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II.

Guido Horn und Hermann von Arnsburg saßen zusammen im Kursalon von Seebad Zoppot und tranken Jeder ein Glas Bier. Sie sprachen etwas melancholisch von ihren Aussichten; vielleicht hatte sie das Regenwetter, das seit vorgestern den Strand entvölkerte, in trübe Stimmung versetzt. Während der paar sonnigen Tage, die sie hier verlebt, waren ihnen die Sorgen vergangen. Nun sie aber ganz auf sich angewiesen waren, Jeder oft stundenlang mit seinem Jammer allein, nicht einmal durch die gewohnte Thätigkeit abgelenkt, nun wurde ihnen wirklich flau zu Muthe.

Horn war Rechtsanwalt ohne Klienten, Doktor juris – Arnsburg Privatdozent der Geschichte ohne Hörer, Reservelieutenant. Vermögen hatten sie nicht, aber Schulden. Und Aussichten – gute Aussichten! Denn Jeder von ihnen hatte etwas Tüchtiges gelernt, Jeder war auf seine Art ein hübscher Kerl. Zwei grundverschiedene Typen: Horn mittelgroß, schlank, ein hageres, aber feines Gesicht mit schwärmerischen Augen; Arnsburg eine blonde Hünengestalt mit prachtvollem Bart – in Uniform glaubte er dem Kaiser Friedrich ähnlich zu sehen.

Die erste Saison lag hinter ihnen, seit sie sich selbstständig gemacht hatten. Sie kannten einander seit Jahren, schon vom Gymnasium her, und waren dann auf der Universität wieder zusammengetroffen, hatten ununterbrochen gute Kameradschaft gehalten. Von nennenswerthen Erfolgen, die sie bisher gehabt, konnte nicht die Rede sein; aber sie meinten es ihrer Stellung schuldig zu sein, daß sie jetzt während der Ferien in's Bad gingen. Hatten sie doch Beide nichts zu thun in Berlin zu dieser Zeit, da die Hitze alle Geschäfte, allen Verkehr einzuschläfern schien. Der Kostenunterschied war schließlich auch nicht bedeutend; in Schulden steckten sie ohnehin Beide.

Was sie einander bisher nicht gestanden hatten, war, daß Jeder von ihnen auf eine reiche Heirath hoffte. Aber sie brauchten sich's nicht erst zu gestehen. Und jetzt, in dieser vom Regen verschleierten Abendstunde, rückten sie gegen einander halb und halb heraus.

Sie jagten also Beide nach reichen Damenbekanntschaften, und weil sie sich schämten, standen sie einander immer im Wege.

Immer offener sich aussprechend, hatten sie ihre Situation gemustert, und nun platzte von Arnsburg, seinen schönen Bart streichend, los:

»Nein, da hilft nichts, als reich heirathen! Zum Teufel, ich thu's nicht unter hunderttausend Mark!«

Horn schwieg eine Weile; er schien zu zögern. Endlich gab er zu: »Es ist ja eine Gemeinheit, aber was bleibt Unsereinem übrig? Ich würde ja gern nach dem Herzen heirathen …«

»Dummes Zeug,« unterbrach ihn Arnsburg, »nach dem Herzen! Als ob wir Zwei nicht wüßten, wie schnell die Liebe vergeht!«

Freilich, er hat sein Register hinter sich, ein ausgesprochen schöner Mann, wie er war! Und ihm war es, so zu sagen, an der Wiege vorgesungen worden, daß er einmal ganz auf den Werth seiner Persönlichkeit gestellt sein würde. Was soll denn aus ihnen werden, aus diesen Sprossen halb und ganz verarmter Adelsgeschlechter? Weder für die kostspielige Militärlaufbahn, noch für den immer mehr sich überfüllenden Staatsdienst reichen die Mittel hin; die eigentliche Arbeit aber oder der Handel sind nicht nach dem Sinne der Eltern, die von der nivellirenden Macht der Zeit nichts wissen wollen. Da bleibt es noch immer das Glimpflichste, sich einem vornehmen Studium zu widmen und dann bei Zeiten reich zu heirathen …

Horn zögerte noch, so ausgesprochen mit den Idealen zu brechen.

»Ich habe es immer verabscheut,« sagte er, »ehrlich verabscheut! Aber ich habe mir schließlich auch klar machen müssen: anders ist dir nicht aufzuhelfen! Was soll man denn beginnen in unserer anspruchsvollen Zeit? Es genügt ja nicht, daß man etwas gelernt hat, daß man seinen Mann stellen kann – man muß es auch aushalten können, bis man die ungeheuere Konkurrenz besiegt hat. Und aushalten, das ist nur mit Geld möglich.« Er dämpfte die Stimme, er schämte sich noch immer. »Aber weißt Du, Hermann,« fuhr er leise fort, »wenn ich mich schon dazu entschließen muß, dann nicht unter einer Viertelmillion! Es lohnt wirklich nicht der Mühe – sich verkaufen – pfui! Wenn man das wirklich thut, dann nur um einen entsprechenden Preis.«

