Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14.

Nagor sah sich nicht gezwungen, seinem Schwiegersohn den Antrag zu wiederholen, er möge seine Schätze brauchen, wie die seinigen. Er griff ohne Maaß und ohne zu zählen hinein, um seinem Namen Ehre zu machen, und verwickelte sich in ein großes Gewühl von Geschäften, Unternehmungen und Ergötzlichkeiten. Er baute die prächtigsten Landhäuser, die schönsten Gärten und legte ein Harem an, das, wie er sich schmeichelte, alle Harem in Asien an Pracht und Wollust einflößenden Gegenständen übertreffen sollte. Schon sah er es aus dem Boden empor steigen, schon erhandelte er die schönsten Sklavinnen, um es zu bevölkern, versah sich mit Mohren, Verschnittenen, kaufte, was zu kaufen war, und Nagors Schatz war noch nicht leer. Er selbst sah ihn bald ganz als den seinigen an, da ihn Nagor, wie er es selbst bekannte, seinem Vater zu verdanken hatte.

Unter diesen Ergötzlichkeiten und Geschäften vergaß er seiner Gemahlin, so sehr sie auch der lieblichen Nichte glich, und trieb die Kälte und Nachlässigkeit gegen sie aufs äußerste.

Was ihn endlich an ihr Dasein erinnerte, war die Nachricht eines Mohren, der ihm vertraute, der Sohn des Mufti habe geheime Zusammenkünfte mit ihr und tröste sie über seine Vernachlässigung. Diese Nachricht setzte ihn in Flammen, nicht als fühlte er dadurch seine Liebe beleidigt, nur der Gedanke empörte ihn, daß sie einen solchen Menschen einem Barmeciden vorziehen könnte, um deßwillen eine Kaiserin sei ermordet worden. Ergrimmt gab er dem Mohren den Auftrag, sie zu belauschen und ihn selbst von ihrer ersten Zusammenkunft zum Zeugen zu machen. Um ihm dazu Muth zu machen, gab er ihm ein kostbares Kleinod, mit der Versicherung, weiter für ihn zu sorgen. – Der Mohr säumte nicht. Er schlich zu Giafar und lispelte ihm zu: »So eben hat sich der Sohn des Mufti durch eine dir unbekannte Pforte zu deiner Gemahlin in eine Laube geschlichen.« Giafar steckte einen Dolch in seinen Gürtel und folgte dem Mohren in heftiger Bewegung. Leise schlich er nach der Laube und glaubte seine Gemahlin mit einem Manne in einer vertraulichen Lage zu sehen, drang wüthend hinein und stieß ihr den Dolch in die Brust. Er zog ihn aus ihrem Busen, wandte sich nach ihrem Buhlen, ihn ihr nachzusenden, und entdeckte die vertraute Sklavin seiner Gemahlin, die ihn aufforderte, sie mit ihrer edlen Gebieterin im Tode zu vereinigen. »Grausamer,« sagte sie, »sieh hier an ihren starren Augen die Thränen, die sie wegen deiner diesen Augenblick geweint hat.« – Giafar sah sich nach dem Mohren um, ihn in seiner Wuth zu vernichten. Dieser war schon entflohen und schrie durch das Haus und alle Straßen: »Der Barmaceide hat seine unschuldige Gemahlin ermordet!«

Noch stand Giafar in starrer Verzweiflung bei der Leiche seiner Gemahlin, als der Kadi, die Gerichtsdiener und der unglückliche Vater eintraten. Er fiel seinem Wohlthäter zu Füßen, gestand das Verbrechen, das er aus einem Irrthum begangen, und überlieferte sich den Gerichtsdienern, die ihn wegführten. Der Vater rief ihm nach: »O Barmecide, deine Ahnen brachten den Menschen Segen, du bringst ihnen Fluch. Du hast in mir einen Vater gefunden und machst mich kinderlos. Die Rache wird dich ereilen!«

Giafar fuhr in seine Brust und wüthete mit grimmiger Faust gegen sich selbst. Als er in das grauenvolle Gefängniß trat, überfielen ihn die Schrecken des ihm schon angekündigten Todes.

