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Das erste Gesetz also verhütet die Ausschweifung in die Mannigfaltigkeit verschiedener ursprünglichen Gattungen, und empfiehlt die Gleichartigkeit; das zweite schränkt dagegen diese Neigung zur Einhelligkeit wiederum ein, und gebietet Unterscheidung der Unterarten, bevor man sich mit seinem allgemeinen Begriffe zu den Individuen wende. Das dritte vereinigt jene beiden, indem sie bei der höchsten Mannigfaltigkeit dennoch die Gleichartigkeit durch den stufenartigen Übergang von einer Spezies zur anderen vorschreibt, welches eine Art von Verwandtschaft der verschiedenen Zweige anzeigt, insofern sie insgesamt aus einem Stamme entsprossen sind.
Dieses logische Gesetz des continui specierum (formarum logicarum) setzt aber ein transzendentales voraus (lex continui in natura), ohne welches der Gebrauch des Verstandes durch jene Vorschrift nur irre geleitet werden würde, indem sie vielleicht einen der Natur gerade entgegengesetzten Weg nehmen würde. Es muß also dieses Gesetz auf reinen transzendentalen und nicht empirischen Gründen beruhen. Denn in dem letzteren Falle würde es später kommen als die Systeme; es hat aber eigentlich das Systematische der Naturerkenntnis zuerst hervorgebracht. Es sind hinter diesen Gesetzen auch nicht etwa Absichten auf eine mit ihnen, als bloßen Versuchen, anzustellende Probe verborgen, obwohl freilich dieser Zusammenhang, wo er zutrifft, einen mächtigen Grund abgibt, die hypothetisch ausgedachte Einheit für gegründet zu halten, und sie also auch in dieser Absicht ihren Nutzen haben, sondern man sieht es ihnen deutlich an, daß sie die Sparsamkeit der Grundursachen, die Mannigfaltigkeit der Wirkungen, und eine daherrührende Verwandtschaft der Glieder der Natur an sich selbst für vernunftmäßig und der Natur angemessen urteilen, und diese Grundsätze also direkt und nicht bloß als Handgriffe der Methode ihre Empfehlung bei sich führen.
Man sieht aber leicht, daß diese Kontinuität der Formen eine bloße Idee sei, der ein kongruierender Gegenstand in der Erfahrung gar nicht aufgewiesen werden kann, nicht allein um deswillen, weil die Spezies in der Natur wirklich abgeteilt sind, und daher an sich ein quantum discretum ausmachen müssen, und, wenn der stufenartige Fortgang in der Verwandtschaft derselben kontinuierlich wäre, sie auch eine wahre Unendlichkeit der Zwischenglieder, die innerhalb zweier gegebener Arten lägen, enthalten müßte, welches unmöglich ist: sondern auch, weil wir von diesem Gesetz gar keinen bestimmten empirischen Gebrauch machen können, indem dadurch nicht das geringste Merkmal der Affinität angezeigt wird, nach welchem und wie weit wir die Gradfolge ihrer Verschiedenheit zu suchen, sondern nichts weiter, als eine allgemeine Anzeige, daß wir sie zu suchen haben.
Wenn wir die jetzt angeführten Prinzipien ihrer Ordnung nach versetzen, um sie dem Erfahrungsgebrauch gemäß zu stellen, so würden die Prinzipien der systematischen Einheit etwa so stehen: Mannigfaltigkeit, Verwandtschaft und Einheit, jede derselben aber als Ideen im höchsten Grade ihrer Vollständigkeit genommen. Die Vernunft setzt die Verstandeserkenntnisse voraus, die zunächst auf Erfahrung angewandt werden, und sucht ihre Einheit nach Ideen, die viel weiter geht, als Erfahrung reichen kann. Die Verwandtschaft des Mannigfaltigen, unbeschadet seiner Verschiedenheit, unter einem Prinzip der Einheit, betrifft nicht bloß die Dinge, sondern weit mehr noch die bloßen Eigenschaften und Kräfte der Dinge. Daher, wenn uns z. B. durch eine (noch nicht völlig berichtigte) Erfahrung der Lauf der Planeten als kreisförmig gegeben ist, und wir finden Verschiedenheiten, so vermuten wir sie in demjenigen, was den Zirkel nach einem beständigen Gesetze durch alle unendlichen Zwischengrade, zu einer dieser abweichenden Umläufe abändern kann, d. i. die Bewegungen der Planeten, die nicht Zirkel sind, werden etwa dessen Eigenschaften mehr oder weniger nahe kommen, und fallen auf die Ellipse. Die Kometen zeigen eine noch größere Verschiedenheit ihrer Bahnen, da sie (soweit Beobachtung reicht) nicht einmal im Kreise zurückkehren; allein wir raten auf einen parabolischen Lauf, der doch mit der Ellipsis verwandt ist, und, wenn die lange Achse der letzteren sehr weit gestreckt ist, in allen unseren Beobachtungen von ihr nicht unterschieden werden kann. So kommen wir, nach Anleitung jener Prinzipien, auf Einheit der Gattungen dieser Bahnen in ihrer Gestalt, dadurch aber weiter auf Einheit der Ursache aller Gesetze ihrer Bewegung (die Gravitation), von da wir nachher unsere Eroberungen ausdehnen, und auch alle Varietäten und scheinbare Abweichungen von jenen Regeln aus demselben Prinzip zu erklären suchen, endlich gar mehr hinzufügen, als Erfahrung jemals bestätigen kann, nämlich, uns nach den Regeln der Verwandtschaft selbst hyperbolische Kometenbahnen zu denken, in welchen diese Körper ganz und gar unsere Sonnenwelt verlassen, und, indem sie von Sonne zu Sonne gehen, die entfernteren Teile eines für uns unbegrenzten Weltsystems, das durch eine und dieselbe bewegende Kraft zusammenhängt, in ihrem Laufe vereinigen.
