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Arcus verließ den geborstenen Turm. Sein Gang war langsam und gemessen. Den hellroten Mantel hielt er nachlässig in seiner rechten Hand. Er schleifte ihn wie eine Blutfahne über den Schnee. Vor der Türe seiner Behausung blieb er einen Augenblick stehen und sah angestrengt zu der abgebröckelten Zinne des Turmes hinauf. Er sagte leise zu ihm hin: »So wie du da bist, kannst du nicht bleiben. Entweder ich muß dich wieder aufbauen, oder ich muß dich ganz einreißen.«
Nach dem grellen Licht über dem Schnee war das Halbdunkel seiner Zelle beruhigend und begütigend, wie eine weiche, lockere Decke. An der Schmalseite des Raumes, wo das breite, niedrige Lager stand, hockte eine Gestalt, eine Decke über die Schultern gezogen, den Kopf tief auf die hochgestemmten Knie gebeugt. Sie hockte dort so von dem Augenblick an, da sie beide aus dem Abgrund der Nacht aufgewacht waren, noch betäubt von der Naturgewalt des Vulkans, der da draußen die Erde und in ihnen selbst ihr Leben erschüttert hatte. Sie hockte dort so von dem Augenblick an, da die Wirklichkeit mit einem dröhnenden Gongschlag über sie hereinbrach und Arcus auftaumelte und gegen den winzigen Bruchteil der Zeit kämpfte, der ihn um sein Amt, um das Amt seines Lebens berauben wollte.
Angelika wußte, daß er zu spät kommen würde. Ihre Angst ging ihm nach über die Schneewehen bis zum grauen Turm. Ihre Sorge sah das Bild, wie er hülflos vor dem Ereignis stand, das sich ohne ihn vollzogen hatte. Und in all ihrer Hingabe und Bereitschaft wartete sie jetzt darauf, die Strafe hinzunehmen, die ihr gebührte.
Sie hob den Kopf nicht auf, als er zu ihr an das Lager trat. »Du wirst mich jetzt strafen, Arcus? Tu es schnell, ehe ich ganz wach werde. Habt ihr kein Mittel, Menschen ganz schnell zum Einschlafen zu bringen?«
Er ließ seinen Mantel zu Boden gleiten und setzte sich an den Rand des Lagers. Er sah sie nicht an. »Wofür soll ich dich strafen? Dafür etwa, daß das Leben selber uns angefallen hat? Wer kann sich gegen das Leben wehren? Wenn es nicht für uns bestimmt gewesen wäre, wäre es nicht zu uns gekommen.«
Sie nickte. »Ja. Aber ... wie willst du jetzt weiter leben? Für mich ist es nicht schwer. Ich gehe wieder dorthin, woher ich gekommen bin. Ich werde nicht mehr dieselbe sein wie gestern. Ich werde auf nichts mehr im Leben zu warten brauchen, nachdem ... Aber du? Was wird aus dir?«
Arcus strich sich nachdenklich über die Stirne. »Ich glaube, ich habe schon ein neues Amt bekommen. Es ist ein merkwürdiges Amt. Es ist so merkwürdig, wie das Leben selbst. Ich habe mich zuweilen gefragt, ob das Leben gut sei oder nicht. Seit heute weiß ich: es ist weder gut noch böse. Es ist indifferent. Es ist da. Gut und böse ist nur, was der Mensch daraus macht. Und wir haben ein Böses daraus gemacht. Laß den Kopf nicht so sinken, Angelika. Wir haben es nicht mit Vorbedacht getan. Aber geschehen ist es trotzdem. Und was ist geschehen? Es ist die Ordnung gesprengt worden, die wir Vormünder der Welt über dem Leben der Völker aufgerichtet haben. Da klafft jetzt ein Riß. Und durch diesen Riß will das Böse, das mit Vorbedacht Böse wieder in das Leben hineinkriechen. Und das darf nicht geschehen.«
Angelika hob langsam den Kopf. »Meinst du, daß man es verhindern kann? Wir sind schwach, und jene anderen sind stark.«
»Ich muß versuchen, stärker zu sein als sie. Ich muß einen Augenblick stärker sein als sie. Ich muß eine Sekunde lang gegen das Unrecht die Kraft setzen, die ich hasse: die Gewalt und das formale Unrecht.«
Sie kauerte jetzt dicht hinter ihm. »Was willst du tun?«
Arcus sagte: »Ich werde nach Kreta gehen. Ich werde den Generälen in Kreta das Unglück erzählen, das geschehen ist. Und ich werde sie dazu bereden, gegen Goethanien zu ziehen. Wenn das geschehen ist, kann ich mein Amt wieder aufnehmen. Bis dahin muß es ruhen.«
Er stand gelassen auf und ging vor die Türe. Draußen warf er das rote Gewand auf die weiße Schneedecke und legte einen schweren Stein darauf. Das war das Zeichen, mit dem ein Vormund den Verzicht auf sein Amt ankündigte.
Als er zurückkam, stand Angelika vor dem Lager und kleidete sich mit langsamen, gelassenen Bewegungen an. Sie hatte ihm dem Rücken zugewandt. »Du weißt, Arcus, daß du nicht alleine nach Kreta fahren wirst? Ohne mich kannst du nicht fahren. Wenn du ein Unrecht ausgleichen willst, das durch das Leben entstanden ist, wie kannst du ohne das Leben fahren, aus dem es kam? Wenn du die Ordnung wieder hergestellt hast, und wenn du den roten Mantel wieder aufnimmst, dann ... dann erst gehe ich fort. Dann erst.«
»Auch dann nicht« sagte Arcus. »Ich will einen neuen Brauch in Island einführen. Jeder Vormund soll sich eine Frau nehmen. Wenn du nur einen Tag früher zu mir gekommen wärest, brauchten wir jetzt nicht nach Kreta zu fahren.«
Sie fuhren anderen Tages ab. Niemand gab ihnen das Geleite und niemand fragte sie nach Zweck und Ziel der Reise. Das Flugzeug, das Arcus in Reykjavik bestellt hatte, stand bereit. Erst vom Flugplatz aus sandte er ein Telegramm nach Kreta, das seine Ankunft meldete.
Das Flugzeug hielt sich in geringer Höhe. Arcus schob den Teppich beiseite, sodaß der gläserne Fußboden offen lag. Langsam schob sich die Welt unter ihnen dahin. Im Südosten tauchte eine riesenhafte Insel auf. Arcus wies mit dem Finger darauf. »Früher einmal war es gut, auf einer Insel zu leben. Man konnte sich da seine eigene Weltordnung aufbauen. Heute ist es nicht mehr gut.«
Angelika sah ihn an. »Du sprichst so, als sei die Ordnung, die ihr geschaffen habt, schon nicht mehr vorhanden.«
»Wenn ich es recht bedenke, war sie eigentlich nie vorhanden. Das ist mir in diesen Tagen klar geworden. Ja, die Welt hat sich nach dem letzten Kriege eine Ordnung gegeben. Sie hat alle Ideale der Jahrhunderte wieder mobilisiert. Freiheit der Völker, Schutz der Schwachen, gerechte Verteilung der Güter, Friede, Abrüstung ... Ich weiß, was du sagen willst: das seien alles gute und edle und notwendige Dinge. Sie sind es. Aber sage mir eines: ist Ordnung eine Mechanik der Dinge oder ist sie ein beseeltes Gesetz? Kann eine Ordnung stabil sein, die auf der Angst beruht, auf wirtschaftlichen Konventionen, auf dem, was der Zwang der Umstände dem Einzelnen abgerungen hat? Leg zehn Steine in eine gerade Reihe und sag mir, das sei Ordnung. Aber sie ist es nur so lange, als nicht ein Junge kommt und mit dem Fuß dagegen tritt. Vielleicht hat er keine böse Absicht dabei. Vielleicht will er nur etwas spielen. Aber Ordnung herrscht erst dann, wenn jeder weiß, innerlich, aus der Überzeugung, aus dem Glauben, daß er so nicht spielen darf. Unsere Mechanik der Ordnung kann nicht bestehen. Ordnung wird sein, wenn die Hüter der Ordnung nicht mehr mit dem Gehirn überzeugt sind, sondern mit dem Herzen glauben.«
Angelika sagte zweifelnd: »Und dazu muß man Kreta mobilisieren?«
Er nickte. »Ja. Es ist der vorbereitende Schritt. Die Welt ist vor einem halben Jahrhundert durch Tiefen gegangen, aber noch nicht durch die letzten Abgründe. Der Glaube kommt aus den höchsten Himmeln oder den tiefsten Abgründen. Da sie alle nicht in den Himmel hineinwollen, muß man sie in die Abgründe werfen. Schau dort« – er wies nach links – »da liegt dein Goethanien, wo sie mit den Füßen nach der Ordnung treten. Gefährliche Kinder. Darum gehen wir nach Kreta.«
Er zog den Teppich wieder über den Fußboden und verdeckte die Sicht auf die Welt. Nur gegen den späten Nachmittag, als sie über Rom flogen, deckte er die Sicht wieder auf. »Schau dahin, Angelika. Das ist die Stadt, von der aus die Mittelmäßigkeit, der Kompromiß, die schlechte Imitation über Europa gekommen sind. Die Gründer dieser Stadt haben eine Wölfin zur Amme gehabt. Europa hat von derselben Milch getrunken. Und sie ehren diese Mutter und nennen sie die Ewige Stadt. Weiß der Teufel, was sie sich dabei denken.« Er stieß mit dem Fuß gegen den Teppich. »Decken wir Europa zu.«