»Das ist auch der einzig richtige Standpunkt,« versetzte der Reservelieutenant. Eigentlich schien es ihn zu reuen, daß er sich so viel billiger eingeschätzt hatte, als Horn – er, der ja noch sein Adelsprädikat, seine sieghafte Erscheinung in die Wagschale zu werfen hatte. Aber es war richtig, die Advokaten standen im Allgemeinen höher im Preise, als die Fachgelehrten. Uebrigens, mit der Zahl hatte er sich bisher noch nicht beschäftigt. Nur so viel sagte er sich: »Ein Kerl wie ich muß eine reiche Braut bekommen, es kann gar nicht fehlschlagen.« Und um die Hunderttausend herum, das war doch die Gegend, wo der Reichthum anfing. Mehr wäre selbstverständlich kein Fehler.

Horn dagegen sagte sich als echter Berliner: Wenn schon – denn schon! Er hatte einen festen Preis …

Und sie schwiegen wieder Beide, weil sie sich vor einander schämten. Es entstand eine lange Pause. Die Cigarre, die der Doktor Guido Horn rauchte, war nur mäßig gut – mit hundert Mark pro Mille überzahlt – aber er rauchte jetzt sehr angelegentlich. Auch Arnsburg zog eine frische Cigarrette aus dem Aluminium-Etui und Beide qualmten, ohne ein Wort zu sprechen. Dennoch wußte Jeder von ihnen, was der Andere dachte. Sie dachten an die »Eine«, mit der sie vorgestern geplaudert hatten. Auch diesmal fuhr der Lieutenant zuerst heraus:

»Sie ist reizend! Aber sie hat offenbar kein Geld!«

Es war wieder wie eine Erlösung. Horn hatte nur nicht den Muth gehabt, zu sprechen.

»Ja, sie ist reizend,« stimmte er nun mit Wärme zu, »und wenn ich nicht fünfzehntausend Mark Schulden hätte – gleichviel, ob zehntausend davon meiner Schwester zustehen, schuldig bin ich sie doch! – ich würde sie vom Fleck weg heirathen!«

Arnsburg strich lächelnd die Asche von seiner Cigarrette:

»Na, weißt Du – so hitzig hab' ich's nicht! Zwar, ich finde sie, wie gesagt, reizend; aber sie scheint mir überspannt. Und überspannte Frauen interessiren wohl, nur soll man sie nicht heirathen. Das muß man sich überlegen … Trotz alledem gefallen hat sie mir sehr – aber sehr …«

Es handelte sich um folgenden Vorfall.

Vorgestern Nachmittag hatten sie, planlos herumstreifend, an einer wenig besuchten Bucht eine junge Dame gesehen, welche im Freien malte.

In dem seichten Wasser schaukelte sich eine völlig aufgetakelte, aber von der Mannschaft für den Moment verlassene Fischerbarke. Ein frischer Windhauch, derselbe, der dann über Nacht die Regenwolken zusammenfegte, blähte das volle Segelzeug und das Fahrzeug schien an seiner Ankerkette zu zerren, gleichsam, als verlange es mächtig hinaus auf das offene Meer. In angemessener Entfernung, auf gut gewähltem Punkte, stand vor ihrer Staffelei eine Dame, eine ausgesprochene Schönheit, etwa in der Mitte der Zwanzig …

Nun, wer allein im Freien malt, hat nichts dagegen, aufzufallen. Ueberdies gestattet das Badeleben manche Freiheit. – Die Herren waren grüßend näher getreten, hatten das Bild bewundert.

»In der That – man glaubt etwas wie sehnsüchtige Erwartung wahrzunehmen,« meinte der Rechtsanwalt.

»Wirklich hübsch, sehr hübsch,« bestätigte Arnsburg, der seinen Freund nicht gleich zu übertrumpfen wußte.

Sie nahm die Huldigungen an, etwas königlich herablassend zwar, aber doch freundlich. Prüfend wanderten ihre schönen, dunkelblauen Augen von Einem zum Andern ihrer Hofmacher, als wollte sie ergründen, welchem von ihnen wohl zu trauen wäre. Schließlich lachte sie alle Beide aus und eine ältere, wie die Malerin selbst sehr einfach gekleidete Dame, die jetzt plötzlich von irgendwoher auftauchte, lachte etwas lärmend mit.

»Sie langweilen sich, meine Herren,« sagte die Jüngere ihnen in's Gesicht. »Sie suchen Zeitvertreib! Eine jüngere Dame, eine Malerin, die Sie überdies allein glauben – das ist eine willkommene Beute. Nur ein paar nette Redensarten und Sie sind Ihres Eindrucks sicher … Aber ich bin nun leider kein Gänschen – leider! Denn ein solches ist viel leichter zu beglücken! Sie interessiren sich wahrscheinlich überhaupt nicht für die Malerei – für mein Bild aber ganz sicher nicht. Vielmehr würden Sie mich auslachen, wenn ich Ihnen glaubte. Da ist es also besser, ich lache Sie aus!«

»Das ist überhaupt gesund – für beide Theile,« warf die ältere Dame ein.

