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[Die Lieder]

Erhalte, Herr, mir frei den Blick,
Hinauf, hinein, vorwärts, zurück:
Hinauf hoch über Gram und Schmerz,
Hinein in dein erbarmend Herz,
Vorwärts auf der gegeb'nen Bahn,
Zurück auf das, was du getan.
So halte du mein Herz in acht,
Bis ich mein Tagewerk vollbracht;
Und kommt der Abend, – hole du
Durch deinen Engel mich zur Ruh.

Ich möchte knie'n und bitten,
Bis du dich zu mir kehrst,
Ich will dich überschütten
Mit Flehn, bis du mich hörst.

Gib mir die wahre Freude,
Gib mir den süßen Schmerz,
Laß leben mich und leiden,
So viel vermag mein Herz.

Mach unter Last und Segen
Mein Herz so groß und weit,
Laß wachsen und sich regen
Es unter Lust und Leid.

— — — — —

Herr, mache du mein Herz bereit,
O, mach es frei und froh und weit;
Frei von der Welt und himmelan,
Froh, daß ich Lieder singen kann,
Und weit, damit zu jeder Zeit
Für dich die Herberg sei bereit!

— — — — —

Was du geben willst, das gib,
Was du haben willst, will ich dir geben,
Nimm mir Liebe, Freude, Glück und Leben,
Aber, Vater, habe nur mich lieb!

— — — — —

Herr, gib mir auch im tiefsten Schmerz
Ein frohes Kindergottesherz,
Ein fröhlich Herz, das nicht verzagt
Und nimmer über Schmerzen klagt;

Ein fröhlich Herz, das singen kann,
Wenn deine Hand ihm weh getan,
Dem jeden Tag ein frohes Lied
Auch in dem tiefsten Leid erblüht;

Ein fröhlich Herz, das immergrün
In allem Leiden möge blühn,
Ja, laß in deinem Sonnenschein
Mein Herz ein fröhlich Blümlein sein.

— — — — —

Reiß ab, reiß ab, o Herr, die Mauer,
Die mich von deinem Herzen trennt,
Und ziehe mich zu ew'ger Dauer
In's Land, wo man den Frieden kennt!

O, lösche aus die falschen Flammen,
Bei denen mir das Herz verbrennt,
Und binde mich mit dir zusammen
So fest, daß keine Welt uns trennt.

Und ziehn des Lebens dunkle Tage
In ihre Nacht mein Herz hinein,
Dann komm, mein Gott, dann komm und sage:
»Dies Kind soll unverletzet sein.«

— — — — —

O Vater, lehre du mich schweigen,
Erhalte Herz und Mund mir frei,
Daß mein Vertrauen nur dein Eigen,
Nur dein und keines andern sei!

Doch immer laß mich dir vertrauen,
Was mir auf meiner Seele brennt,
Sonst werde ich mein Herz verbauen,
Daß es sich endlich selbst nicht kennt.

Wenn aber deine lichten Strahlen
Mir tief in meine Seele gehn,
So wirst du selbst in Lust und Qualen
Mein Herz und sein Gebet verstehn.

— — — — —

O Vater, du verstehst mich wohl,
Ich weiß nicht, was ich sagen soll;
Das Herz mir so übervoll,
Mein Vater, du verstehst mich wohl.

— — — — —

Mein Leid ist groß und klingt so klein –
Ich bin allein!

— — — — —

Ich möchte mich mir selbst enthüllen,
Allein der Schleier ist zu dicht,
Ich möchte meine Sehnsucht stillen.
Und kenne meine Sehnsucht nicht.

Das Eine nur wird immer, klarer,
Daß ich mir niemals deutlich war. –
Du aller Herzen Offenbarer,
Erleuchte mich und mach mich klar!

— — — — —

Führe meine Seele
An den richt'gen Quell,
Mache meine Sinne
Klar und fest und hell!

Fülle mich von oben,
Herr, mit jener Kraft,
Die in Streit und Tränen
Endlich Frieden schafft.

— — — — —

Führe mich zurück zu dir,
Zeige mir, was ich verlassen!
Meine Sehnsucht brennt in mir,
Doch ich kann ihr Ziel nicht fassen.

Meine Last wird mir zu viel,
Sprich ein Wort, so muß sie weichen!
Sei du meiner Sehnsucht Ziel,
Und dann hilf mir, dich erreichen!

— — — — —

Laß deine Hand mich fest erfassen,
Dann, wie du willst, ich folge dir;
Nur mußt du deine Hand mir lassen
Und deinen Segen über mir;
Und deine Augen, die mich leiten.
Nur wie du willst, nicht wie ich will;
Und deine Flügel mußt du breiten
Mir auf das Herz, so wird es still!

— — — — —

Ich bringe, Herr, dir meine Liebe,
Du willst – o Vater, nimm sie hin!
Wohl scheint mir oft die Welt so trübe,
Doch weiß ich, wessen Kind ich bin.
O, decke zu die alten Bilder,
Die Bilder der Vergangenheit,
Und mache milder stets und milder
Des Herzens wilden Sturm und Streit.

Die Lippen bleiben wohl geschlossen,
Daß nicht ein Wort daraus entflieht;
Daß Tränen, die ich still vergossen,
Nicht eines andern Auge steht.
Ich werde nicht vor andern weinen,
So lange ich nicht weinen will,
Doch fröhlich kann ich nicht erscheinen,
Mir ist das Herz so kalt und still.

Herr, zeige mir in meinem Herzen
Die Täler und die Berge an,
Zeig mir die Ursach' meiner Schmerzen,
Den Schaden, den ich mir getan.
Die tiefste Wurzel meiner Sünde,
O, reiße sie mit Schmerzen aus.
Daß ich den Weg hinüber finde
In meines Vaters off'nes Haus.

Nun laß mich nicht mehr daran denken,
Was Jahre lang mein Herz erfüllt.
Du wollst in meine Seele senken
Dein Krippen- und dein Kreuzesbild.
Vergib die irrenden Gedanken,
Vergib und heile Schuld und Schmerz,
Und ziehe die verworrnen Ranken
Am Kreuz hinauf und an dein Herz!

— — — — —

Du hast mich zu dir kommen heißen,
Weil meiner Seele du begehrt;
Du willst aus meiner Seele reißen
Die Liebe, die dir nicht gehört.
Du hast mit schneidig scharfem Messer
Die falsche Liebe schnell entfernt,
Doch ach, die Wunde wird nicht besser,
Und ach, ich habe nichts gelernt.

Ich habe nichts gelernt als Schweigen,
Wenn, wie der Strom, das Herz mir schwoll.
Ich habe nicht gelernt, mich beugen
Vor Gott und Menschen demutsvoll,
Ich habe all' den Schein verloren,
Der über meinem Herzen lag,
Und ach, es ist noch nicht geboren
In mir des Lebens gold'ner Tag.

Ich will ja nicht des Lebens Gaben,
Die mir dein Wille schnell versagt.
Ich will nur Frieden, Frieden haben,
Daß es in meiner Seele tagt.
Herr, mach der Finsternis ein Ende,
Daß Licht in meinem Herzen sei,
Gib mir den Segen deiner Hände,
Allmächtiger, und mach mich frei.

