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Szene: Teutoburger Wald. Nacht, Donner und Blitz.
Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze des römischen Heeres, mit Fackeln, treten auf.
Varus.
Ruft Halt! ihr Feldherrn, den Kohorten zu!
Die Feldherrn (in der Ferne).
Halt! – Halt!
Varus. Licinius Valva!
Ein Hauptmann (vortretend). Hier! Wer ruft?
Varus.
Schaff mir die Boten her, die drei Cherusker,
Die an der Spitze gehn!
Der Hauptmann. Du hörst, mein Feldherr!
Du wirst die Männer schuldlos finden;
Arminius hat sie also unterrichtet.
Varus.
Schaff sie mir her, sag ich, ich will sie sprechen!
Ward, seit die Welt in Kreisen rollt,
Solch ein Verrat erlebt? Cherusker führen mich,
Die man, als Kundige des Landes, mir
Mit breitem Munde rühmt, am hellen Mittag irr!
Rück ich nicht, um zwei Meilen zu gewinnen,
Bereits durch sechzehn volle Stunden fort?
Wars ein Versehn, daß man nach Pfiffi- mich,
Statt Iphikon geführt: wohlan, ich will es mindstens,
Bevor ich weiter rücke, untersuchen.
Erster Feldherr (in den Bart).
Daß durch den Mantel doch, den sturmzerrißnen,
Der Nacht, der um die Köpf uns hängt,
Ein einzges Sternbild schimmernd niederblinkte!
Wenn auf je hundert Schritte nicht,
Ein Blitzstrahl zischend vor uns niederkeilte,
Wir würden, wie die Eul am Tage,
Haupt und Gebein uns im Gebüsch zerschellen!
Zweiter Feldherr.
Wir können keinen Schritt fortan,
In diesem feuchten Mordgrund, weiter rücken!
Er ist so zäh, wie Vogelleim geworden.
Das Heer schleppt halb Cheruska an den Beinen,
Und wird noch, wie ein bunter Specht,
Zuletzt, mit Haut und Haar, dran kleben bleiben.
Dritter Feldherr.
Pfiffikon! Iphikon! – Was das, beim Jupiter!
Für eine Sprache ist! Als schlüg ein Stecken
An einen alten, rostzerfreßnen Helm!
Ein Greulsystem von Worten, nicht geschickt,
Zwei solche Ding, wie Tag und Nacht,
Durch einen eignen Laut zu unterscheiden.
Ich glaub, ein Tauber wars, der das Geheul erfunden,
Und an den Mäulern sehen sie sichs ab.
Ein Römer.
Dort kommen die Cherusker!
Varus. Bringt sie her!
Der Hauptmann mit den drei cheruskischen Boten. Die Vorigen.
Varus.
Nach welchem Ort, sag an, von mir benannt,
Hast du mich heut von Arkon führen sollen?
Der erste Cherusker.
Nach Pfiffikon, mein hochverehrter Herr.
Varus.
Was, Pfiffikon! hab ich nicht Iphi- dir
Bestimmt, und wieder Iphikon genannt?
Der erste Cherusker.
Vergib, o Herr, du nanntest Pfiffikon.
Zwar sprachst du, nach der Römermundart,
Das leugn' ich nicht: »führt mich nach Iphikon«;
Doch Hermann hat bestimmt uns gestern,
Als er uns unterrichtete, gesagt:
»Des Varus Wille ist nach Pfiffikon zu kommen;
Drum tut nach mir, wie er auch ausspricht,
Und führt sein Heer auf Pfiffikon hinaus.«
Varus.
Was!
Der erste Cherusker.
Ja, mein erlauchter Herr, so ists.
Varus.
Woher kennt auch dein Hermann meine Mundart?
Den Namen hatt ich: Iphikon,
Ja schriftlich ihm, mit dieser Hand gegeben?!
Der erste Cherusker.
Darüber wirst du ihn zur Rede stellen;
Doch wir sind schuldlos, mein verehrter Herr.
Varus.
O wart! – – Wo sind wir jetzt?
Der erste Cherusker. Das weiß ich nicht.
Varus.
Das weißt du nicht, verwünschter Galgenstrick,
Und bist ein Bote?
Der erste Cherusker. Nein! Wie vermöcht ich das?
Der Weg, den dein Gebot mich zwang,
Südwest quer durch den Wald hin einzuschlagen,
Hat in der Richtung mich verwirrt:
Mir war die große Straße nur,
Von Teutoburg nach Pfiffikon, bekannt.