Die Sonne stand schon schräg und leuchtete schon rot und abendlich, als die Felsen von Kreta unter ihnen auftauchten. Diese Insel uralter Kultur, die Grabstätte vergessener Kunst und der Begräbnisplatz zahlloser Toter aus dem letzten Kriege hatte eine seltsame Wandlung durchgemacht. Wo sonst Ruinen von Häfen aus der klassischen Zeit Schaustücke für Touristen bildeten, standen jetzt moderne Hafenanlagen, geschützt von den schwersten Befestigungen. Über den Grabschichten versunkener Kulturen zogen sich in regelmäßigen Abständen durch schnurgerade Straßen mit einander verbundene riesenhafte Komplexe von Fabrikgebäuden. Die Schlote standen wie entlaubte, sperrige Wälder über der ganzen Weite des Landes hin, und Rauchfetzen trieben mit den Winden über das Meer hinaus. Andere Teile sahen aus, als habe man sie mit einem Mosaik aus großen, hellroten Steinen gepflastert. Das waren die Kasernen, in denen die Truppen von Kreta lebten. Andere Gebiete erschienen dem Blick aus der Luft wie lange, blank geputzte Eisenbänder, die man über die Erde gezogen hatte. Das waren die ungeheuren Lagerhäuser, das Arsenal der Welt, die Vorratskammern, die sich mit ihren unheimlichen und unbekannten Waffen öffnen würden, wenn die Truppen Kretas sich einmal in Bewegung setzten. Näher zur Küste hin waren Waldungen angelegt. In eingestreuten Lichtungen standen viele vereinzelte Gebäude, die der Verwaltung, den physikalischen und chemischen Versuchen, der Aufbewahrung von Dokumenten und als Krankenhäuser dienten. Während das Flugzeug über dem Landeplatz zirkelte, hatten sie noch einmal einen weiten Rundblick über den ganzen Komplex, in dem man mit einem Aufwand vieler Milliarden ein Wunderwerk der technischen Organisation und der militärischen Bereitschaft erbaut hatte. Arcus nickte vor sich hin. »Wehe der Welt, auf die solche Organisation losgelassen wird.«
Auf dem Flugplatz wurden sie von einem Offizier in einfacher, grauer Uniform empfangen. Er stand lässig da und putzte eine Brille mit sehr dicken Gläsern. Er setzte sie auf und starrte auf die beiden Gäste. »O, ich wußte nicht, daß wir weiblichen Besuch bekommen würden.«
Arcus fühlte sich etwas verlegen. »Ist es hier nicht üblich, daß Frauen kommen?«
Der Offizier grinste durch seine dicke Brille. »Es ist überhaupt unüblich, daß Menschen nach hier kommen. Und wenn Sie nicht einer der Vormünder gewesen wären, hätte man sie überhaupt nicht landen lassen. Nebenbei gesagt habe ich eine so alte Flugzeugdroschke mein Lebtag nicht gesehen. Aber daß eine Frau kommt, ist eine angenehme Überraschung. Wir haben hier natürlich auch Frauen. Man kann ja eine Armee schließlich nicht auf die Dauer im Zölibat leben lassen. Aber ganz unter uns gesagt: wir kennen unsere Frauen alle schon auswendig. Wir sind alle ausgehungert nach neuen Gesichtern. Ich glaube, wir müssen nächstens mal den ganzen Bestand umtauschen.«
Angelika errötete, während Arcus diesen merkwürdigen Offizier verwundert anstarrte. Er hatte von Kreta die Vorstellung gehabt, daß dort harte, ja grausame Söldner mit finsterer Entschlossenheit auf die Stunde ihres Amtes warteten; daß dort jener Ernst herrsche, der für ein solches schweres und schicksalhaftes Amt unerläßlich schien. Aber dieser kurzsichtige Mann mit seiner ungehemmten Geschwätzigkeit und seinen indiskreten Andeutungen störte das Bild beträchtlich.
Er selbst schien nicht das Gefühl dafür zu haben. Er sagte: »Ich muß Sie jetzt zu dem alten Notker bringen. Wer das ist? Das ist der Insel-Marschall, die große Kanone. Aber wenn Sie mit dem fertig sind, kommen Sie zu mir, ja? Ich werde noch ein par Offiziere einladen. Alles nette Leute. Übrigens: mein Name ist Gallus. Ich habe die mechanischen Fahrzeuge unter mir. Ich werde Ihnen gleich mal so etwas demonstrieren. Das, was Ihr in der Welt ein Automobil nennt ist bei uns ein Spielzeug für Kinder. Schauen Sie sich mal hier den Kasten an.« Er führte sie vor einen langen, ovalen Gegenstand, der oben über den ganzen Rücken entlang in eine leicht erhöhte Naht auslief. An den Seiten, dicht über dem Erdboden, sprangen flache Ausbuchtungen wie kurze Flügel vor. Die Seitenwände gingen bis auf den Boden. Räder waren nicht zu sehen, und es war auf den ersten Blick auch nicht zu erkennen, wo vorne und hinten war.
»Das ist ein Gleitwagen« sagte Gallus. »Ein wunderbares Ding. Der Erfinder hat sich bei den Versuchen leider zu Tode gefahren, so verliebt war er in die Geschwindigkeit. Daran muß man sich allerdings etwas gewöhnen. Steigen Sie ein.« Er schob eine breite Fläche oben auf dem Rücken beiseite. Drinnen waren tief gelegene und bequem gepolsterte Sitze. Vor dem vorderen Sitz war ein einfaches Schaltbrett angebracht. Von einem Steuerrad war nichts zu sehen. Gallus sprang hinein. »Ich werde den Wagen nicht schließen, damit Sie etwas sehen können und einen Begriff von der Geschwindigkeit bekommen.«
Arcus hatte stille Bedenken, und um Angelikas willen hatte er einige Sorge. »Ihre Augen stören Sie bei der Lenkung des Wagens nicht?«
Gallus lachte nur. »Weil ich kurzsichtig bin? Das macht nichts. Ich steure ja nicht. Bei der Fahrgeschwindigkeit nützen die besten Menschenaugen nichts. Dafür braucht man schon Selen-Augen. Ich gebe nur die allgemeine Richtung an.«
Mit einem leichten Pfeifen glitt der Wagen ab. Er zitterte von einem kaum wahrnehmbaren Surren in seinem Inneren. Er berührte den Boden kaum. Die lange blanke Straße wurde von unvorstellbarer Geschwindigkeit aufgespult. Irgendwo ging eine Gruppe von Menschen. Der Wagen ließ ein leises Pfeifen hören, aber die Menschen schienen es nicht zu beachten. In der nächsten Sekunde war das Fahrzeug dicht hinter ihnen. Es war unmöglich, auszuweichen. Angelika schrie auf. Aber da hob sich der Wagen mit einem sanften Schwung, als hätten Flügel ihn aufgehoben, glitt über die Köpfe hinweg und fuhr weiter.
»Wie macht er das?« rief Arcus begeistert.
»Er denkt!« rief Gallus zurück und fuhr in der nächsten Sekunde in einen reißenden Fluß hinein. Das Wasser schäumte auf und sprühte tropfend ab, wie das Fahrzeug das jenseitige Ufer hinaufkletterte. Eine weißgraue Ebene lag vor ihnen, unregelmäßig mit verkrümmten, alten Olivenbäumen bestanden. Der Wagen schien seine Geschwindigkeit noch zu erhöhen. Mit der Gelenkigkeit einer Schlange wand er sich durch die Baumreihen hindurch, übersprang zum Schluß eine niedrige Mauer, drehte sich wieder auf eine Hauptstraße und hielt vor einem breiten, aus massivem Sandstein erbauten Hause.
»So, da wären wir« lachte Gallus. »Hier wohnt der alte Notker.«
Die Türe des Hauses war aus schweren eichenen Balken gefügt. Daran hing ein bronzener Türklopfer von der Form eines Totenschädels. Gallus mußte alle seine Kraft aufwenden, um ihn zu heben und dröhnend auf die erzene Unterlage fallen zu lassen. Die Türe öffnete sich langsam und ein Gigant in Uniform trat heraus. Gallus wies auf die Gäste. »Zwei Besucher für den Marschall anmelden« befahl er. Der Gigant sagte mürrisch: »Der Marschall wartet schon.«
Alles in dem Hause war von schwerem, ungefügem Format. Stein, Marmor, Erz beherrschten die Halle. Die hohen schmalen Fenster waren mit vierkantigen Eisenstäben vergittert. Die Treppe schwang sich in einem blanken, kalten Bogen in die Höhe. Alles wuchtete, drohte, war hart, gewaltsam, ohne Willen zum Kompromiß. Es war auf das Format eines Marschalls abgestellt, der, wenn es ihm befohlen wurde, der Henker der Welt werden konnte.
Ernst und beklommen stiegen sie die Stufen hinauf. Der Gigant stieß eine Türe vor ihnen auf. »Dort hinein!«
Der Raum war lang und schmal. Vom Boden und von den Wänden blinkte ihnen bläulich kalter Marmor entgegen. Am Ende des Raumes war ein einziges, hohes Fenster, das sie mit seinem Licht blendete. In dem scharfen Lichtkegel sahen sie einen ungeheuren Schreibtisch mit gewaltiger Marmorfläche stehen, und dahinter erhob sich jetzt eine Gestalt: der Marschall.