Was bei diesen Prinzipien merkwürdig ist, und uns auch allein beschäftigt, ist dieses: daß sie transzendental zu sein scheinen, und, ob sie gleich bloße Ideen zur Befolgung des empirischen Gebrauchs der Vernunft enthalten, denen der letztere nur gleichsam asymptotisch, d. i. bloß annähernd folgen kann, ohne sie jemals zu erreichen, sie gleichwohl, als synthetische Sätze a priori, objektive, aber unbestimmte Gültigkeit haben, und zur Regel möglicher Erfahrung dienen, auch wirklich in Bearbeitung derselben, als heuristische Grundsätze, mit gutem Glücke gebraucht werden, ohne daß man doch eine transzendentale Deduktion derselben zustande bringen kann, welches, wie oben bewiesen worden, in Ansehung der Ideen jederzeit unmöglich ist.
Wir haben in der transzendentalen Analytik unter den Grundsätzen des Verstandes die dynamischen, als bloß regulativen Prinzipien der Anschauung, von den mathematischen, die in Ansehung der letzteren konstitutiv sind, unterschieden. Diesem ungeachtet sind gedachte dynamische Gesetze allerdings konstitutiv in Ansehung der Erfahrung, indem sie die Begriffe, ohne welche keine Erfahrung stattfindet, a priori möglich machen. Prinzipien der reinen Vernunft können dagegen nicht einmal in Ansehung der empirischen Begriffe konstitutiv sein, weil ihnen kein korrespondierendes Schema der Sinnlichkeit gegeben werden kann, und sie also keinen Gegenstand in konkreto haben können. Wenn ich nun von einem solchen empirischen Gebrauch derselben, als konstitutiver Grundsätze, abgehe, wie will ich ihnen dennoch einen regulativen Gebrauch, und mit demselben einige objektive Gültigkeit sichern, und was kann derselbe für Bedeutung haben?
Der Verstand macht für die Vernunft ebenso einen so Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit für den Verstand. Die Einheit aller möglichen empirischen Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschäft der Vernunft, sowie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch Begriffe verknüpft und unter empirische Gesetze bringt. Die Verstandeshandlungen aber, ohne Schemate der Sinnlichkeit, sind unbestimmt: ebenso ist die Vernunfteinheit auch in Ansehung der Bedingungen, unter denen, und des Grades, wie weit, der Verstand seine Begriffe systematisch verbinden soll, an sich selbst unbestimmt. Allein, obgleich für die durchgängige systematische Einheit aller Verstandesbegriffe kein Schema in der Anschauung ausfindig gemacht werden kann, so kann und muß doch ein Analogon eines solchen Schema gegeben werden, welches die Idee des Maximum der Abteilung und der Vereinigung der Verstandeserkenntnis in einem Prinzip ist. Denn das Größeste und absolut Vollständige läßt sich bestimmt gedenken, weil alle restringierenden Bedingungen, welche unbestimmte Mannigfaltigkeit geben, weggelassen werden. Also ist die Idee der Vernunft ein Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit, aber mit dem Unterschiede, daß die Anwendung der Verstandesbegriffe auf das Schema der Vernunft nicht ebenso eine Erkenntnis des Gegenstandes selbst ist (wie bei der Anwendung der Kategorien auf ihre sinnlichen Schemate), sondern nur eine Regel oder Prinzip der systematischen Einheit alles Verstandesgebrauchs. Da nun jeder Grundsatz, der dem Verstande durchgängige Einheit seines Gebrauchs a priori festsetzt, auch, obzwar nur indirekt, von dem Gegenstande der Erfahrung gilt: so werden die Grundsätze der reinen Vernunft auch in Ansehung dieses letzteren objektive Realität haben, allein nicht um etwas an ihnen zu bestimmen, sondern nur um das Verfahren anzuzeigen, nach welchem der empirische und bestimmte Erfahrungsgebrauch des Verstandes mit sich selbst durchgängig zusammenstimmend werden kann, dadurch, daß er mit dem Prinzip der durchgängigen Einheit, soviel als möglich, in Zusammenhang gebracht, und davon abgeleitet wird.
