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Nicht nur im Schulgebrauch, sondern auch im Briefverkehr spielten im Altertum Täfelchen eine große Rolle; namentlich in Rom waren zusammengelegte » tabellae« stark im Schwange, aber auch schon viel früher in Ägypten. Das letztgenannte Land kann wohl als die Heimat des Briefes betrachtet werden; die frühzeitige Entwicklung der Kultur und die Erfindung des Papyrus gaben dort die Vorbedingungen, unter denen das Briefwesen entstehen und sich entfalten konnte. Unter den Papyrusbriefformen der »klassischen Zeit« gab es einige recht eigentümliche und sinnreiche; so z. B. die spartanischen »Stab- oder Rollbriefe«, die an unsere modernen Chiffrebriefe erinnern. Plutarch sagt über dieselben:
»Wenn die Ephoren einen Schiffsbefehlshaber oder Feldherrn aussandten, ließen sie zwei vollkommen gleiche Stäbe machen, die an den Enden genau übereinander passen mußten. Den einen gaben sie dem Abgesandten mit, während sie den anderen behielten. Wollten sie nun eine geheime Mitteilung abschicken, so wurde ein langes, schmales Papyrusblatt derart um den Stab gewunden, daß nirgends ein Zwischenraum blieb, sondern die Oberfläche des Stabes vollständig vom Papyrus bedeckt war. Nun schrieben die Ephoren ihre Botschaft der Länge nach, den Windungen folgend, auf den Streifen, den sie sodann wieder abwickelten und ohne den Stab an den Betreffenden sandten, der den außer Zusammenhang gebrachten Inhalt nur dadurch entziffern konnte, daß er den Papyrus auf den mitgenommenen Stab (›Skytale‹ genannt) wickelte.«
Merkwürdig sind auch die, ebenfalls geheimen amtlichen Mitteilungen dienenden »Knotenbriefe« (»Quipu«), die bei den Urbewohnern der später von den Inkas beherrschten Teile Südamerikas im Gebrauch waren und in Peru noch von den eindringenden Spaniern vorgefunden wurden. Sie bestanden aus einem wagrecht gelegten Hauptstrang, von welchem verschiedene Schnüre herabhingen, deren jede eine eigene Hauptbedeutung hatte, während die an ihnen angebrachten Knoten durch ihre Stellung und Form die Einzelheiten zum Ausdruck brachten. Durch verschiedenartige Drehung und Färbung der Schnüre wurden weitere Gattungsbegriffe dargestellt. Tschudi, der in Peru viele Quipu ausgrub, erzählt, daß zu seiner Zeit diese Art des Schreibens noch üblich gewesen, und zwar bei den Hirten behufs Notierung ihres Viehbestandes, des Ertrages ihrer Herden an Milch, Käse, Wolle usw.
Das Mittelalter, in welchem man auch hinsichtlich des Schreibstoffes etwas beschränkt war, zeigt eine recht geringe Entwicklung des Briefverkehrs von Ort zu Ort. Das Pergament, auf welches man hauptsächlich angewiesen war, hatte eben einen zu hohen Preis, um größeren Kreisen zugänglich zu sein. Einen ungeahnten Aufschwung nahm das Briefschreiben mit der Einführung des Lumpenpapiers. Der neue Stoff bewährte sich so sehr, daß bald besonderes »Brief«- oder »Post«-Papier entstand, welches heutzutage in der abendländischen Kulturwelt schon von sämtlichen Volksklassen benutzt wird. Immerhin hat sich auch die Gegenwart einen gewissen Spielraum gewahrt in der Wahl der Schreibstoffe zu postmäßigem Verkehr. In Ostindien z. B. wird noch immer zuweilen statt Papiers ein Palmblatt beschrieben, zusammengewickelt, mit einer Blattfaser verschlossen und außen mit der Adresse versehen, wobei als Feder ein spitzes Instrument dient, mit dem man die Schriftzeichen in das trockene Blatt einritzt.
