurch dort ein Mann getödtet wurde, sollte jetzt bestraft werden. Auf Otdia ist, wie Kadu erzählte, die ärgste Plünderung vorgefallen, was die Feinde nicht fortschleppen konnten, haben sie vernichtet; durch diese Nachricht war uns plötzlich das Räthsel gelöst, warum wir dort überall nur neu angepflanzte Bäume fanden. Das Volk schien uns zum Kriegführen untüchtig, und ihre kurzen elenden Lanzen bestärkten uns in dieser Meinung. Jetzt erfuhren wir, daß selbst die Weiber in den Krieg ziehen, beladen mit Körben voll Steinen, die sie, da sie den Nachtrab bilden, über die Köpfe ihrer Helden weg, in die feindlichen Armeen schleudern; auch leisten sie den Verwundeten Hülfe, und Kadu, der hier manchen Krieg mitgemacht, versicherte, daß die Weiber im Kriege von großem Nutzen wären. Tigedien, der vornehmste der drei Anführer, war in Lamarys Abwesenheit sein Stellvertreter, und ward vom Volk mit ausgezeichneter Achtung behandelt. Lebeuliet, an Rang und Würde der zweite, ist Eigenthümer der Gruppe Kawen, hält sich aber in Friedenszelten in Airick auf, und der dortige junge Tamon, nebst der liebenswürdigen Prinzessin sind seine Kinder. Tiuraur, der jüngste von ihnen, besitzt die Gruppe Otdia, und ist der Vater des schon bekannten Rarick, von dem wir ihm zu seiner großen Freude erzählen konnten. Die Tamons fuhren, reichlich beschenkt, nach Stobual zurück, wohin sie auch mich einluden, da ich aber noch Observationen zur Bestimmung dieses Orts zu machen hatte, so verschob ich meine Fahrt ans Land auf. Kadu wünschte die Tamons zu begleiten, was ich ihm erlaubte, obzwar ich sicher glaubte, daß er unbeständig und wankelmüthig wie alle Südseeinsulaner, nicht zurückkehren würde. Er wurde im Triumph davon geführt, alle Canots folgten dem des Tigedien auf welchem er durch unsere Gunst zum vornehmen Mann erhoben, den Platz des Tamon einnahm. Nachmittags fuhr ich ans Land, und machte gleich einen Spaziergang, auf dem mich der rüstigste der Tamons, Tiuraur, begleitete. Die Insel Stobual ist 1½ Meile lang und ¼ Meile breit; die schönste Dammerde bildet hier schon beträchtliche Hügel. Die Palme und der Brodfruchtbaum gedeihen außerordentlich, und angenehm überraschte mich eine junge Anpflanzung von zwanzig Bananenbäumen; Taro gab es hier mehr, als auf den übrigen Inseln; es wurde uns täglich davon gebracht; daß die Wurzel hier im Vergleich mit denen auf den Sandwich-Inseln sehr klein sind, rührt wohl vom Mangel an Feuchtigkeit her, obzwar die Einwohner versichern, daß sie gut gedeihen würden, wenn die Bewohner Mediuros sie nicht so oft zerstörten. Sehr viele Wohnungen überzeugten mich von der starken Bevölkerung dieser Insel. Ich kam auf meiner Promenade an die Wohnung des hiesigen Chefs Lebeuliet</>, wo eine ansehnliche Versammlung von Weibern und Männern einen Kreis um Kadu schlossen, dessen neue Tracht sie angelockt hatte; wie sehr aber erstaunte ich, als ich ihn eine Rede halten sah, bei der seine Zuhörer beinah in Thränen zerflossen; ein altes Weib schluchzte laut, Tigediens Augen schwammen, und ihm selbst war die Gewalt anzusehen, mit der er seine Rührung zu verbergen strebte. Oft nannte er Aur, Ulle und Totabu; ich war der Sprache nicht mächtig genug, um viel Zusammenhang in die Rede zu bringen, doch schien meine Vermuthung richtig, daß er vom Volk und von den Chefs Abschied nahm. So viel ich davon verstand, sprach er zuerst von seinen Leiden, während der Fahrt von Ulle nach Aur, schilderte dann die großmüthige Aufnahme des Tigedien, und schloß mit der Hoffnung sein Vaterland vielleicht durch mich wiederzusehen. Als hierauf Tigedien zu sprechen anfing, vergoß Kadu die heißesten Zähren, das Volk war erschüttert, und eine herzliche Umarmung von Tigedien und Kadu schloß diese wahrhaft rührende Scene. Kadu folgte uns an Bord, und wurde, da sein Entschluß bei uns zu bleiben, unerschütterlich fest schien, in der Kajüt-Campagne, unter den Officieren aufgenommen, was ihm sehr schmeichelte, da er den Unterschied zwischen uns und den Matrosen wohl merkte, und jetzt zu den Tamons des Schiffs zu gehören glaubte. Er aß an unserm Tische, fand sich mit unglaublicher Geschicklichkeit darin, Messer und Gabel zu gebrauchen, und betrug sich überhaupt so manierlich und bescheiden, als ob er schon lange mit gebildeten Menschen umgegangen wäre. Unsere Herren behandelten ihn so freundlich, daß er sie bald sehr lieb gewann, und auch sie hatten ihn, seiner guten Eigenschaften wegen gern. Ich hegte die Hoffnung, wenn wir uns besser verstehen lernten, durch ihn manche Auskunft sowohl über die Carolinen, als über die eben entdeckten Inselgruppen zu erhalten.
Den 26sten Febr. Den ganzen Tag war der Rurick von Wilden umgeben, die unsern Vorsatz kannten, sie morgen zu verlassen, und uns heute noch viele Cocosnüsse gegen Eisen verhandelten. Nachmittags brachten uns die Tamons ansehnliche Geschenke an Mogan und Cocosnüssen. Sie bedauerten unsere Abreise sehr, und erfuhren auf ihre Frage, wohin ich jetzt ginge, daß ich ihren großen Tamon auf Ailu und Udirick besuchen wolle, was wirklich meine Absicht war. Sobald ich mich mit meinen Gästen allein in der Kajüte befand, untersuchten sie genau, ob wir behorcht werden könnten, und baten mich darauf geheimnißvoll, aber dringend, ich möchte doch hier bleiben, bis ihre Kriegsmacht sich versammelt, mit dieser alle Bewohner von Mediuro todtschlagen, und dann mit Cocosnüssen und Brodtfrucht beladen nach Aur zurückkehren; sie wollten mir dafür täglich einen Eb geben. Dieser Beweis ihres Zutrauens überraschte mich, aber so gern ich auch diese armen Insulaner gegen ihre Feinde geschützt, und sie vielleicht durch meine bloße Erscheinung vor künftigen Ueberfällen gesichert hätte, so vergönnte mir der heranrückende Frühling die Zeit nicht mehr dazu. Meine abschlägige Antwort betrübte sie; um ihnen aber doch behülflich zu seyn so viel in meinen Kräften stand, so beschenkte ich sie mit einigen meiner Lanzen und Enter-Waffen, wodurch ich sie unbeschreiblich beglückte. Alles wurde sofort dem Volke in den Böten gezeigt, das in ein lautes einstimmiges O–h ausbrach; Tiuraur tanzte und sang dazu ein kriegerisches Lied, indem er uns zeigte, wie er jetzt die Feinde niederstoßen wollte; das Volk brüllte vor Freude, und wären ihre Feinde in diesem Augenblick erschienen, so hätten die Tapfern, beseelt vom kriegerischen Geiste, gewiß den Sieg davon getragen. Voll Entzücken fuhren jetzt die Tamons ans Land; Edock, der Freund und Leidensgefährte Kadus, blieb zurück, um noch einen letzten Versuch zu machen, ob dieser nicht zu erweichen sey; alles aber war vergebens; was er während seines Aufenthalts bei uns bekommen, schenkte er seinem Freunde, und weinte schmerzlich, als er sich beim Abschied, nach einer langen Unterredung von ihm losriß. Kadus Entschluß ward uns immer räthselhafter, als wir jetzt auch seinen heftigen Schmerz bei der Trennung sahen. Dem Edock, der in der Geographie der Carolinen, die er besucht hatte, besser bewandert war, als unser Freund, verdanken wir eine merkwürdige Karte derselben, die ich seiner Aussage nach entwarf, und den Lesern mittheile. So unrichtig sie seyn mag, so kann sie doch vielleicht einst einem Seefahrer, der die Carolinen untersuchen will, von einigem Nutzen seyn; habe ich doch nach Lagediacks Aussage, schon drei Gruppen entdeckt. Die Zwischenräume der Inselgruppen, die nach Edocks Versicherung von der nämlichen Beschaffenheit sind, wie die von uns Untersuchten, habe ich mit Zahlen versehen, welche die Tagereisen von einer Gruppe zur andern bestimmen; die einzeln Inseln sind nur durch Kreise angedeutet. Sehtiu, Feis, Pelli und Jap sollen aus hohen, die übrigen aus niedrigem Lande bestehen. Jap und Pelli, welche wahrscheinlich die Pelloes-Inseln von Wilson sind, findet man anfallen Karten angedeutet. Ich will nichts weiter hierüber sagen, da Herr von Chamisso aus Liebe für die Wissenschaften sich der Beschwerde unterwarf, dem Kadu, sowohl über die Geographie, als über die Gebräuche auf den Carolinen und den von uns entdeckten Gruppen auszufragen. Sein Aufsatz, den er zu meiner Reise liefert, wird belehrend und unterhaltend seyn. Edock zeigte nach O, als ich ihn fragte, in welcher Gegend Ulle liege; dieser Irrthum beweist, daß ein östlicher Wind die Unglücklichen von ihrer Insel entfernte, die durch einen SW Monsoon der dort herrscht, weiter nach O getrieben wurden; da sie aber immer in dem Wahne blieben, sich westlich von Ulle zu befinden, so lavirten sie auch, als sie den Passat erreicht, immerfort nach O. Auch auf der Inselgruppe Arno, eine Tagereise von hier nach SW, ist, wie Edock erzählte, ein Kahn mit fünf Menschen gelandet. Diese sind gebürtig von der Gruppe Lamureck, welche in geringer Entfernung von Ulle liegt, und ebenfalls auf der Karte von dem Pater Cantara unter der Kette der Carolinen aufgenommen ist. Als vor einiger Zeit die Bewohner Arnos hier einen Ueberfall wagten, erkannten Kadu und Edock die Insulaner von Lamureck, mit denen sie früher freundschaftlich umgegangen; da sie gehört hatten, daß diese verunglückt wären, so war bei dem unerwarteten Wiedersehen ihre Freude so groß, daß sie, wie Kadu sagte, sich weiter um das Gefecht nicht bekümmerten, sondern ein einsames Plätzchen suchten, wo sie sich gegenseitig ihre erlittenen Drangsale mittheilten. Die fünf Lamureckaner heißen: Quidal, Pegedu, Uderick, Katulgi und Udeben; Uderick heißt eine Inselgruppe von Radack, und man könnte aus der Gleichheit der Namen schließen, daß hier ziemlich oft Kähne von den Carolinen stranden. Nachmittags fuhr ich, um Abschied zu nehmen, noch einmal ans Land, wo mich die Einwohner freundlicher als jemals empfingen, weil sie durch die erhaltenen Waffen jetzt vollkommen von meiner Freundschaft überzeugt waren. Nur mein Hund aus der Beringsstraße, der heute sein Leben unter Krämpfen endigte, da er das hiesige Klima nicht vertrug, setzte sie etwas in Angst. Vor Lebulits Wohnung ward eine kleine Flotte ausgerüstet, wahrscheinlich gegen die Bewohner Mediuros; zwei dieser Böte, die größten welche ich hier sah, waren 38 Fuß lang. Chamisso brachte diese Nacht in des Tamons Wohnung zu, in der Hoffnung, seinem Versprechen gemäß, tatuirt zu werden; da es dennoch nicht geschah, so sind wir in dem Glauben bestärkt, daß das Tatuiren auf irgend eine Weise mit ihrer Religion in Verbindung steht.
