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Hohenfriedberg.

In dieser Nacht wanderte Rübezahl rüstig durch das Gebirge und trieb sich ungesehen vor Landeshut zwischen den Reitern Nádasdys herum, die in der Morgenfrühe nach Reichenau und Freiburg aufbrachen. Hinter dem Feldmarschalleutnant schloß sich das langsam vorrückende Heer der Österreicher und Sachsen in den Bergen zusammen, dem der Rastlose natürlich auch einen Besuch widmete, nicht anders als sei er der oberste Kriegsherr oder Heermeister, dem es obliege, festzustellen, ob alles beieinander sei. Armer Preußenkönig, zweiundachtzigtausend Mann sammelten sich da fröhlich bei den Kochtöpfen, in einer Stimmung, also sei es mit dir Matthäi am Letzten! Seinen Spaß hatte Rübezahl aber, wie langsam und gemütlich da drüben alles herging. Der Herzog von Sachsen-Weißenfels ließ hübsch auf sich warten, es gab Aufenthalt über Aufenthalt, und Prinz Karl war wütend, daß man dem Preußenfritz soviel Zeit ließ, Gegenmaßregeln zu treffen, die seinen ganzen schönen Feldzugsplan zuschanden machen würden.

Rübezahl aber faßte sich wiederum an seine nicht unbeträchtliche Nase im begreiflichen Staunen über sich selber: über sein dummes Vergnügen nämlich an dem Ärger des Lothringers und seine lächerliche Parteinahme für den »kleinen Racker«, den Brandenburger. Immer wieder rüffelte er sich selber: Was geht dich in aller Welt das blauröckige Männlein an? Und immer wieder ertappte er sich bei dem heimlichen Herzenswunsch, daß es dem blauröckigen Männlein doch ja gedeihen möge! Machte er sich doch sogar in einer schönen dunklen Nacht die Mühe, sich in Person zweien österreichischen Ausreißern anzuschließen, Lumpenkerlen, die sich zu dem neugebackenen General von Winterfeldt führen ließen und dem, der gar zu neugierig auf dergleichen war, gute Mär sagten vom Aufmarsch und Angriffsplan der Feinde. Ja, mehr noch: Er wußte da selber so gescheit und kriegskundig wie ein alter Feldhauptmann dreinzuschwatzen, daß, weiß Gott, der junge General, der ihm übrigens als ein frisches, fröhliches Mannsbild über die Maßen gefiel und seine grillenhafte Vorliebe für den Fritz nur mehrte, sich durch ihn veranlaßt sah, seinem König die Mahnung zugehen zu lassen: »Näher heran, Majestät, näher heran jetzt mit euren Harsten an den Schauplatz der himmlischen Rauferei, die allerdemnächst losgehen muß, damit die Kerle drüben keine Zeit finden, sich in der Ebene festzusetzen oder sogar zu verschanzen!«

Und siehe da, Friedrich folgte dem Rate und ließ sein Heer schleunigst nach einem Rechtsabmarsch zwischen Ober-Gräditz und Reichenbach ein Lager beziehen. Ja, wenn der Fritz gewußt hätte! Alles ging nach Wunsch und Berechnung. Am 30. des Wonnemonds meldete der wachsame und kampfbegierige Winterfeldt: Die Vortruppen des Gegners gehen vor nach Freiburg und nach Bolkenhain. Was gilt's? Bald ergießt sich der große Strom der Hauptmacht in die Ebene und dann packen wir sie! Herrgott im Himmel, warum sind die Kerle so dumm? Offenbar sind sie mit Blindheit geschlagen, weil von der Vorsehung gnädigst zum Prügelkriegen bestimmt.