Die Herren waren verblüfft über diesen runden, glatten Abfall, den sie hier erlebten. Daß sich die emanzipirte Malerin so gar nichts aus ihnen machte, war denn doch ärgerlich. Sie versuchten es, ihre Bildung, ihr ernstes Verständniß für Kunst und Natur zu beweisen, ja, Doktor Horn verstieg sich zu einer wohlgeformten, nachdrücklichen Strafpredigt. Man dürfe nicht jeden gleich für einen Gecken halten, nur, weil er es für sein Recht halte, liebenswürdig zu erscheinen. Er würde sich dieses Recht in gar keinem Falle kürzen lassen.

»Auch wenn Sie mein Bild schlecht fänden?« fragte sie aufblickend.

»Auch dann noch, mein Fräulein!«

»Ich bin Wittwe,« sagte sie ernst.

Er stutzte einen Augenblick, dann dankte er mit leichter Verneigung für diese überraschende Mittheilung und begann von Neuem:

»Auch dann noch, gnädige Frau! denn noch in diesem Falle käme es auf den Standpunkt an, von dem aus ich mich zu äußern hätte. Als Mitglied einer Jury müßte ich die Wahrheit sagen; als Kunstkritiker sollte ich es thun, obwohl auch da die Höflichkeit des Schweigens statthaft wäre. Wenn ich solchem Bilde aber hier begegne, aller Pflichten ledig, und wenn mir's zudem noch aufrichtig gefällt, ja, mein Gott, was ist denn da mit der gepriesenen Zwanglosigkeit des Badelebens, wenn ich nur die Wahl habe, den Mund zu halten oder – ausgelacht zu werden?«

Wieder lachte die junge Frau, aber diesmal klang es bei weitem nicht so abweisend. Schließlich gerieth man in recht angeregte Unterhaltung. Der lebhaftere Horn trug einigermaßen den Sieg über den mehr phlegmatischen Arnsburg davon.

Die Herren stellten sich vor, empfingen auch die Karte der Dame. Sie hieß Kamilla Goldegg – schlechtweg.

»Meine Tante Rose«, hatte sie mit Bezug auf ihre Begleiterin gesagt. Inzwischen war das Malzeug eingepackt worden und man wanderte plaudernd in das Badestädtchen zurück. Die Malerin hatte gelegentlich von ihren Schülerinnen gesprochen, denen sie glücklich für einige Wochen entronnen war.

Ihre Toilette war sorgsam, aber überaus bescheiden; ein kundiger Blick hätte vielleicht das Gesuchte dieser Einfachheit erkannt. Horn und Arnsburg aber brachten sie mit dem ein wenig emancipirten Wesen der Damen in Verbindung. Beides rührte offenbar daher, daß Jene den Kampf ums Dasein kannten. Vor dem, wiederum recht anspruchslosen Logirhause, in welchem Kamilla Goldegg wohnte, hatten sich die Herren von ihr verabschiedet.

Schweigend waren sie dann neben einander hergeschritten; keiner von ihnen mochte von dem empfangenen Eindruck sprechen.

»Ich glaube, es wäre das Beste, wir reisten weiter,« sagte nun Arnsburg, »wir dürfen uns nicht in diese Dame verlieben. Sie hat kein Vermögen – das ist ganz klar. Eine Malerin, die Unterricht giebt, das kann uns wenig helfen!«

Horn biß sich auf die Lippen.

»Es ist traurig! Und schändlich zugleich,« murmelte er.

»Aber es ist doch einmal so,« beharrte Arnsburg.

Und wieder schwiegen sie; Beiden war das Feuer ausgegangen.

»Wie wär's, wenn wir nach Ems gingen?« begann der Lieutenant von Neuem, »dort ist ›Loreley‹, der Goldfisch …«

»Die könnten wir doch nicht Beide heirathen«, antwortete Doktor Horn verstimmt. »Mache Du ihr meinetwegen den Hof! Ich bleibe noch ein paar Tage hier, will das Leben noch ein Bischen genießen …«

»Guido«, mahnte der Andere, die erkaltete Cigarrette wegwerfend, »Du wirst Dich doch nicht ernstlich verlieben! Das ist für Unsereinen eine Gefahr!«

»Verlieben – nein, nein!« wehrte Horn ab. »Aber wenn diese Kamilla Geld hätte – ach, es ist zum Davonlaufen!«

»Nun, mein lieber Guido, ich laufe davon! Ich reise nach Ems!«

Sie hatten auf einer Rheinfahrt eine pikante Berlinerin kennen gelernt, die Tochter eines Justizraths, den Horn als sehr vermögend kannte. Sie hieß Lora, und die Freunde hatten sie scherzend »Loreley« genannt, weil sie leuchtendes, rothblondes Haar hatte, anfangs mit den jungen Herren kokettirte und sie dann schnippisch abfallen ließ.