»Ahmet, du siegst, und ob du dich gleich nicht zeigest, so fühle ich doch, daß dies dein Werk ist. Du hast mich meiner stillen Wohnung entrissen, wo ich nur der Tugend und ernsten Betrachtung lebte, daß ich hier als Mörder eines schmählichen Todes sterbe! Von dem unglücklichen Augenblick, da ich auf deine schimmernden und täuschenden Gespräche horchte, entspann sich der Faden meines Elends! Du entlocktest mich der einsamen Tugend, damit ich, von den Umständen und dem Betrug der Menschen gezwungen, von Laster zu Laster eilen und mir eine Last auf die Seele laden möchte, die kein fühlendes Wesen ertragen kann. Ich bin nicht Herr meiner Tritte, das unwiderstehliche Schicksal reißt mich fort, ich beginne mit Tugend, labe mich an der Hoffnung ihrer nahen, schönen Früchte, und in dem Augenblick, da ich sie pflücken will, verwandelt sich Alles in ein scheußliches Gespenst, und die Flüchte werden mir selbst zu Gift. War es nicht ein elender Sklave, der meine Hand zu diesem raschen Mord bewaffnete? Mußt' ich nicht die Schande rächen, womit man mein Ehebett zu beflecken drohte? Erlaubt es nicht das Gesetz? Konnte ein Barmecide diesen Flecken an sich tragen? – Ach, sie glich Fatimen!«

Bei dieser Vorstellung flössen seine Thränen. Plötzlich schlugen die bekannten Wachteln auf dem eisernen Gitter des Gefängnisses. Kaltes Entsetzen rann bei ihrem Ruf durch feine Glieder. Der Mord, den er am Hofe des Kaisers von Indostan veranlaßt hatte, stellte sich mit allem Schauder vor seine Seele. »Die Rache rauscht heran,« schrie er mit dem schneidenden Ton der Verzweiflung; »der schallende Ruf dieser Unglücksboten verkündigt sie mir. Es ist der Ruf zur Wiedervergeltung – zum Tod! o daß er mich schon ergriffen hätte!«

Ein Bote trat ein und verkündigte ihm, er müsse nach Untergang der Sonne sterben. Er sank zurück, die kalte Vernichtung schlang sich um seinen Leib und drang bis in sein Herz. Dicke Tropfen rannen von seinen starren Augen. Er wollte sich dieser schauerlichen Empfindung entreißen, schlug mit bebender Hand an sein Herz und forderte es vergebens zu dem Muth auf, den seine Thaten längst erstickt hatten. Die wenige Kraft, die er fassen konnte, nutzte er, den vermeinten Urheber aller seiner Verwirrungen zu verfluchen. Darauf sank er gleich dem Verbrecher hin, den sein Gewissen mehr drückt, als die Gewalt des Ausspruchs des Blutrichters.

Schwach erleuchtete auf einmal eine Lampe den Kerker. Giafar glaubte, der Henker trete herein, er seufzte ein Ach, das an den Mauern hinschlich, wie das Stöhnen eines geplagten Geists. Der Anblick eines langen hageren Mannes, der rasch auf ihn zutrat, bestärkte ihn in seiner Meinung. Die Spitze einer krummen Habichtsnase sank in seine Oberlippen. Grau mit Schwarz vermischte Augenbraunen zogen sich in einem vollen Halbzirkel um ein paar kleine Augen, die ein wildes, unstätes Feuer schossen. Seine Wangen hingen ganz ausgetrocknet auf den scharfen Knochen.

Giafar (mit zitternder Stimme). Vollziehe schnell deinen Befehl, ich bin bereit zu sterben.

Der Hagre hielt ihm seine Lampe vor das Gesicht, betrachtete ihn mit Aufmerksamkeit und sagte:

»Sterben – Barmecide, du wirst jetzt nicht sterben! Die Züge deines Gesichts bekräftigen mir, was ich so eben wegen deiner in den Sternen gelesen habe. Gedenke des armen Schemi, der dir in einem düstern Gefängnisse mitten unter den Schrecken eines unvermeidlich scheinenden Todes verkündigt, daß du den Thron der Khalifen besteigen, dich an allen deinen Feinden rächen und das Reich erweitern wirst.