Die Verpackung der Postbriefe in besondere, an den vier Seiten zusammengeklappte Umschläge galt seit langer Zeit für zweckmäßig; doch war es sehr umständlich, sich derartige Briefhüllen zurecht zu schneiden und zu kleben. Um 1830 nun verfiel ein praktischer Engländer, der Brightoner Papierhändler Brewer, auf den ausgezeichneten Gedanken, Kuverts fabrikmäßig zu erzeugen. Daß er damit wirklich einem »tiefgefühlten Bedürfnis« entgegenkam, geht daraus hervor, daß der Verbrauch an Briefumschlägen bekanntlich ein ganz ungeheurer ist. Wie die Briefpapiere, nahmen allmählich auch die Kuverts alle erdenklichen Gestaltungen in Größe, Haltbarkeit, Schwere und sonstiger Ausstattung an; heute ist fast für jeden besonderen Korrespondenzzweck die Anwendung einer eigenen äußeren Hülle Mode geworden.
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Niemand weiß bestimmt, wie das Postwesen entstanden ist. Haben wir es, wie mehrere Gelehrte annehmen, dem organisierten Transport der Korrespondenz der jüdischen Königin Isebel zu danken? Oder ist sein Ursprung auf die »Stationen« zurückzuführen, die – wie wir den Mitteilungen Herodots und Xenophons entnehmen können – an den Hauptstraßen des persischen Reiches errichtet waren und auf denen sich die Eilboten ablösten, um die »Depeschen« des großen Cyrus rasch durch das ganze Land zu bringen? Oder haben die unter Karl dem Großen bestandenen Einrichtungen zur Beförderung der damaligen Staatsbriefschaften die Anregung gegeben, daß derlei auch für das Volk gut wäre? Man weiß weder wann noch von wem die erste eigentliche Post ersonnen wurde; als sicher läßt sich aber annehmen, daß der »Erfinder« der Post – möge er wer auch immer gewesen sein und wann auch immer gelebt haben – sichs schwerlich hat träumen lassen, diese einst so einfache Anstalt werde jemals die ungeheuer wichtige Rolle spielen, die sie seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts spielt.
Immerhin lassen sich in älteren Zeiten verschiedene postmäßige Einrichtungen nachweisen. Im ganzen Altertum dienten diese ausschließlich dem Staate und dessen Oberhaupt. Dem entspricht auch die Etymologie der Worte, mit denen man jene Veranstaltungen großenteils als »Frondienste« (persisch » angara«, griechisch » angareion«, lateinisch » angaria«) bezeichnete. Das Wort »Post« ist späteren Ursprungs, es ist aus dem lateinischen » posita« (»gelegt, gesetzt, gestellt«) in » posta« verdorben. Da die Römer den Ort, an welchem ein Wechsel der Beförderungsmittel stattfand, » mansio« bzw. » mutatio« nannten, so sagten sie: » Mansio (»mutatio«) posita in N.«, später einfach: » Posta in N.« Der berühmte venezianische Chinareisende Marco Polo (13. Jahrhundert) spricht oft von der » poeste«, womit er die Stationen der kaiserlichen Post in China bezeichnet. Das Wort ist seither mit geringen, durch nationale Eigentümlichkeiten bedingten Änderungen in die meisten Kultursprachen übergegangen.
Eine ältere postmäßige Institution als die erwähnte altpersische ist nicht bekannt. Wenn Cyrus sich anfänglich mit den gewöhnlichen, auch anderswo üblich gewesenen Botendiensten begnügte, so empfand er bei der gewaltigen Ausdehnung seines Reichs und bei der großen Anzahl der von ihm unterjochten Völkerschaften bald das Bedürfnis nach einer zuverlässigeren, rascheren, planmäßigeren Organisation der Nachrichtenbeförderung. Er erreichte sein Ziel durch die Verwendung von Pferden und die Errichtung zweckmäßig verteilter Vorspannstationen. Griechenland hatte keinerlei Pferdepost; dagegen konnte das ungeheure römische Reich eine solche nicht entbehren. Unter Oktavianus Augustus wurde der Nachrichtendienst einheitlich gestaltet und eine reformierte Staatspost, der » cursus publicus«, geschaffen; doch beruhte sie weiter auf Fronleistungen. Die arge Bedrückung des Volkes durch diese Lasten veranlagten den Kaiser Narva zu ihrer Aufhebung. Trajan, Kommodus und mehrere andere Cäsaren wurden rückfällig, während andere, namentlich Hadrian, streng darauf sahen, daß der Postenlauf aus Staatsmitteln bestritten werde. Diese Abwechslung dauerte bis zum Aufhören des » cursus publicus« mit dem Untergang des Reiches.
