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Erstes Kapitel

Eine Flut von Licht, ein Vielklang von Farben breitete sich über den schönen Platz. Mit weißem Leuchten stand auf hohem, vielstufigem Unterbau das Museumsgebäude. Rein und blau wölbte sich der Himmel über seinem statuengeschmückten, von ionischen Säulen getragenen Giebel. In weichem Grün lag eine Rasenfläche zu Füßen des hellen Bauwerks, drei schlanke Pappeln standen vor einem ferneren Baumhintergrund auf jeder Seite von ihm in den schlank nach oben weisenden Formen der südlich-klassischen Cypresse, während ihr Laub vom deutschen Herbst in blankes Gold verwandelt worden war.

Auf dem Stufenunterbau vor den Säulen war ein Gedränge von bunten Theaterkostümen, fremdartig-seltsam im vollen Tageslicht. Ein Herrscher in antiker Gewandung saß dort, von einem goldgesäumten Purpurmantel umwallt, auf goldenem Thron; Krieger, Diener, Beamte scharten sich um ihn her. Gerade vor ihm stand eine Frauengestalt mit einem Gesicht von geheimnisvoller, bösartiger Schönheit, ihr Haar fiel gleich einem schwarzen Schleier über ihr schillernd vielfarbiges, gleich einer blanken Schlangenhaut sie umkleidendes Gewand. Sie sah nicht auf den Herrscher, ihr Blick und ihre Hand wiesen hinunter nach einer kreisrunden Brunnenumfassung, die sich aus dem grünen Rasen erhob.

Es war die Kinoprobe für eine »Salome«-Vorstellung, die den Ort mit all den bunten, ungewohnten Gestalten bevölkerte. Ringsum aber hatte sich ein großes, neugieriges Publikum versammelt; obwohl der Platz von der Polizei gesperrt worden war, hatten doch viele Bevorzugte Zutritt erhalten, und so gesellten sich den antiken Gestalten die Menschen des gegenwärtigen Jahrhunderts. Da schimmerten sommerlich helle Damenkleider, dem schönen Oktobertag zu Ehren einmal noch hervorgeholt, rote, blaue, grüne Sonnenschirme fügten in das wechselnde Gemisch matterer Töne kraftvolle Farbenflecke, das Metall an den Uniformen der Schutzleute blitzte hell auf im grellen Sonnenlicht. Es war ein Bild von starkem, sonderbarem Reiz, ein leise bewegtes Meer von Glanz und Farbe.

Der abgesperrte Platz war groß genug, daß die Zugelassenen sich frei bewegen, sich in Gruppen zwanglos unterhalten konnten. Gerade gegenüber von der ins Tageslicht herausversetzten Bühne stand eine Gruppe von vier Personen. Drei davon waren jung – zwei der Damen und ein Herr – die dritte Dame war der Mitte des Lebens bereits nahe. Das war eine sehr starke Dame mit rundem, rotem Gesichte, deren Atem hörbar kam und ging. Sie hatte den unbewegten Ausdruck sehr phlegmatischer Menschen und sprach nur, wenn es nicht anders ging. Zuweilen brachte sie die langstielige Lorgnette mit müder Bewegung an die Augen, um irgend etwas besser sehen zu können, doch sank ihr die Hand immer bald wieder herab.

Neben ihr stand ihre Tochter, das Gegenspiel ihrer schweren Langsamkeit. Zierlich, pikant, mit einem neugierig-klugen Kindergesichtchen, war sie stets in Bewegung. Ihr Mund wenigstens ruhte kaum einen Augenblick. Sie redete lebhaft ein auf den Herrn, der seine schlanke, feingegliederte Gestalt ein wenig niederbeugen mußte bei der Unterhaltung mit dem kleinen Persönchen. Dabei trat sein weich und vornehm gemeißeltes Profil schön hervor. Den leicht geöffneten Mund unter kleinem, braunem Schnurrbart umspielte beständig ein halb spöttisches, halb fröhliches Lächeln. Manche der Damen auf dem Platze suchte mit ihren Blicken diese harmonisch, mit lässiger Eleganz bewegte Gestalt. Auch in der Nähe waren ein paar Augen, die von dem bunten Bilde ringsum stets wieder heimkehrten zu diesem Anblick. Sie gehörten der dritten Dame der kleinen Gruppe. Sie war auffallend groß, beinahe so groß wie der schlanke Herr selbst, ihm auch verwandt an vollendetem Ebenmaß der Körperbildung. Aber auf ihren Lippen wohnte kein Lächeln. Beinahe düster war das Gesicht mit seinen tiefschwarzen Augen, deren Farbe sich von der einer schweren Haarlast über der schöngemeißelten Stirn allein durch den stärkeren Glanz unterschied. Selten leuchteten sie plötzlich auf, und immer nur über irgend ein heiteres Wort von den Lippen des Herrn; dann aber war in ihnen das Feuer einer glühenden Seele.

