Egon Erwin Kisch
Landung in Australien
Egon Erwin Kisch

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An Botany Bay sitzend

Eine morgendliche Brise schaukelt die Sonnenkringel auf dem bläulich schimmernden Wasser der Bucht. »Morgendliche Brise«, »Sonnenkringel«, »bläulich schimmernd«, so viele Worte, ebensoviele Hinweise auf eine schöne Gegend. Aber die Gegend ist keineswegs schön, sie ist –

Einen Augenblick! Die morgendliche Brise hat uns eben das Papier aus der Hand gerissen, auf das wir das Landschaftsbild schreiben. Will sie uns hindern, Einwände zu machen? Kümmere dich, Brise, um die schwimmenden Sonnenflecken, kräusle sie und störe uns nicht, wir wollen und werden die Wahrheit schreiben.

Was stand denn auf unserem Papier, das jetzt selbst auf den bläulich schimmernden Wellen tanzt? Darauf stand, daß die Gegend keineswegs schön ist. Setzen wir fort: Riedgras oder kahler Boden und hinter uns der Busch von Kurnell Park säumen die Bucht ein, menschenleer, häuserleer und schiffeleer ist's hier. In Rockdale steht eine Gerberei; vor dem Gestank ihrer Abwässer flüchtet jeder zufällig in die Bucht geratende Fischschwarm eilig ins offene Meer zurück oder in den St. Georges River. Nur ein Haifisch, ihn stört kein Gerbstoff, tummelt sich, kaum hundertfünfzig Schritt von uns entfernt, im Wasser; er wird hier weder Fisch noch Fleisch finden. 179

Auf der einen Seite des Ufers, sie gehört zur Vorstadt Laperouse, haben Obdachlose ihr Obdach, eine aus zerbeulten Blechplatten, zerbrochenen Kistenbrettern und löchrigen Ölkannen zusammengeklebte Hüttensiedlung, mit bitterer Ironie »Happy Valley – Glückliches Tal« genannt. Nahebei, in den Dünen führen Eingeborene die Kunst des Bumerangwerfens vor, um von neugierig Stehenbleibenden einen Penny zu erbetteln.

Mitten aus Kurnell Park steigt Rauch hoch, oberhalb der Baumkronen wird er vom Morgenwind erfaßt und steht schräg auf der Kuppel des Buschs. Vielleicht haben Pfadfinder ein Lagerfeuer angefacht, obwohl das hier doppelt streng verboten ist.

Kurnell Park ist nämlich Nationalheiligtum und Nationaleigentum. Das erstere, weil es ein historischer Punkt ist, und das zweite, weil niemals jemand Lust verspürt hatte, hier zu wohnen, die Anschaffung durch die Nation also billig war. Zerr' nicht, Brise, das sagt nichts gegen Australien, überall in der Welt macht patriotischer Eifer dort Halt, wo es um Geld geht.

An der Landzunge Kurnell Park landete der Entdecker Australiens. Seither ist der Erdteil einigermaßen besiedelt und bebaut worden, Hütten wurden zu Millionenstädten, Anlegestellen für Kanus wurden zu Welthäfen, und nur hier, wo der erste Anlegeplatz war, erstand kein Hafen, nur hier, wo man das erste Eingeborenendorf sichtete, findet sich kein Dorf und keine Stadt, selbst die Fische sind verschwunden, bei deren Fang der Entdecker die schwarzen Männer damals überraschte.

Gegen seinen Willen, aus purem Zufall geriet der Entdecker hierher, von der Südküste Tasmaniens hatte ihn ein 180 widriger Wind . . . Warum zupfst du so wütend, Brise? Ach so, du warst es selbst, die den Europäer herüberholte, damit er den Kontinent auffinde! Gut, so sei das Wort »widrig« zurückgenommen, du warst damals ein wohlmeinender Wind, wenn du auch deinen Zweck nicht recht erreichtest. Dein Schützling fuhr in Botany Bay ein, ging nach einem kleinen Intermezzo, das wir im zweitnächsten Kapitel behandeln wollen, an Land, begrub den eben an Schwindsucht verstorbenen Matrosen Thorby Sutherland, nahm Süßwasser aus einem kleinen Fluß, hißte auf alle Fälle die englische Flagge und segelte auf Nimmerwiedersehen nordwärts davon.