— — — — —

Ich bin so müde von des Tages Tränen,
so herzlich müde.
Ich bin so müde von dem heißen Sehnen
nach Ruh und Friede.
Ich bin so müde von des Tages Schmerzen,
die ich getragen.
Ich bin so müde von dem eignen Herzen
und seinen Klagen.

— — — — —

Wann wird einmal ein Abend sein,
wo ich befriedigt schlafe ein?

— — — — —

Ich weiß kein Mittel mehr und keine Kette.
Oft dachte ich, daß ich die Kraft nun hätte,
dann aber reißt ein Augenblick, ein Wort
die Festung ein, und alle Kraft ist fort.

— — — — —

Ich weiß nicht, was ich will,
Mein Herz wird nie mehr still.

— — — — —

Herr, ich weiß nicht, was ich will;
Müde bin ich und gedrückt.
Nimm mein Herz und mach es still,
Daß es frei nach oben blickt!
Lege deine Segenshand
Auf mein Herz, so matt und krank.
Leite du mich unverwandt
Jetzt und all' mein Lebenlang.

— — — — —

Ich will stille sein –
O, mach mich still!
Ich will nur Sonnenschein,
Wenn Gott es will.
Ich aber lege
Alles, was ich will,
Betend in Gottes Wege,
Und hoffe still.

— — — — —

Gib mir Ruh« in die Seele,
Schließe meine Augen zu,
Daß ich nichts mehr will und wähle,
Als nur dich und deine Ruh.

Löse mich von allem Schaden,
Der sich in mein Herz gebrannt,
Nimm du den zerriss'nen Faden,
Heiland, in die feste Hand.

— — — — —

Erfülle mich mit jener Freude,
Die über allem Wechsel steht,
Die unter Tränen, Schmerz und Leide,
In Kampf und Sorgen nie vergeht:
Die Freude, die, in dir gegründet,
Sich ihren Grund nicht selbst erwählt,
Sie unter Dornen Rosen findet
Und ihren Segen nicht verfehlt.

— — — — —

Ich will es tragen, Gott der Liebe,
Was deine Hand für mich gewählt;
Doch wird mir Herz und Auge trübe,
Dir darf ich sagen, was mir fehlt.
Nur nimm den Stachel meinen Schmerzen:
Daß ich die Last mir selbst gewählt.
Nimm mir die Dornen, Herr, vom Herzen
Und hilf verschmerzen, was mir fehlt.

— — — — —

Wir wandeln und wir irren
Den eignen Weg dahin,
Bis wir uns ganz verwirren
In unsres Herzens Sinn.
Entreiße mich der Irrung,
O Herr, sei gnädig mir,
Und löse die Verwirrung
Mit einem Wort von dir!

— — — — —

Stille, armes Herz, sei stille,
Stille und ergib dich mir!
Daß du leidest, ist mein Wille,
Aber sieh, ich helfe dir!

Sieh, den Kelch, den mußt du trinken,
Und du mußt durch's Rote Meer,
Aber du sollst nicht versinken,
Und die Last ist nicht zu schwer.

Ja, du mußt mir stille halten,
Sei die Last auch noch so groß;
Läßt du meine Hand nur walten,
Meine Hand läßt dich nicht los.

Es sind lauter Liebesschläge,
Machen sie das Herz auch wund.
Es sind lauter Himmelswege,
Sind sie dornig gleich zur Stund'.

Mußt du durch die Wüste gehen,
Führt sie doch nach Kanaan,
Und dereinst laß ich dich sehen,
Warum wüste war die Bahn.

Nein, du darfst nun nicht mehr klagen,
Daß dein Kreuz dir sei zu schwer;
Denn ich hab's vorangetragen,
Und ich bin dein Gott und Herr.

Nun, so gib mir deine Hände
Und verlaß dich ganz auf mich,
Denn zum allerbesten Ende,
Auf zum Himmel führ' ich dich.

Komm und laß dein Herze tauchen
In mein volles Gnadenmeer,
Weil du noch wirst Kräfte brauchen,
Denn der Kelch ist noch nicht leer.

Komm und laß dein Herze stillen
In der klaren Gnadenflut;
Komm, ergib dich meinem Willen,
Denn das Leiden ist dir gut.

Und wenn du einst ausgelitten,
Durchgekämpft den schweren Strauß,
Will ich dich zur Hochzeit bitten
Dort in meines Vaters Haus.

Dann wirst du von ganzem Herzen
Danken mir für dieses Leid,
Und für alle deine Schmerzen
Loben mich in Ewigkeit.

— — — — —

Oft scheint es wohl, es sei zu schwer,
Das Leid zu viel, zu groß die Last. –
Du aber sagst, es sei nicht mehr,
Als du mir ausersehen hast.

Und ob du schlägest, ob du heilest,
Ich weiß gewiß, daß du es teilest,
Daß unser Schmerz dir wehe tut –
Und doch sagst du: »Es ist euch gut!«

— — — — —

Ich nehme alles, was du sendest,
Und weiß gewiß, daß du es endest,
Sobald du kannst.
Sobald das Ganze dir gelungen,
Sobald du ganz mein Herz bezwungen
Und ganz gewannst.

— — — — —

Gib mir, was ich brauche,
Freude oder Last,
Aber endlich, endlich,
Vater, gib mir Rast!
Hilf den Schmerz mir tragen,
Den mein Herz kaum faßt,
Und dann gib den Frieden,
Den du für mich hast!

— — — — —

Gib mir Ruhe in die Seele,
Herr, der du die Ruhe hast;
Was ich wünsche, was ich wähle,
Ruhe ist es, Herr, und Rast.
Und du bietest mir die Hände,
Und mir leuchtet deine Ruh';
Wende, Herr, mein Herz, o wende
Es dem Weg des Friedens zu!

— — — — —

Denn ich geduldig warten lerne
Auf das, was mir dein Wort verspricht,
Wenn ich mein Herz von dem entferne,
Was deine Hand für mich zerbricht,
Wenn die Gedanken sich verbinden
Hinauf, wohin mein Herz gehört,
So werde ich die Ruhe finden,
Die meine Seele so begehrt.

— — — — —

Wir warten, weil wir müssen,
Gar manchen lieben Tag
Stumm, ohne je zu wissen,
Wie bald es enden mag.

Wir warten ohne Klage
Und schlafen drüber ein –
Doch ernst ertönt die Frage:
»Heißt das geduldig sein?«

Geduld heißt nicht ermüden
In schwerem Gram und Leid,
Geduld ist tiefer Frieden
In wildem Kampf und Streit.

Geduld heißt vorwärts gehen,
Wenn uns die Kraft versagt;
Geduld heißt aufwärts sehen,
Bis uns die Sonne tagt.

Geduld ist unermüdlich
Auf der gewies'nen Bahn,
Geduld ist still und friedlich
Im wilden Ozean.

Herr, brechen Sturm und Wellen
Wild über mich herein,
Daß sie mein Schiff zerschellen, –
Hilf mir geduldig sein!

