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IX.

Arthur Bluß trägt am linken kleinen Finger zwei kostbare Brillantringe.

Bell Dingo begnügt sich mit einem Platinring mit Smaragd.

Arthur Bluß hat Hände wie ein Kassierer in einem Schönheitssalon, polierte Nägel, und dreht sich seine Zigaretten selbst. In diesem Punkt kann Dingo nicht mithalten.

Der Colonel sagt zu mir, nachdem wir am Feuer auf den Klappstühlen Platz genommen haben: »Mister Abelsen, wir haben uns natürlich an Tauen auf die Terrasse herabgelassen.«

»Leider …«

»Ja, Sie fühlten sich hier zu sicher. – Wo ist der Neger?«

»Im Flugzeug nach Burketown zum Friseur. Colonel«, entgegnete ich todernst, denn Bluß hat Sinn für Humor.

Diesmal wirft er mir jedoch einen mißbilligenden Blick zu: »Vergessen Sie nicht, daß Sie der Polizei Widerstand geleistet und zwei Leute angeschossen haben.«

Diese zwei und ihre Kameraden durchsuchten immer noch die Grotte. Hoffentlich rücken sie nicht den Schrank von der Hüttenrückwand ab.

»Wo ist der Schwarze?« wiederholte der Colonel sehr überflüssig, und ich zucke nur die Achseln.

Arthur Bluß betrachtet mich prüfend. »Ich habe in den Zeitungen so allerlei von Ihrer Insel gelesen«, meint er tastend.

»Mag sein, Colonel. Schade um das künstliche Eiland.«

Er fährt vom Klappstuhl hoch. »Haben Sie es etwa versenkt?«

»Gewiß …«

Bluß starrt mich an. Auch Charlie, der Dobermann, starrt mich an und liegt wie sprungbereit.

»Dann …« sagt Bluß nachdenklich und setzt sich wieder, »dann würde sich vieles ändern

»Inwiefern?« gestatte ich mir zu fragen. »Ob mein Eiland auf dem Grunde des Meeres liegt, kann Ihnen doch sehr gleichgültig sein. Ihre Interessensphäre beginnt bei den Buschkleppern und endet am Galgen.«

Er lächelt eigentümlich. »Am Galgen wünschten mich viele, Mister Abelsen …« Dann wird er sehr ernst, ein nachdenklicher Zug tritt in sein Gesicht und er blickt mich wieder an. »Wenn man Ihnen trauen könnte«, meinte er scheinbar ohne jeden Zusammenhang.

Leider wird unser Gespräch hier durch das Erscheinen des Mestizen Mistar unterbrochen. Der lange unangenehme Kerl mit den Bläckzähnen hat es sehr eilig und flüstert dem Colonel etwas zu … Ich verstehe lediglich ein paar Worte, und die besagen nichts. Aber meine Sorge, die Queensländer könnten etwa den zweiten Zugang entdeckt haben, erweist sich als überflüssig. Bluß und Mistar griffen nach ihren Karabinern und laufen durch den Pfad auf die Terrasse. Gleichzeitig höre ich aus dem Talkessel durch den Felsengang, der wie ein Schallrohr wirkt, eine förmliche Salve, – – dann knattert es auch draußen auf der Terrasse, und in den Lärm des Kampfes mischt sich das Aufheulen des Hundes, der seinem Herrn gefolgt ist: Paloma Ruxas Bande greift die Queensländer an, und der Anzahl der Schüsse nach sind die Banditen weit zahlreicher. – Ich beginne zu fiebern … Jeden Schuß verfolge ich, jeden Schrei … Ich vergesse meine eigene Lage, – ich hätte es so leicht, die Fußfesseln abzustreifen und durch die Hütte zu fliehen. Ich könnte den Schrank mit der Schulter wegrücken, ich könnte …

Die Hüttentür knarrt … Ein heller Schatten gleitet in den Lichtkreis, und Bell Dingo packt mich, nimmt mich in die Arme und trägt mich durch die Hütte in die enge Felsenkluft, zerschneidet meine Fesseln und befiehlt hastig: »Mussu, hier bleiben!!«

Ich sitze auf kaltem Gestein und reibe meine abgestorbenen Hände. Ich bin es nicht gewöhnt, mich mit einer Nebenrolle zu begnügen, – ich habe noch die kleine elektrische Lampe in der Tasche, ebenso meine Pistole, – ich taste mich vorwärts und renne gegen ein großes weißes Bündel, das Bell Dingo soeben vor dem Felsloch niederlegt. Dann schiebt er eine Steinplatte halb vor die Öffnung, kriecht nochmals hindurch, rückt den Schrank wieder zurecht.