Gleich zu Beginn seiner Weiterfahrt, schon nach zwölf Meilen, schien es ihm, als ob sozusagen zwei Knöpfe des Küstensaums offenstünden und ein kleiner Meerbusen jungfräulich hervorschimmere. Er zeichnete das auf seiner Karte ein und textierte es als »Port Jackson«. Im übrigen aber ließ er den lieblichen Busen links liegen, der später die Stadt Sydney säugte. Das Jahr, das man damals schrieb, war 1770, das achtlos vorbeifahrende Schiff war die ausrangierte Kohlenbarke »Endeavour«, und der Mann, der sie befehligte, hieß James Cook und war Leutnant.

Zerr' nicht, Brise, er war Leutnant. Gewiß, es ist nicht angenehm für einen Weltteil, von einem schlichten Leutnant entdeckt worden zu sein, und deshalb wird er in den Geschichtsbüchern als Kapitän Cook bezeichnet. Aber zum Kapitän wurde er erst nach seiner Heimkehr ernannt, und du mußt doch zugeben, Brise, daß man den Entdecker Australiens nicht als Leichtmatrosen bezeichnen würde, wenn er später dazu degradiert worden wäre. 181

Wie dem auch sei, James Cook – du siehst, Brise, wir vermeiden seinen Rang, damit du mit dem ewigen Gezupfe aufhörst – gilt als der Columbus Australiens, obwohl er nur an diesem Tümpel Botany Bucht Anker warf und dann die Ostseite des Kontinents entlangsegelte. Die Westküste hatten vorbeifahrende Niederländer schon lange vorher auf ihren Karten als »Nieuw Holland« eingezeichnet. Sogar ein Engländer, der Seeräuber William Dampier, hatte achtzig Jahre vor seinem Landsmann Cook an der Nordküste Australiens gekreuzt, um mit seinem gestohlenen Schiff der regulären ostindischen Schiffahrt aus dem Weg zu gehen. Jonathan Swift läßt Gulliver hier, im Land der Houyhuhnms, der Pferdemenschen stranden, das er nach der Karte Dampiers für die Südwestküste Asiens hält.

Noch älter als die Entdeckung Australiens ist der Name Australien. Als Huldigung für den König von Spanien, der ein Habsburger, ein Österreicher, ein Austriæ war, hatte der Seefahrer De Quiros 1606 die größte der melanesischen Inseln auf den Namen »Austrialia del Espiritu Santo« getauft. Der Name ging auf die ganze Gegend über, jedoch der Espiritu Santo des Nationalhasses, der 1914 auf die Erde flatterte, sprach dem Feindesland Austria das Recht ab, sich für den Taufpaten von Australien zu halten: Austrialia (mit zwei i) habe mit Australia (mit einem i) weniger zu tun, als Melanesien mit Australien, dieses letztere leite seinen Namen von »auster« ab, dem römischen Wort für Südwind, – eine windige Erklärung, jawohl Brise, nie wäre sie aufgetaucht, hätte Austria an der Seite Australiens Krieg geführt.

Leutnant Cook kümmerte sich um keinen der früheren Namen, ihn erinnerte der Landstrich, den er entlang strich, 182 an die Küste der englischen Provinz Wales; aber um dem neuen Gebiet nicht zuviel Ehre anzutun, nannte er es nicht Neu-Wales, sondern nur Neu-Süd-Wales.

Keineswegs war James Cook neugierig, seine australische Entdeckung wiederzusehen, so nahe von ihr er auch auf seinen beiden nächsten Weltreisen kreuzte. Und könnte er heute seinen alten Landungsplatz aufsuchen, müßte er feststellen: »Alles ist noch so wie vor 165 Jahren. Nur das Dorf der Wilden fehlt und im Wasser die Fische . . . Hat also keine Bedeutung gehabt, daß ich hierherkam und die englische Flagge hochzog.«

Enttäuscht würde er wieder ins Jenseits segeln, und so den gleichen Fehler begehen, den er zu Lebzeiten beging: nicht um die Ecke zu schauen. Wegen dieses Fehlers konnte Cooks 1771 erstatteter Bericht viele Jahre lang keinen Menschen dazu verlocken, in die neuentdeckte Region zu übersiedeln.

An Bord der Cookschen »Endeavour« war jedoch ein Mister Joseph Banks mitgefahren, – schon gut, Brise, er wurde später zum »sir« gerittert. Selbiger Joseph Banks war ein reicher junger Mann mit großem Interesse für Botanik; ihm und dem anderen mitfahrenden Botaniker, dem Schweden Solander zu Ehren, hatte der Landungsplatz den Namen Botany Bay bekommen.

