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V. Was die Post heutzutage leistet.

Während sich die Leistungen der Post in früheren Zeiten vorzugsweise auf die Beförderung von Reisenden mit unterlegten Pferden erstreckten, ist der sogenannte »Briefverkehr« – welcher die Briefe, die Postkarten, die Zeitungen, die Drucksachen, die »Geschäftspapiere« und die Warenproben oder »Muster« umfaßt – das Hauptmerkmal und die wichtigste Aufgabe des modernen Postwesens. Die Franzosen geben dieser Tatsache dadurch Ausdruck, daß sie diese wohltätige Verkehrsanstalt » poste aux lettres« nennen. »Es gibt keinen Zweig menschlicher Tätigkeit, bei welchem nicht die stille und doch so wirksame Arbeit der Briefpost fördernd und belebend mit einzutreten hätte. Jede Verbesserung, jede an sich noch so geringfügige Änderung dieses wichtigen Verkehrszweiges wirkt durch tausendfältige feinste Kanäle auf die Gestaltung menschlicher Beziehungen ein,« sagt P. D. Fischer. Der in entlegenen Ländern tätige Missionär, der einsame Forscher, der mit Fachgenossen in allen Weltgegenden über die Ergebnisse gelehrter Studien korrespondiert, sie empfinden die Wohltaten der – durch die Errichtung des Weltpostvereins noch beträchtlich gehobenen – Briefpost nicht minder lebhaft als der geschäftskundige Handelsherr, welcher Briefsendungen aus allen Teilen der Erde empfängt, um sie »umgehend« – das heißt heutzutage auch über den Ozean fast täglich – zu beantworten. Im Jahre werden jetzt durch die Postverwaltungen Europas allein zirka 12 Milliarden Briefe und Karten, rund 5680 Millionen Drucksachen, Geschäftspapiere und Warenproben und etwa 2465 Millionen Zeitungsnummern befördert, im ganzen 20½ Milliarden Briefpostsendungen, mithin täglich 56 Millionen; täglich entfällt auf je acht Einwohner unseres Erdteiles durchschnittlich eine Briefpostsendung. Die reichsdeutsche Briefpost hatte im Jahre 1904 einen Umsatz von rund 6024 Millionen Stück.

Viel Kopfzerbrechen machte den Postverwaltungen angesichts so ungeheurer Massen von Sendungen die Abstempelungsfrage. In den guten alten Zeiten wurden die betr. Vermerke von den Postbeamten handschriftlich bewirkt, und jetzt plagen sich seit Jahrzehnten die Techniker mit dem Aushecken möglichst ins große arbeitender Abstempelmaschinen. Im Jahre 1906 hat man es endlich zu einer solchen gebracht, die, eine norwegische Erfindung, voraussichtlich auf sehr lange Zeit den Ansprüchen auch der bedeutendsten Postverwaltungen genügen wird, denn sie bewältigt bis zu 1800 Abstempelungen in der Minute! Schon bei den ersten Versuchen mit der elektrisch betriebenen Vorrichtung auf dem Berliner Hauptpostamt wurde eine Minutenleistung von 1000 Stück erzielt. Diese Frage wäre also gelöst!

Ein ansehnliches Kontingent zu den Briefpostsendungen stellt die vielgeschmähte, aber bei allen zivilisierten Völkern in unglaublich kurzer Zeit ungemein beliebt gewordene Post- oder Korrespondenzkarte, welche zu allererst von Österreich (1. Oktober 1869 auf Vorschlag Emanuel Herrmanns) eingeführt wurde, nachdem eine schon 1865 vom deutschen Generalpostmeister Heinrich v. Stephan ausgegangene Anregung unbeachtet geblieben war. Welch ungeheure Rolle die modernen Abarten der Postkarte, die »Ansichts«- und »Künstler«-Karten, seit neuester Zeit im europäischen – in allererster Reihe im reichsdeutschen und österreichisch-ungarischen – Postumsatz spielen, ist zu allgemein bekannt, als daß ein näheres Eingehen darauf nötig wäre.