Varus.
Und du? Du weißt es auch nicht.
Der zweite Cherusker. Nein, mein Feldherr.
Varus.
Und du?
Der dritte Cherusker.
Ich auch bin, seit es dunkelt, irre.
Nach allem doch, was ich ringsum erkenne,
Bist du nicht weit von unserm Waldplatz Arkon.
Varus.
Von Arkon? Was! Wo ich heut ausgerückt?
Der dritte Cherusker.
Von eben dort; du bist ganz heimgegangen.
Varus.
Daß euch der Erde finstrer Schoß verschlänge! –
Legt sie in Stricken! – Und wenn sie jedes ihrer Worte
Hermann ins Antlitz nicht beweisen können,
So hängt der Schufte einen auf,
Und gerbt den beiden anderen die Rücken!
(Die Boten werden abgeführt.)
Die Vorigen ohne, die Boten.
Varus.
Was ist zu machen? – – Sieh da! Ein Licht im Walde!
Erster Feldherr.
He, dort! Wer schleicht dort?
Zweiter Feldherr. Nun, beim Jupiter!
Seit wir den Teutoburger Wald durchziehn,
Der erste Mensch, der unserm Blick begegnet!
Der Hauptmann.
Es ist ein altes Weib, das Kräuter sucht.
Eine Alraune tritt auf, mit Krücke und Laterne. Die Vorigen.
Varus.
Auf diesem Weg, den ich im Irrtum griff,
Stammütterchen Cheruskas, sag mir an,
Wo komm ich her? Wo bin ich? Wohin wandr' ich?
Die Alraune.
Varus, o Feldherr Roms, das sind drei Fragen!
Auf mehr nicht kann mein Mund dir Rede stehn!
Varus.
Sind deine Worte so geprägt,
Daß du, wie Stücken Goldes, sie berechnest?
Wohlan, es sei, ich bin damit zufrieden?
Wo komm ich her?
Die Alraune. Aus Nichts, Quintilius Varus!
Varus.
Aus Nichts? – Ich komm aus Arkon heut.
– Die Römische Sybille, seh ich wohl,
Und jene Wunderfrau von Endor bist du nicht.
– Laß sehn, wie du die andern Punkt' erledigst!
Wenn du nicht weißt, woher des Wegs ich wandre:
Wenn ich südwestwärts, sprich, stets ihn verfolge,
Wo geh ich hin?
Die Alraune. Ins Nichts, Quintilius Varus!
Varus.
Ins Nichts? – Du singst ja, wie ein Rabe!
Von wannen kommt dir diese Wissenschaft?
Eh ich in Charons düstern Nachen steige,
Denk ich, als Sieger, zweimal noch
Rom, mit der heiteren Quadriga, zu durchschreiten!
Das hat ein Priester Jovis mir vertraut.
– Triff, bitt ich dich, der dritten Frage,
Die du vergönnt mir, besser auf die Stirn!
Du siehst, die Nacht hat mich Verirrten überfallen:
Wo geh ich her? Wo geh ich hin?
Und wenn du das nicht weißt, wohlan:
Wo bin ich? sag mir an, das wirst du wissen;
In welcher Gegend hier befind ich mich?
Die Alraune.
Zwei Schritt vom Grab, Quintilius Varus,
Hart zwischen Nichts und Nichts! Gehab dich wohl!
Das sind genau der Fragen drei;
Der Fragen mehr, auf dieser Heide,
Gibt die cheruskische Alraune nicht!
(Sie verschwindet.)
Die Vorigen ohne die Alraune.
Varus.
Sieh da!
Erster Feldherr.
Beim Jupiter, dem Gott der Welt!
Zweiter Feldherr.
Was war das?
Varus. Wo?
Zweiter Feldherr. Hier, wo der Pfad sich kreuzet!
Varus.
Saht ihr es auch, das sinnverrückte Weib?
Erster Feldherr.
Das Weib?
Zweiter Feldherr.
Ob wirs gesehn?
Varus. Nicht? – Was wars sonst?
Der Schein des Monds, der durch die Stämme fällt?
Erster Feldherr.
Beim Orkus! Eine Hexe! Halt' sie fest!
Da schimmert die Laterne noch!
Varus (niedergeschlagen). Laßt, laßt!