Aber der Schrank wird ihm aus den Händen gerissen –, Colonel Bluß taumelt Dingo in die Arme, und der Dobermann Charlie schleppt sich hinterdrein. Ich nehme Dingo den Bewußtlosen ab … Des Colonels Rock ist voll frischer Blutflecken, und schwer wie Blei hängt mir Arthur Bluß in den Armen.

Blitzartig spielt sich das alles ab …

Blitzschnell handelt der prächtige Schwarze, kriecht in die Hütte, wischt des Colonels blutige Spuren aus, schiebt den Schrank vor, rollt die Steinplatte in die richtige Lage und stemmt die Holzstütze dagegen.

Meine elektrische Taschenlampe beleuchtet des Colonels leichenhaftes Gesicht. Sein Kopf ist mir gegen die Schulter gefallen, er gleicht einem Sterbenden, und doch sind seine Züge in dieser schmerzlich starren Blässe vielleicht noch anziehender und edler.

Hinter mir ein halblauter Aufschrei …

»Robb, – – er stirbt!!«

Es ist Ethels Stimme, es ist die Stimme der Frau, die mir, dem Einsamen, die Ruhe nahm.

Ich kann mich mit diesem Todwunden in den Armen in diesem engen Felsengang nicht umdrehen. Ich sehe Ethel nicht, aber nochmals höre ich ihren verzweifelten Ruf: »Robb, – – er stirbt!!«

Wer ist Robb?! Ethels Gatte heißt Kapitän John Murray, und Robb ist die Abkürzung von Robert. Wer ist Robert?!

Noch Seltsameres: Bell Dingo schnellt sich an mir vorüber, – er spricht irgend etwas in seiner Affensprache in toller Erregung, – jemand weint, – – das Weinen erstickt, Steine poltern hinter mir, und Dingo nimmt mir den Colonel ab …

»Du Bündel tragen, Mussu!«

»Also haben die Buschklepper die Polizei zusammengeschossen, Dingo?« – es ist eine Frage, die mir nur in der Aufregung über die Lippen kommt.

Des Schwarzen prächtige Zähne entblößen sich in schrecklichem Grinsen.

»Ich wünschen, es wär' so!« zischt er und eilt davon.

Ich hebe das Bündel auf, in dem es verdächtig klirrt und klappert. Es ist die weißbezogene Decke des blütenweißen Bettes aus der Hütte, und ihr Inhalt sind all die Toilettensachen und Fläschchen und Tuben. Eine Flasche Parfüm muß in Brüche gegangen sein … Ich rieche es, aber ich habe keine Zeit, so Nebensächliches zu beachten. Ich stolpere hinter Dingo drein, zuweilen sehe ich vor ihm den grauen Haarwust seiner Mutter und ihren bunten langen Kittel, zuweilen glaube ich noch eine fünfte Gestalt ganz vorn zu bemerken, aber ich habe mit dem abschüssigen Wege genug zu tun, – – ich stehe plötzlich im Freien im dichtesten Gestrüpp, und über mir blinken die Sterne des Südhimmels, und der Salzhauch des Meeres dringt erquickend in meine Lungen.

»Mussu, hier warten!« kommandiert Dingo flüsternd …

Er entschwindet im Dunkel der Sträucher, kehrt erst nach zehn Minuten zurück …

Ich habe die Taschenlampe längst ausgeschaltet. Von oben her, von irgendwo höre ich schrille Rufe.

Dingo zieht mich vorwärts, hinab in ein schmales Tal, – wieder empor in dickstem grünem Unterholz, bis wir die Ebene erreichen. An einer einzelnen Kasuarine stehen drei gesattelte Pferde, am Boden liegt Colonel Bluß mit nacktem Oberleib auf einer Wolldecke, – er ist bereits verbunden, auch sein Hund trägt am linken Hinterbein einen frischen Verband. Der scharfe Geruch von Jodoformgaze dringt mir in die Kehle –, Bell Dingo läßt mir keine Sekunde, mich auf mich selbst zu besinnen. Ich muß helfen, – wir fertigen aus Ästen eine Schleife an, legen den Colonel auf diesen improvisierten Wagen und traben in die Nacht hinaus.