Sie stutzten beide eine Sekunde. Sie hielten den Atem an wie Menschen, die man plötzlich vor einen Spuk gerückt hat. Alles hatte sie auf einen Menschen von ungewöhnlichem Format vorbereitet. Was da jetzt hinter dem Schreibtisch hervorkam, beinahe hervorkroch, war ein kleiner, hagerer, buckliger Mann mit langen Händen und kleinen, klugen, durchdringenden Augen. Er ging seinen Besuchern bis zur Ecke des ungeheuren Schreibtisches entgegen. Sein Gang war schräg und ein klein wenig hinkend. Er schielte auf das Telegramm, das auf der nutzlos blanken Fläche lag. »Arcus heißen Sie?« sagte er mit hoher Falsett-Stimme. Er streckte eine Spinnenhand vor. »Und die Frau da?«
Angelika hatte ein rauhes Gefühl in der Kehle, als sie ihren Namen nannte.
»Gut. Und was wollen Sie hier?«
Sie wand sich unter seinen bösen Augen. Arcus legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. Er sagte bittend: »Herr Marschall, sie muß zugegen sein, wenn ich meinen Bericht erstatte. Der Bericht wäre nicht vollkommen, wenn sie nicht dabei wäre.«
Notker zuckte mit der Schulter und schlurfte auf seinen Platz zurück. »Meinetwegen. Also berichten Sie.«
Sie standen wie zwei arme Sünder vor der Bank des Richters. Die Situation war beklemmend. Arcus fragte ganz schüchtern: »Dürfen wir uns wenigstens hinsetzen?«
Notker streckte einen Finger vor. »Da stehen ja Stühle. Und fangen Sie endlich an.«
Arcus holte tief Atem. Gleichmaß und Sicherheit kamen ihm langsam zurück. Er studierte aufmerksam dieses böse, verfaltete Gesicht, diese verschlossene Maske, die mit gesenkten Augen dasaß. Würde er fähig sein, diese unwillige Zurückhaltung, diese eisige Ablehnung zu durchbrechen? Solange er einer von den Einundsiebenzig war, war dieser verkrümmte Zwerg da vor ihm sein Diener. Nun er alleine stand, von der Gruppe losgelöst, war er ein Bittsteller. Und dieses vernichtende Gefühl gab seinem Bericht eine besondere Bitterkeit und Dringlichkeit und Aggressivität.
Notker horchte bewegungslos, steinern. Seine Augenlider hoben sich nicht ein einziges mal. Seine Hände lagen wie reglose, blasse Tiere auf der Fläche des Schreibtisches. Für Augenblicke erschien er wie der tote Marmor ringsum an den Wänden.
Arcus beendete seinen Bericht. Der ganze Raum schien voll von den Bildern, die er heraufbeschworen hatte. Er schwieg, als sei er von der Wiederbelebung des Geschehenen erschöpft. Dann hob er entschlossen den Kopf. »Und nun ...« sagte er.
Aber da ließ Notker seine blasse Hand langsam vom Schreibtisch aufflattern. »Ich nehme an, daß der Bericht als solcher beendet ist.«
»Ja. Aber jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen.«
»Ich halte es für zweckmäßig« sagte Notker trocken, »die beiden Bezirke scharf zu trennen.« Er sah auf und musterte die beiden Besucher aus verkniffenen Augen. Und dann vollzog sich in seinem Gesicht eine Metamorphose, die wie ein neuer Spuk war und ihnen wieder den Atem stocken ließ. Die bösen Falten um die Augen herum wurden dichter und tiefer und wechselten unmerkbar zu einer verspielten Heiterkeit hinüber. Der zusammengepreßte Mund verkniff sich noch mehr, aber es war ein zurückgehaltenes Lachen dazwischen eingeklemmt. Die starren Hände begannen in Ornamenten zu spielen, und statt der bösen Maske entschleierte sich ein kluges, heiteres, weltweises Gesicht, das von der Klarheit vieler Erkenntnisse übergossen war. Der Kopf lag etwas schräg zwischen den hohen Schultern, und die ganze Gestalt schien sich ihnen freundschaftlich und nachsichtig zuzuneigen. Sie starrten ihn ungläubig an, und er antwortete auf dieses Starren mit einem leisen Lachen, einem jener Urmenschgelächter, die aus so tiefen Quellen kommen, daß sie wie Wildbäche die Widerstrebenden mit sich reißen und daß sie nur eine Wahl lassen: mitzulachen. Sie taten es, und staunten über sich selbst.
Notker stand langsam auf. »Womit ich sagen will, daß ich den offiziellen Teil des Besuches für beendet halte. Ich bin jetzt bereit, Sie inoffiziell zu empfangen. Das soll für Herrn Arcus eine Auszeichnung und für Frau Angelika ein Kompliment bedeuten.«
Sie waren immer noch fassungslos. Er schlurfte an ihnen vorbei und stieß mühelos eine Türe auf, die in der Marmorverkleidung nicht zu erkennen war. Eine einladende Geste: »Wenn Sie eintreten wollen ...«
Ein anderer Notker und ein anderer Raum: holzbekleidete Wände und Teppiche, Bücher und breite, niedrige Sessel, runde Tische mit Rauchzeug und Flaschen und Gläsern. Notker ließ sich aufatmend in einen Sessel fallen. Er sagte: »Jeder Beruf hat sein Martyrium. Meines besteht in offiziellen Besuchen, wenn ich in dem Marmorkasten sitzen muß. Aber es ist dekorativ, nicht wahr?«
»Zumindest verblüffend« sagte Arcus ehrlich.
Notker nickte. »Teil der Regie. Am schlimmsten ist es, wenn Erfinder kommen. Sie sind immer so tierisch ernsthaft. Sie wollen alle die Welt erlösen, und sind doch alle bereit, ihre Erfindung für die Zerstörung der Welt herzugeben. Sonst kommen nur Kontroll-Kommissionen, die vor lauter Verlegenheit nicht wagen, meine Berichte zu kontrollieren. Ich bekomme offenbar nur die langweiligsten Exemplare zu sehen, die Ihre Welt aufzuweisen hat.«
Arcus seufzte. »Sie hat leider auch Exemplare aufzuweisen, die übermäßig interessant sind. Leider machen sie die Welt nicht erfreulicher.«
Notker reckte sich behaglich. »Das ist die einzige lichte Seite, der große Vorzug meiner Stellung, daß ich von ihr keine Notiz zu nehmen brauche. Sonst hätte ich diesen Posten garnicht angenommen. Ob die Welt gut oder böse ist, geht mich nichts an. Ich sitze hier und warte auf den Befehl von der einzigen Instanz, die mir befehlen kann: Island. Wenn Island sagt: Geh!, dann gehe ich, und frage nicht, ob der, gegen den ich gehe, interessant oder uninteressant ist. Und so sitze ich und ignoriere die Welt. Wenn es nicht so langweilig wäre, wäre es erhebend.«
Der Gigant in Uniform brachte Kaffee in einer köstlichen Silberkanne. Notker schob sie mit einer freundlichen Handbewegung zu Angelika hinüber. Sie verstand, nickte ihm dankbar zu, und schenkte ein.
Arcus fragte vorsichtig: »Langweilt es Sie, daß Sie noch keinen Befehl zum Losschlagen bekommen haben?«
Notker schüttelte den Kopf. »Nein, garnicht. Ich glaube auch nicht, daß es je dazu kommen wird. Aber damit es nicht dazu kommt, muß man eben hier in der langweiligsten Isolierung sitzen, die es gibt. Ich will Ihnen etwas sagen, was ich noch niemandem gesagt habe. Sie werden später einmal verstehen, warum ich es Ihnen gesagt habe. Sie müssen verstehen, was Kreta eigentlich ist. Hier wird ein großes Mysterienspiel aufgeführt, und seine Wurzeln reichen in die Jahrtausende zurück. Hier ist eine große Bühne aufgebaut. Es gibt viel dunkle Staffage und viele gefährliche Figuren des Hintergrundes. Und von Zeit zu Zeit geht eine groteske, mystische Figur über den Vordergrund der Bühne. Das bin ich. Ich bin der Marschall Notker mit dem Donnerkeil in der Hand. Ich bin der große blutgierige Fresser, der Länder verschlingt, wenn man ihn ruft. Ich bin der große Klabautermann, mit dem man unartige Kinder schreckt. Ich gehe wortlos über die Bühne, und mehr noch, als im Rampenlicht zu erscheinen, verlangt meine Rolle von mir, wieder in der Verborgenheit der Kulissen zu verschwinden, einzutauchen im Geheimnis, im Unheimlichen. Denn ich bin das Symbol, das durch Angst fromm macht. Und aus der Angst vor der Angst lebt die Welt von heute in Frieden.« Er verabschiedete den Gedanken mit einer Handbewegung und wandte sich zu Angelika. »Sie sehen nicht so aus, als ob Sie aus Island kämen. Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Welt. Sie mögen nicht? Was hemmt Sie? Soll ich Ihnen vorher einen guten Trunk mischen? Ich glaube, in Island gibt es keinen Alkohol.«
Arcus schüttelte den Kopf. »Wir haben das Amt, nüchtern zu bleiben ...«
Notker seufzte leicht vor sich hin. »An der Nüchternheit geht die Welt zugrunde. Ich will nicht sagen, daß sie sich betrinken sollte. Aber wann und wo, glauben Sie, haben die Menschen sich den ersten Rausch geholt? Als sie vor ihren Göttern standen. Der erste Rausch der Welt ist religiös. Daß die Menschen davon weg und in die Nüchternheit gegangen sind, macht sie untauglich, die Welt zu ordnen.« Er trank mit beinahe andächtiger Sammlung, und sie taten ihm Bescheid.