— — — — —

Herr, nimm mein Herz in deine Hände
Und mach es still in deiner Huld,
Gib mir die Heimat einst am Ende,
Und für die Reise gib Geduld.

— — — — —

Herr, wenn wir die Geduld verlieren,
Wenn uns des Wartens Mut entsinkt,
So mußt du uns zur Quelle führen,
Da man Geduld und Ruhe trinkt.

O, lind're du das heiße Brennen
In unsrer Brust mit deiner Huld –
O Herr, du mußt uns selber trennen
Von unsers Herzens Ungeduld.

— — — — —

Geduld ist eine tiefe, tiefe Wunde,
Ein namenloses, unerkanntes Leid,
Geduld ist eine lange bange Stunde,
Ein tiefgeheimer, wortverlass'ner Streit.
Doch enden einst in Gottes freier Gnade
Sich Kampf und Schuld,
Dann endet ihre ruhelosen Pfade – auch die Geduld.

— — — — —

Geduld ist nicht die tatenlose Stille,
Die kraftlos trägt, was sie nicht hindern kann,
Die dumpfe Schwäche, deren eig'ner Wille
Nur schweigt, weil ihr zu mühevoll die Bahn;
Nicht jenes willenlose Sichergeben,
Weil Widerstand doch nichts erreichen mag;
Geduld ist nicht dies träge, müde Leben,
Dies Leiden nur der Last von Tag zu Tag.

Geduld ist eine Kraft, die überwindet,
Sie kennt den Weg, ihr ist das Ziel gewiß.
Geduld ist Mut, der seine Bahnen findet,
Ob oft in Dornen auch das Herz zerriß.
Sie faßt die Last, die Gott ihr aufgegeben,
Sie sinkt darunter nicht, sie hebt sie auf.
Entgegen tritt sie kühn und frisch dem Leben
Wie sie begann, vollendet sie den Lauf.

Geduld ist Frieden, der im Kampf nicht scheidet;
Geduld ist Freude, die im Leid nicht stirbt.
Geduld ist Mut, der nie ein Opfer meidet,
Geduld ist Jugend, die kein Herbst verdirbt.
Geduld ist unermüdlich, ohne Klage,
Sie hat sich ihren Weg nicht selbst gewählt;
Doch findet ihre Last sie alle Tage
Stark und gesund, bereitet und gestählt.

Geduld dringt durch, und sei's mit tausend Wunden,
Sie läßt sie heilen, denn sie trägt sie still.
Sie hat schon auf dem Weg ihr Ziel gefunden,
Weil sie nichts weiter will, als was Gott will.
Sie hört nicht auf zu glauben und zu lieben,
Wenn alles schwindet, alles bricht und weicht;
Dann aber ruht sie aus, wenn sie dort drüben
All' ihrer Hoffnung ew'ges Pfand erreicht.

— — — — —

Was bleibt, wenn nicht unter Winter und Schnee,
Unter Wunden und Weh,
Unter Nacht und Morgen
Das Herz sich einen Schatz verborgen?
Jene Blume des Friedens, die bei Nacht
Nur heller blüht und lacht;
Jene Kraft der Ruhe, die in Streit und Leid
Herrscht über die wechselnde Zeit:
Frieden, ja Frieden!

Vater der Huld,
Stärke die Müden,
Tilge die Schuld;
Gib uns hienieden
Ruhe und Frieden,
Gib uns Geduld!

— — — — —

Wenn jetzt in diese gold'nen Tage
Ein Bote käme mit der Frage,
Ob ich bereit zum Sterben sei?
So wird Gott mir aufs neue Kräfte geben,
Mich los zu machen von dem schönen Leben,
Und meine Seele wird, von Fesseln frei,
Aus dieses Lebens gold'nen Sommertagen
In Gottes ew'ges Frühlingsland getragen.

— — — — —

Ist Glück nur ein Kraut für Sonnenschein,
Oder kann es auch gedeih'n
Im Regen?
Ja, unter Gottes Segen
Kann es gedeih'n
In Regen und Sonnenschein.
Wo aber Gott nicht segnet,
Ist auch das Glück in der Sonne verregnet.

— — — — —

O höre auf, dein Herz zu richten
Auf Sonnenschein, den Gott versagt.
Gott hält ihn fern, du mußt verzichten,
Wie sehr auch deine Seele klagt.

Tritt willig in des Herren Wege,
So wirst du fröhlicher gedeihn
In seines Schattens milder Pflege,
Als bei des Frühlings Sonnenschein.

— — — — —

So oft du kommst mit dunklen Tagen,
Herr, lehre uns den Schatten tragen, –
Nur lass' für deinen Sonnenschein
Stets unsre Herzen offen sein.

— — — — —

Ich will mich freuen an Licht und Lüsten,
An Tau und Sonne und Vogelsang;
Ich will mich freuen an Blüten und Düften,
An Lust und Leben, an Sang und Klang.

Und mag im Herzen auch brennen und stechen
Tief unter dem Glanz ein bleibender Schmerz:
Du sollst nicht reden, du sollst nicht brechen,
Ich will mich freuen, – sei still, mein Herz.

— — — — —

Der Frühling kommt mit seinen wärmsten Strahlen,
Viel tausend Blüten hat er ausgestreut,
Er will mit seinen Farben übermalen
Des Lebens Nacht, der Erde Leid und Streit.
Er kann es nicht – es sind zu tiefe Schatten,
Der schwarze Grund läßt keine Farben zu,
Es bringen dieses Frühlings Blumenmatten
Des Lebens Sturm und Winter nicht zur Ruh.

— — — — —

Ich möchte halten jene Freude
Viel fester als des Lebens Glück,
Und ob der Frühling von mir scheide,
Die Blumen lasse er zurück;

Die Freude, die aus Gott geboren,
Nichts von der Zeiten Wechsel spürt,
Und wenn sie gleich die Welt verloren,
Doch ihren Segen nicht verliert.

— — — — —

Nicht unter Knospen und Blüten
In sonniger Maienzeit
Kannst du deine Seele behüten
Vor des Lebens Leid.

Du deckst mit sonnigem Schleier
Der Erde Tränen nicht zu,
Mit all deinen duftenden Liedern
Bringst du dein Herz nicht zur Ruh.

Trag deine Seele hinüber
In Gottes offnes Haus,
So breitet er darüber
Segnend die Hände aus!

Was du dann trägst, sind Blüten
Und alle Knospen sind dein;
Gott aber wird selbst behüten
Deines Herzens Sonnenschein.

— — — — —

Mache die Gedanken klar,
Daß sie sich nicht ganz verwirren;
Ja, mein Herz ist in Gefahr,
Sich von neuem zu verirren;
Und die Rose blüht so rot,
Lockt mich, ach, so inniglich,
Doch dahinter steht der Tod –
Lieber Gott, behüte mich!

— — — — —

Herr, sende mir ein Weihnachtslicht
Und einen Engel, der da spricht:
Laß fahren, was dich drückt und quält,
Das Christkind bringt dir, was dir fehlt.