Die kleine Liselotte, bewegliche Tochter der unbeweglichen Frau Kommerzienrat Hell, schwatzte ununterbrochen. »Großartig ist sie doch, diese Baratta. Sieht sie nicht aus, als wenn die Salome von Stuck lebendig geworden wäre? Das Bild kennen Sie doch, Graf? Ach, Stuck ist süß! Ich habe sein Selbstbildnis über meinem Schreibtisch hängen. Das ist noch ein Mann! Ich ginge gern einmal nach München, allein um ihn zu sehen. Der müßte die Baratta malen. Kennen Sie den Film: ›Verbrechen aus Liebe‹? Ach, darin ist sie wunder-, wundervoll! Und was diese Filmpersonen für Geld verdienen! Jetzt ist sie nach Petersburg engagiert für eine Aufnahme von dem Film ›Katharina die Große‹. Das heute hier ist nur eine Arrangierprobe, wie das genannt wird. Erst wenn die Baratta zurück ist, wird wirklich gefilmt. Haben Sie das mit Petersburg nicht gelesen? Dafür allein bekommt sie dreißigtausend Rubel, denken Sie nur!«

»Ich denke, wir streichen eine Null davon,« sagte Graf Hersberg mit seinem weichen, ein wenig trägen Lächeln.

»Aber nein,« rief Liselotte, die kecke Stumpfnase hoch in die Luft reckend. »Ich weiß es diesmal ganz, ganz, ganz bestimmt. Eine Tante von unserer Köchin ist Cousine von einer Waschfrau beim Direktor vom Edenfilm, – die hat es gesagt.«

»Eine Waschfrau? Dann bin ich geschlagen.«

»Sehen Sie, Graf, sehen Sie hin: Da kommt Johannes aus dem Brunnen heraus.«

»Ach, das geht mir zu langsam.«

»Wieso zu langsam?«

»Das müßte gehen wie bei den Spielschachteln, aus denen die kleinen Teufel herausspringen, wenn man sie aufmacht. Immer wieder mit ›Perlippe – perlappe‹, wie der geistvolle Zauberspruch heißt.«

»Sie müßten einmal solch eine Vorstellung dirigieren, Graf, da würden schöne Dinge herauskommen.«

»Ist mir selbst sehr wahrscheinlich. Aber wissen Sie, was mir am allerbesten gefällt am Kino?«

»Was denn, was denn?«

»Daß die Leute nicht reden dürfen.«

»Graf, ich glaube –«

»Nicht einmal die Damen. In schönen Träumen kommt mir manchmal der Gedanke, daß dies nur der Anfang von einer großen Reform der menschlichen Gesellschaft ist.«

»Graf, Sie sind schrecklich!«

»Dabei kann ich nichts machen. Das wäre gegen meine Naturgeschichte. Bedenken Sie doch: der tolle Graf, der unverbesserliche Leichtsinn, der Nagel zu seinem Sarge, wie mein hochwürdiger Vater mich mit Vorliebe tituliert, – wie soll der sich auf einmal ändern?«

»Malen Sie sich nicht schwärzer als nötig.« Es war das erstemal, daß die hochgewachsene Dame das Wort nahm. Sie sprach mit einer wundervoll tiefen Stimme, deren Klang weichen Orgeltönen verwandt war.

Graf Hersberg wandte sich nach ihr hin. Er änderte auch dabei nichts an seiner vornehmen Lässigkeit, aber in seine braunen Augen kam ein besonderes Licht, indem sie den beiden tiefschwarzen begegneten. Seine Lippen öffneten sich zum Reden, doch fuhr Liselotte mit einem Aufschrei dazwischen. Den Arm der Dame, zu der Hersberg hatte sprechen wollen, mit einer Hand fest umklammernd, machte sie mit ihrem Kopf eine lebhaft deutende Bewegung nach einer bestimmten Richtung hin.