Trotz des sehr heftigen Windes kamen zwei große Böte, von der zur Gruppe Kawen gehörigen Insel Airick hier an, woraus erhellt, daß sie ziemlich hohe See halten können; beide gehörten dem uns schon bekannten Chef Labeleoa, der große Freude hatte, uns wieder zu sehen. Als die Sonne unterging begleiteten mich die Insulaner an meine Schaluppe, die sie dermaßen mit Cocosnüssen angefüllt hatten, daß wir kaum Platz zum sitzen behielten. Ich gab ihnen Eisen, Messer und Scheeren, die Weiber erhielten Perlen, und wir schieden als die besten Freunde von einander.
Ich schließe unsern Aufenthalt hier mit Beobachtungen die wir gemacht.
Breite unsers Ankerplatzes, das Mittel aus drei Observationen | 8º 18' 42" | |
Länge nach Mond und Sonne | 188º 48' | O. |
Länge nach den Chronometern | 188º 51' 46" | |
Deklination der Magnetnadel | 11º 58½ | O. |
Die Lage der Gruppe Aur ist NW und SO, in dieser Richtung beträgt ihre größte Länge 13, ihre Breite sechs Meilen, im Ganzen zählten wir 32 Inseln. Ich nannte die Gruppe nach unserm Herrn Seeminister: Traversey. Da die Zeit mir nicht erlaubte, die auf meiner Karte angezeigten Inseln, Arno, Mediuro und Mille selbst genauer zu untersuchen, so konnte ich blos mit dem Kompasse den Richtungen, welche die Insulaner mir andeuteten, folgen; die Entfernungen sind nach den Tagereisen berechnet. Die Bevölkerung der Gruppe Aur ist auf 3 bis 400 zu schätzen, gering im Verhältniß ihrer Größe, sehr ansehnlich aber im Vergleich mit den übrigen Gruppen.
Den 27sten Febr. lichteten wir bei Tagesanbruch die Anker, um Aur zu verlassen; die ganze Nacht hatten wir die Trommeln und den Gesang der Wilden gehört; als die Segel gespannt wurden, verdoppelte sich der Lärm am Ufer, und Kadu meinte, es geschähe, um uns eine glückliche Reise zu wünschen. Um sieben Uhr befanden wir uns schon an der Passage, durch die wir hier eingedrungen, und durchsegelten sie glücklich. Ich richtete meinen Cours nordwärts, um der Insel Kawen in der Nähe vorbei zu segeln, wir erreichten sie bald, und am Mittag lag sie vier Meilen von uns entfernt in O. Jetzt setzten wir unsere Reise scharf bei dem Wind fort, umschifften die Gruppe Otdia über dem Winde, und lavirten die Nacht unter wenigen Segeln.
Den 28sten. Wir hatten schönes Wetter und mußten nach unserer Schiffsrechnung um sieben Uhr Morgens Otdia sehen können, da aber selbst von der Spitze des Mastes kein Land zu entdecken war, so konnte nur der Strom an der Unrichtigkeit unserer Berechnung schuld seyn, was sich auch nachher auswies, denn wir waren während der Nacht sechzehn Meilen nach NW 11º getrieben. Um die Gruppe Otdia zu Gesicht zu bekommen, nach welcher ich meine Lage auf der Karte genau zu bestimmen wünschte, nahm ich den Lauf gerade nach W. Nach wenigen Stunden ward von der Spitze des Masts in S Land entdeckt; ich richtete den Cours sogleich dahin, um zu untersuchen, welche Insel der Gruppe Otdia wir sahen, und erkannte nach ¾ Stunde die Insel Ormed, welche sieben Meilen von uns entfernt lag. Von hier steuerte ich NW, in der Hoffnung, auf die Gruppe Ailu zu stoßen. Unsere Breite am Mittag gab nach einer guten Observation 9º 51' 29", Länge nach den Chronometern 189º 56' 00". Als wir dieselbe nach der Insel Ormed berechneten, fanden wir nur eine Minute Unterschied, und diese Uebereinstimmung, welche sowohl die Güte der Chronometer, als auch die genaue Bestimmung der Gruppe Aur bewies, erfreute mich mehr, als es eine neue Entdeckung gethan haben würde.
Kadu, dem wir ein Hemd und eine leichte Matrosenjacke angezogen hatten, war durch diese Kleidung, in der er sich sehr gefiel in einer vortrefflichen Stimmung, bis das Schaukeln ihn seekrank und mißmuthig machte; bald indeß stellte sich seine Gesundheit und gute Laune wieder her, und er schien seine Freunde im Geringsten nicht zu vermissen. Um halb drei Uhr wurden vom Salnik aus in N drei niedrige Inseln entdeckt, die Kadu sogleich für einen Theil der Gruppe Ailu erkannte, wo er ein Mal gewesen; in SW meinte er, müsse die kleine Insel Temo liegen, und weiter nach W Ligiep. Wir befanden uns jetzt unter dem Winde der Gruppe Ailu, sieben Meilen von ihr entfernt, und mußten daher, um sie zu erreichen, die ganze Nacht laviren.
Den 1sten März hatten wir bei Tagesanbruch schon so viel gewonnen, daß wir uns unter dem Winde an ihrer südlichen Spitze befanden, die durch die Insel Ailu, nach der die ganze Gruppe den Namen führt, gebildet wird.
Die Länge der ganzen Insel betrug kaum eine Meile, die Breite ¼ Meile; sie erschien uns freundlich, und zeichnete sich vor den übrigen durch hohe Palmen aus. Wir näherten uns der Insel Ailu, auf welcher wir Rauchsäulen emporsteigen und Menschen herum gehen sahen; nachdem wir sie umschifft, verfolgten wir die südliche Seite der Gruppe, die einzig aus Korallen-Riffen besteht, und als wir auch diese umsegelt, befanden wir uns in ruhigem Wasser; jetzt setzten wir unsern Cours nördlich in der Nähe des Riffs fort, in der Hoffnung, eine Oeffnung zu finden. Bald sahen wir drei Böte durch die Riffe kommen, fanden aber die Passage zu enge, um hindurch dringen zu können. Zwei Böte kamen uns so nah, daß wir uns mit den Insulanern unterhalten konnten, und Kadus Freude, einige alte Bekannte wieder zu sehen, war eben so groß, als das Erstaunen dieser, ihn bei uns zu treffen. Niemand von ihnen wagte sich an Bord, es entspann sich aber von den Böten aus eine weitläuftige Unterhandlung mit Kadu, der ihnen alles erzählte, was er von uns wußte, auch daß er gesonnen sey mit zu reisen, wir aber jetzt einige Tage bei ihrer Insel verweilen wollten. Ueber letztere Nachricht äußerten die Wilden viel Freude, wiesen uns nördlich eine Passage an, die ihrer Meinung nach, breit genug seyn müsse, und wir spannten sogleich mehr Segel auf, um diese noch vor Abend zu erreichen. Bald fanden wir drei Passagen, von denen zwei zwar tief genug, aber nur vier Faden breit waren; die dritte war 50 bis 60 Faden breit, da es aber schon spät und der Versuch mißlich war, der Passat auch gerade aus der ziemlich schmalen Oeffnung blies, so verschob ich die Untersuchung bis morgen. Wir hatten jetzt die ganze Gruppe übersehen, deren Länge fünfzehn und die Breite fünf Meilen betrug; die östliche Seite derselben war durch eine Inselkette gebildet, die westliche hingegen bestand aus einem Korallen-Riff.