— — — — —

Gib mir ein Fünklein von der Liebe,
Die in der Christnacht einst entbrannt,
Die immer froh und nimmer trübe,
Die Straße sucht zum heil'gen Land,
Die jenem Stern, den du gesendet,
Ihr ganzes Herz entgegen trägt,
Die sich nach Bethlehem gewendet
Und sich dem Kind zu Füßen legt.

— — — — —

Ich möchte Weihnachtsfrieden haben,
Den uns das Christkind einst gebracht;
Ich wähle unter allen Gaben
Den Frieden aus der heil'gen Nacht.

Denn ohne ihn ist jede Gabe
Ein leerer Schein und eitel Trug.
Doch, wenn ich diesen Frieden habe,
So hab' ich ewiglich genug.

— — — — —

Gib mir die Hand, wir wollen gehen
Zum Kindlein, das uns zu sich ruft,
Wir wollen die Geschichte sehen,
Davon erzählet alle Luft.

Wir wollen alles das bewegen
In unsres Herzens tiefstem Grund,
Wir wollen nehmen all' den Segen,
Damit wir werden ganz gesund.

— — — — —

Es ist eine Rose im Schnee erwacht
In dunkler Nacht;
Es blüht eine Blume auf dornigem Land
Im Strahlengewand;
Es funkelt ein Stern mit der Sonne zugleich,
Die Sonne wird bleich;
Es schlummert ein Kindlein, von Engeln bewacht,
In heiliger Nacht:
Die Rose, die Blume, das Sternlein dazu,
O Kindlein, bist du.

— — — — —

Unsre Tränen nimmst du an,
Trocknest sie an deinem Herzen,
Und durch das, was du getan,
Heilst du uns und unsre Schmerzen.

Deine Krippe bringt die Ruh'
In des Lebens Sturmgebrause,
Und am Kreuz bereitest du
Uns den Weg zum Vaterhause.

Unsre Sorgen, nimm sie hin,
Jene Quelle des Ermüdens,
Und bereite Herz und Sinn
Dir zum Einzug, Kind des Friedens!

— — — — —

Im Hause Gottes bin ich wieder,
Die Glocken läuten hell und klar;
Ich sing' auf's neu die alten Lieder,
Die ich gesungen manches Jahr.

Ich höre nichts als Glockentöne,
Verklungen ist der Lärm der Welt,
Weil sich das Kreuz in heil'ger Schöne
Mir vor mein suchend Auge stellt.

— — — — —

Ich brauche Kraft zum Weiterreisen,
Der Weg ist oft so dornenvoll;
Das Kreuz muß mir die Pfade weisen,
Die ich zur Heimat wandern soll.

Das Kreuz muß an dem Wege stehen,
Als ahnungsvoller Heimatsgruß;
Das Kreuz muß ich von ferne sehen,
Wenn ich auf Berge steigen muß.

Das Kreuz muß ich im Herzen tragen,
Dann trägt's mich ins gelobte Land;
Ich darf die schwersten Kämpfe wagen
Mit diesem Zeichen in der Hand.

— — — — —

Die Liebe ist kein leichtes Gut –
Sie ist ein tiefes, schweres Glück,
Sie fordert Kraft und Glut und Mut
Und einen freien, klaren Blick.

Die Liebe ist kein süßer Traum,
Sie fordert frisch ein waches Herz;
Sie hat für sel'ge Freude Raum,
Doch auch für heißen, tiefen Schmerz.

Wem Gott ins Herz die Liebe gibt,
Dem gibt er eine reiche Last,
Und wo ein Herz wahrhaftig liebt,
Da hat's des Lebens Ernst erfaßt.

Und wer die Lieb' trägt in der Brust,
Und sei die Last auch noch so schwer,
Der gibt um aller Erden Lust
Der Liebe Last nicht wieder her.

— — — — —

Die Liebe, die du hast, ist dein,
Nicht die, die andre dir geben;
Von dem, was von außen fließt hinein,
Kannst du auf die Dauer nicht leben.

Strömt nicht die Liebe aus dir heraus,
Und trägst du sie nicht in dir,
So bleibt dein Herz ein leeres Haus,
Und der Segen bleibt vor der Tür.

— — — — —

Gib mir die Hand, ich will sie fassen,
Dein will ich sein in Glück und Not.
Wir wollen uns nicht wieder lassen,
Bis Gott uns scheidet durch den Tod.

Gott aber soll uns so verbinden,
Daß wir, wenn unser Herz einst bricht,
In Ewigkeit uns wiederfinden
Vor unsers Gottes Angesicht.

Herr, komm du selber und vermähle
Uns in des Lebens Lieb und Leid,
Daß wir ein Herz und eine Seele
Hinüber gehn zur Ewigkeit.

— — — — —

Wir gingen einsam auf den Wegen,
Die dunkel schienen und voll Leid,
Es fehlte unsrer Lieb dein Segen,
Wir standen uns und dir so weit.

Nun aber tust du uns zusammen,
Nun fügest du uns Hand in Hand,
Der Liebe friedelose Flammen
Hast du in Segen umgewandt.

Du fügst uns Einen in den Andern
So unauflöslich fest hinein,
Du heißest uns zusammen wandern,
An Leib und Seele Eins zu sein.

Wir sind vereint von deinen Händen.
Allein dies Leben reicht nicht aus.
Doch auch der Tod kann es nicht wenden –
Die Liebe kommt mit uns nach Haus!

— — — — —

Mein Herz ist wie ein Wirbelwind,
So jubelnd und so frei,
Mein Herz ist jubelnd wie ein Kind,
Als wenn es Christnacht sei.

Mein Herz ist wie ein Traum der Nacht,
Weiß nicht, wie ihm geschah;
Und bin ich morgen früh erwacht,
So sind die Tränen da.

— — — — —

Warum immer diese Tränen,
Wenn uns selig wogt die Brust?
Warum dieses stille Sehnen
Bei des Herzens höchster Lust?

Warum trüben sich die Blicke,
Wenn das Herz so selig ist?
Bebt ihr Augen vor dem Glücke,
Daß ihr euch verschleiern müßt?

Tränen, kommt ihr aus dem Herzen,
Aus der Quelle kühl und heiß,
Sprecht ihr von verborgnen Schmerzen,
Die ich selber noch nicht weiß?

Komm, du sanfter Freudenregen
Und verschleire mir den Blick –
Ohne dich, du Gottessegen,
Wer ertrüge wohl das Glück?

— — — — —

Ich bitte nicht um meiner Jugend Glück,
Ich will die duft'ge Rose nicht zurück,
Die, ach, so leicht des Herbstes Hauch verweht;
Nur meiner Kindheit Frieden gib mir wieder,
Den Glockenklang, die stillen Kinderlieder,
Den Kindersinn, das kindliche Gebet.

— — — — —

In weiter Ferne steht ein Haus,
Wie's eins nur gibt auf Erden.
Es sieht so heimatstraulich aus,
Kann nirgends schöner werden.

Ja, meine Heimat, du mein Glück,
Mein Vaterhaus, mein Segen,
Wie sehn ich mich nach dir zurück
Auf allen meinen Wegen!

