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Agathens Stübchen im Forsthause.
Agathe. Und ob die Wolke sie verhülle,
Die Sonne bleibt am Himmelszelt!
Es waltet dort ein heil'ger Wille;
Nicht blindem Zufall dient die Welt!
Das Auge, ewig rein und klar,
Nimmt aller Wesen liebend wahr!
Für mich wird auch der Vater sorgen,
Dem kindlich Herz und Sinn vertraut!
Und wär dies auch der letzte Morgen,
Rief mich sein Vaterwort als Braut:
Sein Auge, ewig rein und klar,
Nimmt meiner auch mit Liebe wahr.
Aennchen. Einst träumte meiner sel'gen Base:
Die Kammerthüre öffne sich,
Und – kreideweis ward ihre Nase,
Denn näher, furchtbar näher schlich
Ein Ungeheuer, mit Augen, wie Feuer,
Mit klirrender Kette – es nahte dem Bette,
In welchem sie schlief –
(Ich meine die Base mit kreidiger Nase),
Und stöhnte, ach! so hohl – und ächzte, ach! so tief! –
Sie kreuzte sich, rief
Nach manchem Angst- und Stoßgebet:
»Susanne! Margaret!«
Und sie kamen mit Licht,
Und – denke nur! – und –
(Erschrick mir nur nicht!)
Und – (graus't mir doch!) – und –
Der Geist war: – Nero, der Kettenhund!
Du zürnest mir?
Doch kannst du wähnen,
Ich fühle nicht mit dir? –
Nur ziemen einer Braut nicht Thränen!
Trübe Augen, Liebchen, taugen
Einem holden Bräutchen nicht,
Daß durch Blicke sie erquicke,
Und beglücke, und bestricke,
Alles um sich her entzücke,
Das ist ihre schönste Pflicht! –
Laß in öden Mauern
Büßerinnen trauern,
Dir winkt ros'ger Hoffnung Licht!
Schon entzündet sind die Kerzen
Zum Verein getreuer Herzen –
Holde Freundin, zage nicht!
Brautjungfer. 1. Wir winden dir den Jungfernkranz
Mit veilchenblauer Seide,
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,
Zu Glück und Liebesfreude!
Alle. Schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide
2. Lavendel, Myrth' und Thymian,
Das wächst in meinem Garten;
Wie lang bleibt doch der Freiersmann?
Ich kann es kaum erwarten.
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.
3. Sie hat gesponnen sieben Jahr'
Den goldnen Flachs am Rocken,
Das Tüchlein ist wie Spinnweb' klar,
Und grün der Kranz der Locken.
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.
4. Und als der schmucke Freier kam,
War'n sieben Jahr verronnen.
Und weil er die Herzliebste nahm,
Hat sie den Kranz gewonnen.
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.
Verwandlung. Romantisch-schöne Gegend mit den fürstlichen Jagdzelten.
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen?
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich:
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl;
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Joho, trallala!
Diana ist kundig die Nacht zu erhellen,
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt.
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlet.
Ist fürstliche Freude u. s. w.
Einige. Schaut! o schaut! er traf die eigne Braut!
Andere. Der Jäger stürzte vom Baum.
Noch Andere. Wir wagen's kaum, nur hinzuschau'n.
O furchtbar Schicksal, o Grau'n!
Chor. Uns're Herzen beben, zagen!
Wär' die Schreckenstat gescheh'n?
Kaum will es das Auge wagen,
Wer das Opfer sei, zu seh'n.
Agathe. Wo bin ich?
War's Traum nur, daß ich sank?
Aennchen. O fasse dich!
Max und Kuno. Sie lebt!
Einige. Den Heil'gen Preis und Dank –
Sie hat die Augen offen! –
Andere. Hier, dieser ist getroffen,
Der roth im Blute liegt –
Kaspar. Ich sah den Klausner bei ihr stehn;
Der Himmel siegt, – es ist um mich geschehen!
Agathe. Ich athme noch! der Schreck nur warf mich nieder.
Ich athme noch die liebliche Luft – –
Kuno. Sie athmet frei!
Max. Sie lächelt wieder!
Agathe. O Max! ich lebe noch! –
Max (zugleich). Die süße Stimme ruft! Agathe, du lebest noch!
Kaspar (Samiel hinter ihm). Du, Samiel, schon hier?