Sie hat des Lebens Fittich mir
Mit ihrer Zunge scharfem Stahl gelähmt!
Ein Römer tritt auf. Die Vorigen.
Der Römer.
Wo ist der Feldherr Roms? Wer führt mich zu ihm?
Der Hauptmann.
Was gibts? Hier steht er!
Varus. Nun? Was bringst du mir?
Der Römer.
Quintilius, zu den Waffen, sag ich dir!
Marbod hat übern Weserstrom gesetzt!
Auf weniger, denn tausend Schritte,
Steht er mit seinem ganzen Suevenheere da!
Varus.
Marbod! Was sagst du mir?
Erster Feldherr. Bist du bei Sinnen?
Varus.
– Von wem kommt dir die aberwitzge Kunde?
Der Römer.
Die Kunde? Was! Beim Zeus, hier von mir selbst!
Dein Vortrab stieß soeben auf den seinen,
Bei welchem ich, im Schein der Fackeln,
Soeben durch die Büsche, ihn gesehn!
Varus.
Unmöglich ists!
Zweiter Feldherr. Das ist ein Irrtum, Freund!
Varus.
Fulvius Lepidus, der Legate Roms,
Der eben jetzt, aus Marbods Lager,
Hier angelangt, hat ihn vorgestern
Ja noch jenseits des Weserstroms verlassen?!
Der Römer.
Mein Feldherr, frage mich nach nichts!
Schick deine Späher aus und überzeuge dich!
Marbod, hab ich gesagt, steht, mit dem Heer der Sueven,
Auf deinem Weg zur Weser aufgepflanzt;
Hier diese Augen haben ihn gesehn!
Varus.
– Was soll dies alte Herz fortan nicht glauben?
Kommt her und sprecht: Marbod und Hermann
Verständen heimlich sich, in dieser Fehde,
Und so wie der im Antlitz mir,
So stände der mir schon im Rücken,
Mich hier mit Dolchen in den Staub zu werfen:
Beim Styx! ich glaubt es noch; ich habs, schon vor drei Tagen,
Als ich den Lippstrom überschifft, geahnt!
Erster Feldherr.
Pfui doch, Quintilius, des unrömerhaften Worts!
Marbod und Hermann! In den Staub dich werfen!
Wer weiß, ob einer noch von beiden
In deiner Nähe ist! – Gib mir ein Häuflein Römer,
Den Wald, der dich umdämmert, zu durchspähn:
Die Schar, auf die dein Vordertrupp gestoßen,
Ist eine Horde noch zuletzt,
Die hier den Uren oder Bären jagt.
Varus (sammelt sich).
Auf! – Drei Centurien geb ich dir!
– Bring Kunde mir, wenn dus vermagst,
Von seiner Zahl; verstehst du mich?
Und seine Stellung auch im Wald erforsche;
Jedoch vermeide sorgsam ein Gefecht.
(Der erste Feldherr ab.)
Varus. – Im Hintergrunde das Römerheer.
Varus.
O Priester Zeus', hast du den Raben auch,
Der Sieg mir zu verkündgen schien, verstanden?
Hier war ein Rabe, der mir prophezeit,
Und seine heisre Stimme sprach: das Grab!
Ein zweiter Römer tritt auf. Die Vorigen.
Der Römer.
Man schickt mich her, mein Feldherr, dir zu melden,
Daß Hermann, der Cheruskerfürst,
Im Teutoburger Wald soeben eingetroffen;
Der Vortrab seines Heers, dir hilfreich zugeführt,
Berührt den Nachtrab schon des deinigen!
Varus.
Was sagst du?
Zweiter Feldherr.
Hermann? – Hier in diesem Wald?
Varus (wild).
Bei allen Furien der flammenvollen Hölle!
Wer hat ihm Fug und Recht gegeben,
Heut weiter, als bis Arkon, vorzurücken?
Der Römer.
Darauf bleib ich die Antwort schuldig dir. –
Servil, der mich dir sandte, schien zu glauben
Er werde dir, mit dem Cheruskerheer,
In deiner Lage sehr willkommen sein.
Varus.
Willkommen mir? Daß ihn die Erd entraffte!
Fleuch gleich zu seinen Scharen hin,
Und ruf mir den Septimius, hörst du,
Den Feldherrn her, den ich ihm zugeordnet!
Dahinter fürcht ich sehr, steckt eine Meuterei,
Die ich sogleich ans Tageslicht will ziehn!