Den 2ten März. Der Strom hatte uns während der Nacht sieben Meilen nach W versetzt, wir erreichten dennoch um acht Uhr die Passage, wo das Eindringen mir fast unmöglich schien, da sie schmal und der Wind uns entgegen war, indeß hoffte ich, daß der hineinsetzende Strom unsere Unternehmung begünstigen könnte, und schickte den Lieutenant Schischmareff ab, das Fahrwasser zu untersuchen. Er kehrte bald mit der angenehmen Nachricht zurück, daß die Passage zwar nur fünfzig Faden breit, aber tief genug und ganz gefahrlos sey, weil die Riffe am Eingange, einer Mauer ähnlich, senkrecht aus dem Grunde steigen. Sogleich ließ ich alle Segel beisetzen, um dem Rurick den möglichst schnellsten Lauf zu geben, damit, wenn er in der Passage gegen den Wind gewendet werden mußte, er die Kraft fortzulaufen behielt, bis jede Gefahr vorüber wäre; ohne Hülfe des Stroms wäre uns dieser Versuch nicht gelungen, der gefährlich genug war, und wir waren sehr froh, eingedrungen zu seyn, ohne dem Riff zu nahe zu kommen, der den südlichen Theil des Eingangs bildet. Ein Fisch von der Gattung der Makrelen, hatte sich an dem hinter dem Schiff schleppenden Fischhaken gefangen, und so lieferten uns die Inseln den Tribut, in dem Augenblick, wo wir in die Gruppe eindrangen. Der Wind würde uns den geraden Cours nach der Insel Ailu gestattet haben, wenn uns nicht beständig Korallenbänke im Wege gelegen hätten, denen auszuweichen oder sie zu umschiffen uns viel Zeit raubte. Noch in keiner Gruppe waren uns so viele Untiefen aufgestoßen, dennoch erreichten wir am Mittag einen bequemen Ankerplatz in der Nähe von Ailu; hier näherten sich gleich drei Böte unserm Schiffe, und Kadu in seiner Matrosentracht, säumte nicht, sich so aufs Verdeck zu stellen, daß man ihn vom Kopf bis auf die Füße deutlich sehen konnte. Er rief ihnen herablassend zu: er sey Kadu, sie möchten sich nur nicht fürchten an Bord zukommen; und diese, die ihren Augen nicht trauten, wagten sich erst nach einem langen Gespräch mit ihm, aufs Schiff. Nachdem sie hier die Kleidung des Wohlbekannten hinlänglich untersucht und bewundert, erklärte er ihnen mit vieler Würde auch die übrigen Gegenstände, und fand es natürlich, daß sie sich unterwürfig gegen ihn betrugen, als sey er ein vornehmer Tamon. Nachher hatte er sogar die Güte, mit ihnen ans Land zu fahren, nahm ohne Umstände den Ehrenplatz auf einem Canot ein, und die guten Wilden sangen und jauchzten, und trugen ihn, ohne daran zu denken, daß er noch vor wenigen Tagen ein Gemeiner war, wie sie, auf ihren Schultern durchs Wasser; ein Diensteifer, den er wohl durch einige alte Nägel erhöhte, die er mitnahm, um sie zu verschenken. Als er das Land erreicht, ließ er sich gravitätisch nieder; Alle umgaben ihn stehend, und er erzählte ihnen von seinen wichtigen Erfahrungen und Begegnissen. Nachmittags fuhren auch wir ans Land, wo wir die Bemerkung machten, daß diese Gruppe viel später entstanden seyn müsse, als Otdia, Kawen u. a.; sie hatte wenig Erde, und war daher ihrer Größe nach arm an Früchten; den Brodfruchtbaum sahen wir gar nicht; der Pandanus, im Ueberfluß auf andern Inseln, wird hier sorgfältig gepflegt; Hühner, die mit Schnüren, wie bei uns die Kettenhunde, an die Wohnungen gebunden waren, gibt es hier häufiger, doch dient ihr Fleisch nicht zur Nahrung, wohl aber ihre Federn zum Schmuck. Die langen Federn des Tropickvogels gehören hier zum höchsten Staate, werden aber mir sehr selten gefunden. Wir erfuhren, daß Lamary kürzlich von hier nach Udirick gesegelt sey, um auch dort eine Kriegsmacht zu sammeln, und Langemui, der als Chef dieser Gruppe zurückgeblieben, sich an ihrer nördlichen Spitze auf der Insel Capeniur befinde. Nach der Aussage der Wilden lag die Gruppe Udirick eine Tagereise von hier gerade in N, und ich zweifelte keinen Augenblick, daß es die im vorigen Jahr von uns entdeckten Inseln Kutusoff und Suworoff waren, die, nach unserer Länge zu urtheilen, dort liegen mußten. Kadu fuhr wieder mit uns an Bord; die Insulaner begleiteten uns in ihren Canots, mit Cocosnüssen gefüllt, die sie uns boten, ohne etwas dafür zu verlangen. Bei ihrem Mangel an Früchten rührte mich diese Gutmüthigkeit und Uneigennützigkeit, und ich belohnte sie reichlich mit Eisen.
Nach einer guten Observation fanden wir die Breite unsers Ankerplatzes 10º 13' 7", Länge nach den Chronometern 188º 58' 33".
Den 4ten März wurden mit Tagesanbruch die Segel gespannt, und wir nahmen den Lauf längs der Kette nach N auf die Insel Capenuir, die wir, aufgehalten durch viele Korallenbänke, erst Abends um neun Uhr erreichten. Hier lagen wir 50 Faden von ihr entfernt, vor dem Wind geschützt, und auf diesem bequemen Ankerplatze beschloß ich einige Tage zu verweilen, um Segel und Taue zu repariren, da der Rurick jetzt bald in den stürmischen Ocean hinein mußte, wo er in dieser Jahreszeit manchen Sturm zu erwarten hatte. Die größte Tiefe in der ganzen Gruppe betrug 20 Faden; auf unserm Ankerplatze hatten wir nur sechs Faden; der Boden bestand aus weißem Thon, eine Beschaffenheit, wie wir sie noch in keiner Gruppe getroffen. Kaum lagen wir vor Anker, so besuchte uns Langemui, der schon gestern von Kadus Anwesenheit benachrichtigt, dadurch ein solches Vertrauen zu uns gefaßt hatte, daß er ohne Furcht das Schiff betrat, um mir einige Cocosnüsse zu Füßen zu legen. Er war ein Greis von wenigstens achtzig Jahren, mager und mit grauen Haaren, aber sehr jugendlichem Geiste. Er gefiel mir sehr, ich beschenkte ihn reichlich, er lud mich auf seine Insel ein, und unsere Freundschaft war geschlossen, als er mich bald darauf verließ. Nachmittags stattete ich meinen Gegenbesuch ab, ward im Kreise seiner Familie freundlich in seinem Hause empfangen, und Kadu, den ich mitgenommen, mußte viel von unserm Schiff erzählen. Ich bemerkte an Langemuis Arm verschiedene Narben, und fragte ihn, bei welcher Gelegenheit er sie bekommen? Der Alte zeigte nach W, und indem er mir erzählte, daß er vor langer Zeit die Bewohner Ralicks besucht, die ihm diese Wunden beigebracht hätten, gerieth er so in Wuth, daß er eine Lanze ergriff, und diese mit solcher Kraft in einen 15 Schritt entfernten Baum warf, daß sie darin hängen blieb; dabei schrie er: Mani Mamuan Ralick (todtschlagen Mann von Ralick). Ich bewunderte die Geschicklichkeit und Kraft, womit der Alte noch die Lanze führte, die, so gering ich sie bis jetzt geachtet, auf zwanzig Schritt noch tödtlich ist. Nachdem sich mein Wirth etwas besänftigt hatte, suchte ich mit Kadus Hülfe, der schon an meine Aussprache gewöhnt war, zu erforschen, was er unter Ralick meine, und erfuhr folgendes: Die uns schon bekannte Kette, vom nördlich liegenden Bigar bis zum südlichen Mille, wird von den Bewohnern derselben Radack genannt, wie auch ich sie in der Folge nennen werde; in W von der Kette Radack läuft mit ihr parallel eine andere Inselkette, die aus neun großen Gruppen und aus drei einzelnen Inseln besteht, stark bevölkert ist und Ralick genannt wird. Langemui erklärte mir das Ganze, indem er auf einer ausgebreiteten Matte vermittelst kleiner Steine die Kette Radack bezeichnete, welche die Richtung von N nach S bis Eregup und dann nach SW erhielt. Da die Gruppen, so viel wir sie kannten, sehr richtig angegeben waren, so verdiente seine Nachricht über die Kette Ralick ebenfalls Glauben. Nachdem der Alte uns die Gruppen verschiedene Male genannt, so gab er auch den Weg an, welchen man von Ailu aus nehmen mußte, um dahin zu gelangen, was er auf folgende sinnreiche und deutliche Art that. Ein kleiner Stein in seiner Hand vertrat die Stelle des Canots, er segelte mit diesem beim Aufgang der Sonne von Ailu ab, erreichte bei einem SW Cours am Mittag die Insel Temo, und von dort ohne Aufenthalt die Gruppe Legiep. (Als wir diese in der Folge entdeckten, mußten wir seine genaue Kenntniß dieser Gegend bewundern.) Von Legiep trat er erst am andern Morgen seine Reise wieder an, nahm eine westliche Richtung, blieb zwei Tage und zwei Nächte unterwegs, und stieß dann auf die zur Kette Ralick gehörige Gruppe Cwadelen. Auf diese Weise bezeichnete er den Cours sowohl, als die Tageszeiten genau und deutlich. In der Zeit, als er die Wunden erhalten, führten beide Ketten heftigen Krieg mit einander, jetzt aber stehen sie in freundschaftlichem Verhältnisse. Kadu, der ebenfalls die Gruppe Ralik zu kennen behauptete, erzählte mir, der Tamon Tiuraur, den wir bereits kannten, habe eine Reise nach Ralick gemacht, mit dem dortigen Chef die Namen gewechselt, und die Freundschaft der beiden Inselketten begründet. Die Kette Ralick hat zwei Beherrscher: Lagadack-nanait und Labondugiu; ersterer heißt Erud Ellip (großer Chef). Das Wort Tamon ist erst von Kadu hier eingeführt; denn auf den Carolinen nennt man die Anführer so; hier aber heißt er: Erud. Die Bewohner beider Inselketten sollen weder in Sprache, noch in Gebräuchen verschieden, und die Gruppe Odja die volkreichste und größte in der Kette Ralick seyn. Langemui versicherte, daß man in 1½ Tage von Eregup dahin gelangen könne; das wäre also eine Entfernung von 60 Meilen, da mir aus Erfahrung bekannt ist, daß die hiesigen Tagereisen selten über 40 Meilen betragen von Ralick nach Radack geht es langsamer, weil sie dann gegen den Passat kämpfen müssen. Merkwürdig war es mir, von Langemui zu erfahren, daß vor langer Zeit ein Schiff mit weißen Menschen auf Osdia gewesen, von denen sie Eisen eingetauscht, und daß man an der nördlichen Gruppe Bigini, welche ebenfalls zu dieser Kette gehört, ein großes Schiff vorbeisegeln sah. Man sieht hieraus, daß die Kette Radack bis auf ein Paar Gruppen ganz unbekannt ist, und daß Ralick für die uns gleichfalls unbekannte Gruppe der Mulgrawes angesehen werden kann. Die Karte von der Kette Ralick, die, wie ich hoffe, ziemlich richtig seyn wird, habe ich nach Langemuis Aussage entworfen, und man findet sie in meinem Atlas. Von der Insel Capeniur, die nur ¼ Meile im Umfange hat, läßt sich nicht viel mehr sagen, als von Ailu; sie ist ebenfalls in der Vegetation noch sehr zurück, und die Bevölkerung schien mir gering; vielleicht waren aber auch die Meisten dem Lamary nach Udirick gefolgt. – Ich entdeckte verschiedene Wassergruben, und da ich eine derselben zum Waschen unserer Wäsche bestimmte, weil jetzt bis Unalaska keine Gelegenheit dazu vorauszusehen war, so schickte ich täglich einige Matrosen in dieser Absicht ans Land. Der Diensteifer der Insulaner ging so weit, daß sie meinen Leuten bei der Arbeit behülflich waren, und Kadu, dem man seine Wäsche in eigene Verwahrung gegeben, ließ sich's nicht nehmen, sie selbst zu waschen.