»Ach, Hanna, Hanna, sieh doch nur. Da kommt er, da kommt er!«

»Ja, wer denn?« Ein leichtes Lächeln, das über Hannas ruhiges Gesicht ging, schien es von innen her zu erleuchten.

»Aber so frag doch nicht. Es gibt ja doch jetzt nur den Einen in unserer Stadt. Solch einen süßen, süßen, himmlischen Menschen? Von wem soll ich denn so sprechen als von Xaver Stieler?«

»Ach, der,« antwortete Hanna mit einer etwas gekünstelten Gleichgültigkeit, wobei sie die Blicke nicht abwandte vom Gesichte des Grafen Hersberg. Verständnisvoll vertiefte sich sein Lächeln.

»Ja, der! Mein Gott, wie kann man von solch einem Menschen in solch einem Tone reden! Mutter, so sieh doch hin, – da kommt er ja, da kommt Xaver Stieler.«

»Ja, Kind.« Ganz langsam hatte die starke Frau sich ein wenig zur Seite gewandt und hob die Lorgnette, wie wenn sie zu schwer in ihrer Hand wäre.

»Siehst du ihn denn auch wirklich, Mutter?«

»Ja, Kind.«

»Wie sein grauer Anzug ihm steht! Herr Gott, ist es ein himmlischer Mensch! Diese süßen, süßen blauen Augen. Und welche Vornehmheit in der Haltung. Mutter, das mußt du, mußt du, mußt du doch auch finden.«

»Ja, Kind.«

»Wißt ihr, was Henny Brausewetter gesagt hat? Dieser Stieler wäre in Wirklichkeit ein Graf. Stieler wäre nur sein Theatername. Gott, wenn ich das glauben könnte! Wissen Sie nichts darüber, Graf?«

»Ich halte die Sache nicht für ganz unglaublich.«

»Ach sprechen Sie doch nicht so gräßlich diplomatisch, auch außer Dienst. Ich rede mit Ihnen frei von der Leber weg, tun Sie das doch auch. Ja, Henny Brausewetter behauptet steif und fest, er wäre ein Graf. Das wäre ja kolossal romantisch: ein Graf als erster Variété-Künstler der Welt. Und heimlich verheiratet soll er auch sein. Aber ganz, ganz heimlich. Nicht einmal zusammen wohnen soll er mit seiner Frau.«

»Das klingt mir wieder nicht so ganz unglaublich. Ein verheirateter Künstler hat für die Theaterkasse nur den halben Wert. Jede liebebedürftige Zuschauerin im Hause muß denken können: Der süße Junge kann mein werden.«

»Wenn ich nur herausbringen könnte, wer diese heimliche Frau von ihm ist. Eine Göttin müßte sie sein, wenn ich ihr den gönnen sollte. Sie kommen doch auch ins Theater heute, Graf? Es ist ja schon sein drittletztes Auftreten, – das drittletzte für immer. Ist es menschenmöglich, daß ein solcher Künstler sich von der Bühne zurückzieht auf der Höhe seines Erfolges? Glauben Sie daran, Graf?«

»Sie müßten einmal Ihre Waschfrau fragen.«

»Ach, Sie sind scheußlich und bleiben scheußlich. Nein, ein Mensch, der sechzigtausend Mark in einem einzigen Monat an Gage bezieht, muß ja doch toll sein, wenn er das aufgibt. Er kann freilich nur ein paar Monate im Jahre arbeiten, – sie nennen das nämlich arbeiten beim Theater, das weiß ich, – weil die Sache so kolossal anstrengend ist. Er vereinigt in seiner einzigen Person ja das ganze Programm einer Variété-Bühne. Kunstschütze, Kraftmensch, Zauberkünstler, Kunstreiter, Jongleur –«

»Jonglieren kann ich auch. Sehen Sie her, – glauben Sie, daß ich daraufhin engagiert werde, wenn ich meinen Diplomatenfrack ausziehe?«

Graf Hersberg ballte mit ein paar seiner lässigen Bewegungen jeden von seinen Handschuhen in einen kleinen Ball zusammen und begann mit ihnen und seinem Spazierstock sehr geschickt zu jonglieren.

»Aber, Graf!« Es war die tiefe, warme Stimme Hannas, die sein Spiel unterbrach.