»Gut denn, reise nach Ems«, entschied sich Horn, »ich will Dich nicht stören.«

Sie verabredeten, sich eine Woche später wieder zu treffen.

»Ich wünsche Dir Glück, mein Junge«, sagte Horn herzlich. »Mir gefällt das Dämchen eigentlich nicht – ich kann mich auch mit dem berühmten Herrn Collegen nicht stellen. Aber ich werde mich aufrichtig freuen, wenn Du mir telegraphirst: Goldfisch gefangen!«

»Danke sehr, Guido. Ich muß ja sagen, auch mir gefiele Kamilla Goldegg besser. Aber ich bin vernünftig. Das solltest Du auch sein, Du brauchst, wie ich, einen wirklichen Goldfisch!«

Jammerschade, daß sie arm ist, wiederholte sich Horn unaufhörlich. Ihre einfachen Kleider gemahnten ihn an seine Schwester, an das häusliche Elend. Sie sah immer zuerst nach den Preisen auf der Speisekarte und trank den billigsten Moselwein.

Sonderbarerweise war Tante Rose, ohne welche man sie nie mehr sah, in diesem Punkte offenbar anderer Meinung, was doch sonst nicht zur Naturgeschichte der Tanten gehörte. Während zum Beispiel Frau Kamilla eine Betheiligung an dem großen Krebsessen im Kurhause abgelehnt hatte, sah man Tante Rose mit Begeisterung über die zarten Schalthiere herfallen, ihre Nichte war bei dem Pensions-Menu verblieben. Bei einer Sammlung zu Gunsten der Familie eines verunglückten Fischers hatte Frau Goldegg einen gar bescheidenen Betrag gespendet; die Tante figurirte mit der zehnfach hohen Summe auf der Liste. Vielleicht eine reiche Tante? Gegen diese Annahme freilich schien eine gewisse bescheidene Haltung der alten, sonst recht resoluten Dame zu sprechen. Soviel war klar: Kamilla selbst hatte nichts.

Das hinderte ihn nicht, ihr eifrig den Hof zu machen. Die Tante schaute mißvergnügt drein, aber sie erhob doch keinen Einspruch.

Einmal, als Horn die junge Frau wieder vor ihrer Feldstaffelei fand, sagte er mit Rücksicht auf ihre Malerei: »Ich meine immer, ich müßte Ihren Namen schon gehört haben.«

»Da irren Sie,« antwortete sie bestimmt, »ich bin mit meinen Arbeiten nie an die Oeffentlichkeit getreten.«

Er dachte noch auf dem Heimwege darüber nach und erinnerte sich jetzt ganz genau des Namens. Endlich fiel es ihm ein. Er hatte in einem Concursverfahren den Schuldner vertreten; der Hauptgläubiger war eine Firma Goldegg gewesen. Mitten während des Prozesses war der Inhaber dieser Firma plötzlich gestorben, was die Situation erschwerte, denn der Rechtsnachfolger ging ungleich energischer vor, schien hartherziger. Horn's armer Klient hatte damals kaum das nackte Leben gerettet. Auf seine Bitte damals hatte sich der Anwalt privatim an die Wittwe des Verstorbenen gewendet und diese war dem zu Grunde gegangenen Kaufmann hilfreich beigesprungen. Es sollte freilich eine sehr reiche, junge Frau sein.

Und plötzlich durchzuckte ihn eine Ahnung: Wenn das diese junge Wittwe wäre? Der Gedanke ließ ihn diese Nacht nicht schlafen.

»Kennen Sie eine Textilfirma Goldegg – irgendwo in Thüringen?« fragte er Kamilla am nächsten Morgen.

Frau Goldegg versetzte nach einer kleinen Pause:

»Ich habe mich um derlei nie gekümmert.«

»Wie schade,« dachte er und seufzte tief. Denn Frau Kamilla gefiel ihm mehr und mehr. Täglich nahm er sich vor, diese Bande zu zerreißen. Aber er konnte sich nicht entschließen. Das Leben erschien ihm öde ohne sie – Alles reizlos um ihn her. Er sah nicht mehr, wie sich das Saisonleben immer flotter entwickelte, wie es von hübschen, koketten Mädchen wimmelte, die eigens hierhergekommen sein mochten, um einen Mann zu fangen – von Müttern, die förmlich angelten nach einem Schwiegersohn – von reizenden Frauen, die sich hier Entschädigung versprachen für das Einerlei einer Geldehe – er sah nur noch sie, die Eine, Einzige, die ihm sehenswerth erschien!