Nach England zurückgekehrt, tat Mister Joseph Banks alles dazu, daß sein Patenkind nicht vergessen werde, daß es wachse und sich als nützliches Glied des britischen Empire erweise. Seine Agitation hatte Erfolg, nachdem England durch den nordamerikanischen Freiheitskrieg seine größte Kolonie verloren hatte. Achtzehn Jahre nach der »Endeavour« liefen wieder Schiffe in Botany Bay ein, Schiffe 183 mit einer merkwürdigen Ladung, von der im nächsten Kapitel dieses Buches die Rede sein wird.

Zu unseren Füßen plätschern apoplektische Wellen an den floßartigen, glattglänzenden Felsrand, auf den Cook seinen Fuß, den ersten beschuhten Fuß setzte, zu unseren Häupten kreischen hungrige Möwen.

Zwei Burschen in blauem Overall, wahrscheinlich Arbeitslose, rudern in einem primitiven Boot heran, machen es am Ufer fest, legen sich bäuchlings ins Gras, und fangen an, abwechselnd Münzen hochzuwerfen. »Two-up« heißt dieses Spiel, es ist verboten, Erwachsene und Kinder treiben es an allen Ecken und Enden.

Oberhalb der Wipfelkontur von Kurnell Park vergrößert die windschiefe Rauchsäule ihren Durchmesser. Der Haifisch im Wasser hofft noch immer, hier Handgeld zu machen. Auch der Brise engherzig-patriotischer Eifer erlahmt nicht, sie ist weiterhin bemüht, sich unseres Manuskripts zu bemächtigen.

Angesichts dieser öden Landschaft verstehen wir, daß Cook keinerlei Sehnsucht zeigte, sie wiederzusehen. Hätte er das Projekt erlebt, Botany Bay zu kolonisieren (er erlebte es nicht, 1779 wurde er auf Hawai von Eingeborenen getötet), so hätte er es wohl bekämpft. Schon deshalb, weil er Banks haßte, diesen »Snob und Bücherwurm«. Für seine zweite Weltumseglung hatte Kapitän Cook – ja, Brise, jetzt können wir schon »Kapitän« sagen, denn inzwischen war seine Rangerhöhung erfolgt – an Banks Stelle einen deutschen Botaniker angeheuert, Johann Reinhold Forster. Auch mit ihm verfeindete sich Cook, als Forster seine Zeichnungen selbst veröffentlichen wollte, statt sie dem Kapitän zu überlassen. 184

Johann Reinhold Forster nahm seinerseits seinen vierzehnjährigen Sohn George auf die Fahrt mit, bei der die Neuen Hebriden, Neu-Kaledonien und die Norfolk-Inseln entdeckt wurden, und der kleine George sah und zeichnete und schrieb unterwegs für seinen Vater.

Auf dieser Weltreise war in George Forster der Trieb zum Schriftsteller erwacht, jedoch seine Kenntnis von fernen südlichen Sonnenwelten machten ihn nicht dünkelhaft gegenüber der alten Heimat. In seinem heißen Herzen schmiedete er Nähe und Weite, Wissenschaft und Literatur, Mensch und Natur zur Einheit, und durch seine »Ansichten vom Niederrhein« ist Forster neben Seume der giltigste deutsche Reiseschilderer. Er hat den Brüdern Humboldt den Weg gewiesen, aber er sitzt nicht, wie sie, marmorn vor der Berliner Universität, man kennt ihn in Deutschland ebensowenig wie in Ozeanien. George Forster ist ausgemerzt aus Literatur, Naturwissenschaft und Geschichte, denn er hat sich zu den Menschen- und Bürgerrechten bekannt, die die französische Revolution proklamierte; die Reichsacht gegen Revolutionäre gilt in allen Reichen, erlischt auch nach anderthalb Jahrhunderten nicht.