Hier auf der Hochebene weht der Wind mit Stärke acht. Die elenden Salzkräuter der Wüste werden dauernd vom feinen Sandregen gepeitscht. – Sand bedeckt unsere verräterische Fährte, und so geht's immer gen Norden mit kurzen Pausen – stundenlang. –

Wer Augen hat zu sehen, wer andere Steppen und Wüsten anderer Länder kennt, weiß genau: auch hierin hat ein jeder Erdteil, eine jede Zone, ihr besonderes Gesicht. Als ich, gebürtiger Schwede mit deutschem Blut, von Mutterseite her in den Adern, in Deutschland meinen technischen Studien oblag, habe ich die Lüneburger Heide von Karthaus aus besucht. Das war lange vor der Riesenspekulation in Kolonien und Auslandsgeschäften, zumeist Weltkrieg genannt. Später führte mich mein Beruf nach Indien, Australien, Südafrika, noch später ein blinder, aber gütiger Zufall nach dem südlichsten Südamerika.

Die inneraustralische Wüste, deren Ausläufer sich sowohl nordwärts wie südwärts bis in die Küstengebiete vorschieben, ist mit keiner der anderen fremden unfruchtbaren, unbebaubaren Steppen auch nur im geringsten zu vergleichen. Ihr Gesicht ist so typisch australisch, wie's die ungeheuren Schafherden für diesen Erdteil sind. Die entsetzliche Eintönigkeit völlig kahler Sanddünen, wie sie die Sahara oder die Kalahari aufweisen, fehlt hier vollkommen. Die Pflanzen- und Tierwelt Australiens scheint darauf eingestellt zu sein, sich auf erbärmlichstem Boden weiterzuhelfen. Wo dieser auch nur eine Spur von Feuchtigkeit besitzt, verwandelt sich die mit Büscheln harter Salzkräuter bedeckte Steppe in »Baumsavannen« mit freundlichen grünen Inseln, zwischen denen wie Verbindungsbrücken in dichteren oder loseren Reihen Grasbäume, Riesenschachtelhalme und Eukalyptusarten mit vier bis sechs Meter langen Stengeln auftreten. Das monotone Landschaftsbild Südaustraliens mit den unendlichen Mallee-Scrubs fehlt im Norden gänzlich. –

Wir hatten den Burke-Fluß mit Hilfe einer flachen Furt passiert. Bell Dingo hatte den Verwundeten in den Armen durch das nur hüfttiefe Wasser getragen. Der Colonel war noch immer ohne Besinnung. Der Brustschuß saß schräg, und die Lunge war fraglos übel zugerichtet. Schaumiges Blut rann ihm immer wieder zum Kinn hinab. Der neue Tag war längst angebrochen. Freund Dingo hatte entschieden für seine Schweigsamkeit gute Gründe. Jeder Diplomat konnte von ihm lernen. Ich hatte das Fragen sehr bald aufgesteckt, denn Ai Ai's Antworten waren so nichtssagend wie Parlamentsreden. Dafür biederte ich mich umsomehr mit Charlie an. Es war ein reinrassiger hochbeiniger Dobermann mit verblüffender Dressur. Das arme Tier hinkte stark, und meilenweit nahm ich ihn vor mich in den Sattel und freute mich, wenn er vor Blutverlust und Erschöpfung in meinen Armen einschlief.

Das Wenige, was Dingo mir mitzuteilen für gut befunden, mußte ich mir selbst ergänzen, um ein Gesamtbild über die Lage zu erhalten. – Dingos Mutter war vorausgeritten. Unser Ziel war ein »sicherer Ort«, wie Ai Ai sich ausgedrückt hatte. Ethel Murray würden wir dort vorfinden – sagte Dingo. Von Paloma Ruxa war nicht mehr die Rede. »Kruxa, große Räuberin. sein frei …!« hatte Dingo kurz erklärt. Er rechnete auch mit Verfolgern. »Polizei uns suchen werden, aber nie denken, wir so weit ins Innere reiten.«