Um Mitternacht schritt der Menschenverächter über den hohen Kamm seines Gebirges. Sicheren Fußes wandelte er über das Hochmoor und lauschte befriedigt dem Quellen und Sickern, Rinnen und Raunen der tausend Wässerlein, die im dichten Schwammicht der verfilzten Pflanzenpolster sich sammeln. Er grüßte die feine Anmutgestalt der Berganemone und des üppig wachsenden Goldfingerkrautes; denn seinen Geisteraugen trank das bleichende Mondlicht nicht die Farben und kleinen Formen hinweg, ihm lag jede Blüte, jedes Moos und Gräslein fein säuberlich vor den nachtsichtigen Augen. Über die Höhe ging's, wo die Wasser, hier nach der Elbe, dort nach der Mummel, sich scheiden, über die Naworer Wiese den Pfad hinab zwischen Elb- und Pantschewiese. Immer wieder freut sich sein Auge und Herz, wie weich umrandet im silbernen Mondenduft die dunkle Gestalt des Ziegenrückens sich hinstreckt; dort das wilde Tal der Sieben Gründe. Vorbei, vorbei! Tief drunten regt die kaum geborene Elbe ihr jungfrisches Rauscheleben; ein Gießbach stürzt ihr von oben liebevoll entgegen, ihr Wasser zu nähren, und verstäubt in wehenden Schleiern, die in der Luft hangen zu bleiben scheinen. Mit Behagen verweilte der Herr seines Reiches am jähen Rande des Abgrundes und sah hinab zu den mächtig aufgetürmten Quadern, die aus der Schlucht zu ihm emporwuchsen. Drüben der kahle Steinwipfel des Hohen Rades. Nun eilend, eilend, als triebe ihn Ungeduld der Sehnsucht, von der Elbquelle über wasserunterspültes Gesträuch und Gestrüpp – kein Menschenfuß fände da Halt und Steg – hinüber zu den Schneegruben – hinab zum Grunde der Großen Grube, wo das Ungeheure der frostdurchhauchten Urweltwildnis, die ringsum zu schroffen Graten emporstarrt, ein Menschenherz in dieser einsamen Mondenstunde in Grauen überwältigen würde.

Hier stund für Rübezahl der Thron seiner Einsamkeit, wo er sich selber in seiner Geistwürde genoß. Die furchtbare Öde der Karen, wo sogar der Spiegel des Teiches drunten wie ein Jenseitsschrecken dunkelt, den gleich ein Totenfährmann auf seinem Nachen überqueren wird, sie ist ihm mit nichten erstorben, er fühlt nichts von den Schauern der trostlosen, herzbeklemmenden Unwirklichkeit, die den Weibgeborenen hier zu dieser nächtlichen Stunde anherrschen würde. Fort, was suchst du hier? Hierher gehört kein schlagendes Herz! Der Berggeist, er trinkt hier den Hauch der Ewigkeit, der seine Seele nährt, hier fällt alle Bosheit und Laune von ihm, hier ist er der herrgeborene Sohn der Ewigkeit. Und hierher hat es ihn getrieben, um wieder einmal seiner Hoheit inne zu werden – weil er sich des Männleins im blauen Rock mit den strahlenden Augen erwehren mußte! Hier wirkte der Gedanke an jenes Menschenbild anders, anders klang hier die unwillige Frage: Was will er von mir? Was hat er so zu gucken? Nein, nein, am besten, alter Knabe, man schlieft fein wieder zu Berge und läßt das krabbelige, wuselnde Gewürm allein seine lächerlichen Händel ausfechten!

Doch seltsam, wie ewig-erhaben auch der Ernst der kahlen Felsen dreinschaute, auch hier gab er ihn nimmer frei, »'s hat schon sein Bewenden mit dem«, murmelte er in seinen Bart, »er ist halt nicht wie die andern«. In dieses Mannes großem Blick witterte sein Geisterwesen etwas, das von höherer Würde sprach, als gemeiniglich dem Tun und Streben der Menschen innewohnt. Sie sind gemeiner Art, allzumal, und meinen ewig nur sich. Hier aber kündete sich ihm untrüglich ein menschgestaltetes Teil der ewig schaffenden und bauenden Erdkraft an; und das wollte ihn zwingen zu bekennen, daß auch im Menschen Hoheit sei. Aber war das wirklich an dem – in dumpfem Grimm fühlte er da etwas gebietend sich aufrecken, etwas, das Ehrerbietung und Unterwerfung heischte, Ehrfurcht, beim ewigen Erdfeuer, vor Ihm!