In der Mitchell-Library, Sydney, findet sich die Reisebeschreibung Johann Reinhold Forsters, an der sein Sohn George mitgearbeitet hat, nichts aber von George Forsters eigenen Schriften. Die Mitchell-Library ist als Herberge für all das gedacht, was vom unteren Teil der Erdkugel, vom Südpol bis zu den Philippinen, jemals in Büchern festgelegt oder auf Karten vermerkt ward, Originaldokumente von Entdeckungsreisen und photostatische Kopien, Wissenschaft, Literatur, Memoiren. Ihr Bücherbestand zählt 125.000 Nummern. Nur wenige behandeln das eigentliche Australien, im 185 Grunde genommen ist wohl über jedes französische Departement mehr geschrieben worden, als über den fünften Kontinent. Die Monographien über Einzelfragen und die Standardwerke über Australien haben fast immer die gleichen Themen zum Inhalt, völkerrechtliche und zollpolitische Auseinandersetzungen über die Stellung Australiens zum Mutterland, historische Forschungen über die Tatsache, daß die Eisenbahnen der australischen Staaten verschiedene Spurenweite haben, Ethnographie und Zoologie, jedoch nicht viel von den Grundproblemen, die diesen Kontinent von den anderen unterscheiden.

Laß das Zerren, Brise, ein so junger Erdteil mußte eben mehr Zeit zur Bewältigung der Praxis verwenden, als für Theorie oder Poesie. Auch eine Dosis jungenhafter Verschämtheit mag mit im Spiel sein.

Dichter, dunkler und dicker steht der Qualm über Kurnell Park. Ein Waldbrand? Jeder innerhalb Australiens aufgegebene Brief trägt als Poststempel den Appell: »Avoid Bush-Fire – Vermeidet Waldbrände«, es muß sich demnach um ein im Wortsinne brennendes Problem handeln, allerorts stößt man auf Spuren von Feuersbrünsten, die die Forste in Schutt und Asche legten.

Schafzüchter hassen den Wald, denn er nimmt ihnen Weideland weg, seine Baumwurzeln entziehen dem Boden Feuchtigkeit, so daß das Gras nicht dicht genug wächst, die Stämme verstellen die Übersicht auf die Herde. Noch einfacher, als den lästigen Wald durch Schnitte in die Rinde (ringbarking) verbluten zu lassen, ist es, ihn anzuzünden; was schadet es, wenn der Wind die Flammen quer über den ganzen Kontinent treibt? War doch vor nicht allzulanger Zeit der Busch oft von Amts wegen angezündet 186 worden, als es galt, flüchtige Sträflinge tot oder lebendig einzufangen.

Heute wird der Waldbrand täglich millionenmal per Post zur Nationalgefahr gestempelt, sicherlich werden auch Vorkehrungen gegen Legung und Ausbreitung der Brände getroffen, Aufforstungsversuche unternommen. Mit welchem Erfolg? Aus welchen Gründen? Kein Standardwerk über Australien streift die Frage der Waldbrände.

Eine andere Nationalgefahr spukt in der Politik, die Gefahr eines feindlichen Überfalls. Wer aber ist es, der Australien besetzen will oder besetzen kann? Welche Tatsachen liegen vor, die Verwandlung des Volksvermögens in Kriegsrüstungen zu rechtfertigen? Auch hier keine Antwort.

Aus chinesischen Kunstgegenständen im Sydneyer Museum ist ersichtlich, daß sich australische Soldaten sogar an der »Strafexpedition« gegen den Pekinger Winterpalast beteiligten, zu der Kaiser Wilhelm II. die Völker Europas aufrief, nicht aber die Australiens, ihre heiligsten Güter zu wahren, keine Gefangenen zu machen und Pardon nicht zu geben. Australier wurden gegen die Buren losgeschickt, 1915 opferte man sie dem Versuch, die Halbinsel Gallipoli zu erobern, deren Besitz dem Zaren versprochen worden war; von diesem Nebenzweck der Kampagne erfuhren ihre Teilnehmer selbstverständlich nichts, und die Akten darüber, die nach der russischen Revolution in den Archiven gefunden und von den Sowjets veröffentlicht wurden, sind in Australien nicht nachgedruckt worden.

330.000 Australier, allesamt Freiwillige, kämpften im Weltkrieg tollkühn in Kleinasien und Flandern, aber sie galten als undiszipliniert, weil sie prinzipiell keinem Höheren salutierten, auch einem General nicht, falls sie ihn 187 nicht persönlich kannten, und trotz aller an sie gerichteten Aufrufe, gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in ihrer Heimat stimmten. Aus diesen Gründen wurden sie von den Kommandeur in die gefährlichsten Situationen vorgeschickt, 66.000 fanden den Tod. Dafür kann man jetzt an jedem Anzac-Day begeistert das Urteil Ludendorffs zitieren, die Australier hätten den größten Anteil daran, daß der 8. August 1918 zum Schwarzen Tag Deutschlands wurde.