Die Warenproben und Drucksachen gehören teilweise wegen ihrer manchmal unförmlichen Beleibtheit, teilweise wegen ihres oft unangenehmen Inhalts zu den »Schreckenskindern« der Post. Es gibt da eine Menge Stücke von zweifelhaftem Gewicht und mit unrichtiger Frankierung; auch erregen viele Pakete den Verdacht, Briefe zu enthalten. Daher wird ein öfteres Nachwiegen, Wegschieben, Öffnen, Nachsehen und Zubinden nötig. Scheren, Schießpulver, Messer u. dgl. in höchst mangelhafter Hülle als »Warenproben« aufzugeben, wird von manchen Fabrikanten als ein unantastbares Recht ihres Gewerbebetriebes angesehen, ohne daß sie an die den Händen der Postbeamten drohenden Verletzungen dächten. Zur Zeit der ersten Invasion des Koloradokäfers mußten die Bremer Postbeamten angewiesen werden, die aus Amerika kommenden Warenmuster sorgfältig zu überwachen, denn unter diesem arg mißbrauchten Titel waren ganze Sammlungen von Kartoffelkäfern angelangt.

Das moderne Postwesen und das Zeitungswesen entstanden zu gleicher Zeit, und von jeher ist die Besorgung von Zeitungen ein mit besonderer Vorliebe gepflegtes Feld für die Tätigkeit der Post gewesen. In früheren Jahrhunderten ging diese Tätigkeit mitunter so weit, daß die Postmeister die Zeitungen nicht bloß beförderten, sondern auch schrieben oder doch verlegten, und die Titel vieler Blätter erinnern noch heute an diese Kombination. Allgemein liegt der Post gegenwärtig außer der Annahme, Beförderung und Zustellung auch die Besorgung des Abonnements ob. Die Quantität der postmäßig versendeten Zeitungen ist eine ganz erstaunlich große. An Tagen besonders starker Zeitungsversendungen herrscht in den Postämtern großer Verkehrsmittelpunkte ein ungemein rühriges Treiben.

Da in keiner Stadt der Welt so viel Zeitungen erscheinen wie in London, dürfte die Szene, welche sich an Freitagen um die fünfte Nachmittagsstunde auf dem dortigen Generalpostamt beim Aufgeben der Wochenblätter abzuspielen pflegt, die interessanteste in ihrer Art sein. Da müssen einige Sicherheitswächter die ganze Autorität ihrer Lungen und ihrer rotweißen Handschärpen aufbieten, um einigermaßen Ordnung und Ruhe zu stiften. Daselbst befindet sich außer der Portiersloge und verschiedenen ungeheuren Sammelkästen für Briefe, Bücher usw. ein hohes und breites Fenster mit der Überschrift » For newspapers only«, das heißt: »Nur für Zeitungen«. Dieses tagsüber verschlossene Fenster wird um fünf Uhr geöffnet und man erblickt durch dasselbe ein Zimmer, auf dessen Fußboden enorme Körbe stehen, in welche die Zeitungen geworfen werden. Da strömen die Bediensteten von Hunderten von Zeitungsbureaus herbei, schwere Säcke schleppend, fluchend, in immer größerer Anzahl. Als wären die Postbeamten feindliche Soldaten, und als gelte es, in aller Eile das Postgebäude zu erobern, werden die Papierstöße gleich Bomben und Granaten mit großer Wucht durch das Fenster geschleudert, und die medizinische Abteilung der Postverwaltung weiß ein Lied zu singen von Beamten mit verletzten Augen, ausgeschlagenen Zähnen und plattgedrückten Nasen. Je weiter die Zeiger der großen Uhr vorrücken, desto wütender wird das Gedränge und das Bombardement. Mit dem letzten Glockenschlage der sechsten Stunde fällt das Fenster zu und die Nachzügler müssen mit einem ärgerlich gebrummten » too late« (»zu spät«) unverrichteter Dinge abziehen. Bei den englischen Postämtern hat nämlich die Annahme von Postsendungen um sechs Uhr ein Ende – zum Unterschiede von den deutschen und österreichisch-ungarischen, bei denen man Briefe und Zeitungen bis unmittelbar vor Abgang der Karriolwagen aufgeben kann. Alles nach sechs Uhr Aufgegebene wird nur dann noch am selben Abend befördert, wenn es mit einem » late-fee« oder » extra stamp«, d. h. einer das gewöhnliche Porto um anderthalb bis zwei Pence übersteigenden Gebühr frankiert zur Aufgabe kommt. Es ist also natürlich, daß sich die Leute gegen sechs Uhr in Scharen an die großen Postämter herandrängen.