Und doch, er durfte nicht! Was, um Gottes Willen, sollte aus seinen Schulden werden! Wovon sollte er sich neu einrichten, wovon standesgemäß leben? Sein Einkommen reichte zur Zeit noch nicht für den persönlichen Bedarf. Er war noch zumeist auf Vertretungen angewiesen, bei denen die Gebühren nur zur Hälfte ihm zufielen. Was aber kam sonst zu ihm? Ein Passant, irgend ein kleiner Verklagter, der das Schild an der Hausthür gelesen; von diesen war schließlich sehr oft nichts zu holen. So lebte er, es war beschämend, zum Theil von den Unterstützungen einer ledigen Schwester. Nein – an's Heirathen durfte er nicht denken, es war schlechterdings unmöglich. Aber er wünschte dieser reizenden Frau wenigstens zu sagen, daß er sie aufrichtig liebte. Und dann? Dann Ihr das beschämende Geständniß zu machen, daß er keine Frau ernähren konnte. Unausdenkbar!

»Sie sind seit einigen Tagen so melancholisch,« sagte Frau Goldegg beim Abendspaziergang am Meere.

Sie sah ihn ermuthigend aus ihren schönen Augen an – kaum vermochte er noch sich zurückzuhalten.

Er antwortete ausweichend, brach das Gespräch rasch ab; er wagte nicht, ihr von seinem Gemüthszustande zu sprechen.

»Was meinen Sie, wollen wir nicht eine kleine Segelparthie machen?« fragte sie nach einer Weile wieder.

Aber es war windig, und die See lebhaft bewegt. Guido wunderte sich ein wenig über die Laune Kamilla's.

»Warum nicht gar,« zürnte die Tante, »wie leicht kippt solche Nußschaale um!«

Frau Goldegg lachte, sie verstand ja, mit dem Segel umzugehen.

»Bringen Sie, bitte, die Tante nach Hause,« sagte sie, »ich werde mir hier inzwischen ein verlässiges Boot aussuchen.«

Er gehorchte, wenngleich etwas zögernd. Warum schickte sie ihn fort? Er hörte zerstreut Frau Rose's Klagen über die »Verdrehtheiten« ihrer Nichte. Sie würde sich noch einmal den Hals brechen, grollte sie. Freilich, beim Kahnfahren nicht, aber so oder so – früher oder später. Es sei hart, sich allen diesen Schrullen fügen zu müssen.

Dies »müssen« wäre ihm vielleicht sonst aufgefallen, jetzt, wo seine Gedanken wieder ganz von ihr erfüllt waren, hatte er gar nicht darauf geachtet.

Er eilte zurück, so rasch als möglich. Frau Goldegg wartete ja auf ihn. Aber er sah sie nirgends. Ziemlich rathlos stand er am Strande – wo sollte er sie suchen? Er wandte sich an die Schiffer, fragte nach der Dame im grauen Plaidkleide.

»Die ist allein hinausgefahren,« sagte mürrisch ein junger Fährmann, der müßig in seinem Boot saß. Offenbar waren seine Dienste abgelehnt worden.

Guido blieb ganz starr. Was focht sie an, dies Abenteuer zu wagen? War sie lebensüberdrüssig? Und jetzt sah er sie auch, mit kräftiger Hand die Nußschaale steuernd. Sie wollte, wie man deutlich sah, hinaus auf das offene Meer, aber die lebhafte Brandung trieb das Schiffchen immer wieder in der Richtung des Strandes zurück.

»Wozu das?« sagte sich Guido und eine erste Regung des Aergers stieg in ihm auf. »Hat das Leben nicht ohnehin ernste Augenblicke der Gefahr? Warum noch muthwillig welche schaffen? Was wollte sie damit?«

Athemlos lief er am Strande hin, um ihr wenigstens mit dem Blicke folgen zu können. Er mußte jetzt vermuthen, daß sie drüben an der Landzunge anlegen wollte. Das aber war bei dieser Windrichtung schwierig. Immer das Schiffchen im Auge, rannte er dahin und jetzt sah er, wie sie kämpfte. Zwei- dreimal schon hatte sie mit Aufgebot aller Kraft das kleine Segel herumgerissen – vergebens!

Nun war es ihm, als winke sie ihm. Ohne sich zu besinnen, sprang er vom nächsten Landungsstege aus in den Kleidern in's Wasser. Er war ein tüchtiger Schwimmer, durfte sich schon eine kleine Parforcetour zumuthen. Und richtig – er erreichte das Boot. Vorsichtig, um nicht umzuschlagen, half sie ihm hinein.

Einen Augenblick verharrten Beide in ernstem Schweigen. Sie sah, daß sie sich übereilt hatte, daß sie ohne seine Hülfe gar nicht an's Land gekommen wäre. Hatte er, ein sehniger, gewandter Mann, doch schwer zu arbeiten, um das widerstrebende Fahrzeug endlich in Sicherheit zu bringen.

Sie saß nun da und schaute ihm zu – mit ihren Kräften war es übrigens zu Ende. Und da sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen spürte, sagte sie ernst und doch milde:

»Warum begehen Sie solche Thorheit, Herr Doktor? Sie haben einen Beruf, eine Schwester – vor Ihnen liegt die Welt offen! Ich habe nichts – Niemand. Warum thaten Sie das?«

»Weil ich Sie liebe,« rief er, sich selbst vergessend.

Nun war es heraus – nicht mehr zurückzurufen, das Wort, das ihm seit Tagen auf den Lippen geschwebt.