Auf Capeniur besuchte ich einen Anführer, der dem Ansehen nach weit über 100 Jahr alt seyn mußte; schneeweißes wolliges Haar bedeckte Haupt und Kinn, der magere mit Runzeln bedeckte Körper glich kaum einem menschlichen, und dennoch genoß auch er das Vorrecht dieser glücklichen Insulaner, sein Geist war heiter und ungeschwächt. Es ward mir immer rätselhafter, wie bei einer so dauerhaften Gesundheit die Bevölkerung hier so gering war, bis Kadu mir darüber Aufschluß gab; es herrscht hier nämlich, wegen des Mangels an Lebensmitteln, das grausame, empörende Gesetz, daß jede Mutter nur drei Kinder erziehen darf; die übrigen müssen umgebracht werden. Wie wohlthätig das hiesige Klima auf den Körper wirkt, haben auch wir erfahren, da wir uns alle, ungeachtet es uns an frischen Lebensmitteln fehlte, nirgends besser befanden als hier.
Bis zum 6ten März genossen wir hier des schönsten Wetters bei einem mäßigen ONO Winde; in der Nacht stellte sich Windstille ein, was sehr ungewöhnlich ist, und am 7ten drehte sich der NO Passat zum ersten Male während unsers Aufenthaltes in Radack nach NW und W. Es regnete dabei stark bis zum Sonnenuntergang; am folgenden Morgen war der Wind wieder aus NO und die Sonne schien freundlich. Der Barometer pflegt zwischen den Tropen, entfernt vom hohen Lande, keiner besondern Veränderung unterworfen zu seyn; auch wir haben, abgerechnet die tägliche Oscillation, keine bemerkt, außer während des Westwindes, wo er vier Linien fiel.
Den 9ten und 10ten konnten wir, des heftigen Regens wegen, keine Arbeiten auf dem Schiffe unternehmen, und eilten daher sehr, diese am 11ten zu beendigen, als das helle Wetter es gestattete. Nach unsern Bemerkungen, welche Kadu bestätigte, ist der ONO Wind in Radack der gewöhnlichste, indeß soll der Wind in den Monaten September und Oktober zuweilen aus SW wehen, und nicht selten in einen heftigen Orcan ausbrechen, der Cocos- und Brodfruchtbäume entwurzelt, Inseln am westlichen Theil der Gruppe verwüstet, die, wie er versichert, zuweilen von den Wellen verschlungen werden. Die Wilden sehen dieser Zeit mit Furcht entgegen, die ihnen oft ihre Brodfrucht-Ernte zerstört; man erntet diese Frucht hier nur ein Mal im Jahre, und gerade in dieser Zeit; denn, wenn man gleich das ganze Jahr Früchte an den Bäumen sieht, so stehen diese doch in den gefährlichen Monaten am vollsten.
Langemui brachte mir heute einen jungen Tamon von der Insel Miadi an Bord, die uns, seiner Meinung nach, jetzt in O liegen mußte, und ohne Zweifel die von uns entdeckte Neujahrsinsel war, da diese nach unserer Berechnung in O, 56 Meilen von uns entfernt, lag. Der junge Chef machte diesen Besuch sehr wider seinen Willen; auf einem zum Fischfang ausgerüsteten kleinen Kahn, der nur ihn allein faßte, hatte der Sturm ihn überrascht, von seiner Insel entfernt, und nach einigen Tagen an diese Gruppe geworfen. Dieser lebhafte junge Mann war über den ganzen Körper stark tatuirt, folglich von vornehmen Stande; sein Betragen war bescheiden, und seine Wißbegierde, ich möchte sagen grenzenlos. Auf meine Frage: wann er gesonnen sey, nach Miadi zurückzukehren? antwortete er, er werde Lamarys Ankunft abwarten, der auch dort Kriegstruppen sammeln wolle, und mit ihm zusammen hingehn. Es ist zu bewundern, wie die Wilden gegen den NO Passat, nach einem Punkt wie Miadi, den sie kaum auf sechs Meilen sehen können, einen Weg von 56 Meilen zurücklegen. Da sie nur laviren, so sind sie zwei Tage und eine Nacht unterwegs, ohne andere Hülfsmittel, ihren Weg zu berechnen, als die Sterne, die sie nur mit bloßen Augen sehen; eine Geschicklichkeit, die die Europäer nicht besitzen.
Als Langemui erfuhr, daß wir ihn morgen verlassen wollten, war er aufrichtig betrübt darüber, und schickte sogleich einige Leute aus, um Cocosnüsse zu sammeln, andere zum Fischen; die ganze Nacht sahen wir Menschen an den Riffen mit Feuer herum gehen, womit sie die Fische anlocken und dann harpuniren.
Den 13ten März. Schon bei Tagesanbruch kam unser alter freundlicher Langemui, beladen mit Cocosnüssen und Fischen, und bald darauf lichteten wir bei einem frischen ONO und schönem Wetter die Anker. Noch lange stand der Alte auf seinem Kahn, und winkte uns mit beiden Händen sein Lebewohl zu. Die Gruppe Ailu nannte ich nach dem Mann, unter dessen Commando ich die erste Reise um die Welt machte: Krusenstern.
Um 7 Uhr erreichten wir eine nördlicher liegende Passage, durch die ich segelte, weil der Wind uns günstig war, obgleich sie nur 30 Faden Breite hatte. Von hier nahm ich den Cours N.t.W., um zu der Gruppe Udirick zu gelangen, die keine andere, als die Kutusoffs-Gruppe seyn konnte.
Das Mittel aus mehrern Observationen für die Breite unsers Ankerplatzes bei der Insel Capeniur | 10º 17' 25" | N. |
Das Mittel aus vielen Beobachtungen zwischen Mond und Sonne für die Länge | 190º 00' 40º | W. |
Declination der Magnetnadel | 11º 15½' | östlich. |
Das Mittel unserer Beobachtungen gab für die Zeit der hohen Fluth im Voll- und Neumonde 4 Stunden 53 Minuten, die größte Differenz der Wasserhöhe ging bis auf 8 Fuß.
Um drei Uhr Nachmittags ward die Insel Udirick von der Spitze des Mastes in N gesehen, gegen Abend näherten wir uns dem südlichen Theil derselben, und unterschieden nun deutlich die beiden Gruppen Kutusoff und Suworoff, wie auch den Canal, der sie scheidet, und den wir im vorigen Jahre durchsegelten. Da es zu dunkeln begann, so lavirten wir unter geringen Segeln.
Den 13ten. Wir bemerkten bei Tagesanbruch, daß uns der Strom während der Nacht acht Meilen nach SW 40º getrieben hatte, und richteten jetzt unsern Lauf in die Straße, welche von Udirick nördlich, und Togai südlich gebildet wird. Um acht Uhr hatten wir diese passirt, und befanden uns unter dem Winde der Suworoffs-Gruppe, wo ich die Absicht hatte, hinein zu dringen; da aber hier keine Passage breit und tief genug für unser Schiff zu finden war, so beschloß ich, nur einen Tag unter Segel hier zu bleiben, um den Lamary zu sprechen. Bald erschienen auch vier Canots, unter ihnen der Chef; eben wollten sie die Ceremonien des vorigen Jahres wiederholen, als sie den Kadu zu ihrem höchsten Erstaunen erkannten. Lamary hielt sich nur kurze Zeit bei uns am Schiff auf, weil sein Volk in der Furcht stand, wir könnten ihn behalten. Er unterschied sich weniger durch seine Kleidung, als durch seinen langen und starken Körper von den übrigen Insulanern, sein Gesicht verrieth Verstand, und das rechte Auge, kleiner als das linke, gab ihm ein verschmitztes Ansehen. Kadu erzählte mir nachher, daß Lamary, der jetzt 30 Jahr alt seyn mochte, auf Arno geboren, von da vor einigen Jahren nach Aur gekommen, den dortigen Chef ohne Umstände erschlagen und sich die Herrschaft angemaßt habe; von dort sey er nach Kawen, und mit seinen Anhängern immer weiter nach N bis Udirick gegangen, habe überall die vornehmsten Chefs getödtet, und beherrsche jetzt unumschränkt die ganze Kette von Radack bis Aur. Es ist merkwürdig, daß die Insel Sumatra in alten Zeiten den Arabern unter dem Namen Lamary bekannt war; man könnte auf den Gedanken kommen, daß die Bevölkerung auf den Carolinen sowohl, als auf diesen Gruppen, ihren Ursprung von den Philippinischen Inseln hat, um so mehr, da sich diese Völker ähnlich sehen. Nachdem ich dem Lamary bei seinem kurzen Besuch Einiges geschenkt, löste er sich einen künstlich gearbeiteten Fischknochen vom Halse, den man hier als Auszeichnung trägt, verehrte ihn mir, und verließ sogleich das Schiff; die übrigen Insulaner ließen sich aber deswegen nicht abhalten, sich noch allerlei Wunderdinge von Kadu erklären zu lassen. Ich erfuhr von ihnen, daß die nördlichste Gruppe an der Kette Ralick, Bigini, von hier gerade in O liege, und diese ist vielleicht die nämliche, welche auf der Karte unter dem Namen Pescadores bekannt, und nur einmal gesehen worden ist: die Insel Bigar gab man mir NNO an, und die Insulaner erzählten mir, daß Lamary bald dorthin gehen werde, um Schildkröten zu fangen, und dieses Fleisch einzulegen, als Provision zum bevorstehenden Kriege.