Bildet die Briefpost überall einen unzertrennlichen Bestandteil des Postdienstes, so zieht die Post den Güterverkehr keineswegs überall in den Kreis ihrer Geschäfte. In Europa befassen sich außer Deutschland noch Österreich-Ungarn, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Rußland, Skandinavien, Italien, Portugal, Rumänien, Griechenland und die Schweiz von Staats wegen mit der Paketpost; außerhalb Europas bildet die britisch-indische Paketpost eine alleinstehende Ausnahme. In den übrigen Ländern ist die Beförderung von Gütern Sache der Privatindustrie, gewöhnlich der Eisenbahngesellschaften, in Frankreich der » Compagnie des messageries nationales«, in England und den Vereinigten Staaten die der » Parcels Companies«. Zwar hat England am 1. August 1883 eine Paketpost eingerichtet, allein sie ist erstens auf Inlandsendungen beschränkt, zweitens kostspielig, drittens darf kein Paket das Gewicht von 11 engl. Pfund (5 kg) überschreiten. Wo sich aber die Postverwaltungen mit Fahrpost abgeben, ist die ihnen dadurch verursachte Arbeit keine geringe. 1904 sind in Deutschland rund 202 Millionen Postpakete im Gesamtgewichte von über 13 Millionen Zentnern befördert worden; die Gesamtzahl der Paket- und Wertsendungen betrug über 232 Millionen Stück mit einer Wertangabe von über 18 750 Millionen Mark. In der Weihnachtswoche schwillt der Postpaketverkehr in den christlichen Ländern zu außerordentlichen Dimensionen an. So z. B. belief sich der Paketverkehr in der Weihnachtszeit 1904 in 69 reichsdeutschen Städten über 50 000 Einwohner – insgesamt 11 264 559 Einwohner – auf 11 010  602 Stück, so daß auf jeden Einwohner ungefähr 1 Paket entfällt. Es ist erklärlich, daß zur Bewältigung solcher Paketmassen auch außergewöhnliche Einrichtungen gehören. So geht man dazu über, für das Postamt auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin, bei dem im Jahre 1904 fast 20 Millionen Pakete bearbeitet wurden, eine besondere »Postverladestelle« mit Gleisanschluß an die Staatseisenbahn zu errichten. Für diese Anlage ist eine Bauzeit von 4½ Jahren vorgesehen; sie erfordert einen Kostenaufwand von 6½ Millionen Mark. Eine ähnliche Verladestelle ist für den Potsdamer und Anhalter Bahnhof – in der Mitte zwischen beiden – geplant.

In Deutschland können laut Postordnung lebende Tiere von der Beförderung ausgeschlossen werden, doch wird von dieser Befugnis kein strenger Gebrauch gemacht; vielmehr ist die Beförderung von Angehörigen des Tierreichs mittels Paketpost ziemlich erheblich. Darunter befinden sich zuweilen sogar junge Bären, Affen, Krokodile, Leoparden. Ein Berliner Gelehrter zeigte der deutschen Oberpostdirektion 1877 an, er habe per Post ein Paket empfangen, als dessen Inhalt sich ein sehr kräftiges und lebhaftes Exemplar der äußerst gefährlichen und giftigen nordamerikanischen Wasserviper entpuppte. Die Behandlung, die die Post den Tiersendungen im Interesse der empfindlichen und anspruchsvollen, dabei aber meist rücksichtslosen Sendlinge angedeihen läßt, weicht von den Regeln des gewöhnlichen Beförderungsdienstes ab und geht vielfach in das Gebiet der Tierpflege über.

Äußerst wichtig und vielseitig sind die Geldgeschäfte der Post. Den modernen Formen des Handelsverkehrs sich anpassend, hat sich dieser Dienstzweig von der ursprünglichen Naturalversendung an zu mannigfaltigen Gestaltungen bankmäßigen Zahlungsausgleichs entwickelt und stellt in seiner Gesamtheit eine ungemein umfangreiche Tätigkeit dar. Die heutigen Oberpostdirektoren von England, Deutschland, Frankreich, Österreich, Ungarn usw. sind gewaltige Bankiers vor dem Herrn. Ältere Postordnungen strotzen von den scharfsinnigsten Vorsichtsmaßregeln, mit denen die Aufgabe, die Beförderung und die Zustellung von Wertsendungen umgeben wurden. Jetzt wird von alledem nur noch in wenigen Staaten Gebrauch gemacht, und das ist auch gar nicht nötig, denn die der Behandlung solcher Sendungen zugewandte Sorgfalt ist so groß, daß nur selten Unregelmäßigkeiten vorkommen. Infolgedessen ist das Vertrauen in die Ehrlichkeit der Postbeamten so rückhaltlos, daß der Post zahllose Sendungen mit Wertinhalt ohne Deklaration, natürlich auf Gefahr der Absender, übergeben werden. Im Juwelenhandel wird die Verschickung kostbarer Edelsteine fast allgemein mittels eingeschriebener Briefe bewirkt.