Notker nickte ihnen aufmunternd zu. Er sprach väterlich und nachsichtig, wie zu zwei Kindern, die man belehren muß. »Aber diese Welt wird durch die Angst zusammengehalten und durch die Zweckmäßigkeit, nicht durch den Glauben. Sie möchten eigentlich alle ganz gerne glauben, aber sie verhindern sich leider selber. Sie haben nämlich nicht nur technische Erfindungen gemacht, sondern auch geistige. Und darunter ist eine, die sie als sehr bedeutend ansehen: sie haben das ökonomische Motiv im Handeln der Menschen entdeckt.« Er lachte wieder sein leises, ansteckendes Lachen. »Das hat mich von jeher erschüttert. Ich glaube, ich habe mir in einer geistigen Präexistenz meinen Höcker angelacht.«
»Wir haben es auch so gelernt« warf Arcus ein. »Und wir sehen jeden Tag, daß es so ist. Wieviel Akten über Streit in der Welt habe ich gelesen, und immer ging es um Besitz, Güter, Dinge, Reichtum ...«
In Notkers Züge kam ein Anflug von Ernst. »Denken Sie zuende, lieber Arcus. Wer Vormund der Welt sein will, müßte mit den Abgründen der Welt rechnen können. Nehmen wir einmal ein Beispiel: da ist – sagen wir – ein alter Babylonier, der mehr Frucht aus seinem Acker herausholen will. Ein rein ökonomisches Motiv, nicht wahr? Was tut er? Er schlachtet seinen ältesten Sohn für den Fruchtbarkeitsgott des Ackers. Oder ein Neger wirft seine Tochter den Krokodilen vor, damit er ungestört Fische fangen kann. Oder ein Europäer schickt seine Geistlichen auf die Kanzel, damit sie für Regen oder für einen Sieg beten. Oder sie veranstalten heilige Kreuzzüge gegen Menschen anderer Meinung, um ihren Widerstand auszuschalten. Ökonomische Motive? Vielleicht. Aber die Motive des Handelns? Die Motive der Aktion? Der wahre innere Antrieb? Urtriebe der Seele und der primitiven Instinkte, die Sucht nach Macht oder nach Sicherheit, panische Angst und mystische Erwartung. Das steht in den Akten, die Sie gelesen haben, wenn Sie richtig gelesen haben. Und jetzt formulieren Sie einmal kurz und bündig, warum Sie zu mir gekommen sind.«
Arcus schwieg, den Kopf tief gesenkt. Er suchte vergeblich nach der bündigsten Formulierung. Notker lächelte freundlich. »Oder soll ich selbst es Ihnen sagen? Ich soll Ihnen helfen, einen von jenen totzuschlagen, der so aus dem primitiven Instinkt heraus handelt. Ich würde es tun, auch wenn es gegen die Regel ist, auch wenn kein offizieller Befehl an mich vorläge ... unter einer Bedingung: wenn ich mir einen Erfolg davon verspräche. Und das tue ich nicht. Solange es keine wahrhafte Erneuerung in der Welt gibt, ist die Angst noch der beste Hüter der Ordnung.«
»Aber diese Angst ist schon überwunden!« rief Arcus. »In Goethanien wird schon gerüstet ...«
»In Demosien auch« sagte Notker gelassen. »So wird die gegenseitige Angst sie noch eine zeitlang im Gleichgewicht halten. Das ist eine reale und nahe Angst. Die Angst vor Kreta muß noch als mystische Angst im Hintergrunde bleiben.«
»Wenn ich wüßte« sagte Arcus nachdenklich und beklommen, »wie schwer das Gewicht dieser Angst ist ...«
Notker hob den Kopf. »Sie haben Zweifel an der Realität dieser Angst?«
Arcus sah sein Gesicht nicht. Aber Angelika sah es. Hinter Falten und Runzeln und Rissen sah sie ein Geheimnis vorüberhuschen und sich tief verbergen. Sie jagte mit ihrem Instinkt hinter diesem Geheimnis her. Noch ehe Arcus antworten konnte, stand sie auf, legte beide Hände auf Notkers Schultern und sagte dringlich: »Ich habe eine Bitte an Sie.«
Er zuckte unter ihrer Berührung zusammen. Es war eine Erschütterung, die nur ihre Hände spürten. Aber die Gewalt über seine Stimme hatte er nicht verloren. Er fragte freundlich: »Welche Bitte?«
»Erlauben Sie uns, alles zu sehen, was es hier auf der Insel gibt: jedes Archiv, jedes Arsenal, jede Kaserne, jede Fabrik.«
Er sah sie lange und starr an, und sie hätte sich gerne vor diesem Blick verkrochen. Er sagte endlich: »So lieben Sie Arcus?«
Sie senkte den Kopf. »Wir haben ein Amt an der Welt zu erfüllen« sagte sie beklommen.
Notker nickte und erhob sich wortlos. Er nahm aus einem Wandschrank Papier und Feder und legte beides vor sich auf den Tisch. Er vermied es, die beiden anzuschauen. Er sagte mit leiser und sehr eindringlicher Stimme: »Ich gebe Ihnen drei Minuten Zeit, Ihre Bitte zu widerrufen. Wenn nicht, erhalten Sie den Paß.«
Die Drohung in seinen Worten war unverkennbar. Angelika sah hülflos zu Arcus hinüber. Aber er sah sie nicht an. Von ihm kam keine Hülfe. Sie sah zu Notker hinüber, aber er war weit weg. Er stand auf der Bühne des Mysterienspiels, auf der sich die unheimlichen Gestalten bewegten. Sie wollte irgend eine von ihnen anrufen. Aber sie hatte keine Stimme. Und dann griff Notker zur Feder. Er sagte mit kalter Stimme: »Ich stelle Ihnen jetzt den Paß aus.« Er schrieb und setzte seinen Siegel unter seinen Namen. Er stand auf und gab Angelika das Papier in die Hand. Er nickte Beiden zu. »Leben Sie wohl, und erfüllen Sie ... Ihr Amt an der Welt.«
Damit ging er hinaus. Kaum war er draußen, als der uniformierte Hüne erschien. Er verneigte sich höflich und öffnete die Türe vor ihnen. Sie gingen hinaus, als hätten sie einen Schlag vor den Kopf bekommen.
Sie standen hülflos vor der geschlossenen Türe. Sie waren in einen leeren Raum hinausgestoßen. Normale Straßen mit Menschen und Wagenverkehr schien es hier nicht zu geben. Es war alles lautlos und ohne Bewegung. Alles, was sie sahen, waren kleine, grellweiße Pfähle, die oben eine Kugel trugen. Sie waren in geraumen Abständen über den Platz verteilt und verloren sich in der Weite. Sie suchten in der großen Leere instinktiv Zuflucht an einer solchen Säule, um wenigstens etwas zu haben, woran sie sich anklammern konnten.
»Und was jetzt?« fragte Arcus ratlos.
Sofort antwortete eine Stimme: »Ja, bitte?«
Sie fuhren auf und sahen sich erschreckt um. Es war niemand zu sehen. Die Stimme wiederholte ungeduldig: »Nun, bitte?« Sie kam aus der Kugel, die die Säule abschloß.
Arcus fand sich sofort zurecht. Er sagte zu der Kugel hin: »Wo ist Herr Gallus?«
Die Kugel antwortete: »Kapitän Gallus? Sofort.«
Und dann sprach Gallus, aufgeregt, sich überhastend. »Sind Sie schon fertig? Ich habe angenommen, es würde Stunden dauern. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir holen Sie sofort ab.«
Inzwischen war es dunkel geworden. Alle Gegenstände zogen sich in ein rötliches Grau zurück und versanken darin. Und im gleichen Maße begannen die Kugeln auf den niedrigen Säulen heller zu werden und zu leuchten und den Weg durch die Nacht wie mit an den Boden gebundenen Sternen abzustecken. Dann schossen aus der Ferne, dicht über die Erde hin, viele scharfe, schmale, beißende Scheinwerfer auf sie ein, eine Prozession von Lichtern, die keine Quelle zu haben schienen. Der Schreck dauerte nur eine Sekunde, dann standen ringsherum Gleitwagen wie der, mit dem sie vom Flugplatz gekommen waren, nur kleiner und niedriger. Jedem entstieg ein Mann. Sie trugen alle die gleiche, unscheinbare Uniform. Sie wirkten alle wie verkleidet.
Gallus war der Wortführer. Er war sichtlich aufgeregt. Er versuchte sich in einer Art Begrüßungsrede, aber sie mißlang jämmerlich. Seine Kameraden lachten ihn ohne Mitleid aus. Ein brauner Hüne saß rittlings über dem Vorderteil seines Gleitwagens und rief: »Er will sie zu einem Trinkgelage einladen, aber da er Sie nicht in unser Kasino bitten kann ...«
Arcus unterbrach ihn. »Ich besitze einen Paß von Marschall Notker, der mir jeden Winkel dieser Insel öffnet.«
Es folgte ein Ausbruch kindlicher Begeisterung. Der Hüne schwenkte beide Arme. »Dann gehen wir ins Raritäten-Kabinett!«
Wie große Kinder, denen man kostbare technische Spielzeuge anvertraut und die hemmungslos damit schalten und walten, jagten sie mit ihren Gleitwagen davon. Arcus und Angelika wurden von einander getrennt. Die Scheinwerfer huschten und tanzten und übersprangen sich gegenseitig. Die Offiziere vollführten einen Lärm, als hätten sie alle schon viel getrunken. Aber es war nicht so. Sie waren nur aufgeregt, weil die böse Einförmigkeit ihrer Isolierung für eine Sekunde aufgehoben war. Sie behaupteten alle, auf jeden Kontakt mit der Welt verzichten zu können, und sie unterlagen hemmungslos dem ersten, schwachen Kontakt mit ihr.