Sie wurde roth, offenbar vor Freude. Ihre Augen glänzten, als ginge in ihnen die Sonne auf.

Ihm pochte das Herz bis zum Halse – nicht nur vor Kälte. Er fühlte, wie in diesem Augenblick das Schicksal sich an ihm vollzog, das große Lebensgeschick, das meist nur einmal im Leben sich vollzieht. Er liebte dieses Weib über Alles – die Vernunft kam nicht zu Worte bei ihm.

Kamilla Goldegg hatte ihre Besinnung behalten.

Mit leise bebender Stimme sagte sie:

»Ich will Ihre Worte nicht gehört haben, mein Freund; nicht darum, weil sie mir mißfallen, sondern weil sie vielleicht unüberlegt waren … Aber – Sie zittern ja auch – vor Kälte und Nässe! Gehen Sie nach Hause, Herr Doctor, kleiden Sie sich um und trinken Sie eine Tasse heißen Thee. Und vor Allem kommen Sie mir morgen mit keinem Schnupfen. Das wäre ein unhübsches Nachspiel für das kleine Abenteuer, das mir eine schöne Erinnerung bleiben wird – auch wenn es ganz abgeschlossen ist.«

Er verstand sie. Seltsam – sie schien sein Zögern bemerkt zu haben und wollte ihn nun nicht beim Worte nehmen.

Seine Zähne schlugen jetzt klappernd aneinander; er sah auch wohl sehr komisch aus in seinen triefenden Kleidern – ganz und gar nicht, wie ein hoffnungsfroher Verehrer. Er stürzte davon.

Wieder folgte für ihn eine schlaflose Nacht. Es war schrecklich, entsagen zu sollen und dennoch fehlte ihm der Muth zu wollen. Schon seiner armen Schwester wegen, die ihr sauer erworbenes Geld für ihn geopfert hatte, durfte er nicht so leichtsinnig heirathen. Gewiß – er mußte auf dieses Glück verzichten.

Am nächsten Morgen wollte er sein Benehmen entschuldigen, Abschied nehmen und reisen. Und wieder stieg die stolz anmuthige Erscheinung in ihrer vornehmen Lieblichkeit vor ihm auf – es war ein Fluch, zu müssen. Aber er mußte eben – er mußte unabänderlich.

Als er morgens in verzweifelter Stimmung zu Kamilla eilte, holte ihn am Gartengitter der alte Briefträger ein.

»Wollen der Herr Doctor nicht den Brief an Frau Goldegg mitnehmen?« bat er, um seinen müden Beinen ein paar Treppen zu ersparen.

Der Brief wies als Absender jene Firma der Textil-Industrie auf, die er kannte. Unwirsch gab er den Brief zurück: »Ich gehe nicht zu Frau Goldegg« sagte er.

Das konnte er auch jetzt nicht, bei diesem Aufruhr, der in ihm tobte. Denn nun war es blitzartig aufgegangen: Sie war die junge Wittwe jenes reichen Fabrikbesitzers!

Und er begann sich mancherlei Anzeichen zusammenzureimen, die seine – jetzt ganz feste – Annahme bestätigten.

Hatte er nicht erst gestern einen Brillantring an ihrer Hand funkeln sehen, so groß und schön, wie sonst nur Tenoristen sie zu tragen pflegen? Und welch' kostbares Taschentuch hatte sie ihm gereicht, damit er sich das Gesicht abtrockne. Dann diese »Tante«, die mehr ausgab als sie selbst und sich doch so einfach fortschicken ließ? Ihre Entschiedenheit des Leugnens: sie kenne die Firma nicht, hatte sie gesagt. Wozu diese ganze Komödie?

Nun, entschied er sich: es macht ihr einfach Vergnügen, incognito zu reisen! Die arme Künstlerin zu spielen! Konnte sie das nicht mächtig reizen?

Er jauchzte auf. Sie war reich und sie füllte seine Seele aus! Nun durfte, nun wollte er noch heute um sie werben – auf der Stelle! –

Ueberselig stürzte er zu ihr. Er liebe sie von ganzem Herzen, betheuerte er ihr in leidenschaftlichen Worten. Er habe den Entschluß gefaßt, um sie zu werben – es zu wagen, obgleich er nur ein armer Mann sei.

Offenherzig, rückhaltlos schilderte er ihr seine Situation.

Gewiß, er habe Aussichten, wie jeder strebsame, energische und tüchtige Anwalt in Berlin, wo ja der Boden für junge Arbeitskräfte so zu sagen über Nacht frei wird, aber er sei arm, habe sogar Schulden. Indessen er liebe sie – aufrichtig! – ob sie die Seine werden wollte?

Sie antwortete ihm sehr ernst: sie erwidere seine Neigung – ja wohl! – aber auch sie sei arm. Sie sei Wittwe, und ihr Mann habe ihr nichts hinterlassen. Er war ein Strebender, der materiell nicht viel erreicht. Sein kleines Vermögen hatte er in eine Erfindung gesteckt, die auszunützen ihm nicht mehr vergönnt war. Ob Guido sie um ihrer selbst willen liebe?