»Er ist nicht wie die andern!« – das war denn auch sein drittes Wort, als er drunten in der Bergeskammer seinen Freunden, den klugen Zwerglein, von seinen Abenteuern berichtete. Gestehen wir's nur ganz schämig: die Hälfte log er hinzu. Staunend werdet ihr fragen: Was braucht denn einer, der sich der Menschenwürde nicht rühmen darf, zu schwindeln? Aber es gibt auch der menschlichen Lügen zweierlei, denkt einmal nach: Freund Rübezahl, der sich niemalen etwas erschwindeln wollte, wußte natürlich nur von der einen, aber die übte er herzhaft! Sein Hirn arbeitete in einer Art von Kinderlust am steten Wandel; im Wandel aber lebte er, und so lief ihm zu dem, was er auf seinen Fahrten preislich verübt, alles mit unter, was er noch preislicher an Tollheiten hätte verüben können. Aber die Wichtlein, die ihren Herrn und Meister kannten, glaubten weislich nur ein Viertel von dem allen.

Er gab nicht lange Ruh. Kaum, daß er in seinem weiten Reiche, wie sich's gehört, allenthalben nach dem Rechten geschaut hatte, mußt' er doch schon wieder »dabei sein«, und, drollig genug, wieder einmal war's eine festlich gedeckte Tafel, an der er sich eingefunden hatte. Freilich lauter und lustiger ging's an diesem Tische zu, denn an jenem kastanienüberschatteten, wo jüngst die stillen Zwei, ohne sich zu einigen, das Los des Menschen, seine Freiheit und seine Abhängigkeit, erwogen hatten. Der beflissene Kammerdiener mit dem treuherzigen Spitzbubengesicht, der hier ehrsam mit den leckeren Trachten, mit Schüsseln und Kannen hin und wider eilte, schnappte diesmal ganz andere Dinge auf als jene Nachdenksamkeiten. Auf dem Galgenberge von Hohenfriedberg war's. Heute heißt's die Siegeshöhe, und ein Tempelchen erzählt dort den Deutschen von Friedrichs Ruhm. Weit öffnet sich hier der Blick in die Ebene. Das Heer der Österreicher hatte am Gebirgsrande seine Stellungen eingenommen, die beiden Heerführer waren schon zum zweiten Male auf den hohen Luginsland hinaufgeritten, Ausschau zu halten nach des unbegreiflich zaghaften Preußenkönigs abziehenden Scharen. Der hatte selber liebevoll Sorge getragen, daß die Meldungen im Lager des Prinzen Karl sich häuften, der böse Preußenkönig weiche Schritt vor Schritt zurück gen Breslau, und hatte obenein, auf daß dieser Glaube zur Überzeugung reife, an allen Straßen nach Breslau fleißig arbeiten lassen. So hatte der Feind, seiner Sache gewiß, sich jeglicher Vorsicht entschlagen und war wohlgemut bis an die Ausgänge des Gebirges vorgerückt. Jetzo stunden da oben der sächsische Heerführer und der Schwager der Kaiserin und hielten Kriegsrat. Nádasdy hatte warnende Meldungen geschickt, Friedrich stehe in seinen vorigen Stellungen; doch man glaubte lieber, was zu glauben angenehmer war. Wenn der Herzog von Weißenfels auch noch allerhand Bedenken gegen den Vormarsch beibrachte – es sei auch kein so leichtes Ding, mit der gesamten Streitmacht auf einmal, breit und prächtig, wie sich das gehöre, in die Ebene hervorzubrechen, dergleichen wolle wohl vorbereitet sein – der Prinz drängte vorwärts: Hätte Friedrich sich ihrem Vormarsch widersetzen wollen, warum nahm er nicht die prachtvollen Höhen da vorn bei Striegau ein? Nein, kein Zweifel, rückwärts ist die Losung da drüben, was auch der Bewunderer des übermütigen Brandenburgers, Prinz Ludwig Ernst von Braunschweig, der ihm solch ein ruhmloses Davongehen nicht zutrauen mag, dagegen einwende. Seht doch hinab, wo steckt er denn? Wo steckt er denn? lief's höhnisch beim Mahle um die Tafel.