Die Völkerwanderung fegte neben so vielen anderen Kulturgebilden auch das Postwesen hinweg und das ganze Mittelalter verging, ohne daß selbst nur die alten Postenläufe wieder erstanden wären. Der Briefverkehr kam abermals ausschließlich in die Hände von Boten. Ausgenommen sind die im Frankenreich nach dem Muster des einstigen » cursus publicus« durch Chlodwig ins Leben gerufenen und von Karl dem Großen erneuten Froneinrichtungen, die aber nicht lange bestanden. Das Botenwesen, welches nicht bloß dem Staat, sondern auch dem Publikum diente und zu gute kam, entfaltete sich im Laufe der Zeit zu hoher Blüte. Es gab »Klosterboten«, »Universitätsboten«, »zünftige Botenanstalten«, »städtische Boteneinrichtungen« und andere »Botenschaften«. Unter diesen anderen ragten hervor die »Metzgerposten«. Weil die Metzger zumeist festes Besitztum hatten und somit eine gewisse Gewähr boten, vertraute man ihnen gern Briefe und sonstige Sendungen an. Weil sie überdies bei ihren Vieheinkäufen Gespanne mitführten und oft weite Reisen machten, waren sie ganz besonders in der Lage, postalische Aufgaben zu erfüllen. Nicht selten schlossen selbst Stadtverwaltungen und Kaufmannsgilden mit den Metzgerzünften ihrer Orte bezügliche Verträge. Allmählich entwickelte sich die »Metzgerpost« zu einer weitverzweigten Verkehrsanstalt.
Die Metzger kündigten in den Dörfern und Städten, die sie auf ihren Einkaufsreisen berührten, ihre Ankunft und Weiterreise durch Blasen auf kleinen Hörnern an, und man vermutet, daß hierin der Ursprung des Gebrauchs des Posthorns zu suchen sei.
Die Metzgerpost wurzelte sich so tief ein, daß sie das Mittelalter weit überdauerte, sich den Anforderungen des modernen Postwesens anbequemte und erst am Ende des 17. Jahrhunderts dem Andrängen des Zeitgeistes wich. Die verhältnismäßig recht gut eingerichtete Post des deutschen Ritterordens, welche im 14. Jahrhundert entstand und mit Vorspannpferden arbeitete, erhielt sich bis zur Auflösung des Ordens im Jahre 1525. Diese Ordenspost kann als eigentliche Vorläuferin des modernen Postwesens gelten. In die Zeit ihres Aufhörens fällt der Beginn der berühmten Thurn- und Taxisschen Postverwaltung.