Zwei von Kadus Unglücksgefährten, welche mit Lamary auf diese Insel gekommen, fanden sich bei uns ein; einer derselben, ein sehr alter Mann, ward von Kadu besonders geliebt, und dieser hatte beschlossen, ihn mitzunehmen, ohne mir ein Wort davon zu sagen. Der alte Caroliner war vor Freuden außer sich, und gerieth in eine wahre Wuth, als ich ihm diesen Wunsch versagte. Er schmähte dem Kadu, bat mich flehentlich, ihn statt seiner zurückzulassen, und vergebens waren alle meine Vorstellungen, daß er in so hohem Alter die Beschwerden einer langen Seereise nicht ertragen könne. Gern hätte ich seinen unablässigen Bitten nachgegeben, wenn ich dann nicht seinen Todt beinahe mit Gewißheit erwarten mußte. Nachdem sich die Insulaner an den Herrlichkeiten satt gesehen, bat Kadu mich um die Erlaubniß, sie ans Land begleiten zu dürfen; auch Herr v. Chamisso fuhr mit, um die Insel näher kennen zu lernen. Nur mit Gewalt wurde der alte Caroliner, der durchaus bleiben wollte, aufs Boot gebracht, und alle verließen uns. Nach einigen Stunden kehrten Herr v. Chamisso und Kadu an Bord zurück, begleitet von einigen mit Cocosnüssen beladenen Canots. Sie hatten nicht landen können, denn ins Bassin der Gruppe zu dringen, war der schmalen Oeffnung und des contrairen Windes wegen unmöglich, an der äußern Seite hingegen war die starke Brandung nicht zu passiren, durch welche Kadu mit den Wilden schwamm, während Chamisso ihre Rückkehr im Boote erwartete. Noch einmal stellte ich jetzt dem Kadu vor, daß der letzte Augenblick gekommen sey, wo er sich besinnen könne; ich erklärte ihm, daß wir nie nach Radack zurückkehren würden, daß er keine Hoffnung habe, jemals nach Ulle zu kommen, und daß ihm eine lange und beschwerliche Reise bevorstehe; er umklammerte mich mit beiden Händen, gelobte, bis zu seinem Tode bei mir zu bleiben, und mir blieb nichts übrig, als ihn bei mir zu behalten, mit dem festen Vorsatze, väterlich für ihn zu sorgen. Er vertheilte noch eilig alle seine Schätze, und wir verließen Udirick.
Den 14ten März. Nachdem wir uns die Nacht über bemüht, den Wind gegen Osten zu gewinnen, fanden wir durch eine gute Mittagsobservation, die für die Breite 11º 50' 57'', und für die Länge nach den Chronometern 190º 26' 32'' gab, daß wir seit gestern 26 Meilen von dem Strom gerade nach W gebracht waren; wir hatten also gegen O nicht nur nichts gewonnen, sondern standen im Verlust. Diesen starken Strom hatte ich auch im vorigen Jahre bemerkt, er schien diesem Orte eigen, ohne daß ich mir den Grund davon erklären konnte, und hinderte mich jetzt Bigar zu erreichen. Wir hatten den ganzen Tag schönes Wetter und mäßigen ONO Wind; es zeigten sich verschiedene Gattungen Seevögel, welche die Nähe einer unbewohnten Insel verkündeten.
Den 15ten. Abermals haben wir vergeblich versucht, Bigar zu gewinnen; der Strom hatte uns wieder 20 Meilen nach W gebracht, und ich richtete, als ich die Unmöglichkeit sah, diese Gruppe zu erreichen, meinen Lauf nach Unalaska. Die von der Fregatte Cornwallis entdeckten Inseln lagen auf meinem Wege, ich beschloß daher, den Cours so zu richten, daß ich sie in Augenschein nehmen könnte. Nach Kadus Aussage bildet Bigar ebenfalls einen Kreis, der aber fast aus lauter Riffen besteht, und nur zwei kleine Inseln enthält; eine dritte soll in der Mitte des Bassins liegen, und alle sollen nur mit wenig Erde bedeckt und mit niedrigem Gesträuche bewachsen seyn: es sind dort kleine Einfahrten unter dem Winde der Insel, für Böte, die hingehen, um Schildkröten und Seevögel zu fangen. Gern wäre ich dahin gedrungen, wo ich, nach Kadus Erzählungen zu urtheilen, doch einiges Licht über die Religion der Radacker erhalten hätte. Die Insel wird von einem blinden Gotte und seinen zwei Söhnen bewohnt; da dieser aber die Schildkröten und Seevögel in seinen besondern Schutz genommen hat, so haben die Wilden die List ersonnen, sich, so lange sie auf der Insel sind, die Namen der beiden Söhne anzueignen, wodurch der gute Blinde glücklich getäuscht wird, und ihnen nichts in den Weg legt. Die Söhne suchen sie dagegen schon auf dem Wege durch Lieder voll Schmeicheleien zu gewinnen; woraus man sehen kann, daß sie ihren Göttern menschliche Schwächen aneignen, eben wie die Griechen und Römer es thaten. Ihre erste Bitte ist, daß das Regenwasser nicht verschwinden möge, so lange sie da seyen. Von den Haifischen behaupten sie, daß diese bei Bigar keine Menschen fräßen.
Den 18ten März. Täglich trieb uns der Strom 10-12 Meilen nach W, und ich mußte einen ganz nördlichen Cours nehmen, um die Cornwallis-Inseln nicht zu verfehlen. Unsere Mittagsobservation gab für die Länge 190º 38' 45", für die Breite 13º 45' 11". Die Inseln konnten also nicht weit mehr seyn, auch kündigten sie uns eine Menge Seevögel an, die, nachdem sie uns den ganzen Tag umflattert, Abends in die Gegend zogen, und Kadu, der kein Land in der Nähe vermuthete, schrie plötzlich, auf die Vögel zeigend: da muß Land seyn! die Vögel fliegen zu ihren Jungen, und darnach finden wir eine Insel, wenn wir sie verloren haben. Man sieht hieraus, daß Lapeyrouse Unrecht hatte, das Gegentheil zu behaupten, da sogar die Wilden diese Bemerkung gemacht, und die Vögel Abends ihre Wegweiser sind.
Den 19ten. Nachdem wir die Nacht unter geringen Segeln lavirt, um die Inseln nicht zu verfehlen, setzten wir mit Tagesanbruch unsern Cours nördlich fort, und um sieben Uhr gab uns der Matrose vom Salnik die Nachricht, daß er gerade vor uns Land sehe; nach Arrowsmiths Karte mußten sie uns viel östlicher liegen. Um acht Uhr sahen wir deutlich mehrere Inseln, die mit niedrigem Gesträuch bewachsen, nur auf 5 bis 6 Meilen sichtbar sind, und daher dem Seefahrer gefährlicher werden können, als die kürzlich von uns entdeckten Gruppen, welche wenigstens, mit hohen Bäumen bewachsen, zeitig vor jeder Gefahr warnen. Am Mittag hatten wir die südliche Spitze der kleinen Gruppe umschifft, und befanden uns, unter dem Winde derselben, in ganz ruhigem Wasser, wo wir sie deutlich übersehen konnten. Ein Korallenriff bildet hier ebenfalls einen Kreis, dessen östliche Seite allein aus kleinen Inseln besteht. Sowohl die Größe der Gruppe, als ihre geographische Lage auf Arrowsmiths Karte, stimmt mit unserer Beobachtung wenig überein. Die Fregatte Cornwallis gibt die Ausdehnung der Inselgruppe von N nach S auf 30 Meilen an, da wir hingegen nur 13½ Meile fanden; auch unsere Längen differiren. Nach unserer Beobachtung liegt die Gruppe 191º 00' 25", folglich 20 Minuten westlicher, als die englische Fregatte sie angibt; die Breiten stimmen ziemlich überein. Als wir uns Mittags an der südlichen Spitze der Gruppe befanden, war die Breite 14º 39' 29". Wir näherten uns unter dem Winde dem Riff auf ein paar hundert Faden; ich schickte den Lieut. Schischmareff mit einem Boote ab, um zu untersuchen, ob wir ins Bassin dringen könnten; sein Bemühen aber war fruchtlos, die Gruppe hatte keine Oeffnung; nach der hellen Farbe des Wassers zu urtheilen, war die Tiefe im Bassin nur gering, und wahrscheinlich wird die ganze Gruppe bald nur Eine Insel seyn. Ein ungeheurer Haifisch verschluckte hier eine Angel von fingerdickem Eisen, war aber so groß und schwer, daß die Angel gerade in der Mitte zerbrach, als wir ihn heraufziehen wollten. Bald verließen wir die Inseln, und steuerten, so viel es der Wind erlaubte, nördlich, um im 30sten Grad der Breite den nämlichen Punkt zu erlangen, auf dem wir im vorigen Jahre Zeichen von Land gehabt hatten.
Den 21sten März. Mittags befanden wir uns in der Breite 17º 56', Länge 193º 23', sahen bei Sonnenuntergang die Seevögel ihren Flug nach NO nehmen, wahrscheinlich nach der Insel Wakers, die in dieser Richtung liegen muß, des nördlichen Windes wegen aber nicht von uns erreicht werden konnte.
Den 23sten. In der Breite 20º 15', Länge 195º 5' verloren wir plötzlich nach einigen starken Windstößen aus allen Richtungen des Compasses, verbunden mit Regen, den Passat, der jetzt aus SO und S zu wehen begann. Schon in dieser Breite überraschte uns ein Albatros.
Den 29sten. In der Breite 31º 39', Länge 198º 52' sahen wir uns vergebens nach Land um, und ich richtete den Lauf jetzt gerade nach Unalaska; zwar war es noch früh im Jahre, allein ich wünschte zeitig dort einzutreffen, um die Vollendung der Baydaren zu betreiben, die zu meiner Reise nach N bestimmt waren.
Den 1sten und 2ten April. In der Breite 34º 3', Länge 194º 8' fanden wir so starken Strom, daß er uns den 1sten 36 Meilen nach SW 23º, und den 2ten nach SO 18º 36¾ Meilen versetzte, wir hatten dabei hohe See aus S, woher der Strom dorthin noch um vieles vermindert wurde. Die Temperatur der Luft hatte sich von 23º Reaumur Wärme, wie wir es zwischen den Tropen gewohnt waren, auf 10 Grad vermindert, und es schien uns sehr kühl.