Unter den Dienstleistungen der Post als einer Bank nimmt der Postanweisungsverkehr eine besonders hervorragende Stellung ein. Die Post übernimmt da nicht die Beförderung, sondern einfach die Auszahlung von Geldbeträgen. In London gab es schon 1792 ein Postanweisungsamt, doch blieb es bis 1838 in Privathänden und diente vornehmlich den Soldaten und Matrosen dazu, sich Geld aus der Heimat kommen zu lassen oder erspartes nach Hause zu schicken. 1838 ging die Anstalt in die Hände der Postverwaltung über. Auf dem Festlande wurde das Anweisungsgeschäft erst rund ein Vierteljahrhundert später in den Tätigkeitsbereich der Post aufgenommen, und seither hat es sich rasch auch in anderen Erdteilen verbreitet. In Deutschland, Österreich-Ungarn und anderswo stellt der Aufgeber die Anweisung aus und übergibt sie der Post, die sie an den Adressaten befördert, dem gegen Empfangsbescheinigung das Geld ausgefolgt wird. In England, Amerika, Frankreich und anderen Ländern stellt der Postbeamte die Anweisung aus und übergibt sie dem Aufgeber, der sie selber unter Kuvert dem Adressaten einschicken muß, dem das Geld ausgefolgt wird, falls er den Namen und die Adresse des Aufgebers anzugeben weiß.

Wie die Auszahlung findet auch die Einziehung von Geldern durch die Post in beträchtlichem Maße statt. Vielfältige Mißbräuche des Postvorschußverfahrens (jetzt »Nachnahme« genannt) veranlaßten die deutsche Postverwaltung 1871 zur Einführung eines anderen Einziehungsverfahrens, das sich als umgekehrte Anwendung der Postanweisung bezeichnen läßt; wir meinen das Postauftraggeschäft, dessen rasche Steigerung beweist, daß es einem Bedürfnis entspricht. In dieser Hinsicht sind die Postverwaltungen von Österreich, Ungarn, Belgien, Frankreich, Italien, Norwegen, Schweden, Portugal, Rumänien, Spanien, der Schweiz und mehrerer anderer Staaten mit günstigen Ergebnissen dem Vorbilde Deutschlands gefolgt.

Ein weiterer Zweig des Geldverkehrs der Post ist die Ansammlung und Auszahlung von Sparbeträgen bei den Postämtern. Den Anfang auf diesem Felde hat England gemacht. Dort gab es früher eine Menge von Sparkassen nach dem kontinentalen System; sie hatten jedoch manche empfindliche Nachteile an sich und entsprachen den Bedürfnissen der fortschreitenden Zeit nicht mehr. 1807 fühlte sich Whitbread veranlaßt, den Vorschlag zu machen, die Post möge Einlagen annehmen und verwerten. Später sprach der berühmte Volkswirt John Stuart Mill sich dahin aus, daß es gut wäre, wenn »die Nation für die Spargelder ihrer Mitglieder verantwortlich wäre«. Aber alle ähnlichen Andeutungen blieben erfolglos, bis im Jahre 1860 der Huddersfielder Bankier Lykes der englischen Regierung die Errichtung von Postsparkassen vorschlug. Gladstone, der damals Finanzminister war, nahm sich der Sache so energisch an, daß schon am 16. September 1861 die » Post-Office Savings Banks« ins Leben traten, die sich als ein höchst wirksamer Hebel zur Förderung des Sparsinns der Bevölkerung bewährt haben und überall, wo sie eingeführt werden mögen, von den wohltätigsten Folgen begleitet sein müssen. Statt sein Geld in eine Sparkasse oder zu einem Bankier zu tragen, trägt man es ins nächstbeste Postamt und wird Gläubiger eines »sicheren« Schuldners, des Staates. Alles, was man zu tun hat, ist, sich den vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln zu unterwerfen und 2¾ bis 3½ % Zinsen einzusacken.