Er endete damit sofort und sah mit gerötetem, lachendem Gesichte nach ihr hin. »Heißt auf deutsch: Lieber Stefan, Sie betragen sich unpassend. Ich bekenne mich schuldig, meine verehrte Mentorin, und sage nur wie die Kinder: ›Ich will es nicht wieder tun‹.«

Liselotte ließ Hanna keine Zeit für eine Antwort. »Er kommt hierher, er kommt hier vorüber. Mutter, du versperrst mir die Aussicht. Ich muß ihn ganz, ganz genau sehen.«

Die vier Menschen waren es keineswegs allein, die mit neugierigen Blicken auf Stieler schauten. Seit er auf dem Platz erschienen war, hatte die »Salome«-Probe nur noch die Hälfte von ihrer Anziehungskraft. Langsam, von vielen gegrüßt, ging er durch die locker verteilten Gruppen dahin und kam wirklich, wie Liselotte vorhergesehen hatte, ganz dicht an der ihren vorüber. Das aber hatte sie nicht erwartet, was nun geschah. Sobald er den Grafen Hersberg und Hanna bemerkte, zog er den Hut und grüßte mit einer gewinnend-vornehmen, der des Grafen selbst ähnlichen Liebenswürdigkeit. Er hatte wohl Stefans Jongleurkünste gesehen; ein freundliches Lächeln lag auf seinem Gesichte. Liselotte nahm teil an der Gunst seines Grußes, indem sie mit einer Verbeugung antwortete, die fast ein Hofknix war.

Sobald sich aber Stieler kaum außer Hörweite befand, faßte sie Hannas Arm und sagte mit einem heiseren Flüstern: »Ihr kennt ihn, ihr kennt ihn, diesen Göttermenschen, und sagt es mir nicht. Hanna, das kann ich dir nicht verzeihen bis an mein Lebensende.«

»Graf Hersberg hat ihn früher gut gekannt«, antwortete Hanna ganz ruhig, um sich dann mit einem Blick nach der natürlichen Bühne hin zu unterbrechen. »Aber was mag der Baratta fehlen?«

Dort oben war eine Stockung, eine Störung entstanden. Und es war seltsam: während sich Hannas Augen auf die Heldin der Salome-Tragödie richteten, begegneten die Blicke der Verderberin dort oben diesen sie suchenden Augen, hafteten in ihnen, ließen sie nicht los. Einen Augenblick standen die beiden Frauen schweigend und schauten einander an über die Köpfe der Menschen hinweg. In Hannas Blicken war nur neugieriges Erstaunen, in denen der Baratta glimmte das Hassesfeuer der Salome.

Nun klang die harte, schneidende Stimme des Regisseurs über den Platz hinweg: »Baratta, Sie verpatzen ja die Scene. Was ist mit Ihnen los? Noch einmal von vorn.«

Gewaltsam nahm die Künstlerin sich zusammen. Ihre Lippen bewegten sich, doch wurden ihre Worte nicht verständlich. Dann begann sie die Scene nocheinmal.

Viele der Zuschauer hatten sich neugierig weiter nach vorn gedrängt, unter ihnen auch Liselotte, die Mutter nach sich ziehend. Ein kleiner freier Raum war um Hanna und Stefan entstanden. Sie hatte die Blicke jetzt von der Baratta gelöst und sie dem Grafen zugewandt. Sobald sie sah, daß niemand mehr in ihrer Nähe war, sagte sie leise, mit behutsam bewegten Lippen: »Also heute Abend. Nicht vergessen. Um halb sieben Uhr.«

»Ich komme«, gab Stefan ebenso vorsichtig zurück.

Nun war auch Liselotte schon wieder da; langsam folgte die Kommerzienrätin ihr nach. »Was war da nur los?« rief die Kleine. »Die Baratta war ja wie versteinert. Ob sie krank war? Aber wundervoll sah sie aus in dem Augenblick. Ach, jetzt ist sie abgegangen; sie macht sich gewiß zurecht für den Schleiertanz. Wo mag nur Stieler geblieben sein? Ach, man möchte sich in zwei Stücke schneiden, um jeden von diesen beiden wundervollen Menschen immerfort anschauen zu können. Den Tag muß ich rot anstreichen in meinem Kalender, an dem ich die beiden hier auf dem selben Platze gesehen habe. Hat Euer Diener denn die Billetts für heute abend schon besorgt, Hanna? Haben wir gute Plätze?«

»Sehr gute. In der Mittelloge, der Bühne gerade gegenüber. Es ist natürlich schon alles ausverkauft.«