Den 3ten. In der Breite 34º 27', Länge 193º 47'. Auch heute fanden wir den Strom 34 Meilen nach SW 81º, wir hatten dabei schwachen Wind und sahen das Wasser auf der Oberfläche des Meeres rippeln, was durch die Strömung hervorgebracht wird. Ein so starker Strom ist, entfernt vom Lande, eine höchst merkwürdige Erscheinung, es mag aber wohl ein unbekanntes Land in der Nähe gewesen seyn. Am Morgen schwamm in der Nähe des Schiffs ein wunderliches Thier, das sich nur wenig zu bewegen schien. Da die See ruhig war, ließ ich ein Boot aussetzen; die Matrosen fuhren nah heran, und zweimal prallte der Stoß der Harpune wie von einer Mauer ab; der dritte Stoß glückte, die Harpune drang ein, und wir sahen mit Ungeduld zu, wie das Thier an den Rurick bugsirt und mit vieler Mühe heraufgehoben ward. Unsere Gelehrten fanden sogleich, daß es ein Fisch war, in der Naturgeschichte bekannt unter der Benennung; der schwimmende Kopf. Dieser sonderbare Fisch besteht, wie man aus Herrn Choris Zeichnung sehen kann, nur aus einem Kopfe, der einen sehr kleinen Mund hat, sechs Fuß lang und oval ist; er nährt sich wahrscheinlich nur von Molusken, die er auf der Oberfläche des Meeres einsaugt; der äußere Theil des Fisches besteht aus einem, mit einer starken, rauhen Haut überzogenen Knorpel, der ihm als Panzer dient. Das Fleisch, ein Mittelding zwischen Fisch und Krebs, schien uns, die wir lange nichts Frisches gegessen, ein Leckerbissen, und da er fünf Pud wog, konnte unsere ganze Mannschaft einige Tage davon leben. Ein todtes Albatros, das wir heute aufs Schiff zogen, war mit ausgebreiteten Flügeln sieben Fuß lang. Ich benutzte den Augenblick der Windstille, fuhr mit dem Sixtermometer aus, und erhielt folgendes Resultat:
Die Temperatur der Luft nach Fahrenheit | 60º 00' |
an der Oberfläche des Wassers | 58º 50' |
in der Tiefe von 250 Faden | 48º 50' |
Durchsichtigkeit des Wassers | 6 Faden. |
Den 5ten. Nach einer guten Observation befanden wir uns heute in der Breite 35º 35', Länge 191º 49'; es zeigte sich, daß der Strom uns in zwei Tagen 52¾ Meilen nach SW 34º gebracht hatte. Wir sahen einen Landvogel und verschiedene Gattungen Seevögel, segelten an zwei über einander gebundenen Bambusröhren und andern Holzstücken vorbei: alles Kennzeichen eines nahen Landes; die Hoffnung aber, es zu entdecken, blieb unerfüllt. Abermals ward ein schwimmender Kopf harpunirt, und wir bemerkten, daß sein Fleisch in der Nacht wie Phosphorus leuchtete. Daß wir die wohlthätigen Tropen verlassen, merkten wir empfindlich, als der Nord-Ocean uns mit Stürmen empfing, die das Frühjahr in dieser Gegend immer mit sich bringt.
Der 13ten April war der schreckliche Tag, welcher meine schönsten Hoffnungen zerstörte. Wir befanden uns an demselben unter dem 44º 30' der Breite, und 181º 8' Länge; schon den 11ten und 12ten stürmte es heftig mit Schnee und Hagel; in der Nacht des 12ten und 13ten brach ein Orcan aus; die ohnehin hochlaufenden Wellen thürmten sich in ungeheuern Massen, wie ich sie noch nie gesehen; der Rurick litt unglaublich. Gleich nach Mitternacht nahm die Wuth des Orcans in einem solchen Grade zu, daß er die Spitzen der Wellen vom Meere trennte, und sie in Gestalt eines dicken Regens über die Fläche des Meeres herjagte. Wer ein solches Schauspiel nicht gesehen, kann sich keinen deutlichen Begriff davon machen; es ist, als ob eine furchtbare Revolution in diesem Augenblick den ganzen Erdball vernichten wolle. Eben hatte ich den Lieut. Schischmareff abgelöst; außer mir waren noch vier Matrosen auf dem Verdeck, wovon zwei das Steuer hielten; das übrige Commando hatte ich der Sicherheit wegen in den Raum geschickt. Um vier Uhr Morgens staunte ich eben die Höhe einer brausenden Welle an, als sie plötzlich die Richtung auf den Rurick nahm und mich in demselben Augenblick besinnungslos niederwarf. Der heftige Schmerz, den ich beim Erwachen fühlte, ward übertäubt durch den traurigen Anblick meines Schiffs, das dem Untergange nahe war, der unvermeidlich schien, wenn der Orcan noch eine Stunde anhielt; denn kein Winkel desselben war der Wuth jener gräßlichen Welle entgangen. Zuerst fiel mir der zerbrochene Vordermast (Bugspriet) in die Augen, und man denke sich die Gewalt des Wassers, welche mit Einem Stoß einen Balken von zwei Fuß im Durchschnitt zersplitterte; dieser Verlust war um so wichtiger, da die beiden übrigen Maste dem heftigen Hin- und Herschleudern des Schiffs nicht lange widerstehen konnten, und dann keine Rettung denkbar war. Dem einen meiner Matrosen hatte die Riesenwelle ein Bein zerschmettert; ein Unterofficier ward in die See geschleudert, rettete sich aber, indem er mit vieler Geistesgegenwart ein Tau umklammerte, das neben dem Schiff herschleppte; das Steuerrad war zerbrochen, die beiden Matrosen, welche es hielten, waren sehr beschädigt, und ich selbst war mit der Brust gegen eine Ecke geschleudert, litt sehr heftige Schmerzen, und mußte einige Tage das Bett hüten. Bei diesem furchtbaren Sturm hatte ich Gelegenheit, den unerschrockenen Muth unsrer Matrosen zu bewundern; aber keine menschliche Kraft konnte Rettung herbeiführen, wenn nicht, zum Glück der Seefahrer, die Orcane nie lange anhielten. Kadu war während des Sturms in großer Angst gewesen; denn er erwartete, wie er sich ausdrückte, daß die ungeheuern weißen Wellen das arme Schiff todtschlagen würden; übrigens befand er sich in der Officierskajüte in seinen warmen Kleidern wohl, und nur die Stiefel geeirten ihn sehr. Herr von Chamisso benutzte seine Gegenwart, um täglich mehr über Radack und die Carolinen zu erfahren, was ihm ziemlich leicht wurde, da Kadu die russische Sprache schnell begriff, und wir uns dagegen in der seinigen vervollkommneten. Als wir Radack verließen, begann Kadu sogleich seine Zeitrechnung, indem er jeden Abend einen Knoten in eine Schnur schlug; nachdem wir aber einen Monat auf der See zugebracht, ohne Land zu sehen, gab er seine Rechnung auf, weil er überzeugt war, wir irrten jetzt eben so herum, wie er auf seiner Reise von Ulle nach Radack. Nachdem sich der Orcan gelegt, und das Schiff, so gut es gehen wollte, in Ordnung gebracht war, setzten wir unsern Weg, auf dem wir noch mit manchem heftigem Sturm zu kämpfen hatten, nach Unalaska fort.
Den 18ten April sahen wir die Insel Amuchta, und den 21sten waren wir in großer Gefahr, zwischen Unimack und Unalaska zu scheitern. Die Umstände nämlich zwangen uns, dem vor uns liegenden Lande ziemlich nahe zu kommen, als ein plötzlicher Sturm uns der Küste zutrieb, und schon konnten wir die Stunde unsers Untergangs berechnen, als der Wind sich plötzlich rettend wandte, eine Veränderung, die sich bei hohem Lande öfters ereignet.
Die hohen mit Eis bedeckten Berge, die sich hier in großer Menge darstellten, fielen dem Kadu gewaltig auf; er wollte nicht glauben, daß es Land sey, und es war nicht zu verwundern, daß er, der bisher nichts sah, als kleine, niedrige, mit schönem Grün bedeckte Inseln, diese bis in die Wolken ragenden Eismassen nicht für Land anerkannte. Nie habe ich ihn etwas mit größerm Erstaunen betrachten sehen, als den Schnee; um seine Neugier zu befriedigen, bemühte er sich eines Tages, als sehr große Flocken fielen, diese zu fangen, und Grauen überfiel ihn, als sie schnell in seiner Hand verschwanden; voll Mißtrauen sah er uns alle an, und glaubte sich in das Land der Zauberei versetzt.
Den 24sten drangen wir mit Hülfe eines heftigen S Windes durch den Canal zwischen den Inseln Unalaska und Unalga, und erreichten in der Nacht nach vielem Laviren den Hafen, als eben ein heftiger Sturm ausbrach. Ich will keinem rathen, dieses Meer so früh im Jahre zu besuchen; denn die Stürme sind hier furchtbar.
Den 25sten besuchte uns schon früh der Agent der Amerikanischen Compagnie, Herr Kriukof, um uns alle in seiner Macht stehende Hülfe anzubieten. Die Baydaren, nebst allem Uebrigen, was ich zu meiner Reise nach dem Norden bestellt, war in Arbeit, und im Mai erwartete er die geforderten Dolmetscher von der Insel Kodiak. Da wir mit der Reparatur unsers Schiffes sehr viel zu thun hatten, so schritten wir sogleich zur Arbeit, indem wir es abtakelten, was während der ganzen Reise nicht geschehen, und jetzt wegen des durchgängig unbrauchbar gewordenen Tauwerks nothwendig war. Wir entdeckten noch außerdem, daß der obere Theil der Masten verfault war; das Bugspriet, dessen abgebrochenes Stück wir glücklicherweise gerettet, mußte geschickt angesetzt werden, da hier kein Holz zu einem neuen zu haben war, und wir mußten uns schon mit einem zusammengeflickten Vordermast behelfen, so unbequem es auch war, da wir die Vordersegel jetzt nicht so stark brassen konnten, als der contraire Wind zuweilen erfordert. Der kupferne Beschlag war an einigen Stellen ganz fort, an andern hingen noch die Platten daran, was den Lauf des Schiffes hemmte; der Rurick mußte also gekielt, und daher ganz ausgeladen werden. Unmöglich wäre es uns gewesen, mit allen diesen Arbeiten zur rechten Zeit fertig zu werden, wenn Herr Kriukof uns nicht den thätigsten Beistand geleistet hätte. Im Hafen sah es noch sehr winterlich aus, die Berge waren mit Schnee bedeckt, und der Thermometer zeigte um Mittag nur 3º Wärme. Während unseres ganzen Aufenthaltes hier, hatten wir größtentheils schlechtes Wetter, wodurch wir in unsern Arbeiten sehr gestört wurden.
Den 27sten Mai langten zu unserer großen Freude die beiden Dolmetscher aus Kodiak an, welche behaupteten, die Sprache der nördlich von Aliaksa liegenden Insulaner zu verstehen.
Den 31sten schickte ich den Steuermann Chramtschenko auf einer kleinen Baydare ab, um die Inseln Akun und Aketan auszunehmen, wobei er einige Tage verweilte.