Die Rückzahlung geschieht, wie die Einzahlung, bei jedem beliebigen Postamte; das ist ein großer Vorteil für Reisende, um so mehr, als die gesamte, auf das Einzahlen und Zurückziehen von Einlagen bezügliche Korrespondenz mit den Postautoritäten nicht frankiert zu werden braucht, während das Senden von Geld auf Reisen nicht nur sehr umständlich, oft unmöglich ist, sondern auch viel Porto kostet. Es ist daher kein Wunder, daß die neue Einrichtung so ungeheuren Anklang findet, daß in England die meisten Privatsparkassen eingegangen sind. Jeder Postmeister muß täglich ans Generalpostamt über das im Laufe des Tages bei ihm vorgekommene Sparkassengeschäft berichten. Verwaltet und zinstragend verwertet werden die Einlagsgelder von der Parlamentkommission für die Verringerung der Staatsschulden. Die außerordentlichen Erfolge der Postsparkassen in England, die Anziehungskraft, welche sie namentlich auf ganz kleine Sparbeträge ausüben, haben ihnen nicht nur in den außereuropäischen Kolonien Englands Eingang verschafft, sondern im steigenden Umfange auch bei den europäischen Postverwaltungen, so z. B. in Österreich, Ungarn, Belgien, Italien, Holland, Frankreich und Schweden, in Deutschland leider noch nicht.

Ein weiterer Zweig der Postgeschäfte ist die Lebensversicherung. Doch steht in dieser Beziehung das englische Postwesen bisher vereinzelt da. Beim britischen Oberpostdirektor kann das Leben einer jeden im Alter von 16 bis 60 Jahren stehenden Person auf Beträge zwischen 20 und 100 Pfund, versichert werden. So vortrefflich diese Einrichtung – namentlich hinsichtlich der Sicherheit des Geldes – auch sein mag, kann sie doch wegen der Beschränkungen, denen sie unterliegt und wegen der endlosen Konkurrenz zahlloser Versicherungsgesellschaften keine so allgemeine Anwendung finden, wie die übrigen Abteilungen des Postbetriebs.

Der gewaltige Umfang des Geldverkehrs der Post läßt sich durch folgende, bloß das Deutsche Reich betreffende Ziffern ermessen. Die Reichspost beförderte im Jahre 1904 in runden Zahlen: 9¾ Millionen Briefe und Kästchen im Werte von 11 366 Millionen Mark, 4 Millionen Stück Wertpakete im Werte von 7384 Millionen Mark, 182 Millionen Stück Postanweisungen im Betrage von 10 835 Millionen Mark, nahezu 6 Millionen Stück Postaufträge zur Einziehung von 686 Millionen Mark. Der deklarierte Gesamtwert dieser Sendungen belief sich auf rund 31 059 Millionen Mark. In Wirklichkeit muß deren Wert bedeutend höher gewesen sein, da bei Geldbriefen und Geldpaketen sehr häufig nicht der volle Inhalt deklariert wird.

Schließlich dürfen wir die Rolle nicht unerwähnt lassen, welche die Post speziell in Deutschland bei der Durchführung des Unfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 und des Invalidenversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1899 spielt. Die Auszahlung der auf Grund dieser Gesetze zu leistenden Entschädigungen und Renten erfolgt bekanntlich vorschußweise durch die Postverwaltung, und zwar durch das Postamt des Wohnsitzes des Entschädigungsberechtigten oder Rentenempfängers. Die Verrechnung zwischen der Postverwaltung und den Berufsgenossenschaften usw. geschieht derart, daß die betreffenden Zentralpostbehörden den Genossenschaftsleitungen usw. am Schluß des Rechnungsjahres Zusammenstellungen der Auszahlungen einsenden und ihnen mitteilen, bei welcher Postkasse die Rückerstattung erfolgen soll. Außerdem hat die Postverwaltung den Vertrieb der Versicherungsmarken übernommen. An Unfallentschädigungen, Invalidenrenten, Altersrenten, Krankenrenten und Beitragserstattungen sind im Jahre 1904 aus der Reichspostkasse für Rechnung von 114 Berufsgenossenschaften, 269 Ausführungsbehörden, 31 Versicherungsanstalten und 6 besonderen Kasseneinrichtungen 223 199 429 Mark an 1 979 000 Empfänger in 15 182 000 einzelnen Abhebungen vorschußweise gezahlt worden. Der Umsatz von Versicherungsmarken bezifferte sich im Jahre 1904 auf 443 711 051 Stück im Gesamtwerte von 124  169 841 Mark.


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