Eine plötzliche Gluth überzog sein Gesicht. Log er nicht, wenn er diese Frage bejahte? Nein! rief es in ihm. Er liebte sie um ihrer selbst willen, hatte sie geliebt vom ersten Augenblicke an.

Und er schwor, daß er sie liebe – um ihrer selbst willen.

Es war die volle Wahrheit.

»Nun denn, auch ich liebe Dich um Deiner selbst willen!« rief sie glückstrahlend aus.

Als glückliche Brautleute verließen sie das Haus, um eine Segelfahrt zu machen – heute lachte sonniger Himmel.

Ja, Guido war glücklich. In seinen Armen hielt er ein Weib, das er liebte, das ihn liebte. Und eine reiche Braut zugleich! Trotz alledem regte sich sein Gewissen und goß bittere Tropfen in den Kelch der Freude. Denn er täuschte sie, die ihm von ganzem Herzen zugethan war. Warum sagte er ihr nicht, daß er wußte, wer sie sei?

Aber gewiß, sie freute sich im Stillen, ihn damit zu überraschen. Und er glaubte jetzt schwören zu können, daß er sie ohnehin zum Weibe begehrt hätte. So wollte er denn die Lösung ihr überlassen.

Alles was sie sagte, bestätigte seine Annahmen. Sie erzählte, sie habe einen reichen Onkel, den sie beerben sollte. Der alte Herr hätte nichts geringeres im Schilde geführt, als sie zu seiner Frau zu machen. Sie habe in aller Ehrfurcht Nein gesagt. Nun aber setze sie ihr Erbe in Gefahr, wenn er erführe, daß sie sich so schnell für Jemand anders entschieden habe … Deshalb solle ihre Verlobung vorläufig tiefes Geheimniß bleiben. Später wollten dann Beide gemeinsam um des Onkels Gunst werben.

Guido blieb ruhig. Weshalb sollte man nicht über die Sache schweigen, wenn sie es so wünschte? Nur als sie verlangte: »Wir müssen warten mit unserer Heirath!« brach er aus:

»O nein, Kamilla, das nicht! Das kann, das will ich nicht!«

»Ich sagte Dir doch, was auf dem Spiele steht!« mahnte sie.

»Das kann für mich kein Grund sein! Ich sehe auch gar nicht ein, weshalb wir nicht ohne Zögern heirathen sollten. Wir sind Beide mündig und Deinem Onkel, meine ich, sollte man besser mit dem fait accompli kommen.«

Sie sah ihn forschend an.

»Du wärest bereit, mich auf der Stelle zu heirathen? So, wie ich gehe und stehe? Ohne meine Familie zu kennen?«

Wieder schlug ihm das Gewissen. Er sah jetzt deutlich, daß sie ihn auf die Probe stellte, ob er sie nur um ihrer selbst liebte. Er schämte sich. Es war zu spät, zu sprechen! Und was auch konnte er sagen? Er wußte ja in Wirklichkeit nichts; was er glaubte, war vielleicht nicht mehr, als ein Hirngespinst. Wer weiß, vielleicht war das Alles nur Einbildung, hervorgerufen durch harmlose Zufälle. Der Ring? Nun, wenn man einen verliebten reichen Onkel hat? Und der Brief? Konnte sie nicht eine entfernte Verwandte des früheren Inhabers jener Firma sein? Vielleicht hatte sie wirklich nichts! Aber er liebte sie und wollte das riskiren. Mit sieghafter Entschlossenheit erklärte er, er sei bereit, sie sogleich zur Frau zu nehmen – auf der Stelle.

Ihr schönes Gesicht war wie verklärt. Natürlich, sie mußte glauben, daß er um die arme, unbekannte Malerin freie. Und sie war glücklich.

War er nicht ein elender Betrüger? Aber immer wieder tröstete er sich damit, daß er sie ja liebe – sie konnte nicht mehr, nicht aufrichtiger geliebt werden.

Bevor es Abend wurde, war Alles verabredet. Man hatte sich einen ganzen Roman zurechtgelegt. Die erforderlichen Papiere waren schnell zu beschaffen, auch eine bescheidene Wohnung ließ sich in kurzer Zeit einrichten. Die Heimlichkeit aber würde nicht besser zu wahren sein, als wenn man in Berlin heirathete, in diesem brodelnden Chaos von persönlichen Interessen, in welchem immer nur die wirklich Schreienden gehört werden. Kein Mensch würde sich darum kümmern, daß ihre Namen drei Wochen lang in der halbdunklen Halle des Berliner Rathhauses aushingen. Niemand würde wissen, daß man eines Vormittags in Gesellschaft zweier Freunde zum Standesamt ginge. Auf eine kirchliche Trauung freilich mußte man verzichten, was merkwürdiger Weise weniger Kamilla, als ihren Bräutigam leise schmerzlich berührte. Ihm, der sonst gar nicht religiös war, wollte es scheinen, als ob just dieser Bund den himmlischen Segen nöthig habe; für die Braut ruhte auf ihm schon jetzt der heiligste, der Segen der Liebe darauf.