Und ist die Welt auch noch so schön,
Die Heimat ist mir lieber,
Und sollt' ich nach Italien geh'n,
Die Heimat geht mir drüber.

Und Heimweh hätt' ich überall:
In England, Frankreich, Schwaben,
Am Rhein, im schönsten Schweizertal
Würd' ich doch Heimweh haben.

Und auf des schönsten Berges Höh'
Und bei des Meers Gebrause,
Und an dem klarsten Alpensee
Sehnt' ich mich doch nach Hause.

's alles ja nicht halb so schön,
Als meiner Heimat Felder,
Als meiner Heimat blauen Seen
Und meiner Heimat Wälder,

Und als ein Wiesenblumenstrauß
Von heimatlichen Wegen,
Und als mein grünumranktes Haus,
Mein Glück, mein Heim, mein Segen!

— — — — —

Erinnerung, du Spiegel alter Zeiten,
Du Scheidegruß aus dem gelobten Land,
Das mit den Kinderträumen uns entschwand,
Du Nachklang von verhalltem Glockenläuten!
Du reichst zurück in alle Dunkelheiten,
In alles Licht, das unsern Pfad umwand.
Erinnerung, du bist das goldne Band,
Das uns verbindet mit den alten Zeiten.
Du bist der wunderbare Frühlingsschmerz,
Der uns den Sinn bezaubert bis zu Tränen.
Du bist ein Quell, der nicht versiegen kann.
Du schleichst dich ungesehn in unser Herz
Und flüsterst leise wie vergess'nes Sehnen
Ein einzig kurzes Wort: Denkst du daran?

— — — — —

Ich möchte nicht mehr darauf denken,
Wie meines Lebens Glück sich mehrt;
Ich möchte mich hineinversenken
In alles, was hinauf gehört.

Ich möchte meine Seele schwingen
In Gottes unsichtbare Welt,
Und so mich in Bereitschaft bringen
Zum Heimweg, wenn es Gott gefällt.

— — — — —

Wir stehn am Scheidewege
Und reichen uns die Hand;
Es gehn geschiedne Stege
Von hier in fernes Land.
Wir falten noch die Hände
Und blicken himmelan.
Nun jeder mutig wende
Den Blick auf feine Bahn.

Dir winkt voll Rosenblüten
Ein Weg im sonn'gen Tal.
Gott mag den Duft behüten
Mit Tau und Sonnenstrahl.
O, könnten Blütenranken
Nach oben ziehn dein Herz,
Du zögst mit lauter Danken
Und Loben himmelwärts.

Dir ist auf steiler Höhe
Ein rauher Pfad bereit';
Nimm deinen Stab und gehe,
Du brauchst zum Wandern Zeit.
Du sollst dein Herz entfernen
Von ird'scher Blütenbahn.
Je höher zu den Sternen,
Je steiler geht's bergan.

Du gehst durch öde Heide
Und Wüstensand allein,
Allein durch Not und Freude,
Allein durch Glück und Pein.
Doch wandelt dir zur Seite
Ein Engel still und mild,
Der dich hinauf begleite
Und deine Sehnsucht stillt.

Du gehst vereint mit andern
Auf schmaler Dornenbahn.
Sie werden matt vom Wandern,
Sie halten oftmals an.
Sie stehn, du siehst sie sinken,
O, halte dich nicht auf.
Du siehst die Heimat winken,
Dich zieht dein Ziel hinauf.

Du hast durch Dorn und Hecken
Dir selbst den Weg zu bau'n.
Laß dich das Werk nicht schrecken,
Du mußt auf Gott vertrau'n.
Ist gleich der Weg verborgen,
Scheint dir dein Werk verfehlt,
Gott hat in Lieb und Sorgen
Schon längst den Pfad gewählt.

So habt ihr ihn gesehen,
Den Weg, den Gott euch gibt.
Kommt, laßt uns vorwärts gehen,
Werft ab, was euch betrübt.
Wir dürfen nicht verweilen –
Gott ruft, wir folgen schnell.
Kommt, Kinder, laßt uns eilen;
Noch ist der Tag so hell.

Dort, an dem Tor der Gnade,
Wo wir uns wiedersehn,
Dort einen sich die Pfade,
Die hier geschieden gehn.
Da tritt mit goldnen Schwingen
Ein Engel auf uns zu,
Um uns hinein zu bringen
Nach langem Weg zur Ruh'

Dann weiß im Himmel keiner
Von seinem eignen Steg,
Dort oben gilt nur einer,
Und Christus ist der Weg.
Ein Lieben ohne Leiden
Fängt in der Heimat an,
Auf ewig, ohne Scheiden
Daheim in Kanaan.

So laßt uns nun nicht säumen!
Es glänzt das Ziel von fern.
O laßt uns nicht verträumen
Die Gnadenzeit des Herrn.
Macht euer Herz nicht träge;
Nach Zion schickt's hinein.
So gehen unsre Wege
Gewiß zum Himmel ein.

— — — — —

Seine Flügel breite
Jesus über dich
Seine Gnade leite
Treu dich ewiglich.

Seine Hand behalte
Ueber dir die Wacht
Und sein Auge walte
Ueber dir bei Nacht.

Seine Sonne breche
Dir durch Nebelflor,
Seine Stimme spreche
Dir ein Trostwort vor.

Seinen Balsam lege
Jesus dir aufs Herz,
Führ' auf seinem Wege
Treu dich himmelwärts.

— — — — —

Mach unser Leben, wie du willst,
Ob freud- ob leidenvoll!
Wenn du's mit deinem Trost erfüllst,
So geht's uns immer wohl.

Nur mach's mit unserm Ende so.
Daß wir nach Hause gehn
Und ewig klar und ewig froh
An deiner Seite stehn.

Ob dann das Leben rauh und kalt
Und voller Stürme sei,
Wir wissen ja, du holst uns bald,
So sind wir froh und frei.

Nur laß zuletzt dein Angesicht
Uns leuchten als ein Stern!
Verläßt du uns im Tode nicht,
So scheiden wir so gern.

— — — — —

Willst du, so wird's geschehen,
Du gnadenreicher Gott:
Ich werde mit dir gehen
Vom Erdenglück zum Tod.

Dann wirst du mich ergötzen
Mit deinem Liebesblick,
Mir tausendfach ersetzen
Mein süßes Erdenglück.

— — — — —

Lächelnd ist der Mond erwacht,
Von des Abends Schweigen,
Und es ruht die klare Nacht
Auf den schlummernden Zweigen.
Müde schließt das kranke Kind
Seine Augen beide,
Und es fährt der Abendwind
Tröstend über die Heide.

— — — — —

Wenn wir aus der Wanderschaft
In die Heimat kommen,
Wenn des Lebens letzte Kraft
Von uns wird genommen;

Wenn die letzte Lust vergeht
Mit den letzten Sorgen,
Sei es frühe oder spät,
Abend oder Morgen:

Lehre mich bereit zu sein
Für die dunkle Reise,
Und dann wiege selbst mich ein
Wie ein Kind so leise.