Nun gut, das mochte sein. Aber weshalb schleppten wir den todwunden Oberst mit uns?! Etwa als Geisel?! War Paloma doch noch in den Händen der Polizei? Gedachte Ethel den Colonel gesund zu pflegen und ihn dann gegen Paloma auszutauschen? – Mein Ai Ai grinste zu diesen Vermutungen nur sehr fragwürdig. Überhaupt: er erschien mir immer seltsamer, dieser Schwarze mit den tadellosen Manieren, der erstaunlichen Sauberkeit und der Vielseitigkeit seiner Kenntnisse, die trotz seines mangelhaften Englisch geradezu mustergültig waren. Wenn seine Häßlichkeit, seine Krimmermütze, seine Kartoffelnase und Wulstlippen nicht so über jeglichen Zweifel hinaus echt gewesen wären, hätte ich vielleicht auf den Gedanken kommen können, Bell Dingo sei lediglich der verkleidete Verehrer Palomas, jener sagenhafte Lord.

Morgens ein halb acht stießen wir auf die Reste einer Schmalspurbahn. Die Schienen und Schwellen waren zumeist vom Winde verweht, anderswo hatten Eingeborene die Eisenschienen »weggefunden« und für ihren Hausbedarf benutzt.

»Zehn Jahre lange Zeit«, meinte Dingo und folgte nun dem Schienenwege.

»Wer baute diese Bahn?« erkundigte ich mich mäßig interessiert. Denn der Durst quälte mich. Das wenige Wasser unserer Feldflaschen hatten wir Arthur Bluß gespendet.

Dingos Antwort pulverte mich auf.

»Señor Ruxa«, sagte er gleichmütig.

»Der Vater der Schwestern?«

»Ai ai, Mussu: Señor Alfonso Rodrigo Graf Ruxa.«

Mir ging ein Licht auf.

»Sind wir etwa unterwegs nach der früheren Ruxa-Farm?«

»Ai, ai, Mussu, – bald dort sein, noch eine Stunde …«

Aber diese Stunde wurde zur Ewigkeit. Der Colonel hatte starkes Wundfieber, schrie, sang, brüllte. Immer wieder mußten wir aus dem Sattel und warten, bis er wieder ruhiger geworden. Von einem blaßblauen Himmel stach die Sonne unbarmherzig herab. Immer wieder schaute Dingo spähend umher, bis er endlich auf einen einzelnen schlanken Baum mit olivgrünen langen Blättern zujagte.

Der Gum-Tree, der Fieberbaum, ist in Nordaustralien selten. Im Süden trifft man ihn in ganzen Wäldern an.

Ich lenkte die Schleife, vor die das dritte Pferd gespannt war, in die Talmulde hinab. Dingo säbelte schon mit dem Messer saftige Rindenstücke ab und … zerkaute sie, spuckte den Brei in einen Becher, nahm nachher sein Taschentuch und drückte den Saft aus dem Brei heraus und gab ihn Colonel Bluß zum Trinken. Die Wirkung war überraschend. Nach zehn Minuten schwitzte Bluß aus allen Poren und atmete freier.

Bell Dingo trennte sich hier von mir.

»Mussu, du meiner Fährte leicht folgen können, – ich vorausreiten zur Vorsicht …« bestimmte er wieder einmal.

Er jagte davon. Er hatte es auffallend eilig. Reiten konnte er, – er konnte alles. Er schraubte Schildchen von einer Schalttafel ab, um sie zu putzen. Er fand sich hier in der Wildnis zurecht wie einer, der die Ruxa-Farm in all ihren Teilen kannte. Nur daß aufgebeulte Konservenbüchsen verdorben sind und spritzen, wußte er nicht.

Ich folgte im gemächlichen Schritt. Die Wüste war hier bereits in den tiefen Tälern der Kultur erschlossen gewesen. Ich stieß auf endlose Stacheldrahtzäune, frühere Hürden, jetzt leer bis auf ein paar Riesenkänguruhs, die kaum den Kopf nach mir hoben. Es waren die ersten, die ich in Freiheit sah.

Da mein Gaul bereits bedenklich schwitzte, stieg ich ab und wanderte zu Fuß weiter. Neben mir hinkte Charlie. Erinnerungen wurden mir wach an einen ähnlichen Transport wie diesen: Als wir Coy Cala von den weißen Eishöhen der Anden zurück zum Gallegos brachten – auch mit einem bösen Lungenschuß! Jahre schien das zurückzuliegen, und es waren doch nur Monate … Und Coy war tot. Was mir lieb und wert geworden, hat mir das Leben stets wieder genommen.