Ihr besonders gefiel diese romantische Art des Heirathens. Und er willigte ein, in Alles.

Dann wieder sagte er sich, er müsse ihr vorher gestehen, daß er wisse, wer sie sei. Aber heute fand er nicht das Herz dazu. Diesen Glückstag durfte man nicht stören!

Später! Später! rief er sich auch an den nächsten Tagen wieder zu. Er wäre doch ein Narr, diesen ungeheuern Glücksfall auf das Spiel zu setzen. Ein Narr ohne Gleichen! Eine liebenswürdige Frau – ein Weib das er anbetete und eine Millionärin, – nein, das durfte er nicht! Er wollte sie um jeden Preis festhalten, diese entzückende Braut …

Als er sie an jenem Vormittage nach der stillen Verlobung verlassen hatte, ging er eine Flasche schweren Weines trinken. Solch' einen unerhörten Glücksfall mußte man feiern! Und in rosigster Laune telegraphirte er an seinen Freund:

»Meinerseits Goldfisch gefangen!«

Das selige Brautpaar verbrachte noch ein paar schöner Tage an der See. Tante Rose freilich war verdrießlich, vor ihr hatte man die Sache unmöglich geheim halten können. Sie raisonnirte über das »Abenteuer«, verstand es nicht, wie man sich nur so auf der Landstraße verloben konnte. Aber weder nahm Kamilla sie ernst, noch ließ sich Guido in seinem Glücksgefühl stören.

Täglich fragte Kamilla:

»Liebst Du mich wirklich?«

Und täglich schwor er es immer von Neuem, mit frohem Herzen. –

Nun war alles für die Trauung vorbereitet. Sie hatten jetzt Wochen neben einander gelebt in stetem Verkehr. Ihre Neigungen und Meinungen stimmten ganz wunderbar überein. Sie freuten sich gemeinsam an Kunst und Natur und ihre Ideen und Lebensanschauungen zeigten nur jene kleine Verschiedenheit, die den Verkehr reizvoll und anregend macht. Kamilla nahm von ihm kleine Aufmerksamkeiten an und sagte lächelnd:

»Etwas verdiene ich ja! Und wenn Du mehr ausgiebst, als Du solltest, so werden wir es schon wieder hereinbringen.«

Dabei lebten sie einfach in der bisherigen Weise fort – er in seinem Hotel, sie in ihrem Privatlogis. Man trug sogar Sorge, der Badegesellschaft nicht allzusehr aufzufallen.

Wenige Tage vor der festgesetzten Abreise rückte Kamilla eines Morgens mit dem Vorschlage heraus, es solle ein Ehekontrakt geschlossen werden.

Von Neuem erwachte sein Gewissen. Aber sie war es ja, von der dieser Gedanke ausging, nicht er. Und – konnte er sich nicht auch irren? Hatte er nicht gewissermaßen, um sich nicht noch tiefer in Schuld zu verirren, geflissentlich jeden Versuch, jede Anfrage unterlassen, der ihm hätte Gewißheit geben können? Nein, er wollte nichts wissen, wie er ja auch thatsächlich nichts wußte.

Sogar ihre Papiere, die nun angekommen waren, verriethen Bestimmtes nicht. Da hieß es nur: Kamilla, Wittwe des Kaufmann Goldegg …« Vielleicht war sie wirklich nur zur »Nebenlinie« jener Goldeggs gehörig, von denen er erfahren hatte. Gleichviel, er wollte nur sie!! Und war sie arm, so mochte es auch so gut sein.

Bei dem Notar des Badestädtchens schlossen sie einen Vertrag auf Gütergemeinschaft. Als Vermögensobjekt seitens der Frau waren in erster Linie ihre Erbansprüche genannt.

Nur noch acht Tage trennten sie von der Trauung und nun reiste das Brautpaar in Gesellschaft der Tante Rose nach Berlin.

Die Tante war noch immer mürrisch und verdrossen und das mußte seltsam genug erscheinen. Sie konnte sich doch freuen, die so schwer zu behandelnde Nichte unter Dach zu wissen!

Guido wollte zunächst seine Braut nach Charlottenburg führen, wo er mit seiner Schwester wohnte. Denn diese Schwester, von der er geradezu schwärmte, mußte sie vor allen Dingen kennen lernen. Kamilla hatte keine Angehörigen in Berlin. Sie stammte aus Thüringen, wo auch ihre Verwandten lebten. Ueber den Onkel waren ihre Angaben ungenau; Guido zog es immer vor, das Gespräch abzubrechen, wenn es auf ihn kam. Ihm war die Sache ein wenig unheimlich – er hielt sich an seine Liebe.

»Wird was Rechtes herauskommen,« knurrte die Tante, als sie zu Dreien in einem Coupé saßen, auf der Reise nach Berlin.


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