Zeige mir, wie Welt und Zeit
Mir dein Reich verderben,
Und dann mache mich bereit,
Wie ein Kind zu sterben.

Und wenn meiner Tage Licht
Aus ist und zu Ende,
Nimm mich, wenn mein Herze bricht,
Herr, in deine Hände!

— — — — —

Vater, deine Wege sind
Wunderbar,
Aber dennoch weiß dein Kind
Fest und klar,
Daß der Weg durch Angst und Schmerzen
Aufwärts führt zu deinem Herzen,
Wo wir selig sind bei dir
Für und für.

— — — — —

Ich habe über dich gewacht,
Mein armes Kind, bei Tag und Nacht.
Du hast zu mir hinauf geschaut,
Hast schwer gelitten, doch vertraut. –
Nun aber spreche ich zu dir,
's ist Zeit mein Kind, komm her zu mir.

— — — — —

Fahr' still und sicher durch die Flut,
Dein Schifflein steht in Gottes Hut,
Dein Hafen glänzt dir schon von fern,
Dir mangelt Leuchtturm nicht, noch Stern,
Und wird dir's kühl im Morgenschein,
Tu' als ein Kind – geh hin – schlaf ein.
Gott nimmt dein Steuer in die Hand –
Wenn du erwachst, sind wir am Land!

— — — — —

Ich lehne mich auf meinen Freund,
Durch's finstre Tal gehn wir vereint.
Ihm selber ward der Weg so schwer,
Drum stützt er mich nur um so mehr.

Und werd ich schwach und falle ich –
Und schlaf ich ein – dann trägt er mich,
Und weckt mich auf, wie's nie geschah:
»Steh auf, mein Kind, nun sind wir da!«

— — — — —

O Heiland, der mein Kind mir gab,
Dir beuge ich die Knie:
Nimm mir mein Kleinod wieder ab,
Wenn ich's nicht dir erzieh!

Nimm's lieber früh aus meiner Hand,
Wenn ich's zu dir nicht führe,
Die Seele, die mit dir verwandt,
Fürs Himmelreich verliere.

Herr, bring ich dir's nicht wieder dort,
Mit deinem Kreuz im Herzen,
So nimm's mir lieber hier schon fort,
Sei's auch mit tausend Schmerzen.

Dies Kleinod, Herr, zu deinem Ruhm,
O lehr es mich verwalten,
Lehr es mich rein, als deine Blum'
Durch deine Kraft erhalten.

— — — — —

Herr, was du willst, ist selig,
Und elend, was ich will;
Du machst das Herz so fröhlich
Und machst die Wunde still.

Ich kann es nicht verstehen,
Warum du dies getan,
Doch schweigend will ich gehen
Auf der Verheißungsbahn.

— — — — —

Herr, wie du willst! Wir hatten stille,
Und folgen dir, denn wir sind dein.
Es möge unsers Herzens Wille
Ein Spiegel deines Willens sein.
All' unser Wünschen und Begehren,
All' unser Wissen und Verstehn
Soll sich in ein Gebet verklären:
»O Gott, dein Wille soll geschehn!«

Herr, wie du willst! Wie Schlummerklänge
Tönt's durch das sorgenschwere Herz,
Wenn es in seiner Not Gedränge
Und in dem tiefsten Seelenschmerz,
So ganz in seines Gottes Willen,
Der immer Gutes uns getan,
Recht als ein Gotteskind sich stillen
Und neue Kräfte holen kann.

Herr, wie du willst! Auf dunklem Pfade,
Dem aller Erdenglanz gebricht,
Da scheint am hellsten deine Gnade
Auf unsern Weg als Himmelslicht.
Wenn unser Elend kaum zu tragen
In der Ermanglung alles Lichts,
Dann läßt du uns als Botschaft sagen:
»Es ist mein Wille, fürchtet nichts!«

Herr, wie du willst! Nimm unsre Hände
Und geh' als Führer uns voran;
Wie dann sich unsre Laufbahn wende,
Bleibt's immer eine Segensbahn.
Herr, wie du willst! Mit heißen Tränen
Befolgen wir zwar dein Gebot,
Doch unser Stab, auf den wir lehnen,
Das ist dein Wille, treuer Gott!

Herr, wie du willst! Wenn auch mit Schmerzen,
Wir folgen, ja wir folgen gern!
Gib nur den Trost aus deinem Herzen
Und sei im Dunkeln unser Stern.
Ach, mache unsre Herzen stille,
Daß sie getrost nach oben sehn!
Dein Wille, Herr, es ist dein Wille!
O Herr, dein Wille soll geschehn!

— — — — —

Sei still mein Herz!
Gott kennt den Schmerz,
Und er versteht des Herzens Sehnen.
Wie Gott es will,
Sei still, sei still!
Er sieht und zählet deine Tränen.

Gott hat's getan!
Denkst du daran?
Du darfst ja deinen Schmerz beweinen;
Doch nie, mein Herz,
Vergiß im Schmerz,
Gott liebt und schlägt und heilt die Seinen.

Nimmt er dir ab,
Was er dir gab –
Was ist's denn anders, als sein Eigen?
Du und was dein
Ist alles sein, –
Nimmt er's zurück, so mußt du schweigen.

Sei still, sei still,
Weil Gott es will!
Er legt dir's auf, was willst du klagen?
Was dich bedrückt,
Hat Gott geschickt.
Sei still, sei still – Gott hilft dir tragen!

— — — — —

Schlaf wohl! Gott segne deinen Schlummer!
Er scheuchte dir vom Haupt den Kummer
Und hält jetzt selber bei dir Wacht.
Es schläft das Leid in deinem Herzen,
Vergessen hast du Lust und Schmerzen –
Gott segne dich zur guten Nacht!

Schlaf wohl! Kein Laut soll dich erwecken!
Mit ihren goldnen Flügeln decken
Die Engel deinen Schlummer zu
Vergessen sind die schweren Stunden,
Ein Lächeln deckt geheilte Wunden –
Schlaf wohl! Gott segne dir die Ruh!

Schlaf wohl! Man hört die Totenglocken,
Ein Myrtenkranz schmückt deine Locken,
Mit Palmen ist die Brust bedeckt.
Es tönen durch die Glockenklänge
Der Engel himmlische Gesänge –
Schlaf wohl, bis dich dein Heiland weckt!

— — — — —

Muttertränen und Trost.

Gott Lob! Du bist genommen
In deines Gottes Garten.
Da wirst du selig warten,
Bis wir hinüberkommen!

I.

Du meines Herzens Wonne,
Mein Tag und Abendschein,
Du meiner Augen Sonne,
Mein einzig Töchterlein!
Du Quelle meiner Freuden,
Mein höchstes Lebensglück,
Wie konnt' mein Herz sich weiden
An deinem Kinderblick!

In jenen ersten Tagen,
Als du mich angelacht,
Ich kann's ja nimmer sagen,
Wie selig mich's gemacht.
Doch hat's wie tiefes Schmerzen
Mir durch die Brust gezückt,
Als mit so sel'gem Herzen
Ich dich zuerst erblickt.