Auf dem Boden Australiens wurde im Lauf seiner hundertfünfzigjährigen Geschichte das Militär nur zu Streifungen gegen flüchtige Sträflinge, unbotmäßige Eingeborene und gegen streikende Schafscherer eingesetzt. Außerdem gab es zwei »Schlachten«. Die eine war die Eroberung des Gasthauses von Glenrowan, darin sich die Bande des Räuberhauptmanns Ned Kelly, des Mannes mit der Eisernen Maske verschanzt hatte. Die andere war 1854 der Überfall auf das Goldgräberlager »Eureka Stockade«. Dieser Ausgangspunkt von Australiens Wahlrecht und Verfassung wird in dem dickleibigen Werk »Australia, Humanic and Economic« von Arthur Jose in einem Satz einer kleingedruckten Fußnote abgetan: »Die berüchtigte Eureka Stockade war ein Versuch, die wirklichen Sorgen der Goldgräber zu politischen Zwecken zu mißbrauchen.« Der sonst zuverlässige Historiker Australiens, Ernest Scott, setzt die Rebellen herab, und spricht der Eureka Stockade jeden Einfluß auf die unmittelbar nach ihr erfolgten Reformen ab, die die Leiter des Aufstandes zu Führern im Staate machten. Ein dritter Historiker nennt die Eureka Stockade »das schmählichste und blutigste Ereignis in der Geschichte Australiens«. 188

Blutig war es, wenn auch nicht 60.000, sondern nur 22 Todesopfer auf dem Felde blieben, sechs Soldaten und sechzehn Rebellen. Aber ein Weltkrieg und eine Auflehnung Unterdrückter lassen sich nicht gut miteinander vergleichen, das hat schon George Forster geschrieben, lange nachdem er Kapitän Cooks jüngster Schiffsjunge gewesen war, und noch länger, bevor es zur Eureka Stockade kam:

». . . du wirst also wissen, woran du dich zu halten hast, wenn die Zeitungen, wie gewöhnlich, von einem schrecklichen Blutbade schreiben und die politischen Kannengießer von Verwirrung und Anarchie sprudeln werden. Es ist der Mühe wert, die Armseligkeit zu widerlegen, womit einige verworfene Schriftsteller unter uns die wenigen unvermeidlichen Unglücksfälle, die die große Revolution notwendig mit sich bringen mußte, als Enormitäten der ersten Größe und als Schandflecken der Geschichte darzustellen bemühet sind, indes sie den systematischen Mord von Tausenden durch den Ehrgeiz kriegführender Despoten und die langsame Vergiftung der Freuden von Hunderttausenden durch die Erpressung unerschwinglicher Abgaben für nichts achten oder wohl gar als ruhmvolle Taten mit ihrem feilen Lobe vor dem Fluch der gegenwärtigen und kommenden Generationen zu sichern hoffen.«

Bläulich schimmert Botany Bay, dunkelgrün ist der Hintergrund von Kurnell Park, schwarzgrau wie eine Sturmwolke der unaufgeklärte Qualm darüber. Die Sonnenkringel schaukeln auf den Wellen, kein Lebewesen schwimmt im Wasser außer dem verirrten Hai, der, ortsfremd, hier Menschenfleisch zu schnappen hofft. Überallhin, vor allem in die Strandbäder, kommen die Haie, auch sie eine Gefahr, über die zu sprechen verpönt ist.

Die beiden Arbeitslosen schnellen noch immer die Münze hoch, Two-up, wie man es in Seitenstraßen der Vorstädte 189 und in abgelegenen Teilen der Parks spielen sieht. Alles spielt auf alle Art, des kleinen Mannes letzter Penny wandert zum Buchmacher, die größte Binnenindustrie bilden die Pferderennen. Aber Ziffern über die wirtschaftlichen Wirkungen von Spiel und Sport sind leider nicht zu erlangen.

Den Australiern bleibt ihr Kontinent ziemlich unbekannt, weit mehr von ihnen waren in Europa als zum Beispiel am Barrier Riff, dieser von Korallenzäunen und Palmen umränderten Zauberlandschaft von Queensland. Den Australiern ist ihre Heimat liebenswert und angenehm, scheint ihnen aber wenig interessant. Sie tun es dem ersten Vertreter der weißen Rasse gleich, der in Botany Bay landete und nicht um die Ecke schaute, wo es schön und interessant ist.

So, Brise, jetzt kannst du zupfen, so viel du willst, wir gehen. 190

 


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