Die Drahtzäune mehrten sich. Sie waren halb verschüttet, zum Teil waren die Pfähle umgefallen. Meine Phantasie bevölkerte diese Hürden mit tausenden und abertausenden von Schafen … Ich sah die Schafscherer mit den flinken elektrischen Scheren an der Arbeit … Ich sah noch die elektrischen Leitungen, an den Stangen die weißen Steckdosen. Die Schafe und die Scherer fehlten. Die Farm war tot. Der Drehwurm hatte alles vernichtet.

An einer Stelle, wo Bell Dingo den Zaun im Sprung genommen, mußte ich einen Umweg machen. So kam ich auf einen Sandberg und konnte durch eine schmale Lücke eines Waldstücks eine flache weite Lichtung überblicken. Ich stand wie angewurzelt. Ich rieb mir die Augen … Hier gab es doch kaum eine Luftspiegelung dieser Art … Nein, das war keine Fata Morgana, das war Wirklichkeit.

Dort drüben mitten in der Lichtung erhob sich ein riesiges Holzkreuz, an dem irgend etwas Weißes hing.

Die flimmernde Hitze über dem Boden verzerrte die Konturen, und ich erkannte nicht, was das Weiße war. Aber schon das Kreuz allein stimmte mich nachdenklich. Ob dort Graf Alonso Ruxa begraben lag?! – Zu Füßen des Kreuzes im hellen Sande bemerkte ich Reihen dunkler Steine. Und oben auf dem Mittelbalken gewahrte ich noch etwas, und das war zweifellos ein verrosteter Schiffsanker.

Ich setzte meinen Weg fort, ich kam in einen dichten Wald, und hier stieß ich wieder auf die Schmalspurbahn.

Noch zehn Minuten, und dann vor mir ein grünes Tal, eine wundervolle Oase …

Rote Ziegeldächer in Grün gebettet, weiße Häuserfronten, ein Park mit sauberen Wegen … mit Terrassen, Springbrunnen, Treppen, Pavillons.

Ich bog in den Haupt weg ein und schritt dem Wohnhause zu, – ich hatte viele Überraschungen hinter mir, traurige und freudige: Diese tote Farm verschlug mir den Atem!

Wohnhaus?!

Nein – ein schlichter, wuchtiger Palast war's mit blinkenden Fenstern, freundlichen Fenstervorhängen … Vor der mächtigen Flügeltür auf der Terrasse stand Ethel Murray, neben ihr vier schwarze Diener. Zwei kamen mir entgegengelaufen mit einer Tragbahre. Der Oberst wurde von der Schleife gehoben. Man trug ihn ins Haus, man nahm mir die Pferde ab, und dann begrüßte mich Ethel mit einem lieben Lächeln …

»Seien Sie mir willkommen, Mister Abelsen …«

Ihre Hand lag in der meinen, und ich brachte kein Wort hervor.

Denn diese Frau hier war niemals Ethel Murray, mochte sie ihr auch noch so ähnlich sehen.

Ich war klug und verheimlichte meine Zweifel.

»Ich habe mich sehr um Sie gesorgt«, sagte ich nur.

»Das war lieb von Ihnen, aber überflüssig«, meinte sie herzlich und senkte den Blick.

Ihre Stimme war weicher als die Ethels … Ethel freilich war rassiger und schöner.

War dies Paloma Ruxa?!

»Kanarra, führe Mister Abelsen auf seine Zimmer«, befahl sie einem der tadellos in Weiß gekleideten Nigger. »Wir sehen uns in einer Stunde beim Frühstück wieder, lieber Mister Abelsen … Bis dahin können Sie auch das Bad hinter sich haben. Es ist alles bereit.«

Wir betraten die Vorhalle.

In demselben Moment erscholl drinnen irgendwo in dem großen Hause ein wahnwitziger Schrei. Ich hörte dieselbe Stimme noch verzweifelter gellen:

»Robb – – Robb, – – er stirbt!«

Mich überlief es eiskalt, ich schaute die Frau neben mir forschend an, und sie erklärte merklich unsicher:

»Es ist meine Zofe, Mister Abelsen … Sie ist schwerkrank.«

Dann öffnete sie rasch eine Tür und verließ mich. Der Diener Kanarra deutete auf die breite Treppe.

»Bitte, Mister Abelsen …« –

So hielt ich meinen Einzug in den Ruxa-Palast.

Die tote Farm lebte noch …


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