Aber das gaben sie nicht zu. Sie spielten ihren Gästen eine Rolle vor, an die sie selbst glaubten: die Rolle von Menschen, die sich über die Welt und ihr kleines Format und ihre Ohnmacht lustig machen. Und das war auch eigentlich der symbolische Sinn des Raumes, den sie unter sich das Raritätenkabinett nannten. Wie verspielte Kinder hatten sie Waffen und Apparate einer Epoche, die sie für überwunden hielten, zusammengetragen und zu Gebrauchsgegenständen umgearbeitet: zu Tischen, Stühlen, Schränken, Säulen, Bänken. Es war so viel nutzloses Metall im Raume, daß alle Stimmen hart und grell klangen. Jede Bewegung, jedes Rücken eines Glases oder einer Flasche erzeugte ein übertriebenes Echo.
Arcus saß neben dem braunen Hünen. Er sagte zu ihm: »Darf ich einmal ganz offen zu Ihnen reden?«
Der Hüne grinste: »Das wird mir ein unmäßiges Vergnügen sein.« »Ich habe mir die Gesichter genau angesehen. Es ist nicht ein Soldaten-Gesicht darunter.«
»Natürlich nicht. Wir sind ja auch keine Soldaten. Wir sind Sachverständige für Zerstörung und Demoralisation, Techniker und Chemiker und Psychologen.«
»Was verstehen Sie unter Demoralisation?«
»Die Technik, Menschen durch geeignete Mittel so unter Druck zu setzen, bis ihre Nerven zusammenbrechen und sie die Waffen wegwerfen und sich wie winselnde Hunde auf den Boden werfen.«
»Können Sie mir ein einfaches Beispiel geben?«
»Gewiß. Nehmen wir einmal folgenden ganz simplen, schon etwas veralteten Vorgang. Ich erzeuge über einer Stadt oder einer Armee das Geräusch von Flugzeugen. Die Menschen nehmen Deckung. Das Geräusch dauert an. Sie halten einen Tag lang aus, zwei Tage. Dann wird ihnen klar, daß man ihnen einen Trick gespielt hat. Sie kommen aus der Deckung hervor. Und dann fallen von irgendwo aus den unendlichen Höhen gewaltige Bomben. Von da an sind sie ihrer Sache nicht mehr sicher. Sie zerbrechen sehr bald. Und so gibt es hundert Arten.«
Arcus fühlte sich kalt angeweht. »Ist keiner unter diesen ... Sie verzeihen: dekadenten Gestalten, der bei alle dem auch nur eine Spur von ... sagen wir: Mitleid mit den Geschöpfen empfindet?«
»Natürlich nicht« lachte der Hüne. »Haben sie es denn verdient? Haben sie auch nur ein einziges mal in Jahrtausend langer Geschichte einen Versuch gemacht, anständige Menschen zu sein? Zwei mal ist es versucht worden: von den klassischen Juden und von den ersten Christen. Sie sind beide degeneriert. Sie sind beide nichts mehr wert. Und wenn wir hier dieser Welt einen Ausdruck geben wollen, nehmen wir die billigsten Symbole, die es gibt. Eben die Symbole, die Sie hier sehen.«
»Und so haben Sie sich zur Zerstörung der Menschheit entschlossen?«
»Aber nein! Es ist ein bescheidener Beitrag zur Erziehung altkluger und frühreifer Kinder. Und je eher wir einen Erziehungsversuch realisieren können, desto besser für die Menschen. Notker meint, unsere Existenz genüge. Die Mehrheit des Offizier-Korps ist der Meinung, daß wir unsere Existenz einmal unter Beweis stellen müssen, selbst auf die Gefahr hin, einen Vorwand zum Handeln selber zu provozieren.«
Arcus wurde hellhörig. »Sie würden also auch einmal einen Versuch machen, selbst wenn der alte Notker keinen Befehl gibt?«
»Ich halte das für möglich. Wenn es ein nettes Objekt ist. Und es müßte natürlich auch irgend ein plausibler Grund gegeben sein.«
Arcus ging hoffnungsvoll einen Schritt weiter. »Sagen wir, da wäre ein Staat, der geheime, unterirdische Waffenfabriken hat, und der alles daran setzt, selbst seine eigenen Menschen, um auf die Welt loszuschlagen, sich so zu bewaffnen, wie Kreta es tut ...«
Der Braune war interessiert. »Das wäre nicht schlecht. Wenn dann die Leute noch an sich unsympathisch wären ...«
»Schwer zu sagen« warf Arcus ein. »Mir kommt immer meine anerzogene Distanz in die Quere. Ich kann nur sagen, daß sie mit Ideen um sich werfen, die ich leidenschaftlich ablehne.«
»Sehr schön. Wissen Sie: das Ausrotten von Menschen selbst macht uns garkeinen Spaß. Aber das Ausrotten von Ideenhändlern ist ein gottgefälliges Werk. Wenn wir unsere strategischen Spiele betreiben, konstruieren wir uns immer einen Gegner, der sich als Ideenvertreter fühlt; sagen wir: als Messias der Welt, als Bote des Weltfriedens, als Träger der ewigen Gerechtigkeit, und ähnlicher geschäftlicher Motive. Dann fallen uns immer die besten Lösungen ein.« Er füllte sein Glas wieder. »Aber nun sagen Sie einmal die Wahrheit: treiben Sie Theorie oder haben Sie ein solches Objekt wirklich an der Hand?«
Arcus preßte die Hand um das Glas. »Es ist da, und ich möchte, ich hätte so die Hand um seine Kehle, wie ich sie um dieses Glas habe.«
Der Braune pfiff leise durch die Zähne. »Wir werden die Sache morgen mal im nüchternen Zustande bereden. Gallus muß eingeweiht werden. Er ist ein großer Säufer, ein genialer Stratege und ein schwer verbogener Psychopath. Aber das letztere trifft wohl für die meisten von uns zu. Ich werde Sie und Ihre Gattin jetzt in Ihr Gasthaus bringen. Es ist nicht nötig, daß Sie Zeugen einer exzessiven Betrunkenheit werden.« –
Am anderen Morgen hielt vor ihrem Gasthause ein Automobil, wie sie es von Europa her gewohnt waren. Darin saß der uniformierte Gigant, der Notker betreute. Er sagte mürrisch: »Der Marschall wünscht, daß Sie sich zunächst die Truppen von Kreta besichtigen.«
Er fuhr sie weit in die Mitte der Insel hinein, aber sie konnten nirgends die großen Kasernen entdecken, die sie vom Flugzeug aus gesehen hatten. Der Hüne brummte verächtlich. »Das waren Potemkinsche Kasernen, damit Fremde etwas zum Schauen haben. Die richtigen Kasernen sind da vorne.« Er wies auf eine niedrige Felsenerhebung mit schütterem, niederem Baumbestand darüber. »Ich warte hier draußen auf Sie.«
Er ließ scharf und ungeduldig seine Hupe ertönen. Im Grau der Felsen öffnete sich ein eisernes Tor von gleichem Grau. Ein Gesicht, das die Farbe von Ebenholz hatte, schaute heraus. Es war hochmütig und verschlossen, beinahe drohend. »Zeigen Sie Ihren Paß« sagte der Hüne. »Sprechen kann man nicht mit ihm.«
Der Ebenholzschwarze studierte den Paß aufmerksam. Dann ruckte er mit dem Kopf und ging ihnen voran, durch einen langen, grauen Gang, tief in den Felsen hinein. Am Ende des Ganges war ein breiter, eiserner Fahrstuhl. Sie stiegen ein und sanken eine unbestimmte Strecke in die Tiefe. Als sie ausstiegen, befanden sie sich in einer Straße, in der Straße einer normalen Stadt, mit Häusern, Plätzen, Bäumen und Menschen. Was vom Normalen abwich, waren nur zwei Dinge: sie hatte keinen Himmel, obgleich Licht von allen Seiten auf sie eindrang; und alle Menschen waren Farbige, vom Schwarz des Ebenholz bis zum lichten Braun.
Angelika verspürte eine Beklemmung, die einer Furcht gleichkam. Aber Arcus blieb unbefangen. Sein Dasein in Island hatte ihn mit keinem Vorurteil und mit keinem Problem belastet, das irgendwie mit dem Namen ‚Farbiger‘ verknüpft war. Der ungewohnte Anblick vermehrte nur sein Interesse. Während ihr Führer sie vor einem schlichten, breiten Gebäude warten hieß, nahmen sie das Bild der Straße in sich auf. Die Menschen waren ohne Unterschied jung, die meisten groß und kräftig gebaut, viele trugen Bücher und Mappen, und nicht ein einziger war uniformiert. Arcus sagte: »Es sieht aus wie eine Universitätsstadt, aber nicht wie ein Militärlager.«
Angelika nickte respektvoll: »Sehr kluge Gesichter. Und fällt es dir nicht auf, daß keiner uns anschaut?«
Arcus lachte. »Wir sind wahrscheinlich nicht so interessant, wie wir uns einreden.«
Eine dunkle, samtene Stimme hinter ihnen sagte: »Ich glaube, es ist nur Schüchternheit. Verzeihen Sie, daß man Sie warten ließ.«
Vor ihnen stand ein schlanker, graziöser Mensch, leicht vorgebeugt, mit einem klugen, dunklen Gesicht und grau meliertem Haar. Sein Lächeln war von gewinnender Güte. »Bitte verfügen Sie über mich. Wollen Sie erst etwas sehen oder erst etwas hören?«
Es war in seiner Art eine intensive Menschlichkeit, die Zutrauen erzwang.