Ja, wo steckte er, der Fritz? Rübezahl lachte sich ins Fäustchen und hielt mit niederträchtigem Schmunzeln ehrerbietigst Seiner Kaiserlichen Hoheit eine duftende Schüssel vor die Nase. Dort, Kaiserliche Hoheit, hinter den bebuschten Erdwällen, Nonnenbusch heißt die Erhöhung bei Jauernik, dort lauert die gesammelte Streitmacht der Preußen; die Trüppchen, die hier und da noch in der Ebene sichtbar sind, das ist mit nichten nur der Schwanz der preußischen Heerschlange!

So war heut ein festlich Mahl unter dem strahlenden Junihimmel bei fröhlichem Lerchenschlag dort oben auf dem Galgenberg zugerichtet worden; und zum köstlichen Nachtisch sollte es das herzerfreuende Schauspiel geben, wie der Österreicher und Sachsen gewaltige Macht mit einem Schlage in acht Marschsäulen aus den Bergen heraustrat. Hei, wie klangen da oben die Gläser aneinander. Vivat Maria Theresia! mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel rücken, nach langem Hin und Her, endlich in der vierten Nachmittagsstunde des 3. Juni 1745 die schimmernden Truppen gradaus in die Ebene vor. Ein Meisterstück, das soll uns einer nachmachen! Den hohen Herren lachte das Herz im Leibe. Rübezahl auch.

Friedrich auch, der sich gleichfalls das erhabene Schauspiel des herabsteigenden Heeres von einem prächtigen Aussichtspunkte, nämlich auf den Ritterbergen südlich von dem Dorfe Gräben, mit viel Vergnügen betrachtete.

Nach solcher Schau-, Prunk- und Glanzleistung war am selben Abend noch den wackeren Truppen die wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Und ein weiteres frohes Feiern gab's am selben Abend drüben in Hausdorf, wo der Prinz sein Quartier bezogen hatte, und dann auf dem Schlosse Rhonstock beim Grafen Hochberg, wo der Herzog von Sachsen-Weißenfels in großen Prächten wohnte, und wohin er sich den Lothringer zu Gaste gebeten hatte. Die leichtsinnigen Herrschaften, die ihren Truppen nicht einmal eine günstige Gefechtsstelle angewiesen hatten, konnten sich nicht genug tun, den herrlich gelungenen Einmarsch in die schlesische Ebene in feurigen und witzigen Trinksprüchen zu preisen; was an Warnungen einlief: daß Feindestruppen sich der Vorhut der Sachsen näherten, und gar ein Bericht Nádasdys: der Feind rücke an, das ward bei klingenden Gläsern in den Wind geschlagen – bah, streifende Reiterei! »Es gibt vorläufig nichts Neues!« Basta. Hurra, das Kronjuwel Österreichs ist wieder unser!

Rübezahl wollte platzen vor Wonne und erregte unter den betreßten Bedienten durch seine Bocksprünge und durch sein närrisches Gebaren eitel Belustigung: Eine liebe, treuherzige Haut, wie er sich freut über unseren kriegerischen Erfolg! Und dazu ein kurzweiliger, maulfertiger Kerl, ein prasselnder Witzbold, wie sie ihn just gebrauchen können; man kommt aus dem Lachen nicht heraus! – Im übrigen hat er an jenem Tage keine Flasche und keine Schüssel zerschlagen, keinem Würdenträger den Stuhl unterm Leibe lebendig gemacht, keinen seiner üblichen Schelmenstreiche verübt, sich im Gegenteil bis auf seine gut österreichische Lustigkeit erstaunlich ehrbar gehalten. Das macht, er hatte an seinem Teil für Fopperei nicht zu sorgen, dafür sorgte diesmal schon der vergnügliche Verlauf der Dinge selber. Das Eine aber gewann er im becherlauten Prahlen und Treiben dieser Helden, über deren Leichtlebigkeit das Auge des Preußenkönigs wie ein ruhiger Stern in seiner Seele stund: Eine ehrliche Liebe zu dem, und den herzhaften Entschluß, zur Abwechslung einmal ein Weilchen mit diesem brandenburgischen Wetterkerl durch Dick und Dünn zu gehn. Schon um der Absonderlichkeit willen: Wer hätte geglaubt, daß man je an einem von dieser Brut so Fröhliches und Erbauliches erleben könnte?