Den 4ten Juni. Ein todter Wallfisch, der hier gestrandet, brachte alles in Bewegung; die Aleuten strömten hin, und klebten an dem halb verfaulten Fisch, wie die Fliegen am Honig, uns versperrte die widerliche Ausdünstung den Weg. An einem Pfeil, der noch in dem Leichnam steckte, erkannten sie sogleich, wer ihn erlegt und folglich der Eigenthümer sey. Dem Gebiete, in welchem ein solcher Schatz strandet, fällt ein Theil desselben zu, und die Einwohner dürfen an Ort und Stelle, so viel davon essen, als ihnen möglich ist, was denn auch ununterbrochen 24 Stunden geschieht. Oft geräth der Eigenthümer mit den Genießenden in heftigen Streit, weil diese nicht darauf bedacht sind, ihm die Leckerbissen, das heißt: die am meisten verfaulten Stellen, zurückzulassen. Zu den größten Delikatessen in Unalaska gehören die Schwimmpfoten des Seehundes, welche man in eine Blase bindet, in die Erde gräbt, und so lange darin liegen läßt, bis sie sich in einen stinkenden Gallert verwandelt haben.
Nach dem Glauben der Aleuten, entstand das menschliche Geschlecht von einem Hunde, der vom Himmel auf die Insel Unalaska fiel, und dort den ersten Menschen gebar. Keinem Diebstahl, wie dem des Prometheus, wollen sie ihr Leben verdanken; ihr Stammvater fiel geradewegs aus dem Himmel herab, war es gleich nur ein Hund.
Den 29sten Juni. Nachdem der Rurick ausgebessert, die Baydaren zur Fahrt nach Norden in Stand gesetzt, und fünfzehn Aleuten, die uns dort auf den kleinen Fahrzeugen behülflich seyn sollten, eingeschifft waren, verließen wir Unalaska. Die Bereitwilligkeit des Herrn Kriukof, uns in allem behülflich zu seyn, kann ich nicht genug preisen, er hat alles gethan, was in seinen Kräften stand; in Hinsicht der Lebensmittel, versorgte er uns täglich mit frischen Fischen, und von den wenigen Kühen, welche die Amerikanische Kompagnie hier besitzt, hat er eine für uns schlachten lassen.
Der Matrose mit dem zerbrochenen Beine, hinkte schon wieder herum, mir aber erging es schlimm, denn ich hatte unaufhörlich Schmerzen in der Brust; je weiter wir nach N vordrangen, um so nachtheiliger wirkte die kalte Luft auf mich, dennoch hatte ich noch immer Muth und Hoffnung, mein Unternehmen auszuführen.
Kadu, der sich in Unalaska recht wohl befand, obzwar ihm die Luft nicht ganz behagte, wunderte sich nur, daß er auf der ganzen Insel keinen einzigen Baum sah, und daß weder Brodfrucht noch Cocosnüsse zu haben waren. Für alles Neue, das er hier sah, interessirte er sich lebhaft; das Leben der Aleuten in der Erde wollte ihm nicht gefallen; in Radack und Ulle meinte er, sey es besser, und fragte uns, ob man in St. Petersburg auch so lebe? Wir machten ihm eine so herrliche Beschreibung von dieser Stadt, daß er das höchste Verlangen bekam, sie bald zu sehen. Die großen Ochsen betrachtete er mit Erstaunen und Furcht, äußerte aber eine unmäßige Freude als er erfuhr, daß das Fleisch, welches täglich auf dem Schiffe gegessen würde, von solchen Thieren sey. Wir fragten ihn, warum ihn das so erfreue, und er gestand furchtsam, er hätte geglaubt wir äßen Menschen, und er könne auch einmal an die Reihe kommen. Bald nach unserer Abreise aus Radack, war er zugegen, als ein Faß mit Salzfleisch geöffnet wurde; ein Rippenstück fiel ihm auf; er gedachte der Warnung seiner Freunde, nicht mit uns zu gehn, weil wir die Schwarzen fräßen; von dem Augenblick betrachtete sich der arme Mensch gleichsam als Schiffsprovision und sah mit Angst dem Augenblicke entgegen, wo Mangel an Lebensmitteln eintreten könnte.
Observationen in Unalaska.
Das Mittel unserer Beobachtung gab für die Zeit der hohen Fluth 7 Stunden 30 Minuten; die größte Differenz der Wasserhöhe ging bis auf 5½ Fuß.
Den 30sten Juni. Um fünf Uhr Nachmittags zeigte sich die Insel Georgia, die ich zu berühren mir vorgenommen, weil Herr Kriukof mir eine Anweisung ertheilt hatte, dort einige uns nothwendige Sachen zu erhalten. Da die einbrechende Nacht mich verhinderte noch heute einen Besuch am Lande zu machen, so lavirte ich in der Nähe desselben, unter geringen Segeln, und nahm den 1sten Juli mit Tagesanbruch den Lauf auf die nördliche, sehr niedrige Spitze der Insel. Sobald wir diese umschifft, sahen wir viele Wohnungen; die Ufer waren bedeckt mit einer ungeheuern Menge Seelöwen, die einen schrecklichen Lärm machten. Eine Baydare mit drei Mann kam auf uns zu, und der darauf befindliche Agent der Amerikanischen Compagnie, der zugleich Chef der Insel ist, bot uns bereitwillig seinen Beistand an, sobald er den Grund unsers Hierseyns erfahren. Da die Insel weder einen guten Ankerplatz, noch einen Hafen in der Nähe hat, so mußte der Rurick unter Segel bleiben, so lange ich mit den Herren Gelehrten am Lande war, um theils Geschäfte zu besorgen, theils unsere Neugier an den Seelöwen zu befriedigen. Die Landung ist hier unbequem und bei frischem Winde unmöglich. Der Agent führte mich in seine Wohnung, welche halb über halb unter der Erde war; eine Menge Magazine, in denen die Felle der Seelöwen und Seekatzen aufbewahrt werden, lagen zerstreut umher. Dieser Fleck ist der einzig bewohnte auf der ganzen Insel; man zählt hier 25 Männer, die mit ihren Weibern von den Aleutischen Inseln hergeschickt sind, um unter der Aufsicht dreier russischer Beamten Seelöwen und Seekatzen für die Compagnie zu erlegen. Der Agent, der eine Aleutin zur Frau hat, bewirthete uns in seiner halb unterirdischen Wohnung mit einer Tasse Thee, und hierauf gingen wir ans Ufer, wo die Seelöwen nur 200 Faden von der Wohnung in großer Anzahl lagen. Diese sowohl, wie die Seekatzen, halten sich zur Zeit der Begattung auf dem Trockenen auf, und sind bereit, furchtlos jeden anzugreifen, der sich ihnen naht, während zu andern Zeiten der Anblick eines Menschen sie schnell ins Meer verscheucht. Das Schauspiel das sich uns jetzt darstellte, war uns neu und anziehend; wir näherten uns den Thieren bis auf zwanzig Schritt; die Männchen erreichen die Größe eines Ochsens, die Weibchen sind etwas kleiner. Die Löwen waren um ihre Weiber, in einem ewigen Krieg verwickelt, denn immer suchen sie sich mehrere anzulegen, die sie nur durch Tapferkeit von ihren Nachbarn erringen können. An der Anzahl ihrer Weiber erkennt man die Helden; oft liegen ihrer acht bis zehn nahe bei einander, damit ihr Vertheidiger sie leichter beschützen könne, und dieser geht immerfort wüthend und brüllend um sie herum, jeden Augenblick eines Angriffs gewärtig, da die Zahl der Löwen, die der Löwinnen noch zu übertreffen scheint. Sie kämpfen so ernstlich, daß man das Blut spritzen, die Speckstücken fliegen und nicht selten einen todt hinfallen sieht, in welchem Fall der Sieger sogleich in die Rechte des Ueberwundenen tritt, und sich das verwittwete Serail zueignet. Am längsten dauert der Kampf, wenn mehrere einen Helden angreifen, denn sobald dieser verdrängt ist, fangen die Bundesgenossen unter einander Streit an, und hören nicht eher auf als bis der Tapferste den Sieg davon getragen hat. Das Gebrüll dieser Thiere ist unbeschreiblich; an der See hört man es bei Windstille oder bei einem Landwinde auf sechs Meilen, ihr Gestank ist nicht lange zu ertragen. Man muß sich immer etwas entfernt von den Löwen halten, denn ob sie gleich, ihrer Schwimmpfoten wegen, sich auf dem Lande nur langsam fortbewegen können, so gelingt ihnen doch zuweilen ein Satz von zehn Schritten, und was sie erpacken, ist rettungslos verloren. Einem Aleuten, der sich einem Löwen zu nahe gewagt, ward der ganze Arm abgebissen. Es war jetzt auch die Zeit, wo einige Löwinnen warfen; manche lagen umringt von ihrer Nachkommenschaft. Die Jungen werden von den Aleuten und hiesigen Russen für Leckerbissen gehalten, und deßhalb häufig eingefangen. Da der Agent uns einige auf die Reise mitgeben wollte, so wurde eine Löwin verscheucht, und die Jungen etwas ins Land getrieben, um sie dort zu tödten. Das Geschrei der jungen Löwen hat viel Aehnlichkeit mit dem Meeckern der Schafe, das Fleisch fanden wir in der Folge recht wohlschmeckend, es soll aber seines Geschmacks und Geruchs wegen ungenießbar seyn, sobald es ein Jahr alt ist.
Die Seekatzen, die nur in sehr geringer Anzahl diese Insel besuchen, und ihren Hauptaufenthalt in St. Paul haben, lagen abgesondert. Das Männchen, welches beinahe die Gestalt eines Seelöwen, und die Größe einer Löwin haben mag, ist noch einmal so groß als das Weibchen. Die Seekater haben ebenfalls viele Weiber, sie brauchen aber nicht um ihren Besitz zu kämpfen, sondern sind unaufhörlich beschäftigt, ihre Weiber zu bewachen, die jeden Augenblick benutzen um zu entfliehen. Man trifft oft Seekater die allein liegen, und den Verlust ihrer Geliebten laut bejammern. Das Fell dieser Thiere ist in China sehr beliebt, und wird selbst in Rußland theuer bezahlt. Die Amerikanische Compagnie hat ihre gewissen und beträchtlichen Einkünfte von dieser und der Insel St. Paul. Noch vor dreißig Jahren haben sich die Seeottern hier so häufig aufgehalten, daß ein Mensch in einer Stunde deren 2 bis 300 todtschlagen konnte; als aber diese Thiergattung, die bei den Aleuten für die Klügste gilt, sich so verfolgt sah, so verlor sie sich plötzlich aus dieser Gegend. Am Mittag, als meine Geschäfte beendigt waren, kehrten wir an Bord zurück; ich ließ sogleich alle Segel beisetzen und den Lauf auf die Insel St. Paul nehmen, wo ich von dem dortigen Agenten wollenes Zeug zu warmer Kleidung für meine Mannschaft zu erhalten hoffte.