So hielt'st du dein Versprechen mir?
Nimm deinen Raub, ich trotze dem Verderben!
Dem Himmel Fluch! – Fluch dir! (stirbt. Samiel verschwindet.)
Einige. Ha! das war sein Gebet im Sterben!
Kuno u. Chor. Er war von je ein Bösewicht,
Ihn traf des Himmels Strafgericht!
Er hat dem Himmel selbst geflucht!
Vernahmt ihr's nicht? Er rief den Bösen! –
Ottokar. Fort, stürzt das Scheusal in die Wolfsschlucht!
Nur du kannst dieses Räthsel lösen!
Wohl schwere Unthat ist gescheh'n!
Weh' dir, wirst du nicht Alles treu gesteh'n!
Max. Herr! unwerth bin ich eurer Gnade;
Des Todten Trug verlockte mich,
Daß – aus Verzweiflung ich vom Pfade
Der Frömmigkeit und Tugend wich.
Vier Kugeln, die ich heut' verschoß –
Freikugeln sind's, die ich mit Jenem goß.
Ottokar. So eile, mein Gebiet zu meiden
Und kehre nimmer in dies Land!
Vom Himmel muß die Hölle scheiden –
Nie! nie empfängst du diese reine Hand.
Max.. Ich darf's nicht wagen, mich zu beklagen;
Denn schwach war ich, obwohl kein Bösewicht
Kuno. Er war sonst stets getreu der Pflicht –
Agathe. O reißt ihn nicht aus meinen Armen.
Die Jäger. Er ist so brav, voll Kraft und Muth –
Landleute. O, er war immer brav und gut!
Aennchen und Chor. Gnäd'ger Herr! o habt Erbarmen!
Ottokar. Nein! Agathe ist für ihn zu rein!
Hinweg aus meinem Blick!
Dein harrt der Kerker, kehrst du je zurück!
Eremit. Wer legt auf ihn so strengen Bann?
Ein Fehltritt, ist er solcher Büßung werth?
Ottokar. Bist du es, heil'ger Mann,
Den weit und breit die Gegend ehrt?
Sei mir gegrüßt, Gesegneter des Herrn!
Dir bin auch ich gehorsam gern;
Sprich du sein Urtheil; deinen Willen
Will treulich ich erfüllen.
Eremit. Leicht kann des Frommen Herz auch wanken
Und überschreiten Recht und Pflicht.
Wenn Lieb' und Furcht der Tugend Schranken,
Verzweiflung alle Dämme bricht.
Ist's recht, auf einer Kugel Lauf
Zwei edler Herzen Glück zu setzen?
Und unterliegen sie den Netzen!
Womit sie Leidenschaft umflicht,
Wer hüb den ersten Stein wohl auf?
Wer griff in seinen Busen nicht?
Drum finde nie der Probeschuß mehr Statt!
Ihm, Herr, der schwer gesündigt hat,
Doch sonst stets rein und bieder war,
Vergönnt dafür ein Probejahr,
Und bleibt er dann, wie ich ihn stets erfand,
So werde sein Agathe's Hand!
Ottokar. Dein Wort genüget mir,
Ein Höh'rer spricht aus dir!
Alle. Heil unserm Fürst! Er widerstrebet nicht
Dem, was der fromme Klausner spricht.
Ottokar. Bewährst du dich, wie dich der Greis erfand,
Dann knüpf' ich selber euer Band.
Max. Die Zukunft soll mein Herz bewähren!
Stets heilig sei mir Recht und Pflicht!
Agathe. O les't den Dank in diesen Zähren;
Das schwache Wort genügt ihm nicht!
Ottokar und Eremit. Der über Sternen ist voll Gnade;
Drum ehrt es Fürsten, zu verzeih'n!
Kuno. Weicht nimmer von der Tugend Pfade,
Um eures Glückes werth zu sein!
Aennchen (zugleich). O dann, geliebte Freundin, schmücke
Ich dich auf's Neu' zum Traualtar!
Eremit. Doch jetzt erhebt noch eure Blicke
Zu dem, der Schutz der Unschuld war!
Schlußchor. Ja! laßt uns zum Himmel die Blicke erheben,
Und fest auf die Lenkung des Ewigen bau'n!
Wer rein ist von Herzen, und schuldlos von Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertrau'n!