»Während die Welt erschlossen vor Europa dalag,« schreibt »Veredarius«, auf die Entdeckungsreisen am Ende des 15. Jahrhunderts anspielend, »war es Europa selbst kaum möglich, von Land zu Land, von Ländchen zu Ländchen die großen Ideen ungehindert auszutauschen, welche unter dem Eindruck der neuen Errungenschaften des Jahrhunderts alle Stände zu durchdrungen begannen. Jeder Fürst, jede Stadt, jeder privilegierte Stand hatte seine eigenen Einrichtungen des Nachrichtenverkehrs und duldete keinen Botenlauf durch sein Gebiet nach einem angrenzenden. Was aber der Wille vieler Mächtigen zu hindern suchte, das vermochte der klug angelegte Plan eines einzigen Mannes zur Tat zu gestalten.«
Dieser Mann war Francesco de Tassis. Kaiser Maximilian dem Ersten hatte sich längst die Notwendigkeit aufgedrängt, sein Wiener Hoflager in rasche und sichere Verbindung mit seinen Erblanden zu bringen; allein er konnte – bei den damaligen Verkehrsverhältnissen kein Wunder! – ein wirksames Mittel zur Erreichung dieses Zieles nicht finden. Da erbot sich der genannte Edelmann, die kaiserlichen Briefschaften unentgeltlich nach den Niederlanden zu befördern, wenn ihm und seinen Nachkommen der ausschließliche Besitz und die gesamten Einkünfte der neuen Beförderungsanstalt zugesichert würden. Tassis – sein Enkel Lamoral wurde als »Taxis« in den Grafenstand erhoben und das Geschlecht erhielt später den Titel der »Fürsten zu Thurn und Taxis« – erreichte die Zusage zu seinem Anerbieten, wurde zum »Postmeister der Niederlande« ernannt und richtete eine Reihe von regelmäßigen Postkursen, vorerst zumeist aus berittenen Boten bestehend, ein, denen er, da die Sache sich für seinen Säckel lohnend und für das Publikum segensreich zeigte, allmählich viele andere (nach Italien, Frankreich, Nord- und Süddeutschland) folgen ließ. Anfänglich, wie alles neue, mit Zweifeln an seiner Lebensfähigkeit empfangen, wurde die neue Einrichtung, welche bald immer mehr Wagen zur Benutzung heranzog, nach kurzer Zeit in ihrer ganzen Tragweite verstanden und für unentbehrlich gehalten. Ein Schriftsteller meinte begeistert: »Die Erfindung der Posten ist unter die Glückseligkeiten jetziger Zeit billig zu setzen«; ein anderer schrieb: »Diese Taxissche Erfindung hat ganz erstaunliche Folgen nach sich gezogen und die Welt in manchen Sachen fast in einen anderen Modell gegossen.«
Die Entwicklung der Post brachte Handel und Wandel zu höherer Blüte, und dadurch nahm wieder der Wirkungskreis der Post zu. Es kann daher nicht überraschen, daß die Anstalt dem Besitzer schon im Jahre 1588 einen Reingewinn von 100 000 Dukaten abwarf. Der Enkel des Begründers wurde 1615 zum »Reichsgeneralpostmeister« ernannt und von neuem mit dem Postregal belehnt. Im Laufe der Zeit dehnten die Taxis ihre Tätigkeit auf die meisten Länder Europas aus. Die schweren Kämpfe, die sie anfänglich gegen das mittelalterliche Botenwesen zu führen hatten, bestanden sie siegreich. Auch gelang es ihnen, den einstigen Widerstand der zahlreichen Landesherren gegen den Durchzug fremder Posten vollständig zu überwinden; die Herrscher sahen ein, daß es höchst vorteilhaft für sie und ihre Staaten sei, den Durchzug auf ihre Gebiete zu lenken.
So wäre denn alles recht schön gewesen, und die Taxis würden die ungeheuerlichsten Reichtümer gesammelt haben, die sich je in den Händen einer einzigen Familie befanden, wenn nicht einzelne Landesverwaltungen bereits anderthalb Jahrhunderte nach der »Erfindung« der Post begonnen hätten, dem »Generalpostmeister des Reiches« Konkurrenz zu machen, teils auf eigene Rechnung, teils durch Verpachtung des »Regals« für einzelne Strecken an andere Postmeister. Es setzte dabei natürlich die schlimmsten Streitigkeiten ab, denen es übrigens oft nicht an Humor fehlte. Die unterschiedlichen Staaten fragten nichts nach den Rechten der Taxisschen Post, sondern machten sich die gewonnenen Erfahrungen zunutze und annektierten ohne viel Federlesen das Postwesen als ein Staatsmonopol, der eine früher, der andere später. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Taxissche Herrlichkeit bereits fast überall, wo sie bestanden hatte, verschwunden.
Unter der staatlichen Verwaltung ging die Entwicklung des Postwesens nunmehr etwa ein Säkulum hindurch einen wahren Schneckengang, und dieser patriarchalische Zustand nahm erst mit der Einführung der Hillschen Reformen in England ein Ende.