Die Insel Georgia ist von mittelmäßiger Höhe, läuft in gerader Linie, und scheint durch den Ausbruch eines Vulcans entstanden zu seyn. Obgleich sie nördlicher liegt als Unalaska, so ist das Klima auf letzterer rauher, was von den hohen Bergen herrührt. Die Einwohner behaupten schon seit zwei Jahren in NO während der Nacht Feuer aufsteigen zu sehen, und sind der Meinung, daß sich dort ein feuerspeiender Berg befinden müsse. Auf dem festen Lande kann dieser Berg nicht stehen, weil die Entfernung zu groß ist, um die Explosion sehen zu können; es müßte also, wenn die Aleuten recht sahen, sich dort eine Insel befinden.
Den 2ten Juli. Schon hatten wir um fünf Uhr Morgens die Insel St. Paul im Gesicht, als eine Windstille eintrat. Wir befanden uns am südlichen Theil, in der Nähe der kleinen Seeotter-Insel, als der Agent der Compagnie Herr Batujef, auf einer Baydare zu uns kam, und uns seine Dienste anbot. Man hatte den Rurick für ein Compagnie-Schiff gehalten, weil keine andere herzukommen pflegen, und weil diese immer in der Geschwindigkeit auf offener See ausgeladen, und wieder beladen werden müssen, da hier weder Hafen noch Ankerplatz ist; der Agent war zu uns gekommen, um die Anstalten dazu zu treffen, jetzt eilte er, nachdem er unsere Wünsche erfahren, ans Land zurück, um diese zu befriedigen. Um sieben Uhr Abends, als wir den südlichen Theil der Insel erreicht, und uns fünf Meilen von der Niederlassung der Compagnie befanden, deckte ein dichter Nebel das Land; demungeachtet besuchten uns mehrere Aleuten auf ihren kleinen Baydaren, die wir durch etwas Branntwein und Taback sehr beglückten. Der Thermometer zeigte den ganzen Tag nur 4º Wärme.
Den 3ten Juli. Ein Kanonenschuß verkündigte der Niederlassung um fünf Uhr Morgens unsere Nähe, und bald darauf erschien eine Baydare mit zwanzig Ruderern, beladen mit den verlangten Sachen; da auch unser Zuckervorrath zu Ende ging, so hatte der Agent die Güte, uns einen Theil des seinigen abzutreten. Auch er wiederholte, was ich schon in Unalaska von Herrn Kriukof gehört, daß man von einer Anhöhe dieser Insel bei heiterm Wetter in SW Land gesehen habe. Obzwar nun dieses vermeintliche Land leicht eine Wolke seyn konnte, die sie täuschte, so hielt ich es dennoch für meine Pflicht, ans Land zu fahren, um mir die Richtung genau angeben zu lassen. Ich nahm meinen Azimut-Compas mit, ließ mich auf die Anhöhe führen und bemerkte bald, daß der Compas immer die Runde machte; die vielen Eisentheile, welche dieser Ort enthält, müssen diese Bewegung bewirkt haben, denn als ich meinen Standpunkt veränderte, ward er ruhig, und man gab mir die Richtung des vorgeblichen Landes, das ich aufzusuchen beschloß, in SW ½ W an. Die Niederlassung der Compagnie ist hier viel beträchtlicher als in Georgia; man rechnet hier gegen 200 Aleuten unter vier russischen Aufsehern, die ebenfalls von Unalaska hergeschickt sind, da die Insel selbst keine Ureinwohner hatte. Das Land ist hier um vieles niedriger als Georgia, und wir fanden schon manche Blume; die Ufer sind hier eben so mit Seekatzen bedeckt, als dort mit Seelöwen, deren es hier gar keine gibt. Aus erstem zieht die Compagnie ihre bedeutendsten Einkünfte, weshalb sich auch der Agent, welcher der Chef beider Inseln ist, auf dieser niedergelassen hat. Kadu, den ich immer mit ans Land nahm, ergötzte sich ungemein über den Krieg dieser Thiere, und gebehrdete sich bald vor Erstaunen, bald aus Furcht so possirlich, daß wir herzlich über ihn lachen mußten.
Am Mittag langten wir wieder auf dem Rurick an, verließen St. Paul bei hellem Wetter und O Wind, und richteten den Cours nach SW, um wo möglich das gesehene Land zu entdecken.
Die Breite der kleinen Seeotter-Insel fanden wir | 57º 2' 17" | N. |
Ihre Länge nach den Chronometern | 170º 10' 35" | W. |
Den 4ten Juli Mittags, befanden wir uns nach einer guten Observation in der Breite 56º 30' 32", Länge nach den Chronometern 172º 2' 37". Der Horizont war klar, das Wetter schön, und der Wind schwach aus N; die Insel St. Paul lag uns jetzt 60 Meilen entfernt, und vergebens sahen wir uns jetzt nach einer neuen Insel um, die, wenn sie wirklich existirte, unsern Blicken nicht hätte entgehen können. Bis um fünf Uhr Nachmittags, setzte ich immer denselben Lauf fort, als sich aber auch dann kein Land zeigen wollte, richtete ich ihn nach N auf die östliche Spitze der St. Lorenz-Insel. Die Schmerzen in meiner Brust waren wieder heftiger geworden, dennoch hoffte ich immer mein Unternehmen auszuführen.
Den 10ten. Um fünf Uhr Morgens sah man vom Salnik den südöstlichen Theil der St. Lorenz-Insel in S.t.W. Das Land stellte sich uns in zwei kleinen Hügeln dar, und war zwanzig Meilen entfernt. Mittags lag es uns in N in der Entfernung von neun Meilen, und nachdem wir ein Vorgebirge, das nach SO hervorragt, umschifft, und auf einer Niederung am Strande Wohnungen, welche theils aus Zelten, theils aus Jurten bestanden, entdeckt, nahm ich den Cours dahin, um die Bewohner derselben kennen zu lernen. Um fünf Uhr warfen wir die Anker, zwei Meilen vom Dorfe entfernt, auf 4½ Faden Tiefe, über steinigem Boden. Als unsere Böte aufs Wasser gesetzt wurden, sahen wir durch die Fernröhre, wie einige Menschen mit Gepäck beladen, aus ihren Wohnungen ins Gebirge flohen, und andere sich zu unserm Empfang mit Lanzen bewaffneten. Am Landungsplatze standen, als wir hinkamen, zwanzig lange starke Männer, die uns mit furchtsamer Freundlichkeit ansahen, ohne sich zu regen. Sie hatten viel Aehnlichkeit mit den Bewohnern der westlichen Spitze dieser Insel, und da ich die Angst bemerkte, welche unsere Ankunft ihnen eingeflößt, so untersuchte ich ihre Wohnungen nicht, sondern begnügte mich nur, die Sprachkenntniß unserer Dolmetscher auf die Probe zu stellen, die wirklich nur so weit ging, daß sie sich mit Mühe verständlich machten. Wir erfuhren indeß so viel, daß sie hier mit den Tschuktschen im Handel stehen, von denen sie Taback, Eisen und Glasperlen gegen Felle eintauschen. Während wir uns unterhielten, ward eine Baydare längs dem Strande von Hunden gezogen, die eben von den Tschuktschen kam, und die Leute zeigten uns einiges, was sie dort eingehandelt. Die Bewohner des festen Landes von Amerika nennen sie ihre Brüder, und da sie mit diesen in immerwährendem Verkehr stehen, auch ihre Sprache dieselbe ist, so scheint es keinem Zweifel unterworfen, daß die hiesigen Einwohner amerikanischen Ursprungs sind. Den östlichen Theil der St. Lorenz-Insel, auf welcher wir uns eben befanden, nannten sie: Kealegack, den westlichen: Tschibocka. Ihre erste Frage an unsern Dolmetscher war: wo wir herkämen, und ob wir die Absicht hätten, sie todt zu schlagen? Nachdem wir ihnen aber Glasperlen und Taback geschenkt, verlor sich dieser Verdacht. Auf meine Frage, ob das Eis schon lange ihre Ufer verlassen, erhielt ich die böse Nachricht, daß es erst vor drei Tagen geschehen sey. Meine Hoffnung, in die Beringsstraße zu dringen, ward dadurch vernichtet, weil sich nicht erwarten ließ, daß diese vor vierzehn Tagen von Eis befreit seyn würde.
Kadu lernte hier wieder eine neue Nation kennen, die er aber ihrer Fellkleidung wegen, durchaus nicht für Menschen halten wollte; er machte mich aufmerksam auf die Messer in ihren Ermeln, und hielt jetzt sein Taschenmesser immer bereit, um jede Gefahr von mir abzuwenden.
Der unbequeme Ankerplatz, an dem der Rurick lag, erlaubte uns nicht, lange am Lande zu verweilen. Wir eilten an Bord, spannten die Segel, und richteten unsern Lauf nach der nördlichen Spitze der Insel. Die kleine Insel, welche auf Cooks Karte als eine einzelne angegeben ist, besteht, wie wir im Vorbeisegeln sahen, aus zweien, die durch einen schmalen Kanal getrennt sind. Um zwölf Uhr Nachts, als wir eben am nördlichen Vorgebirge vor Anker gehen wollten, erblickten wir zu unserm Schreck stehendes Eis, das sich, so weit das Auge reichte, nach NO erstreckte, und nach N zu, die ganze Oberfläche des Meeres bedeckte. Mein trauriger Zustand, der seit Unalaska täglich schlimmer wurde, erlitt hier den letzten Stoß. Die kalte Luft griff meine kranke Brust so an, daß der Athem mir verging, und endlich Brustkrämpfe, Ohnmachten und Blutspeien erfolgten. Ich begriff nun erst, daß mein Zustand gefährlicher war, als ich bis jetzt glauben wollte, und der Arzt erklärte mir ernstlich, ich könnte in der Nähe des Eises nicht bleiben. Es kostete mich einen langen, schmerzlichen Kampf; mehr als einmal war ich entschlossen, dem Tode trotzend, mein Unternehmen auszuführen; wenn ich aber wieder bedachte, daß uns noch eine schwierige Rückreise ins Vaterland bevorstand, und vielleicht die Erhaltung des Rurick und das Leben meiner Gefährten an dem meinigen hing; so fühlte ich wohl, daß ich meine Ehrbegier unterdrücken mußte; das einzige, was mich bei diesem Kampf aufrecht erhielt, war die beruhigende Ueberzeugung, meine Pflicht redlich erfüllt zu haben. Ich meldete dem Commando schriftlich, daß meine Krankheit mich nöthige, nach Unalaska zurückzukehren. Der Augenblick, in dem ich das Papier unterzeichnete, war einer der schmerzlichsten meines Lebens, denn mit diesem Federzuge gab ich einen lang genährten, heißen Wunsch meines Herzens auf.