Als der Prinz Karl sich nach dem fröhlichen Abend vom Grafen Hochberg verabschiedete, lachte er noch vom Gaul herunter: »Es gibt keinen Gott im Himmel, wenn wir die Schlacht nicht gewinnen!« Ungewiegt schlief er darauf in seinem Quartier in Hausdorf. Alle Kundschafter in dieser Nacht versicherten, der Feind verhielte sich artig in seinem Lager, bei Schweidnitz sähe man seine Wachtfeuer brennen – »wie sonsten«.

Mit Tagesgrauen begann der wilde Tanz, nachdem der König in einem sorglich ausgeführten, nur von dem ungehörten Warner Nádasdy bemerkten Nachtmarsch seine Macht zum Zupacken bereit bis gegen Striegau herangeführt hatte – indes bei Schweidnitz bei den leeren Zelten seine Feuer brannten. Unter sternenklarem Himmel um zwei Uhr nachts versammelte Friedrich seine Generalleutnants zu einer letzten Verständigung. Mitten unter den tapfern Männern stund ungesehen jemand, der kein Auge von dem geist- und mutbelebten Königsantlitz wandte, dem die knappe schneidige Rede dieses wunderbar klangvollen Mundes wie frische Bergwasser seiner Heimathöhen einging. Überall war er fortan dabei, als gäb's für ihn kein Hier und Dort, als könne er allerenden zugleich sein.

So jagte er jauchzend auf einem ledigen Husarengaul im Brausen der erbitterten Reitergefechte, in denen der alte Buddenbrock die tapferen Sachsen bei Pilgramshain bis zur sechsten Morgenstunde hinwegfegte. Immer wieder aber suchte er die Nähe des Königs selber, der mit seinem Stabe auf dem Gräbener Fuchsberge hielt, von wo er in manchem bangen Augenblicke, wenn die Wechselfälle der Schlacht ein beängstigendes Drunter und Drüber eingerührt hatten, entscheidend eingreifen mußte. Hier sah er mit dem Schlachtenlenker zusammen den Generalleutnant Truchseß, den Prinzen Dietrich von Anhalt-Dessau sowie nach dessen herrlichem Reitertode den Erbprinzen Leopold vor ihren stürmenden Bataillonen Wunder der Tapferkeit tun.

Doch nach den großen Erfolgen des rechten preußischen Flügels wider die Sachsen schwoll von Hausdorf her im Anrücken der Österreicher eine Sturmflut gewaltiger Gefahr heran, da hieß es aus dem Durcheinander der erschöpften siegreichen Preußen des rechten Flügels gen Nordwest hin die neue Front herauswickelt, zu ihrer Bildung die durcheinander wogenden Regimenter einzeln abfangen. Viel fehlte nicht, und Rübezahl hätte sich in seiner Hingerissenheit offenbart: Friedrich brannte wie eine Flamme, sein Geist beherrschte ordnungschaffend die brausenden Menschenwogen, und was Rossesbeine unter sich hatte, mußte jagen, seine Befehle nach allen Richtungen hinzutragen. Sogar der französische Gesandte, der dicke Marquis Valory, mit dem Friedrich so gern seinen Spaß hatte, mußte hier im Ernst daran glauben und sich bequemen, aus der Rolle des genießenden Zuschauers in die des reitenden Boten überzugehen. Wenn der Fritz gewußt hätte, daß unter den fliegenden Trägern seines Gebieterwortes allen voran einer dahin jagte, dem er eigentlich nichts zu befehlen hatte, noch weniger als dem bequemen Gesandten Ludwigs des Fünfzehnten!

Heillose Irrungen und Mißverständnisse gab's hüben und drüben genug, bis die Grenadiere des Generals Polenz gegen den linken Flügel des österreichischen Fußvolks eine entscheidende Wendung erzwangen. Umsonst, daß Prinz Karl seine herrlichen Reiterregimenter losließ, umsonst die ungestüme Angriffswut Berlichingens, des hünenhaften Reiterführers. Mit übermenschlichem Griff riß ein Zietenhusar den Helden vom Pferde und nahm ihn gefangen – den Namen des tapferen Reiters hat niemand erfahren, er ward in keiner Liste geführt! Viel fehlte nicht, daß der Lothringer selber, der sich noch einmal nach der Flucht des Generals St. Ignon mit einigen Schwadronen vergeblich den Preußen entgegengeworfen hatte, in Gefangenschaft geraten wäre. Um 8 Uhr früh war die Reiterschlacht entschieden, allerenden fluteten die Österreicher zurück. Es fehlte das Letzte, dem kampfgewaltigen Fußvolk Maria Theresias den Rest zu geben.