War's nicht ein leises Ahnen,
Das mir aufs Herze fiel,
Als kämen deine Bahnen
Zu früh für mich ans Ziel?
Wie hab' ich deinem Spiele
So fröhlich zugeschaut,
Wie lauschte ich so stille
Auf deiner Stimme Laut.

Wie hab' ich dich behütet
Nach Kräften spät und früh.
Ein Blick hat mir vergütet
All' meine Sorg' und Müh'!
Wie hab ich oft gesessen
Des Nachts am Bettchen dein
Und Welt und Zeit vergessen
Um dich, mein Töchterlein!

Doch wenn ich deinen Spielen
So innig zugeschaut,
Mit seligen Gefühlen,
Der Mutter nur vertraut, –
Dann faltet' ich die Hände,
Um still zum Herrn zu flehn,
Es möge bis ans Ende
Dein Heiland mit dir gehn.

Ach, keinen Weg voll Rosen
Ich dann für dich erbat,
Nicht zu den dornenlosen
Gehört der rechte Pfad,
Nur eine Himmelsreise,
Ein Englein zum Geleit,
Und Gottes Wort zur Speise
Und Christi Blut zum Kleid.

Und bis zum letzten Tage
Ein heilig Engelein,
Das dich gen Himmel trage
Zum ew'gen Sonnenschein! –
So ist er nun gekommen,
Der letzte Tag für dich;
Gott hat dich aufgenommen
In's Himmelreich zu sich.

Der Engel kam so leise
Zum Kämmerlein hinein.
Geendet ist die Reise
Für dich, mein Töchterlein!
Viel weiße Rosen decken
Die kleine Schläferin, –
Ich will dich ja nicht wecken,
Schlaf immer, immerhin.

Ich höre Glocken klingen,
Die klagen, daß du tot –
Du hörst die Engel singen,
Daheim beim lieben Gott.
Ich küsse hier mit Schmerzen
Den kalten bleichen Mund –
Du ruhst an Jesu Herzen,
Da bist du ganz gesund.

Schlaf' wohl, mein Kind, in Frieden;
Das Mutterherz ist still.
Ich wandle noch hienieden,
So lange Gott es will.
Im Herzen tief die Wunde,
Geh ich auf dorn'ger Bahn,
Und warte auf die Stunde,
Da ich dir folgen kann.

II.

Sie trugen dich hinaus,
Du meines Herzens Wonne.
Wie ist's so still im Haus,
Wie öde, ohne Sonne!

Wie bin ich so allein,
Seit sie mein Kind begraben,
Seit meinen Sonnenschein
Sie fortgetragen haben!

Wie ist die Welt so leer,
Seit ich dich nirgends finde,
Wie sehn' ich mich so sehr
Nach meinem süßen Kinde!

III.

Im Lindenhaine rauscht
Der Abendwind,
Hier hab' ich oft gelauscht
Mit meinem Kind.

Wie saß ich hier so oft
Still im Gebet
Und hab' für dich gehofft,
Für dich gefleht!

Es rauscht der Wind wie einst,
Im Hain ringsum,
Und du, mein Auge weinst –
Warum? – Warum?

IV.

Die Lilien blühen
Auf deinem Hügel.
O könnt' ich ziehen!
O hätt' ich Flügel!

Wie Liliendüfte
So eilt ich gerne
Hin durch die Lüfte,
Weit über Sterne.

Bis ich dich finde
Im Himmel droben,
Mit meinem Kinde
Den Herrn zu loben!

V.

Wie sich der Trauerweide Blätter färben!
Muß Alles von des Herbstes Händen sterben,
Die Trauerweide auch auf deinem Grab?
Die Blätter welken, und sie fallen ab.

Kann denn das Mutterherz allein nicht brechen?
Die unbelaubten Dornenzweige stechen
Sich immer tiefer in das wunde Herz;
Doch töten kann nicht Herbst, nicht Frost, noch Schmerz.

Die Vöglein alle, die doch mit mir klagen,
Sie fliehn nach Süden, vor den kalten Tagen,
Die Blumen neigen sich und schlafen ein –
Am Grabe bleibt das Mutterherz allein.

Allein? – und doch – wer läßt die Blätter fallen,
Wer hält den Herbst und Frost in seiner Macht?
Und hat denn der in Liebe nicht vor Allen
Auf ein verwundet Mutterherze Acht?

VI.

Es deckt der Schnee mit leichten Flocken
Dein kleines Grab, man steht es kaum.
Es laden mich die Weihnachtsglocken
Zur Krippe und zum Weihnachtsbaum.

Ich darf heut' keinen Christbaum schmücken.
Kein Zimmer glänzt im Weihnachtsschein;
's ist niemand da, es anzublicken,
Du ließest mich ja so allein!

Die Lampe brennt mit trübem Schimmer,
Und an das Fenster klopft der Wind;
Ich seh' mich um im dunkeln Zimmer –
Wo bist du nur, mein Kind, mein Kind?

O Herr, steh' an des Herzens Jammer,
Erbarmen meinem Mutterschmerz!
Ein Weihnachtslicht in meine Kammer,
Ein Tröpflein Trost auf's wunde Herz!

Und horch! – mit wunderbaren Klängen
Ertönt vom Turme der Choral –
Mir ist, als ob die Engel sängen:
»Lobt Gott, ihr Christen, allzumal!«

VII.

Der Frühling lockt die Blüten wieder,
Es lebt und grünt in Feld und Hain.
Die Vöglein singen neue Lieder
Und alles jauchzt im Sonnenschein.

Auf deinem Grab die Veilchen sprießen,
Schneeglöckchen läuten silberklar.
Der Frühlingssonne Strahlen schießen
Um's schwarze Kreuz so wunderbar.

Die Trauerweide grünt aufs neue,
Ihr Schatten deckt dein Grab und mich,
Es rankt mit immer grüner Treue
Am Stamm hinauf der Efeu sich.

Schneeglöckchen, euer süßes Läuten,
Mir tönt es nur wie Grabgesang.
O Frühling, deine Seligkeiten,
Sie machen meinem Herzen bang.

Je lieblicher der Frühlingsschimmer,
Je fröhlicher der Sonnenschein,
Je öder ist's für mich im Zimmer,
Ich bin ja so allein, allein!

VIII.

Da, mitten durch die Frühlingssonne,
Die Erd' und Himmel jauchzen läßt,
Lockt hell und klar die Ostersonne
Zum Sieges- und Triumphesfest.

O Mutterherz, am Ostermorgen
Geh' hin in deines Gottes Haus,
Und leere alle deine Sorgen
An deines Heilands Herzen aus.

Ich komme! – Ja mit allen Schmerzen,
Du kannst mich heilen, heile mich!
Mit dem gebrochnen Mutterherzen –
Ich komme, Herr, und suche dich.

Du hast ja auch zu mir gesprochen:
»Das Mägdlein schläft, es ist nicht tot,«
Des Todes Stachel ist zerbrochen
Durch deinen Tod, mein Herr und Gott.