Arcus sagte: »Ich bin aus meinem Amt das Fragen gewöhnt.«
»Dann kommen Sie.«
Während sie noch erwarteten, in ein Haus zu kommen, dessen Inneres dem Äußeren entsprach, standen sie plötzlich in einer dunklen, holzgetäfelten Halle, in Zwielicht getaucht, und daraus hervor wölbten sich farbige Gestalten, Bildwerke, mit groben Zügen gemeißelt, unheimliche Drohungen, geheimnisvolle Symbole, Totem-Pfähle, die bis an die Decke anstiegen, gedrungene Ungeheuer, die am Boden kauerten, Masken, die das Grinsen von hundert Teufeln trugen, Trommeln, mit Menschenschädeln geschmückt, Teppiche und Matten mit verschlungenen symbolischen Mustern. Sie hielten den Atem an, als sie hindurchgingen. Sie erwarteten neue Unheimlichkeiten zu sehen, als der Mohr eine Türe vor ihnen öffnete. Aber ihre Spannung stieß in ein Nichts. Sie kamen in einen Raum, der die zweckmäßigen, gleichgültigen Möbel einer europäischen Wohnhalle enthielt. Dieser Sprung von Urzeit zu Gegenwart war eine gute Vorbereitung, nicht mehr zu staunen, als sie ihre Fragen stellten und die Antworten vernahmen.
Arcus ging gerade auf sein Ziel los. »Ich dachte, ich würde die Armee von Kreta sehen, statt dessen ...« Er suchte nach einer Formulierung, die möglichst schonend sein Erstaunen ausdrückte.
Mohr enthob ihn der Mühe. Er sagte freundlich: »Statt dessen sehen Sie College-Studenten, und noch dazu alles Farbige, und alles unterirdisch! Damit haben Sie eigentlich schon alles gefragt, was es hier zu fragen gibt. Ich werde Ihnen antworten, so gut ich kann. Glauben Sie, daß es so einfach war, eine Armee zu schaffen, die den Aufgaben von Kreta gerecht werden kann? Es wird Ihnen einleuchten, daß Söldner dafür nicht genügen. Man kann nicht einfach Menschen dafür anwerben und bezahlen, über das Schicksal der Welt zu wachen. Die Vormünder der Welt auf Island sind ja auch aus einem Prozeß der Auslese entstanden.«
»Wir sind Träger einer Idee« sagte Arcus.
»Wir sind es auch« sagte der Mohr gelassen. »Aber während bei Ihnen der Prozeß der Auslese individuell war, war er bei uns kollektiv. Sie verstehen?«
»Nein« bekannte Arcus.
»Es ist ganz einfach. Als vor fünfzig Jahren der letzte Weltkrieg abgeschlossen wurde, und als man den Ausweg Kreta fand, stellte sich heraus, daß alle Armeen nach Hause wollten. Sie wollten ihr eigenes Land wieder besiedeln, wieder aufbauen, wieder beherrschen. Die Sieger wollten die Ideale leben, die ihre Minister ihnen während der Kämpfe versprochen hatten, und die Besiegten wollten die Ideale leben, die man von ihnen aufgrund ihrer Niederlage erwartete. Und so waren alle beschäftigt und ideologisch beschäftigt, außer zwei Gruppen: die Juden und die Neger. Die Juden ... nun, Sie wissen ja, daß sie immer ein schwieriges Volk gewesen sind. Sie hatten alle eine Meinung über den Krieg, aber nicht über den Frieden. Eine Minorität hat man in ihre alte Heimat geschickt, wo sie mehr Technik als Geist erzeugt haben. Ein Teil präsentierte eine Rechnung: wir haben gekämpft; wir verlangen dafür das Recht, noch größere Patrioten zu sein, als wir es gestern waren. Und ein Teil ... wollte als Ideenträger zwischen den Welten schweben bleiben, als ‚geistige Krieger‘. Und so sind wir Farbigen alleine übrig geblieben.«
»Für was? Für was?« fragte Arcus ungeduldig.
Mohr lächelte freundlich. »Für die Lösung eines unlösbaren Problems. Die meisten Nicht-Farbigen haben das Problem der Nicht-Weißen niemals richtig verstanden. Wir Nicht-Weißen sind ein uraltes Volk, ein sonderbares Volk, ein Stück Natur. Wir sind aus der Erde herausgewachsen, aber unsere Wurzeln sind tief in der Natur geblieben. Und dann sind wir eines Tages Menschen begegnet, die genau wie wir aus der Natur gewachsen waren. Aber sie hatten es fertig gebracht, ihre Wurzeln aus der Natur herauszureißen, um einen Millimeter nur, aber doch so viel, daß sie auf die Natur schauen konnten, aus der sie gewachsen sind. Und weil sie diesen Blick aus der Höhe eines Millimeters hatten, konnten sie anders denken als wir, und konnten sich andere Werkzeuge ausdenken als wir, und konnten sich Waffen erfinden, die wir nicht erfunden haben, da wir sie nicht brauchten. Denn erfinden muß nur der, der den Drang verspürt, sich gegen die Natur zu behaupten. Wir mußten es nicht. Jene mußten es. Und als sie uns begegneten, waren sie stärker als wir, da sie mehr erfunden hatten. Sie haben uns unsere Erde weggenommen, unsere Nahrung geraubt, unsere Reichtümer gestohlen und unsere Kinder als Sklaven geholt. Sie haben eine Waare aus uns gemacht, damit sie nicht in Konflikt mit ihrem Glauben gerieten, denn sie hatten einen Glauben, der ihnen befahl, den Menschen zu lieben. Uns brauchten sie nicht zu lieben. Uns brauchten sie für den Verdienst: als Waare und als Arbeiter. Dann haben sie sich eines Tages dessen geschämt. Vielleicht haben sie auch nur eine andere wirtschaftliche Rechnung aufgestellt. Eines Tages waren wir nicht mehr Waare ... sondern etwas viel Schlimmeres: ein Problem. Denn wir existierten, und die Natur in uns trieb uns zur Vermehrung. Wir waren ein Widerspruch: Menschen mit gleichen Rechten wie andere, aber ohne Möglichkeit, alle Rechte auszuüben. Man lernte von uns Tänze, Musik, Lieder. Man nahm unsere Dienste an. Man mobilisierte uns aus aller Welt und lehrte uns Waffen handhaben, um bei der Vernichtung feindlicher Nicht-Farbiger mitzuwirken. Man hat uns gelehrt, Nicht-Farbige bestimmter Denkungs-Art zu töten, und hat uns dadurch zu Ideenträgern gestempelt. Aber wir blieben das Problem, und wir sind für uns selbst ein Problem geworden. Denn wir haben angefangen, zu denken wie die anderen, zu lernen wie sie, zu wissen wie sie ... aber dieser eine Millimeter ist nicht da, der uns aus der Natur herausreißt. Vielleicht wird er nie da sein. Ich glaube, es wird noch einmal ein Tag kommen, da es ein Glück für die Menschen sein wird, daß es noch Gruppen ... sagen wir ruhig: wilde Stämme gibt, die nicht aus der Wurzel gerissen sind ...«
Er lächelte entschuldigend. »Aber davon will ich nicht sprechen. Jedenfalls: es waren viele Nicht-Weiße für die Ideale der Nicht-Farbigen gefallen. Das verpflichtet, nicht wahr? Aber nicht jede Verpflichtung läßt sich einlösen. Auch uns gegenüber nicht. Es blieb eben der eine Millimeter Entfernung noch unausgeglichen. Und so wählte man einen Mittelweg. Hunderttausend von uns – ein Splitter aus dem Millionen-Volk – durften nach hier gehen und ein Amt versehen: Soldaten der Welt sein. Die, denen man Unrecht getan hat, sollen die Henker jener sein, die Anderen Unrecht tun. Und dieses Amt haben wir angenommen. Wir lassen jedes Jahr die Elite aller farbigen Völker nach hier kommen. Wir trainieren sie und belehren sie. Es darf nur bleiben, wer physisch und geistig die schwersten Prüfungen bestanden hat.«
»Und die die Prüfung nicht bestehen?« fragte Arcus gespannt.
»Die werden zurückgesandt. Jeder in seine Heimat.«
»Und was tun sie dort?«
Mohr schaute nachdenklich die Decke an. »Das entzieht sich einstweilen unserer Kenntnis.«
»Warum einstweilen?« fragte Angelika.