Giafar. O spotte nicht des Unglücklichen!

Schemi. Werde ich Dessen spotten, den mich die Sterne anzubeten gebieten? Ich sage dir, Barmecide, der nahen Todesgefahr zum Trotz, deinem Feinde und Verfolger zum Trotz wirst du durch deine Tapferkeit der Khalifen Thron besteigen; doch darüber mehr, wenn wir in Freiheit sind. Nun ist keine Zeit zu verlieren; in wenigen Augenblicken werden die Männer erscheinen, die dich erdrosseln sollen. Ihnen zuvorzukommen, deinen Wächtern zu entfliehen, hab' ich einen Plan entworfen.

Giafar. Unmöglich!

Schemi. Vernimm und verehre den erhabenen Schluß des Schicksals. Vor deinem Gefängniß wartet ein junger Derwisch, der vor deiner Hinrichtung mit dir beten soll. Wir ziehen ihm die Kleider aus, bedecken dich damit, ihn mit den deinigen, binden ihn, entfliehen, man wird ihn für dich halten und ihn erdrosseln, und du eilst nach dem Thron der Khalifen.

Giafar ( fuhr zurück). Wie! einen Unschuldigen an meiner Stelle für eine That erdrosseln zu lassen, die ich begangen habe, die ich büßen muß!

Schemi. Das Schicksal des Derwisches spricht: er soll eines gewaltsamen Todes sterben! das deinige: du sollst Khalife werden und durch deine Tugend und Tapferkeit alle Völker besiegen und beherrschen. Hast du vergessen, daß deine Väter über Persien herrschten? Das Schicksal hat sie von dem Thron gestoßen, um dich mit größerm Glanze darauf zu setzen. Zerreiße das Gewebe deines Geschicks nicht durch Schwächlichkeit: doch du vermagst es nicht, es zwingt dich, seinen Willen zu erfüllen. Was ist das Leben eines Derwisches gegen das Leben eines Mannes, der Völker beglücken soll? Es ist wahr, dieser Derwisch betet für Almosen, um seine Mutter und Geschwister zu nähren – laß sie hungern oder die Reichen ihnen von ihrem Ueberfluß geben. Wir müssen leben. Was ist Dem, der ertrinken soll, das Leben Dessen, der ihn rettet – er eilt nach dem glücklichen Ufer und sieht sich nicht eher nach seinem Retter um, bis er selbst außer Gefahr ist.

Die Weissagung des Sterndeuters, die Furcht vor dem Tode lösten schnell Giafars Zweifel. Er entkleidete sich eilend. Der junge Derwisch trat herein, und als er sich in die Stellung eines Betenden niederließ, überfielen sie ihn, entkleideten ihn, stopften ihm den Mund zu, legten ihm Giafars Gewand um, und Giafar warf sich in die seinigen. Dann zog der Sterndeuter einen Strick aus der Tasche und sagte Giafarn ins Ohr: »Besser, wir erdrosseln ihn selbst, man wird glauben, du habest dir Gewalt angethan, dies verhindert die mögliche Entdeckung des Betrugs und rettet uns vor den Verfolgern der Gerechtigkeit. Halte seinen Nacken; in den Sternen steht, er soll eines gewaltsamen Todes sterben, und du Khalife werden.« Giafar bat um des Derwisches Leben. Schemi antwortete: »Eine kurze Frist wird sein Schicksal nicht verbessern, in einigen Augenblicken thut der Henker, was wir nun thun: und wenn man den Betrug entdeckte und uns nachsetzte?«

Giafar hielt den Nacken des Unglücklichen – wandte sein Angesicht weg, der Sterndeuter zog den Strick zusammen – der Derwisch erstarrte, und seine Henker entflohen.


 << zurück weiter >>