Nimm hin mein Herz mit seinem Leide,
Dein soll es bleiben für und für.
Erfülle es mit Osterfreude,
Sprich: »Friede, Friede sei mit dir!«

IX.

Ich habe dich so lieb gehabt,
So lieb, daß nur der Herr es weiß.
Mein Herzenstrost, mein Sonnenschein,
Wie liebt' ich dich so innig heiß!

Du warest meines Herzens Herz,
Mein Morgenstern, mein Augenlust, –
Jetzt bist du meines Herzens Schmerz,
Ein blutend Weh in meiner Brust.

Und doch, so tief ich auch betrübt,
Um dich, mein Kind, mein süßes Glück,
Und eben, weil mein Herz dich liebt, –
Wünsch' ich dich nimmermehr zurück.

Ich gönne dir den Hochzeitskranz,
Der dich als Braut des Lammes schmückt.
Ich gönne dir den Sonnenglanz,
Der dich im Paradies entzückt.

Ich traure nicht – du kamst zu Gott,
Weil deine Seele ihm gefiel.
Bald glänzt auch mir das Abendrot –
Wer weiß wie bald – ich harre still.

X.

Als ich an deinem Sarge stand,
Dich immer wieder anzublicken,
Und Blumen dir zum Kranze wand,
Zum letzten Mal dein Haupt zu schmücken,
Da ward es mir auf einmal klar,
Daß wohl dein Herz, so lilienrein,
Zu schön für diese Erde war,
Gemacht für's Paradies allein.

Du standest gar so heilig da,
Da hast du vor den Blüten allen,
Die er in seinem Garten sah,
Dem treuen Gärtner wohl gefallen.
Und eh' ein Welthauch dich befleckt,
Hat er dich sorgsam abgepflückt,
Hat dich an seine Brust gesteckt,
Und liebend an sein Herz gedrückt.

Und es war gut, es war dein Glück,
Die Mutter darf nicht um dich klagen.
Ich hebe auf den feuchten Blick
Zum Gärtner, der dich aufgetragen.
Das Messer drang mir tief in's Herz,
Damit er meine Zweige schnitt,
Doch macht er seinen Blumen Schmerz,
So bringt er auch den Balsam mit.

Drum, als er nun so ganz entlaubt
Des Mutterherzens Blumenfreude,
All' meine Blüten mir geraubt,
Entblättert meine Augenweide:
Da hat er sich mir kundgetan,
Da traf mich warm sein Liebesblick,
Da sah er mich so freundlich an
Und sprach von meines Kindes Glück.

Er sagte mir, welch lieblich Los
Dort meinem Liebling sei beschieden,
Wie sie in ihres Heilands Schoß
So selig ruh' im Gottesfrieden.
Er legte mir auf's Herz die Hand,
Die auch für mich durchgraben war;
Und als er meinen Schmerz verband,
Ward mir so wohl, so wunderbar.

So wart' ich denn und harre still
Auf den mir vorgesetzten Straßen,
Bis Gott die Tore öffnen will,
Und mich in meine Heimat lassen.
Es währt ja doch nur kurze Zeit,
Und ist mein Haupt und Herz auch matt,
Geduld, Geduld! es ist nicht weit,
Ich sehe schon die heil'ge Stadt:

Die heil'ge Stadt, das Perlentor,
Die reichgeschmückten gold'nen Gassen,
Der Ueberwinder Jubelchor –
O Gott, wer kann die Wonne fassen!
Wann darf ich heim? Wann kommt die Zeit,
Daß ich dem Vater angenehm?
Mein Heiland, komm, ich bin bereit,
O öffne dich, Jerusalem!

— — — — —

Gott hat gehört, was ich ihn bat,
Und als von bangen Schmerzen
Die Träne mir ins Auge trat,
Da tat's ihm leid von Herzen.
»Die Blume, die dein Herz begehrt,
Steht schon in meinem Garten.
Ich habe deinen Wunsch gehört; –
Sei still, du mußt noch warten!«

— — — — —

Du hast die Sorgen abgenommen,
Die uns bedrückt schon manches Mal.
Du läßt sie immer wieder kommen,
Doch nicht zu unsres Herzens Qual.

Du willst das Wasser nur bewegen,
Daß wir nicht schlummern auf der See;
Damit wir uns nicht schlafen legen,
Schickst du ein weckend heilsam Weh.

Doch wenn das Weh zu hoch gestiegen
Und unser Herz fast sprengt entzwei,
Dann läßt du deine Gnade siegen
Und unsre Herzen machst du frei!

— — — — —

1870/71.

Unsre Lieben sind in Gottes Hand;
Fern in Frankreich lenkt Gott ihre Tritte,
Seine Flügel hat er ausgespannt
Ueber sie und uns und unsre Bitte;

Gottes Arme breiten mild sich aus,
Wenn sie bluten, wenn sie sterben sollen,
Und er trägt sie heim ins Vaterhaus,
Wenn sie heim nur zu dem Vater wollen.

Unsre Bitte richten wir zu Gott,
Daß er willig mache ihre Herzen,
Willig und bereit für Blut und Tod,
Kann er's nicht durch Siege, so durch Schmerzen.

Gott, wir dringen dir bis in dein Herz,
Höre uns, damit wir nicht verderben,
Frage nichts nach uns und unserm Schmerz,
Aber selig, selig laß sie sterben!

— — — — —

Auf blut'gem Schlachtfeld, todeswund und matt,
Da liegt ein bleicher, sterbender Soldat.
Er denkt noch einmal heim vor seinem Ende,
Gibt seine Seele dann in Gottes Hände;
Die Augen brechen, und am Abend haben
Sie unter Schnee und Erde ihn begraben.

Im Stübchen ist's so traulich, still und warm,
Und eine Mutter hält ihr Kind im Arm,
Sie sieht im Geist des Vaters Hand sich legen
Auf seines Sohnes Haupt zum ersten Segen.
Und fern in fremden Feindes Lande haben
Sie unter Schnee und Erde ihn begraben.

— — — — —

Sie haben ihre Sendung nicht verfehlt,
Wenn früh ihr jugendliches Herz verblutet,
Sie haben sich die Welt nicht selbst gewählt,
Die brausend ihre Seele überflutet.

Sie haben sich der heil'gen Zeit geweiht,
Sie haben selbst sich zum Altar getragen;
Da hat die große allgewalt'ge Zeit
Zur Ritterschaft das Waffenvolk geschlagen.

Wohl sind sie jung, das Leben ist so reich,
Die Sonne lacht, so selig glühn die Sterne.
Da kommt her Tod – sie sind so kalt und bleich,
Lebt wohl, lebt wohl, ihr Sterne in der Ferne.

Doch über ihrem Tod, in ihrem Blut,
Auf ihrem Friedhof, den die Schlacht beschieden,
Da wächst empor das blutbezahlte Gut,
Da grünt der Sieg, da blüht und reift der Frieden.

Sie sind zum heiligen Fundament gewählt
Für ihres Landes hohe Friedenshallen!
Sie haben ihre Sendung nicht verfehlt.
Denn für das Vaterland sind sie gefallen!

— — — — —


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