Mohr sah sie an, als hätte er sie in diesem Augenblick zum ersten male zur Kenntnis genommen. »Weil sie es noch nicht für richtig befunden haben, es uns mitzuteilen.«
Angelika ließ sich nicht abschrecken. »Glauben Sie, daß sie eines Tages ... Afrika wieder erobern werden?«
Mohr blieb freundlich und gelassen. »Sie haben mir nichts derartiges mitgeteilt. Kann ich sonst noch Fragen beantworten?«
Angelika nickte. Sie wies zögernd mit der Hand zur Türe. »Da nebenan ... die Göttergestalten ... ist das ein Museum?«
Mohr strahlte. »Nein, eine Rückkehr zur Ehrlichkeit. Der letzte Krieg vor 50 Jahren hat schreckliche religiöse Probleme erzeugt. Die Nicht-Farbigen hatten alle den gleichen Gott. Alle haben von ihm den Sieg verlangt. Er ist in schreckliche Verlegenheit geraten. Er hat sich versteckt, und die Techniker haben seinen Platz eingenommen. Es wäre grotesk, wenn wir, die Nicht-Weißen, ihn einmal anrufen wollten im Kampfe gegen seine Nicht-Farbigen. Zum Sieg über den Gegner kann man nicht dessen Gott anrufen. Wir haben nur ein Recht auf unsere eigenen Götter. Darum haben wir sie wieder belebt. – Wollen Sie jetzt die Soldaten bei ihren Übungen sehen?«
Arcus schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Eigentlich könnten wir jetzt gehen ...«
»Eigentlich? Also haben Sie noch Fragen?«
Arcus ging gerade auf sein Ziel los. »Wie stehen Sie zu Notker, dem Marschall?«
»Wir kennen ihn nicht. Er hat ein Amt, und wir haben ein Amt. Er trifft die Entscheidungen und wir führen sie aus.«
»Und Ihre Stellung zu den Offizieren?«
»Für sie gilt das gleiche. Wir kennen sie persönlich nicht. Unsere Ausbildung geschieht durch Instruktoren.«
»Würden Sie einen Staat angreifen, der Unrecht in der Welt tut, auch wenn der Marschall keinen Befehl dazu gibt?«
»Nein.«
»Wenn aber die Offiziere bereit sind, anzugreifen?«
»Sie können ohne Notker keine Befehle geben. Und selbst wenn sie es täten ... hätten wir keine Waffen. Die sind in den Arsenalen. Und darüber wachen die Werkleute. Außer Übungswaffen dürfen sie nichts herausgeben, was Notker nicht persönlich befohlen hat.«
Arcus stand auf. »Dann werde ich mit den Werkleuten reden.«
Mohr nickte langsam. Er sagte mit einem Seitenblick: »Wollen Sie die Welt aus den Angeln heben?«
Arcus antwortete: »Ich will vermeiden, daß sie aus den Angeln fällt.« –
Die ganze westliche Hälfte von Kreta war vom übrigen Teil der Insel scharf abgegrenzt. Dort befanden sich, nach Süden hin, die Fabriken und Arsenale; nach Norden hin die Verwaltungsgebäude, Archive und Wohnviertel der Arbeiter. Arcus wollte sofort die Fabriken sehen, aber der Fahrer hatte andere Instruktion. »Der Rat der Werkleute ersucht Sie, erst zu ihm zu kommen.«
Und so fuhren sie der Nordküste zu. Das ganze Gebiet schien dicht besiedelt. Immer wieder, zwischen zwei schmalen Waldstreifen, durchfuhren sie saubere und bevölkerte Dörfer. In einem von ihnen, mitten auf der Straße, wurden sie von einer kleinen Kommission empfangen. Es machte deutlich den Eindruck, als wollte man sie mitten auf dem Wege abfangen. Und so empfanden sie es auch.
Drei simpel aussehende Männer stellten sich vor. Arcus verstand nur den Namen von einem: ‚Fabian.‘ Er lud die beiden Gäste mit umständlichen Reden dazu ein, einem Empfang im Zentral-Verwaltungsgebäude beizuwohnen.
Arcus war von einer eisigen Ablehnung und so unhöflich, wie Angelika ihn noch nie gesehen hatte. Ohne von der Einladung die geringste Notiz zu nehmen, holte er einen schmalen Schreibblock aus der Tasche, als sei er ein Zeitungsreporter, und begann präzise Fragen zu stellen. »Woraus rekrutiert sich die Arbeiterschaft der Fabriken und Arsenale?«
Sie runzelten unwillig die Stirne. Aber sie mußten Auskunft geben. Fabian antwortete für sie. »Es sind alles direkte Nachkommen der alten Sozial-Revolutionäre, die die Welt aus dem Abgrund des Krieges und aus den Klauen des Kapitalismus gerettet haben. Wir sind die Nachkommen der letzten Sozial-Demokraten der Welt.«
»Und wie groß ist ihre Zahl im Augenblick?«
»Etwas über 300000.«
»Findet eine Abwanderung statt?«
»Natürlich nicht« sagte Fabian mit Emphase. »Jeder Mensch, der hier geboren wird und das arbeitsfähige Alter von 18 Jahren erreicht, wird in den Arbeitsprozeß eingeliedert.«
»Also steigert man dauernd die Produktion?«
Fabian sagte gelassen: »Im Notfalle ja. Im Allgemeinen zieht man den Produktionsprozeß in die Länge.«
»Und was produzieren Sie?«
»Alles, was uns der Chef-Ingenieur aus dem Archiv für Erfindungen vorlegt.«
Die Antwort war unwillig und ausweichend. Arcus steckte sein Notizbuch ein. »Ich werde mir also das Archiv anschauen« sagte er bestimmt. Fabian antwortete nicht. Er sagte leise etwas zu seinen Genossen. Dann wandten sie sich um und gingen mit einem undeutlich gemurmelten Gruß weg. Arcus nickte ihnen befriedigt nach. »Jetzt ist der Weg frei.«
Das Archiv, ein breites, massives Gebäude, lag in einer Waldlichtung. Es machte den Eindruck äußerster Zweckmäßigkeit und äußerster Verlassenheit. Das Tor stand weit offen. Sie gingen in eine kühle Halle hinein, in der sich niemand befand. Sie sahen durch offene, unbewachte Türen eiserne Regale mit Akten darin. Es war eine tote Welt von Papierbündeln. An der Rückwand der großen Halle, dem Haupteingang gerade gegenüber, war ein Raum, über dessen Oberschwelle das Wort ‚Archivar‘ geschrieben stand. Auch diese Türe stand offen. Sie warfen einen neugierigen Blick hinein. Es war nichts darin außer einem Tisch und einem Stuhl. Auf dem Tische lagen zwei Bücher, ein großes schweres und ein kleines dünnes. Daneben, an der äußersten Kante des Tisches, stand eine große, gelbe Blechkanne. In einem breiten Sessel, beide Hände flach vor sich auf den Tisch gelegt, saß ein hagerer Mann mit schmalem Mund, einer hohen Stirne und brennenden, irren Augen. Er sah die Besucher reglos und schweigend an. Er wirkte unheimlich. Selbst Arcus hatte Mühe zu sprechen. Er wies zögernd seinen Paß vor. Der Archivar winkte kurz mit der Hand. »Ich weiß.«
»Darf ich sie etwas fragen, Herr Archivar?«
Die Antwort kam zwischen verbissenen Zähnen hervor. »Darauf warte ich seit 15 Jahren.«
»Warum?« wunderte Arcus sich.
Der Archivar wich aus. »Fragen Sie zur Sache.«
»Wieviele Erfindungen sind bei Ihnen registriert?«
Der Archivar legte eine Hand auf das schwere Buch. »3004.«
»Wieviele sind ausgeführt?«
Ein Achselzucken. »Ich weiß nur, wieviele Akten der Chef-Ingenieur bei mir abgefordert hat.«
»Wieviel?«
»In 20 Jahren sieben Nummern. Die letzte Anforderung ist vor genau 15 Jahren erfolgt.«
Arcus nickte bedeutungsvoll. Auch der Archivar nickte. Seine Augen waren belebt. Er formte die Lippen zu einem Wort. Aber er sprach es nicht aus. Angelika tat es. »Bluff!« sagte sie.
Der Archivar beugte sich vor. Seine Augen hatten einen matten Glanz. »Aber was nützt es?« sagte er düster.
Angelika wies auf die gelbe Blechkanne. »Benzin?« fragte sie.
Da lachte er zum ersten male. Er sah sie beinahe freundlich an.
»Und wann?« erkundigte sie sich atemlos.
»Sobald das Signal gegeben wird.« Und dann, halb abgewandt: »Weil ich nämlich seit 15 Jahren mitschuldig bin ...«
Arcus erhob sich. »Vielleicht werden wir Ihnen das Signal geben.« Aber der Archivar antwortete nicht mehr. Er saß schweigend da und wartete. Sie gingen zögernd und bedrückt hinaus.
Draußen, neben ihrem Wagen, wartete ein zweiter Wagen. Darin saßen wieder die drei Mitglieder des Rates der Werkleute. Fabian sagte mit einem versöhnlichen Lächeln: »Wir wollten Sie bei Ihrer Inspektion nicht stören. Aber es wird gewiß Ihre Arbeit erleichtern, wenn wir Ihnen alle Auskunft geben, die Sie brauchen.«
Arcus war sehr freundlich. »Das ist mir sehr lieb. Ich bin nämlich im Begriff, mir die Werkstätten und die Arsenale anzuschauen.«
Er stieß auf keinen Widerstand. Die beiden Wagen fuhren durch Dörfer und Waldschneisen zum Süden der Insel. Bald erhoben sich vor ihnen die Fabriken mit ihrem starrenden Wald rauchender Schornsteine. Die Gebäude lagen Reihe an Reihe, Hof an Hof. Überall gingen Menschen ein und aus. Karren und verschlossene Wagen fuhren über hohe Geleise. Es summte von Geschäftigkeit. Angelika sagte verwundert: »Ich habe mir eine Fabrikstadt viel geräuschvoller vorgestellt.«
»Modernste Technik« lächelte Fabian. »Je größer der Betrieb, desto geräuschloser.«
Arcus wies auf ein lang gestrecktes, schwer vergittertes Gebäude zu seiner Rechten. »Was wird da erzeugt?«
Fabian zuckte bedauernd die Achseln. »Das darf ich leider nicht sagen. Das ist Betriebsgeheimnis.«
Arcus nahm seinen Paß aus der Tasche. »Wahrscheinlich kennen Sie den Wortlaut dieses Passes. Ich möchte also in dieses Fabrikgebäude hineingehen.«
Fabian ließ seinen Wagen halten. Er war blaß und sah böse drein. »Bitte, Sie können hineingehen. Es geschieht auf Ihre Verantwortung. Ich will daran keinen Anteil haben. Sie gestatten, daß ich mich entferne.«
Er nickte kurz und ging gekränkt fort. Arcus sah ihm kaum nach. »Komm« sagte er zu Angelika. »Jetzt haben wir freie Bahn.«
Sie gingen auf das Tor des Gebäudes zu. Es war verschlossen, Arcus winkte dem Fahrer: »Bitte, schließen Sie auf.«
»Kann man nicht« brummte der Fahrer.