Ich nenne alle subjektiven Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern dem Interesse der Vernunft, in Ansehung einer gewissen möglichen Vollkommenheit der Erkenntnis dieses Objekts, hergenommen sind, Maximen der Vernunft. So gibt es Maximen der spekulativen Vernunft, die lediglich auf dem spekulativen Interesse derselben beruhen, ob es zwar scheinen mag, sie wären objektive Prinzipien.
Wenn bloß regulative Grundsätze als konstitutiv betrachtet werden, so können sie als objektive Prinzipien widerstreitend sein; betrachtet man sie aber bloß als Maximen, so ist kein wahrer Widerstreit, sondern bloß ein verschiedenes Interesse der Vernunft, welches die Trennung der Denkungsart verursacht. In der Tat hat die Vernunft nur ein einiges Interesse und der Streit ihrer Maximen ist nur eine Verschiedenheit und wechselseitige Einschränkung der Methoden, diesem Interesse ein Genüge zu tun.
Auf solche Weise vermag bei diesem Vernünftler mehr das Interesse der Mannigfaltigkeit (nach dem Prinzip der Spezifikation), bei jenem aber das Interesse der Einheit (nach dem Prinzip der Aggregation). Ein jeder derselben glaubt sein Urteil aus der Einsicht des Objekts zu haben, und gründet es doch lediglich auf der größeren oder kleineren Anhänglichkeit an einen von beiden Grundsätzen, deren keine auf objektiven Gründen beruht, sondern nur auf dem Vernunftinteresse, und die daher besser Maximen als Prinzipien genannt werden könnten. Wenn ich einsehende Männer miteinander wegen der Charakteristik der Menschen, der Tiere oder Pflanzen, ja selbst der Körper des Mineralreichs im Streite sehe, da die einen z. B. besondere und in der Abstammung gegründete Volkscharaktere, oder auch entschiedene und erbliche Unterschiede der Familien, Rassen usw. annehmen, andere dagegen ihren Sinn darauf setzen, daß die Natur in diesem Stücke ganz und gar einerlei Anlagen gemacht habe, und aller Unterschied nur auf äußeren Zufälligkeiten beruhe, so darf ich nur die Beschaffenheit des Gegenstandes in Betrachtung ziehen, um zu begreifen, daß er für beide viel zu tief verborgen liege, als daß sie aus Einsicht in die Natur des Objekts sprechen könnten. Es ist nichts anderes, als das zwiefache Interesse der Vernunft, davon dieser Teil das eine, jener das andere zu Herzen nimmt, oder auch affektiert, mithin die Verschiedenheit der Maximen der Naturmannigfaltigkeit, oder der Natureinheit, welche sich gar wohl vereinigen lassen, aber solange sie für objektive Einsichten gehalten werden, nicht allein Streit, sondern auch Hindernisse veranlassen, welche die Wahrheit lange aufhalten, bis ein Mittel gefunden wird, das streitige Interesse zu vereinigen, und die Vernunft hierüber zufrieden zu stellen.
Ebenso ist es mit der Behauptung oder Anfechtung des so berufenen, von Leibniz in Gang gebrachten und durch Bonnet trefflich aufgestutzten Gesetzes der kontinuierlichen Stufenleiter der Geschöpfe bewandt, welche nichts als eine Befolgung des auf dem Interesse der Vernunft beruhenden Grundsatzes der Affinität ist; denn Beobachtung und Einsicht in die Einrichtung der Natur konnte es gar nicht als objektive Behauptung an die Hand geben. Die Sprossen einer solchen Leiter, so wie sie uns Erfahrung angeben kann, stehen viel zu weit auseinander, und unsere vermeintlich kleinen Unterschiede sind gemeiniglich in der Natur selbst so weite Klüfte, daß auf solche Beobachtungen (vornehmlich bei einer großen Mannigfaltigkeit von Dingen, da es immer leicht sein muß, gewisse Ähnlichkeiten und Annäherungen zu finden,) als Absichten der Natur gar nichts zu rechnen ist. Dagegen ist die Methode, nach einem solchen Prinzip Ordnung in der Natur aufzusuchen, und die Maxime, eine solche, obzwar unbestimmt, wo, oder wie weit, in einer Natur überhaupt als gegründet anzusehen, allerdings ein rechtmäßiges und treffliches regulatives Prinzip der Vernunft; welches aber, als ein solches, viel weiter geht, als daß Erfahrung oder Beobachtung ihr gleichkommen könnte, doch ohne etwas zu bestimmen, sondern ihr nur zur systematischen Einheit den Weg vorzuzeichnen.