»Aber natürlich, wo doch Stieler zum drittletztenmal auftritt. Wissen Sie, was meine Großtante gesagt hat, Graf, als ich sie beredet hatte, sich eine seiner Vorstellungen anzusehen? Es ist eine alte Frau von achtzig Jahren und sie geht sonst niemals mehr ins Theater. Sie hat gesagt, es wäre der schönste Abend ihres Lebens gewesen. Ach, er ist ja so wunderbar vornehm in allem, was er tut. Ich glaube wirklich, daß er ein Graf ist. Aber jetzt müssen wir aufpassen, jetzt kommt ja der Schleiertanz.«

Wirklich rüstete sich die Baratta zum großen Verführungstanz, dessen Preis ein Menschenleben war. Zuerst stand sie sekundenlang regungslos, ganz eingehüllt in dichte, weiße Gewebe, Kopf und Gesicht selbst umwunden, so daß nur die brennenden Augen dunkel daraus hervorleuchteten wie Blitze durch dichtes Gewölk. Dann begann sie sich langsam zu bewegen, wie gezogen von den Tönen einer gleichmäßigen, aufregenden Musik. Ihre Bewegungen wurden schneller, leidenschaftlicher, der herrliche, schlangengleich biegsame Körper neigte sich in wundervollen Windungen. Der erste der Schleier sank zu Boden gleich einer weißen leichten Wolke, bald folgte der zweite. Immer wilder wurde die Musik, immer wilder wurden die Bewegungen. Jetzt umhüllte nur noch einer der Schleier den Oberkörper, das weiche, rosenfarbige Fleisch leuchtete hindurch, das Fleisch dieses von Leidenschaft gepeitschten, von Vernichtungswut in rasendem Taumel fortgerissenen Frauenkörpers.

»Jetzt müssen kleine Mädchen sich umdrehen«, sagte Stefan gemächlich, sich zu Liselotte niederbeugend.

»Ach was. Warum denn? Das weiß ich doch so, wie wir Frauenzimmer aussehen. Wenn es ein Mann wäre, dann vielleicht.«

»Ich fürchte, dann würde das kleine Mädchen sich erst recht nicht umdrehen.«

»Sie könnten recht haben, Graf. Ich glaube, Sie sind ein Menschenkenner.«

»Wenn das Handwerk nur einträglicher wäre. Schulden kann man damit nicht bezahlen.«

»Sie haben Schulden, Graf? Ach, das ist ja riesig interessant.«

»Interessant vielleicht, aber wenig angenehm.« Er sprach lässig wie stets, das behagliche Lächeln blieb auch bei diesen Worten auf seinen Lippen.

Ein jubelnd ausbrechender Beifall unterbrach das Gespräch. Die Baratta hatte mit ihrem Schleiertanz das Publikum wie den Herodes besiegt.

Nun eilte die Probe rasch dem Ende zu. Johannes der Täufer war dem Tode verfallen, sein abgeschlagenes Haupt erschien auf der großen goldenen Schüssel in Salomes Händen. Unvergeßlich blieb allen der Ausdruck steinernen Grausens in der Baratta Gesicht.

Jetzt war es vorüber. Ein buntes Gewimmel von phantastischen Gestalten strömte die Stufen herab, das Publikum zerstreute sich langsam, die Postenkette der Polizei löste sich auf. Nüchternmodern kam ein Auto herangerollt in die farbige Theaterwelt. Es hielt unten an der Treppe, die Baratta stieg herab und ging darauf zu. Doch bevor sie zur untersten Stufe gelangt war, blieb sie noch einmal stehen und ließ von ihrem erhöhten Platz aus die Blicke dahingehen über die sich allmählich zerstreuende Menge.

Sie blieb ruhen auf dem Gesichte Xaver Stielers, der noch dastand und hinüberschaute zu der flimmernden Salomegestalt. Ein anderer Ausdruck war jetzt in den Augen der Frau als zuvor bei der Begegnung mit Hannas Blicken. Etwas Weiches, Hingebendes war in sie hineingekommen.

Dies Duell der Augen dauerte ein paar Sekunden. Dann ging die Baratta schnell die letzten Stufen hinunter und bestieg das Auto, das gleich darauf eilig davonrollte. Stielers Brust hob sich mit einem unwilligen Seufzer. Langsam schlug er die Richtung ein, die der Wagen genommen hatte, jetzt schon weit entfernt von ihm in seiner blauen Benzinwolke dahinjagend.


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