»Warum nicht?« schrie Arcus ungeduldig.
»Weil es garkein richtiges Tor ist.« Er sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. Dann flüsterte er: »Schlagen Sie mal dagegen. Aber verraten Sie mich nicht.«
Arcus schlug mit geballten Fäusten gegen das Tor ... und schlug durch eine dünne Attrappe von Holz und Gips. Er sah in einen leeren, blanken Raum hinein. Nichts war darin als ein großes, plumpes Schwungrad, das von einem kleinen Motor in lärmende, rumpelnde Umdrehung versetzt wurde. Eine Potemkinsche Fabrik!
Er nickte still vor sich hin. Er nahm Angelika an die Hand und ging mit ihr zum nächsten Gebäude. Das gleiche Bild. Im dritten Gebäude wurde gearbeitet. Dort wurden normale Gewehre hergestellt, wie jede Waffenfabrik der Welt sie erzeugt. Dann wechselten wieder unwahre Fabriken mit wahren. Aber die unwahren überwogen. Sie hatten nur zwei Funktionen: Geräusch zu erzeugen und Rauch aufsteigen zu lassen. Zwar gab es in den echten Fabriken mancherlei, was ihr Staunen erzeugte. Aber das meiste war doch spielerische, betrügerische Arbeit an neuen, nie ausprobierten und nie beendeten Modellen.
Es blieb Argus nur noch übrig, die Arsenale zu besichtigen. »Sparen Sie uns Zeit« sagte er zu dem Fahrer. »Zeigen Sie mir keine Attrappen.«
Das Bild änderte sich nicht. Weite Hallen aus schweren Eisenkonstruktionen standen leer. Was vorhanden war, reichte nicht aus, eine große, moderne Armee zu bewaffnen.
Sie waren beide müde und erschöpft. »Kann man nirgends eine Weile ausruhen?« seufzte Angelika.
»Hier ist ein Frühstückspavillon in der Nähe« sagte der Fahrer. »Da können Sie übrigens auch gleich die Arbeiter bei ihrer Hauptbeschäftigung sehen.«
Er fuhr sie zu einem dichten Baumbestand, in dessen Mitte ein Pavillon stand. Rund herum waren Tische unter großen Sonnenschirmen. Männer in Arbeitskleidung saßen da und tranken behaglich ein goldgelbes Getränk aus hohen, spitzen Gläsern. Radio-Musik drang nach draußen.
Als sie die Besucher sahen, entfernten sie sich verlegen. So blieben Arcus und Angelika alleine. Beide gingen ihren eigenen, schweren Gedanken nach. Arcus hatte eine Wirklichkeit gesucht, die nicht vorhanden war. Angelika sah ihn mit angsterfüllten Augen an. Was geschah nun, da sein Plan sich in ein Nichts aufgelöst hatte? Was mußte sie tun, um ihn so stark zu machen, daß er diesen Zusammenbruch tragen konnte?
Da hörte sie, daß er ihren Namen rief. »Ja, ich bin hier« antwortete sie.
Da sah er wie aus einem Traum auf. »Sagtest du etwas?« Wie fern seine Augen waren!
»Du hattest doch meinen Namen gerufen, Arcus.«
Er schüttelte den Kopf. »Dann muß ich es unbewußt getan haben.«
In diesem Augenblick wurde der Name Angelika noch einmal gerufen, so deutlich, daß sie beide erstaunt aufsahen. Sie horchten nach allen Seiten. Von drinnen aus dem Pavillon kam der pathetische, hölzerne Gleichklang einer Rede, schwankend über den leicht gestörten Wellen des Äthermeeres. Jemand sprach im Radio, sprach in Goethanischer Sprache. Ein Fetzen der Rede war mit scharfer Akzentuierung vernehmbar. »Wir wissen nicht, welches Schicksal Angelika ereilt hat. Aber eines steht fest: sie ist ein Symbol für Goethanien und seine Ideale geworden. Sie hat sich geopfert und hat den Anschlag unserer Feinde zunichte gemacht, die ein Urteil gegen uns erwirken wollten. Sie hat das Urteil verhindert. Vielleicht ist sie tot. Aber dann bedeutet ihr Tod für uns das Leben ...« Die Stimme klang ab und verebbte.
Die Welt drehte sich um Angelika. Sie hielt den Atem an. Sie brauchte alle Kraft ihres Denkens und ihres lebendigen Instinktes, um dem Verständnis eine Brücke zu bauen. Und die ganze Zeit hindurch hielt Arcus große, dunkle Augen auf sie gerichtet. Sie legte die Hand auf das Herz und hielt seinen Blick aus. »Ich schwöre dir bei allem, was in mir gut ist und Liebe und Treue ...«
Sein Blick blieb prüfend. »Das wäre nur ein halber Schwur. Hast du keinen Haß, bei dem du schwören kannst? Das wäre mehr.«
Da verstand sie, daß man nicht in den Himmel gehen kann, wenn man nicht bereit ist, auch in die Hölle zu gehen.
Sie nahm seine Hand. »Wie lange leben wir zusammen?«
Er staunte. »Es sind ja erst drei Tage ...«
»Und schon haben wir ein gemeinsames Amt. Denn ich muß jetzt jenen beweisen, daß mein Leben für Goethanien den Tod bedeutet.«
»Dann können wir beginnen« sagte Arcus.
Sie fuhren ihren Weg zurück. Mitten auf der Straße kam ihnen Gallus mit seinem Gleitwagen entgegen. Er war ernst und befangen. »Ich habe Ihnen einen Brief vom Marschall zu geben« sagte er. »Er kann Sie leider nicht mehr empfangen. Wichtige Sitzung mit dem Offiziers-Korps. Er läßt Sie grüßen.«
Arcus nahm schweigend den Brief. Arcus ruckte ratlos mit dem Kopf. »Ich hoffe, wir sehen uns einmal wieder.« Dann glitt er davon.
Arcus erbrach den Brief. Er enthielt nur eine Zeile: ‚Quieta non movere.‘ Er gab den Brief zu Angelika hinüber. »Ich kann dem alten Manne nicht folgen. Ich werde das Ruhende bewegen, damit das Bewegte zur Ruhe kommt.«
Sie fuhren zurück. »Ich möchte noch einmal zum Archiv fahren« sagte Angelika.
»Natürlich. Das ist unser erster Weg.«
Das Tor des Archivs war geschlossen. Angelika schlug mit der Faust dagegen, Sofort antwortete die Stimme des Archivars von innen. »Nun, was ist?«
»Ein ungeheurer Betrug ...«
»Ich weiß« unterbrach er ungeduldig. »Ist es das Signal?«
Sie preßte die Lippen zusammen. Es war der erste Entschluß dieses neuen Lebens. Er war wie die Wehen einer Geburt. Und es kam wie ein Schrei aus Geburtswehen: »Ja!!«
Sie wartete vergeblich auf Antwort. Sie klopfte noch einmal. Keine Antwort. Dann schrie Arcus auf. Aus einem der Fenster drang eine dichte, dunkle Rauchwolke. Ihm stockte der Atem. »Er verbrennt das Archiv!«
Dann tauchten die irren Augen im Fenster auf. »Kommen Sie mit uns!« rief Angelika. »Wir verlassen Kreta.«
Er schüttelte den Kopf. »Fünfzehn Jahre Mitschuld sind zu viel.« Er schloß das Fenster. Er verbrannte mit seinen Archiven und seiner Mitschuld. –
Das Flugzeug stand bereit. »Zurück?« fragte der Pilot.
»Nein« sagte Arcus. »Nach Demosien.«
Als sie aufstiegen, sahen sie unter sich eine rote, brennende Säule: das Archiv der Erfindungen. »Die erste Fackel der Erlösung!« rief Angelika durch das Surren der Motoren.
Arcus rief zurück: »Noch nicht. Es ist die erste Fackel der Hölle von morgen!« –
Um Mitternacht ging von Demosien eine Rundfunk-Sendung in alle Welt hinaus. Arcus erzählte von seinem Besuch auf Kreta. Er enthüllte schonungslos alles, was er gesehen hatte. Er zerstörte in zehn Minuten die Legende von Kreta, von der ein halbes Jahrhundert gelebt hatte. Arcus zertrümmerte die Angst, die die Ordnung der Welt bislang aufrecht erhalten hatte.
Er stellte die Welt wieder auf sich selbst ... und auf ihr eigenes Geschick ... –
ENDE DES ERSTEN TEILS.