Erbittert war das Ringen. In den preußischen Angriffsreihen zwischen den Regimentern Truchseß, Markgraf Karl und der Garde sollte das Regiment Blankensee in eine offen gelassene Lücke einrücken – eine Lücke, die schleunigst gefüllt werden mußte, sollte nicht da das Verderben unter den kampfmüden Preußen Raum gewinnen. Durch diese Lücke führte der Oberst Otto Martin Schwerin zusammen mit dem Generalleutnant Geßler und dem Major Chasot den Sturmritt der Bayreuth-Dragoner in die wankenden österreichischen Reihen. Hei, wie jauchzten in den Donner der Schlacht auf einmal die hellen Fanfaren! Da stellen die Preußen das Feuer ein, und durch ihre Reihen hindurch raste der herrliche Ritt der schneidigen Dragoner. Sechs kampferprobte alte Regimenter über den Haufen geritten! Als der Rauch und Staub vor ihnen gewichen war, da sahen die Preußen die dichten Scharen, die ihnen das Leben so schwer gemacht hatten, hinweggefegt. Wenn aber der Fritz gewußt hätte, wer da mitritt! Wie der Höhensturm in seinen Bergen, der durch die Kare heult, und die zähen Wetterföhren beugt, so brüllte er urweltgewaltig in der tollen Wonne des Jagens und Draufgehens, daß es die Weißröcke um ihn her durchschauerte mit wilder Lust und seligem Grauen, und das Lustgefühl der Unwiderstehlichkeit, der Unsterblichkeit sie durchrann – bis ans Ende der Welt hätten sie alles niederreiten mögen! Und dabei hing der Kerl, den keiner kannte, von dem solch ein wilder Zauber ausging, auf seinem Gaule zum Gotterbarmen, wie ein Indianer oder sonst ein ungeleckter Reiter, ein Grauen für jeden preußischen Wachtmeister.

Und als dann, angeführt von dem glänzenden Chasot, dem normannischen Ritter, der rauschende, schimmernde Wald der sechsundsechzig eroberten Fahnen den leuchtenden Augen des Königs vorbeischwankte, da handhabte vor dem Könige, der mit ehrerbietig abgezogenem Hut in der Rechten auf seinem Schimmel vor den herrlichen Bayreuthern hielt, einer der Kerle seine gelbe Seidenfahne, ließ sie kreisen, schweben, flattern und knattern, daß ein flüchtig Lächeln über Friedrichs ernstes Antlitz flog – wie ein Meister der verschollenen Kunst der mittelalterlichen Fahnenschwenker; und dabei brüllte der unbändige Gesell, daß es ihm nur im Rausch der hohen Feststimmung hingehen mochte. In des Königs unbewegtem Angesicht aber stund eine edle, heilige Freude, ja, eine tiefe, eine fromme Ergriffenheit in seinem großen Blick – dachte er wohl des Abtes von Kamenz und seiner eigenen Worte? Jedenfalls sprach er still auf der Walstatt zu seinen Offizieren: »Ich danke Gott für den mir geschenkten Sieg von Herzen. Macht ihr es ebenso!« Den französischen Gesandten überraschte er durch ein ähnliches frommes Wort, und nicht anders schrieb er alsbald einer mütterlichen Freundin, der alten Gräfin Camas: »Gott hat uns sichtlich in seinen Schutz genommen.«

Welches die Folgen der herrlichen Schlacht bei Hohenfriedberg für Friedrich gewesen sind, das ist in den Büchern der Geschichte zu lesen. Weniger bekannt ist, was für den tollköpfigen Rübezahl dabei heraussprang. Das wird bei uns, und zwar im nächsten Kapitel zu lesen sein.


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